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Full text of "Vorlesungen über differentialgeometrie"

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p.  p. 

Meinen  umfangreichen  Verlag  auf  dem  Gebiete  der  Mathematisclien, 
der  Technischen  und  Naturwissenschaften  nach  allen  Richtungen  hin 
weiter  auszubauen,  ist  mein  stetes  durch  das  Vertrauen  und  Wohlwollen 
zahlreicher  hervorragender  Vertreter  obiger  Gebiete  von  Erfolg  begleitetes 
Bemühen,  wie  mein  Verlagskatalog  zeigt,  und  ich  hoffe,  dafs  bei  gleicher 
Unterstützung  seitens  der  Gelehrten  und  Schulmänner  des  In-  und  Auslandes 
auch  meine  weiteren  Unternehmungen  Lehrenden  und  Lernenden  in  Wissen- 
schaft und  Schule  jederzeit  förderlich  sein  werden.  Verlagsanerbieten  ge- 
diegener Arbeiten  auf  einschlägigem  Gebiete  werden  mir  deshalb,  wenn 
auch  schon  gleiche  oder  ähnliche  Werke  über  denselben  Gegenstand  in 
meinem  Verlage  erschienen  sind,  stets  sehr  willkommen  sein. 

Unter  meinen  zahlreichen  Unternehmungen  mache  ich  ganz  besonders 
auf  die  von  den  Akademien  der  Wissenschaften  zu  München  und  Wien  und 
der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  herausgegebene  Encyklo- 
pädie  der  Mathematischen  Wissenschaften  aufmerksam,  die  in  7  Bänden 
die  Arithmetik  und  Algebra,  die  Analysis,  die  Geometrie,  die  Mechanik, 
die  Physik,  die  Geodäsie  und  Geophysik  und  die  Astronomie  behandelt  und 
in  einem  Schlvifsband  historische,  philosophische  und  didaktische  Fragen 
besprechen,  sowie  ein  Generalregister  zu  obigen  Bänden  bringen  wird. 

Weitester  Verbreitung  erfreuen  sich  die  mathematischen  und  natur- 
wissenschaftlichen Zeitschriften  meines  Verlags,  als  da  sind:  Die  Mathe- 
matischen Annalen,  die  Bibliotheca  Mathematica,  das  Archiv  der 
Mathematik  und  Physik,  die  Jahresberichte  der  Deutschen  Mathe- 
matiker-Vereinigung, die  Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik 
und  die  Zeitschrift  für  mathematischen  und  naturwissenschaftlichen 
Unterricht. 

Seit  1868  veröffentliche  ich  in  kurzen  Zwischem-äumen:  „Mitteilungen 
der  Verlagsbuchhandlung  B.  G.  Teubner".  Diese  „Mitteilungen",  welche 
unentgeltlich  in  20000  Exemplaren  sowohl  im  In-  als  auch  im  Auslande 
von  mir  verbreitet  werden,  sollen  das  Publikum,  welches  meinem  Verlage 
Aufmerksamkeit  schenkt,  von  den  erschienenen,  unter  der  Presse  befindlichen 
und  von  den  vorbereiteten  Unternehmungen  des  Teubnerschen  Verlags  in 
Kenntnis  setzen  und  sind  ebenso  wie  das  bis  auf  die  Jüngstzeit  fortgeführte 
jährlich,  zwei-  bis  dreimal  neu  gedruckte  Verzeichnis  des  Verlags  von 
B.  G.  Teubner  auf  dem  Gebiete  der  Mathematik,  der  technischen 
und  Naturwissenschaften  nebst  Grenzgebieten,  96.  Ausgabe  [XL  u. 
168  S.  gr.  8],  in  allen  Buchhandlungen  unentgeltlich  zu  haben,  werden 
auf  Wunsch  aber  auch  unter  Kreuzband  von  mir  unmittelbar  an  die  Be- 
steller übersandt. 

Leipzig,  Poststrafse  3.  Jß     Q    TeUbner. 


Ä 


''AT. 


IN  MEMOmAM 
Irving  Stringham 


Mathematics 


LUIGI   BIANCHI 

VORLESUNGEN 


ÜBER 


DIFFERENTIALGEOMETRIE. 


AUTORISIERTE  DEUTSCHE  ÜBERSETZUNG 


MAX   LUKAT. 


LEIPZIG, 

DRUCK    UND    VERLAG    VON    B.  G.  TEUBNER. 
1899. 

STAf. 


Vorwort. 


Als  ich  im  Jakre  1886  die  „Lezioni  di  geometria  differenziale" 
lithographiert  erscheinen  liess,  war  es  meine  Absicht,  dieselben  nach 
den  aUmählich  im  Lehrgang  eingeführten  Modificationeu  und  Zusätzen, 
welche  die  ünterrichtspraxis  und  die  neueren  Fortschritte  der  Theorie 
mir  raten  wurden,  später  in  den  Druck  zu  geben.  Der  Nutzen  der 
beabsichtigten  Arbeit  schien  mir  nicht  zweifelhaft,  da  unt^r  den 
italienischen  und  ausländischen  Veröflentlichungen  damals  ein  Buch 
fehlte,  das  ausführlich  die  Anwendungen  der  Infinitesimalrechnung  in 
der  Geometrie  der  Flächen  behandelte. 

Heutzutage  hegt  die  Sache  ganz  anders.  Um  von  anderen  kleineren 
Werken  zu  schweigen,  besitzen  wir  jetzt  die  ersten  drei  Bände  des 
Lehrbuchs  von  Darboux:  .Xeeons  sur  la  theorie  generale  des  surfaces", 
das  eine  Tollständige  Zusammenst^llimcr  aller  bisher  auf  dem  Gebiet« 
der  Lifinitesimalgeometrie  gewonnenen  Resultate  enthält.  Wenn  ich 
trotzdem  meine  ursprüngliche  Absicht  ausgeführt  habe,  so  wurde  ich 
dazu  durch  die  Betrachtimg  geführt,  dass  Zweck  und  Plan  meiner 
Arbeit  wesentlich  von  denen  des  hervorragenden  französischen  Mathe- 
matikers verschieden  sind.  Indem  ich  mich  auf  die  Auseinandersetzung 
der  Grundzüge  der  Theorie  und  ihrer  hauptsächlichsten  Anwendimgen 
beschränke,  habe  ich  vor  allem  im  Sinne  gehabt,  in  einem  Bande  von 
nicht  zu  grossem  Umfange  alles  das  zusammenzustellen,  was  den  An- 
fängern, die  die  geometrischen  Anwendungen  der  Infinitesimalrechnung 
gründlich  kennen  zu  lernen  wünschen,  nötig  ist,  um  sich  die 
allgemeinen  Methoden  anzueignen  und  imstande  zu  sein,  Original- 
abhandlungen selbst  zu  lesen.  Mit  Bezug  hierauf  will  ich  gleich  be- 
merken, dafs  verschiedene  Kapitel  des  Buches,  und  zwar  besonders  die 
Kapitel  VIII,  XI,  XII,  XIU,  XV  und  XX  beim  ersten  Studium  über- 
schlacren  werden  können. 


810010 


IV  Vorwort. 

Die  Methode,  welcher  der  vorliegende  Lehrgang  durchweg  folgt, 
hat  ihren  Ursprung  in  den  berühmten  „Disquisitiones  generales  circa 
superficias  curvas"  von  Gauss  und  ])esteht  darin,  die  Differential- 
geometrie als  das  Studium  einer  quadratischen  Differentialform  oder 
solcher  zwei  simultanen  Formen  zu  betrachten. 

Deshalb  wird  man  auch  nach  einem  ersten  Kapitel,  das  über 
die  hauptsächlichsten  Eigenschaften  der  Kurven  mit  doppelter  Krüm- 
mung handelt,  ein  zweites  Kapitel  finden,  in  dem  in  aller  Kürze 
die  Theorie  der  quadratischen  Differentialformen  auseinandergesetzt  wird. 
Die  Algorithmen,  die  sich  aus  dieser  Theorie  herleiten,  haben  den 
grossen  Vorteil,  den  Formeln  ein  einfaches  und  elegantes  Aussehen  zu 
geben,  das  sich  leicht  dem  Gredächtnis  einprägt,  während  sie  gestatten, 
den  Coordinatenlinien  ihre  völlige  Allgemeinheit  zu  belassen:  sie  werden 
durchweg  in  diesem  Buche  in  Anwendung  gebracht  werden,  wofür 
dieses  Kapitel  als  Einleitung  dient. 

Das  allgemeine  Studium  der  Flächen  und  zwar  sowohl  der  Eieren- 
Schäften,  die  ihren  wirklichen  Gestalten  im  Räume  innewohnen,  als  auch 
der  bei  Biegung  der  Fläche  invariablen  (Theorie  der  Abwickelbarkeit) 
wird  in  den  folgenden  sieben  Kapiteln  auseinandergesetzt  (III- — IX). 
Es  folgen  drei  Kapitel  (X,  XI,  XII),  die  von  zwei  eng  mit  einander 
verbundenen  Theorien  handeln:  von  den  doppelt  unendlichen  Strahlen- 
systemen (Congruenzen)  und  von  den  infinitesimalen  Verbiegungen  der 
Flächen,  oder,  wenn  man  will,  von  dem  Entsprechen  durch  Orthogonalität 
der  Elemente;  sie  haben  schon  viele  wichtige  Ergebnisse  für  die  Theorie 
der  Flächen  geliefert  und  versprechen  auch  noch  andere  zu  geben. 
Kapitel  XIII  ist  der  Theorie  der  cyklischen  Systeme  gewidmet,  die 
völlig  Ribaucour  zu  verdanken  ist,  und  die  in  mehrfacher  Beziehung 
zu  den  beiden  vorhergehenden  steht.  Ich  gehe  dann  über  zur  Behand- 
lung von  zwei  Specialklassen  von  Flächen,  die  an  Wichtigkeit  die  bisher 
behandelten  übertreffen:  der  Minimalflächen  (XIV,  XV)  und  der  Flächen 
mit  constanter  Krümmung  (XVI,  XVII).  In  Kapitel  XIV  setze  ich, 
ausgehend  von  den  Weierstrass'schen  Formeln,  die  in  einfachster  und 
elegantester  Form  die  Theorie  der  Minimalflächen  mit  der  der  Functionen 
von  complexen  Veränderlichen  verbinden,  die  allgemeinen  Sätze,  die  auf 
diese  Flächen  Bezug  haben,  auseinander.  Kapitel  XV  bringt  einige 
allgemeine  auf  das  Plateau'sche  Problem  bezügliche  Anweisungen,  aber 
anstatt  mich  in  diesen  Gegenstand  tiefer  einzulassen,  der  beim  Leser 
die  Kenntnis  der  neueren  Theorie  der  linearen  Differentialgleichungen 
voraussetzen  würde,  habe  ich  es  vorgezogen,  ausführlich  das  klassische 
Beispiel  der  Schwarz'schen  Fläche  zu  behandeln,  wo  schon  einige  Kennt- 
nisse der  conformen  Abbildungen  genügen,  um  zum  Ziel  zu  gelangen. 


Vorwort.  V 

Die  analytische  Fortsetzung  der  Schwarz'schen  Fläche  wird  hier  mit 
elementareren  Mitteln  behandelt,  als  die  sind,  welche  Schwarz  bei  seiner 
Abhandlung  anwendet,  da  nur  auf  die  Grenzlinie,  die  einen  ersten  Teil 
der  Fläche  bestimmt,  Bezug  genommen  wird  und  dann  die  Eigenschaften 
der  Bewegungsgruppen  benutzt  werden. 

Im  ersten  Kapitel  über  die  pseudosphärischen  Flächen  (XVI) 
wird  die  Geometrie  dieser  Flächen  behandelt,  ein  Abriss  der  nicht- 
euklidischen Geometrie  gegeben  mit  Hilfe  derjenigen  conformeu  Ab- 
bildung auf  die  Halbebene,  die  durch  die  modernen  Untersuchungen 
über  die  Theorie  der  linearen  Substitutionsgruppen  und  der  auto- 
morphen Functionen  so  grosse  Wichtigkeit  gewonnen  hat  (Klein- 
Poincare).  Das  folgende  Kapitel  (XVII)  ist  den  Transformations- 
methoden der  pseudosphärischen  Flächen  gewidmet,  besonders  der 
Bäcklund'schen  Transformation.  Der  neue  Satz  über  die  Vertausch- 
barkeit  zweier  solcher  Transformationen  mit  seinen  Folgerungen  giebt 
der  allmählichen  Anwendung  der  Methode  den  höchsten  Grad  der  Ein- 
fachheit und  hebt  die  Wichtigkeit  der  Bäcklund'schen  Transformation 
noch  höher  empor,  die  Ton  verschiedenen  Mathematikern  mir  noch 
nicht  genügend  anerkannt  scheint. 

Das  Buch  schliesst  mit  drei  Kapiteln  über  die  krummlinigen 
Coordinaten  im  Räume  und  ihren  dreifachen  Systemen  oi-thogonaler 
Flächen.  Im  ersten  (XVIII)  werden  die  allgemeinen  Sätze  behandelt, 
die  sich  auf  diese  Systeme  beziehen,  bis  zur  Aufstellung  der  wichtigen 
Transformation  von  Combescure-Darboux.  Im  XIX.  Kapitel  beschäftige 
ich  mich  nochmals  mit  den  cyklischen  Systemen  Ribaucours,  und  mit 
Anwendung  der  Combescure'schen  Transformation  leite  ich  daraus  nur 
mit  Quadraturen  die  allgemeineren  dreifach  orthogonalen  Systeme  mit 
einer  Reihe  von  Linien  ebener  Krümmung  ab.  Im  weiteren  Verlauf 
handelt  das  Kapitel  von  den  elliptischen  Coordinaten  mit  Anwendung 
auf  das  Studium  der  geodätischen  Linien  auf  dem  EUipsoid.  Das  letzte 
Kapitel  ist  schliesslich  eine  Zusammenfassung  meiner  Abhandlungen 
über  diejenigen  dreifach  orthogonalen  Systeme,  welche  eine  Reihe  von 
Flächen  mit  constanter  Krümmung  enthalten. 

Zum  Schlüsse  muss  ich  noch  anführen,  dass  ich  mich  für  die 
Citate  im  Texte  auf  die  wichtigsten  beschränkt  habe,  besonders  gilt 
dies  für  die  Stellen  des  Werkes  von  Darboux,  aus  denen  ich  manchmal 
geschöpft  habe. 

Um  die  Kargheit  der  Citate  zu  verringern,  habe  ich  am  Ende  des 
Buches  ein  Verzeichnis  der  hauptsächlichsten  zu  Rate  gezogenen  Werke 
angefügt. 


Vorwort  zur  deiitschen  Ausgabe. 


Ausser  durch  kleinere,  während  des  Druckes  als  zweckmässig 
erkannte  Änderungen  des  Textes  unterscheidet  sich  diese  deutsche  Aus- 
gabe meiner„Lezioni  di  geometria  differenziale"  von  der  Original- 
ausgabe noch  durch  Hinzufügung  der  beiden  letzten  Kapitel  XXI 
und  XXII,  die  in  aller  Kürze  die  Hauptformeln  der  w-dimensionalen 
Differentialgeometrie,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Räume  constanter 
(Riemann'scher)  Krümmung,  behandeln.  Die  vorliegende  Fassung  dieser 
neu  hinzugekommenen  Theorien  stammt  aus  TJniversitätsvorlesungen 
des  Jahres  1894/95.  Der  Verfasser  hat  sich  dabei  bemüht,  aus  der 
reichen  Litteratur  das  zur  ersten  Orientierung  Wesentliche  herauszu- 
nehmen und  mit  den  vorhergehenden  Teilen  des  Buches  zu  einem  ein- 
heitlichen Ganzen  zu  vereinigen. 

Als  besonders  vom  Verfasser  herrührend  sei  es  gestattet,  den 
neuen  Beweis  (§§  321  und  322)  für  die  Abwickelbarkeit  zweier  Räume 
mit  derselben  constanten  Krümmung  hervorzuheben  sowie  die  Art  und 
Weise,  wie  im  §  331  die  verallgemeinerten  Formeln  von  Gauss  und 
Codazzi  im  beliebig  gekrümmten  Räume  von  n  Dimensionen  aus  den 
ChristofFeFschen  Grundformeln  für  Äquivalenz  quadratischer  Differential- 
formen abgeleitet  wurden. 

Endlich  möchte  ich  den  Leser  auf  die  ganz  neue  Transformations- 
theorie für  die  Flächen  constanter  positiver  Krümmung  aufmerksam 
machen,  über  die  im  Anhang  zum  XVII.  Kapitel  (S.  641)  kurz 
berichtet  wird.  Den  letzten  Untersuchungen,  die  Herr  Guichard  über 
Deformationen  der  Rotationsflächen  zweiter  Ordnung  aufgestellt  hat, 
kommt  hauptsächlich  das  Verdienst  zu,  den  neuen  wesentlichen  Fort- 
schritt in  der  Theorie  der  Flächen  constanter  Krümmung  ermöglicht 
zu  haben. 


lulialtsverzeicliuis. 


Kapitel   I. 
Cnrven  doppelter  Krümmung. 

Seite 

§  1.  Tangent«  und  Normalenebene 1 

§  2.  Die  erste  Krümmung  oder  Flexion 2 

§  3.  Die  Schmiegungsebene i 

§  4.  Hauptnormale  und  Binormale 6 

§  5.  Die  zweite  Krümmung  oder  Torsion 8 

§  6.  Formeln  von  Freuet 9 

§  7.  Das  Vorzeichen  der  Torsion 11 

§  8.  Die  natürlichen  Gleichungen  einer  Curve 12 

§  9.  Integration  der  natürlichen  Curvengleichungen 13 

§  10.  §  11.  Cylindrische  Schraubenlinien 16 

§  12.  Enveloppe  von  oc^  Flächen 19 

§  13.  Abwickelbare  Flächen 22 

§  14.  Polardeveloppable  einer  Curve 23 

§  15.  Ort  der  Mitten  der  Schmiegungskugeln 25 

§  16.  §  17.  Evoluten  und  Evolventen 27 

§18.  Orthogonale  Trajectorien  von  co'  Ebenen 30 

§  19.  §  20.  Bertrandsche  Curven 31 

Kapitel  II. 

Quadratisclie  Differentialform  en. 

§  21.  Algebraische  quadratische  Formen 35 

§  22.  Definition   der   Differentialinvarianten    und   Differentialparameter    einer 

quadratischen  Differentialform 38 

§  23.  Erster  Differentialparameter  A^U  und  Zwischenparameter  ViU,  V)   .    .  40 

§  24.  Äquivalenz  zweier  quadratischer  Differentialformen 41 

§  25.  Eigenschaften  der  Christoffel'schen  Drei-Indices-Symbole 44 

§  26.  Die  covarianten  zweiten  Differentialquotienten   und    der   zweite   Diffe- 
rentialparameter A^U 45 

§  27.  Vier -Indices- Symbole 48 

§  28.  §  29.  Krümmungsmass  einer  binären  Differentialform 50 

§  30.  Die  trilineare  Covariante  <f,  qp)  zweier  simultaner  quadratischer  Diffe- 
rentialformen /  und  qp 54 

§  31.  Gleichzeitige  Reduction  zweier  binärer  quadratischer  Differentialformen 

auf  Orthogonalformen 56 


X  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

§  105.  Beispiele  zur  Abwickelung  von  Schraubenflächen  auf  Rotationsflächen  201 

§  106.  §  107.  Das  allgemeine  Problem  der  Verbiegung  von  Flächen   ....  202 

§  108.  Verbiegung  einer  Fläche  mit  einer  starren  Curve 205 

§  109.  §  110,  Verbiegung,  bei  der  eine  gegebene  Curve  in  eine  andere  gegebene 

Curve  übergeht 208 

§111.  Verbiegung,  bei  der  eine  gegebene  Curve  Haupttangentencurve  oder 

Krümmungslinie  wird 212 

§  112.  Theorem  von  Bonnet  über  die  Unmöglichkeit,  eine  Fläche  bei  Erhaltung 

der  Haupttangentencurven  der  einen  Schar  zu  verbiegen 213 

Kapitel  VIII. 
Verbiegung  der  Linienfläclien. 

§  113.  Auf  einander  abwickelbare  Linienflächen 216 

§  114.  Linienelement  einer  Linienfläche 217 

§  115.  Strictionslinie  und  darauf  bezügliche  Sätze  von  Bonnet 219 

§  116.  Haupttangentencurve  der  zweiten  Schar.     Formel  von  Chasles     .    .    .  221 
§  117.  Verbiegung  einer  Linienfläche  nach  der  Methode  von  Minding    .    .    .  223 
§  118.  Methode   von   Beltrami   und    die    darauf    bezüglichen    Fundamental- 
gleichungen       225 

§  119.  Verbiegung  einer  Linienfläche,   bei  der  eine  auf  ihr  gegebene  Curve 

Haupttangentencurve  wird 227 

§  120.  Verbiegungen,    bei    denen    eine    gegebene    Curve     eben    oder    eine 

Krümmungslinie  wird 228 

§  121.  Linienflächen,  welche  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind    ....  230 

Kapitel  IX. 
Evolutenflächen  und  Weingarten'scher  Satz. 

§  122.  Die  geodätischen  Linien  der  Evolutenfläche,  die  den  Krümmungslinien 

der  Evolventenfläche  entsprechen 232 

§  123.  §  124.  Formeln  für  die  Evolutenflächen 234 

§  125.  Beltramis  Construction  des  Radius  der  geodätischen  Krümmung.    .    .     237 

§  126.  Evolventen-  und  Evolutenmittelfläche  nach  Ribaucour 239 

§  127.  W- Flächen,  deren  Hauptkrümmungsradien  durch  eine  Gleichung  ver- 
bunden sind 241 

§  128.  Satz  von  Ribaucour  über  das  Entsprechen  der  Krüuimungslinien   auf 

den  beiden  Mänteln  der  Evolutenfläche 243 

§  129.  Lies  Satz  über  die  Bestimmung  der  Krümmungslinien  der  W- Flächen 

mittels  Quadraturen 245 

§  130.  Weingartens  Satz  über  die  Abwickelbarkeit  der  beiden  Mäntel  der 

Evolute  einer  TT- Fläche  auf  Rotationsflächen 246 

§  131.  Beltramis  Satz  über  die  Normalensysteme  von  Flächen,   die  zugleich 

Flächen  berühren 247 

§  132.  Umkehrung  des  Weingarten' sehen  Satzes 248 

§  133.  Besondere  Formen  des  Linienelements  auf  der  Kugel  bei  der  Ab- 
bildung von  TT- Flächen 249 

§  134.  Anwendung  auf  Minimalflächen  und  auf  die  Weingarten'schen  Flächen 

k(r^  —  'i\)  =  sin  ]c(r^  -f  r^) 251 

§  135.  Evolventen-  und  Ergänzungsflächen  der  pseudosphärischen  Flächen    .     253 


InhaltsTerzeichms.  XI 

Kapitel  X. 

Strahlensysteme  (Congruenzen).  g^^ 

§  136.  §  137.  Grundlegende  Formeln  für  Strahlensysteme 256 

§  138.  Grenzpunkte  und  ELauptebenen 259 

§  139.  Isotrope  Congruenzen  von  Ribaucour.     Hauptflächen 261 

§  140.  Gleichung  zur  Bestimmung  der  Grenzpunkte 263 

§  141.  Abwickelbare  Flächen  und  Brennpunkte  des  Strahlensystems  ....  264 

§  14-2.  Brennflächen  des  Strahlensystems 266 

§  143.  Normalensysteme 268 

§  144.  Malus-Dupin'scher  Satz 269 

§  145.  §  146.  Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  Haupt- 
flächen   271 

§  147.  Anwendung  auf  isotrope  Congruenzen 273 

§  148.  Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  abwickelbaren 

Flächen 274 

§  149.  §  150.  Formeln  für  die  beiden  Brennflächen 276 

§  151.  Pseudosphärische  Strahlensysteme 282 

§  152.  Guichard'sche  Strahlensysteme.     Guichard'sche  und  Voss'sche  Flächen  284 

Kapitel  XL 

Unendlich  kleine  Verbiegungen  der  Flächen  und  Entsprechen 
durch  Orthogonalität  der  Elemente. 

§  153.  Verschiedene   AuiTassungen     des    Problems     der    unendlich    kleinen 

Verbiegungen 286 

§  154.  Die  charakteristische  Funktion  qp  und  die  charakteristische  Gleichung  288 

§  155.  Umformung  der  charakteristischen  Gleichung 291 

§  156.  Die  bei  einer  unendlich  kleinen  Verbiegung  associierten  Flächen  .  .  293 
§  157.  Zurückführung    der    charakteristischen    Gleichung    auf    ihre    beiden 

Normalformen 295 

§  158.  Das  erhaltene  conjugierte  System 297 

§  169.  Eigenschaften   von  Flächen,    die  einander  durch  Orthogonalität  der 

Elemente  entsprechen 299 

§  160.  §  161.  Die  Ribaucour'schen  Strahlensysteme 302 

§  162.  Besondere  Classen  von  Ribaucour'schen  Strahlensystemen 305 

§  163.  §  164.  Zweite  Methode,  die  Aufgabe  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen 

zu  behandeln 307 

Kapitel  XII. 

TV-  Strahlensysteme. 

§  165.  Moutards  Satz    über   die    Laplace'schen  Gleichungen    von    der  Form 

,^  =  M9- 311 

cucv 

§  166.  Geometrische  Deutung  des  Moutard'schen  Satzes 313 

§  167.   TF- Strahlensysteme 315 

§  168.  Ableitung  aller  TF- Strahlensysteme  aus  unendlich  kleinen  Verbiegungen 

der  Brenn  flächen 316 


XII  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

§  169.  Verallgemeinerung  des  Halphen'schen  Satzes 320 

ij  170.  Neuer  Beweis  des  Weingarten'schen  Satzes 321 

§171.   TT- Strahlensysteme,  die  der  Gleichung  >.-^^  =  0  entsprechen    .    .    .  323 

§  172.  Der  Darhoux'sche  Satz  über  die  Weingarten'schen  Flächen  k{)\  —  ri) 

=  sin  k{r,^r,) 325 

§  173.   TT- Normalensysteme,  die   der  Gleichung  0—2+  ^  =  0  entsprechen  327 

§  174.  Daraus  folgende  Bestimmung  aller  auf  das  Rotationsparaboloid  ab- 
wickelbaren Flächen 329 

§  175.  §  176.   TF- Strahlensysteme ,     deren    Brennflächen    in    entsprechenden 

Punkten  gleiche  Krümmung  haben 3.S1 

§  177.  §  178.  Sätze  von  Cosserat  und  Beispiele 336 

Kapitel  XIII. 
Die  normalen  Kreissysteme. 

§  179.  Bedingung  dafür,  dass  eine  Schar  von  00°  Curven  eine  Schar  Ortho- 
gonalflächen hat 339 

§  180.  Normale  Kreissysteme  und  Sätze  von  Ribaucour 341 

§  181.  Formeln  für  normale  Kreissysteme 342 

§  182.  Laplace'sche  Gleichung,  von  der  die  normalen  Kreissysteme  abhängen  344 
§  183.  Dreifaches    Orthogonalsystcm  von  Flächen,    das    zu  einem  normalen 

Kreissystem  gehört 346 

§  184.  Cyklische  Strahlensysteme 347 

§  185.  Strahlensysteme,  die  auf  unendlich  viele  Weisen  cyklisch  sind    .    .    .  349 

§  186.  Die  Ribaucour'schen  Kreissysteme  gleich  grosser  Kreise 351 

§  187.  Ausdruck  für  das  Linienelement  des  Raumes,  bezogen  auf  ein  normales 

Kreissystem 353 

§  188.  Bestimmung  der  sphärischen  Bilder  der  Abwickelbaren  eines  cyklischen 

Strahlensystems 354 

Kapitel  XIV. 
Die  Minimalflächen. 

§  189.  §  190.  Geschichtlicher  Überblick 356 

§  191.  Formeln  von  Weierstrass 358 

§  192.  Algebraische  Minimalflächen 361 

§  193.  Minimal -Doppelflächen 362 

§  194.  Verbiegung  der  Minimalflächen,  wobei  sie  beständig  Minimalflächen 

bleiben 365 

§  195.  Sätze  über  associierte  Minimalflächen 367 

§  196  — 199.  Minimalflächen  mit  ebenen  Krümmungslinien 369 

§  200.  Die  auf  Rotationsflächen  abwickelbaren  Minimalflächen 372 

§  201.  Die  Minimal- Schraubenflächen 373 

§  202.  Andere  Gestalt  der  Formeln  von  Weierstrass     .    .    .    : 375 

§  203.  Formeln  von  Schwarz 377 

§  204.  §  205.  Lösung    der   Aufgabe,    durch    einen   gegebenen    Streifen    eine 

Minimalfläche  hindurchzulegen.     Beispiele 378 

§  206.  Kriterium  dafür,  dass  eine  Fläche  in  eine  Minimalfläche  verbiegbar  ist  381 


Inhaltsverzeichnis.  XIII 


Kapitel  XV. 
Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sclie  Minimalfläche. 

Seite 

§  207.  Das  Plateau'sche  Problem 383 

§  208.  Conforme  Abbildung  der  Minimalfläche  auf  die  Gaussische  Kugel  und 

auf  die  Ebene 384 

§  209.  Fall  einer  aus  geradlinigen  Strecken    und  aus  Ebenen    bestehenden 

Begrenzung 385 

§  210.  Fall   des   von  zwei  Paar  Gegenseiten  eines  regulären  Tetraeders  ge- 
bildeten Vierecks 387 

§  211.  Oktaedemetz  auf  der  Kugel 389 

§  212.  Conforme  Abbildung  des  Oktaedernetzes 391 

§  213.  Analytische  Darstellungen  der  24  Drehungen  des  Oktaederuetzes    .    .  392 

§  214.  Nachweis  für  die  conforme  Abbildung  des  Oktaedemetzes 394 

i?  215.  Bestimmung  von  F{t)  für  die  Schwarz'sche  Minimalfläche 395 

§  216.  §  217.  Analytische  Darstellung  der  Schwarz'schen  Minimalfläche    .    .  397 
§  218,  §  219.  Einfachere  Form  der  Gleichungen  der  Schwarz'schen  Minimal- 
fläche   400 

§  220  —  222.  Die  Gruppe  von  Bewegungen,  welche  die  Schwarz'sche  Fläche 

uugeändert  lassen      404 

§  223.  Analytische  Fortsetzung  der  Schwarz'schen  Minimalfläche 409 

§  224.  §  225.  Die  zur  Schwarz'schen  Fläche  conjugierte   Minimalfläche   und 

die  entsprechende  Gruppe  von  Bewegungen 411 

§  226.  §  227.  Die   zweite  Variation   des  Flächeninhaltes  einer  Minimalfläche  414 

§  228.  Satz  von  Schwarz  über  die  zweite  Variation 417 


Kapitel  XVI. 

Pseudosphärische  Geometrie. 

§  229.  Zweidimensionale  Mannigfaltigkeit  von  constanter  Krümmung     .    .    .  418 
§  230.  Conforme  Abbildung  der  pseudosphärischen  Fläche  auf  die  Halbebene  419 
§  231.  Darstellung  der  Bewegungen   der  Fläche  in   sich   durch   lineare  Sub- 
stitutionen der  complexen  Veränderlichen 421 

§  232.  Bewegungen  erster  Art 422 

§  233.  Bewegungen  zweiter  Art 423 

§  234.  Abänderung  der  conformen  Abbildung 425 

§  235.  Abbildung  der  Curven  von  constanter  geodätischer  Krümmung  .    .    .  426 

§  236.  Die  drei  Arten  von  geodätischen  Kreisen 427 

§  237.  Der  Parallelitätswinkel 428 

§  238.  Geodätische  Dreiecke 430 

§  239.  Pseudosphärische  Trigonometrie 431 

§  240.  Überblick  über  die  nicht- euklidische  Geometrie 434 

§  241.  Beltrami'sche  Abbildung 434 

§  242.  Flächen,  die  auf  die  Ebene  geodätisch  abbildbar  sind 436 

§  243.  Die  Riccati'sche  DiiFerentialgleichung  für  die  geodätischen  Linien.    .  437 


XrV"  Inhaltsverzeichnis. 


Kapitel  XVII. 
Transformationen  der  Flächen  mit  eonstantem  Krümmungsmass. 

Seite 

§  244.  Die  zu  gegebenen  Streifen  gehörigen  Flächen  constanter  Krümmung.  440 

§  245.  Die  pseudosphärischen  Flächen  bezogen  auf  ihre  Haupttangentencurven  442 
§  246.  Abwickelbarkeit  der  Evolutenfläche  einer  pseudophärischen  Fläche  auf 

das  Catenoid 444 

§  247  —  250.    Pseudosphärische  Flächen  mit  zwei  gegebenen  Haupttangenten- 
curven    446 

§  251.  Die  pseudosphärischen  Strahlensysteme 451 

§  252.  Ableitung  der  neuen  pseudosphärischen  Flächen  durch  Quadraturen  .  453 

§  253.  Die  Bäcklund'sche  Transformation 455 

§  254.  Unendlich  kleine  Verbiegungen  der  pseudosphärischen  Flächen  .    .    .  456 

§  255.  Die  Complementärtransformation 457 

§  256.  Die  Lie'sche  Transformation 459 

§  257.  §  258.  Der  Vertauschbarkeitssatz 461 

§  259.  §  260.  Folgerungen  aus  dem  Vertauschbarkeitssatz 464 

§  261.  §  262.  Dinis  pseudosphärische  Schraubenfläche 466 

§  263.  Complementärfläche  der  Pseudosphäre 469 

§  264.  Flächen  mit  positivem  constanten  Krümmungsmass 471 

§  265.  Zusammenhang  mit  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung   ....  473 

§  266.  Verbiegungen  von  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung 474 

Kapitel  XVIII. 

Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

5;  267.  Krummlinige  Coordinaten  im  Räume 476 

§  268.  Darboux-Dupin'scher  Satz 478 

§  269.  Folgerungen  aus  dem  Darboux-Dupin'schen  Satze 481 

§  270.  Linienelement  des  Raumes 482 

§  271.  Die  Lame'schen  Gleichungen 484 

§  272.  Die  Lame'schen  Gleichungen  als  hinreichende  Bedingungen  für  die 

Existenz  des  Orthogonalsystems 485 

§  273.  Conforme  Abbildungen  des  Raumes 487 

§  274.  Hauptkrümmungsradien  der  Parameterflächen 489 

§  275.  Äquidistanzcurven  und  Cayley'sche  Gleichung 491 

§  276.  Combescure'sche  Transformation 493 

Kapitel  XIX. 

Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

§  277.  Dreifache  Orthogonalsysteme,    die    eine    Schar   von  Rotationsflächen 

enthalten 497 

§  278.  Osculierende  Cykelsysteme  nach  Ribaucour 499 

§  279  —  281.  Dreifache    Orthogonalsysteme     mit    einer    Schar    von    ebenen 

Krümmungslinien 500 

§  282.  Confocale  Flächen  zweiten  Grades 506 

§  283.  Elliptische  Coordinaten " 507 


InhaltsTerzeicknis.  XV 

Seite 

§  284.  Saia  von  Chasles 509 

§  285.  Gremeinsame  Erolutenfläclien 510 

§  286.  Geodätische  Linien  auf  Mittelpnnktsflächeu  zweiten  Grades 512 

§  287.  Geodätische  Linien  auf  dem  Ellipsoid 513 

§  288.  Satz  von  Joachimsthal 515 

§  289.  Geodätische  Linien  durch  die  Xabelpunkte 518 

§  290.  Einführung  elliptischer  Functionen 519 

§  291.  Linienelement  auf  dem  Ellipsoid 521 

§  292.  Verlauf  der  geodätischen  Linien 524 

Kapitel  XX- 

Dreifache  psendosphärische  Orthogonalsysteme. 

§  293.  §  294.  Linienelement   des  Raumes  unter  Zugrundelegung  eines   drei- 
fachen pseudosphärischen  Orthogonalsystems 526 

§  295.  Beispiele 530 

§  296  —  298.  Anwendung  der  Bäcklund' sehen  Transformation 532 

§  299.  Anwendung  des  Vertauschbarkeitssatzes 536 

§  300.  §  301.  Weingarten'sche  Systeme 538 

§  302.  Weingarten'sche  Systeme  mit  der  Flexion  Eins 542 

§  303.  Ableitung  der  Ribaucour'schen  Cykelsysteme 543 

§  304.  Dreifaches  System  Ton  Schraubenflächen 544 

§  305.  Anwendung  der  Bäcklimd'achen  Transformation  auf  Weingarten'sche 

Systeme 546 

§  306.  Die  Complementärtransformation 548 

§  307.  Einleitung  zum  Beweise  des  Existenztheorems 550 

§  308.  Die  partielle  DifiFerentialgleichung  vierter  Ordnimg    für   die    Xeben- 

flächen  S^  eines  Weingarten'schen  Systems 551 

§  309.  Flächen  mit  einer  Schar  Krömmungslinien  constanter  Flexion.    .    .    .  552 

§  310.  Construction  eines  Weingarten'schen  Systems 554 

§  311.  §  312.  Abschluss  des  Beweises  des  Existenztheorems 555 

§  313.  Weingarten'sche  Systeme,  die  eine  Kugel  enthalten 558 

§  314.  Weingarten'sche  Systeme  mit  positivem  constanten  Krümmungsmass .  560 

Kapitel  XXI. 

ii  -  dimeusioiiale  Häiime  constanten  Erümmungsmasses. 

§  315.  n-dimensionale  Räume 563 

§  316.  Messung  von  Strecken  und  Winkeln 565 

§  317.  Greodätische  Linien 568 

§  318.  Greodätisch  parallele  Hyperflächen 569 

§  319.  Greodätische  Flächen.     Riemann'sches  Krümmungsmass 571 

§  320.  Bäume  mit  constantem  Krümmungsmass 574 

§  321.  §  322.  Abwickelbarkeit  von  Räumen  mit  demselben  constanten  Krüm- 
mungsmass auf  einander 576 

§  323.  Conforme  Abbildung  des  hj-perboüschen  Raumes  auf  den  euklidischen  581 

§  324.  Geometrie  im  hyperbolischen  Räume 583 

§  325.  §  326.  Bewegungen  des  dreidimensionalen  hyperbolischen  Raumes.    .  586 


XVI  Inhaltsver/eiclinis. 

Seite 

§  327.  Geodätische  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes 590 

§  328.  Cayley'sche  Metrik 592 

§  329.  Elliptischer  Raum 594 

§  330.  Die  Schiebungen  im  elliptischen  Räume 598 

Kapitel  XXII. 

Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

§  331.  Hyperflächen  in  den  allgemeinen  w-dimensionalen  gekrümmten  Räumen  600 

§  332.  Krümmung  einer  Curve  im  Räume 603 

§  333.  Krümmung  der  Curven,   die   auf  eine  Hyperfläche  von  einem  Punkte 

nach  verschiedenen  Richtungen  ausgehen 60G 

§  334.  Verallgemeinerung  des  Euler'schen  Satzes 607 

§  335.  Krümmungslinien.    Verallgemeinerung  des  Dupin'schen  Satzes  ....  610 

§  336  —  338.  Hyperflächen  im  euklidischen  Räume 612 

§  339.  Formeln  von  Gauss  und  Codazzi  im  elliptischen  Räume 616 

§  340,  Hyperflächen  im  elliptischen  Räume '    .    .    .    .    ,  619 

§  341.  Hyperflächen  im  hyperbolischen  Räume 621 

§  342.  §  343.  Specialfall  des  dreidimensionalen  elliptischen  oder  hyperbolischen 

Raumes.     Haupttangentencurven  und  Enneper'scher  Satz       624 

§  344.  Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  Null   im  elliptischen  Räume  als 

Schiebungsflächen 629 

§  345.  Die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche 631 

§  346.  Weingarten'scher    Satz.      Complementärtransformation     der    pseudo- 
sphärischen Flächen.    .................    634 

i?  347.  §  348.  Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  Null  im  hyperbolischen  Räume  636 

Anhang  zu  Kapitel  XVII. 
Zur  Transformationstheorie  der  Flächen  mit  constantem  positiven  Krümmungs- 
mass   641 


Kapitel  I. 
Curven  doppelter  Krümmniig. 

Tangente  und  Normalenebene.  —  Erste  Krümmung  oder  Flexion.  —  Haupt- 
normale und  Binormale.  —  Zweite  Krümmung  oder  Torsion.  —  Formeln  von 
Frenet.  —  Die  natürlichen  Gleichungen  einer  Curve.  —  Cylindrische  Schrauben- 
linien. —  Abwickelbare  Flächen.  —  Polardeveloppable  einer  Curve.  —  Schmiegungs- 
kugel.  —  Evoluten  und  Evolventen.  —  Orthogonale  Trajectorien  eines  oc'-Ebenen- 
svstems.  —  Bertrand'sche  Curven. 


^  1.     Tangente  und  Normalenebene. 

Um  eine  Curve  C  analytisch  zu  definieren,  beziehen  wir  sie  auf 
ein  orthogonales  Cartesisches  Axensvstem  OX,  OY,  OZ  und  di-ücken  die 
Coordinaten  x,  y,  z  eines  bewegliehen  Punktes  der  Curve  als  Func- 
tionen eines  Parameters  u  aus: 

r  =  X  («) ,     y  =  y{u),     z  =  z{u) . 

Bezüglich  der  Functionen  .r(f/),  //(«),  ^(«)  bemerken  wir  ein 
für  alle  Mal,  dass  sie  samt  ihren  ersten,  zweiten  und  dritten 
Differentialquotienten  als  endlich  und  stetig  vorausgesetzt 
werden,  ausgenommen  höchstens  in  einzelnen  besonderen 
Punkten. 

Jedem  specieUen  Wert  m^  des  Parameters  u  innerhalb  des  Inter- 
valls, in  dem  die  Functionen  ;r(»),  y{tt),  -?(")  definiert  sind,  entspricht 
eine  specielle  Lage  il/^  des  erzeugenden  Punktes  M.  Wenn  sich  u 
stetig  ändert,  so  bewegt  sich  der  Punkt  31  nach  einem  stetigen  Ge- 
setz im  Räume  und  beschreibt  so  die  Curve  C.  Wir  wollen  nun  immer 
annehmen,  dass  die  Richtung,  in  der  sich  der  erzeugende  Punkt  M 
bewegt,  wenn  der  Parameter  «  wächst,  als  die  positive,  die  ent- 
gegengesetzte als  die  negative  Richtung  der  Curve  C  gerechnet 
werden  soll. 

In  den  meisten  Fällen  wählen  wir  als  Parameter  oder  Hilfsver- 
änderliche M   den  von  einem  festen  (Anfangs) Punkt  der  Curve  C  ge- 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  1 


-yj 


Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 


;%;  .v^eliWton^  Rö^'ea.s/ derselben.     In  jedem   Falle  haben  wir  zur  Bestim- 
mung von  s  als  Function  von  u  die  bekannte  Gleichung: 


du         V  \ilu/    "^  \dJ      I     \du/ 


Hierbei  müssen  wir  bei  der  Festsetzung,  dass  s  mit  wachsendem  u  ge- 
rechnet wird,  für  die  Wurzel  das  positive  Zeichen  wählen. 

In  einem  Punkte  M  der  Curve  C  betrachten  wir  die  Tangente 
und  wählen  ihre  positive  Richtung  übereinstimmend  mit  derjenigen 
der   Curve.     Bezeichnen   wir   dann,  wie  wir  es  in  nachstehendem  stets 

thun  werden,  mit 

cos  a,     cos  ß,     cos  y 

die   Cosinus    der  Winkel    der    positiven   Tangentenrichtung,    so    haben 
wir  die  Gleichungen: 

dx  dy 

du  o  <^  ^ 

cos  a  =  — ?  cos  ö  = 


-\/(dxY        (dyy        (dzy  '^        l/(^^Y  -^  l~yY  -X-  l'^^Y 

V  \dJ    ^  \dJ    "^  \du}  V  \dJ    "•"  \du/    "•"  \du/ 


cos  y 


dz 
du 


oder: 

.^s  dx  ,^         dy  dz 

(1)  cos«  =  -^^,     cos/3  =  ^^^,     ^o^y  =  j- 

In  diesen  Gleichungen  (1)  ist  es  gleichgiltig,  ob  wir  die  rechten 
Seiten  als  Quotienten  von  Differentialen  oder  als  partielle  Ableitungen 
nach  dem  Bogen  betrachten. 

Die  in  M  auf  der  Tangente  senkrecht  stehende  Ebene  heisst 
Normalenebene  der  Curve;  sie  hat  die  Gleichung: 

(X  —  x)  cos  a  -\-  {Y  —  y)  cos  ß  -\-  (Z  —  ^)  cos  y  =  0, 
wo  X,   1",  Z  die  laufenden  Punktcoordinaten  sind. 

§  2.     Die  erste  Krümmung  oder  Flexion. 

Aus  der  mehr  oder  weniger  schnellen  Abweichung,  die  der  Punkt 
beim  Beschreiben  der  Curve  von  der  geradlinigen  Richtung  erfährt, 
schliessen  wir  auf  die  grössere  oder  geringere  Krümmung  der  Curve 
selbst.  Um  für  diesen  Begriff  eine  genaue  Fassung  zu  erhalten  und 
ihn  der  Messung  unterwerfen  zu  können,  betrachten  wir  zwei  benach- 
barte Punkte  der  Curve,  M  und  M^.  Dividieren  wir  dann  den  sehr 
kleinen  Winkel  z/f,   den   die  Richtungen   der  beiden  Tangenten  in  M 


§  2.    Die  erste  Krümmung  oder  Flexion.  3 

und  3/j  mit  einander  bilden,  durch  die  Länge  des   Bogens  MM^j  so 
convergiert  der  Quotient 


Bogen  3/3/j 


wenn  sieh  M^  dem  Punkte  M  unendlich  nähert,  gegen  einen  bestimmten 
und  endlichen  Grenzwert,  der  als  Mass  der  ersten  Krümmung,  Bie- 
gung oder  Flexion  der  Curve  in  M  betrachtet  wird.    Wir  bezeichnen 

diesen  Grenzwert  mit  — ,  und  sein  reciproker  Wert  q  heisst,  als  Strecke 

gedeutet,  Radius  der  ersten  Krümmung. 

Um  die  Existenz  dieses  Grenzwertes  nachzuweisen  und  crleichzeiticr 
den  Ausdruck  für  ihn  zu  finden,  stellen  wir  folgende  üeberleguncr  an: 
Um  den  Coordinatenanfangspunkt  und  mit  dem  Radius  Eins  beschreiben 
wir  eine  Kugel  und  schneiden  durch  sie  die  Strahlen,  die  parallel  den 
positiven  Richtungen  der  aufeinanderfolgenden  Curveutangenten  ge- 
zogen werden.  Der  Ort  der  Endpunkte  dieser  Strahlen  heisst  die 
sphärische  Indicatrix  C  der  Tangenten :  jeder  Lage  des  erzeugenden 
Punktes  M{x,  y,  z)  auf  der  Curve  C  entspricht  ein  Punkt  M'  {x'j  t/',  z') 
auf  der  sphärischen  Indicatrix  C,  und  es  ist  offenbar 

(2)  a:'  =  cosa,     if' =  cos  ß,     z' =  cos  y. 

Betrachten  wir  nun  einen  Punkt  Jtfj  der  Curve  (7,  der  M  be- 
nachbart ist,  so  wird  der  Winkel  z/f  gerade  durch  den  Bogen  des 
grössten  Kreises  gemessen,  der  auf  der  Bildkugel  die  Bildpunkte  M' 
und  71/j'  verbindet.     Bei  der  Berechnung  des  Grenzwertes 

1  1-        Js 

—  =    lim      -- 

P  Js  =  0  ^* 

können  wir  statt  ^s  den  entsprechenden  Bogen  der  Indicatrix  setzen, 
denn  convergiert  z/f  gegen  Null,  so  nähert  sich  das  Verhältnis  dieses 
Bogens  zu  ^s  der  Einheit.  Bezeichnen  wir  mit  ds'  das  Bogenelement 
der  sphärischen  Indicatrix,  so  haben  wir  also  ohne  weiteres 

1^ ds^ 

Q  ds 

oder  nach  (2) 


(^)  7  ^  V\~d^)  +  \-dr^)  +  y-dT^)  ■ 

Wird  s  als  unabhängige  Variable  genommen,  ao  kann  diese  Formel 
nach  (1)  auch  so  geschrieben  werden: 


1        1  //d* 

Q 

1* 


(ä*)        ^-vm+m+m 


4  Kap.  1.    Curven  doppelter  Krümmung. 

Da  der  ersten  Krümmung  nur  ein  absoluter  Wert  zu- 
kommt, so  denken  wir  uns  in  diesen  Gleichungen  stets  den  positiven 
Wert  der  Wurzel  gewählt. 

Wir  bemerken  sofort,  dass  eine  Curve  C  eine  Strecke  lang 
nicht  die  Flexion  Null  haben  kann,  ohne  längs  dieser  Strecke  gerad- 
linig zu  sein,  denn  nach  den  Gleichungen: 

d  cos  a  .  d  cos  ß ^        ^cos  y  ,, 

ds  '  ds  '  d*  ' 

die  dann  beständen,  würden  cos  «,  cos  /3,  cos  y  constant  sein  und 
also  die  Gleichungen  gelten: 

a;  =  .v  cos  a  -\-  a,  y  =  s  cos  ß  -\-  />,  z  =  ^  cos  y  -\-  c,  («,  5,  <■  ==  Const.), 
die  eine  Gerade  definieren. 

§  3.    Die  Schmiegungsebene. 

Unter  allen  Ebenen,  die  durch  den  Punkt  M  der  Curve  C  gehen, 
befindet  sich  eine,  die  sich  in  der  Umgebung  von  M  weniger  als  jede 
andere  von  der  Curve  entfernt  und  die  Schmiegungsebene  (oscu- 
lierende  Ebene)  der  Curve  in  M  heisst.  Wir  schreiben  nun  die 
Gleichung  einer  beliebigen  durch  den  Punkt  Mi^x,  y,  s)  gelegten  Ebene 
in  der  Form: 

(4)  (X  —  x)  cos  a  -{-  {Y  —  y)  cos  1)  -j-  [Z  —  z)  cos  c  =  0, 

wo  cos  a,  cos  ?>,  cos  c  die  Richtungscosinus  der  Normale  bedeuten, 
wählen  den  Bogen  s  der  Curve  als  Parameter  und  betrachten  einen 
M  benachbarten  Punkt  M',  der  dem  Werte  s  ^  h  des  Bogens  ent- 
spricht, wo  h  unendlich  klein  (von  der  ersten  Ordnung)  ist.  Sind  z/a?, 
z/«/,  z/0  die  bezüglichen  Zunahmen  von  a;,  y^  z  beim  Uebergange  von 
s  zu  s  -\-  h,  so  haben  wir  für  die  Entfernung  d  des  Punktes  M'  von 
der  Ebene  (4)  die  Gleichung: 

d  =  Ax  cos  a  -\-  zly  cos  h  -\-  Az  cos  c. 
Nun  ist 


(a) 


ds         '     ds^  2     '       ^ ' 

^•^~   ds  "  ^  ds'^  2   ^  ^^^ 
.  dz  j     ,     d^z  h-    , 


ds        '     fZ,s2  2 
wo  £^,  fy,  £o  unendlich   klein  von    der  dritten  Ordnung  sind,  und  also 

,         /  dx     .  1  dii    ,  dz\  ^ 

d  =  Icos  a   , — {-  cos  0  ,    +  cos  c  ,  )  h 
\  ds     '  ds     '  ds/ 

+  l^^«  ^'  ä7^  +  ^«^  ^  dV  +  ^^^  '  ds^J  2  +  'i ' 


§  3.    Die  Schmiegungsebene. 


wo  Tj  unendlich  klein  von  der  dritten  Ordnung  ist.    Die  Ebene,  welche 
durch  die  Bedingungen : 


dx    ,  1  du 

cos  a  -,—  -f-  cos  0 


ds 
d*x 


cos  a  ^-^  -}-  cos  h 


ds 

dy 
ds^ 


dz        ^. 

cos  c  ,    =  0  , 

ds  ' 

d^z       ,. 
cos  c  T-i  =  0 
ds* 


bestimmt  ist,  Ton  denen  die  erst«  besagt,  dass  die  fragliche  Ebene 
durch  die  Tangente  geht,  ist  also  diejenige,  welche  in  der  Umgebung 
von  M  weniger  als  die  übrigen  von  der  Curve  abweicht.  Somit  haben 
wir  die  Existenz  der  Schmiegungsebene  nachgewiesen,  deren  Gleichung 
wir  nach  dem  Vorstehenden  in  Determinantenfonn  wie  folgt  schreiben 
können*): 


(5) 


X  —  x 

y-y 

Z~2 

dx 

dy 

dz 

~di 

ds 

ds 

d*x 

d^lj 

d'z 

ds^' 

rfs* 

ds^ 

=  0 


Ein  Ausnahmefall  tritt  ein,    wenn  für  den  betrachteten  Punkt  31 
die  drei  Unterdetermiuauten  der  Matrix 

dx  dy  dz 

I   ds  ds  ds 

\  d^  d^  iVz 

1  ds*'  ds'  rfs* 

gleichzeitig  NuU  sind;  dann  ist  die  Schmiegungsebene  in  JI  unbestimmt. 
Nun  wird  dies  für  gewisse  einzelne  (singulare")  Punkte  wohl  stattfinden 
können:  sollte  dies  jedoch  längs  einer  ganzen  Strecke  der  Fall  sein, 
so  wäre  die  Curve  längs  dieser  Strecke  geradlinig.  Und  in  der  That, 
berücksichtigen  wii-  die  Identitäten: 


(^f+m+ö'= 


1 


dx  d*x 
ds  ds^ 


dyd*y 
ds  ds- 


dz  d'z 
ds  ds' 


0, 


so  sehen  wir,  dass  die  Summe  der  Quadrate  der  üuterdeterminanten  in  der 


*!  Es  ist   klar,   dass,   wenn  die  unabhängige  Variable  u  beliebig  wäre,  die 
Gleichung  der  Schmiegungsebene  die  analoge  Fonn : 

X 


=  0 


'  —  X 

Y-y 

Z-  z 

dx 

dy 

dz 

du 

du 

du 

d'x 

d'y 

d'z 

du' 

du' 

du' 

haben  würde. 


Q  Kap.  1.    Curven  dopj)elter  Krümmung. 

obigen  Matrix  wegen  (3)  gleich  dem  Quadrat  der  ersten  Krümmung  ist. 
Wir  wollen  auch  auf  andere  Definitionen  für  die  Schmiegungsebene 
hinweisen,  die  immer  auf  die  Gleichung  (5)  führen.  Wenn  durch  die 
Tangente  in  M  und  durch  einen  Curvenpunkt  M',  der  M  benachbart 
ist,  eine  Ebene  gelegt  wird,  so  nähert  sich  diese,  wenn  M'  gegen  M 
convergiert,  der  Schmiegungsebene  als  Grenzebene.  Ebenso  nähert  sich 
die  Ebene  durch  M  und  zwei  andere  benachbarte  Ciirvenpunkte  M' 
und  31"  in  der  Grenze  der  Schmiegungsebene  in  M,  wenn  wir  M'  und 
M"  gleichzeitig  nach  31  rücken  lassen  (so  dass  die  Differenzen  zwischen 
den  Coordinaten  von  M'  und  31"  nicht  von  höherer  Ordnung  unend- 
lich klein  werden  wie  die  entsprechenden  Differenzen  gegen  31).  Wegen 
dieser  letzten  Eigenschaft  sagt  man  auch  kurz,  dass  die  Schmiegungs- 
ebene in  31  die  durch  31  und  zwei  aufeinanderfolgende  Curvenpunkte 
31'  und  31"  gelegte  Ebene  ist. 

§  4.     Hauptnormale  und  Binormale. 

Die  Schmiegungs-  und  die  Normalenebene  in  31  schneiden  sich  in 
einer  Geraden,  die  in  M  auf  der  Curve  senkrecht  steht  und  den  Namen 
Hauptnormale  der  Curve  in  3i  führt;  es  ist  diejenige  Normale  der 
Curve,  welche  in  der  Schmiegungsebene  liegt.  Binormale  dagegen 
heisst  die  Senkrechte  in  31  auf  der  Schmiegungsebene. 

Es  muss  nun  in  geeigneter  Weise  festgesetzt  werden,  welche  Rich- 
tung der  Haupt-  und  der  Binormale  wir  im  Folgenden  als  positiv  an- 
nehmen wollen,  und  wir  schicken  zu  diesem  Zwecke  die  nachstehenden 
Bemerkungen  voraus. 

Wir  betrachten  die  Ebene  durch  Tangente  und  Binormale,  deren 
Gleichung  lautet: 

(6)  (X--OS  +  (^-!')'0  +  (^-^)£  =  0- 

Diese  Gleichung  stellt  nämlich  wegen  der  Identität: 

äx  (Px  j^  äy  (Py  j^  dz   cPz  , 

7/s  ds''  "T"  äs  7Z^  "f"  äs  ~(ls^  ^ 

und  wegen  der  Gleichung  (5)  der  Schmiegungsebene  gerade  die  Ebene 
dar,  welche  durch  die  Tangente  senkrecht  zur  Schmiegungsebene 
gelegt  ist. 

Wir  berechnen  nun  die  Entfernung  d  eines  31  dicht  benachbarten 
Curvenpunktes  31'  von  der  Ebene  (6).  Bezeichnen  wir  mit  h  den 
(unendlich  kleinen)  Zuwachs  des  Bogens  s  beim  Uebergange  von  31 
zu  31'  und  mit  zJx,  züy,  Az  die  Zunahmen  der  Coordinaten,  so 
haben  wir 


§  4.    Hauptnormale  und  Binormale. 

-  rfs'    '        ^  rfs*     '  ds' 

o  == 


2' 


oder  wegen  der  Gleichungen  (a)  des  vorigen  Paragraphen 

*  =  l^  +  ^, 

wo  £  in  Bezug  auf  h  unendlich  klein  von  der  dritten  Ordnung  ist. 
Aus  dieser  Gleichung  folgt,  dass  das  Zeichen  von  d  von  demjenigen  von 
h  unabhängig  ist*),  dass  also  dieCurve  in  der  Umgebung  eines  jeden 
ihrer  Punkte  ganz  auf  der  einen  Seite  der  Ebene  durch  Tan- 
gente und  Binormale  liegt.  Als  die  positive  Seite  dieser  Ebene 
bezeichnen  wir  diejenige,  welche  in  der  Umgebung  von  M  der  Curve  zu- 
gewandt ist;  als  positive  Richtung  der  Hauptnormale,  welche  eben  die 
Senkrechte  auf  dieser  Ebene  ist,  wird  folglich  diejenige  festgesetzt, 
nach  welcher  die  positive  Seite  der  Ebene  selbst  liegt.  Bezeichnen 
wir  also,  wie  es  des  weiteren  stets  geschehen  soll,  mit 

cos  I,     cos  1^,     cos  5 

die  Cosinus  der  positiven  Richtung  der  Hauptnormale,  so  haben  wir 
nach  dem  Voi-stehenden 

/PTN  i-  d'x  d^y  ,  d*2 

(7)  cos  1  =  9^^,     cos  7?  =  9^^,     cost  =  Qj^- 

Endlich  wollen  wir  unter  positiver  Richtung  der  Binormale  die- 
jenige verstehen,  die  in  Bezug  auf  die  bereits  bestimmten  positiven 
Richtungen  der  Taugente  und  Hauptnormale  ebenso  gelegen  ist  wie 
die  positive  Richtung  der  ^-Axe  zu  derjenigen  der  x-  und  der  y-Axe. 
Führen  wir  für  die  Richtungscosinus  der  Binormale  die  Bezeichnungen 

cos  A,     cos  ft,     cos  V 

ein,  so  haben  wir  nach  bekannten  Formeln  der  analytischen  Geometrie**) 

cos  A  =  cos  /3  cos  ^  —  cos  y  cos  rj,        cos  }i  =  cos  y  cos  ^  —  cos  a  cos  ^, 

cos  V  =  cos  «  cos  »^  —  cos  ß  cos  § 


*)  Ausser  in  den  sincrulären  Punkten,  für  welche        =0  ist. 

Q 

**)  Man  erinnere  sich,  dass  die  Determinante 
!  cos  a    cos  ß    cos  y  [ 
I  cos  ^     cos  T]     cos  J  I  =  -f  1 
cos  X     cos  fi     cos  V 
und  jedes  ihrer  Elemente  gleich  der  zugehörigen  Unterdeterminante  ist. 


Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 


oder; 


cos  V  =  () 


dx     dy 
ds     ds 
d^ X  d^y 
ds^    ds^ 


I    dy     dz    I  I    dz     d,x^ 

!  'ds     ds  i    ds     ds 

(8)  cos  A  =  o  I    ,,       ,,      ,  coa  fi  =  Q 

^  ^  ^      d^y    d^z   .  ,   d^z    d^x 

I  lis^  'di^    I  I    eis*    ds^ 

Das  diircli  die  positiven  Richtungen  der  Tangente,  der  Haupt-  und 
der  Binormale  bestimmte  rechtwinklige  Trieder  soll  der  Kürze  wegen 
das  Haupttrieder  der  Curve  in  M  genannt  werden. 

§  5.     Die  zweite  Krümmung  oder  Torsion. 

Wenn  die  Curve  C  eben  ist,  so  fällt  ilire  Schmiegungsebene  in 
jedem  Punkte  mit  der  Curvenebene  zusammen.  Bei  einer  Raumcurve 
dagegen  ändert  sie  sich  bei  Aenderung  des  Osculationspunktes  M,  und 
die  Schnelligkeit  ihrer  Abweichung,  d.  h.  die  Schnelligkeit,  mit  der 
sich  die  Curve  von  ein  und  derselben  Ebene  entfernt,  wird  durch  die 
zweite  Krümmung  oder  Torsion  der  Curve  gemessen. 

Um  auch  diesen  Begriff  hier  genau  zu  fassen,  betrachten  wir  zwei 

dicht  benachbarte  Punkte  der  Curve,  31  und  iüf^;  ihre  beiden  Schmie- 

gungsebenen  bilden   einen  sehr  kleinen  Winkel  zJö  mit  einander,   und 

der  Quotient 

Ja  Ja 


Bogen  ilfil'/i  Js 

convergiert,  wenn  M^  nach  M  rückt,  gegen  einen  bestimmten  und 
endlichen  Grenzwert,  welcher  als  Mass  der  Torsion  der  Curve  ge- 
nommen und,  mit  passendem  Vorzeichen  versehen,  mit  „  bezeichnet 
werden  soll.     Sein  reciproker  Wert  T  heisst  Torsions radius. 

Um  den  Wert  für    „  zu  finden,   beachten  wir  zunächst,   dass  der 

Winkel  der  beiden  Schmiegungsebenen,  d6,  durch  den  Winkel  der 
beiden  aufeinanderfolgenden  Binormalen  in  31  und  31^  gemessen  wird. 
Construieren  wir  also  ganz  analog  wie  in  §  2  die  sphärische  Indi- 
catrix   der  Binormalen,    deren    erzeugender  Punkt  die  Coordinaten 

x^  ==  cos  A,     )Ji  =  cos  ji,     ^j  =  cos  V     ' 
hat,  und  bezeichnen  wir  mit  ds^  ihr  Bogenelement 


ds^  =  Ydx^^  +  dy^^^  -\-  dz^ , 

so  haben  wir  offenbar 

1 |_  ds.^ 

T~~  ±  ~ds^ 

d.  h. 


/QN  1 |_  n//fi  cos  l\^    .     (d  cos  ([i\2         (d  cos  vY 

(.y;  T-±V [-dT )  +  [^d7s  )  +  v^ds-) ' 


§  5.  Die  zweite  Krümmang  oder  Torsion.  9 

Das  Torzeichen  der  Toi-sion  wird  im  nächsten  Paragraphen  passend 
bestimmt  werden;  für  jetzt  bemerken  wir^  dass  die  einzigen  Curven 
mit  der  Torsion  Null  die  ebenen  Curven  sind.     In  der  That  folgt  aus 

-V  =  0  wegen  (9),  dass  cos  X,  cos  /t,  cos  v  constant  sind;  nehmen  wir 

der  Einfachheit  halber  die    feste  Richtung  der  Biuormale   zur  z-Axe, 
so  haben  wir  cos  y  =  0  und  also 

z  =  const., 

d.  h.  die  Curve  liegt  in  einer  zur  xf/'Ebene  parallelen  Ebene. 

§  6.     Formeln  von  Frenet. 

Wir  gehen  nun  zur  Ableitimg  der  sehr  wichtigen  Formeln  über, 
welche  die  Differentialquotieuten  der  neun  Cosinus  der  drei  Haupt- 
richtungen durch  die  Cosinus  selbst  uud  durch  die  Radien  der  ersten 
und  zweiten  Krümmung,  p  und  T,  ausdrücken. 

Drei  von  diesen  Formeln  folgen  unmittelbar  aus  den  Gleichungen 
(7)  des  §  4  (S.  7),  welche  ergeben: 

,  ^  d  cos  a  cos  4  d  cos  ß  cos  t}         d  cos  y  cos  ^ 

W  ds  Q     '  ds  9     '  ds  Q 

Diflfereuziereu  wir  nun  die  Identität: 

cos  a  cos  l  -f"  cos  ß  cos  ji  -|-  cos  y  cos  v  =^  0 

unter  Berücksichtigung  der  früheren  Gleichungen  nach  s,  so  erhalten  wir: 

,,  ^  d  cos  l    ,  T  rf  cos  u     ,  d  cos  v        ^ 

(b)  cos  «  -j^  +  cos  ß  —j^  +  cos  y  -^^j-  =  0; 

die  andere  Identität : 

COS'  A  -f-  COS"  ft  -|-  cos-  V  =  \ 

giebt  nach  s  differenziert:  * 

,  X  .  d  cos  l    ,  d  cos  «     ,  d  cos  v        ^ 

(c)  COS  k  — 3 h  <?os  tt  — J-"    -h  cos  V  — T —  =  U, 

^  ^  ds        ^  ^        ds        ^  ds  ' 

und  diuch  Combination  von  (b)  und  (c)  folgt: 

cos  ß  cos  y  ,      ,  cos  y  cos  a  cos  a  cos  ß 

cos  fi  cos  V  i     ,  cos  V  cos  A         cos  A  cos  fl 


-^ —  =  cos  t  :  cos  Ti  :  cos  C. 
ds  s  t  z, 


d  cos  l 

d  cos  (1.     d  cos  p 

ds      • 

ds      '      ds 

d.  h. 

d  cos  l    d  cos 

ds      '      ds 

Daraus  folgt: 

XO  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

d  cos 
~d 


dcos  fi ,  l//'^  <^os  A^    i_  (^  ^os  itiV''  j^  /d  cos  vXä 

1  cl  //rf  cos  ;i\2     ,      /(Z  cos  ti\2  /fZ  COS  v\2 


d  cos  V 


und  setzen  wir  nun  fest,  dass  das  Vorzeichen  der  Wurzel,  das  in  (9) 
unhestimmt  gelassen  wurde,  ebenso  wie  in  diesen  drei  Gleichungen 
gewählt  wird,  so  haben  wir: 

/  ,s  d  cos  X        cos  £  d  cos  a         cos  v  d  cos  v         cos  t 

(a )  f-  _         /  *> 


ds  T    '  fZs  r    '  ds  T 

Es  wird  hiermit  der  Torsion  nicht  allein  ein  absoluter  Wert,  son- 
dern auch  ein  bestimmtes  Vorzeichen  erteilt,  und  es  erübrigt  nur  noch 
zu  untersuchen  —  was  wir  sofort  thun  werden  —  welche  geometrische 
Bedeutung  das  positive  oder  negative  Vorzeichen  der  Torsion  hat. 

Wir  vervollständigen  die  Formeln  (a)  und  (a')  durch  diejenigen  für 

d  cos  h,       d  cos  7j       d  cos  ^ 
ds     '         ds      '        ds 

Zu  diesem  Zwecke  beachten  wir,  dass 

cos  I  =  cos  y  cos  /x  —  cos  ß  cos  v 

ist,    und    wenn    wir   nach    s  differenzieren    und    (a)    und    (a')    berück- 
sichtigen, erhalten  wir: 

d  cos   4l/c  \il/  n  c\ 

— j —  =  -  (cos  g  cos  ^  —  cos  rj  cos  v)  -(-  „  (cos  y  cos  rj  —  cos  ß  cos  g) 

cos  a         cos  X 

und   analoges  für  die  beiden  anderen  Differentialquotienten. 

Stellen  wir  also  die  erhaltenen  Formeln  zusammen,  so  haben  wir 
folgendes  System: 


(A) 


tZcos  a 

cos  ^ 

y 

tZcos  ß 
ds 

COST] 
9 

7 

fZ  cos  y 
ds 

cos  ^ 

ds 

Q 

7 

dcos  ^ 

cosa 
Q 

cos  l 

T ' 

(iCOSTJ 

COS  (3 

COS/X 

d  cos  ^ 

7z^"  ~~~ 

cosy 

cos  V 

ds    . 

rZs 

P 

T    ^ 

9 

T    ' 

d  cos  l 

cos  ^ 

7 

(Zcos  ft 
rZs 

cosr] 
T 

7 

fZ  cos  v 
ds 

cos  ^ 

ds 

Dieses  sind  die  Formeln  von  Freuet,  die  für  gewöhnlich  unter 
dem  Namen  der  Serret 'sehen  bekannt  sind. 


§  7.    Das  Vorzeichen  der  Torsion.  11 

§  7.     Das  Vorzeiclieii  der  Torsion. 

•      Wir  untersuchen  nun,  welche  geometrische  Bedeutung  das  positive 
oder  negative  Vorzeichen  der  Torsion  hat.     Hiei-zu  betrachten  wir  in 
einem  beliebigen  Curvenpunkte  M(x,  tj,  z)  die  Schmiegungsebene: 
(X  —  x)  cos  X  -\-  {Y—  y)  cos  (i -{- (Z  —  z)  cos  v  =  0 

und  berechnen  die  Entfernung  der  J/  benachbarten  Curvenpunkte  M' 

von  dieser  Ebene.     Hat  nun  der  Punkt  M'  die  Coordinaten 

X  +  z/x,    y-\-  Jy,    z-\-  /Iz 

nnd  entspricht  er  dem  Werte  s  -\-h,  so  haben  wir: 

dx  ,     ,    d-x  Ä*    ,    d^x  h^    . 
^•^-dS^'  +  Ts^   2+  d73-  6  +  ^1 ' 

dz  ,     ,    d^z  h-    .    d^z  Ä'    , 
.^^  =  ds^'  +  l^-2+-ds^  6  +  "3 , 

wobei  fj,  s^,  £3  in  Bezug  auf  h  von  höherer  als  der  dritten  Ordnung 
unendlich  klein  sind.  Für  die  gesuchte  Entfernung,  die  wir  positiv 
oder  negativ  rechnen,  je  nachdem  die  positive  oder  die  negative  Seite 
der  Schmiegungsebene  dem  Punkte  M'  zugewandt  ist,  haben  wir: 

d  =  /ix  cos  k  +  dy  cos  .u  -|-  ^2  cos  v, 

imd  wenn  wir  für  ^jc,  Jy,  Az  die  obigen  Werte  einsetzen  und  dabei 
beachten,  dass  nach  den  Formeln  von  Freuet 

dx d'^x  cos  4      d'^x  1     ( cos  a    .    cos  l    .    cos  §  d^\ 

_  =  cosa,  ^p^  — -^,  ^^  — —   ^-  |-y- -h     ^     -h     ^     ^^1 

ist,  so  folgt 

wo  w  mit   )i  unendlich   klein   ist.     Nehmen  wir  an,    dass  die   beiden 
nr 

Krümmungen  —  und  -„  in   M  nicht  gleich  Null    sind  (das   Gegenteil 

kann  nur  in  singulären  Punkten  stattfinden),  so  sehen  wir,  dass  sich 
das  Vorzeichen  von  b  mit  demjenigen  von  /t  ändert,  d.  h.:  die  Curve 
durchsetzt   in    M  die    Schmiegungsebene,    und  zwar  geht,    falls 

_,  >  0,   der   erzeugende    Punkt,   wenn    er   sich    in  positiver  Richtung 

auf  der  Curve   bewegt,    von   der  positiven  nach  der  negativen   Seite, 

oder  umgekehrt,  wenn    „  <  0,    von   der  negativen  nach  der  positiven 

über.    Um  dieses  Resultat  noch  genauer  zu  fassen,  denken  wir  uns  in 


J2  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

M  auf  der  einen  oder  der  anderen  Seite  der  Schmiegnngsebene  einen 
Beschauer  stehen  und  nach  der  positiven  Richtung  der  Hauptnormale 
gewandt.  Die  Curve  geht  für  den  Beschauer  aufsteigend  durch  M 
entweder  von  links  nach  rechts  oder  von  rechts  nach  links  hindurch: 
im  ersten  Falle  heisst  sie  in  31  rechts,  im  zweiten  links  gewunden. 
Und  nehmen  wir  nun,  um  die  Ideen  zu  fixieren,  an,  dass  auf  der  po- 
sitiven Seite  der  ;r^-Ebene  die  positive  Richtung  von  OX  rechts  von 
derjenigen  von  0  Fliegt,  so  haben  wir  das  Resultat:  Die  aus  den 
Frenet'schen  Formeln  berechnete  Torsion  ergiebt  sich  als 
positiv  oder  negativ,  je  nachdem  die  Curve  in  dem  betreffen- 
den Punkte  links  oder  rechts  gewunden  ist*). 

§  8.     Die  natürlichen  Gleichungen  einer  Curve. 

Die  Frenet'schen  Formeln  können  wir  sofort  zum  Beweise  des 
wichtigen  Satzes  amvenden:  Eine  Raumcurve  C  ist  ihrer  Gestalt 
nach  durch  die  Werte  der  Radien  der  ersten  und  zweiten 
Krümmung,  q  und  T,  ausgedrückt  als  Functionen  des  Bogens  s, 
vollkominen  bestimmt. 

Mit  anderen  Worten  heisst  dieses,  dass  zwei  Curven  C,  C  von  gleicher 
Bogenlänge,  Flexion  und  Torsion  zur  Deckung  gebracht  werden  können. 
Bezeichnen  wir  die  auf  C  bezüglichen  Grössen  durch  Accente,  so  haben 
wir  nach  der  Annahme  unmittelbar: 

s'  =  s,  q'  =  (),  T'  =  T. 
Nun  verschieben  wir  die  Curve  C  im  Räume  so,  dass  einer  ihrer 
Punkte,  beispielsweise  der  Anfangspunkt  der  Bogen,  s  --^  0,  mit  dem 
entsprechenden  Punkte  von  C  und  gleichzeitig  ihr  Haupttrieder  mit 
demjenigen  von  C  in  demselben  Punkte  s  =  0  zusammenfällt.  Wir 
haben  folglieh: 

cos  ß '  =  cos  g;  ,     cos  j8' =  cos /3,     cosj^'=cosy| 

cos  I'  =  cos  I ,     cos  ri'  =  cos  r],     cos  ^'  =  cos  n  für  s  =  0. 

cos  A'  =  cos  A ,     cos  ^ '  =  cos  ju-,     cos  v'  =-—  cos  V ) 

Setzen    wir    die    drei    Frenet'schen    Formeln    der    ersten    Vertical- 

reihe   des   Systems   (A)    in  §  6   (S.  10)    sowohl  für    die   Curve    C   als 

für  C  an: 


*)  AVir  sehen  dcminacli,   dass  das  Vorzeichen  der  Torsion  unabhängig  davon 
ist,  welche  Richtung   der  Curve   als  positiv   gewählt  wird,   wie   z.  B.    auch    aus 

der  Formel  — ^—r  — j =    y,    erhellt,    wo    sich    bei    Aenderung    der   positiven 

Richtung  von  .s  das  Zeichen  von   cos  l  ändert,  cos  |  dagegen  ungeändert  bleibt. 


§  8.    Die  natürlichen  Gleichungen  einer  Curve.  13 

d  cos  a         cos  I  (J  cos  |  cos  a    _  cos  l  d  cos  l      _  cos  i, 

T    '             ds       ~~      T    ' 
cosl'         dcosV  cos^' 

g       '  "rfi~^  q  T~'         ~dr'  ~       T      ' 

multiplicieren  wir  die  drei  ersten  beziehungsweise  mit  cosa',  cos  |', 
cos  A',  die  drei  zweiten  beziehungsweise  mit  cos  a,  cos  §,  cos  A,  und 
addieren  wir,  so  wird  die  rechte  Seite  identisch  gleich  Null,  woraus  folgt: 

^   (cos  u  cos  u'  -\-  cos  I  cos  I'  +  cos  A  cos  A')  =  0, 

d.  h. 

cos  a  cos  u'  -f-  cos  |  cos  |'  -|-  cos  A  cos  A'  =  Const. 

Ui-sprünglieh  ist  aber  für  s  =  0  der  Wert  der  linken  Seite  gleich 
der  Einheit,  also  ist  für  jeden  Wert  von  s 

cos  u  cos  tt'  +  cos  I  cos  I'  -{-  cos  A  cos  A'  =  1. 
Mittels  der  Identitäten: 

cos-  u  +  cos-  I  -}~  cos-  /  =  1 , 

cos-a'-|-  cos-^'-j-  cos-A'=  1 
folgt  hiemach: 

(cos  u'  —  cos  «)-  -|-  (cos  I'  —  cos  I)-  -j-  (cos  A'  —  cos  A)-  =  0, 

d.  h. 

cosa'=cosa,     cos  |' =  cos  |,     cosA'=cosA. 

In  ähnlicher  Weise  erhalten  wir: 

cos /3'=  cos /3,     cos  »^'=  cos  1^,     cos  fi' =  cos  ft, 

cos  y'  =  cos  y,  cos  l'  =  cos  t,,  cos  v'  =  cos  v, 
also: 

(?(a;'  —  X)  ^  f?(y'  —  y)  f.  d{^'  —  ^)  ^^  A 

Ts        ~^'  ds        —^y  ds 

Die  Differenzen  x'  —  oc,  y'  —  y,  z  — z  sind  demnach  constant, 
und  da  sie  anfänglich  gleich  Null  sind,  sind  sie  es  überhaupt,  wodurch 
unser  Satz  bewiesen  ist. 

Die  Gleichungen: 

p  =  ^(s),     T=T(s) 

können  somit  zweckmässig  die  natürlichen  Gleichungen  der  Cui-ve 
genannt  werden,  da  sie  die  Gestalt  dei-selben  ohne  Rücksicht  auf  ihre 
besondere  Lage  im  Räume  bestimmen. 

§  9.     Integration  der  natürlichen  Curvengleicliungen. 

Auf  Gi-und  der  Sätze,  welche  die  Existenz  der  Integrale  der 
Differentialgleichungen  beweisen,  sehen  wir  nun  unschwer,  dass,  wenn 
die  natürlichen  Gleichungen  einer  Curve: 


"[4  Kap.  1.    Curven  doppelter  Krümmung. 

q  =  q{s),     T=T{s) 
willkürlich    gegeben    sind,    die    entsprechende    Curve    in    der 
That  existiert. 

Wir   bezeichnen    mit  l,  m,  n  drei   unbekannte   Functionen   von  s 
und  setzen  das  System  der  drei  homogenen  linearen  Gleichungen: 

.^ .,.  dl  m      dm  l  n      dn m 

^     ^  ds  ^  Q  '    ~dV~"~  J  ~  y^    Ts~  f 

an,    von    denen    eben,    wenn    die    Curve    wirklich    existiert,    nach    den 
Frenet'schen  Formeln 

(cos  a,  cos  I,  cos  A),  (cos  ß,  cos  t],  cos  ^),  (cos  y,  cos  t,,  cos  v) 
drei  Lösungssysteme  sein  werden.  Aus  der  Theorie  der  Differential- 
gleichungen wissen  wir,  dass,  wenn  die  Anfangswerte  der  unbekannten 
Functionen  l,  m,  n,  z.  B.  für  s  =  0,  willkürlich  gegeben  sind,  ein 
Lösungssystem  (J,  m,  n)  der  Gleichungen  (10)  existiert,  das  für  s  =  0 
in  das  gegebene  Anfangssystem  (l^,  Wo,  n^  übergeht.  Wir  beachten 
ferner,  dass,  wenn  (^,  m,  n)  und  (r,  m\  n')  zwei  verschiedene  oder  über- 
einstimmende Lösungssysteme  von  (10)  sind,  aus  den  Differential- 
gleichungen selbst 

,   {W  -{-  mm'  -\-  nn')  =  0 

und  also 

W  -f-  m7n'  -f-  nn'  =  Const. 
folgt. 

Nun  wählen  wir  neun  Constanten 

'0  '()  ^0 

w„     w/     m/' 


welche  die  Coefficienten  einer  orthogonalen  Substitution  sind,  und  be- 
zeichnen mit 

(/,  m,  n),     (r,  m',  w'),     Q",  m",  n") 

drei  Lösungssysteme  von  (10),  die  für  s  =  0  bezüglich  in 

(^ü;  ^h,  %),      Qo,  »<;  O,      (C;  ^<';  <') 

übergehen. 

Aus   der  obigen  Ueberlegung  ergiebt  sich,  dass  für  alle  Werte 
von  s 

l      V       l" 

m     m'     m' 

n     n      n" 

die  Coefficienten  einer  orthogonalen  Substitution  sind,   insbesondere  ist 


§  9.    Integration  der  natürlichen  Cmrengleichungen.  15 

Setzen  wir  nun 

x  =  ilds,      y  =  jl'ds,     z  =  jrds 

and  deuten  wir  Xj  y,  z  als  Coordinaten  eines  beweglichen  Raurapunktes 
M,  so  hat  die  Ortscurve  für  31  offenbar  s  zum  Bogen  und  ?,  /',  /"  zu 
Riehtungscosinus  der  Tangente.  Berücksichtigen  wir  ferner  die  Differen- 
tialgleichungen (10),  denen  (?,  wi,«),  (/',»»',  w'),  Q",m'\n")  genügen, 
sowie  die  Frenet'schen  Formeln,  so  sehen  wir  sofort,  dass  Flexions- 
und Torsionsradius  genau  die  angegebenen  Werte  haben. 

Schlies-slich  zeigen  wir  mit  Darboux,  wie  die  Integi-ation  des 
Systems  (10)  auf  diejenige  einer  Differentialgleichung  vom  Riccati'schen 
Typus  zurückgeführt  wird.     Für  jedes  Lösungssystem  von  (10)  ist 

/-  -|-  wi-  -|-  n-  =  Const., 

und  multipliciei-en  wir  /,  m,  n  mit  einem  passenden  constanten  Factor 
(wodurch  wegen  der  Homogeneität  ein  neues  Lösungssystem  entsteht), 
so  kann  ohne  weiteres 

gesetzt  werden. 

Wir  drücken  nun  Z,  m,  w  durch  zwei  Winkel  ^  und  95  aus  mittels 
der  Gleichungen: 

/  =  sin  0^  cos  9),     m  =  sin  &  sin  9),     n  =  cos  ©■, 

dann  geben  die  Gleichungen  (10)  für  ■9'  und  qp  die  beiden  simultanen 
Gleichungen  : 

(11)  f-\-^^  =  0,      ^'«P  +  co^^os^  4.  1  =  0. 

^      ^  ds     ^        T  '       ds     '  1  '     ^ 

Jetzt  führen  wir  als  Unbekannte  die  complexe  Function 

&      .   * 
6  =  cotg  Y  •  e***} 

ein,  so  folgt  aus  (11)  für  6  die  Gleichung: 
(\o\  rfc  ^        IC-        «ff    ■     i 

^^">'  ds  2r       9    '  2r' 

aus  der  umgekehrt  durch  Trennung  des  reellen  und  des  imaginären 
Teils  die  Gleichungen  (11)  folgen.  Die  Aufgabe,  eine  Curve  aus 
ihren  natürlichen  Gleichungen  zu  bestimmen,  lässt  sich  dem- 
nach auf  die  Integration  der  Gleichung  (12)  vom  Riccati'schen 
Typus  zurückführen. 


•)  Die  Bedeutung  von  c  wird  im  dritten  Kapitel  erkannt  werden:  es  ergiebt 
sich  nämlich  c  als  eine  complexe    Veränderliche  auf  der  Kugel. 


IQ  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

Nach  bekannten  Eigenschaften  der  Gleichungen  von  diesem  Typus 
genügt  die  Kenntnis  einer  particulären  Lösung,  um  durch  Quadraturen 
zum  allo^emeinen  Integral  zai  gelangen. 


§  10.     Cylindrische  Scliraubenlinien. 

Wir  wollen  die  Frenet'schen  Formeln  nocli  auf  das  Studium  einer 
wichtigen  Klasse  von  Curven  anwenden,  die  unter  dem  Namen  cylin- 
drische Schraubenlinien  (Helices)  bekannt  sind. 

Es  werden  so  diejenigen  auf  einer  beliebigen  Cylinderfläche  ge- 
gezogenen Curven  genannt,  welche  die  Erzeugenden  derselben  unter 
constantem  Winkel  schneiden. 

Bei  der  Ausbreitung  der  Cylinderfläche  auf  eine  Ebene  wickelt  sich 
die  Schraubenlinie  in  eine  Gerade  ab,  und  da  sich  bei  der  Abwickelung 
die  Längendimensionen  nicht  ändern,  so  folgt  als  eine  "weitere  charak- 
teristische Eigenschaft  der  cylindrischen  Schraubenlinie,  dass  sie  auf 
dem  Cylinder  den  kürzesten  Weg  zwischen  zwei  Punkten  desselben 
angiebt. 

Wir  legen  die  ^-Axe  parallel  zu  den  Erzeugenden  des  Cylinders 
und  haben  folglich 

cos  y  =  Const. 

Aus  den  Frenet'schen  Formeln : 

d  cos  y         cos  ^  d  cos  ^  cos  y         cos  v  d  cos  v  __  cos  ^ 

folgt : 

cos  ^  ==  0*),     cos  V  =  Const.,      %  = =  Const. 

*  ^'  '       T  cos  i; 

Wir  haben  also  gefunden: 

1.  In  jedem  Punkte  einer  cylindrischen  Schraubenlinie 
fällt  die  Hauptnormale  derselben  mit  der  Cylindernormale 
zusammen.  Diese  Eigenschaft  ist  offenbar  für  die  Schraubenlinie 
charakteristisch. 

2.  Für  jede  cylindrische  Schraubenlinie  ist  das  Ver- 
hältnis der  beiden  Krümmungen  constant.  Auch  diese  zweite 
Eigenschaft  ist  umkehrbar  nach  dem  Satze  von  Bertrand:  Jede  Cur ve, 
bei  der  das  Verhältnis  der  beiden  Krümmungen  constant  ist, 
ist  eine  cylindrische  Schraubenlinie. 

Um  ihn  zu  beweisen,  nehmen  wir  an,  dass  für  eine  Curve  C 


•)   Den  Fall         =  0  schliessen  wir  aus ,   da  er  nur  für  die   Gerade  in   Be- 
Q 
tracht  kommt. 


§  10.    Cylindrische  Schraubenlinien.  1  7 

-j,  ==  Const.  =  X 

sei.     Aus  den  Frenet'schen  Formeln  erhalten  wir: 

d  cos  X  Q  d  cos  er  d  cos  ft  p  rf  cos  ß         d  cos  v  g  J  cos  y 

<7s      "^  T  "rf^'^     '       ~ds'  ^  r      ds     '  ds      ""  T      rfs 

oder  nach  der  gemachten  Voraussetzung 

y- (cosA — xcosa)  =  0,     ,   (cos^  —  xcos/3)  =  0,    ^  (cosv — xcosy)  =  0, 

woraus  durch  Intetfration  folcrt: 

cos  X  —  X  cos  a  =  A,     cos  fi  —  x  cos  ß  =  B,     cos  v  —  x  cos  y  =  C, 
wo  die  Constanten  A,  -B,  C  offenbar  der  Relation : 

genügen  müssen. 

Setzen  wir  demnach: 


cos  X  —  X  cos  a  =  )/l  -|-  x^ 


cos  a. 


cos  fi  —  X  cos  ß  =  y\  -(-  x^  cos  h  j 
cos  V  —  X  cos  j'  =  |/l  -{-  X-  cos  c, 

so    sind    cos  a,  cos  h,  cos  c    die    Cosinus    einer  festen   Richtungr   im 

7  7  O 

Räume,  mit  der  die  Tangente  an  C  wegen  der  Gleichung: 

cos  a  cos  a  +  cos  ß  cos  h  -\-  cos  y  cos  c  =  —  -^=^ 
^  '^  ]/i  +  t" 

einen  constanten  Winkel  bildet. 

Diß  Curve  C  ist  also  eine  Schraubenlinie  auf  derjenigen  Cylinder- 

fläche,  welche   entsteht,   wenn   durch   die   Funkte  von  C  Parallelen  zu 

der  festen  Richtung  gezogen  werden. 

§  11.     Formeln  für  cylindrische  Schraubenlinien. 

Um  die  allgemeinen  Foinneln  für  die  cylindrischen  Schraubenlinien 
aufzustellen,  legen  wir  die  0-Axe  parallel  den  Erzeugenden  des 
Cylinders  und  setzen  voraus,  dass  die  Coordinaten  x,  y  eines  Punktes 
des  durch  den  Cylinder  gelegten  senkrechten  Schnittes  z  =  0  mittels  der 
Gleichungen  x  =  x{iC),  y  =  y{ii)  als  Functionen  des  Bogens  u  dieses 
Schnittes  ausgedrückt  seien;  wir  sehen  dann  sofort,  dass  für  die  Coor- 
dinaten eines  beweglichen  Punktes  der  Schraubenlinie  die  Gleichungen 
gelten : 

B  i  a  n  c  h  i ,  Differentialgeometrie .  2 


13  Kap.  1.    Curven  doppelter  Krümmung. 

X  =  x(u),    y  =  yiu),    z  =  u  cotg  s,  *) 

wo  £  den  (als  spitz  vorauszusetzenden)  constanten  Neigungswinkel  der 
Schraubenlinie  gegen  die  Erzeugenden  des  Cylinders  bedeutet.  Unter 
Anwendung  der  Formeln  der  früheren  Paragraphen  finden  wir  (die 
Striche  bezeichnen  die  Differentiation  nach  u): 

sm  £ '  sin  B       '^ 

COS  a  =  sin  £  •  x' {ii) ,     cos  ß  =  sin  s  •  y'{u) ,     cos  y  =  cos  s , 

d  cos  a  .9  //  /   \         d  cos  ß  .    ,,  '>  /   \        d  cos  y        ., 

— ^ =  sin-^  8  •  X   iti) ,      — T— ^  =  sm''  s  •  y   (u),      — y-~  =  0. 

ds  ^  '' '  ds  -^    ^  "^^  ds 

Hieraus  folgt  die  Flexion  der  Schraubenlinie 

--  =  sin^  £  yx"(iiy  +  y"{uy 

oder 

(13)  7-'^' 

wenn  Ii  der  Krümmungsradius  des  senkrechten   Schnittes  ist.     Für  die 

Torsion  ^  finden  wir  ferner  aus 

Q  cos  y 

T  cos  V 


(vgl.  S.  16)  unter  Berücksichtigung,   dass  v  =  ^  ib  ^  i^^? 
(14) 


2 

1  I    sin  £  cos  £ 


T         -^-         B 

Das  obere  Vorzeichen  gilt  für  die  links,  das  untere  für  die  rechts 
gewundenen  Schraubenlinien  (§  7,  S.  12),  wie  auch  aus  der  geometrischen 
Anschauung  direct  folgt. 

Aus  diesen  Gleichungen  ergiebt  sich,  dass  nur  für  die  Schrauben- 
linien auf  dem  geraden  Kreiscylinder  die  Radien  der  Flexion  und  Torsion 
constant  sind.  Eine  solche  Schraubenlinie  heisst  gewöhnliche  Schrau- 
benlinie***), und  ihre  (nach  Puiseux)  charakteristische  Eigenschaft, 
constante  Krümmungsradien  zu  besitzen,  entspricht  der  Eigenschaft, 
die  sie  nur  mit  der  Geraden  und  dem  Kreise  gemeinsam  hat,  an  jeder 
Stelle  in  sich  verschiebbar  zu  sein. 


*)  Der  Einfachheit  halber  rechnen  wir  den  Bogen  u  von  dem  Punkte  an, 
in  welchem  der  senkrechte  Schnitt  die  Schraubenlinie  trifft. 

**)  Der  Bogen  der  Schraubenlinie  wird  von  ihrem  Anfangspunkte  auf  dem 
senkrechten  Schnitt  an  gerechnet. 

***)  Sie  kann  durch  einen  Punkt  beschrieben  gedacht  werden,  der  sich  gleich- 
förmig längs  einer  Erzeugenden  eines  Rotationscylinders  bewegt,  während  sich 
diese  gleichförmig  um  die  Axe  dreht. 


§  11.    Formeln  für  cylindrische  Schraubenlinien.  19 

Besondere  Ei^wähnung  unter  den  Schraubenlinien  verdient  noch 
die  cyliudrisch-conische,  welche  wir  durch  die  Gleichungen  mit 
den  Constanten  a  und  h: 

Q  =  as ,     T=hs 

definieren.  Der  Querschnitt  des  Cylinders,  auf  dem  diese  Schrauben- 
linie liegt,  ist  also  durch  die  Eigenschaft  chai-iikterisiert,  dass  sein 
Krümmungsradius  dem  Bogen  propoi-tional  ist;  er  ist  folglich  eine 
logarithmische  Spirale.  Demnach  können  die  Gleichungen  unserer 
Schraubenlinie  auf  die  Form: 

a;  =  ^ e''' cos  ^,     y  =  Ä^''smf,     z  =  B^' 

gebracht  werden,  wo  t  der  variable,  die  einzelnen  Punkte  der  Curve 
bestimmende  Parameter  und  Ä,  B,  h  Constanten  sind.  Die  Schrauben- 
linie liegt  demnach  auf  der  Fläche: 

die  ein  Rotationskegel  mit  der  ^-Richtung  als  Axe  und  dem  Coordinaten- 
anfangspunkt  als  Spitze  ist.  Sie  schneidet  die  Erzeugenden  des  Kegels 
unter  constantem  Winkel,  d.  h.  sie  ist  eine  Loxodrome  des  Kegels*). 
In  der  That  findet  man  die  Richtungscosinus  ihrer  Tangente: 

A  (h  cos  t  —  sin  <)             _        JL  (/?  sin  i  -|-  cos  t)  Bh 

cos  a  =  — ^         r^:z —    ,  cos  p  =    -1 . cosy  — 


und  diejenigen  der  Erzeugenden  des  Kegels: 

A  cos  t  ,  J.  sin  f  '^ 

cos  a  =  = ,       cos  b  =    ,  ,       cos  c  = 


woraus 


cos  a  cos  u  -+-  cos  o  cos  ß  4-  cos  c  cos  y  = '[ \^       ,  =  =  Const. 

^    '  y  A'- -^  h^A- -{- B-) 

folgt.     Deshalb  der  Name  cylindrisch-conische  Schraubenlinie**). 


§  12.     Envelöppe  von  oc^  Flächen. 

Für  das  Studium  der  weiteren  Eigenschaften  der  Raumcurven  ist 
es  von  Vorteil,  einige  kurze  Bemerkungen  über  Enveloppen  (ein- 
hüllende Flächen)  vorauszuschicken. 


*)  Loxodrome  heisst  auf  einer  beliebigen  Rotationsfläche  eine  Curve,  welche 
die  Meridiane  unter  constantem  Winkel  schneidet. 

**)  Es  sei  bemerkt,   dass  bei  der  Abwicklung  des  Kegels  in  eine  Ebene  die 
cylindrisch-conische  Schraubenlinie  in  eine  logarithmische  Spirale  übergeht. 


20  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

Es  sei 

(15)  f{x,  y,  z,  a)  =  0 

die  Gleichung  einer  Fläche;  den  Parameter  a,  den  sie  enthält,  setzen 
wir  innerhalb  eines  bestimmten  Intervalls  als  stetig  veränderlich  voraus. 
Wir  setzen  ferner  voraus,  dass  in  dem  für  x,  y,  z,  a  in  Betracht  kommen- 
den Aenderungsbereich  die  Function  f  endlich  und  stetig  sei  und  die 
ebenfalls  endlichen  und  stetigen  Differentialquotienten 

d£       df       df       d£       d^ 

dx'     dy^     dz'     da'     da^ 

besitze.     Jedem  besonderen  Werte  a^  von  a.  entspricht  eine  besondere 
Fläche  unseres  einfach  unendlichen  Systems  (15);  ändert  sich  a  stetig, 
so  bewegt  sich  auch  die  Fläche  unter  stetiger  Deformation  im  Räume. 
Wir  betrachten  nun  eine  specielle  Fläche  des  Systems: 

(16)  f(x,y,z,a;)  =  0, 

sowie  eine  dicht  benachbarte,  die  der  Variation  h  des  Parameters  ent- 
spricht: 

f{x,  y,  z,  a^-{-h)^0. 

Die  Schnittcurve  dieser  beiden  Flächen  nähert  sich  mit  bis  zu  Null  ab- 
nehmendem h  auf  der  Fläche  (16)  einer  Grenzlage,  die  nach  Monge 
die  Charakteristik  der  Fläche  (16)  genannt  wird.  In  der  That 
können  wir  für  die  beiden  vorstehenden  simultanen  Gleichungen  das 
äquivalente  System : 

f(x, y, z, a,) ^ 0,  n^>y>^>-^+3^-n^^y>^>-^) _ o 

setzen.  Die  zweite  dieser  Gleichungen  nähert  sich  mit  abnehmendem  h 
der  Grenzgleichung: 

rg(A  x,y,  z,  k)!        ^  Q 

und  es  lässt  sich  in  aller  Strenge  beweisen,  dass  die  durch  die  simul- 
tanen Gleichungen: 

i\x,y,z,a^  =  0,         (^0  —0 

bestimmte  Curve  eben  die  gesuchte  Grenzcurve  (Charakteristik)  ist.  Der 
Ort  aller  Charakteristiken  heisst  Enveloppe  (einhüllende  Fläche) 
des  Systems,  während  jede  einzelne  Fläche  des  Systems  eine  einge- 
hüllte oder  umhüllte  genannt  wird.  Die  Gleichung  der  Enveloppe 
ergiebt  sich  nach  dem  Vorstehenden  durch  Elimination  von  a  aus  den 
beiden  Gleichungen  : 

f=0,     U  =  0 

'  '      Ca 


§  12.     Enveloppe  von  CX5»  Flächen.  21 

oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt,  dadurch,  dass  man  aus  der  zweiten 
Gleichung  cc  als  Function  Ton  Xj  y,  z  bestimmt  und  diesen  Wert  in 
die  erste  einsetzt.     Die  Gleichung: 

fix,  y,  z,  a)  =  0, 

die  uns  für  constantes  a  die  umhüllte  Fläche  darstellt,  repräsentiert 
also  auch  die  Enveloppe,  wenn  hierin  der  aus  der  Gleichung: 

Ca 
für  a  als  Function   von  x^  i/,  s  sich  ergebende  Wert  eingesetzt  wird. 

Hiernach  sieht  mau  sofort,  dass  die  Enveloppe  die  Umhüllte 
längs  der  ganzen  Charakteristik  berührt. 

In  der  That,  die  Gleichung  der  Tangentenebene  in  einem  Punkte 
{x,  y,  z)  der  Enveloppe  ist: 

\cx    '    cacxl^  '    '    \Cy    '    cacyl^         ^^  '   \cz    '    ca.  czi  ^  ^  ^ 

oder,  da  eben  ^r^  =  0  ist: 
'  ca. 

welches  die  Gleichung  der  Taugenteuebene  der  Umhüllten  ist. 

Schneidet  die  Charakteristik  der  Fläche  (16)  die  Nachbai-fläche : 

fix,  y,  z,  «1  4-  h)  =  0, 

so  werden  sich  bei  Aenderung  von  h  die  Schnittpunkte  auf  der  Cha- 
rakteristik verschieben  und  mit  bis  zu  Null  abnehmendem  h  in  gewisse 
Grenzpunkte  übergehen,  die  wir  auf  folgende  Weise  bestimmen:  Für 
jeden  dieser  Schnittpunkte  bestehen  die  simultanen  Gleichungen: 

(a)  /;=«,  =  0,    \A  =0,     f{x,y,z,a,  +  h)  =  0- 

für  die  dritte  können  wir  setzen: 

wo  iq  in  Bezug  auf  h  von  höherer  als  der  zweiten  Ordnung  unendlich 
klein  ist.     Statt  des  Systems  (a)  können  wir  das  äquivalente: 

setzen.  Die  letzte  dieser  Gleichungen  geht  mit  vei-schwindendem  h  in 
die  Grenzgleichung: 

m    =0 


22  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

über.  Die  gesuchten  Grenzpunkte  auf  der  Charakteristik  «  =  a^  sind 
also  durch  die  drei  simultanen  Gleichungen: 

bestimmt. 

Der  Ort  der  Grenzpunkte  der  verschiedenen  Charakteristiken  führt 
den  Namen  Rück  kehr  kante  (Cuspidalkante)  der  Enveloppe;  ihre 
Gleichungen  ergeben  sich,  wenn  man  a  aus  den  drei  Gleichungen: 

f=0,     !^  =  0,     p,  =  o 

'  ^      da  '      da^ 

eliminiert  oder  a  als  Function  von  x,  y,  3  aus  der  dritten  berechnet 
und  diesen  Wert  in  die  beiden  ersten  einsetzt.  Und  da  diese  für  con- 
stantes  a,  die  Charakteristik  darstellen,  so  folgt  hieraus  leicht,  dass 
jede  Charakteristik  die  Rückkehrkante  in  den  Grenzpunkten  berührt: 
es  ist  demnach  auf  der  Enveloppe  die  Rückkehrkante  (falls  sie  über- 
haupt reell  ist)  die  UmhüUungscurve  der  Charakteristiken. 

§  13.     Abwickelbare  Flächen. 

In  der  Theorie  der  Raumcurven  haben  wir  ausschliesslich  den 
Fall  zu  betrachten,  in  dem  die  umhüllten  Flächen  Ebenen  sind-,  es 
wird  dann  die  Enveloppe  aus  einem  sofort  zu  erörternden  Grunde  als 
abwickelbare  Fläche  (Developpable)  bezeichnet. 

Die  Charakteristik  jeder  Ebene  des  Systems  ist  offenbar  eine 
Gerade,  und  alle  charakteristischen  Geraden  sind  Tangenten  der  Rück- 
kehrkante; die  Developpable  ist  also  der  Ort  der  Tangenten  einer 
Curve,  welche  Rückkehrkante  der  Fläche  ist.  Die  bewegliche  (umhüllte) 
Ebene  ist  Schmiegungsebene  der  Rückkehrkante.  In  der  That,  behalten 
wir  für  diese  Curve  die  üblichen  Bezeichnungen  bei,  so  ist  die  Gleichung 
der  Schmiegungsebene: 

(X  —  ic)  cos  A  +  ( Y —  y)  cos  fi  -\-  (Z  —  ^)  cos  v  =  0. 

Um  die  Charakteristik  der  Schmiegungsebene  zu  erhalten,  combinieren 
wir  hiermit  diejenige  Gleichung,  welche  sich  durch  Differentiation  nach 
dem  Parameter  s  ergiebt,  d.  h.  nach  den  Frenet'schen  Formeln  die 
Gleichung: 

(X  —  x)  cos  ^  -{-  (Y  —  y)  cos  rj  -\-  (Z  —  z)  cos  g  =  0 . 

Diese  zweite  Ebene  schneidet  die  Schmiegungsebene  längs  der  Tangente, 
die  demnach,  wie  behauptet,  die  Charakteristik  ist. 

Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dass  sich  die  Rückkehrkante  auf  einen 
Punkt   zusammenziehen  kann;   dann  wird  die  Developpable  ein  Kegel 


§  14.     Polardeveloppable  einer  Curve.  23 

oder  ein  Cylinder,  je  nachdem  dieser  Punkt  in  endlicher  oder  unend- 
licher Entfernung  liegt. 

Jede  umhüllte  Ebene  berührt  die  Developpable  längs  der  gerad- 
linigen Charakteristik  (Erzeugenden),  und  es  bilden  somit  die  Tangential- 
ebenen einer  Developpabeln  eine  einfache  Mannigfaltigkeit,  während  bei 
jeder  anderen  Fläche  die  Tangentialebenen  ein  oc-- System  bilden*). 

Der  Name  „Developpable"  rührt  daher,  dass  die  Fläche,  als  bieg- 
sam und  undehnbar  vorausgesetzt,  ohne  Riss  oder  Faltung  auf  die 
Ebene  abgewickelt  werden  kann.  Umgekehrt  ist  jede  Fläche,  welche 
diese  Eigenschaft  besitzt,  mit  Notwendigkeit  eine  Developpable,  wie 
in  einem  anderen  Kapitel  nachgewiesen  werden  wird. 

In  Verbindung  mit  jeder  Raumcurve  sind  drei  Developpable  in 
Betracht  zu  ziehen,  die  bezüglich  von  den  drei  Ebenen  der  Haupt- 
trieder  umhüllt  werden.  Die  Enveloppe  der  Schmiegungsebene  ist, 
wie  wir  vorhin  gesehen  haben,  nichts  anderes  als  der  Ort  der  Tan- 
genten der  gegebenen  Curve.  Die  Enveloppe  der  Normalenebene  von  C 
heisst  die  Polardeveloppable  der  Curve  C,  und  mit  ihr  werden  wir 
uns  hauptsächlich  beschäftigen. 

Bezüglich  der  dritten  Developpabeln,  der  Enveloppe  der  auf  den 
Hauptnormalen  von  C  senkrecht  stehenden  Ebenen,  bemerken  wir  nur, 
dass  sie  als  rectificierende  Developpable  der  Curve  C  bezeichnet 
wird;  sie  geht  durch  die  Cui've  C  hindurch,  und  diese  wird  bei  der 
Abwickelung  der  Developpabeln  auf  die  Ebene  zu  einer  Geraden. 

§  14.     Polardeveloppable  einer  Curve. 

Um  die  Elemente  der  Polardeveloppabeln  einer  gegebenen 
Curve  C,  insbesondere  ihrer  Rückkehrkante,  zu  bestimmen,  wenden 
wir  die  allgemeinen  Regeln  des  §  12  an,  indem  wir  von  der  Gleichung 
der  (umhüllenden)  Normalenebeue  der  Curve  C: 

(17)  {X  —  x)  cos  a -\- (Y  —  y)  cos  ß -\- (Z  —  z)  cos  y  =  0 
ausgehen,  in  der  wir  naturgemäss  als  Parameter,   der  die  Lage  der  be- 
weglichen Ebene  bestimmt,  den  Bogen  5  von  C  wählen.     Differenzieren 
wir  (IT)  nach  s,  so  erhalten  Avir  mittels  der  Frenet'schen  Formeln  die 
Gleichung: 

(18)  (X  —  x)  cos  i -}- (Y  —  ij)  cos  Vi -\- {Z  —  z)  cos  ^  =  g, 

und  diese  beiden  Gleichungen  geben  combiniert  die  Charakteristik  der 
Ebene  (17),  d.  h.  die    Erzeugende    der   Polardeveloppabeln.      Dieselbe 

*)  Bei  jeder  dualistischen  Transformation  des  Raumes  liefert  jede  Fläche 
eine  andere  Fläche ;  die  Developijablen  dagegen  entsprechen  dualistisch  den  Gurren. 


24  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

steht  hiernacli  auf  der  Schmiegnngsebene  in  demjenigen  Punkte  der 
Hauptnormale  M^  senkrecht,  welcher  (im  positiven  Sinne)  vom  Os- 
culationspunkte  M  auf  der  Curve  um  den  Krümmungsradius  q  entfernt 
ist.  Dieser  Punkt  M^  wird  als  Krümmungsmittelpunkt  der  Curve 
C  in  M  bezeichnet,  und  der  in  der  Schmiegungsebene  um  Mj_  mit  dem 
Radius  M^M  =  q  beschriebene  Kreis  heisst  Schmiegungs-,  Oscula- 
tions-  oder  Krümmungskreis*).  Die  Erzeugende  der  Polardevelop- 
pabeln  ist  also  das  auf  der  Ebene  des  Krümmungskreises  in  seinem 
Mittelpunkte  errichtete  Lot  oder,  wie  man  sich  ausdrückt,  die  Axe 
des  Krümmungskreises. 

Um  nun  den  Punkt  M^^  zu  finden,  in  dem  die  Axe  des  Krümmungs- 
kreises die  Rückkehrkante  der  Polardeveloppabeln  berührt,  müssen  wir 
die  Gleichungen  (17)  und  (18)  mit  derjenigen  combinieren,  die  sich 
durch  nochmalige  Differentiation  nach  s  ergiebt.  Dieselbe  lässt  sich 
unter  Berücksichtigung  der  Frenet'schen  Formeln  und  der  Gleichung 
(17)  selbst  wie  folgt  schreiben: 

(19)    (X  —  x)  cos  A  +  (F^  y)  cos  (i  +  (Z  —  3)  cos  v  =  —  T^£, 

und  die  Coordinaten  Xq,  y^,  Sq  des  gesuchten  Punktes  M^  müssen,  für 
X,  Y,  Z  in  die  Gleichungen  (17),  (18),  (19)  eingesetzt,  denselben 
gleichzeitig  genügen.  Lösen  wir  die  drei  in  den  Differenzen  x^  —  x, 
y^  —  y,  Zq  —  z  linearen  Gleichungen  nach  denselben  auf,  so  erhalten 
wir  unmittelbar: 


(20) 


Xq  =^  X  -\-  q  cos  I  —  T  ,    cos  l , 
^0  =  i/  +  9  cos  17  —  T  ^^J  cos  ^, 

•^n  =  ^  +  i>  COS  t  —  T  -.^  COS  V  . 
V  "  '     ""  '  ds 


Die  um  Mq{xq,  y/„,  z^)  mit  dem  Radius  M^M  beschriebene 
Kugel  heisst  die  osculierende  oder  Schmiegungskugel  der  Curve 
C  in  M,  weil  sie,  wie  auf  ähnliche  Weise  wie  in  §  3  gezeigt  werden 
kann,  unter  allen  durch  M  gehenden  Kugeln  diejenige  ist,  welche  in 
der  Umgebung  von  M  sich  am  innigsten  der  Curve  anschmiegt**).  Es 
ist  klar,   dass  der  Krümmungskreis  der  Schnitt  der  Schmiegungskugel 


*)  Unter  allen  Kreisen  durch  M  ist  der  Krümmungskreis,  wie  man  beweisen 
kann,  derjenige,  welcher  sich  in  der  Umgebung  von  M  der  Curve  am  innigsten 
anschmiegt. 

**)  Sie  kann  auch,  weniger  streng  ausgedrückt,  als  diejenige  Kugel  bezeichnet 
werden,  die  durch  M  und  drei  aufeinanderfolgende  Punkte  der  Curve  geht. 


§    15.     Ort  der  Mitten  der  Schmiegungskugeln.  25 

mit  der  Schiniegiingsebene  ist.  Bezeichnen  wir  nun  mit  R  den  Radius 
der  Schmiegungskugel ,  so  haben  wir: 

R2  _  (^^  _  ^)2  ^  (y^  _  yy  ^  (^^  _  ,y 

oder  wegen  (20): 

(21)  ij' = 9' + T*  (^f)^ 

§  15.     Ort  der  Mitten  der  Schmiegungskugeln. 

Wir  wollen  nun  die  Rückkehrcurve  der  Polardeveloppabeln,  Cq, 
die,  wie  wir  gesehen  haben,  zugleich  der  Ort  der  Mittelpunkte  der 
Schmiegungskugeln  ist,  in  ihren  Beziehungen  zur  gegebenen  Curve  C 
untei-suchen. 

Wir  bezeichnen  mit 

Sq,     cos  «0,     (^os  ßo,  ■  ■  •  Qq,      Tq 

diejenigen  Grössen,  welche  für  Cq  dasselbe  bedeuten,  wie 

s,      cos  a,      cos  ß  •  Q,      T 

für  C.  Um  sie  zu  berechnen,  brauchen  wir  nur  die  Gleichungen  (20) 
unter  Benutzung  der  Frenet'schen  Formeln  zu  diflFerenzieren.  Die  erst- 
malige Differentiation  giebt: 

(20')  «'y.  =  -  i  T  +  s  (^  al)  1  ""^  1"  '''' 

hieraus  folgt  durch  Quadrieren  und  Addieren: 
und  also: 

(21-)  rf.„^.|^  +  /^(r^-:))rf., 

wo  6  die  positive  oder  negative  Einheit  ist;  setzen  wir  fest,  dass  Sq  mit 
s  als  wachsend  gerechnet  werden  soll,  so  ist  das  Vorzeichen  von  £  ganz 

dasselbe  wie  dasjenige  des  Factors  ^  +  jt  (^>^) ' 

Daraus  folgt  sofort: 

(22)  cos  (^Q  =  —  E  cos  A,     cos  ßf,  =  —  £  cos  ^,     cos  yf,  =  —  £  cos  v, 

woraus  sich  durch  weitere  Differentiation  ergiebt: 


26  Kap.  1.     Cnrven  doppelter  Krümmung. 


dSf,         c.                ds        i. 

—"^  cos  g(,  =  — £   ^  COS|, 
Co                                  -'- 

dsn                           ds 
-"  cos 9^0  =  —  E  -rp  COS  ri, 

Hieraus  folgt 

(23) 

dSf^           ,  ds 

— ^COSCf,=: £  ^  COS  t. 


WO  /  wiederum  die  positive  oder  negative  Einheit  bezeichnet^  je  nach- 
dem        positiv  oder  negativ  ist. 

Wir  haben  somit 
(22')  cos  lo  =  —  ^^  cos  ^^   cos  ->jo  =  —  £«'  cos  Tj,   cos  ^0  =  —  ^'^'  cos  ^; 
durch  Combination  dieser  Gleichungen  mit  (22)  ergiebt  sich  weiter 
(22")    cos  Aq  =  - —  B  cos  a,    cos  ^o  ""^  —  ^  cos  /3,    cos  Vq==  —  f'  cos  y 

(vgl.  S.  7  unten)   und    hieraus    schliesslich    durch  Differentiation  unter 

Berücksichtigung  von  (22) 

(24)  '^'o^^jls 

Die  vorstehenden  Formeln  lassen  erkennen ,  dass  bei  den  beiden 
Curven  C  und  C^  die  Tangente  der  einen  parallel  der  Binormalen  der 
anderen  ist,  während  die  Hauptnormalen  paarweise  einander  parallel 
sind,  Resultate,  die  auch  geometrisch  sehr  leicht  einzusehen  sind. 

Wir  untersuchen  nun,  ob  der  Radius  der  Schmiegungskugel  li 
eine  Constante  sein  kann.  Differenzieren  wir  unter  dieser  Annahme 
(21),  so  kommt: 

ds  \t^  ds  V  ds/l  ~  ^' 
also  ist,  da  T  nicht  gleich  Null  ist,   entweder 

a)  -,-  =  0,  d.  h.  p  ==  Const. 

^  ds  '  ^ 

oder 

b)  i+.t(^:!:)=o- 

Im  Falle  a)  besitzt  die  Curve  eine  constante  Flexion,  und  da  dann  in 
den  Gleichungen  (20)  das  dritte  Glied  rechts  verschwindet,  so  fällt  der 
Ort  für  die  Mittelpunkte  der  Schmiegungskugeln,  C^,  mit  demjenigen 
der  Krümmungsmittelpunkte,  0^,  zusammen.     Ferner  ist  wegen  (21') 

Cl  Sq    ^rp    eis  j 

und  da  hier  f  =  f'  ist,  so  geben  die  Gleichungen  (23)  und  (24) 
und  die  Gleichungen  (22') 


§  16.     Evoluten  und  Evolventen.  27 

cos  ^  =  —  COS  I,  COS  1^0  =  —  cos  rij  cos  ^  =  —  cos  ^5 
daraus  folgt,  dass  die  Curve  Cq  dieselbe  constante  Flexion  wie  C  hat, 
während  das  Product  der  beiden  Torsionen  gleich  dem  Quadrat  dieser 
Constanten  ist.  Des  weitem  ist  klar,  dass  der  Ort  der  Krümmungs- 
mittelpunkte von  Cq  die  ursprüngliche  Curve  C  ist.  Die  Curven  mit 
constanter  Flexion  lassen  sich  demnach  zu  Paaren  zusammenfassen, 
welche  die  Hauptnormalen  gemeinsam  haben. 

Untersuchen  wir  nun  den  Fall  b),  so  erhalten  wir  aus  den  Glei- 
chungen (20') 

Xq  =  Consi,     iJq  =  Coust.,     Zq  =  Consi; 

es  liegt  demnach  die  Curve  C  auf  der  im  Räume  festen  Kugel: 

Die  natürliche  Gleichung: 

T^  ds\     ds/ 
ist  also  für  die  sphärischen  Curven  charakteristisch*). 

§  16.    Evoluten  und  Evolventen. 

Längs  einer  ebenen  oder  doppelt  gekrümmten  Cui-ve  C  denken 
wir  uns  einen  biegsamen  und  nicht  dehnbaren  Faden  aufgelegt  und 
wickeln  ihn  von  einem  beliebigen  Pimkte  der  Curve  an  von  derselben 
so  ab,  dass  er  stets  gespannt  bleibt,  d.  h.,  dass  in  jedem  Augenblick 
das  abgewickelte  geradlinige  Fadenstück  31' 31  Tangeute  von  C  in 
31'  und  seine  Länge  gleich  dem  abgewickelten  Cm-venbogeu  s  ist. 
Das  freie  Ende  31  des  Fadens  beschreibt  eine  Curve  C,  welche  eine 
Evolvente  von  C  genannt  wird,  während  C  Evolute  von  C  heisst. 

Bezeichnen  wir  mit  x,  y,  z ,  cos  a'  •  •  •  die  Elemente  der  Evolute  C 
und  mit  ic,  y,  z^  cos  a  ■■  ■  diejenigen  der  Evolvente  (7,  so  folgen  aus 
der  angegebenen  Construction  unmittelbar  die  Gleichungen: 

(25)    X  —  a;  =  s  cos  «',     y  —  ij  =  s  cos  ß^,    z  —  -s  =  s  cos  /. 
Aus  ihnen  ergiebt  sich  durch  Differentiation: 

rf^  =  _i4^eosr,     dy  =  -'^,^^osr(,     dz  =- '^  cos  ^, 


*)  Bemerkt  werde,  dass,  wenn  in  einem  Punkte  einer  beliebigen  Curve 


^  ds\     dsJ 


verschwindet,  die  Schmiegungskugel  daselbst  stationär  ist  und  die  Curve  Q  in 
dem  entsprechenden  Punkte  einen  Rückkehrpunkt  hat. 


28  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

d.   h.   die   Tangente   der  Evolvente   ist   der  Hauptnormale   der 
Evolute  parallel. 

Die  Aufgabe:  Zu  einer  gegebenen  Evolute  die  Evolventen 
zu  finden,  wird  mit  Hilfe  einer  Quadratur  durch  die  Gleichungen 
(25)  gelöst,  da  es  nur  darauf  ankommt,  s  als  Function  des  die  Punkte 
von  ü'  bestimmenden  Parameters  auszudrücken.  Wir  sehen,  dass  in  s 
eine  willkürliche  additive  Constante  auftritt  und  dass  demnach  eine  gege- 
bene Curve  oo^  Evolventen  besitzt,  die  sämtlich  auf  der  Tangenten- 
developpabeln  der  Curve  liegen  und  die  Orthogonaltrajectorien  der  er- 
zeugenden Tangenten  sind. 

Wir  behandeln  nun  die  umgekehrte  Aufgabe:  Alle  Evoluten 
einer  gegebenen  Curve  C  zu  finden.  Da  die  Unbekannten  unserer 
Aufgabe  hier  die  Elemente  der  Curve  C,  insbesondere  die  Lage  des 
Evolutenpunktes  M'  in  der  Normalenebene  der  Evolvente  in  M,  sind, 
so  wählen  wir  in  dieser  Ebene  die  Haupt-  und  die  Binormale  als  be- 
wegliche Hilfsaxen  und  bezeichnen  mit  u,  v  die  auf  diese  Axen  be- 
zogenen Coordinaten  von  M''^  für  die  Coordinaten  x\  y',  /  von  M' 
haben  wir  offenbar   die  Ausdrücke: 

X  =  X  ~\-  u  cos  I  -|-  y  cos  A , 

y  =  y  -{-  u  cos  ■>?  -j-  y  cos  ^, 

0  =  z  -j-  u  cos  t  +  v  cos  V. 

Es  handelt  sich  nun  darum,  ti  und  v  als  Functionen  von  s  so  zu 
bestimmen,  dass  die  in  M'  an  die  Ortscurve  dieses  Punktes  M'  ge- 
zogene Tangente  gerade  die  Normale  M' M  Yon  C  ist;  wir  müssen  also 

dx        dl/       dz' 
ds  '      ds  '      ds 
bezüglich 

u  cos  ^  -\-  V  cos  A,     u  cos  7j  -\-  V  cos  ft,     u  cos  ^  -f-  ?^  cos  V 

proportional  setzen. 

Führen  wir  die  Differentiationen  unter  Berücksichtigung  der  Frenet- 
schen  Formeln  aus,  so  finden  wir,  dass  sich  die  notwendigen  und  hin- 
reichenden Bedingungen,  denen  u  und  v  genügen  müssen,  auf  die  fol- 
genden beiden  reducieren: 

1  /du  ^^  v\  1  /dv         u\ 

^■^  —  9,     ^  Vd7  '^tJ~v  \d's  "  t) 

oder: 

dv         dq 
ds  ds  1 

Die  letzte  dieser  Gleichungen  giebt  integriert: 


§  17.    Weiteres  über  Evoluten  und  Evolventen.  29 

,      V  f*ds    , 


d.  h. 

v  =  Q  tang  (r  -f  c), 

wo  c  eine  willkürliche  Constante  ist  und 


_    rds 


(27) 


gesetzt  ist. 

Die  vorgelegte  Aufgabe  wird  also  mit  Hilfe  einer  Quadratur  durch 
die  Gleichungen  gelöst: 

Ix  =  X  -{-  Q  COS  I  +  p  tang  (r  -|-  c)  cos  X , 
y  =y  +  QCOsri-{-  Q  tang  (r  +  c)  cos  /*, 
s'  =  z  -{-  Q  COS  ^  +  9  tang  (t  -j-  c)  cos  v. 
Aus  ihnen  ergeben  sich  nach  (25)  sofort  die  folgenden: 
cos  a  =  cos  (t  -}-  c)  cos  |  -|-  sin  (t  -\-  c)  cos  A , 
cos  /3'  =  cos  (t  -|-  c)  cos  tj  -j-  sin  (r  -f-  c)  cos  ft, 
cos  /  =  cos  (t  -f-  c)  cos  5  -f-  sin  (t  -f-  c)  cos  v; 
d.  h.:    der   Winkel,    den    die    Tangente    der    Evolute    mit    der 
Hauptnormale  der  Evolvente  bildet,  ist  gleich  x  -\-  c. 

§  17.    Weiteres  über  Evoluten  und  Evolventen. 

Entsprechend  den  unendlich  vielen  Werten  der  Constanten  c  in 
den  Gleichungen  (26)  giebt  es  oc^  Evoluten  der  gegebenen  Curve  C, 
die  alle  auf  der  Polardeveloppabeln  derselben  liegen.  Es  lässt  sich 
zeigen,  dass  bei  der  Abwickelung  der  Polardeveloppabeln  in  eine  Ebene 
die  oc^  Evoluten  in  die  Geraden  eines  Büschels  übergehen*).  Ist  die 
Evolvente  eben,  so  hat  sie  eine  ebene  Evolute,  nämlich  den  Ort  ihrer 
Krümmungsmittelpunkte;  die  anderen  Evoluten  sind  Schraubenlinien 
auf  demjenigen  geraden  Cylinder,  der  die  ebene  Evolute  zur  Basis  hat 
und  eben  die  Polardeveloppable  ist. 


*)  unter  Vorwegnahme   der  in  den  nächstfolgenden  Kapiteln  erörterten  Be- 
griffe bemerken  wir:   Wenn  in  (26)  c  als  variabel  betrachtet  und  ;     , — -  =  B 

^  ^     ^  cos  (t  -f-  c) 

gesetzt  wird,  so  ergiebt  sich  für  das  Quadi-at  des  Linienelements  der  Polardeve- 
loppabeln der  Ausdruck: 

dx-  +  dy'*-  +  dz""  =  dR-  -\-  R-dc\ 
der  gleich   dem  Quadrat  des  Linienelements   der  Ebene  in  Polarcoordinaten  ist, 
was  die  im  Text  erwähnte  Eigenschaft  beweist. 


30  Kap.  1.    Curven  doppelter  Krümmung. 

Aus  der  Bemerkung  am  Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen  folgt 
ein  wegen  seiner  Anwendungen  sehr  wichtiger  Satz.  Betrachten  wir 
zwei  verschiedene  Evoluten  der  (jeffebenen  Curve  C,,die  den  Werten 
Cj  und  Cg  der  willkürlichen  Constanten  c  entsprechen,  so  stellt  die 
Differenz  c^  —  c.^  nach  dem  angegebenen  Satze  den  Winkel  der  beiden 
Tangenten  dar,  die  von  ein  und  demselben  Punkte  M  der  Evolvente  an 
die  betreffenden  Evoluten  gezogen  sind,  woraus  folgt: 

A)  Die  von  ein  und  demselben  Punkte  der  Evolvente  an 
zwei  verschiedene  Evoluten  gezogenen  Tangenten  bilden 
einen  constanten,  d.  h.  von  der  Lage  des  Evolventenpunktes 
unabhängigen  Winkel. 

Zweckmässiger  Weise  lässt  sich  dieses  Ergebnis  in  einer  etwas 
anderen  Form  wie  folgt  aussprechen: 

B)  Werden  die  Erzeugenden  einer  abwickelbaren  Fläche 
um  die  bezüglichen  Schnittpunkte  mit  einer  ihrer  Ortho- 
gonaltrajectorien  in  der  Normalenebene  derselben  um  einen 
Constanten  Winkel  gedreht,  so  ist  der  Ort  der  neuen  Lagen 
der  Erzeugenden  wieder  eine  abwickelbare  Fläche. 

§  18.     Orthogonale  Trajectorien  von  c»^  Ebenen. 

Das  in  §  16  zur  Bestimmung  der  Evoluten  einer  gegebenen  Curve 
eingeschlagene  Verfahren  kann  auch  zur  Lösung  der  folgenden  Auf- 
gabe angewandt  werden:  Alle  Curven  C  zu  bestimmen,  für 
die  eine  gegebene  Curve  ü  der  Ort  der  Mittelpunkte  der 
Schmiegungskugeln  ist.  Die  gestellte  Frage  ist  offenbar  identisch 
mit  derjenigen  nach  den  Curven  C,  welche  eine  gegebene  Schaar 
von  oü^  Ebenen  (Schmiegungsebenen  der  Curve  C)  rechtwinklig 
schneiden.  Ist  C  eine  solche  Curve  und  M'  der  Punkt,  in  welchem 
sie  die  Schmiegungsebene  von  C  in  M  rechtwinklig  schneidet,  so  be- 
stimmen wir  die  Lage  von  M'  in  dieser  Ebene  mittels  seiner  recht- 
winkligen Cartesischen  Coordinaten  u,  v,  bezogen  auf  die  Tangente 
und  die  Hauptnormale  von  C  als  Axen.  Bezeichnen  wir  die  auf  die 
festen  Raumaxen  bezogenen  Coordinaten  von  M'  mit  x',  y' ,  z\  so 
haben  wir  demnach: 

x  ^^  X  -\-  u  cos  a  A^  V  cos  |, 

(28)  ■  y'  =^  y  -^  u  cos  /3  -f-  ^  COS  7^, 

■  3  =  z  -\-  u,  cos  y  -\-  V  cos  ^, 
und  die  der  Curve  C,  dem  Orte  von  Jf',  auferlegte  Bedingung  besagt, 

(\.0ß       dtj       dz 

dass  -,— ,  -      ,  — —  bezüglich  cos  A,  cos  fi,  cos  v  proportional  sein  müssen; 


§  18.    Orthogonale  Trajectorien  von  oo*  Ebenen.  31 

daraus   ergeben   sich   für  die  unbekannten  Functionen  u  und  v  von  s 

die  Gleichungen: 

dv  it        du V  .. 

ds  Q  ^      ds         Q  ' 


oder     wenn   wir   statt  s  eine   neue  unabhängige  Veränderliche 


dv 


einführen : 

dv        du 

da '      da  ^ 

V  bestimmt  sich  also  aus  der  Gleichung: 

d^v    , 

da^  +  ''  =  ^' 
die  integriert 

V  =^  c  cos  6  -\-  c    sin  6  —  cos  ö  /  sin  6ds  +  sin  ö  /  cos  6äs 

giebt,  wo  c,  c  willkürliche  Constanten  sind,    üann  haben  wir  u  =  —  ^- , 
d.  h. 

M  =  c  sin  ö  —  c  cos  6  —  sin  6  j  sin  6ds  —  cos  ö  j  cos  6(Js. 

Setzen  wir  die  für  u  und  v  gefundenen  Werte  in  (28)  ein,  so 
haben  wir  mittels  Quadraturen  die  gesuchten  Curven  C  bestimmt,  die, 
wie  a  priori  klar  war,  eine  doppelt  unendliche  Mannigfaltigkeit  bilden. 

§  19.     Curven  mit  gemeinsamen  Hauptnormalen. 

In  §  15  haben  wir  gesehen,  dass  sich  die  Curven  constanter  Flexion 
paarweise  zu  conjugierten  Curven,  die  die  Hauptnormalen  gemein- 
sam haben,  zusammenfassen  lassen.  Wir  stellen  uns  nun  mit  Bert r and 
die  Aufgabe,  allgemein  diejenigen  Curven  C  zu  bestimmen,  bei  denen 
es  zu  jeder  eine  zweite  C  giebt,  welche  dieselben  Hauptnormalen  hat 
wie  C.  Versehen  wir  die  zu  C  gehörigen  Ausdrücke  mit  Strichen,  so 
haben  wir  als  Coordinaten  x',  y',  z'  des  Punktes  M'  von  C,  der  dem 
Punkte  M  von  C  entspricht: 

(29)       a;'=a;-f  xcosg,     y/' =  ?/ +  x  cos  tj,     z'  =  z  -\-  x  cos^, 
wo  X  =  f{s)    das  Stück  M'  M   der  Hauptnonnalen    bezeichnet.     Weil 
nach  der  Voraussetzung  31' M  Normale  von  C   in  M'  ist,  haben   wir 
zunächst : 

eosS-g  +  cos, ",^  +  003^^  =  0, 
woraus  sich 

'^  =  0,     d.  h.    X  =  Const. 
ergiebt. 


32  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

Aus  (29)  folgt  dann  durch  Differentiation: 

(cos  a  =  cos  6  cos  a  -f-  sin  6  Cos  X, 
cos  ß'  =  cos  6  cos  ß  -\-  sin  6  cos  fi, 
cos  }^'  =  cos  6  cos  y  -|-  sin  6  cos  v , 
wo 

~  9  .  ~  T 

cos  (?  =  — ,  ,      sm  (j  = 


gesetzt  ist  und  6  offenbar  den  Winkel  der  beiden  in  zwei  entsprechen- 
den Punkten  von  C  und  C  gezogenen  Tangenten  bedeutet. 

Durch  weitere  Differentiation  der  Gleichungen  (30),  sowie  aus  den 
Frenet'schen  Formeln  und  der  Voraussetzung,  dass  C  dieselben  Haupt- 
normalen wie  C  hat,  folgt: 

6  =  Const., 
d.  h.:  Bei  der  gesuchten  Curve  C  sind  die  beiden  Krümmungen 
durch  die  lineare  Gleichung: 

X  cos  a        V.  sin  o    ,      .  „ 

— ff^ h  sm  <?  =  (J 

1  Q 

verknüpft.  Umgekehrt,  besteht  zwischen  den  beiden  Krümmungen  einer 
Curve  C  eine  lineare  Relation  mit  constanten  Coefficienten: 

^  +  |  +  C'=0, 

ohne  dass  q  und  T  gleichzeitig  constant  sind,  und  setzt  man 

_  _  B^ 

so  erhält  man  in  (29)  eine  zweite,  vollkommen  eindeutig  bestimmte  Curve  C 
mit  denselben  Hauptnormalen  wie  C.  Eine  Unbestimmtheit  tritt  nur 
in  dem  Falle  ein,  dass  q  und  T  constant  sind.  Die  Curve  C  ist  dann 
eine  gewöhnliche  Schraubenlinie.  Die  Regelfläche  ihrer  Hauptnormalen 
wird  uns  später  bei  unseren  Untersuchungen  unter  dem  Namen  Mini- 
mal-Schraubenregelfläche  begegnen.  Offenbar  sind  alle  Ortho- 
gonaltrajectorien  der  Erzeugenden  dieser  Fläche  ebenfalls  gewöhnliche 
Schraubenlinien  (von  derselben  Ganghöhe  wie  C). 

§  20.     Gleichungen  der  Bertrand'sehen  Curven. 

Wir  schliessen  dieses  Kapitel  damit,  dass  wir  mittels  Quadraturen 
die  expliciten  Gleichungen  der  im  vorigen  Paragraphen  behandelten 
Curven  geben,  die  als  B er tr and' sehe  bezeichnet  werden.  Diese  Auf- 
gabe führen  wir  mittels  der  folgenden  Ueberlegungen  auf  den  Fall 
der  Curven  constanter  Flexion  zurück. 


§.  20.     Gleichungen  der  Bertrand'schen  Curven.  33 

Gegeben  sei  eine  Curve  C;  wir  stellen  uns  die  Aufgabe,  eine 
zweite  C  zu  finden,  für  die  bei  gleicher  Bogenlänge  die  Hauptnormale 
derjenigen  von  C  parallel  ist.  Bezeichnen  wir  nun  mit  6  den  Winkel 
der  beiden  Tangenten  in  entsprechenden  Punkten  von  C  und  C ,  so 
haben  wir  offenbar: 

cos  a'  =  cos  0  cos  a  -\-  sin  6  cos  A, 
(31)  { cos  ß'  =  cos  ö  cos  /3  +  sin  ö  cos  jt, 

cos  y'  =  cos  6  cos  y  -f-  sin  ö  cos  v. 
Differenzieren  wir  diese   Gleichungen  unter  Berücksichtigung  der 
Frenet'schen  Formeln  und  der  Voraussetzung: 
(31')    cos  i'  =  +  cos  I,     cos  »?'  =  +  cos  1],     cos  r  =  ±  cos  t,, 
so  folgt  wie  im  vorigen  Paragraphen: 

6  =  Const. 
Umgekehrt,  ist  6  constant,  so  definieren  uns  die  Gleichungen: 

x'  =  I  (cos  6  cos  a  -f-  sin  <?  cos  X)  ds, 

(cos  6  cos  /3  +  sin  ö  cos  (i)  ds, 

z'  =  i  (cos  ö  cos  y  -\-  sin  ^  cos  v)  ds 

(bis  auf  eine  Translation)  eine  Curve  C",  die  zu  C  in  der  verlangten 
Beziehung  steht.  Zu  (31)  und  (31')  fügen  wir  die  weiter  aus  den- 
selben folgenden  Gleichungen  hinzu: 

cos  A'  =  +  cos  6  cos  A  -f-  sin  <?  cos  a, 
(31")  cos  ft'  =  +  cos  6  cos  ^  +  sin  (?  cos  /3, 

cos  v'  =  +  cos  ö  cos  V  +  sin  ö  cos  y. 
Aus  (31),  (31')  und  (31")  ergeben  sich   durch  Differentiation  die 

Gleichungen: 

fl  ,      ( cos  a     ,    sin  a ) 

^'"^'^^    ^^"'' 

V      /  I  1  cos  ff         sin  ff 

d.  h.  die  beiden  Krümmungen  von  C  sind  homogene  lineare  Combi- 
nationen  derjenigen  von  C  mit  constanten  Coefficienten. 

Ist  C  eine  Bertrand'sche  Cui-ve  mit  der  natüi-lichen  Gleichung: 

-^  +  f +  c  =  o, 

so  braucht  also  nur  tang  6  =  ^  gesetzt  zu  werden,  damit  die  abgelei- 
tete Curve  C  constante  Flexion  besitze. 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  3 


34  Kap.  1.     Curven  doppelter  Krümmung. 

Um  nun  alle  Curven  mit  der  constanten  Flexion  —  zu  bestimmen, 
beachten  wir,  dass  für  eine  solche  nach  §  2 

/(^cosa\2         /dcoä^Y         /dcosyY 1 

\     ds     )    ~^  \     ds     )    +  \ds     }    ~  a^ 
ist,  und  dass  also  ihre  Gleichungen: 

X  =  I  cos  a  ds,     y  ^  I  cos  ß  ds  ^     z  =  j  cosy  ds 

auch  so  geschrieben  werden  können: 

(32')      X  ==  a  j  cos  a  da,     y  =-  a  i  cos  ß  da,     z  =  a  j  cosy  dö, 

wo 

(33)  d6  =  y(d  cos  af  +  {d  cos  ßf  +  (d  cos  yf 

gesetzt  ist. 

Umgekehrt,  nehmen  wir  drei  willkürliche  Functionen  cos  a,  cos  ß, 
cos  y  eines  Parameters  u,   die  durch  die  Relation : 
cos^  a  -^  cos^  ß  -)-  cos^  y  =  1 
verbunden  sind,  so  definieren  die  Gleichungen  (32'),  wo  dß  den  Wert 

(33)  hat,  wie  sofort  erhellt,  eine  Curve  mit  der  constanten  Flexion    ^ 

a  ' 

die  auch  die  allgemeinste  Curve  dieser  Art  ist. 


Kapitel  II. 
Qnadratisclie  Differeiitialformen. 

Algebraische  quadratische  Formen.  —  Definition  der  Diiferentialinvarianten  und 
Differentialparameter  einer  quadratischen  Differentialform.  —  Erster  Differential- 
parameter Ai  U.  —  Gemischter  Differentialparameter  V(?7F).  —  Aequivalenz 
zweier  quadratischer  Differentialformen.  —  Christoffersche  Drei-Indices-S3'mbole 

I    /*   '    I   V^}-    —    -^^^    covarianten    zweiten   Differentialquotienten.    —    Zweiter 

Differentialparameter  A,  U.  —  Vier -Indices- Symbole.   —  Krümmungsmass   einer 
binären  Differentialform.  —  Cubische  Covariante  zweier  simultaner  quadi-atischer 
Differentialformen.  —  Gleichzeitige  Reduction  zweier  binärer  quadratischer  Diffe- 
rentialformen auf  Orthogonalformen. 


§  21.    Algebraische  quadratische  Formen. 

Zum  Zwecke  der  systematischen  Behandlung  der  Flächentheorie 
in  der  von  Gauss  angebahnten  Richtung,  der  die  folgenden  Unter- 
suchungen gewidmet  sind,  ist  es  für  uns  unerlässlich,  einige  grund- 
legende Begriffe  aus  der  Theorie  der  quadratischen  Differentialformen 
vorauszuschicken.  Es  soll  das  der  Gegenstand  dieses  Kapitels  sein, 
in  dem  wir  uns  übrigens  auf  das  für  unseren  Zweck  Notwendige  be- 
schränken*). Die  einfachen  Algorithmen,  die  wir  dieser  Theorie  entneh- 
men, ermöglichen  es  uns  dann,  die  grundlegenden  Gleichungen  der 
Flächentheorie  in  wenige   durchsichtige    Formeln   zu  verdichten. 

*)  Die  hauptsä,chlichsten  Arbeiten,  die  bei  der  Abfassung  dieses   Kapitels 
benutzt  worden  sind,  sind  die  folgenden: 
Beltrami,    Sulla  teorica  generale  dei   parametri  .differenziali.     (Atti 

deir  Accademia  delle  Scienze  di  Bologna,  25.  Februar  1869.) 
Christoffel,    üeber  die  Transformation  der  homogenen  Differential- 
ausdrücke zweiten  Grades.     (Grelles  Journal,  Bd.  70.) 
Ricci,    1)    Sui    parametri    e    gli    invarianti    delle    forme    quadratiche 
differenziali.     (Annali  di  matematica,  Serie  2,  Bd.  14.) 
2)    Delle  derivazioni  covarianti  e  contravarianti.     Padua  1888. 
Weingarten,    Ueber    die    Theorie    der    auf    einander   abwickelbaren 
Oberflächen.  (^Festschrift  der  technischen  Hochschule  zu  Berlin, 
1883.) 

3* 


30) 


Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 


Es  dürfte  zweckmässig  sein^  unseren  Untersuchungen  einen  kurzen 
Abriss  der  algebraischen  Sätze  über  quadratische  Formen  voraus- 
zuschicken*). Wir  betrachten  eine  quadratische  Form  f  der  n  Ver- 
änderlichen  X^,  X.^,   •  •  ■   Xn' 


(1) 


/  y^     ''/•  s  '^r  •^s      yCl'r 


f^s  r)  ; 


wo  sich  die  angedeutete  Summation  auf  alle  Combinationen  der  Indices 
r,  s  aus  der  Reihe  1,  2,  .  .  .  )t  bezieht.  Bezüglich  der  (constanten) 
Coefficienten  ars  setzen  wir  nur  voraus,  dass  die  Determinante 


du    CI/X9,     .  .  .  CLxn 
0^21    0^22     •  •  •  0^2» 


<X„1    «„2 


(A/yi 


welche  die  Discriminante  der  Form /"  heisst,  von  Null  verschieden 
sei.  Statt  der  Veränderlichen  x  führen  wir  neue,  x,  ein  mittels  der 
homogenen  linearen  Substitution: 


(2) 


i  =  l 


n), 


wo  wir  von  den  n^  Substitutionscoefficienten  jo^/  nur  voi-aussetzen,  dass 
ihre  Determinante 

Pn  Pn  ■  ■  ■  Pin 

Pn  P22    •  •  •  Pün 


P== 


JPnl  Pn2    ■  ■  ■  Pnn 


von  Null  verschieden  sei  (denn  sonst  müsste  zwischen  den  x  eine  lineare 
Relation  bestehen,  während  sie  als  von  einander  unabhängig  voraus- 
gesetzt sind).  Durch  die  Substitution  (2)  geht  /'  in  eine  neue  qua- 
dratische Form  /"  der  x': 

(j)J  J     ^     ttf-s^r  ^s 

rs 

über,  in  der  sich  die  neuen  Coefficienten  «,',,  durch  die  alten  und 
durch  die  Substitutionscoefficienten  pu-  mittels  der  Gleichung: 


(4) 


Xi.1 


ausdrücken.    Aus  (4)  folgt,  wenn  a'  die  Discriminante  von  f  bedeutet, 


*)  S.  Beltrami  a.  a.  0. 


§  21.    Algebraische  quadratische  Formen.  37 

nach  dem  Miiltiplicationssatz  der  Deteiininanteu  der  fundamentale  Satz, 
der  durch  die  Gleichung: 

(5)  a  =F-a 
ausgedrückt  wird. 

Wir  setzen  nun : 

(6)  ^^=\li  =   ^^rsXr, 

s  r 

woraus  durch  Auflösung  nach  den  x 

(6*)  x,=^ÄuX,  {k=l,2,.--u), 

s 

folgt,  wo  mit  Ats,  wie  es  im  folgenden  stets  geschehen  soll,  die  durch  die 
Discriminante  a  selbst  dividierte  Unterdeterminante  von  «*, 
in  a  bezeichnet  wird.  Bilden  wir  unter  Berucksichtigimg  von  (6) 
und  (6*)  die  Summe  "S^  XrXr,  so  kommt : 

r 
^  XrXr  =  2  «-^'••^^  =  ^  Ä,^XrX,  . 

Die  quadratische  Form: 

(7)  F=^^Är,XrX, 

rs 

geht  diu-ch  die  Substitution  (6)  in  /'  über,  wie  umgekehrt  /'  in  F  durch 

(6*).     Statt  (6*)  können  wir  auch 

1   cF 

schreiben. 

Wie  man  sieht,  ist  die  Beziehung  zwischen  /"  und  F  reeiprok, 
und  es  werden  deshalb  die  beiden  quadratischen  Formen  /'  und  F  als 
reciproke  Formen  bezeichnet. 

Wir  nehmen  nun  an,  dass  mittels  der  linearen  Substitution  (2) 
/■  in  /"  übergeht  und 

r  =^ArsX;x: 

rs 

die  reciproke  Form  von  f  ist.     Man  sieht  leicht,  dass  sich   durch  die 

aus  (2)  durch  Transposition  hervorgehende  Substitution: 

(2*)  X;  =  2 jj.v  X,         (/•  =  1 ,  2,  • .  •  n) 

i 

F'  in  F  verwandelt.  In  der  That  geht  F'  in  die  reciproke  Form  f 
mittels  der  Substitution: 

(8)  x;='^a;sx:       (»•  =  1,2,--.») 


38  Kap.  2.    Quadratische  Diiferentialformen. 

Über,  F  in  f  mittels  (6)  und  /"  in  /"  mittels  (2).  Wegen  (6)  haben 
wir  nun: 

i.  i  k 

also  wegen  (2): 

^  Pir  Xi  =  ^  üik  Pir  Pks  Xs  , 
i  i  k  s 

wofür  wir  wegen  (4)  auch  schreiben  können: 

^    Pir-^i  ^^^    ^    ttrsXs   j 
/■  s 

diese  Gleichung,  verglichen  mit  (8),  ergiebt  gerade  (2*). 

Hieraus  folgt,  dass  sich  die  Ars  ebenso  durch  die  Ars  ausdrücken, 
wie  die  «^  durch  die  «/,,,  wofern  nur  die  Indices  der  ^j  vertauscht 
werden;  man  hat  also  nach  (4)  die  bemerkenswerte  Gleichung: 

(9)  Ars  =  ^  Ai^,  Prl  Ps^i  . 

§  22.    Definition  der  Differentialinvarianten  und  Differential- 
parameter  einer  quadratischen  Differentialform. 

Es  seien  x^jX^j  ...  Xn,  n  unabhängige  Veränderliche  und  äx^, 
dx^,  ...  dXn  ihre  Differentiale;  wir  betrachten  die  quadratische  Diffe- 
rentialform: 

(  X Vy  I  J  ^   (Xf  s et Xr et Xg      {(Zr s  ^5 ^)  } 

n 

wo  die  Coefficienten  Urs  gegebene  Functionen  der  x  seien.  Von  diesen 
Functionen  setzen  wir  voraus,  dass  sie  in  dem  für  die  x  in  Betracht 
kommenden  Aenderungsbereich  endlich  und  stetig  seien,  ebenso  wie  alle 
ihre  ersten  und  zweiten  partiellen  Differentialquotienten  nach  den  x-^ 
ausserdem  werde  für  diesen  Aenderungsbereich  die  Discriminante  a  der 
/■  stets  als  von  Null  verschieden  angenommen. 

Drücken  wir  die  n  Veränderlichen  x  durch  n  neue  willkürliche  Ver- 
änderliche x'  aus  mittels  der  Gleichungen: 

Xi  =  fi  (.^/,  x^,  .  .  .  x,[)     C^'  =  1;  2,  .  .  .  w) , 

wo  für  die  Functionen  fi  der  x  wieder  die  soeben  getroffenen  Voraus- 
setzungen gelten  sollen,  so  werden  die  Differentiale  dx^^  dx^,  .  .  .  dXn 
der  linearen  Substitution: 

(11)  dXr  =  ^pridx/,      Pri  =  g^/         (^  =   1;  2,  .  .  .  7l) 


ex 

dx 


%  22.    Differentialinvarianten  und  DiflFerentialparameter.  39 

unterworfen    und  es  geht  /"  in  eine  neue  quadratische  Differentialform: 

(12)  /■'  =  ^  «/•'*  (Ixr  dxj 

rs 

über,  wo 

(13)  ars=^ai^ 

ist. 

Die  Determinante  M  der  linearen  Substitution  (11)  für  die  Diffe- 
rentiale ist  hier  die  Functionaldeterminante  der  x  nach  den  x: 

M  = 

und  es  ist 

wenn  a  und  a    die  bezüglichen  Discriminanten  von  /'  und  /"  sind. 

Haben  Ar^,  Ars  dieselbe  Bedeutung  wie  im  vorigen  Paragraphen, 

so  haben  wir  nach  (9): 

_-^      ,     cic_    ex 

(14)  ^"=2^A..J^.äV;- 

Wir  nehmen  nun  an,  dass  wir  einen  aus  den  Coefficienten  cirs  von  f 
und  deren  ersten,  zweiten,  .  .  .  Differentialquotienten  gebildeten  Ausdruck 

haben  von  der  Beschaffenheit,  dass  derselbe,  wenn  die  n  Veränderlichen 
X  einer  beliebigen  Transformation  unterworfen  werden,  in  den  Ausdrack 
übertreht,  der  auf  dieselbe  Weise  aus  den  Coefficienten  «A  der  transfor- 

•        T  •  "TV 

miei-ten  Form  /"  und  ihren  Differentialquotienten  gebildet  ist.  Dann 
sagen  wir,  dass  9)  eine  Differentialinvariante  der  Form /'ist.  Wenn 
in  einem  solchen  Ausdrucke  cp  ausser  den  Coefficienten  der  Grundform 
/'  und  ihren  Differentialquotienten  eine  gewisse  Zahl  von  willkürlichen 
Functionen  U,  V  .  .  .  samt  ihren  Diff'erentialquotienten  auftritt,  derart, 
dass  bei  einer  beliebigen  Transfonnation  der  Variabein  inmier  noch 

ist,  wo  U',  V  ...  dieselben  Functionen  wie  U,  V  ...  sind,  nur  dass 
an  Stelle  der  x  die  x  stehen,  so  sagen  wir,  dass  (p  ein  Differential- 
parameter ist. 

Es  sind  also  die  zu  einer  quadratischen  Form  f  gehörigen  Differen- 
tialparameter Ausdrücke,  die  aus  den  Coefficienten  von  f,  einer  ge- 
wissen Zahl  von  willkürlichen  Functionen  und  den  Differentialquotienten 


40  Kap.  2.    Quadratische  Dift'erentialformen. 

der  Coef'ficienten  und  Functionen  gebildet  sind  derart,  dass  sie  sich  bei 
einer  beliebigen  Transformation  der  Veränderlichen  nicht  ändern.  So- 
bald in  einem  solchen  Ausdruck  die  willkürlichen  Functionen  fehlen, 
haben  wir  eine  Differentialinvariante. 

Ehe  wir  zur  wirklichen  Bildung  der  Differentialparameter  schreiten, 
deren  Kenntnis  wegen  der  Anwendungen  auf  die  Flächentheorie  für 
uns  notwendig  ist,  dürfte  es  zweckmässig  sein,  den  Weg,  den  wir  in 
den  folgenden  Ausführungen  einschlagen  werden*),  zu  beleuchten.  An- 
genommen, wir  kennen  eine  Differentialform  vom  zweiten  oder  von 
höherem  Grade,  ip,  deren  Coefficienten  aus  denjenigen  der  Grundform  /) 
ihren  Differentialquotienten  sowie  einer  gewissen  Zahl  von  willkürlichen 
Functionen  und  deren  Differentialquotienten  gebildet  sind  und  welche 
die  Eigenschaft  besitzt,  bei  einer  beliebigen  Transformation  der  Veränder- 
lichen in  die  auf  dieselbe  Weise  bezüglich  der  transformierten  Form  /"  und 
der  transformierten  willkürlichen  Functionen  gebildete  Differentialform  if;' 
überzugehen.  Wir  sagen  in  diesem  Falle,  dass  die  Form  ^  eine  Diffe- 
rentialco Variante  von  /*  ist,  und  es  ist  klar,  dass,  wenn  wir  /"und  i^ 
als  zwei  algebraische  Formen  (der  Differentiale)  betrachten  und  ihre  ab- 
soluten Simultaninvarianten  bilden,  wir  eben  Differentialparameter  oder 
Differentialinvarianten  erhalten  werden,  je  nachdem  in  den  Coefficien- 
ten von  ip  willkürliche  Functionen  auftreten  oder  nicht. 

§  23.    Erster  Differentialparameter  A^  U  und  gemiscliter 
Differentialparameter  V(Z7,  V). 

Ist  U  eine  willkürliche  Function  von  x^,  x^^  ...  Xn,  so  haben 
wir  im  Quadrat  ihres  ersten  Differentials: 

{dJjy  =  2 1^-  |—  dxr  dxs 

offenbar  eine  quadratische  Differentialcovariante  der  gegebenen  Form  /. 
Bezeichnet  A;  eine  willkürliche  Constante,  so  wird  demnach  auch 


^=^^[a,,-^l,f^'f-)dxrdx. 


eine  Differentialcovariante  von  f  sein.  Die  Coefficienten  der  verschiedenen 
Potenzen  von  h  in  dem  Quotienten  aus  der  Discriminante  von  ^  und  der- 
jenigen von  /'  werden  also  lauter  Differentialparameter  mit  der  will- 
kürlichen Function   IJ  sein.     Insbesondere    hat    der    ersbe    Differential- 


*)  Vgl.  insbesondere  Ricci,  a.  a.  0. 


§23.    DiflFerentialparameter  Ajf7  und  V(r,  F).  41 

Parameter,  der  Coefficieut  vou  k  selbst,  deu  wir  mit  A^  U  bezeichnen, 
offenbar  den  Wert 

^  ^mJ  '^'  OX,  CX,  ' 

rs  r         s 

er  heisst  nach  Beltrami  erster  Differentialparameter  der  Func- 
tion  U. 

Es  sei  nun  V  eine  zweite  willkürliche  Function;   in   dem  Product 
der  beiden  Differentiale: 

dUdV  =  /,  ^  |—  dxrdxs 

^mi  ex.  ex. 

haben  wir  wieder  eine  Differentialcovariante  von  /",  und  wenn  wir  die 
frühere  Form  (p  durch 


rs      \  r  3/ 


ersetzen    und  die  obige  Üeberlegung  wiederholen,  so  sehen  wir,  dass 
der  Ausdruck 

cU  cV 


y      cucv 


ein  Differentialparameter  mit  zwei  willkürlichen  Functionen   TJ  und   Y 
ist.     Derselbe  wird  mit  Beltrami  durch  das  Symbol 

V(l^F) 

bezeichnet  und  heisst  gemischter  Differentialparameter   von   JJ 
und  y.    Es  ist  klar,  dass,  wenn  im  gemischten  Differeutialparameter 


^F 

'  X. 


(16)  ^(^^^)  =  2^-|?|: 

V  =  U  gesetzt  wird,  sich  der  erste  Differentialparameter  A^  U  ergiebt. 

§  24.    Aequivalenss  zweier  quadratischer  Differentialfonnen. 
Zwei  Differentialformen: 

f  =  ^  ür  s  dXrdXt  ,  f  =  ^  ttrs  dx/  dx/ 

rs  rs 

nennen  wir  äquivalent,  wenn  es  möglich  ist,  die  x^,  x^  .  .  ■  Xn  gleich 
solchen  Functionen  der  rr^',  x.^  •  •  ■  x'n  zu  setzen,  dass  die  erste 
Form  in  die  zweite  übergeht.    Wenn  die  beiden  Formen  /"  und  / ',  d.  h. 


42  Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 

die  Urs  als  Functionen  der  x,  die  (Xrs  als  Functionen  der  x'  gegeben 
sind,  so  müssen  unter  der  Voraussetzung  der  Aequivalenz  von  f  und  f 
die  X,  als  unbekannte  Functionen  der  x'  aufgefasst,  gewissen  partiellen 
Differentialgleichungen  genügen,  deren  Aufsuchung  Gegenstand  dieses 
Paragraphen  sein  soll.  Wir  gehen  zu  diesem  Zwecke  von  der  Gleichung 
(13),  §  22,  S.  39: 

aus  und  differenzieren  dieselbe  nach  einer  beliebigen  von  den  Varia- 
bein x' ,  z.  B.  nach  Xt']  dann  haben  wir*): 

U\  ^^^^'V^*— -^—  -4- Va-    I— ?!^-^-4-^      ^'^/fc    ] 

ikl  ik 

Hierin  vertauschen  wir  s  mit  t  und  gleichzeitig  in  der  dreifachen 
Summe  auf  der  rechten  Seite  die  Summationsindices  h  und  ?;  dann  folgt: 

/l.^    ^"'•'^       ^sri^^ii  ^^i   ^^k   ^^i    ,    ^sri       f     ^'^i     ^'^k   ,    ^^i     ^'^k    \ 

{  D  )      - — 7  =     >    -F — •   ö — ;   ~ — /  ö — 7  -+"     ^  Ö^/A  1  ö — r?^ — r  t^ — 7  ~T~  t^ y  ts — r^^ — 7  (  • 

^'V       j^  c^k  ^^r   ^^s   ^^t        -^        Vcx^'cx^  cXf     '    <7a;/ gas/cic/ J 


i'i^  ik 

In  dieser  Gleichvmg  vertauschen  wir  r  mit  s  und  rechts  in  der  drei- 
fachen Summe  und  im  zweiten  Gliede  der  Doppelsumme  die  Indices  i 
und  Ti.     Die  so  entstehende  Gleichung: 

^Kt  '^n^'^'^kl    ^^i    ^^k     ^^l  "^"^  f      ^^^'        ^^ü-  ^^2-        ^*^- 

(c)    o — y  =   >'-K —  -ö — 7  >^— /-  -^^-r  +    >' 
^  ^    ex;      ^jt  dx.  dx/  cx^   ox^     '  ^ 

ikl  ik 


'^^^^''kl    ^"^i     '^•^k     ^"^l      I     "^7  I ^_'^i        ^"^k     I      ^-^/l         ^    '^i 

"  X  f  ^ijjj.  ^ic/  ^a;/  üa;/  "*    X  i     '^l^aj/^a;/  2a;/    ■"  cic/  cxjdx^ 


addieren  wir  zu  (b)  und  subtrahieren  von  der  Summe  die  Gleichung  (a). 
So  erhalten  wir: 

2«^/    I    ^«  _  ^*  _  'V  C~^  4-  ^  _  ^^'A  ffi  ifi  Ifi    I 


2a;/     '     Ca;/         2a;/  /  /  \2a;^     '     2a;j.  ca;^/  2a;/  2a;/  c x^ 


ikl 


ik 

Dividieren  wir   diese   Gleichung   durch   2   und    verwandeln  wir  in   der 
Doppelsumme  rechts   den  Summationsindex  Ti  in  l,  so  haben  wir: 


*)  Man  beachte,  dass  die  a'^^  explicite  Functionen  der  x'  sind,  während 
die  a,  insofern  Functionen  der  x'  sind,  als  diese  in  den  x  enthalten  sind, 
also  ist: 

^^ik  _  -^^^  ifi 
dx^         X  ,   dxi   dxl 


§  24.    Aequivalenz  quadratischer  Differentialformen. 

2  \cx;  "•"  ex/       ex;) 

—  ^  ca;/     -^   2    Vaa^i  "^    ca:,  ca;,  /  ?<  gar/   '^  ^  ""  a<a< 

Wir  fahren  mit  Christoffel  die  Drei-Indices-Symbole: 


43 


(17) 


l 


2   va;^     '     cx^         dxi) 


ein  und  versehen   dieselben   Symbole    für  die  transformierte   Form  /" 
mit  Strichen;  dann  lässt  sich  die  obige  Gleichung  auch  so  schreiben: 

It  \~  Z^f^     ^11  \  dx'  dx'  "^  jLJ  "'■'  dx;cx: 
Wir  miütiplicieren  dieselbe  mit 

summieren  nach  fi  und  t  von  1  bis  «,  indem  wir  berücksichtigen,  dass 
wegen  (14),  §  22,  S.  39: 

V   A  '    ^^^  ^^'  _   j 
.^mi      f'  cx„  cx! 

^(1,1  Ayi  =  0  für  i  =={=  V,  dagegen  =  1  für  t  =  v  ist,  und  erhalten: 


und 


2" 


?(?-^'' 


rs 


cx^  ^  yy 


^^4./ 


C.C /ex. 


Wir  führen  nun  die  neuen  Christofferschen  Drei-Indices-Symbole: 

(18)  {?}=2'^4"] 

ein,  wobei  wir  die  analogen  füi-  die  transformierte  Form  gebildeten 
Symbole  mit  Strichen  versehen.  Dann  erhalten  wir  die  Fundamental- 
gleichungen, welche  wir  aufstellen  wollten: 


(I) 


cx^  ex, 


Dieselben  di-ücken  alle  zweiten  Differentialquotienten  der  unbekannten 
Functionen  durch  die  ersten  Differentialquotienten  aus. 


44 


Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 


§  25.     Eigenscliaften  der  Christoffel'schen  Drei-Indices-Symbole. 

Die  Christoffersclien  Drei-Indices-Symbole  werden  in  der  Folge 
stets  angewandt  werden,  und  wir  müssen  daher  auf  ihre  Eigenschaften 
etwas  näher  eingehen. 

Die  durch  die  Gleichung  (17)  definierten  Symbole  der  ersten  Art 

besitzen  offenbar  die  Eigenschaft: 


Ici 
l 


woraus   nach    (18)   folgt,    dass   auch    in   einem    Symbol   zweiter  Art 


iik\ 


nicht  ändert. 


die  Vertauschung  der  beiden  oberen  Indices  den  Wert  desselben 


l 


durch  die 


Wir  bemerken  ferner,  dass,  wie  sich  die  Symbole 

Differentialquotienten  der  Coefficienten  der  Grundform  ausdrücken,  so 
auch  umgekehrt  jeder  dieser  Differentialquotienten  als  Aggregat  von 
zwei  solchen  Symbolen  dargestellt  werden  kann.     In  der  That  ist: 


(19) 


dx, 


il 
Je 


+ 


i 


Es  ist  weiter  zu  bemerken:  wie  sich  die  Symbole  der  zweiten  Art 
durch  diejenigen  der  ersten  mittels  (18)  ausdrücken,  so  auch  umge- 
kehrt letztere  durch  erstere  vermöge  der  Formel: 


(18*) 


Schliesslich  leiten  wir  die  Gleichung  ab,  die  den  logarith- 
mischen Differentialquotienten  der  Discriminante  a  nach  einem  be- 
liebigen X  als  Aggregat  von  Drei -Indices- Symbolen  der  zweiten  Art 
darstellt. 

Nach  der  Regel  für  die  Differentiation  einer  Determinante  haben  wir: 


1    da 

a    dx, 


^Ä, 


dx, 


oder  wegen  (19); 


1    da  \.i    .      V il~\     ,      ''^   . 


7c  l 


Die  beiden  Summen  rechts  sind  einander  gleich,  also  ist 


1     da  -^7    . 

2  «  d'x^  =  J^j  "^" 


ik 


ll 

k 


§  26.     Covariante  2.  DifFerentialquotienten  und  2.  Diiferentialparameter  A,  V.     45 

Führen  wir  vermöge  (18)  die  Symbole  zweiter  Art  ein,  so  erhalten 
wir  demnach  als  die  gesuchte  Gleichung: 

Aus  dieser  leiten  wir  eine  neue  ab,  die  wir  bald  werden  benutzen 
müssen.    Hierzu  schreiben  wir  sie  wie  vorhin,  addieren  beidei-seits 


2^" 

ik 


wobei  wir  beachten,  dass 


ist,  und  erhalten: 

c  logyä 

c 
Da  nun 


'  ik  '-  ik  ' 

X,  ^ik  ttki  =  Const. 


ist,  so  folgt,  wenn  nach  Xi  differenziert  und  nach  i  summiert  wird: 

ik  '  ik  ' 

sodass  sich  als  gesuchte  Gleichung  ergiebt: 


§  26.    Die  CO  Varianten  zweiten  Differentialquotienten  und  der 
zweite  Differentialparanieter  A^  U. 

Unter  Zuhilfenahme  der  Fundamentalgleichungen  (I),  §  24,  S.  43, 
können  wir  nun  eine  quadintische  Differentialeovariante  der  gegebenen 
Form  /'  büden,  deren  Coefficienten  aus  denjenigen  von  f\  ihren  Diffe- 
rentialquotienten und  aus  den  ersten  und  zweiten  Differentialquotienten 
einer  willkürlichen  Function   U{x^,  x^,  ...  ic„)  gebildet  sind. 

In  der  That,  bezeichnen  wir  mit  U'  den  Ausdruck,  der  aus  U 
entsteht,  wenn  darin  für  die  x  ihre  Werte  als  Functionen  der  x'  ge- 
setzt werden,  so  haben  wir  offenbar: 


cx^         j^  cx^   ex/  ' 
also : 

c^'U'     _  %^    c^U     ^  ^  _,     ^  UL    _^^_ 
cx/ix/         .^mJ  cxjcx^^  ex/  cxj     '    .^'  c.r^  ex/ ex/ 


46  Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 

demnach  wegen  (I): 

W^  _^  \rsYdW_^  _d^U__  ^  ^/"  _  'Vj  *^  1  :?fi  ^  ^JL 
!dx^      ^J  \  fi  J    dx'       .^  dx  dx    dx'  dx'      ^^  \  v  \  dx/\dx'  dx   ' 


dx. 


^        '    '     '  i"  v/u  V       fi  -     r     -     s  ^.f^ 

Werden  in  der  dreifachen  Summe  auf  der  rechten  Seite  die  Summa- 
tionsindices  i,  Ic,  v  bezüglich  in  v,  ^,  i  verwandelt,  so  lässt  sich  die 
letzte  Gleichung  auch  folsrendermassen  schreiben: 


d^u' 


^  {rs\'  du  __^  {     dUT -^  U^\  dJJ]  ^  ^ 

■^^  1  /^  J     ox'        ^J   I  dxjjx,,         ,^J  \  %  \  ex.  (  ex'  dx' 


dx'dx' 

Führen  wir  nun  die  Bezeichnung: 

(22)  ^,  =  ^-2"^"''^ 

ein  und  bedienen  wir  uns  derselben  Bezeichnung  mit  Accenten  für  die 
transformierte  Form,  so  erhalten  wir: 

(23)  W.=2'K,.2^g-^- 

V/U  /■  * 

Diese  Gleichung  zeigt,  dass  die  in  (22)  mit  dem  Symbol  Urfi  bezeich- 
neten Combinationen  der  ersten  und  zweiten  Differentialquotienten  der 
willkürlichen  Function  U  eben  die  Coefficienten  einer  quadratischen 
C Ovariante  der  Grundform  f  sind,  denn  aus  (23)  folgt  offenbar: 


n 


LJ/^^  (XJUf    tijü-f     y^ .      (J y  u  CttA/y  (X  JC u 


rs  vf.L 

Die    Urs   heissen    deshalb    die    covarianten    zweiten    Differential- 
quotienten der  Function  U  bezüglich  der  quadratischen  Grundform  f. 
Verfahren  wir  nun  mit  der  covarianten  Form : 

(die  als  das  zweite  co Variante  Differential  von  JJ  bezeichnet  werden 
kann)  ebenso,  wie  in  §  23  mit  dem  Quadrat  des  ersten  Differentials 
von  TJ,  so  können  wir  schliessen,  dass  die  Coefficienten  der  verschie- 
denen Potenzen  von  li  in  dem  Quotienten  aus  der  Discriminante  der  Form: 

rs 

und  derjenigen  der  Grundform  lauter  D i f f e rentialparameter  (zweiter 
Ordnung)  von  U  sind.  Insbesondere  ist  der  Coefficient  von  /r,  den 
wir  immer  mit  A^U  bezeichnen  und  den  zweiten  Differentialpara- 
meter von   U  nennen  wollen,  gegeben  durch: 


§  26.    Covariante  2.  Difterentialquotienten  und  2.  Düferentialparameter  Aj  U.     47 

(24)    A,r  =  2'^„r„  =  2'^.[^_2'{7}-|fl- 

Vermöge  der  Gleichung  (21)  des  vorigen  Paragraphen  können  wir 
A^U  in  eine  andere  Form  brii%en,  die  später  in  den  Anwendungen 
am  häufigsten  gewählt  werden  wird.  Setzen  wir  in  (24)  für  die  Sym- 
bole der  zweiten  Art  ihre  Werte  in  denjenigen  der  ersten  ein,  so 
haben  wir: 

rs  '^        *  rsil  i-        -■         » 

aber  nach  (21)  ist: 


also: 


r$i  '  >"        l 

_J_    y  ^-^r*  Ö  U 

~*    j^    dx^    CX,^ 
was  wir  in  der  definitiven  Form: 

schreiben  können. 

Bemerkung.  Für  die  Theorie  der  binären  Formen  (die  aus- 
schliesslich in  den  Anwendungen  auf  die  Theorie  der  Obei-flächen  auf- 
treten) sind  die  eingeführten  Differeutialpai-ameter 

A,?7,      V(?7,F),      \V 

die  grundlegenden.  In  der  That  lässt  sich  jeder  andere  Differentialpai-a- 
meter  durch  wiederholte  Anwendung  obiger  drei  Operationssymbole 
bilden*). 

Es  ist  jedoch  vorteilhaft,  expHcite  noch  einen  anderen  Differential- 
parameter zweiter  Ordnung  zu  beti-achten,  der  in  der  Theorie  der  Ab- 
wickelbarkeit sehr  wichtig  ist.  AVir  definieren  ihn  als  Quotienten  der 
beiden  Discriminanten  der  Fonnen: 


*)  Vgl.  Darboux,  Bd.  3,  S.  260. 


48 


Kap.  2.    Quadratische  Dift'erentialformen. 


Uli  ^^x   +  2  TJi^  dxi  dx.^  +  t^22  d^i^, 

t'i  j    tlOü^  ^   ^12      ^**^1    w«Z'2     'H         ^Oo     €v  tX/a    • 

Wenn  wir  ihn  mit  Agg  ?7  bezeichnen,  so  haben  wir: 

(20)  A,2  U  =  ^"  "*^  ~  ^'\-  ■ 

Er  drückt  sich  übrigens  durch  die  Fundamentalparameter  vermöge  der 

Gleichung: 

f9a*\  A     TT       ^\U-^(U^\U)-\(^iU) 

K'^^  )  ^22  t^  —  4  Ai  ZJ 

aus. 


§  27.    Vier -Indices- Symbole. 

Die  Covarianten  der  Grundform  f,  welche  wir  bisher  gebildet 
haben,  enthielten  in  ihren  Coefiicienten  willkürliche  Functionen.  Wir 
wollen  nun  eine  Covariante  vierten  Grades  in  den  Differentialen  bilden, 
deren  Coefficienten  aus  denjenigen  der  Grundform  und  deren  (ersten 
und  zweiten)  Differentialquotienten  gebildet  sind.  Auf  diese  Weise 
sind  wir  imstande,  uns  Differential  invarianten  herzustellen. 

Dieses  lässt  sich  dadurch  erreichen,  dass  wir  mittels  geeigneter 
Operationen  aus  den  Fundamentalgleichungen  (I),  §  24,  S.  43,  die 
zweiten  Diöerentialquotienten  eliminieren. 

Zu  diesem  Zwecke  gehen  wir  aus  von  den  beiden  Gleichungen  (I): 


y 


ex,, 


+  yr 

dx'dx'     '    -^J    \  V 


OX^,    OX- 

C  X^   C  X ^ 

dx^  dXf^ 

dx^  cx^ 


^  1  t  j  Wx"; 

yr  \ayy  CX^ 

^  \   t  \    dx! 


V          rh     ^  '       "■       y          t 
Differenzieren   wir   die    erste  nach   Xy^    die   zweite   nach    x'^    und  sub- 
trahieren wir,   so  heben  sich  gewisse  Glieder  fort,  und  wir  finden  so: 

ri  \ 


2 

rUi 


\rh 


OX^    ex.    CX/^ 

cx^  dXß  dx' 


ih     ^ 


dx,. 


cx^dxa  c x^ 


aß 


cx^ox^  cx^ 


2 


t 

0  x' 


a  y 


y 


C  Oß  -j 


cx^, 

h  Xl 


+ 


+2" 


<^  x„ 


aß 

i  j   dx^dx' 


2 


a  y 


Setzen  wir  hierin  statt  der  zweiten  Differentialquotienten  der  x  die 
durch  die  Fundamentalgleichungen  (I)  bestimmten  Werte  ein,  so  heben 
sich  die  Glieder,  welche  die  Producte  zweier  erster  Differentialquotienten 


§27.   Vier- Indices- Symbole. 


49 


enthalten,  auf,  und  wenn  wir  in  einigen  der  Summen  die  Indieesbezeich- 
nung  passend  ändern  (so  dass  dieselben  Differentialquotienten  in  den 
yerschiedenen  Gliedern  sowohl  der  linken  als  auch  der  rechten  Seite 
zum  Vorschein  kommen),  so  ergiebt  sich  die  Gleichung: 


{1]    M?}  ,  v/(;.|'{..>|_{«,|{».}-) 


ex,  ex-  ex. 


=2" 


I 


ex„eXj  ox„ 


cx^ 

dx- 


CX^  CXj.  CXf  cx^ 

Die  Coefficienten  von  -:=— r  und  des  Products   ^^-t^^^t^^   in    den 
cx^  cx^cx^cx 

beiderseitigen  Summen  sind  nach  demselben  Gesetz  gebildet,  der  eine 
bezüglich  der  Coefficienten  der  transformierten  Form  f,  der  andre  be- 
züglich derjenigen  der  Grundform,  und  hängen  bezügKch  Ton  vier 
Indices  ab.     Unter  Einfuhrung  der  neuen  Bezeichnung: 


(27)     [rv,ih]=^ 


{V}    M 


rM 


ex. 


mm-['m) 


lasst  sich  die  letzte  Gleichnng  auch  so  schreiben 
(2.S) 


cx^ 

ex' 


"STT  cx_  ex.  cxj,        -^-^ 

Zusammen  mit  den  Yier-Indices-Symbolen  der  zweiten  Art 
(27)  führen  wir  auch  noch  solche  der  ersten  Art  ein,  indem  wir  setzen: 

(29)  (rÄ-,  ih)  =^a,k  { rv,  ih  ] ; 

r 

hieraus  folgt  dann  durch  Auflösimg  nach  den  Symbolen  der  zweiten  Art: 
(29*)  [rv,  ih }  =^  A,,{rk,  ih). 

k 

Multiplicieren  wir  (28)  mit  a^  -r—r  und  summieren  wir  über  alle 

cx^ 

Werte  von  v  und  Z-,  wobei  wir  beachten,  dass  nach  Formel  (13),  S.  39, 

V         CXt  cx^ 

^  CXj  CX^ 

ist,  so  ergiebt  sich  die  Gleichung: 


rihk 


Bianchi,  Difterentialgeometrie. 


50 
also; 


V 


Kap.  2.    Quadratische  Difterentialformen 

.  V 


(rli,  ih)  dXrd^^^Xkd^^'^Xid^^'^Xk, 


(30*)  2j  (<^ö\ßryäXadWx^^d^^^Xyd^''^Xä 

a^yd  r  k  ih 

WO  d,  d^^\  d^'^\  d^^^  die   Symbole   von  vier    verschiedenen    Differential- 
systemen sind. 

In  der  quadrilinearen  Form : 


(31) 


9D 


2 


(rk,  ih)  dXrd^^'^Xjc  d'^'^'^Xid^^^x,, 


haben  wir  also,  wie  verlangt  wurde,  eine  Differentialco Variante  von  f,  die 
aus  den  Coefficienten  von  /"  und  deren  Differentialquotienten  gebildet  ist. 


§  28.    Krümmungsmass  einer  binären  Differentialform. 

Wenden  wir  die  Gleichung  (30)  auf  den  Fall  einer  binären 
Form  an,  so  können  wir  leicht  die  Existenz  der  sehr  wichtigen  Dif- 
ferentialinvariante nachweisen,  die  als  das  Krümmungsmass  der 
binären  Form  bezeichnet  wird. 

Zu  dem  Zwecke  entwickeln  wir  einige  Eigenschaften  der  Vier- 
Indices-Symbole  erster  Art  (rli,  ih),  die  wir  vor  allen  Dingen  durch 
die  Drei-Indices-Symbole  erster  Art  ausdrücken  wollen.  Wegen  der 
Gleichungen  (27)  und  (29)  haben  wir: 


V 


(rli,  ih)  =^  arh 


I:} 


rh\ 


ex. 


-2'-4^+ 


+2'(|7}2'-'"* 


1)2^ 


«,* 


li 


\v\)- 


Nun  ist  nach  (18*),  S.  44: 


2^ 


(hk 


rh 


rh 
1: 


also: 

(rk,  ih) 


rh 


rh\ 


^^  +?(iv 

Setzen  wir  für  7—^,   r^  ihre  bezüglichen  Werte  (vgl.  (19)  auf  S.  44): 


^%k     ^%k 


vh 

+ 

_v  _ 

7 

vi 

+ 

ik 

_v  _ 

§  28.    Krümmungsmass  einer  binaren  Differentialfonn.  51 

ein,  so  folgt  hieraus: 

(-.-)=-E^-ig]+^([-]{-}-[Y]{7l) 

oder  nach  (18),  S.  43: 

(32)  (.M-*)=-B-t|+^.4;:]pf]-t][Y])- 

"  •  Im 

Entwiekehi  wir  die  beiden    ersten    Glieder,    die    nur  die   zweiten 
Differentialquotienten  enthalten,  so  erhalten  wir: 

1    /    ^*"rA  ^*".-i  ^'"ri  ^'^hk    \ 

(32*)    (rJc,  ih)  =  -^ {-.—.-  +  g^g-  -  ^^:^  -  e^e^J  + 

ii/i 

Aus    dieser    Gleichung    ergeben    sich    sofort   folgende   bemerkenswerte 
Eigenschaften  des  Symbols   erster  Art: 

(a)  {kr,  i/i)  =  —  (rk,  ih), 

(b)  (rk,hi)  =  —  {rk,ih), 

woraus  folgt,  dass,  wenn  die  beiden  ersten  oder  zweiten  Indices  ein- 
ander gleich  sind,  der  Wert  des  Symbols  identisch  gleich  Null  ist*). 

Im  Falle   der  binären  Differentialformen  {n  =  2)   sind  nur  vier 
der  Symbole  (t'k,  ih)  von  Null  verschieden,  nämlich 

(12,  12),    (12,21),     (21,  12),     (21,21), 
aber  wegen  (a)  imd  (b)   ist  das  vierte  gleich  dem  ersten,    da.s  zweite 
und  dritte  gleich  dem  ei-sten  mit  entgegengesetztem  Voi-zeichen. 

Die  Gleichung  (30)  des  vorigen  Paragraphen  wii-d  dann: 

(1  2,  1  2)'=  (1  2,  1  2)  i^A  Ä  —  ^\  S^^y 

und  da  auch,  wenn  wir,  wie  üblich,  mit  a  und  d  die  Discriminanten  der 
.Grundform  /"  und  der  trausformiei-ten  Form  f  bezeichnen,  nach  (5),  S.  37, 

(ex.  c.r,         cxy  fx,\2 
\cx^   ex»         ex^  eXi  / 
ist,  so  folgt  daraus: 

(12,12)'  (12,12) 


*)  Das   Symbol  (rt,  ih)  besitzt  auch  die  durch  die  folgenden  Gleichungen 
charakterisierten  Eigenschaften: 

{ih,  ri)  =  (rfc,  ih), 
(rfc,  .Ä)  +  (ri,  hk)  +  {rh,  ki)  =  0, 
die  wir  im  Falle  «  =  2  nicht  zu  berücksichtigen  brauchen. 

4* 


52  Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 

Der  Ausdruck: 
(33)  K  = 


(12,12) 


ist  also  eine  Differentialinvariante  der  binären  Form  f. 

Sie  wird  das  Krümmungsmass  oder  die  Krümmung  der  Form 
f  genannt. 


§  29.    Verscliiedene  Ausdrücke  für  die  Krümmung. 

Es  liegt  uns  nun  ob,  für  die  Krümmung  K  die  versebiedenen 
Ausdrücke  zu  entwickeln,  auf  die  wir  in  den  Anwendungen  auf  die 
Tbeorie  der  Oberfläcben  werden  zurückgreifen  müssen. 

Aus  (29*)  folgen  wegen  der  vorbin  gefundenen  Eigenscbaften  des 
Symbols  (rk^ih)  im  Falle  n  =  2  die  Gleichungen: 


Ka,,  =  { 1  2,  1  2 


^«12 


11,21 


I  ? 


Ka,,=  (22,12),       Ka,,=  {21,21}, 
die  entwickelt  lauten: 


(H) 


o 

ex» 


v)-ai{';}+{v}{\^}+{v}{?}-{?}{v}- 


121/111        (12V 


_     a    |l2l  c     fllj        {121(121       fllU22l 

-g^li  j-^^lil+li  Ii2  j-i2  jii  y 

_     ^    Jl^l        _L  l^^l    ,    fl2Ul2l        |22nill 


ex»  I    2 


cx. 


22I 


dx» 


I2I        (22U12I        (22U11I        fl2U2  2l        |l2l 
1    1+      2  1    1+      1    (1    1    |-      2    I       1    |-      1    I 


Nun  schreiben  wir  die  erste  der  Gleichungen  (II)  folgendermassen: 


7^  an 


a_|i2 

dx^  1  2 


2l 


lll  (12 

1    1+       2 


+ 


(llin22)        (1211  /fllUl2l        (I2l(lll\ 

+  l2  jLisl  +  iijJ+HiiJUj-ii  ji2j;' 


berücksichtigen,  dass  wegen  (20),  §  25  (S.  45) 

1  c^a 


V)  +  {V} 


ist,  und  setzen  ein,  so  ergiebt  sich: 


2  2 1      ,      (  1  2 1  _  J.   ojfa^ 
y  1  i         "j/a  cx^ 


K  = 


yi 


c    {Ya  / 1  1 1  \  c    {Ya  / 1  2 1 


-dx^ 


J  /         dx,  Vau  1  2   J  /. 


+ 


lll  ^^11     f  1 2I  a«!! 


^ajo 


2       ex. 


+ 


/(iilfisl       (12U11I 


§  29.    Verschiedene  Ausdrücke  für  die  Krümmung.  53 

Wetzen  der  Gleichungen   (vgl.  (19'  u.  (18*  ,  S.  44): 

ist  aber 

also  bleibt  übrig: 

OH)     -=r»t(f:{v})-Ä-(f:{'^))]-  . 

In  dieser  Gleichung  ist  natürlich  vorausgesetzt,  dass  a^  nicht  gleich 
Null  ist,  und  wir  können  offenbar  (wenn  a^  nicht  gleich  Null  ist)  die 
hierzu  symmetrische  Gleichung: 

ansetzen.     Merken  wir  ims  endlich  noch,  dass  im  Falle 

«11  =  «22  =  ^y 

il2\  fl-2\  fll\_f2M_o 

f  11 1  ^  J_  £«1,        I  2  -2 1  ^  J.    ca^ 

ist,  die  mittleren  Gleichimgen  (11) 

_,  1   f-log«,, 

v^'.'  Ojj  cxi  ca^ 

geben.     Eine  wichtige  Anwendung  dieser  Gleichimg  ist  die  folgende. 

Es  sei 

eine  indefinite  binäre  Form  {a^^a^_^  —  a^^-  <  0)  von  der  Krümmung 
Null:  durch  eine  reelle  Transformation  der  Veränderlichen  kann  dieselbe 

auf  die  Form 

2(i^<^dx^dx^ 

gebracht  werden,  wozu  nach  Zerlegung  von  f  in  seine  (reellen)  Linear- 
factoren : 

/•=  {adx^  +  ßdx^)(:/dx,  +  ödx^) 

nur 

x;=Jk{ttdx^  +  ßdx^),        x^'=fn(jdx,  +  ddx^), 

1 

«12  =  Hl~ 


in  dem 


54  Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 

gesetzt  zu  werden  braucht,  wenn  A  bezw.  /»  ein  Multiplicator  (integrie- 
render Factor)  von  adx^  -f-  ßdx^  bezw.  ydx^  -\-  ödx.^  ist.  Wenn  aber, 
wie  wir  annahmen,  K=0  ist,  so  folgt  aus  (IV): 

WO  X^  eine  Function  von  x^  allein  und  Xg  eine  von  x^  allein  ist. 
Setzen  wir  nun: 

y 2yx ^^1 = 2/1 ,   y 2/x, ^^/=  ^„ 

so  ergiebt  sich: 

a-^^dx-^  +  2 «12^^! ^^2  +  «22 ^^2^  =^  ^2/1^2/2- 
Um  ?/^  und  ?/2  wirklich  zu  finden,  brauchen  wir  nur  zu  beachten, 
dass  es  in  diesem  Falle  einen  Multiplicator  von  ccdx^  -\-  ßdx^  —  wir 
bezeichnen  ihn  mit  e"  —  giebt,  dessen  reciproker  Wert  e~^  Multipli- 
cator von  ydXi-{-ddx2  ist,  und  dass  demnach  die  Gleichungen  be- 
stehen : 

g(e-^V)  ^  c{e-''8) 

durch   welche   die   partiellen   Differentialquotienten   ~j   „  -    bestimmt 

^  <7a?i     cx^ 

werden,  da  a.8  —  /3y=|=0  ist.  Also  ergeben  sich  mittels  einer  Qua- 
dratur V  und  mittels  zweier  weiterer  y^  und  f/g.  Wir  haben  demnach 
das  Ergebnis:  Eine  indefinite  binäre  Form  von  der  Krümmung 
Null  kann  lediglich  durch  Ausführung  von  Quadraturen  in 
ein  Product  zweier  Differentiale  transformiert  werden*). 

§  30.     Cubische   Covariante   (/',  g))   zweier   simultaner   quadratischer 
Diflferentialformen  /'  und  9?. 

Wir  kehren  nun  wieder  zur  Betrachtung  des  allgemeinen  Falles 
von  n  Veränderlichen  zurück  und  untersuchen  zwei  simultane  quadra- 
tische Formen: 

/     ^    Clr üdXrdX^j 

r  s 

(p  =^   hrsdXrdXs 


*)  Für  eine   dcfinite  Form  von   der  Krümmung  Null  ist  das  Resultat  ganz 
ähnlich;    nur  sind  in  diesem  Falle  2/1,  2/2  konjugiert  imaginär.     Wird  dann 

2/1  =«  +  *ß,       Z/ä  =  «  —  i§ 
gesetzt,  so  geht  die  Form  mittels  Quadraturen  in  den  Ausdruck  äa^  -f  d^^  über. 
(Vgl.  6.  Kap.,  §  87.) 


§  30.    Cubische  Covariante  zweier  quadratischer  Ditferentialfonnen.         55 

auf  die  Bildung  einer  simultanen  cubi sehen  Differentialeovariante  hin, 
die  für  die  Flächentheorie  sehr  wichtig  ist.  Setzen  wir  hierzu  voraus, 
dass  sich  /'  und  cp  beim  Uebergange  von  den  Veränderlichen  x  zu 
den  x'  in 

f^'S^a'rsdx'rdx,,        (p'=^KsdXrdXs 

rs  rs 

verwandeln,  differenzieren  wir  alsdann  die  Gleichung  (vgl.  (13)  auf  S.  39): 


Ks  =^,  iik  c^  a:;:' 


C  ^i  C  Xj^ 

dx'dx. 


nach  Xt   und  setzen  wir  für  die  zweiten  Differentialquotienten  die  durch 
die  Gleichungen  (I)  (§  24,  S.  43)  bestimmten  Werte,  so  erhalten  wir: 


(34) 


ex' 


ikX 


;T*;.-2(;'}k«= 


wo  die   Christoffel'schen    Symbole  für  /'  und  die  transformierte  Form 
f  gebildet  sind.    Diese  Gleichung  zeigt,  dass  wir  in  der  cubischen  Form: 


iki. 


dXidXkdxx 


bereits    eine    Simultancovariante    von   /"  und    qp    erhalten    haben.     Für 
unseren  Zw^ck  jedoch  ist  die  zu  bildende  Form  die  folgende: 

Von  der  Gleichung  (34)   subtrahieren    wir    diejenige,   welche   aus 
ihr  durch  Vertauschung  von  s  mit  t  hervorgeht.     Dann  ergiebt  sich: 

c  x\         ex. 


s-;?+^{';:}'*':.-2'{;T^"= 


ikl 


'c  b; ,.        ch 


ex, 


'^+2{':W'-2{':v 


dx-  CX^  CX2^ 

'*'"  '  ex'  ex'  ex' 


Setzen  wir  demnach: 

(35)     6,.,=^'-^+2  ,i*"--2ur-' 

so  ist  die  in  den  drei  verschiedenen  Systemen  von  Differentialen  dXr, 
d^^^Xs,  d^^^Xt  trilineare  Foim: 

^hrstdXrd<^'>Xsd^^^Xt 


eine  Simultancovariante  von  f  und  (p.     Dieselbe  möge  mit 


56  Kd]).  2.     Quadratische  Ditterentialforraen. 

r  s  t 

bezeichnet  werden,  wo  &;,,<  die  durch  Gleichung  (35)  angegebene  Be- 
deutung hat.  Diese  Invariante  heisse  die  für  die  Form  qo  in  bezug 
auf  /■  gebildete  trilineare  Form. 

Wir  sehen,  dass,  wenn  9?  = /'  gesetzt  wird,  die  trilineare  Form 
(/',  qi)  identisch  verschwindet.  Im  allgemeinen  drückt  nun  wegen 
der  Invarianteneigenschaft  von  (/',  (p)  das  identische  Ver- 
schwinden derselben  eine  Beziehung  zwischen  den  beiden 
Grundformen  /*  und  q)  aus,  die  bei  einer  Transformation  der 
Veränderlichen  ungeändert  bleibt. 

Die  Ausdrücke  mit  drei  Indices  hrst  besitzen  die  durch  die  folgen- 
den Gleichungen  charakterisierten  Eigenschaften: 

hst   +  hts  =  0, 
Orst   -j~  ^str   -\-  Otrs   =  0. 

Aus  der  ersten  derselben  folgt,  dass  diejenigen  hrst  gleich  Null 
sind,  deren  beide  letzten  Indices  einander  gleich  sind. 

Im  Falle  n  =  2  haben  wir  nur  vier  hrst,  die  nicht  identisch  ver- 
schwinden, und  zwar 

^112?       ^1217       ^212?       ^2217 

von  denen  jedoch  die  beiden  ersten,  sowie  die  beiden  letzten  einander 
entgegengesetzt  gleich  sind.  Hier  wird  das  identische  Verschwin- 
den der  trilinearen  Form  (/j  (p)  durch  die  beiden  Gleichungen: 

^12  =  0,       &221  =  0 

oder,  wenn  nach  (35)  entwickelt  wird,  durch  das  folgende  Glei- 
chungssystem ausgedrückt: 


(V) 


dxj^ 

Cjhi 

cb^ 

ex. 

ex» 

§  31.    Gleichzeitige  Beduction  zweier  binärer  quadratischer 
Differentialformen  auf  Orthogonalformen. 

Wir  betrachten  zwei  simultane  binäre   quadratische  Formen: 

cp  =  \^  dx-^  -\-  21^2  dxi  dx^  +  &22  dx/, 
und  setzen  wenigstens  von  der  ersten  voraus,  dass  ihre  Discriminante 
a  =  %i«22  —  ^12^  ^^^  ISImU  verschieden  sei. 
In  den  Ausdrücken: 


§  31.    Reduction  zweier  quadratischer  Formen  auf  Orthogonalformen.       57 

haben  wir  zwei  algebraische  Simiütaninvarianten  von  /'  und  g?*). 
Bilden  wir  die  Jacobi'sche  Functionaldeterminante: 

\^dx^ + &i2^^2   &i2^^i + ^22 ^^2  r 

so  haben  wir  eine  Form,  die  bei  einer  beliebigen  Transfonnation  der 
Veränderlichen  mit  der  Substitiitionsdeterminante  3/  als  Factor  repro- 
duciert  wird,  also  gerade  so,  wie  es  bei  der  Quadi-atwui-zel  aus  a  der  FaU 
ist  (vgl.  S.  39).     Daraus  folgt,  dass  die  quadratische  Form: 

Q  ^  1  I     «ll^^l  +  <hsdx^  012^^1   +  «22^^    I 

y«ii«i2—  «1«"  :  &ii^^i  +  \^dx^        hi^dxi  4-  h^dr^ 
eine  (irrationale)  Simultancovariante  von  f  und  cp  ist.     Für  diese  dritt« 
Diflferentialcovariante : 

0  =  c^idxi^  4"  Ci^dxid:q  -\-  c^dx^^ 
lässt  sich  unter  der  Voraussetzung,   dass  a^^  nicht  gleich  XuU  ist,  die 
Discriminante  4qjC22  —  c\^'  identisch  auf  die  folgende  Fonn  bringen: 

4CiiC^  —  Cj=  —  —  I     «11^22  —  «22^11  —  ^  («11*12  —  «12^l)j    + 

+  ^.(«11^2—  «12^l)'j    • 

Wir  setzen  nun  voraus,  dass  die  Form  f  definit,  d.  h. 

«11^22  —  «12"  >^ 
sei,  dann  folgt,  dass  ^c^iC^  —  ^12"  negativ  ist.    Auch  kann  dieser  Aus- 
druck nicht  gleich  Null  sein,   wofern  nicht  die  Proportion  h^^  :  h^^  :  h^^ 
=  ffjj  :  aj2  :  «22    besteht,    d.  h.  wofem    sich  nicht   9}    nur    durch    einen 
Factor  von  /'  unterscheidet. 

Die  quadratische  Differentialgleichung: 

0  ==0 
zerfällt  denmach,  wenn  wir  diesen  Fall  ausschliessen,  in  zwei  verschie- 
dene reelle  lineare  Gleichimgen: 

(a)  adxi  -\-  ßdx^  =  0, 

(b)  ydXi  -\-  ddx^  =  0. 

Bezeichnen  wir  mit 

Xi=  Const.,     X2=  Const. 

*)  H  und  K  sind  die  Coefficienten  der  ersten  und  zweiten  Potenz  der  Con- 
stanten k  in  dem  Quotienten 

A  ;  «11  +  ^i-ii        «12  +  ^"^s 


58  Kap.  2.    Quadratische  Differentialformen. 

die  bezüglichen  Integrale  der  Gleichungen  (a)  und  (b)  und  führen  wir 
dieselben  als  neue  Veränderliche  x-[,  x^  ein,  so  ergiebt  sich  in  den 
transformierten  Formen : 

gleichzeitig 

0^12'=  0;      ^12'=  0- 
In  der  That  muss  sich  die  Co  Variante: 

y**'  1  &11'  dx-^  -|-  ?)i2'  ^^2'    ^12'  (^^1  +  ^22'  '^^2' 

der  Voraussetzung  zufolge,  abgesehen  von  einem  Factor,  auf  das  Pro- 
duct  dx^dx{  reducieren,  und  es  ist  demnach: 

^11  ^12  ■      ^12  ^n  ^^  ^7 


y^)  I       '7,    '  '7,    ' n 

l  ^^12  ^^22  %2  ^12  ^ 

Multiplicieren  wir  die  erste  dieser  Gleichungen  mit  h^^^  die  zweite  mit 
&j/  und  addieren  wir,   so  kommt: 

^2'(%l'^22'—  «22' ^ll')  =  0- 

Da  die  Folgerung  %i'&22' —  ^22' ^11'=  ^  auszuschliessen  ist,  weil  sonst 
aus  den  beiden  letzten  Gleichungen  die  Proportion: 

^11   *  ^12  •  '^22   """^  %1  •  %2  *  ^22 

folgen  würde,  so  haben  wir  mit  Notwendigkeit  l>i2  =  0;  wonach  aus 
(c)  auch  «12'"=  ö  folgt. 

Umgekehrt  sehen  wir  wegen  der  Invarianteneigenschaften  von  0 
sofort,  dass,  wenn  bei  einer  Transformation  der  Veränderlichen  x^,  x^  in 
neue  Veränderliche  x^,  x^  in  den  transformierten  Formen  /",  95'  gleich- 
zeitig «12'=  Ö7  ^12=  ^  i^^7  ^^^  Integrale  von  (a)  und  (b)  gerade 
Xy==  Const.,  x,^=  Const.  sind.  Wir  haben  demnach  den  Satz:  Sind 
zwei  binäre  quadratische  Differentialformen  gegeben,  von 
denen  wenigstens  die  eine  definit  ist,  so  können  in  ihnen 
durch  eine  reelle  Transformation  der  Veränderlichen  die 
Mittelglieder  gleichzeitig  eliminiert  werden.  Die  neu  ein- 
zuführenden Veränderlichen  sind  diejenigen,  welche  gleich 
Constanten  gesetzt  die  Integrale  der  Gleichung  0=0  liefern. 

Es  ist  klar,  dass  in  dem  Ausnahmefall,  in  welchem  die  beiden 
Formen  einander  proportional  sind,  diese  Elimination  auf  unendlich 
viele  Weisen  möglich  ist. 


Kapitel  III. 
Krunimliiiige  Coordiuaten  auf  den  Flächen.     Conforme  Abbildung. 

Krammlinige  Coordinaten  auf  einer  Fläche.  —  Linienelement.  —  Winkel  einer 
Cmre  anf  der  Fläche  mit  den  Parameterlrnien.  —  ChristoffeFsche  Symbole, 
Diiferentialparameter  und  Krünimungsmass.  —  Isothermensysteme.  —  Isometrische 
Parameter.  —  Satz  von  Lie.  —  Conforme  Abbildung  einer  Fläche  auf  die  Ebene 
oder  einer  Fläche  auf  eine  andere.  —  Isothermensysteme  auf  den  Rotationsflächen. 
—  Stereographische  Polarprojection  der  Kugel.  —  Doppelte  orthogonale  Kreis- 
systeme  auf  der  Kugel  und  in  der  Ebene.  —  Darstellung  der  Bewegungen  der 
complexen  Kugel  in  sich  mittels  linearer  Substitutionen  (Cayley). 


§  32.    Krummlinige  Coordinaten  auf  einer  Fläche. 

Eine  Curve,  die  sich  unter  gleickzeitiger  Deformation  stetig  im 
Raiijne  bewegt,  erzeugt  eine  Fläche.  Zur  analytischen  Bestimmung 
einer  Fläche  können  wir  durch  ein  ähnliches  Verfahi-en  gelangen,  wie 
wir  es  in  §  1  für  die  Curven  eingeschlagen  haben.  Hierzu  setzen  wir 
voraus,  dass   die  Coordinaten  eines  beweglichen  Curvenpunktes: 

x  =  x{u)j     y  =  y(u),     2  =  z(ii) 

ausser  von  der  Veränderlichen  u,  deren  einzelne  Werte  die  einzelnen  Punkte 
der  Curve  festlegen,  von  einem  Parameter  v  abhängen,  d.  h.  (^in 
einem  gewissen  Bereiche  endliche  und  stetige)  Functionen  der  Ver- 
änderlichen tt,  V  sind,  so  dass 

(1)  x  =  x(u,v),     y  =  y{u,^)j     z  =  2(u,v) 

gesetzt  werden  kann. 

Jedem  speciellen  Werte  i\  von  v  entspricht  eine  specielle  Curve: 

X  =  x(u,  t\),     y  =  y{u,  i\),     z  =  z(u,  v^); 

ändert  sich  v  stetig,  so  bewegt  sich  diese  Curve  stetig  im  Räume  imd 
beschreibt  so  eine  Fläche,  die  durch  die   Gleichungen   (1)    analytisch 


60     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

definiert  ist.    Durch  Elimination  von  u  und  v  aus  den  drei  Gleichungen 

(1)  ergiebt  sich  offenbar  eine  Relation: 

f(x,  y,  z)  =  0, 

und  dies  ist  die  gewöhnliche  Gleichung  der  Fläche. 

Diese  Fläche  ist  von  dem  System  der  eben  betrachteten  Curven 
bedeckt,  von  denen  jede  einem  speciellen  Werte  von  v  entspricht  und 
deshalb  eine  Curve  v  =  Const.  oder  kurz  eine  Curve  v  heisst. 

Nun  ist  klar,  dass,  was  bezüglich  der  Gleichungen  (1)  von  der 
Veränderlichen  v  gesagt  worden  ist,  auch  für  die  Veränderliche  u  gilt. 
Erteilen  wir  also  u  einen  constanten  Wert  m^,  so  liegt  die  Curve: 

ganz  auf  der  Fläche,  und  wenn  sich  u  stetig  ändert,  so  bewegt  sich 
diese  Curve  und  beschreibt  die  Fläche.  Wir  erhalten  so  ein  zweites 
System  von  Curven  auf  der  Fläche,  die  wir  als  die  Curven  z«  =  Const. 
oder  die  Curven  u  bezeichnen. 

Ein  Flächenpunkt  P  ist  bestimmt,  wenn  in  ihm  die  Werte  u^,  v^ 
der  Veränderlichen  u,  v  bekannt  sind.  Anders  ausgedrückt:  jeder  Funkt 
P  ist  als  Schnittpunkt  der  beiden  Curven: 

bestimmt,  von  denen  die  eine  dem  System  u,  die  andere  dem  System 
V  angehört.  Die  Parameterwerte  u^,  v^  heissen  die  krummlinigen 
Coordinaten  des  Punktes,  während  die  Curven  m,  v  als  Parameter- 
linien bezeichnet  werden. 

Eine  Gleichung  zwischen  den  Coordinaten  des  beweglichen  Punktes  P: 

(2)  ^(u,v)  =  0 

beschränkt  offenbar  die  Bewegung  desselben  auf  eine  auf  der  Fläche 
gezogene  Curve;  wir  sagen  demnach,  dass  (2)  die  Gleichung  dieser 
Curve  ist. 

Die  Zahl  der  krummlinigen  Coordinatensysteme,  die  auf  einer  ge- 
gebenen Fläche: 

(3)  f(x,y,z)^0 

gewählt  werden  können,  ist  unendlich  gross.  Wir  erhalten  jedes  der- 
selben, wenn  wir  die  Coordinaten  eines  beweglichen  Punktes  x,  y,  z 
durch  zwei  unabhängige  Veränderliche  w,  /3  so  ausdrücken,  dass  wir  durch 
Elimination  von  «  und   /3  aus   den    drei    diesbezüglichen    Gleichungen: 

X  ^  x{a,  ß),     y  ==  y{a,  ß),     z  =  z(a,  ß) 

wieder  zur  Flächengleichung  (3)  kommen.  Sobald  ferner  ein  krumm- 
liniges Coordinatensystem  (^t,  v)  auf  der  Fläche  bereits  fest  bestimmt 


§  33.    Linienelement  der  Fläche.  61 

ist,  erhalten  wir  in  der  allgemeinsten  Weise  ein  neues,  («,  ß),  wenn  wir 
Uj  V  gleich  zwei  von  einander  unabhängigen  Functionen  von  a,  ß: 

u  =  ii(a,  ß),  V  =  v{a,  ß) 
setzen.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  sich,  wenn  z.  B.  ii{c(,ß)  nur  eine  der  neuen 
Yeränderlichen,  etwa  nur  a  enthielte,  die  Parameterlinien  ii  bei  einer 
solchen  Transformation  nicht  ändern  würden,  da  a  mit  ii  constant  wäre, 
und  umgekehrt;  nur  der  Parameter,  welcher  die  einzelnen  Curven  inner- 
halb  des  Systems  festlegt  und  der  vorhin  n  war,  würde  in  a  übergehen. 
Endlich  bemerken  wir,  dass  bezüglich  der  Functionen: 

x(u,  v),     y(u,  v),     z(ti,  v), 

welche  die  Cartesischen  Coordinaten  der  Flächenpunkte  geben,  im  Fol- 
genden stets  vorausgesetzt  wird,  dass  sie  in  dem  ganzen  Aende- 
rungsbereich  für  u,  v  endlich  und  stetig  seien  und  auch  end- 
liche und  stetige  erste,  zweite  und  dritte  partielle  Differen- 
tialquotienten nach  u  und  i;  besitzen,  ausgenommen  höchstens 
in  singulären  Punkten  oder  längs  isolierten  singulären  Curven. 
Die  ki-ummliniffen  Coordinaten,  die  wir  auf  diese  Weise  ein- 
gefühi-t  haben,  heisseu  auch  Gaussische  Coordinaten.  Dieselben 
sind  für  das  Studium  der  Eigenschaften  der  Flächen  sehr  voi-teilhaft, 
da  sie  ihi-er  Natur  nach  mit  der  Fläche  an  sich,  ohne  Rücksicht  auf 
die  Lage  der  Fläche  im  Räume,  innig  verknüpft  sind. 

§  33.    Linienelement  der  Fläche. 

Denken  wir  uns  auf  der  Fläche  eine  beliebige  Curve: 
(a)  (p{u,  v)  =  0 

gezogen  und  bezeichnen  wir  ihr  Bogenelement  mit  ds,  so   haben  wir: 

ds^  =  dx^  -f  dy-  -f  dz^, 
worin   für  x,  y,  z  die  Werte  (1)   einzusetzen  und  in  diesen  u  und  v 
durch  die  Gleichung  (a)  zu  verbinden  sind.     Alsdann  haben  wir: 

dx^=^  du  -\-^J^  dv,      dy  =  ^-  du  -j-  .     dv,      dz  =  ."'  die  4-  >-  dv. 
cu         '    cv        '  ^         ca         ^    cv  cu  '    cv 

Setzen  wir  nun  mit  Gauss: 

\cu/      '     \c%i/       '    \cul 


(4) 


so  erhalten  wir: 


T-,        cx  cx    .    cy  cy    ,    cz  cz 
cu  cv    '    cu  cv    '    cu  cv 


62     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 


(5)  ds^  =  Edu' -\-2Fdudv-]- Gdv% 

wo   wegen   der   Gleichung   (a)   zwischen  u  und  v   die   Differentiale   du 

und  dv  durch  die  Relation: 

^  du-\-  X—  dv  ==  0 

du         '    dv 

verbunden  sind. 

Da  der  durch  die  Gleichung  (5)  gegebene  Ausdruck  für  ds  für 
jede  beliebige  auf  der  Fläche  liegende  Curve  gilt,  so  wird  er  als 
das  Linienelement  der  Fläche  bezeichnet. 

Die  quadratische  Differentialform: 

Edu^  +  2Fdu  dv  +  Gdv^, 
die    gleich    dem    Quadrat    des    Linienelements    ist,    heisst    die    erste 
quadratische  Fundamentalform.     Ihre  Discriminante: 


EG 


dy  dz 

2 

dz  dx 

2 

dx  dy 

F'  = 

du  du 
dy  dz 

+ 

du  du 
dz  dx 

+ 

du  du 
dx  dy 

dv  dv 

dv  dv 

dv  dv 

die  wir  abgekürzt  in  der  Form; 


EG  —  F^  = 


dx^  dy  dz 

du  du  du 

dx  dy  dz 

dv  dv  dv 


schreiben,  ist  positiv,  d.  h.  die  Form  selbst  ist  definit. 

Es  leuchtet  ein,  dass  ihre  Coefficienten  E,  F,  G,  die  durch  die 
Gleichungen  (4)  gegeben  sind,  endliche  und  stetige  Functionen  von 
u,  V  sind  und  nach  den  getroffenen  Voraussetzungen  auch  endliche  und 
stetige  erste  und  zweite  partielle  Differentialquotienten  besitzen.  Ferner 
sind  E,  G,  sowie  EG  —  F^  stets  positiv,  und  unter 

Ye,   Yg,   Yeg~-^^^^ 

werden  wir  im  folgenden  stets  die  positiven  Werte  der  Wur- 
zeln verstehen. 

In  jedem  Punkte  einer  Parameterlinie  u  oder  v  unterscheiden  wir 
die  positive  Richtung  der  Curve  von  der  entgegengesetzten  negativen 
und  setzen  als  positive  Richtung  der  Curven  u  diejenige  fest,  nach 
welcher  der  andere  Parameter  v  wächst,  ebenso  als  positive  Richtung 
der  Curven  v  diejenige,  nach  welcher  der  Pai*ameter  u  zunimmt.  Da- 
raus folgt,  dass,  wenn  dSu,  ds^  die  positiven  Bogenelemente  der  Curven 
Uj  V  bedeuten,  nach  (5) 

dSu  =  ]/(^(7r,      ds^  =  Y^<^'^ 
ist. 


§  33.    Linienelement  der  Fläche.  63 

Bezeichnen 

cos  (u,  x),     cos  (Uj  y),     cos  (w,  z) 

cos  (v ,  ar) ,     cos  (t; ,  y) ,      cos  (v ,  z) 

die  Cosinus  der  (positiven)  Richtungen   der  Tangenten  der  Parameter- 
linien Uj  V,  so  haben  wir  demnach: 


(b){ 


Für  den  zwischen  0  und  %  gelegenen  Winkel  to,  der  in  einem  Punkte 
der  Fläche  von  den  positiven  Richtungen  der  durch  den  Punkt  gehen- 
den Parameterlinien  m,  v  gebildet  wird,  haben  wir: 

cos  a  =  cos(i<,  x)  cos(y,  x)  +  cos  {it,  y)  co%{v,  y)  +  cos  (m,  z)  cos(i;,  z) 

oder  zufolge   der  obigen  Gleichungen  und  (4): 

(6)  cosa,  =  -|=; 

daraus  folgt  weiter:  

(6*)  sm»  =  i^-j^=-, 

WO  die  Wurzelwerte  wie  gewöhnlich  positiv  zu  nehmen  sind.  Aus  (6) 
folgt:  Die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür, 
dass  die  Parameterlinien  auf  einander  senkrecht  stehen,  ist, 
dass  in  dem  Ausdruck  (5)  für  das  Quadrat  des  Linienelements 
F=0  ist. 

Bemerkung.  —  Wir  betrachten  das  von  den  vier  Parameterlinien 
n^  u  _|_  ^u^  i:^  i-  _j_  (]i-  auf  der  Fläche  gebildete  unendlich  kleine  Vier- 
eck; dasselbe  kann  bis  auf  unendlich  kleine  Grössen  höherer  Ordnung 
als  Paralleloon-amm  antjesehen  werden.     Da 

yjE  du,      yO  dv 

die  Längen  seiner  Seiten  sind,  während  der  von  den  beiden  ei*sten  Seiten 
u,  V  eingeschlossene  Winkel  w  durch  (6*)  gegeben  ist,  so  ist  sein 
Flächeninhalt  gleich 

yEG—F^dudv, 

woraus  der  Satz  folgt:  Das  Flächenelement  da  der  Oberfläche 
ist  durch  den  Ausdruck: 

dö  =  yEG—F-  du  dv 

gegeben. 


"64      Kap.  8.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

§  34.    Winkel   einer  riäcliencurve  mit  den  Parameterlinien. 

Wir  betrachten  eine  beliebige  auf  der  Fläche  gezogene  Curve  C, 
für  welche  die  positive  Richtung  des  Bogens  s  beliebig  festgesetzt 
sein  möge.  Behufs  der  unzweideutigen  Bestimmung  der  Winkel,  welche 
die  Curve  C  in  jedem  Punkte  mit  den  Parameterlinien  u,  v  bildet, 
denken  wir  uns  in  jedem  Flächenpunkte  P  die  Tangentialebene  gelegt 
und  definieren  als  die  positive  Seite  dieser  Ebene  diejenige,  auf  welcher 
die  Drehung  der  positiven  Tangente  der  Curve  v  in  die  Lage  der  Tan- 
gente der  Curve  u  um  den  oben  angegebenen  Winkel  co  in  positiver 
Drehungsrichtung,  die  für  uns  diejenige  von  rechts  nach  links  sein 
möge,  erfolgt*).  Dieses  vorausgeschickt,  bezeichnen  wir  mit  d-  den 
zwischen  0  und  27t  gelegenen  Winkel,  um  den  sich  die  positive 
Richtung  der  Tangente  der  Curve  v  in  positivem  Sinne  in  der  Tan- 
gentialebene drehen  muss,  um  mit  der  positiven  Richtung  der  Tan- 
gente der  Curve  C  zusammenzufallen. 

Wenn  ein  beweglicher  Punkt  M  längs  C  fortrückt,  so  können 
seine  krummlinigen  und  seine  Cartesischen  Coordinaten  ti,  v,  x,  y,  z 
als  Functionen  von  8  aufgefasst  werden,  und  wenn  wir  mit 

cos(C,  ic),      cos(C,  ^),      cos(C,  0) 

die  Richtungscosinus  der  Tangente  der  Curve  C  bezeichnen,   so  haben 
wir  demnach: 

/  \  /y-y      N         cx  du    1    dx  dv    /v  ,  _,     ,         oy  du    ,    cv  dv  J-m 

(c)      cos  (6,  x)  =  -„—-, — \-  7^-  -,  - ,  ~  ;cos  (C,y)  =^  -^^~  -,    4-  -/-  -,- ,      _2 
^^  V    7      /         cuds     ^    cvds'M"        \    y^J        cu  ds     '     dv  ds  x^ 

rp     N  cz  du  j^  cz'dv         clz- 

^    '    ^        du  ds~^  cv  ds^       -dLs 
also : 

cos  %"  =  cos  (0,  X)  cos  (f ,  X)  -f-  cos  (0,  ^)  -f-  cos  (v,  ^)  -f-  cos  (C,  z)  cos  {v,  £) 

oder  wegen  der  Gleichungen  (b)  des  vorigen  Paragraphen: 

1     /t-,  du    ,      T-,  dv' 

Ye 

Nun  besteht  zufolge  der  Gleichung  (5)  die  Identität: 

EV^ds^-^ds/^  E  \ds)         ^'  ^ 


(7)  cos^=  -~(^^'*+  i^  , 

^  ^  -/TT.  l        f^s     '  ds 


*)  Hierbei  halten  wir  an  der  schon  §  7  (S.  12)  bezüglich  der  Orientierung  der 
Axen  getroffenen  Vereinbarung  fest;  wir  setzen  nämlich  voraus,  dass  auf  der  posi- 
tiven Seite  der  aji/- Ebene  die  positive  Richtung  von  OY  links  von  derjenigen 
von  OX  liegt. 


§  34.    Winkel  einer  Flächencurve  mit  den  Parameterlinien.  65 

woraus  folgt:  

sm  0-  =  +  ^ -;= 

—        YE         ds 

Die  Zweideutigkeit  des  Vorzeichens  wird  dadurch  beseitigt,  dass 
sin  -d-  nach  der  von  uns  getroffenen  Vereinbarung  über  das  Messen  von 
O'  positiv  ist,  wenn  v  mit  s  wächst,  negativ  im  entgegengesetzten 
Falle.     Wir  haben  also: 

(7  *)  sm  «•  =  ^ T^r — -  —  • 

^     ^  YE        ds 

Hieraus  und  aus  (6)  und  (6*)  des  vorigen  Pai-agi-aphen  ergiebt  sich  auch: 

(8)  sm(cj  —  ^)  = -p= 

^  ^  ^  ^  YG         ds 

Wie  aus  der  Gleichung: 

(9)  tg»  =  yEG^T-^J_;^^^ 

hervorgeht,  hängt  der  Neigungswinkel  einer  auf  der  Fläche  gezogenen 
Curve  gegen  die  Parameterlinien  nur  von  dem  Verhältnis  der  Zu- 
nahmen  du,  dv  der  krmmnlinigen  Coordinaten  längs  der  Curve  selbst  ab. 
Stehen  die  Farameterlinien  auf  einander  senkrecht  {F  =  0),  so 
gehen  unsere  Gleichimgen  in  die  einfacheren  über: 

(10)  cos*=ys^';,  sin»  =  VG%  tg»=y'|^. 

Wir  wollen  nun  annehmen,  dass  auf  der  Fläche  S  von  einem 
Punkte  M  der  Curve  C  eine  zweite,  zu  C  orthogonale  Curve  C  aus- 
gehe, und  Wolfen  die  Bedingimg  für  die  Orthogonalität  der  beiden 
Curven  aufzustellen  suchen. 

Im  Pimkte  31  sind  die  Richtungscosinus  der  Tangent«  an  C  durch 

die  Gleichungen  (c)  gegeben.    Wenn  wir  mit  ds  das  Bogenelement  von 

C'j  mit  ÖHy  dv  die  Zimahmen  der  krummlinigen   Coordinaten  längs  C 

bezeichnen,  so  haben  wir  analog: 

//T     \        ex  du    .    cxSv  frt-     \        cy  Su    ,    cy  Sv 

cos  (O ,  a;)  =  ;^-  ^r-  +  ^--  ^r- ,     cos  ((; ,  y)  =  7^  -T-  +  ^  T7 ' 

^     '    ''        cu  8s    *    cc  6s^  V     >  ^/        Cit  Ss    '     cv  os 

//T     \        dz  du    ,    cz  dv 
cos  (C  ,  ^)  =  o-  ^^ — r  "^^  ^^ • 
^    f   ^       du  ds    '    cv  ds 

Die  Orthogonalitätsbedingung: 

cos(C,  x)  cos  (C,  X)  +  cos  ((7,  y)  cos  (C,  y)  -\-  cos  (0,  z)  cos  (C,  z)=-=0 

wird  demnach: 

(11)  Edudii  +  F(dudv  +  dvdn)  -f-  Gdvöv  =  0. 

Dieses    ist    also    die    Bedingung    dafür,    da.ss    die    Linienelemente, 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  5 


66     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

die  vom  Punkte  (u,  v)  der  Fläche  nach  den  beiden  unendlich  benach- 
barten Punkten  (u-{-  du,  v  -{-  dv),  (u  -\-  du,  v  -\-  8v)  ausgehen,  auf  ein- 
ander senkrecht  stehen. 

Mittels  der  Gleichung  (11)  können  wir  leicht  folgende  Aufgabe  lösen: 
Gegeben  ist  eine  Schar  von  cxd^  Curven  auf  der  Fläche;  ge- 
sucht wird  die  Differentialgleichung  ihrer  orthogonalen  Tra- 
jectorien.  Es  sei  die  Gleichung  der  gegebenen  Curvenschar,  nach 
der  willkürlichen  Constanten  c  aufgelöst: 

cp{u,  v)  =  c. 

Sind  öu,  dv  die  Zunahmen  der  krummlinigen  Coordinaten  eines 
Punktes  (ii,  v)  längs  der  durch  den  Punkt  gehenden  Curve  g?  =  c,  so 
ist  offenbar: 


oder: 


du  :  dv  =  ,^:  —  q— ; 

cv  du 


und    (11)    giebt    als    gesuchte    Differentialgleichung    der    orthogonalen 
Trajectorien  die  folgende: 

(12)  (e  '/  -F^.'')du  +  (f i^-  -  G  ?'')  dv  =  0. 
^     ^  \      dv  cuJ  ^     \      ov  cuJ 

Es  ist  jedoch  hervorzuheben,  dass  wir,  auch  wenn  die  Curven  der 
gegebenen  Schar  nicht  direct  bekannt,  sondern  nur  durch  eine  Diffe- 
rentialgleichung erster  Ordnung: 

31du  +  Ndv  =  0 
definiert  sind,  wegen  der  Proportion: 

Jf:iSr=?-?:|^ 
cti>    cv 

die  Differentialgleichung  der  orthogonalen  Trajectorien  unmittelbar  in 
der  Form: 

(13)  {EN  —  EM)  du  +  {FN  —  GM)  dv  =  0 
angeben  können. 

§  35.    Christofferselie  Symbole,   Differentialparameter  und 
Krümmungsmass. 

In  den  im  vorstehenden  Paragraphen  behandelten  Fragen,  so- 
wie in  allen  denjenigen,  die  nur  die  sogenannte  Geometrie  auf  der 
Fläche  betreffen,  treten  ausschliesslich  die  Coefficienten  E,  F,  G  der 
ersten  Fundamentalform  auf.     Es  dürfte  daher  jetzt  zweckmässig  sein, 


§35.    Christoifersche  Symbole,   DifFerentialparameter  und  Knimmungsmass.     67 

die    expliciten  Werte  der  Christofferschen   Symbole,    der    Differential- 
parameter und  des  Krümmungsmasses  für  unsere  Form: 

Edu^  +  2Fduclu  +  Gdv- 
zu  berechnen,  in  der  jetzt  u  =  Xi,    v  =  x^, 

«u  =  ^7     ^'i2  =  F,     a^  =  G 
ist;  wir  haben  dann  nach  dem  2.  Kapitel  (S.  37): 
G  .  F 


A — - 


A,,=^ 


EG—F^' 


A^^ 


E 
EG  —  F'-' 


Die  Christofferschen  Symbole   erster  und   zweiter  Art  haben  nun  nach 
S.  43  die  in  nachstehender  Tabelle  zusammengefassten  Werte: 

Tl  l1  _  1  a^  Fl  2l  ^   1  ^  j;  r2  2l  ^cF  _  1  cG 

LlJ~~2cir'  LlJ~~'2cr'         LlJ         et  2   r«' 

[l  ll  _  rF  _  1  cE  fl  2l        £  f^  [2  2l  ^  J^  c^ 

L  2  J  ""  f «  2   cv'        L  2  J         2   e«  '  L  2  J  2   cc  ' 


A){ 


fiil 


{V) 


r«  fr 


2F 


^1' 


22\ 

Uli 


2(£G  —  F^ 

g^^-f'S- 

cv  cu 

2{EG  —  F^  ' 

<-<•  ff  fu 


r- 


CU  Cu  cv 


2  {EG  —  F*) 


2  j 


fl2\ 
\2j 

(221 
\2   J 


2{EG  —  F') 


E^^-Fi^ 
cu  cv 

~2iEG  —  F*)   ' 

rc  ftt  fc 

'  2{EG  —  F*) 


Füi-  die  beiden  Difierentialparameter  einer  willkürlichen  Function 
(p  und  den  gemischten  Differentialparameter  zweier  willkürlichen  Func- 
tionen ff,  ip  ergeben  sich  nach  S.  41,  47  bezüglich  die  Ausdi-ücke: 


(14)  A,(jp  = 

(15)  A,^  = 


E(i'^y-2Ft^i''-+G(i^y 

\cv/  cu  cv  \JDU/ 


yEG—F^ 


du 


EG  -  F* 

g'^-f'^ 

cu  cv 

yEG  —  F^ 


+ 


cv 


E 


Cq> 


Cq) 


YEG 


,^„x               ,         .            f  r  rr             \cu  cv  '^  cv  cu'           cu  cu 
(16)  v(9',  ^)  = = 


EG 


Für  das  Krümmungsmass  unserer  Fundamentalform  (deren  geo- 
metrische Bedeutung  wir  später  als  Ki-ümmungsmass  der  Fläche  er- 
kennen werden),  erhalten  wir  nach  (UI),  §  29,  S.  53,  wenn  wir  für  die 


68     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

Symbole    i  2  |  '  i  2  I    ^^^  "^  ^^^  Tabelle  (A)   angegebenen  Werte  ein- 
setzen,  den  Ausdruck: 

F  dE  1  cG- 


(17)        K=~--^=^\ 

^     ^  2yEG-F^\i 


2yEG  —  F^'Xcu  \_EYEG  —  F^   dv         YEG  —  F^  du_ 


+ 


+  f 


dF  1  dE  F  dE- 


dv\_YEG~—F^^  du        YEG—F^dv         E}/EG—  F^  dujj 

Treffen  wir  nun  die  besondere  Annahme,  dass  die  Parameterlinien 
auf  einander  senkrecht  stehen,  d.  h.  F  =  0  sei,  so  wird  der  vorstehende 
Ausdruck  für  K: 

(18)  ir=--i.(A/i  im  +  A(_^-:]^)|. 

^   ^  YEG\du\yE  du  /  ^  cv\yG   dv  J) 

Ist  noch  specieller  ausser  F  ==  0 

E=  G  =  l 
(was,   wie  wir  bald  sehen  werden,   für  jede   beliebige  Fläche  zu  errei- 
chen ist),  so  ergiebt  sich  für  K  der  sehr  einfache  Ausdruck: 

(19)  ^=-h  (-'^^^-  +  --!-)  • 

^      ^  2i  \    cu^       '        Cv^    I 

§  36.    Einführung  neuer  krummliniger  Coordinaten. 

Mittels  der  Differentialparameter  können  wir  die  Aufgabe  lösen, 
die  Coefficienten  der  transformierten  Form  der  Grundform: 

Fdu"  -^'IFdudv^  Gdv^ 

zu   berechnen,   wenn  statt    der  Veränderlichen  u,  v  willkürliche    neue, 
9),  '4',  eingeführt  werden.     Es  sei  nämlich 

EJ(p^  -{-2F^d(pdip  -{-  G,d4>'' 

die  transformierte  Form.    Zufolge  der  Fundamentaleigenschaft  der  Diffe- 
rentialparameter sind   die   für  die  Grundform  berechneten  Werte    von 

^19^?     V(<P,  ^),     \^ 
gleich  den  für  die  transformierte  Form  berechneten.    Für  letztere  ergiebt 
sich  aber  aus  (14)  und  (16): 

daraus  folgt: 

und  es  ist  demnach: 


(20) 


f^i  = 


§  36.    Einführung  neuer  krummliniger  Coordinaten. 


69 


A,qpAit(»]—  V'W,  V>)^ 


F, 

G. 


A,qp 


V'C'P,  '^)' 


Wie  man  sieht,  ist  die  Bedingung  dafür,  dass  die  neuen  Parameter- 

linien: 

g)  =  Const.,     ^  ==  Gonst. 

einander  senkrecht  schneiden,  die  Gleichung: 

V(<P,  t)  =  0, 
wie  sich  in  anderer  Weise  auch  nach  §  34  ergiebt. 

Wir  bemerken  noch,  dass  der  gemeinsame  Nenner  in   den   Glei- 
chungen (20)  identisch  auf  die  Form: 

dtp     Cq> 


Ai9)Aii^— V2(9J,  ili)  = 


EG—F' 


cu    cv 
du    cv 


gebracht  werden  kann. 

Die  Gleichungen  (20)  wenden  wir  nun  zum  Beweise  der  schon 
vorhin  erwähnten  wichtigen  Eigenschaft  au,  dass  (auf  unendlich  viele 
Weisen)  eine  solche  Transformation  der  Veränderlichen  vorgenommen 
werden  kann,  dass  dabei  E^  =  G^  und  F^  =  0  wird. 

Zu  diesem  Zwecke  wählen  wir  für  <p  eine  reelle  Losung  der  par- 
tiellen Differentialgleichung: 

A^ijP  =  0, 
d.h.: 


AI      g"  cv  1    I    _^l       cv  cu  I 


=  0. 


Der  Ausdruck: 


,Ctf 


.ctp 


E%^-F 
cv  cu 


G^^-F^ 


du-{- 


cu 


ctp 

cv 


dv 


y/EG—F'  '      yEG  —  F» 

ist  alsdann  das  vollständige  Differential  einer  Function,  die  wir  mit  iff 
bezeichnen  wollen,  sodass  also  kommt: 


(21) 


du 

cif> 
dv 


E^-F^^ 

dv  du 


y/EG  -  F' 


ctp 


,Ctp 


cu  cv 


yEG  —  F' 

Diese   Gleichungen  geben,  nach  den  Differentialquotienten  von  cp  auf- 
gelöst : 


70     Kap,  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 


(21*) 


dcp 8v  du 

dcp du  dv 

cv  ~  yEG^  F^ 


Daraus  folgt,  dass  die  Function  ip,  die  bis  auf  eine  additive  Constante 
durch  (21)  bestimmt  ist,  wieder  eine  Lösung  von: 

ist.     Wir  nennen  sie  die  zu  qp  conjugierte  Lösung. 
Es  folgt  ferner: 

und  es  nimmt  demnach,  wenn  k  =  ^r —  =  - —  gesetzt  wird,  die  trans- 
formierte  Form  wegen  (20)  die  gewünschte  Gestalt: 

an. 

§  37.    Isothermensysteme. 

Das  soeben  erhaltene  Resultat  ist  von  solcher  Wichtigkeit,  dass 
es  zweckmässig  sein  dürfte,  dasselbe  noch  auf  einem  anderen  Wege  ab- 
zuleiten. 

Wir  zerlegen  die  quadratische  Form: 

ds"  =  Edw"  +  2Fdudv  +  Gdv^ 
in  ihre  beiden  conjugiert  imaginären  Linearfactoren: 

ds'=lyEdu+{F-\-iyw^T')^\lyEdu-i-(F-iyEG-F')%l 

Aus  der  Integralrechnung  ist  bekannt,  dass  es  Multiplicatoren  von 
(a)  yEdu  +  (F+iyEG-F^^)^ 

giebt;  einer  derselben  sei  ^  -f-  iv.  Dann  haben  wir,  wenn  wir  mit 
q)  -\-  ixlj  die  (complexe)  Function  bezeichnen,  für  welche  der  mit 
^  -\~  iv  multiplicierte  Ausdruck  (a)  ein  vollständiges  Differential  wird: 

(ii-\-iv)  \yE  du  +  (F+  iyEG—F')  -^\  =  d(p-\-  idxp. 

Demnach  wird: 

{^—iv)\yEdu+  {F—iyEG  —  F'')^\  =  dtp  —  idrp. 


§  37.    Isothermensysteme.  71 

Wenn  wir  die  beiden  letzten  Gleichungen  mit  einander  miütipli- 
cieren  und  dabei    A  =  -i—, — ^    setzen,  so  folgt: 

u-  +  V"  '  ° 

(22)  d^  =  X{d(p-  -\-  di^^). 

Diese  besonderen  Orthogonalsysteme,  in  denen  das  Quadrat  des 
Linienelementes  der  Fläche  die  charakteristische  Form  (22)  annimmt^ 
heissen  Isothermensysteme.  Ihre  Bestimmung  hängt,  wie  man 
sieht,  von  der  Integration  der  Gleichung: 

YEdu  +  (F  +  iVEG-F')  ^  =  0 

oder: 

rfs-  =  Edir  +  2Fdudv  +  Gdv-  =  0 

ab.  Die  durch  diese  Gleichimg  bestimmten  imaginären  Curven  auf 
der  Fläche  werden  deshalb  als  Curven  von  der  Länge  Null  (Mini- 
male urven)  bezeichnet;  sie  sind  diu-ch  die  Eigenschaft  charakterisiert, 
dass  ihre  Tangenten  den  imaofinären  Kugelki*eis  im  Unendlichen  schneiden. 

Die  Isothennensysteme  ((p,  if)  besitzen  eine  charakteristische  Eigen- 
schaft. Um  diese  klai-zulegen,  beachten  wir,  dass  das  Viereck,  das  auf 
der  Fläche  von  den  beiden  Curven  9,  i^-  und  den  unendlich  benach- 
barten qo  -}-  dtp,  ilf  -j-  dil'  gebildet  wird,  bis  auf  imendlich  kleine 
Grössen  höherer  Ordnimg  als  Rechteck  angesehen  werden  kann.  Wenn 
nun  das  System  (qp,  i^-)  isotheim  ist,  wenn  ferner  9,  ^'  um  unendlich 
kleine  coustante  Beträge  dcp,  dip  wachsen  und  femer  noch  d(p  =  dil; 
genommen  wird,  so  ergiebt  sich  nämlich  sofort:  Die  Isothermen- 
systeme  teilen  die  Fläche  in  unendfich  kleine  Quadrate. 

Endlich  bemerken  wir,  indem  wir  zu  den  Gleichungen  (21)  zurück 
kehren,  dass,  wenn  schon  das  ursprüngliche  System  (a,  v)  isotherm 
war,  jene  Gleichungen  einfach  in  die  folgenden  übergehen: 

tqp drp         ctp ciff 

eil         CO         cv  cti 

Diese  Gleichimgen  besagen  bekanntlich,  dass  tp  -f-  ii^  eine  Func- 
tion der  complexen  Veränderlichen  u -\- iv  ist. 

Da  sich  ferner  bei  der  Verwandlung  von  ^  in  —  ^  der  für  das 
Linienelement  charakteristische  Ausdnick  (22)  nicht  ändert,  so  haben 
wir  das  Ergebnis: 

Ist  auf  der  Fläche  ein  Isothermensystem  (qp,  ^)  bekannt, 
so  erhält  man  jedes  andere  Isothermensystem  (qp',  ^'),  wenn 
man 

(jp'-f  «>'=  F{(p  +  i^) 

setzt,  wo  F  das  Zeichen  für  eine  willkürliche  Function  einer 
complexen  Veränderlichen  ist. 


72     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

Wir  fügen  noch  hinzu,  dass  jede  complexe  Function  (p  -{-  it}}^  die 
aus  zwei  conjugierten  Lösungen  der  Gleichung  A^qp  =  0  gebildet  ist, 
als  complexe  Veränderliche  auf  der  Fläche  bezeichnet  wird. 

§  38.     Isometrische  Parameter. 

Wenn  in  einem  Isothermensystem,  für  welches  das  Quadrat  des 
Linienelementes  der  Fläche  die  Form: 

annimmt,  ohne  dass  die  Parameterlinien  geändert  werden,  an  Stelle 
der  sie    bestimmenden  Parameter  neue: 

%i^  =  95  (w),     v^  =  ip(v) 
eingeführt  werden,  so  geht  das  Quadrat  des  Linienelementes  in  die  Form: 

ds^  =  X{(p'^(u)du^  +  t'Hv)dv^) 

über,  wo  der  Quotient  aus  £"  =  X(p'^{u)  und  G  =  k4>'^(v)  offenbar  ein 
Quotient  (oder  ein  Product)  von  zwei  Functionen  ist,  von  denen  die 
eine  nur  von  u,  die  andere  nur  von  v  abhängt.  Ist  umgekehrt  in 
einem  Orthogonalsystem  (;u,  y),  für  das 

(23)  ds^  =  Edti^-\-  Gdv' 
ist: 

(24)  f-  =  -^-, 

wo   U  Function  von  u  allein,-   V  von  v  allein  ist,  so  können  wir  auch 

E=XU,      G  =  IV 
setzen,  woraus  sich 

ds^  =  X{Udu^+  Vdv^) 
ergiebt.     Führen  wir  nun  mittels  der  Gleichungen: 

lyudti  =  th,     jyvdv^v^ 

neue  Parameter  u^,  v^  ein,  so  erhalten  wir  für  ds^  den  Ausdruck: 

ds^  =  X(dUj^  -\-  dv^^). 

Wenn  also  in  dem  Orthogonalsystem  (?«,  v)  die  Bedingung  (24) 
erfüllt  ist,  so  ist  dasselbe  gleichfalls  isotherm.  Die  Parameter  u^,  v^, 
mittels  deren  das  Linienelement  in  die  charakteristische  Form,  bei  der 
E  ^=  G  ist,  gebracht  werden  kann,  heissen  isometrische  Parameter. 

Nach  diesen  Bemerkungen  können  wir  leicht  die  Bedingung  dafür 
angeben,  dass  die  Curven  q)  =  Const.  zusammen  mit  den  Orthogonal- 
trajectorien    ein  Isothermensystem    bilden.     Hierzu    ist  "notwendig  und 


§  39.    Satz  von  Lie  über  Isothermensysieme.  73 

hinreichend,  dass  sich  bei  einer  passenden  Aendenmg  des  Parameters, 
indem  q)^  =  F((p)  gesetzt  wird: 

Ag^Pi  =  0 
ergiebt  (wegen  (12',  §  34,  S.  66). 

Aber  aus  der  Gleichung  (15),  §  35  (S.  67)  folgt  sofort: 

wo  die  Striche  Differentiationen  nach  (p  andeuten,  und  also  muss 
(25)  ^-  =  -^ 

sein.    Die  rechte  Seite  ist  eine  Function  von  (p  allein,  folglich  muss  es 
auch  die  linke  sein.    Umgekehrt,  ist  -^—   eine  Fimction  von  (p  allein, 

so  kann  F{(p)  nach   der  vorstehenden  Gleichung   so  bestimmt  werden, 
dass  A2-F(9))  =  0  wird;  d.  h.: 

Die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür,  dass 
die  Curven  g;  =  Const.  zusammen  mit  ihren  Orthogonaltrajec- 
torien  ein  Isothermensystem  bilden,  ist,  dass  das  Verhältnis 
der  beiden  Differentialparameter  von  (p  eine  Function  von  qp 
allein  ist. 

§  39.    Satz  von  Lie  über  Isothermensysteme. 

Angenommen,  die  soeben  aufgestellte  Bedingung  wäre  erfüllt,  d.  h. 
es  wären  in  einem  doppelten  orthogonalen  Isothennensystem  die  Curven 
des  einen  der  beiden  Systeme 

(p  =  Const. 
bekannt,    so    lassen    sich    diejenigen    des    anderen   mittels  Quadraturen 
finden.     In  der  That  geben  die  Gleichungen  (21),  §  36  (S.  69),  wenn 
(p  durch  F{<p)  ersetzt  wird,  die  Differential quotienten  von  ^ : 


=  -  F'ig>) 


cu  ^^'    YEG  —  F^ 

G^^-  F^ 

1^  =       F'(w)     '"'  '" 

cv  ^^^    yEG  —  F^ 

F((p)  =  e 


während  aus  (25) 

folgt. 

Dieses  Ergebnis  können  wir  folgendennassen  aussprechen:  Wenn 
die  Curven    cp  =  Const.    einem   Isothermensystem    angehören 


74      Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.     Conforme  Abbildung. 


und     die    Differentialgleichung    der     Orthogonaltrajectorien 
dieser  Curven  in  der  Form  (S.  66): 


v^  Cfp 


dfp 


cv  cu 


G 


Yeg' 


du 


ccp 

du 


F 


dv 


dü  =  0 


F^  YEG  —  F' 

geschrieben   wird,  so  hat  man  für  dieselbe  in  dem  Ausdruck: 

{i  =  e 
unmittelbar  einen  Multiplicator. 

Mit  Lie  können  wir  diese  Untersuchungen  noch  weiter  führen 
und  beweisen,  dass,  wenn  für  die  Curven  eines  Isothermen- 
systems nur  eine  Differentialgleichung  erster  Ordnung: 

Mdu  +  Ndv  =  0 
bekannt  ist,  deren  Integrale  die  Curven  der  einen  Schar  sind, 
ihre  Gleichung  in   endlicher  Grestalt  mittels  Quadraturen  ge- 
funden werden  kann. 

Es  folgt  nämlich  aus  den  Gleichungen  (21),  §  36  (S.  60),  dass 
es  unter  dieser  Voraussetzung  einen  Multiplicator  A  von  Mdu  -f-  Ndv 
giebt,  der  zugleich  Multiplicator  von 

EN  —  FM-,      ,    FN—GM 


FM  -,      ,    FN 

du  + 


ist. 


Yeg 

Setzen  wir  für  den  Augenblick: 
^  _  EN—  FM 


yEG—~F' 


dv 


N, 


FN~  GM 


Yeg—f^'      ^      y'EG- 

so  haben  wir  demnach  die  beiden  Gleichungen: 

cjXM)  __  cilN) 

cv 
djXM,) 

dv 


F' 


cu 

c{XN,) 


cu 


Aus  ihnen  folgt: 


(26) 


glog^ 

du 


d  logX 


M, 


\cu  dv  I  \  du         cv  I 

MN^  —  M^N  ' 

\cu  cv  I  \  du         cv  } 

dv     ~~  MN^—  M^  N 

Es  ergiebt  sich   demnach  X  mittels   Quadraturen*). 


*)  Es  sei  bemerkt,  dass  —  MN^  +  NM^  =  EN^ 
EG  —  F^^  0  nicht  gleich  Null  sein  kann. 


2FMif,+  GM^  wegen 


§  40.    Conforme  Abbildung  von  Flächen.  75 

Es  ist  auch  ersichtlich,  dass  man  hier  gleichzeitig  ein  Mittel  hat, 
aus  der  Differentialgleichung  Mdu-\-Ndv  =  0  zu  entscheiden,  ob  ihre 
Integralcurven  einem  Isothermensystem  angehören.  Zufolge  der  Glei- 
chungen (26)  ist  dazu  notwendig  imd  hinreichend,  dass  der  Ausdi-uck: 

^\cu        cv  /  V  cti        cv  / 


M^\  —  M^  N 

.      ^  \du        cv  )  Vfit         cv  ' 


du-^ 

du 


ein  vollständiges  Differential  ist. 

§  40.    Conforme  Abbildung  einer  Fläche  auf  die  Ebene  oder  auf 

eine  andere  Fläche. 

Auf  einer  Fläche  denken  wir  uns  ein  auf  die  isometrischen  Para- 
meter u,  V  bezogenes  Isothennensvstem  gegeben,  für  welches  also  das 
Quadrat  des  Linienelementes  die  Form: 

ds^  =  lidn^  +  dv^') 
annimmt,  und  deuten  «,  r  als  die  rechtwinkligen  Cartesischen  Coordinaten 
%    ti  eines  Pimktes  in  einer  Hilfsebene  (Bildebene),  indem  wir  |  =  u, 
rj  =  V  setzen. 

Auf  diese  Weise  ordnen  wir  jedem  Punkte  P(m,  t')  der  Fläche 
oder  des  Flächengebiets,  auf  das  sich  unsere  Untersuchungen  erstrecken, 
denjenigen  Punkt  P'{^,  r^  der  Bildebene  zu,  dessen  Cartesische 
Coordinaten  den  kiiunmliuigen  Coordinaten  von  P  gleich  sind;  wir 
haben  somit  eine  Abbildung  unserer  Fläche  auf  die  Ebene.  Wir  woUen 
nun  nachweisen,  dass  bei  dieser  Abbildung  die  Winkel  erhalten 
bleiben  (Winkeltreue  stattfindet),  d.  h.  dass  der  Winkel,  unter 
dem  sich  zwei  beliebige  Curven  auf  der  Fläche  schneiden,  gleich  dem- 
jenigen ist,  den  die  beiden  Bildcurven  in  der  Ebene  bilden. 

Um  dieses  einzusehen,  brauchen  wir  uns  nur  an  die  Fundamental- 
formeln des  §  34,  speciell  an  die  Gleichung  (10)  (S.  65)  zu  erinnern, 
die  in  imserem  Falle  die  Form: 

tgtr  =  :5— 
o  du 

annimmt  und  erkennen  lässt,  dass  jede  auf  der  Fläche  gezogene  Curve 

die  Curven  r  =  Const.  unter  denselben  Winkeln  schneidet,    wie    ihre 

Bildcurve  in  der  Ebene  die  Geraden  r,  =  Const. 

Wenn  wir  allgemein  eine  Zuordnung  zwischen  den  Punkten  P,  P' 

zweier  Flächen  (oder  Flächengebiete)  S,  S'  festsetzen,  derart,  dass  jedem 

Punkte  P  der   einen  Fläche  S  ein  Pimkt   P'   der  anderen  Fläche  S' 


76     Kap.  'S.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

entspricht  und  dass,  wenn  sich  P  stetig  auf  S  bewegt,  der  Bildpunkt 
P'  sich  stetig  auf  S'  bewegt,  so  sagen  wir,  dass  die  eine  Fläche  auf 
die  andere  abgebildet  ist. 

Ist  die  Abbildung  eine  solche,  dass  die  Winkel  erhalten  bleiben, 
so  heisst  sie  conform  oder  winkeltreu.  Bisweilen  wird  diese  That- 
sache  auch  in  der  Weise  ausgedrückt,  dass  man  sagt,  es  herrsche  bei 
dieser  Abbildung  Aehnlichkeit  in  den  kleinsten  Teilen,  was  offen- 
bar der  Winkeltreue  genau  entspricht. 

Gemäss  dem  zu  Beginn  dieses  Paragraphen  erhaltenen  Ergebnis  ist 
es  klar,  dass  man  behufs  Lösung  der  allgemeinen  Aufgabe,  eine  Fläche 
S  auf  eine  andere  S'  conform  abzubilden,  nur  beide  Flächen  auf 
eine  Ebene  conform  abzubilden  und  dann  die  allgemeinste  conforme 
Abbildung  einer  Ebene  auf  eine  andere  zu  bestimmen  braucht. 

§  41.    Allgemeine  Lösung  des  Problems  der  conformen  Abbildung. 

Bei  der  Lösung  der  zuletzt  gestellten  Aufgabe  ist  der  Fall,  in 
dem  die  entsprechenden  Winkel  einander  gleich  und  von  gleichem  Dreh- 
sinn sind,  von  demjenigen  zu  unterscheiden,  in  dem  sie  zwar  auch  ein- 
ander gleich  sind,  aber  entgegengesetzten  Drehsinn  haben*).  Wir 
wählen  in  den  beiden  Ebenen  ir,  n'  zwei  rechtwinklige  Cartesische 
Axensysteme  OX,  OF;  OX',  OY',  und  es  seien  x,  y  die  Coordinaten 
eines  Punktes  P  von  tc,  ferner  x' ,  y'  diejenigen  des  entsprechenden 
Punktes  P'  von  %' .  Dann  wird  unsere  Abbildung  analytisch  durch 
zwei  Gleichungen: 

x'=x{x,y),     ii'=y'(x,y) 

dargestellt,  und  wir  müssen  nun  die  Bedingungen  suchen,  die  den 
Functionen  x'^  y'  von  x,  y  (die  wir,  ebenso  wie  ihre  partiellen  Diffe- 
rentialquotienten, in  dem  abzubildenden  Gebiet  als  endlich  und  stetig 
voraussetzen)  auferlegt  werden  müssen,  damit  die  Abbildung  conform 
werde. 

Betrachten  wir  eine  Curve  in  %,  die  von  P  in  beliebiger  Richtung 
ausgeht,  so  haben  wir  für  die  im  positiven  Drehungssinne  gemessene 
Neigung  %•  ihrer  Tangente  gegen  die  x-Axe  die  Gleichung: 

und  bei  der  Bildcurve  C  entsprechend: 


*)  Hierbei  setzen  wir  voraus,   dass  bei  beiden  Ebenen  die  positiven  Seiten 
gemeint  und  die  Coordinatenaxen  in  gleicher  Weise  orientiert  sind. 


Lösung  des  Problems  der  conformen  Abbildung.  77 

dy'  ,      ,   cy'  , 

,    ,         -^  dx-\-  J'-  dy 

(27*)  tg»'=p-,  =  l^, ^^. 

^         ^  °  dx  ex     ^      ,    OX     , 

ex  cy 

Ist  far  eine  zweite  von  P  ausgehende  Curve  C^  der  Wert  von  -O- 
gleich  ■0-j  und  der  entsprechende  von  -9-'  gleich  0^/,  so  muss  im  Falle 
der  directen  Winkeltreue 

dagegen  bei  der  inversen  Winkeltreue 

d-^—  »  =  ^'  —  »^ 

sein.     Daraus  folgt  im  ersten  Falle: 
im  zweiten: 

wobei  «  nur  vom  Punkte  P  abhängt  und   für  alle   durch   den   Bruch 

-r-  bestimmten  Richtunoren  constant  ist. 
dx  ° 

Setzen  wir  zur  Abkürzung  tgtt  =  m,  so  haben  wir: 


m  +  ig% 


1  +  »I  ig» 

WO    die    oberen  Vorzeichen   im  ersten,    die  unteren    im  zweiten   Falle 
gelten.     Zufolge  (27)  und  (27*)  ergiebt  sich  hieraus  die  Gleichung: 

cy'    ,    cy'  dy  ,    dy 

ex         cy  dx  —  dx 


ex     ,    ex   dy        ^  _  dy 
ex    '    cy  dx  '    dx 

die  also  für  alle  Werte  von  ^  -  gelten  soll.  Daraus  folgen  die  Be- 
ziehungen: 

ex        —  cy  '      dy        ~^  ex  ^ 

die  x'-\-iy'  als  Function  der  complexen  Veränderlichen  x^iy  charak- 
terisieren. Wir  schliessen  daraus:  Die  allgemeinste  conforme  Ab- 
bildung einer  Ebene  auf  eine  andere  ergiebt  sich,  wenn  die 
complexe  Veränderliche  der  einen  gleich  einer  (willkürlichen) 
Function  der  complexen  Veränderlichen  der  andern  oder  der 
zu  dieser  conjugierten  Veränderlichen  gesetzt  wird.  Im 
ersten  Falle  findet  directe  Winkeltreue  statt,  im  zweiten 
sind  entsprechende  Winkel  ebenfalls  einander  gleich,  aber 
entgegengesetzt  gedreht. 


78     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

Wenn  wir  uns  nun  an  das  Ergebnis  zum  Schluss  des  vorigen 
Paragraphen  erinnern^  so  folgern  wir  hieraus  allgemeiner:  Die  all- 
gemeinste conforme  Abbildung  einer  Fläche  auf  eine  andere 
ergiebt  sich,  wenn  die  complexe  Veränderliche  auf  der  einen 
gleich  einer  Function  der  complexen  Veränderlichen  auf  der 
anderen  (oder  der  conjugierten  Veränderlichen)  gesetzt  wird. 

§  42.     Isothermensy steine  auf  den  Rotationsfläelien. 

Die  in  den  vorstehenden  Paragraphen  enthaltenen  allgemeinen  Er- 
gebnisse wollen  wir  auf  eine  Klasse  von  Flächen  anwenden,  für  die  wir 
die  Isothermensysteme  unmittelbar  bestimmen  können,  auf  die  Rota- 
tionsflächen. Als  Parameterlinien  wählen  wir  auf  einer  solchen 
Fläche  die  Meridiane  und  Parallelkreise.  Zum  Parameter  eines  ver- 
änderlichen Meridians  nehmen  wir  den  Winkel  co,  den  seine  Ebene 
mit  derjenigen  eines  festen  Meridians  bildet  (Länge),  und  zum  Para- 
meter des  Parallelkreises  seinen  Radius  r,  sodass  also  der  Fall  des 
(geraden  Kreis-)Cylinders  einstweilen  ausgeschlossen  ist.  Wählen  wir 
als  ^-Axe  die  Rotationsaxe  und  als  festen  Meridian,  von  dem  aus  die 
Länge  ca  gerechnet  wird,  denjenigen  in  der  a;^- Ebene,  so  sind  die 
Coordinaten  eines  Punktes  der  Fläche  durch  die  Gleichungen: 

(28)  X  =  r  cos  tö,      y  ==  r  sinco,      z  =  cp(r) 

gegeben,  wobei  2  =  q)(r)  die  Gleichung  der  Meridiancurve  ist.  Für 
das  Linienelement  ds  der  Fläche,  ausgedrückt  durch  die  Coordinaten 
r,  to,  erhalten  wir  demnach  die  Gleichung: 

ds^  =  (1  +  cp'\r))dr^  +  r^dco\ 

Führen  wir  statt  r  den  von  einem  festen  Punkte  gerechneten  Meridian- 
bogen u  als  Parameter  ein,  indem  wir 

u  =  I  yi  -)-  (p'^(r)dr 

setzen,  so  haben  wir: 

r  =  ip{u), 

wo  die  Natur  der  Function  t/>  durch  die  Gestalt  der  Meridiancurve  be- 
stimmt wird,  und  es  ist: 

(29)  ds^  =  du^  -f  r^dcoK 

Diese  Gleichung  gilt  auch  für  den  Fall  des  Cylinders,  in  welchem 
a;  =  r  cos  CO,      y  ==  r  sin  co,      z  =  u,      r  =  Const. 

ist.  Da  nun  r  in  der  Gleichung  (29)  eine  Function  von  u  allein  ist, 
so  folgt  hiernach  nach  §  38  (S.  72): 


§  43.    Stereographische  Polarprojection  der  Kugel.  79 

Auf  jeder  Rotationsfläche  bilden   die  Meridiane   und  die 
Parallelkreise  ein  Isothermensystem. 
Schreiben  wir  femer  (29)  in  der  Form: 

so  sehen  wir,  dass  a  und  u,  =  1  ~  isometrische  Parameter  sind. 

Für  jede  Rotationsfläche  können  wir    demnach  die  Aufgabe,    sie 
auf  die  Ebene  confonn  abzubilden,  lösen.     Setzen  wir  insbesondere: 


1  =  «,     i?=j^ 


und  betrachten  wir  |,  >/  als  die  rechtwinkligen  Cartesischen  Coordinaten 
eines  Punktes  der  Bildebene,  so  haben  wir  eine  conforme  Abbildung, 
bei  der  die  Meridiane  und  die  Parallelki-eise  zu  Bildern  die  zur  rj- 
bez.  |-Axe  parallelen  Geraden  haben*). 

§  43.     Stereo graphisctie  Polarprojection  der  Kugel. 
Wir  betrachten  die  Kugel: 

deren  Radius  wir  der  Einfachheit  halber  gleich  der  Längeneinheit 
gesetzt  haben.  Sie  kann  als  Rotationsfläche  mit  der  ^-Axe  als  Drehaxe 
aufgefasst  werden,  und  es  sind  dann  die  Coordinaten  eines  Punktes 
derselben : 

./;  =  sin  u  cos  v,      y  =  sin  u  sin  v,      z  =  cos  u, 

wo  V  die  Länge  und  u  die  Winkeldistanz  des  Punktes  vom  Pol  u  =  0, 
d.  h.  das  Complement  der  Breite  ist:  für  das  Quadrat  des  Linienele- 
mentes erhalten  wir  ferner  den  Ausdruck: 

ds^  =  du-  -{-  mi^udv^. 
Da  nun: 

r du     ,    ,   tt 

Wi  =  /  -• —  =  log  tg  ^ 

und  V  isometrische  Parameter  sind,  können  wir  als  complexe  Veränder- 
liche auf  der  Kugel  t  =  e-"»  +  '■^,  d.  h. 


*)  Es  sei  erwähnt,  dass  bei  dieser  Abbildung  dieLoxodromen,  d.  h.  die- 
jenigen Curven  auf  der  Fläche,  welche  die  Meridiane  unter  constanteni  Winkel 
schneiden,  die  Geraden  der  Bildebene  zu  Bildern  haben.  Daraus  folgt  z.  B.  der 
Satz:  In  jedem  auf  einer  Rotationsfläche  von  drei  Loxodromenbogen 
gebildeten  Dreieck  ist  die  Winkelsumme  gleich  zwei  Rechten. 


80     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Confoi-me  Abbildung. 

(30)  r  =  cotg  l  e^ 

wählen.  Als  complexe  Veränderliche  t,  in  der  Ebene  des  Aequators 
können  wir 

wählen,  wo  9,  o)-  Polarcoordinaten  sind.    Wenn  wir  dann  t  =  ^,   d.  h. 

(31)  Q  =  cotg  2  ?      %■  ^=v 

setzen,  so  haben  wir  eine  conforme  Abbildung  der  Kugel  auf  die 
Aequatorebene.  Dieselbe  ergiebt  sich  geometrisch  wie  folgt:  Vom  Pol 
i(  ==  0  werde  der  Kugelpunkt  Jf  (m,  v)  auf  die  Aequatorebene  nach  m 
projiciert,  dann  ist  dieser  Punkt  m  gerade  der  durch  die  Gleichungen 
(31)  bestimmte  Bildpunkt.  Diese  Abbildung  der  Kugel  auf  die  Ebene 
wird  deshalb  als  stereographische  Polarprojection  bezeichnet. 

Ausser  der  Eigenschaft  der  Winkeltreue  besitzt  diese  Abbildung 
noch  die  andere  sehr  wichtige  Eigenschaft,  dass  jeder  Kreis  auf  der 
Kugel  als  Bild  in  der  Ebene  einen  Kreis  hat  und  umgekehrt,  wie  sich 
mittels  elementargeometrischer  Betrachtungen  beweisen  lässt*). 

Unmittelbar  folgt  dieses  aus  den  Abbildungsgleichungen  (31),  wenn 
man  beachtet,  dass  die  Gleichung  eines  Kreises  auf  der  Kugel  die 
Form  hat: 

a  sin  u  cos  v  -f-  &  sin  u  sin  v  -\-  c  cos  u  -{-  d  =  0, 

wo  a,  &,  c,  d  Constanten  sind,  und  dass  das  Bild  des  Kreises  in  der 
Ebene  wegen  (31)  in  Polarcoordinaten  die  Gleichung: 

2aQ  cos'Ö'  +  26()  siu'^  +  c{q^  —  1)  +  (^(?'  +  1)  =  0 

hat,  also  ein  Kreis  (oder  eine  Gerade)  ist.  Die  Umkehrung  ist  eben- 
falls einleuchtend. 

§  44.    Doppelte  Orthogcnalsysteme  von  Kreisen  auf  der  Kugel  und 

in  der  Ebene. 

Mit  Hilfe  der  stereographischen  Abbildung  der  Kugel  können  wir 
leicht  die  Aufgabe  lösen:  Alle  möglichen  doppelten  Orthogonal- 


*)  In  sehr  einfacher  Weise  folgendennassen:  Zunächst  lässt  sich,  wenn 
M,  M'  zwei  Punkte  auf  der  Kugel,  m,  in  die  beiden  Bildpunkte  in  der  Ebene 
des  Aequators  sind,  um  das  Viereck  MM'm'  m  ein  Kreis  legen.  Wir  nehmen 
nun  an,  M  beschreibe  einen  Kreis  G  auf  der  Kugel,  und  M'  sei  eine  specielle 
Lage  von  ilf,  m  der  entsprechende  Bildpunkt.  Die  Kugel,  welche  durch  C  und 
m'  geht,  enthält  nach  dem  vorhin  Gesagten  den  Kreis  MM'm'm  (denn  derselbe 
hat  mit  der  Kugel  drei  Punkte  gemeinsam),  und  deshalb  ist  der  Ort  des  Biklpunk- 
tes  m  der  Schuittkreis  c  dieser  Kugel  mit  der  Ebene  des  Aequators. 


§  44.     Orthogonalsysteme  Ton  Kreisen.  81 

Systeme  von  Kreisen  (oder  Geraden)  in  der  Ebene  zu  be- 
stimmen. 

Ein  solches  System  muss,  auf  die  Kugel  projieiert,  ein  doppeltes 
orthogonales  System  von  Kreisen  (C),  (C)  geben.  Nim  ist  sofort 
klar,  dass  die  notwendige  und  hinreichende  Bedingimg  dafür,  dass  sich 
zwei  Kreise  auf  der  Kugel  rechtwinklig  schneiden,  ist,  dass  die  Ebene 
des  einen  durch  den  Pol  der  Ebene  des  andern  geht.  Da  hiemach  für 
die  Kreise  des  Systems  (C)  die  Pole  ihrer  Ebenen  in  der  Ebene 
jedes  Kreises  von  (C)  liegen  müssen,  so  ist  ihr  Ort  eine  Gerade  g\ 
durch  welche  alle  Ebenen  des  zweiten  Systems  hindurchgehen.  Analog 
gehen  die  Ebenen  aller  Kreise  des  Systems  (C)  durch  eine  Gei-ade  y, 
die  offenbar  reciproke  Polare  von  g'  bezüglich  der  Kugel  ist. 

Daraus  schli essen  wir,  dass  die  allgemeinste  Weise,  ein  doppeltes 
Orthogonalsystem  von  Kreisen  auf  der  Kugel  zu  coustniieren,  die  ist, 
dass  wir  die  Kugel  durch  zwei  Ebeneubüschel  schneiden,  deren  Axeii 
reciproke  Polaren  bezüglich  der  Kugel  sind. 

Setzen  wir  zunächst  voraus,  dass  die  Gerade  g  nicht  Tangente  der 
Kugel  ist,  so  schneidet  entweder  sie  oder  ihre  reciproke  Folare  g'  die 
Kugel  in  zwei  getrennten  reellen  Punkten,  die  allen  Kreisen  des  be- 
züglichen Systems  gemeinsam  sind.  Durch  stereographische  Projectiou 
auf  die  Ebene  erhalten  wir: 

A)  Zwei  orthogonale  Kreisbüschel,  von  denen  das  eine 
reelle,  das  andere  imaginäre  Scheitelpunkte  besitzt. 

Ist  insbesondere  g  die  Polaraxe  der  Kugel,  so  geht  das  System  (A) 
in  die  Geraden  eines  Büschels  und  in  das  System  der  concentri sehen 
Kreise  über,  deren  Mittelpunkt  der  Scheitel  des  Büschels  ist. 

Ist  g  Tangente  der  Kugel,  so  berührt  </'  die  Kugel  in  demselben 
Punkt«  und  steht  auf  g  senkrecht,  und  durch  stereographische  Projection 
erhalten  wir  in  der  Ebene: 

B)  Zwei  Kreissysteme,  die  zwei  auf  einander  senkrecht 
stehende  Gerade  in  demselben  Punkte  (ihrem  Schnittpunkte) 
berühren. 

Ist  insbesondere  der  Berührungspunkt  von  g  und  g'  mit  der  Kugel 
das  Projectionscentrum,  so  haben  wir  in  der  Ebene  als  Grenzfall  eiu 
doppeltes  orthogonales  Geradensystem. 

§  45.     Darstellung  der  Bewegungen  der  complexen  Kugelfläehe  in 
sieh  mittels  linearer  Substitutionen  nach  Cayley. 

Wir  denken  uns  nun  die  Kugel  um  ihren  Mittelpunkt  in  sich 
gedreht.    Indem  wir  jeden  Punkt  der  Kugel  durch  den  Wert  bezeichnen, 

Bianchi.  Differentialgeometrie.  6 


82     Kap.  3.    Krummlinige  Coordinaten  auf  den  riächen.    Conforme  Abbildung. 

den  die  complexe  Veränderliche  t  in  ihm  annimmt*),  sei  x'  derjenige 
Punkt,  in  den  x  nach  der  Bewegung  übergegangen  ist.  Da  zwei  von 
den  entsprechenden  Punkten  x,x'  beschriebene  Figuren  congruent,  mit- 
hin auch  conform  sind,  so  wird  x  eine  Function  der  complexen  Yeränder- 
lichen  x  sein,  und  wir  behaupten  nun,  dass  x'  eine  linear  gebrochene 
Function  von  x: 

ist. 

Nach  den  Fiindamentalsätzen  über  Functionen  einer  complexen  Ver- 
änderlichen erhellt  dieses  sofort  daraus,  dass  x'  für  jeden  Wert  von  x  nur 
einen  Wert  hat  und  umgekehrt.  Elementarer  beweisen  wir  dieses,  wenn 
wir  beachten,  dass  sowohl  auf  der  Kugel  als  auch  in  der  Bildebene 
jedem  Kreise,  den  x  beschreibt,  ein  von  x'  beschriebener  Kreis  ent- 
spricht. Nun  sind  diejenigen  conformen  Abbildungen  der  Ebene  auf 
sich  selbst,  welche  Kreise  wieder  in  Kreise  überführen,  notwendig  durch 
lineare  Substitutionen  gegeben**). 


*)  Dieses  ist  offenbar  gestattet,  da  zwischen  den  Werten  der  complexen 
Veränderlichen  x  und  den  Kugelpunkten  eine  eindeutige  Beziehung  besteht,  ein- 
schliesslich des  Wertes  t  =  oo,  der  dem  Projectionscentrum  entspricht. 

**)  Dass  eine  lineare  Substitution : 

(1)  ,'="±±1 

die  von  s'  beschriebenen  Kreise  in  solche  von  z  bescliriebene  überführt  (und  um- 
gekehrt), lässt  sich  folgendermassen  beweisen: 

Bezeichnen  wir  (mit  Her  mite)  mit  a^  die  zu  einer  willkürlichen  Grösse  a 
conjugierte  Grösse,  so  lautet  die  Gleichung  eines  von  z'  beschriebenen  reellen 
Kreises  in  der  allgemeinsten  Gestalt: 

Az'z,'+Bz'-^BX+C  -^, 
wo  A  und  C  reelle  Constanten  sind.    Die   entsprechende  von  z  beschriebene  Curve 
hat  wegen  (1)  die  Gleichung: 

A{az  +  ^){a,z,  +  ßj  -f  B{aZ  -f  ^){y,z,  +  8,)  -f  B,{a,z,  +  (3,)(y^  +  8) 

-{-C{yz-{-8){y,z,-^8,)  =  Q 
und  ist  folglich  wieder  ein  Kreis. 

Wir  bemerken  ferner,  dass,  wenn  z^  ein  beliebiger  fester  Punkt  der  Ebene 
ist,  die  lineare  Substitution: 

z'  = (c  =  Const.) 

z  —  z^  ' 

die  Kreise,  die  in  dem  festen  Punkte  z.^  eine  bestimmte  Richtung  berühren,  in 
parallele  Gerade  überführt,  die  durch  passende  Wahl  von  c  einer  der  Coordina- 
tenaxen  parallel  gemacht  werden  können.     Nach  dieser  Vorbemerkung  stelle  nun: 

eine  conforme  Abbildung  der  Ebene  auf  sich  selbst  dar,  die  die  Kreise  wieder  in 
Kreise  überführt.     Die  Parallelen  zu  den  Coordinatenaxen  in  der  0"- Ebene  gehen 


§  45.    Bewegungen  der  Kugel  und  lineare  Substitutionen.  83 

Die  Determinante  der  linearen  Substitution  (32),  uÖ  —  ßy,  muss 
von  Null  verschieden  sein  und  kann  unbeschadet  der  Allgemeinheit 
gleich  Eins  gesetzt  werden,  so  dass  also 

(33)  ad  —  ßr  =  \ 

ist.  Wir  wollen  nun  untersuchen,  welche  besonderen  Beziehungen 
zwischen  den  Coefficienten  u,  ß,  y,  ö  bestehen  müssen,  damit  die 
Gleichung  (32)  bloss  eine  Bewegung  der  Kugel  in  sich  darstellt.  Zu 
diesem  Zweck  drücken  wir  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Kugel: 

ds^  =  du^  -\-  sin^  udv^ 

durch   die  complexe  Veränderliche  r  und  ihre  Conjugiei-te  t^  aus.     Da 

T  =  cotg  V  &'%      To  =  cotg  ^  €-  '■•' 


o   2 
ist,  so  erhalten  wir  sofort: 


ds'=    ^^''^'" 


Damit  (32)  eine  Bewegung  dai-stellt,   ist  demnach  notwendig  und  hin- 
reichend, dass  sich 

dt' dt/  drdTf, 


(r'V+l)*  (TT,  +  1)» 

ergiebt  oder  auch,  da  wegen  (32)  und  (33) 

,   ,  dz  j    ,  <7i 


ist,  dass 

(ar  +  ß){a^ro  +  ßo)  +  {yt  -f  d){y,t^  +  d^)  =  rr, -{-  l 
ist. 

Diese  Gleichung  muss  für  jeden  Wert  von  r  bestehen  und  giebt 
daher: 

««o  +  ^^yo^l.  «^0  +  7^0  =  0; 

/3ao  +  Ö7o  =  0,  ßß^  -\- dö,,=  l. 

in  der  2 -Ebene  in  ein  System  von  Kreisen  über,  die  zwei  auf  einander  senkrecht 
stehende  Gerade  in  ihrem  Schnitti^unkt  berühren.     Diese   gehen   wieder   mittels 

€ 

einer  passenden  linearen  Substitution:  z' =^ in  Parallele  zu  den  Coordina- 

s  —  Zl 

tenaxen  in  der  s'- Ebene  über. 

"Wird  z"=  a'"-f  iy",  z'=  x'-\-  itj'  gesetzt,  so  muss  also  x"  eine  Function 
von  x'  oder  y'  allein  und  entsprechend  y"  eine  Function  von  y'  oder  x'  allein 
sein,  und  die  Beziehung  zwischen  z"  und  z'  ist  offenbar: 

z"  =  az\ 
wo  a  constant  (reell  oder  rein  imaginär)  ist. 

Es  ist  demnach  z"  mit  z  linear  verknüpft,  was  zu  beweisen  war. 

6* 


84     Kap.  3.     Krummlinige  Coordinaten  auf  den  Flächen.    Conforme  Abbildung. 

Wegen  (33)  reducieren  sich  diese  Beziehungen  auf  die  notwendigen 
und  hinreichenden  Bedingungen: 

d  =  a^,      y  =  —  ß^, 
d.  h.:  8  ist  conjugiert  zu  a,  und  y  ist,  abgesehen  vom  Vorzeichen,  con- 
jugiert  zu  ß.     Daraus  schliessen  wir: 

Die  allgemeinste  Bewegung  der  complexen  Kugelfläche 
in  sich  wird  durch  die  Vornahme  einer  linearen  Substitution 
mit  der  complexen  Veränderlichen  t: 

(34)  ^'==XM^^'      {aa,^ßß,=  \) 
dargestellt. 

Diese  Gleichung  rührt  von  Cayley  her. 

Bei  jeder  solchen  Bewegung  (34)  der  Kugel  in  sich  bleiben  die 
beiden  Punkte,  welche  den   Wurzeln  der  quadratischen  Gleichung: 

ß,x^  +  (a  -  a,)t  +  /3  =  0 
entsprechen,   fest.     Sie    liegen    offenbar  einander  diametral   gegenüber, 
und  die  Bewegung  besteht  mithin  bloss  in  einer  Drehung  um  den  sie 
verbindenden  Durchmesser.    Für  den  Winkel  0  dieser  Drehung  ergiebt 
sich  leicht  die  Gleichung: 

(35)  cos  1  =  ^4^*). 


*)  Die  Gleichung  (36)  ist  im  Falle  ß  =  ß^  =  0  unmittelbar  evideiit.  Be- 
zeichnen wir  nun  mit  S  eine  beliebige  Substitution  (34),  mit  T  eine  Substitution 
(34),  welche  die  beiden  bei  S  festen  Punkte  in  die  Pole  t  =  0,  t  =  oo  verlegt, 
so  ist  die  Substitution: 

die  aus  S  vermöge  der  Substitution  T  hervorgeht,  eine  Drehung  von  derselben 
Amplitude  wie  S  um  die  Polaraxe.  Dabei  ist  in  S  und  TST~^  die  Summe 
des  ersten  und  vierten  Coefficienten  dieselbe,  wie  die  wirkliche  Ausrechnung  so- 
fort ergiebt,  sodass  damit  Formel  (35)  bewiesen  ist. 


Kapitel  lY. 
Die  Fundameiital^leiehaiigeii  der  Flächentheorie. 

Die  beiden  quadratischen  Fundamenteliormen:    w.  ,,,    -.t^'i     j      i    t-.'/j. — 

Gleichungen,  welche  die  zweiten  Ableitungen  von  x,  y,  2  und  die  ersten  Ablei- 
tungen von  X,  Y,  Z  geben.  —  Formeln  von  Gtauss  und  Mainardi-Codazzi 
zwischen  den  Coefficienten  £",  F,  G,  D,  D\  B"  der  beiden  Fundamentalformen. 
—  Existenz  und  Eindeutigkeit  der  Fläche,  die  zwei  solchen  gegebenen  Funda- 
mentalformen entspricht,  welche  den  Gleichungen  von  Gauss  und  Codazzi  ge- 
nügen. —  Krümmungslinien.  —  Radien  der  ersten  Krümmung  der  auf  einer 
Fläche  gezogenen  Curven.  —  Meusnier'scher  Satz.  —  Eulersche  Formel.  —  Du- 
pin"sche  Indicatrix.  —  Totale  und  mittlere  Krümmung.  —  Conjugierte  Systeme. 
—  Haupttangentencurven  (Asymptotenlinien).  —  Berechnung  der 
Differentialparameter. 


§  46.    Die  beiden  quadratisctien  Fundamentalformen  der  Fläche. 

Bei  den  im  vorigen  Kapitel  angestellten  Untersuchungen  über  ge- 
wisse Eigenschaften  der  Flächen  haben  wir  nur  eine  einzige  Differen- 
tialform auftreten  sehen,  diejenige  nämlich,  welche  das  Quadrat  des 
Linienelement^s  der  Fläche  darstellt: 

f=ds^  =  Edu^  +  2Fdudv  -f  Gdv% 
d.  h.  die  erste  Fundamentalfonn.  Werden  jedoch  diejenigen  Eigen- 
schaften untersucht,  die  der  wirklichen  Gestalt  zukommen,  welche  die 
Fläche  im  Räume  hat,  so  tritt  neben  der  ersten  noch  eine  zweite 
quadratische  DifiFerentialform  auf,  und  wie  wir  sofort  sehen  werden, 
kommt  die  Flächentheorie,  von  unserm  Gesichtspunkte  aus 
betrachtet,  im  wesentlichen  auf  das  Studium  zweier  simul- 
taner quadratischer  Differentialformen  hinaus. 

Behufs  Einführung  der  erwähnten  zweiten  Differentialform  bestim- 
men wir  zunächst  die  Cosinus  der  positiven  Richtung  der  Flächen- 
normale;   dieselben  werden  wir  stets  mit 

X,  Y,  Z 

bezeichnen. 


86 


Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 


Wie  in  §  34  setzen  wir  fest,  dass  die  positive  Seite  der  Tangen- 
tialebene diejenige  sein  soll,  auf  der  die  positive  Richtung  der  Tan- 
gente der  Curve  u  links  von  derjenigen  der  Tangente  der  Curve  v 
liegt  *). 

Die  positive  Richtung  der  Normale  ist  diejenige,  welcher  die  posi- 
tive Seite  der  Tangentialebene  zugewandt  ist.  Nach  bekannten  For- 
meln der  analytischen  Geometrie  haben  wir  dann  wegen  (b),  S.  63: 


X  = 


1    dy 

YE  du 

1    dy 

VG  dv 


1  dz 
Y E  du 

1  dz 
YG  dv 


r= 


z  = 


1  dz 
VE  du 

1  dz 
VG  dv 

1  ex 
yE  du 

1  dx 
YGd^ 


1     dx 

YE  du 

1     dx 

YGd^ 

1    cy^ 
YE  du 

Yg  dv 


wo  CO  der  in  §  33  definierte  Winkel  der  Parameterlinien  ist.     Aus  der 
Gleichung  (6*)   desselben  Paragraphen  (S.  63)  folgt  dann: 


(1)      X 


Yeg  —  tp 


dy_ 
du 

dz 

du 

dy 

dz 

CO 

do 

Y== 


Z  = 


Yeg~  f^ 


Yeg—f' 


dz  dx 

du  du 

dz  dx 

dv  dv 

dx  dy 

du  du 

dx  d y 

dv  dv 


Die  zweite  Differentialform,  die  wir  einführen,  ist: 
<P  =  —  {dxdX  +  dydY-\-  dzdZ), 
wofür  wir  uns  stets  der  Bezeichnung: 

(2)  9)  =  —  ZdxdX''*)  =  Ddu'  +  2I)'dudv  +  D"  dv' 

bedienen  werden. 

Wir  geben  anschliessend  hieran  die  verschiedenen  Formen  an, 
auf  die  man  die  Coefficienten  1),  D',  D"  von  (p  bringen  kann.  Aus  den 
Identitäten: 

ex 


2 


X 


0, 


yxi^ 

y^  I      cv 


0 


*)  Wir  halten  immer  daran  fest,  dass  auf  der  positiven  Seite  der  ^y-Ebene 
die  positive  Richtung  von  OY  links  von  derjenigen  von  ÜX  liegt. 

**)  Das  Summenzeichen  Z  bezeichnet  hier  und  im  folgenden  eine  Summe 
dreier  Glieder,  von  denen  das  zweite  und  dritte  aus  dem  ersten  dadurch  abge- 
leitet werden,  dass  a?,  X  bezüglich  durch  y,   Y;  z,  Z  ersetzt  werden. 


§  46.     Die  beiden  quadratischen  Fundamentalformen  der  Fläche. 


87 


folgen  durch  DiflFerentiation  nach  ii  und  v  die  weiteren: 


-VT  Y    ^"''''    — 

^.  '         CH- 

^cX  dx 
yi   Cu  du  * 

' 

•^]cX  ex 
y>   ev   cu 

•^dX  dx 
y  1   du   CO ' 

yx  '-':  = 

-^  eX  CX 
y<  ev   CO 

ir  haben  demnach: 

y  1         cu- 

^^cX  ex 
y^i  cu  du' 

) 

y  1        euev 

_  _  sri  eXe^  _ 
^^    er  eu 

_       ^dXex 
~~        y^'  cu  cv' 

D 

■=2'^  '^' 

yj^cXcx 

y'   ev  ev 

Zufolge  der  Gleichungen  (1)  können  wir  Z),  D\  D"  auch    in  Deter- 
minantenform schreiben: 


(3*)  T) 


yEG—F* 


c*x 

d'y 

d*z 

gü* 

du* 

du* 

dx 
du 

cy 
du 

dz 
du 

dx 

cy 

dz 

do 

dv 

dv 

D' 


D"= 


c'x 

ö^y 

c^z 

dudo    dudv 

dudv 

1 

dx 
du 

cy^ 
du 

dz^ 

ysG- 

-F» 

du 

dx 

^ 

dz 

d^ 

dv 

dv 

d'x 

o'y 

c*z 

W» 

dv' 

dv* 

1 

dx 

dy^ 

dz 

ywG- 

rpt 

du 

du 

du 

, 

dx 

^y_ 

dz_ 

dv 

dv 

dv 

Die  beiden  quadratischen  Differentialformen: 

/■  =        Zdx-    ^  Edu-  +  2Fdudv  +  Gdv^, 
(p=  —  ZdxdX  =  Bdu^  +  2B'dHdv  +  D"dv^ 
heissen  die  erste  und  die  zweite  Fundamentalform  der  Fläche. 
Es  ist  klar,  dass  dieselben  bei  einer  beliebigen  Transformation  der 
Parameter  m,  v  in  die  neuen  Fundamentalformen  übergehen. 


§  47.     Formeln  für  die  zweiten  Ableitungen  von  x,  y,  z  und  für 
die  ersten  Ableitungen  von  X,   Y,  Z. 

In    diesem  Paragraphen    wollen    wir    die    grundlegenden   Glei- 
chungen unserer  Theorie  aufstellen.    Hierzu  schicken  wir  die  folgende 


88 


Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 


Bemerkung  voraus:  Sind  Ä,  B,  C  drei  beliebige  Functionen  von  u,  v, 
so  können  wir,  da  die  Determinante: 


OX  ex  -y. 

du     dv     ^ 

du    dv 


dz     dv 
du     dz 


Z 


YEG  —  F^ 


nicht  gleich  Null  ist,  drei  unbekannte  Coefficienten  a,  ß,  y  so  bestim- 
men, dass  die  Gleichungen  gelten: 


(a) 


j  dx     .        dx    ,       -,^ 

du    '    ^  dv 

ri  dz      ,      a  dz      ,  „ 

^  =  f^ \-  ß  ^ h  vZ. 


+  yY, 


Nach    dieser    Vorbemerkung    bedienen    wir    uns    für    den    Augenblick 
wieder  der  Bezeichnung  mittels  Indices  und  setzen: 


u  =  u 


17  V   Mo, 


"^12  7 


JD^\„      D' 
Da  nach  (4),  S.  61: 

"^7   dx    dx 

,^   cu^   cu^ 

ist,  so  folgt  daraus  nach  (17),  S.  43: 


'«'227 


I>"=h,,. 


V 


ex      ex 


,^j  du^    cu^cu^  ' 
Wenn  wir  in  den  Gleichungen  (a) 


€  U_.  d  U,. 


B  =  -.^l 

cu^cu„ 


0=— ^  — 
dudu^ 


setzen,  dieselben  dann  der  Reihe  nach  zuerst  mit  |— ,  |^ ,   |l ,    dann 

""^^   ^1^'  a^'  al^'    ^^""   ^i^  ^^   ^7  ^  multiplicieren   und  jedes   Mal 
addieren,  so  folgt: 


«11«  +  «12/5  = 


rs 
1 


hieraus  weiter  nach  (18),  S.  43 


«12«  +  «22/5  = 


§  47.    Ableitungen  von  x,  y,  z  und  X,   Y,  Z.  89 

«-^^..[7] +  ^.[7]  =  {7}, 

Tind  es  ist  demnach: 

c*j     frs\  ex  _.     \rs\  2*     i^  r    -y- 

?^^  —  1  1  j  f^  +  1  2  j  ai*,  +  ^"-^^ 

oder  kürzer  mittels  der  Bezeiehnimg  für  die  covarianten  zweiten  Ab- 
leitungen (§  26,  Gleichung  (22\  S.  46): 

Schreiben  wir  die  Formeln  (a)  in  den  alten  Bezeichnungen  mit  Rücksicht 
auf  unsere  Ergebnisse,  so  erhalten  wir  die  erste  Gruppe  von  Funda- 
mentalgleichungen : 


(I) 


c*x  \\\\cx     .     [l  l\  ^j;    ,     ^^ 

?^«    =  1  1   I  ?^  +  \  2  j  ?^  +  ^^' 

c^x    _   (121  gx     .     fl2|cx    ,     j.,^ 

j^^Jv  —  \  1  j  at*  +  1 2  j  ?^  +  ^  ^' 


f  X 


wobei  wir  diejenigen  für  y  und  ^  weglassen,  die  ganz  analog  sind  und 
aus  den  vorstehenden  dadurch  hervorgehen,  dass  X  bezgl.  durch  Y,  Z 
ersetzt  wird. 

Die    zweite    Gruppe    von    Fundamentalgleichungen    ist    diejenige, 
welche  die  ersten  partiellen  DiflFerentialquotienten  von  X,   Y,  Z  durch 

ex        ex  -wr  1      ..      1    1 

7^>  o— ,  A  u.  s.  w.  ausdruckt. 

Wir  setzen  in  den  Gleichungen  (a)  der  Reihe   nach  entweder 


oder 


cu  cu  eil 


Ä  cX        jy cY        p dz 

cv  cv  ev 


Dann    erhalten    wir,    wenn    wir    der   Reihe    nach    das    erste    Mal    mit 

i— 7  -— >  T^j  das  zweite  Mal  mit  ^r-,  ^,  ^~,  das  dritte  Mal  mit  X, 
cu    cu     cu  cv     cv    co'  ' 

T^  Z  multiplicieren  und  jedes  Mal  addieren,  für  jeden  der  beiden  Falle 
Formeln  für  k,  ß,  y.  Setzen  wir  diese  Werte  a,  ß,  y  alsdann  in  die 
betreffenden  Gleichungen  (a)  ein,  so  ergeben  sich  die  gesuchten  Glei- 
chungen: 


90  Kap.  4.    Die  rundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 


(H) 


dX  ^  FD'  —  GD  dx  .  FD  —  ED'  cu 
du  ~  FG~F'^~  du  "1"  FG  —  F^  dv 
dX        FD"—  GD'  dx    .    FD  —  ED"  ex 


dv  EG  —  F^   du  ^     EG—  F^    dv  ' 

wo  die  analogen  für  X  und   Y  wieder  weggelassen  sind. 

Wie  man  sieht,  sind  die  Coefficienten  der  rechten  Seiten  der 
Gleichungen  (I)  und  (II)  lediglich  mittels  der  Coefficienten  der  beiden 
Grundformen  f  und  cp  gebildet*). 

§  48.    Formeln  von  Gauss  und  Mainardi-Codazzi  zwischen  den 
Coefficienten  E,  F,  G,  D,  D',  TJ"  der  beiden  Fundamentalformen. 

Die  sechs  Coefficienten  der  beiden  Grundformen, 
E,  F,  G-   D,  D',  D", 
sind  nicht  von  einander  unabhängig,  sondern  durch  drei  wichtige  Rela- 
tionen verbunden,  die  wir  nun  aufstellen  wollen.     Dazu  setzen  wir  die 
Bedingungen  für  die  Integrabilität  des  Systems  (I)  an: 

dv  \duV        cuKdudvJ  ' 

d_ 
du 


(b) 


d.  h 

c 

Wv 


\cvy         cv  \cu  cvl  ' 

g    /f2  2Ux        f22U.r    ,    -^„^\        0   (\\^\€X    A\^\cx    ,j^,^       ^ 

nebst  analogen  für  y  und  z.  Es  ist  klar,  dass  sich  unter  Benutzung  der 
Fundamentalgleichungen  (I)  und  (II)  selbst  die  linken  Seiten  der  Glei- 
chungen (b)  identisch  auf  die  Form: 

du    ^    ^  dv     ^    '       ' 


,CX        ,        n'CX 

a 


du    '    '^  cv     '    ' 
bringen  lassen;  es  müssen  daher  gleichzeitig  die  Gleichungen  bestehen: 

^dx  djc  ^^^  ^^.dx.d^        /X=0, 

du    '    '^  cv    ^    '  '  cu    ^    ^  dv     ^    '  ' 

«Ü  +  ^H  +  r^^o-      «'l!  +  '''lf  +  /^  =  o, 

*)  Insbesondere  ist  stets  festzuhalten,  dass  die  Christoffel'schen  Symbole  | '  ^    , 
die  in  (I)  auftreten,  bezüglich  der  ersten  Fundamentalform  /"gebildet  sind. 


§  48.     Fonneln  von  Gauss  und  Mainardi-Codazzi.  91 

Wir  haben  somit  als  gesuchte  Integrabilitätsbedingungen: 

a'=0,      /3'=0,      y'=0. 
Die  vier  Bedingungen: 

|3  =  0,     a  =  0,     ^'=0,      a'=0 
lauten  in  den  Christoffel'schen  Vier-Indices-Symbolen  (§  27,  Formel  (27), 
S.  49)  geschrieben  wie  folgt: 

'"    J^=  {12,  12}, 


DJ)"—D'- 
EG—  F*- 

DD"—  D  * 
EG  —  F* 

DD"—  D* 


EG  —  F* 
DD"—  D"" 


F=(ll,211 

F=  {22,  12 

G=  (21,  21 


EG  —  F^ 

Bezeichnet  K  das  Krümmungsmass   der   ersten   Fundamentalform, 
so  ergeben  diese  Gleichungen  übereinstimmend  (Formeln   II,  S.  52): 
mn  DD"-D"-       ^ 

d.  h.  in  Worten  ausgesprochen:  Der  Quotient  der  Discriminanten 
der  beiden  Fundamentalformen  <p  und  f  ist  gleich  dem  Krüm- 
mungsmass K  der  ersten  Fundameutalform  f. 
Was  die  beiden  weiteren  Bedingimgen: 
y  =  0,      y'=0 
betrifft,  so  lauten  dieselben  entwickelt: 

cD        cD'         (12\^,/(11\         (I-Ud'-L  !^M  D"— 0 

cD"         ^I>'     ,      (221   ^         /f22|  \^A\t)'         fl2\       ._ 

Sie  besagen  nach  den  Formeln  (V)  des  §  30  (S.  56),  dass  die  für 
die  zweite  Fundamentalform  qp  bezüglich  der  ersten  f  ge- 
bildete trilineare  Covariante  (/',  qp)  identisch  verschwindet. 

Die  Gleichung  (III)  ist  von  Gauss  indenDisquisitiones  u.s.  w.  auf- 
gestellt worden.  Dort  finden  sieh  bereits  alle  Elemente  zur  Ableitung 
der  Gleichungen  (IV)  vor.  Dieselben  werden  gewöhnlich  als  die  Glei- 
chungen von  Codazzi  bezeichnet,  weil  sie  den  von  diesem  Mathe 
matiker  aufgestellten  völlig  äquivalent  sind*);  in  einer  anderen  Form 
sind  sie  weit  früher  (1856)  von  Mainard i   abgeleitet  worden**). 

*^  Annali  di  matematica,  2.  Bd.,  S.  273  (1868). 
**)  Giomale  dell"  Istituto  Lombardo,  9.  Bd.,  S.  395. 


(IV) 


92  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheone. 

Mit  Hilfe  der  Gleichungen  (20)  des  §  25  (S.  45),  nämlicli; 


dlogy  EG—  F' 
du 


dlogYEG—  F' 

dv 


22 
2 


+ 


+ 


(12 


12 
1 


können  die  Gleichungen  (IV)  auf  eine  bemerkenswerte  Form  gebracht 
werden.     Sie  sind  nämlich  dem  folgenden  System  äquivalent: 


(IV*) 


dv 


du 


\[/EG  —  F\J        du  \-\/EG  —  FV  ^  \ 


D 


-2/12] 


D' 


1 2  j  ywG 

d  /        D' 


+  \'}\ 


YEG  —  F' 
D" 


~F^         1  2  j  YEG—  F' 


=  0, 


(—^- ^  -  A/__^:_  \  ,  (2 

Weg  —  fV      dv  Kyeg  —  >v  ^  1  1 


22I 


D 


cv  \YEG  —  F' 
12I  !>' 


]  YEG  —  F'^ 


+ 


flll 


D" 


\  1  j  y^G^  —  F^~  \  1  \  Ym  —  F 


=  0. 


Die  Gleichungen  (III)  und  (IV),  die  zwischen  den  Coefficienten 
der  beiden  Fundamentalformen  bestehen,  geben  die  notwendigen  und 
hinreichenden  Bedingungen  an,  denen  diese  Coefficienten  genügen  müs- 
sen. Kleiden  wir  diese  Eigenschaft  in  eine  präcisere  Form,  so  gilt 
nämlich  der  folgende  Fundamentalsatz: 

Sind  zwei  quadratische  Differentialformen: 

f  =  Edu^  +  2Fdudv  +  Gdv^, 

(p  =  Bdu^  +  2D'dudv  +  I)"dv^ 
gegeben,  von  denen  die  erste  definit  ist,  so  ist  es,  damit 
eine  Fläche  existiert,  die  dieselben  bezüglich  als  erste  und 
zweite  Fundamentalform  besitzt,  notwendig  und  hinreichend, 
dass  die  Gleichungen  (III)  und  (IV)  befriedigt  werden.  Sind 
diese  Bedingungen  erfüllt,  so  ist  die  entsprechende  Fläche, 
abgesehen  von  Bewegungen  im  Räume,  eindeutig  bestimmt. 

Durch  den  Beweis  dieses  Satzes,  den  wir  sogleich  führen  werden, 
wird  die  den  Formen  /"  vmd  cp  beigelegte  Bezeichnung:  Fundamental- 
formen gerechtfertigt,  und  es  leuchtet  ein,  dass  alle  aus  der  Gestalt 
und  Grösse  der  Fläche  sich  ergebenden  Eigenschaften  nur  von  den 
sechs  Coefficienten  der  Fundamentalformen  abhängen  werden.  In  Ana- 
logie mit  der  für  eine  Curve  eingeführten  Bezeichnung:  natürliche 
Gleichungen  können  die  Gleichungen: 

f  =  Edii?  +  2Fdudv  -f  Gdv^, 

(p  ==  I)du^+2I)'dudv  -\-B"dv^ 
kurz  die  natürlichen  Gleichungen  der  Fläche  genannt  werden. 


§  49.    Existenz  der  Fläche  mit  gegebenen  Fundamentalformen.  93 

§  49.     Existenz  und  Eindeutigkeit  der  Placke,  die  zwei  solchen 

gegebenen  Fundamentalfonnen   entspricht,   welche  den  Gleichungen 

von  Gauss  und  Codazzi  genügen. 

Wegen  des  invarianten  Charaktei-s  der  Fundamentalgleichungen 
(DI)  und  (IV)  können  wir  beim  Beweise  des  soeben  ausgesprochenen 
Satzes  geeignetere  neue  Parameter  u,  v  einfahren,  und  zwar  wollen 
wir  im  Anschluss  an  das  Ergebnis  des  §  31  (^S.  58)  diejenigen  wählen, 
welche  gleichzeitig  F  und  D'  zu  Null  machen. 

Wie  wir  in  dem  angeführten  Paragraphen  gesehen  haben,  sind 
diese  neuen  Veränderlichen  u,  v  vollkommen  bestimmt,  ausgenommen 
den  Fall,  in  dem  die  Proportion: 

B:D':B"=E:F:G 
besteht,  die,  wie  man  leicht  einsieht,  nur  im  Falle  der  Kugel  (oder  der 
Ebene)*)   gut.     Gleich  Constanten  gesetzt  geben   die  neuen  Veränder- 
lichen die  sogenannten  Krümmungslinien  der  Fläche   (vgl.  §  52). 


*)  In  der  That  folgt  aus  der  obigen  Proportion: 

D  =  2£,  D'=iF,  D"=IG. 
Setzt  man  dieses  aber  in  (IV)  ein  und  berücksichtigt,  dass  man  dann  nach  (V), 
S.  56,  identisch  hat: 
cE  cF 
cv  cu 
c_GcF 
cu  Ci 

so   folgt: 


IVI-+(!VI-r/l)-+!V|^=o, 

i+r/i^+in-i?!)--!'/)«-«. 


E 

dl 

Cu 

0, 

also 

F 

cl 
er 

1  = 

CU 

Const. 

0, 

Die  Gleichungen  (U), 

§  47,  S. 

89, 

geben 

dann,  wenn 

gesetzt  wird: 

l  = 

1 

\R  = 

Con 

ex 

du 

CU 

dx 

CV 

cv 

CV 

cz       ^dZ 

=i(  -K—i 

CU  Cu 

Cr  CV 

Die  Integration  liefert: 

.f  =  iJX  +  a,      y  =  iJ  r  +  6,      z  =  BZ  -\-  c       {a,  b,  c  =  Const.). 
Demnach  ist  (x  —  a)*  +  (y  —  fc)*  -j-  (z  —  c)^  ^=  B^,  und  dieses  ist  die  Gleichung 
einer  Engel.   Im  FaUe  i  =^  0  folgt  weiter,  dass  X,  Y,  Z  constant  sind,  d.  h.  dass 


94 


Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 


Setzen  wir  in  den  Fundamentalgleichungen  (III)  und  (IV*)  für  die 
Symbole  ihre  wirklichen  Werte  (Tabelle  (A),  §  35,  S.  67)  und  für  K 
seinen  durch  die  Gleichung  (18),  §35,  gegebenen  Wert  ein,  so  lauten  sie: 


VEG  "^  du  \-[/E    du  )  ^  ^^-  \]/G     8v  /  ~     ' 


(V) 


YEG  "^ 

d   /  D 

dv  \yE 

d  /D" 
du  [yG 

kYe 

B"  dYE 

G      dv 

D  dy/G 

E      du 


=  0. 


=  0. 


In  jedem  Punkte  der  Fläche,  deren  Existenz  und  Eindeutigkeit 
wir  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Gleichungen  (V)  erfüllt  sind, 
nachweisen  wollen,  betrachten  wir  ein  rechtwinkliges  Trieder,  das  wir 
das  Haupttrieder  nennen  und  das  von  den  positiven  Richtungen  der 
Tangenten  an  den  beiden  Curven  v  und  u  und  der  Flächennormale 
gebildet  wird.  Bezeichnen  wir  die  Cosinus  dieser  drei  Richtungen  be- 
züglich mit  Xj^,  Fj,  Z^'^  Xg,  Fg,  Z,^'^  Xg,  Y^,  Z^,  so  haben  wir  nach 
(b),  S.  G3: 

Ye  du ' 

1    dy 


X,-= 


1    dx 

YE  du 


Y,= 


^    1      ÜX 

X, 


X 


^2    = 


F  =  Y, 


G  dv 


z.. 


1    cz 

YE  du 

1    dz 

YG  dv  ' 

z. 


Setzen  wir  in  den  Fundamentalgleichungen  (I)  und  (II),  §  47, 
S.  89,  für  die  Christoffel'schen  Symbole  ihre  wirklichen  Werte  ein, 
so  erhalten  wir  die  folgenden  Gleichungen: 


dX, 

du 

dX, 

dv 

d_X, 

du 
dx, 

dv 


1     dYE  -y     ■      B    ^ 

YG    dv     ^~^  YE    ^ 


1    dYG 

Ye    du 


X27 


1  dYE  -^ 

YG      dv        ^' 
1    dYG   V     ]    D"  ^ 

YE    du     ^  '  Y^ 


die  Fläche  eine  fJbene  ist.  Wir  können  dann  nämlich  unbeschadet  der  All- 
gemeinheit X=0,  Y  ^=  0,  Z  =  1  setzen,  und  aus  den  Gleichungen  (1),  S.  86, 
folgt  dann: 

££  __        d^ 

du        ^    dv 


0,  d.  h.  z  =  Const. 


§  50.    Beendigung  des  Existenzbeweises.  95 

du  ys    ^' 

cv  yo    -' 

Die  unbekannten   Functionen   Xj,  X,,  X^   müssen   also   den   folgenden 
drei  homogenen  totalen  Differentialgleichungen  genügen: 

^  ^  »      -     yo   dv     '     ^  l    y^  au     *  ^  |/(?    ^j     ' 
^         ys    ^         yo  ^ 

Demselben  System  (4)  müssen  auch  die  Functionen  Y^,  Y^,  Y^ 
bez.  Z^,  Z^,  Z5  genügen. 

Dabei  ist  das  System  (4)  unbeschränkt  integrabel,  da  die  In- 
tegrabilitätsbedingungen  zu  eben  den  drei  Relationen  (V)  führen,  die 
wir  als  erfüllt  voraussetzen. 

§  50.     Beendigung  des  Existenzbeweises. 

Stützen  wir  uns  nun  auf  den  bekannten  Satz*),  dass  bei  einem 
unbeschränkt  integi-abeln  System  von  totalen  Differentialgleichungen 
stets  ein  Lösungssystem  existiert,  das  für  die  Anfaugswei-te  Uq,  r^  der 
Veränderlichen  u,  v  willkm-lich  gegebene  Anfangswerte  annimmt,  so 
können  wir  unsem  Beweis  schnell  zu  Ende  führen.  Dazu  ist  nur  noch  zu 
beachten,  dass,  wenn  X^,  X^,  X3  und  X/,  X^',  X.'  zwei  verschiedene 
oder  übereinstimmende  Lösungssysteme  der  Gleichungen  (4)  sind,  wegen 
der  speciellen  Form  dieser  Gleichungen 

X,  X/  +  X,  X;  +  X3X3'  =  Const. 
ist,  da  das  vollständige  Differential   dieses  Ausdrucks   zufolge  der  Glei- 
chungen (4)  und  der  analogen  Gleichungen   für  X/,  X^',  X3'  identisch 
verschwindet. 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  seien  Xj,  X,,  X3;  l'^,  1^,  Y^'^ 
Zi,  Z.^,  Z.^  di-ei  Lösungssysteme  von  (4),  die  für  u  =  «0,  r  =  r^  in 
die  neun  Coefficienteu  einer  orthogonalen  Substitution: 

Xi«»     X^^ö)     XjW 
Y^m     lyo)     ^-^(0) 

Zi««)     Z2<»)     Zg«») 

*)  S.  z.  B.  C.  Jordan,  Trait^  d' Analyse,  Bd.  3. 


96  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  FHichentiieorie. 

Übergehen   mögen.      Aus   der  obigen   Bemerkung  folgt,    dass    für    alle 
Werte  von  u  und  v  die  Grössen: 


X, 

X, 

X, 

Y. 

Y. 

Y. 

z. 

z. 

z. 

die  Coefficienten  einer  orthogonalen  Substitution  sein  müssen;  ins- 
besondere wird  sein: 

Ä7    +     Y,'  +   Z^   =  1, 

X,X,+  Y,Y,-j-Z,Z,^0 
u.  s.  w. 

Nun  sind  infolge  der  Gleichungen  (4)  selbst  die  drei  Ausdrücke: 
y'EX,du-{-yGX,dv,     Y'EY.du+yGY.dv,     YEZ.du-j-YGZ^dv 
vollständige  Differentiale.     Setzen  wir  also 

X  -^fiYEX^du  +  YGX^  dv),      y  =f{YE  Y,du  +  j/^  Y,  dv) , 

z  =f(YEZ,du  +  Y^Z.,  dv) 

und  betrachten  wir  x,  y,  z  als  die  laufenden  Coordinaten  eines  Punktes 
einer  Fläche,  so  hat  diese  Fläche  in  der  That  die  beiden  gegebenen 
Formen  zu  Fundamentalformen. 

Was  endlich  denjenigen  Teil  des  Fundamentalsatzes  betrifft,  der 
sich  auf  die  Eindeutigkeit  bezieht,  so  ergiebt  sich  dieselbe  entweder 
aus  der  linearen  Form  der  Gleichungen  (4)  oder  mittels  derselben  Ueber- 
legung,  wie  wir  sie  bereits  §  8,  S.  13,  für  die  Curven  angestellt  haben. 

Bemerkung.  Beim  Beweise  des  obigen  Satzes  haben  wir  uns  der 
Einfachheit  halber  auf  ein  besonderes  System  von  Parameterlinien 
(Krümmungslinien)  bezogen;  doch  ist  wohl  zu  beachten,  dass,  auch 
wenn  die  unabhängigen  Veränderlichen  ganz  allgemein  gelassen  wer- 
den, als  Haupttrieder  dasjenige  z.  B.  eingeführt  werden  kann,  das  in 
jedem  Punkte  der  Fläche  von  den  Halbierungslinien  des  Winkels 
zwischen  den  Tangenten  der  Parameterlinien  und  von  der  Flächen- 
normale gebildet  wird.  Für  die  neun  Cosinus  dieser  drei  Richtungen 
würden  wir,  wie  hier  das  System  (4),  ein  zufolge  der  Fundamentalglei- 
chungen (III)  und  (IV)  unbeschränkt  integrables  System  totaler  Diffe- 
rentialgleichungen erhalten,  und  wie  in  §  9,  S.  15,  könnte  die  Aufgabe, 
die  Fläche  zu  bestimmen,  auf  die  Integration  einer  (totalen)  Differen- 
tialgleichung vom  Riccati'schen  Typus  zurückgeführt  werden.  Daraus 
folgt  das  Ergebnis: 

Zur  wirklichen  Bestimmung  der  zwei   gegebenen  Funda- 


§  51.    Krümmungslinien  der  Fläche.  97 

mentalformen  entsprechenden  Fläche  ist  die  Integration  einer 
Differentialgleichung  vom  Riccati'schen  Typus   erforderlich. 

§  51.     Krümmungslinien  der  Fläche. 

Betrachtet  man  auf  einer  Fläche  S  eine  beliebige  Curve  L  und 
ei-richtet  man  längs  der  Curve  die  Flächennonnalen,  so  werden  diese  im 
allgemeinen  eine  nicht  abwickelbare  Linienfläche  (Regelfläche) 
bilden.  In  dem  besonderen  Falle,  dass  diese  Linienfläche  abwickelbar 
ist,  d.  h.  dass  die  Normalen  von  S  längs  L  die  Tangenten  einer  ge- 
wissen Curve  im  Räume  sind  (oder  durch  ein  und  denselben  Punkt 
gehen),  wird  die  Curve  L  eine  Krümmungslinie  der  Fläche  genannt. 

Wir  sehen  sofort,  dass  nach  dieser  Definition  jede  in  der  Ebene 
oder  auf  der  Kugel  gezogene  Curve  als  Krümmungslinie  der  Ebene 
bez.  Kugel  aufzufassen  ist,  da  längs  einer  solchen  die  Xormalenfläche  ein 
Cjlinder  bez.  ein  Kegel  ist.  Auf  jeder  anderen  Fläche  giebt  es,  wie 
wir  nun  nachweisen  wollen,  nur  eine  einfach  unendliche  Mannigfaltig- 
keit von  Krümmungslinien,  die  ein  doppeltes  Orthogonalsystem  stets 
reeller  Curven  bilden. 

Wir  führen  zunächst  einige  Eigenschaften  der  Krümmungslinien 
an,  die  direct  aus  ihrer  Definition  und  den  in  §  17,  Kap.  I  (S.  30), 
angegebenen  Sätzen  A)  und  B)  über  Evoluten  folgen. 

Ist  die  Schnittcurve  C  zweier  Flächen  für  beide  eine 
Krümmungslinie,  so  ist  der  Winkel,  unter  dem  sich  die 
Flächen  längs  C  schneiden,  constant.  Umgekehrt,  schneiden 
sich  zwei  Flächen  unter  constantem  Winkel  und  ist  ihre 
Schnittcurve  Krümmungslinie  für  die  eine  Fläche,  so  ist  sie 
es  auch  für  die  andere. 

Da  femer  in  der  Ebene  und  auf  der  Kugel  jede  Curve  Krüm- 
mungslinie ist,  haben  wir  als  Zusatz: 

Schneidet  eine  Ebene  oder  eine  Kugel  eine  Fläche  S  in 
einer  Krümmungslinie,  so  schneidet  sie  S  unter  constantem 
Winkel.  Umgekehrt,  schneidet  eine  Ebene  oder  eine  Kugel 
eine  Fläche  S  unter  constantem  Winkel,  so  ist  die  Schnitt- 
curve eine  Krümmungslinie  von  S. 

Demnach  sind  z.  B.  auf  einer  Rotationsfläche  die  Meridiane  und 
die  Parallelkreise  Krümmunorslinien. 

Sehen  wir  nun  zu,  durch  welche  analytische  Bedingung  eine 
Krümmungslinie  L  charakterisiert  ist.  Längs  einer  solchen  sind  «,  r; 
X,  y,  z-  X,  1',  Z  als  Functionen  einer  einzigen  Yeränderlichen,  z.  B. 
des  Bogens   s  von  L,   zu    betrachten.     Ist  M(x,  y,  z)    ein  Punkt    von 

B  i  a  n  c  h  i ,  Differentialgeometrie.  7 


dy 
ds 

dY 

—  r  ^. 

ds 

ds 

dz 

dZ 

v  dr 

—  Zj  -,     • 

ds 

ds 

ds 

98  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 

L  und  My  {x^,  j/^,  0^)  derjenige  Punkt,  in  dem  die  Rückkehrkante  C^ 
der  Developpabeln,  die  von  den  Normalen  längs  L  gebildet  wird,  von 
der  Normale  des  Punktes  M  berührt  wird,  so  haben  wir: 

(5)  Xj^=x  —  rX,      y^=y  —  rY,      z^  =  3  —  rZ, 

wo  r  den  algebraischen  Wert  der  Strecke  M^M  bezeichnet  und  positiv 
oder  negativ  ist,  je  nachdem  die  Richtung  von  M^  nach  M  mit  der 
positiven  oder  negativen  Richtung  der  Normale  zusammenfällt. 

Differenzieren  wir  die  Gleichungen  (5)  nach  s  und  berücksichtigen 

wir,  dass  -^  y  -—  ,  -^  -  nach  Annahme  proportional  bez.  X,  Y,  Z  sind, 

da  eben  die  Flächennormale  Tangente  von  6\  ist,  so  erhalten  wir: 

.  -r^         dx  dX         -tr  dr 

A,X  =  -^ r  --, X-^, 

ds  ds  ds 

XY  = 

XZ  = 

Multiplicieren  wir  diese  Gleichungen  der  Reihe  nach  mit  X,  Y,  Z  und 
addieren  wir,  so  folgt: 

,  dr 

ds 

1  dx  dX       dy  dY       dz  dZ 

also :  -—  =  r  —r~  ?    -y-  =  r  —j—  >    ~r  =  >'  -:i 

ds  ds        ds  ds        ds  ds 

oder:    Längs  der  Krümmungslinie  L  muss  die  Proportion: 

(6)  dx:dy:dz  =  dX:dY:dZ 

bestehen. 

Umgekehrt,  wenn  längs  einer  Flächencurve  C  die  Proportion  (6) 
besteht  und  r  den  gemeinsamen  Wert  der  drei  Verhältnisse : 

dx   dy   dz 

dX  ^Jy^JZ 

bezeichnet,  so  sieht  man  sofort,  dass  die  Gleichungen  (5)  eine  Curve 
Ol  definieren,  deren  Tangenten  die  Flächennormalen  längs  C  sind.  Es 
ist  demnach  die  Proportion  (6)  für  die  Krümmungslinien 
charakteristisch. 

Auch  braucht  hier  nicht  der  Fall  ausgenommen  zu  werden,  in  dem 
sich  die  Curve  C^  auf  einen  Punkt  zusammenzieht;  es  ist  dann  nur: 

dx^  =  dy^  =  dz^  =  0, 

also  auch  dr  =  0,  d.  h.  r  ==  Const. 


§  52.    Hauptkrämmangsradien  der  Fläche.  99 

§  52.     Hauptkrti m mtmgsradien  der  Fläche. 

Wir  drücken  nun  die  für  eine  Krummungslinie   charakteristischen 
Gleichungen: 

dx  =  rdX,      dy  =  rd  F,      dz  =  rdZ 

in  krummlinigen   Coordinaten  aus.     Zu  diesem  Zwecke  sehreiben  wir 
sie  wie  folgt: 

-;^  du  -\-  7^—  dv  =  r  (-.^  du  -j — ^—  dv) . 

'^du-^t^  dv  =  r  (i^  du  +  i^dv), 

du  *    cv  \  cit  '     cv       /' 

• 

TT-  du  4-  7^-  rfy  ==  r  (^ —  du  +  — —  dv) . 
cu  '    cv  \cu  '     cv       / 

Statt  dieser  Gleichungen  können  wir  auch  das  äquivalente  System  setzen, 

das  sich  eronebt,  wenn  das  erste  Mal  mit  t^— >  t^j  ^,  das  zweite  Mal 
®        '  cu    cu    cu^ 

mit  7^7  r--j  ." j   das  dritte  Mal  mit  X,   Y,  Z  multipliciert  und  iedes 
cv     er    cv  '      '  ^  "' 

Mal  addiert  wird. 

Das  letzte  Mal  ergiebt  sich  eine  Identität,  und  wir  erhalten  somit 

nur  die  beiden  Gleichungen  {\g\.  §  46): 

iJEdu  4-  Fdv  =  —  r{D  du  +  D'dv), 

^^^  [Fdu  +  G  dv  =  —  r{D'du  +  D"dv). 

Die  Elimination  von  r  aus  diesen  beiden  Gleichungen  ergiebt  als 

Differentialgleichung  der  Krümmungslinien: 

^  Edu  +  Fdv        Fdu  -]-  Gdv     j  _ 

^  ^  I  Ddu  +  D'dv     D'du  +  I)"dv  I  ^    ' 

Diese  Determinante  ist  genau    die    Jacobi'sche  Form    der    beiden 
Grundformen.     Schliessen  wir  also  den  FaU: 

D:D':I)"=F:F:G, 

in  dem  die  Fläche  eine  Kugel  oder  eine  Ebene  ist*j,  aus  und  erinnern 
wir  uns  der  Ergebnisse  des  §  31,  Kap.  11  (S.  öS),  so  haben  wir  den  Satz: 


*)  Zu  dem  in  der  Anmerkung  zu  §  49  (S.  93)  hierfür  gegebenen  analyti- 
schen Beweise  kann  ein  einfacher  geometrischer  leicht  hinzugefügt  werden.  Im  Falle 
der  Proportion  D  :  D' :  D"  =  E  :  F  :  G  ist  wegen  (8i  jede  Curve  auf  der  Fläche 
S  Krummungslinie.  Daraus  folgt,  dass,  wenn  M  und  3f'  zwei  beliebige  Punkte 
von  S  sind,  die  Normalen  in  J/  und  M'  in  einer  Ebene  liegen.  In  der  That, 
durch  die  Normale  in  M  und  durch  den  Punkt  J/'  lege  man  die  Ebene,  welche 
S  in  einer  Curve  C  schneiden  möge.  Die  Flächennormalen  längs  C  bilden  eine  ab- 
wickelbare Fläche,  d.  h.  sie  sind  Tangenten  einer  Evolute  von  C.  Da  die  Nor- 
male Ton  M  in  der  Ebene  der  Curve  C  Hegt,  so  liegt  auch  jede  andere  Normale 

7* 


100  Kajj.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 

Auf  jeder  Fläclie  giebt  es  ein  doppeltes  Orthogonal- 
system von  Krümmungslinien^  das  stets  reell  ist.  Eine  Un- 
bestimmtheit tritt  nur  im  Falle  der  Kugel  und  der  Ebene 
ein;  für  diese  Flächen  ist  jede  Curve  Krümmungslinie. 

Durch  jeden  Plächenpunkt  M  gehen  also  zwei  Krümmungslinien  L^ 
und  L.^,  die  sich  in  ihm  rechtwinklig  durchsetzen.  Die  Normale  von  M 
berührt  die  Rückkehrcurve  der  von  den  Flächennormalen  längs  L,  er- 
zeugten  abwickelbaren  Fläche  in  einem  Punkte,  den  wir  mit  J/j^  be- 
zeichnen wollen;  dieser  Punkt  heisst  der  Krümmungsmittelpunkt 
der  Fläche  in  M  bezüglich  der  Krümmungslinie  X^ .  Desgleichen  haben 
wir  auf  der  Normale  von  M  einen  zweiten  Krümmungsmittelpunkt  M^ 
bezüglich  L^,   und  die  Strecken: 

werden  aus  einem  Grunde,  den  wir  in  §  54  einsehen  werden,  als  Haupt- 
krümmungsradien der  Fläche  in  M  bezeichnet. 

Eliminieren  wir  aus  unseren  Gleichungen  (7)  das  Verhältnis  (hi :  dv, 
so  kommen  wir  offenbar  zu  dem  Ergebnis: 

Die  Hauptkrümmungsradien  r^  und  r^  der  Fläche  sind  in 
jedem  Punkte  als  die  Wurzeln  der  in  r  quadratischen  Glei- 
chung: 

(9)     {DD"—  D'')r'  -f  (ED"^  GD  —  2FD')r  +  EG  —  F'^0 
gegeben. 

§  53.    Badien  der  ersten  Krümmung  der  auf  einer  Fläche  gezogenen 
Curven  und  Meusnier'scher  Satz. 

Wir  wollen  nun  untersuchen,  welche  Beziehungen  zwischen  den 
Radien  der  (ersten)  Krümmung  der  unendlich  vielen  Curven  bestehen, 
die  auf  einer  Fläche  durch  ein  und  denselben  Punkt  M  gezogen  wer- 
den können. 

Es  sei  C  eine  solche  Curve,  längs  deren  u  i';  x,  y,  B  Functionen  des 
Bogens  s  der  Curve  seien.     Indem  wir  für  die   Curve  C  die   Bezeich- 


längs  C,  insbesondere  die  von  M\  in  derselben  Ebene.  Es  schneiden  sich  dem- 
nach alle  Normalen  von  S  paarweise,  und  da  sie  nicht  in  einer  Ebene  liegen 
können,  müssen  sie  durch  einen  Punkt  0  gehen.  Liegt  0  in  endlicher  Entfer- 
nung, so  ist  hiernach  S  eine  Kugel  (mit  dem  Mittelpunkt  0);  liegt  0  im  Unend- 
lichen, so  ist  S  eine  Ebene. 

*)  Es  sei  daran  erinnert,  dass  r^  und  r^  positiv  oder  negativ  gerechnet  wer- 
den, je  nachdem  die  Richtungen  von  M^  nach  M  und  von  M^  nach  M  mit  der 
positiven  oder  mit  der  negativen  Normalenrichtung  zusammenfallen. 


§  53.    Krünmmngsradien  der  Flächencurven,  Meusnier'sche?  fisdU^  '■    -tOl 

nungen   des  ersten  Kapitels    beibehalten,    erhalten    wir'  soijliif  f^if'  di^ 
Richtungscosinus  ihrer  Tangente  (§  34,  Kap.  III): 


(10) 


ex  du    ,    ex  dv  3        cy  du    ,    dy  dv 

cos  a  =  ^^ -T-  4-  TT- -s- f     cos/3  =  Tr^^ — \-  -t--  -j- 

c«  ds    *    ev  as  "^        cu  ds    '    ev  ds 

dz  du    ,    ez  dv 

QOSy  =  ^^ L  __ 

'         cu  ds     ^    er  ds 


Bezeichnen  wir  mit  6  den  zwischen  0  und  n  gelegenen  Winkel,  der 
Ton  den  positiven  Richtungen  der  Hauptnormale  von  C  und  der  Flächen- 
normale  gebildet    wird,    so   haben    wir    nach    den  ersten   Frenetschen 

Formeln  (S.  10): 

"VT  TT- d  cos  a         cos  ff 
.^M  ds  Q 

demnach  zufolge  (10)  und  (3)  (S.  87): 

cosc Ddu' -^  '2D'dHdF-\-  D" dv* 

oder: 

.^^x  cosö Ddu-  -\-  ^B'dudc  -\-  D" dv^ 

Durch  die  Flächennormale  von  M  und  durch  die  in  Jf  an  C  gezogene 
Tangente  legen  wir  die  Ebene:  sie  liefert  auf  der  Fläche  eine  Schnitt- 
curre   F,   die   als    Normalschnitt   längs   C   bezeichnet    werde.      Die 

erste  Krümmimg    „  Ton  F  in  3f  wird  wieder  durch  die  Gleichung  (^11) 

gegeben,  wenn  darin  costf  =  +  1  gesetzt  wird,  je  nachdem  die  Con- 
cavitat  von  F  nach  der  positiven  oder  negativen  Richtung  der  Nor- 
male liegt.     Daraus  ergiebt  sich  sofort  die  Gleichung: 

p  =  +  i?  cos  6j 
d.  h.  der  Meusnier'sche  Satz: 

Der  Radius  der  ersten  Krümmung  einer  auf  einer  Fläche 
S  gezogenen  Curve  C  ist  in  jedem  Punkte  M  gleich  dem 
Krümmungsradius  des  Normalschnitts  längs  der  Curve  C  in 
M,  multipliciert  mit  dem  Cosinus  des  Winkels,  den  die 
Schnittebene  mit  der  Schmiegungsebene  der  Curve  bildet. 

Wir  können  uns  demnach  auf  die  Untersuchung  der  Normal- 
schnitte beschränken. 

Für  diese  wird  die  Gleichung  (11)  die  folgende: 

1 ,     DrfM^  +  -iD'dudv  +  D"dt^ 

E~—     Edu* -{-2Fdudv -\-  Gdv^ 

Dabei  hängt  die  Wahl  des  oberen  oder  unteren  Vorzeichens  von  dem 
vorhin  erwähnten  Umstand  ab:  bei  dieser  Wahl  ergiebt  sich  (infolge 
der  in  der  Curventheorie  getroffenen  Festsetzung,  dass  die  erste  Krüm- 


102        ;    ;  I^QP-  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Fiächentheorie. 

'^Bfuii^ ;  stM9^\einen  positiven  Wert  haben  soll)   als  thatsächliclies  Vor- 
zeichen der  rechten  Seite  in  jedem  Falle  das  positive. 

Da  aber  hier  für  die  unendlich  vielen  Normalschnitte  alle  Strecken 
R  auf  derselben  Geraden,  der  Normale  von  M,  gemessen  werden,  auf 
der  die  positive  Richtung  bereits  definiert  ist,  so  dürfte  es  doch  zweck- 
mässiger sein,  auch  B  mit  einem  Vorzeichen  zu  versehen,  und  zwar 
setzen  wir  fest,  dass  R  positiv  gerechnet  werden  soll,  wenn  die  Rich- 
tung vom  Krümmungsmittelpunkt  des  Normalschnitts  nach  dem  Nor- 
malenfusspunkt  mit  der  positiven  Richtung  der  Normale  zusammen- 
fällt, negativ  im  entgegengesetzten  Falle  (s.  den  vorigen  Paragraphen). 
Zufolge  dieser  neuen  Festsetzung  haben  wir  in  allen  Fällen  aus- 
nahmslos : 

1  Ddu^  -\-  2D'dudv  -^  D"dv' 


(12) 


E  Edu^  +  2Fdudv -\-  Gdv' 


§  54.     Euler'sclie  Formel  und  Dupin'sche  Indicatrix. 

Wählen  wir  nun  die  Krümmungslinien  zu  Parameterlinien  und 
bezeichnen  wir  mit  r^  bezw.  r^  die  in  §  52  eingeführten  Grössen,  so 
haben  wir  längs  der  Krümmungslinien  u: 

dx  =  r^  dX,     dy  =  r.^dY,     dz  =  r^  dZ 
und  längs  der  Krümmungslinien  v: 

dx  =  r^dX,     dy  ==  r^dY,     dz  =  r^dZ, 


d.  h.: 

(13) 


dx dX  dy  cY  dz  dZ 

du         ^  du  du         ^  du  du         ^  l)u 

dx_ dX  dy dY  dz dZ 

cv 


^  cv         cv  ^  cv         cv  ^  cv      ^ 


folglich  nach  den  Formeln  (3)  S.  87: 

(14)  1)=  —  ^,     D'=0,     D"=  —  ~-f 

demnach  wegen  (12): 

B  ~~    Edu^  -\-  Gdv^  rj  \ds/  '^  r,  \ds/  ' 

Bedeutet  0'   den  Winkel,   den    der   betrachtete  Normalschnitt   mit  der 
Curve  V  bildet,  so  ergiebt  sich  die  Euler'sche  Formel: 

.^  ^x  1  cos --9'     ,     sin^'9' 


1)  Gleichungen  von  Rodrigues. 


§  54.    Euler'sche  Formel  und  Dupin'sche  Indicatrix.  103 

Hieraus  folgt  munittelbar:  )\  und  r^  sind  die  Hauptkrümmungs- 
radien  der  Normalschnitte  längs  der  Krümmungslinien.  Diese 
Schnitte  heissen  Hauptschnitte,  deshalb  r^  und  r.,,  wie  bereits  be- 
merkt, Hauptkrümmungsradien:  die  Krümmungsmittelpunkte  der 
Hauptschnitte  sind  die  beiden  am  Schlüsse  des  §  52  betrachteten  Punkte 
M^  und  JLQ-  Sie  werden  die  Krümmungsmittelpunkte  der  Fläche 
in  M  genannt. 

Wir  untersuchen  nun,  wie  sich  der  Krümmungsradius  B,  des  Nor- 
malschnitts ändert,  wenn  die  Schnittebene  gedreht  wird.  Ein  recht 
klares  Bild  von  der  Art  der  Aenderung  erhält  man  mit  Hilfe  der  fol- 
genden Betrachtungen : 

1)  Nehmen  wir  an,  es  hätten  in  dem  betreffenden  Punkte  )\  und 
r^  dasselbe,  z.  B.  das  positive  Zeichen.  In  der  Tangentialebene  von  M 
führen  wir  ein  rechtwinkliges  Coordinatensystem  ein,  dessen  Axen  |,  r^ 
bezüglich  mit  den  Tangenten  der  Krümmungslinien  «,  v  zusammen- 
fallen, und  betrachten  diejenige  Ellipse,  welche  die  Gleichung: 

(16)  r  +  v  =  i 

hat. 

Die  Länge  eines  Halbmessei*s  q  der  Ellipse,  der  mit  der  7/-Axe 
(Tangente  der  Curve  v)  den  Winkel  d^  bildet,  ist  durch  die  Gleichung: 

1  cos*«-        sin  »'S- 

?  ~  ~17~  +  ~^ 
gegeben.     Also  ist  wegen  (15) 

q'  =  B. 
Es  ist  daher  das  Quadrat  jedes  Halbmessers  der  Ellipse  (16) 
gleich  dem  Krümmungsradius  desjenigen  Normalschnitts, 
dessen  Ebene  durch  den  betreffenden  Halbmesser  gelegt  ist. 
Aus  diesem  Grunde  wird  die  Ellipse  (16)  die  Indicatrixellipse  ge- 
nannt. 

Es  mag  bemerkt  werden,  dass  dieselbe  für  r^  =  r,  ein  Kreis  wird 
und  also  in  diesem  Falle  alle  Norm^schnitte  durch  M  denselben  Krüm- 
mungsradius haben.  Der  Punkt  31  wird  dann  ein  Kreis-  oder  Na- 
belpunkt genannt.  Die  einzige  Fläche,  deren  sämtliche  Punkte  Kreis- 
punkte sind,  ist  die  Kugel*). 

2)  Es  mögen  nun  r^  und  r.^  entgegengesetzte  Vorzeichen  haben, 
und  um  die  Ideen  zu  fixieren,  nehmen  wir  r^  positiv,  n  negativ  an. 
Wir  betrachten  dann  in  der  Tangentialebene  die  beiden  conjugierten 
Hyperbeln : 


*)  In  der  That  muss  für  eine  solche  Fläche  überall  D.D':D"=  E:  F:  G  sein. 


.!?__ 

^^ 

1 

-'-2 

^; 

v' 

_ 

1. 

-r. 

104  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Plächentheorie. 

Mit  dem  System  dieser  beiden  eonjugierten  Hyperbeln  erzielen  wir  die- 
selbe geometrische  Veranschaulichung  wie  vorher  mit  der  Ellipse  (16). 

Die  Ellipse  (16)  im  ersten  bez.  das  System  der  beiden  Hyperbeln 
(17)  im  zweiten  Falle  bilden  die  Dupin'sche  Indicatrix,  so  genannt 
nach  dem  Namen  des  Mathematikers,  der  zuerst  die  obige  geometrische 
Deutung  der  Euler'schen  Formel  gab. 

Es  ist  zu  bemerken,  dass  im  ersten  Falle  die  Fläche  in  der  Um- 
gebung von  M  ganz  auf  einer  Seite  der  Tangentialebene  liegt.  Die 
Normalschnitte  drehen  dann  nämlich  ihre  concave  Seite  sämtlich  der- 
selben Richtung  der  Normale  zu.  Im  zweiten  Falle  dagegen  liegt  die 
Fläche  in  der  Umgebung  von  M  teils  auf  der  einen,  teils  auf  der 
anderen  Seite  der  Tangentialebene*),  und  zwar  wenden  diejenigen  Nor- 
malschnitte, deren  Ebenen  die  erste  der  Hyperbeln  (17)  in  reellen  Punk- 
ten schneiden,  ihre  concaven  Seiten  alle  nach  der  einen,  die  übrigen, 
welche  die  conjugierte  Hyperbel  in  reellen  Punkten  schneiden,  nach 
der  entgegengesetzten  Seite.  Der  Uebergang  von  der  einen  zu  der 
anderen  Schnittgattung  findet  dann  statt,  wenn  die  durch  die  Normale 
gelegte  Ebene  durch  eine  der  beiden  Asymptoten  der  Hyperbeln  (17)  geht, 

und  es  ist  dann  für  den  betreffenden  Normalschnitt   ,,  =0,   was   einen 

Wendepunkt  dieses  Normalschnitts  bedeutet.  Diese  beiden  ausgezeich- 
neten Richtungen,  die  in  der  Tangentialebene  von  M  ausgehen,  wer- 
den demnach  als  asymptotische  Richtungen  oder  Haupttangenten 


*)  Auf  einem  kürzeren  Wege  gelangen  wir  zu  demselben  Ergebnis  folgender- 
massen : 

Wir  betrachten  die  Tangentialebene  im  Punkte  (w,  v)  der  Fläche  und  be- 
rechnen die  Entfernung  8  des  unendlich  benachbarten  Punktes  {u  -j- '' ,  v-\-  k)  (wo 
h  und  Tc  als  unendlich  klein  von  der  ersten  Ordnung  anzusehen  sind)  von  dieser 
Ebene.     Wir  erhalten: 

8  =  \{Dh^  +  2D'hk  -\-  D"k^)    +  rj, 

wo  7]   unendlich  klein  von   der  dritten   Ordnung  ist.     Das   Zeichen   von   8  hängt 
also  von  demjenigen  von 

(a)  Bh^  -\-2l)'hk-\-  B"k* 

ab. 

Ist  nun  DB" —  Z)'^  >  0,  d.  h.  ist  der  betreffende  Punkt,  wie  man  sagt, 
elliptisch,,  so  ist  die  Form  (cc)  definit,  und  8  behält  immer  dasselbe  Zeichen; 
ist  BB" —  B'^  •<  0,  d.  h.  der  Punkt  hyperbolisch,  so  nimmt  die  Form  (a), 
somit  auch  (5,  positive  und  negative  Werte  an. 


§  55.    Totale  und  mittlere  Kriimmunfr.  105 

bezeichnet.  Sie  teilen  die  Fläche  in  der  Umgebung  von  M  in  vier 
Sectoren,  die  abwechselnd  auf  der  einen  und  auf  der  anderen  Seite  der 
Tangentialebene  liegen. 

§  55.     Totale  und  mittlere  Krümmung. 

Wie  wir  schon  gesehen  haben,  hängt  die  Art,  wie  eine  Fläche 
S  in  der  Umgebung  eines  ihrer  Punkte  gekrümmt  ist,  aufs  engste 
von  den  Werten  ihrer  Hauptkrümmungsradien  )\  und  r^  ab.  Statt 
rj,  r^  selbst  können  auch  zur  Definition  dieser  Art  der  Krümmung 
zwei  Combinationen  von  )\  und  /•.,  gegeben  werden,  aus  deren  Werten 
umgekehrt  diejenigen  von  )\  und  r^  berechnet  werden  können.  Die 
wichtigsten    zu    betrachtenden    Functionen    von    r^,    }\    sind    das   Pro- 

duct  und  die  Summe  der  beiden  Hauptkrümmungen  und — .  Wir 
bezeichnen  sie  bezüglich  mit 

Die  erste  heisst  das  Krümmungsmass,  die  totale  oder  Gaussi- 
sche Krümmung,  die  zweite  die  mittlere  Krümmung  der  Fläche. 
Erinnern  wir  uns  daran,  dass  in  beliebigen  ki-ummlinigen  Coordinaten 
die  Hauptkrümmungsradien  die  Wurzeln  der  quadratischen  Gleichung 
(9),  §  52,  S.  100,  sind,  so  erhalten  wir  als  allgemeine  AVerte  von  K 
und  H  unmittelbar: 

1^  EG  —  F^  ' 

(^^)  I  n- _  2FD'— ED"—  GD 

l  EG—F' 

Die  Au-sdrücke  rechts  sind  absolute  Invarianten  der  beiden  Funda- 
mentalformen (s.  §  31,  Kap.  H)*). 

Für  die  Gaussische  Krümmung  aber  haben  wir  nun  gemäss  den 
Resultaten  des  §  48  den  höchst  wichtigen  Satz: 

Die  Gaussische  Krümmung  einer  Fläche  ist  gleich  der 
Krümmung  der  ersten  Fundamentalform. 

Diese  Eigenschaft  der  totalen  Krümmung,  nur  von  den  Coefficien- 
ten  der  Form  für  das  Linienelement-Quadrat  abzuhängen,  ist  es  (wie 
wir  im  Kapitel  über  dieAbwickelbarkeit  näher  sehen  werdend  die  eben 
dieser   Krümmung  in    den    geometrischen  Anwendungen   überwiegende 


*)  Dieses  entspricht  der  Thatsache,  dass  die  totale  und  die  mittlere  Krüm- 
mung eine  von  der  Wahl  der  krummlinigen  Coordinaten  völlig  unabhängige  Be- 
deutung haben. 


106  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 

Bedeutung  verleiht.  Sie  wird  deshalb  auch  oft  schlechtweg  als 
Krümmung  bezeichnet. 

Die  Krümmung  K  ist  positiv  in  den  Punkten  mit  elliptischer, 
negativ  in  solchen  mit  hyperbolischer  Indicatrix;  erstere  heissen,  wie 
schon  bemerkt,  elliptische,  letztere  hyperbolische  Punkte  der  Fläche. 

Im  allgemeinen  giebt  es  auf  einer  Fläche  ein  Gebiet  elliptischer 
und  ein  solches  hyperbolischer  Punkte,  die  durch  eine  Curve  para- 
bolischer, d.  h.  solcher  Punkte,  in  denen  die  Krümmung  Null  ist, 
geschieden  werden. 

Als  Ergänzung  zu  diesen  Bemerkungen  wollen  wir  den  Satz  be- 
weisen: Eine  Fläche,  die  in  allen  Punkten  die  Krümmung  Null 
besitzt,  ist  eine  abwickelbare  Fläche. 

Dass  alle  abwickelbaren  Flächen  die  Krümmung  Null  besitzen, 
folgt  unmittelbar  daraus,  dass  nach  den  Sätzen  über  Curvenevoluten 
(§17,  Kap.  I)  die  Krümmungslinien  einer  solchen  Fläche  die  Erzeu- 
genden und  deren  orthogonale  Trajectorien  sind;  von  den  beiden  Haupt- 
krümmungen ist   die   den  Erzeugenden  zukommende  stets  gleich  Null. 

Besitzt  umgekehrt  die  Fläche  S  die  Krümmung  Null,  so  ist 
DD"— D'2=0, 
und,  wenn  die  Krümmungslinien  zu  Parameterlinien  gewählt  werden, 

D'=0, 
also   auch  D  =  0  oder  D"=  0.     Angenommen,  es  wäre: 

D  =  0,      D'=  0. 
Nach  den  Grundgleichungen  (II),  §  47  (S.  90),  ist  dann:  . 

^^^  =  0       ^^=0       ^^  =  0 

du  'die  'die  ' 

d.  h.  X,  Y,  Z  sind  Functionen  von  v  allein.    Aber  aus  den  Gleichungen: 

■\/E  du              yE  du              ys  du 
1    dxdX^^     1    dy  dY  _.      1     dzdZ  ^ 

yE  du  dv        yE  du  dv        YE  du  dv  ' 

von  denen  die  zweite  nach  (j^),  S.  87,  aus  D'=  0  folgt,  ergiebt  sich 
weiter,  dass  die  Richtungscosinus  der  Tangente  der  Krümmungslinie  v, 

1    dx         1    dy         t     dz 
yE  du       yE  du  '     yE  d u 

Functionen  von  v  allein,  folglich  längs  jeder  einzelnen  Curve  v  con- 
stant  sind.  Die  Krümmungslinien  v  sind  also  gerade  Linien,  und  S 
ist  nach  den  angeführten  Sätzen  über  Evoluten  abwickelbar. 


§  56.    Conjugierte  Systeme.  107 

Die  Annahme: 

B"=  0,     D'=  0 

erledigt  sich  ganz  analog,  nur  vertauschen  dann  die  Curven  n  und  v 
ihre  Rollen. 

§  56.     Conjugierte  Systeme. 

Zwei  Tangenten  einer  Fläche,  die  von  einem  Punkte  M  der  Fläche 
ausgehen,  heissen  nach  Dupin  conjugiert,  wenn  sie  bezüglich  der  In- 
dicatrix   conjugiert  sind. 

Beziehen  wir  uns  auf  die  Krümmungslinien  «,  v  und  bezeichnen 
wir  mit  %-,  ■&■'  die  Neigungswinkel  der  beiden  conjugierten  Tangenten 
gegen  die  Curve  r,  so  haben  wir  zufolge   der  obigen  Festsetzungen: 

tg^tg^'=-  '■^. 

Wenden  wir  femer  das  Symbol  d  bei  den  Zunahmen  längs  der  ersten, 
ö  bei  denjenigen  längs  der  conjugierten  Richtung  an,  so  haben  wir 
nach  (10),  S.  65:  _ 

^^^  =  VEdTc^       ^^^  =  VeTu^ 
demnach: 

(19)  -du8u-\--ävöv  =  0. 

Zu  den  conjugierten  Richtungen  auf  der  Fläche  werden  wir  auch 
durch  die  folgende  Betrachtung  geführt:  Es  sei  C  eine  beliebige  Curve 
auf  der  Fläche  S,  bezogen  auf  ein  beliebiges  krummliniges  Coordi- 
nat^nsystem  (u,  v).  Die  Tangentialebenen  von  S  längs  C  umhüllen 
eine  abwickelbare  Fläche,  die  der  Fläche  S  längs  C  umschrieben  ist. 
Wir  wollen  nun  beweisen,  dass  in  jedem  Punkte  von  C  die  Tan- 
gente von  C  und  die  Erzeugende  der  umschriebenen  Deve- 
loppabeln  conjugierte  Tangenten  sind*). 

Wir  setzen  zu  diesem  Zwecke  die  Gleichung  der  Tangentialebene 
von  S  in  einem  Pimkte  {x,  y,  z)  von  C  an: 

(20)  (I  -  x)X-\-  {n  -  y)  r+  iX  -  2)Z=0. 

Hierbei  bedeuten  |,  i;,  t,  die  laufenden  Coordinaten.  Längs  C  sind  so- 
sowohl  X,  y,  z,  als  auch  X,  Y,  Z  Functionen  des  Bogens  s  von  G 
und  die  sich  durch  Differentiation  von  (20)  nach  s  ergebende  Gleichung: 


*)  Insbesondere  folgt  hieraus:  Auf  der  einer  Fläche  5  längs  einer 
Krümmungslinie  C  umschriebenen  Developpabeln  ist  die  Curve  C 
Orthogonaltrajectorie  der  Erzeugenden.  Es  ist  dieses  eine  charakte- 
ristische Eigenschaft  der  Krümmungslinien  und  könnte  zu  ihrer  Definition  dienen. 


108  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 

(21)        (I  _.)«  +  (,_, )^^>:+(j_,)«  =  o 

giebt  mit  (20)  combiniert  die  durcb  den  Punkt  (x,  ij,  z)  gehende  Er- 
zeugende G  der  genannten  Developpabeln.  Bezeichnen  wir  demnach 
durch  das  Symbol  d  die  Zunahmen  von  x,  y,  z  auf  der  Fläche  in  der 
Richtung  von  G  und  berücksichtigen  wir,  dass  die  Richtungscosinus 
von  G  sowohl  proportional 

Y*^^  y^^^         fydX         ^  dZ        v^^         -r^«iX 

ds  ds  '  ds  ds  '  ds  ds 

als  auch  proportional  öx,  dy,  8z  sind,  so  erhalten  wir: 

dxdX  +  8ydY-\-  8zdZ=0 

oder,  wenn  wir  x,  y,  z-^  X,   Y,  Z  durch  ?t  und  v  ausdrücken: 

(22)  Ddu  du  +  B'{du8v  +  dv  du)  +  D"dvdv  =  0. 

Werden  die  Krümmungslinien  zu  Parameterlinien  gewählt,  so 
stimmt  diese  Gleichung  wegen  der  Gleichung  (14),  S.  102,  genau  mit 
(10)  überein  und  beweist  die  vorhin  ausgesprochene  Eigenschaft. 

Man  sieht,  dass  die  Gleichung  (22),  die  besagt,  dass  die  den  Zu- 
nahmen d,  ö  entsprechenden  Linienelemente  conjugiert  sind,  bezüglich 
der  zweiten  Grundform  ebenso  gebildet  ist,  wie  die  Orthogonalitäts- 
bedingung  (11),  §  34,  Kap.  (S.  65): 

Edu  du  +  F{dudv  +  dv  du)  +  Gdv  dv  ==  0 

bezüglich  der  Coefficienten  der  ersten  Grundform. 

Eine  doppelte  Curvenschar  auf  einer  Fläche  heisst  ein  conju- 
giertes  System,  wenn  in  jedem  Punkte  die  Richtungen  der  beiden 
hindurchgehenden  Curven  conjugiert  sind. 

Offenbar  kann  die  eine  der  beiden  Scharen  willkürlich  gewählt 
werden.  Wenn  ihre  Gleichung,  nach  der  willkürlichen  Constanten  c  auf- 
gelöst, die  Form: 

(p(u,  v)  ==  c 

hat,  so  sind  die  Curven  der  zweiten  Schar  die  Integralcurven  der  Dif- 
ferentialgleichung erster  Ordnung  (vgl.  §  34,  S.  66,  (12)): 

(d'^-D'  f^)  da  4-  (Z)'^  -  B"  P)  dv  =  0. 

\       CV  CHl  \         CO  cul 

Insbesondere  merke  man:  Die  notwendige  und  hinreichende  Be- 
dingung dafür,  dass  die  Parameterlinien  selbst  ein  conjugier- 
tes  System  bilden,  ist:  Z)'=  0. 

Die  doppelte  Schar  der  Krümmungslinien  ist  sowohl  orthogonal 
als  auch  conjugiert  und  die  einzige,  der  diese  beiden  Eigenschaften  zu- 
kommen. 


§  57.    Haupttangentencurven.  109 

§  57.     Haupttangentencurven. 

Eine   auf  einer  Fläche   liegende  Curve  heisst  Asymptoten-  oder 
Haupttangentencurve,   wenn   in   jedem   ihrer  Punkte   die  Tangente 
mit  der  zu  ihr  eonjugierten  zusammenfällt.     Aus  {22)  folgt,  dass  längs 
einer  Haupttangentencurve  die  Bedingung: 
(23)  Ddu^  +  2D'du  dv  +  D"  dv''  =  0 

erfüllt  sein  muss.  Umgekehrt:  genügt  eine  Curve  auf  der  Fläche 
der  Differentialgleichung  (23),  so  ist  sie  eine  Haupttangentencurve. 
Wie  die  Krümmungslinien  bilden  auch  die  Haupttangentencurven  eine 
(im  allgemeinen  nicht  orthogonale)  doppelte  Schar,  und  in  jedem 
Flächenpunkte  fallen  die  Richtungen  der  beiden  hindurchgehenden 
Haupttangentencurven  mit  den  Asymptoten  der  Dupin'schen  Indicatrix 
zusammen. 

Natürlich  sind  die  Haupttangentencurven  nur  dann  reell,  wenn 
BD" — D'^<0  ist,  d.  h.  im  Gebiet  der  hyperbolischen  Punkte,  ima- 
ginär im  Gebiet  der  elliptischen  Punkte.  Nur  bei  den  abwickelbaren 
Flächen  (§  55)  fallen  die  beiden  Systeme  der  Haupttangentencurven 
zusammen  und  zwar  mit  den  Erzeugenden. 

Wir  können  nun  leicht  erkennen,  dass  aus  der  obigen  Definition 
der  Haupttangentencurven  unmittelbar  der  Satz  folgt: 

In  jedem  Punkte  einer  Haupttangentencurve  A  fällt  ihre 
Schmieguugsebene  mit  der  Tangentialebene  der  Fläche  zu- 
sammen. Umgekehrt,  besitzt  eine  Curve  A  diese  Eigenschaft, 
so  ist  sie  eine  Haupttangentencurve. 

Es  hat  nämlich  die  der  Fläche  längs  der  Haupttangentencurve  A 
umschriebene  Developpable  die  Tangenten  der  Curve  A,  die  ihre  Rück- 
kehrkante ist,  zu  Erzeugenden. 

Umgekehrt,  hat  die  der  Fläche  längs  A  umschriebene  Develop- 
pable diese  Curve  zur  Rückkehrkante,  so  ist  die  Curve  eine  Haupt- 
tangentencurve. 

§  58.     Laplace'sclie  Gleicliung  für  die  Coordinaten  x,  ij,  z  der 
Flächenpunkt^  bei  Zugrundelegung   conjugierter   Parameterlinien. 

Wir  wollen   nun  mit   Darboux*)   einige  wichtige  Eigenschaften 
der  eonjugierten  Systeme  und  der  Haupttangentencurven  entwickeln. 
Angenommen,  die  Gleichungen: 

X  =  x{u,  v),     y  =  yiii,  v),     z  =  z{ii,  v) 

*)  Bd.  I,  S.  127  ff. 


110 


Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 


definieren  uns  eine  auf  ein  eonjugiertes  System  (ii,  v)  bezogene  Fläche. 
Da  dann  D'=  0  ist,  so  giebt  uns  die  mittlere  der  Fundamentalglei- 
chungen (I)  des  §  47  (S.  89)  den.  Satz: 

Die  Cartesischen  Coordinaten  x,  y,  z  eines  beweglichen 
Flächenpunktes  sind  Lösungen  ein  und  derselben  Laplace- 
schen  Gleichung  von  der  Form: 


(24)  K— 7^  =  a  . 1-0  7^, 

^      ''  cucv  cu     '         cv 


b  = 


12\ 
2    I 


Umgekehrt  gilt  der  Satz: 

Sind  x{u,  v),  y{u,  v),  z{u,  v)  Lösungen  ein  und  derselben 
Laplace'schen  Gleichung  (24),  so  bilden  die  Curven  u,  v  auf 
der  Fläche: 

2  =  Z(u,  V) 


X  =  x( 

u,  v), 

y  =  y 

{u,  v), 

ein  eonjugiertes  System. 

In  der  That  ist  dann 

* 

dudv 

d^y 

du  dv 

d'z 

dudv 

dx 
du 

djj 
du 

dz 
du 

dx 
dv 

d_y_ 
dv 

dz 
dv 

=  0, 


d.  h.  B'=  0. 

Andererseits  wollen  wir  nun  annehmen,  es  wären  die  Curven  u,  v 
die  Haupttangentencurven.     In  diesem  Falle  haben   wir  zufolge  (23) 

D  =  0,      D"=  0, 
und  die  Gleichungen  (I),  §  47,  (S.  89)  geben  den  Satz: 

Die  Coordinaten  x,  y,  g  eines  beweglichen  Flächenpunk- 
tes, ausgedrückt  als  Functionen  der  Parameter  u,  v  der  Haupt- 
tangentencurven, genügen  gleichzeitig  zwei  Gleichungen  von 
der  Form: 


(25) 


d^& 

.  du^ 

y  dv^ 


o:  ;s \-  ß  7^—f 

CU      '      ^   OV 

d&    ,    ^d& 

'  c  u     '        cv 


fll 
ll " 


2  2 


Umgekehrt:  Haben  zwei  simultane  Gleichungen  (25)  drei  linear  von 
einander  unabhängige  gemeinsame  Lösungen  x,  y,  z  *),  so  definieren 
die  Gleichungen: 

X  =  x(u,  v),      y  =  y{iij  v),      z  =  z{u,  v) 
eine  Fläche,  die  auf  ihre  Haupttangentencurve  bezogen  ist. 
*)  Dazu  muss  das  System  (25)  unbeschränkt  integrabel  sein. 


§  58.    Laplace'sche  Gleichung  für  x,  y,  z.  111 

Diese  Eigenschaften  können  zum  analytischen  Beweise  des  folgenden 
Satzes  dienen: 

Bei  den  projectiven  Transformationen  gehen  die  conju- 
gierten  Systeme  und  die  Haupttangentencuryen  einer  Fläche 
in  ebensolche  über*). 

Eine  projective  Transformation  ist  durch  die  Gleichungen: 

gegeben,  wo  a,  ß,  y,  d  ganze  lineare  Functionen  yon  x,  y,  z,  also, 
wenn  (m,  v)  ein  conjugiertes  System  ist,  Lösungen  yon  (24)  und,  wenn 
(ti,  v)  die  Haupttangentencuryen  sind,  Lösungen  des  Systems  {2d)  sind. 

Wird  aber  d^'=  gesetzt,  so  geht  die  Gleichung  (24)  in  eine  ana- 
loge für  ^'  über  und  ebenso  das  System  (25)  in  ein  solches  yon 
derselben  Form,  wodurch  die  behauptete  Eigenschaft  bewiesen  ist.  Im 
nächsten  Kapitel,  das  yon  den  Ebenencoordinaten  handelt,  werden  wir 
in  gleicher  Weise  sehen,  dass  auch  den  dualistischen  Transformationen, 
insbesondere  den  Transformationen  durch  reciproke  Polaren  im  Räume, 
die  nämliche  Eigenschaft  zukommt  (s.  §  73). 

L'nter  den  conjugierten  Systemen  (?<,  v)  befindet  sich  auch  das- 
jenige der  Krümmungslinien.  Wir  können  nun  fragen,  welche  beson- 
dere Eigenschaft  die  Gleichung  (24),  der  x,  y,  z  genügen,  besitzt, 
wenn  man  die  Krümmungslinien  zu  gründe  legt.  Mit  Darboux  finden 
wir,  dass  in  diesem  Falle  auch  X'  -\-  y~  -\-  z^  eine  Lösung  yon  (24)  ist. 
Setzen  wir  nämlich: 

p  =  rr*  +  f^  +  Ä*, 
so  folgt  aus  den  Gleichungen  (I),  §  47  (S.  89): 

cucv         \  \  )  cu         \  "i  ]  cv 

Also  nur,  wenn    jp  =  0  ist,  ist  p   eine  Lösung  yon  (24). 

Aus  diesem  Umstände  hat  Darboux  ei&en  eleganten  Beweis  für 
den  Satz  gefolgert:  Bei  der  Transformation  mittels  reciproker 
Radienyectoren  gehen  die  Krümmungslinien  in  ebensolche 
über.  Die  bekannten  Gleichungen  für  diese  Transformation  sind  in 
ihrer  einfachsten  Gestalt  die  folgenden: 


*)  Geometrisch  folgt  dieses  sofort  daraus,  dass  die  einer  Fläche  längs  einer 
Curve  umschriebene  Developpable  bei  einer  projectiven  Transformation  in  die  der 
transformierten  Fläche  längs  der  transformierten  Curve  umschriebene  Develop- 
pable  übergeht. 


112  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 

^         x' -\- y^ -i- z*'     y  ~  x^ -\- y' +  z'"'      ^  ~  x*"+  y^  -j-  z""' 
Da  nun  in  dem  vorliegenden  Falle 

Q  =  x^  -{- 1/  -\r  z^ 
eine  Lösung  der  Gleichung  (24)  ist,  so  führt  die  Transformation: 

diese    Gleichung    in    eine    andere    derselben    Art    über,    der    offenbar 

,      ,     ,  .  ,  ,  ,         B* 

X ,  y,  z j   sowie    auch    x'^  -j-  y'^  -\-  z"^  =  —  genügen,  da  d^  =  R^  eine 

Lösung  von  (24)  ist*).  Nach  dem,  was  wir  vorhin  gesehen  haben, 
sind  dann  auch  auf  der  Ortsfläche  des  Punktes  (x\  y',  z')  die  Curven 
u,  V  die  Krümmungslinien. 

§  59.     Einige  Anwendungen. 

Wir  machen  nun  einige  Anwendungen  von  den  Ergebnissen  des 
vorigen  Paragraphen. 

1)  Wir  betrachten  die  Gleichung: 

/"f    ,=  0  **■) 
du  cv  ^' 

Ihre  allgemeine  Lösung  ist  die  Summe  zweier  willkürlicher  Functionen, 
von  denen  die  eine  nur  von  u,  die  andere  nur  von  v  abhängt.  Wird 
demnach 

(26)  x  =  /; (m)  +  qPi (v) ,  y  =  f^ {u)  +  (f^ {v) ,  z  =  f^{u) -\-  cp, (v) 
gesetzt,  so  bilden  auf  der  hierdurch  definierten  Fläche  die  Curven  u,  v 
ein  conjugiertes  System.  Diese  Flächen  werden  Translations flächen 
genannt,  weil  sie  durch  die  translatorische  Bewegung  einer  Curve  er- 
zeugt werden,  deren  sämtliche  Punkte  infolge  der  Translation  congruente 
Curven  beschreiben.     In  der  That  braucht  man  dazu  nur  der  Curve: 

^  =  fi  {u),      y=f^{u),      z  =  i\  (m) 
eine  Translationsbewegung  zu  erteilen,  bei  der  jeder  ihrer  Punkte  eine 
der  Curve: 

congruente  Curve  beschreibt. 

Es  ist  klar,  dass  die  Art  der  Erzeugung  dieser  Flächen  eine 
doppelte  ist,  insofern  als  sie  durch  Translation  entweder  einer  Curve  u 
oder  einer  Curve  v  entstehen. 


*)  Darboux,  Bd.  I,  S.  208. 
**)  Ebenda,  S.  98  ff. 


§59.    Einige  Anwendungen.  -113 

Mit  Lie  können   wir  uns    die  Translationsflächen  folgendermassen 
erzeugt  denken:  Wir  betrachten  die  beiden  Curven: 

dann  ist  die  Fläche   der  Ort  der  Mittelpunkte  aller  Strecken,    welche 
die  Punkte  der  ersten  mit  den  Punkten  der  zweiten   Curve  verbinden. 
Wie   ersichtlich,  ist  die  Differentialgleichung  der  Haupttangenten- 
curven  für  die  Translationsflächen  gegeben  durch  (vgL  (3*),  S.  87): 
/•x"(«)     /"."(**)    /"»"Wj  \9x"(v)     g>,"iv)    q>,"{v) 

/■/(«)     A'(«)     rs'(t*)U«^+'    /•/(")      A'W      fs(u)    dv'=0. 

Wi^)   9>ii^)   WC»-')  I  i  9>i(v)   ^ii^)    WC^O  i 

Wenn  insbesondere 

/;  =  0,  ^'i  =  0 

angenommen  wird,  so  werden  die  Veränderlichen  getrennt,  d.  h.:  Für 
eine  Translationsfläche,  deren  erzeugende  Curven  in  auf  ein- 
ander senkrechten  Ebenen  liegen,  ergeben  sich  die  Haupttan- 
gentencurven  mittels  Quadraturen. 

2)  Wir  betrachten  zweitens  die  Gleichung*): 

(2i)  (u  —  v)  .^^^  =  mi^ riTT-     Im,  n  =  Const.). 

Man  sieht  sofort,  dass  für  beliebige  Werte  der  Constanten  A  und  a 

^  =  J.(m  —  a)'"(t7  —  a)» 
eine  Lösung  derselben  ist.     Setzen  wir  also: 

x  =  A{u~  a)'"  {v  —  «)" ,  y  =  B{u— &)'"  {v  —  &/',  z=C{ii— cj"  {y — c)", 
so  erhalten  wir  eine  Fläche,  auf  der  die  Curven  m,  v  ein  conjugiertes 
System  bilden.  Als  Differentialgleichung  der  Haupttangentencurven 
dieser  Fläche  ergiebt  sich  die  Gleichung: 

m{m  —  l)du-  n{n  —  \)dc* 

(tt  —  a){u  —  h)  (tt  —  c)         (fj  —  a){jß  —  h){v  —  c) 

die  mittels  Quadraturen  durch  elliptische  Functionen  integriert  wird. 
Ist  m  =  ii,  so  ist  die  Gleichung  der  Fläche: 
L  1l  L 

(^)"'(^-^-) +  (!)'"  (^-«)  +  {c)"'(«-^^=(«-w-^)(«-^), 

und  die  Integralgleichung  der  Haupttangentencurven  ist  in  ?<,  v  alge- 
braisch. 

Insbesondere  betrachten  wir  den  Fall  einer  Fläche  zweiten  Gi-ades: 

;«  =  «  =  4. 


*)  Darboux,  Bd.  I,  S.  242. 

B  i  a  u  c  Ii  i ,  UifTereutialgeonictrie 


114  Kuj).  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie. 

Mit  Rücksicht  darauf,  dass  liier  u-\-v  eine  Lösung  der  Gleichung  (27) 
ist,  erhellt,  wenn 

^[2  _|_  J52  _|_  c^  _  0 

gesetzt  wird,  dass  die  Curven  u,  v  gerade  die  Krümmungslinien  der 
Fläche  zweiten  Grades  sein  werden,  da  jetzt  x^  -\-  y'^  -\-  z^  eine  Lösung 
von  (27)  ist.     Im  Einklang  hiermit  braucht  man  bei  dem  Ellipsoid: 

nur 

ZU  setzen,  wo  ^t  zwischen  —  }^^  und  —  /3^  und  ^'  zwischen  —  /3^  und 
—  «^  variiert,  um  alle  reellen  Punkte  des  Ellipsoids  (in  elliptischen 
Coordinaten)  zu  erhalten. 

Anmerkung.  In  den  Anwendungen  kommen  oft  die  auf  die 
Hauptkrümmungsradien,  die  Krümmungslinien  und  die  Haupttangenten- 
curven  einer  Fläche  bezüglichen  Gleichungen  vor,  wenn  die  Gleichung 
der  Fläche  in  der  gewöhnlichen  Form: 

z  =  z{x,  y), 
bezogen    auf   rechtwinklige   Cartesische   Axen,    gegeben    ist.     Um    die- 
selben zu  erhalten,  setzen  wir  in  unseren  allgemeinen  Gleichungen 

u  =  X,     V  =  y 
und  führen  die  üblichen  Monge'schen  Bezeichnungen  ein: 

dz  dz 

"        dx         ^         dy 

d^z  d^z  , c^z 

cx^  oxcy  cy^ 

Dann  erhalten  wir  als  Coefficienten  E,  F,  G  der  ersten  Grundform: 

(a)  E=l+p%      F  =  pq,      G  =  1  -{- q\ 

Als  Richtungscosinus  der  Normale  ergeben  sich: 

P  V  1 


w  yi  +  i>^  +  3^  T/i+i>^+-2^         yi  +  p'  +  2' 

demnach  als  Coefficienten  D,  D',  D"  der  zweiten  Grundform: 

(c)  Z>  =  ~=^L=,    D'==  ^        '     =.,    JD"=    ^        ^    ==• 

^  ^  yi  +  p^  +  3^  Vi  +  p^  +  2'  yi  +i>'  +  2' 

Die    mittlere   Krümmung  H  und    die    Totalkrümmung  K  der   Fläche 
sind  daher  durch  die  folgenden  Ausdrücke  gegeben: 

(d)  ^_2i^2^-0+i^!)i^il+J>-  ..      j^___rt~s^- 


§  60.    Berechnung  der  DiflFerentialparameter. 


115 


Endlich  lautet  die  Differentialgleichimg  der  Haupttangentencurven  bezw. 
Krönimuncrslinien  wie  folgt: 


(f)  rda?  +  2sdxdy  +  tdy'-  =  0, 

{(1  ^f)s-pqr]da^  +  {(1  +  p^  -  (1  +  $>}  dxdy  + 
+  {pit-{l-\-^)s)df  =  0. 


(g) 


§  60.    Bereclmuiig  der  Differentialparameter. 

Zum  Schlüsse  dieses  Kapitels  geben  wir  die  wichtigen  Ausdrücke 
für  die  Differentialparameter  von  x,  y,  £,  X,  T,  Z  und  füi-  ihre  beiden 
Functionen: 

g  =  ^(x^-\-f-  +  z'),      W=  Xx  +  Tu  +  Zz, 

von  denen  die  erste  das  halbe  Quadrat  der  Entfernung  des  Coordinaten- 
anfangspunktes  vom  Fläehenpunkte  (x,  y,  z)  und  die  zweite  die  Ent- 
fernung des  Coordinatenanfangspunktes  von  der  Tangentialebene  darstellt. 
Um  sie  zu  berechnen,  beziehen  wir  uns  unter  Benutzung  der  In- 
varianteneigenschaften der  Differentialparameter  der  grösseren  Bequem- 
lichkeit halber  auf  die  Krümmungslinien  als  Parameterlinien,  wobei 
wir  beachten,  dass  die  Determinante: 

1    dx       1    cy        l     cz 
y~Edu     yEcu     YEdu 

1    ex        1     dy        1     cz     = -\-  1 

y^cv    yadv    y~Gcv 

X  Y  Z 

die  einer  orthogonalen  Substitution  ist  (vgl.  S.  63),   und  uns    im  vor- 
liegenden Falle  der  Gleichungen  (vgl.  {13)  S.  102): 


ex 


cX 


ex 


eX 


bedienen. 

Da  nach  (14)  und  (16),  §  35,  S.  67  jetzt 

ist,  erhalten  wir: 

(28)  \x=l-X%     A,y=l-Y%     A,z  =  1  -  Z^-, 

(29)  V(:r,  y)  =  -  X  Y,     V(x,  .-)  =  -  XZ,     A  (y,  z)  =  -  YZ. 
Femer  haben  wir: 


110  Kap.  4.    Die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheoi-ie. 

und  analog  A^  Y,  Aj  Z,  woraus  folgt : 

A,X+A,r+A,Z=A  +  ^- 

'i         '2 

Behufs  Berechnung  von  A<^x  können  wir  auf  die  allgemeine  Gleichung 

(24),  §  26,  S.  47,  zurückgehen.     Dieselbe  ergiebt  hier: 

^  EG F^  ' 

wo  die  Xrs  die  covarianten  zweiten  Derivierten  von  x  bezüglich  der 
ersten  Grundform  sind.  Infolge  der  Gleichungen  (I),  §  47,  ist  aber 
(vgl.  (22),  S.  46): 

Xii  =  DX,     X12  =  D'X,     X.22  =  B"X, 
also: 

A      —  ^-P  +  ED"— 2FD'  ^ 
^2^  Fa  —  F^ 

oder  (nach  (18),  S.  105): 

(A)  A,x  =  -HX  =  -  (>   +  ^-)  X. 

Diese  wichtige  von  Beltrami  abgeleitete  Gleichung  zeigt  (§  38, 
S.  73),  dass  auf  den  Flächen  von  der  mittleren  Krümmung  Null 
(Minimalflächen)  die  Schnitte  mit  einem  System  paralleler  Ebenen 
einem  Isothermensystem  angehören. 

Eine  weitere  Gleichung,  die  für  die  Theorie  der  Abwickelbarkeit 
von  grosser  Wichtigkeit  ist,  erhält  man,  wenn  man  den  Differential- 
parameter -(§  26,  S.  48) 

/y*        /v»  _____    /y*       * 

A       ^.  •^ll'^JS  •^12_ 

bildet.  Für  ihn  ergiebt  sich  infolge  der  obigen  Werte  von  x^^^,  x^,y,  x.^^ 
und  der  Gleichungen  (28)  der  Ausdruck  (vgl.  (18),  S.  105): 

(B)  A22^  ==  (1  —  Ai^)^=  X^K. 

Dieses  ist  eine  partielle  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  für 
X  (auch  y  und  z  genügen  ihr),  deren  Coefficienten  nur  aus  denjenigen 
der  ersten  Fundamentalform  gebildet  sind. 

Einer  Gleichung  derselben  Art  genügt  auch 
p  =  i(:r^  +  y^  +  ^^). 
In  der  That  finden  wir  zunächst  bei  Zugrundelegung  der  Krümmungs- 
linien als  Parameterlinien  nach  (14),  S.  67: 

Ai9  =  2p—  TTl 
Beachten  wir  ferner,  dass  sich  für  die  covarianten  zweiten  Differential- 
quotienten von  Q  nach  (22),  S.  46,  sowie  wegen  der  obigen  Werte  von 

/y»  /y>  /v» 

'^11 J        12?        "l^'l 


§  60.    Berechnnng  der  DiflFerentialparameter.  117 

ergiebt,  so  haben  vrir  sofort  nach  (24),  S.  47,  und  nach  (18),  S.  105: 

femer  nach  (26),  S.  48: 

A.„o  =  l  —  Wi^  +  ^)  +  ^V'-K. 

Durch    Elimination   von    W   und    W'    aus   den   Ausdrücken   für   i^j  o, 
Ag^),  Aggp  erhalten  "svir  endlich  noch  die  Gleichung: 

(C)  Aop  — A,,9  =  1 +X(A,p  — 2p). 


Kapitel  Y. 
Die  sphärische  Abhildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

Sphärische  Abbildung  nach  Gauss  und  ihre  Eigenschaften.  —  Satz  von  Enneper 
über  die  Torsion  der  Haupttangentencurven.  —  Allgemeine  Formeln  für  die  sphä- 
rische Abbildung.  —  Die  Flächen  bezogen  auf  ihre  Haupttangentencurven.  — 
Formeln  von  Lelieuvre.  —  Die  Flächen  mit  positivem  Krümmungsmass  bezogen 
auf  ein  isotherm-conjugiertes  System.  —  Formeln  von  Weingarten  für  die  Ebenen- 
coordinaten der  Flächen.  —  Flächen  mit  gegebenem  Bilde  eines  conjugierten 
Systems.  —  Flächen  mit  einer  Schar  von  Krümmungslinien  in  parallelen  Ebenen. 


§  61.     Sphärische  Abbildung  nach  Gauss. 

Sehr  nutzbringend  für  das  Studium  jeder  nicht  abwickelbaren 
Fläche  ist  eine  punktweise  Abbildung  derselben  auf  die  Kugel,  welche 
die  Gaussische  Abbildung  heisst  und  die  wir  folgendermassen  er- 
halten: Es  sei  S  eine  Fläche,  M  ein  beweglicher  Punkt  auf  ihr;  wir 
beschreiben  eine  Kugel  und  ziehen  durch  ihren  Mittelpunkt  den  Radius 
parallel  der  positiven  Richtung  der  in  31  auf  ;S^  errichteten  Normale. 
Der  Endpunkt  M'  des  Radius  heisse  das  Bild  des  Punktes  M.  Wenn 
sich  31  auf  der  Fläche  S  (oder  auf  einem  Gebiete  der  Fläche)  bewegt, 
so  bewegt  sich  sein  Bildpunkt  31'  auf  einem  entsprechenden  Gebiete 
der  Bildkugel.  Es  versteht  sich,  dass  dieses  sphärische  Bild  die  Kugel 
im  allgemeinen  mehrfach  überdecken  wird,  nämlich  dann,  wenn  inner- 
halb des  betreffenden  Gebietes  von  S  die  Normale  von  S  in  verschie- 
denen Punkten  von  S  dieselbe  positive  Richtung  hat.  Wenn  man  will, 
so  kann  man  im  allgemeinen  das  Gebiet  von  S  in  mehrere  Teilgebiete 
zerlegen  derart,  dass  das  sphärische  Bild  jedes  Teilgebietes  einblättrig  ist. 

Der  Einfachheit  halber  legen  wir  den  Mittelpunkt  der  Kugel  in 
den  Coordinatenanfang  und  setzen  ihren  Radius  gleich  der  Längenein- 
heit. Dann  ist  klar,  dass,  wenn  x,  y,  z  die  Coordinaten  eines  Punktes 
31  von  S  sind,  diejenigen  des  Bildpunktes  M'  auf  der  Kugel  genau 
die  Cosinus  der  (positiven)  Normalenrichtung,  X,  Y,  Z,  sind.  Bezeich- 
nen wir  demnach  das  Linienelement  "der  Bildkugel  mit  ds',  so  haben  wir: 


§  61.    Sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  119 

und  setzen  wir: 

ds'^  =  edu-  +  2  f  du  dl-  +  gdv\ 

so  finden  wir  mit  Hilfe  der  Fundamentalgleichungen  (11),  §  47,  Kap.  IV, 
(S.  90)  leicht: 

(1)    c  =  -{KE+nB).  f=-(KF+HD'),  g  =  -{KG-\-RD")*\ 

d.  h.: 

\ds'-  =  —K(Edtt^  +  2FdHdv  +  Gdv-)  — 


^^^  [  —  EiDdu^  +  2D'dudv  +  D"^»«). 

Im  allgemeinen  giebt  es  bei  jeder  punktweisen  Abbildung  einer  Fläche 
auf  eine  andere  ein  und  nur  ein  (stets  reelles)  Orthogonalsystem  auf  der 
einen,  das  in  ein  ebensolches  auf  der  anderen  übergeht,  wofern  die  Ab- 
bildung nicht  conform  ist,  in  welchem  Falle  jedes  Orthogonalystem  auf 
der  einen  in  ein  ebensolches  auf  der  anderen  übergeht**).  Nun  sieht 
man  sofort,  dass  im  allgemeinen  dasjenige  Orthogonalsystem 
auf  der  Fläche,  das  bei  der  sphärischen  Abbildung  von  Gauss 
in  ein  ebensolches  übergeht,  das  der  Krümmungslinien  ist. 

Denn  wenn  das  System  (m,  v)  auf  der  Fläche  orthogonal  ist,  so 

ist  ^^=0.    Ist  das  entsprechende  auf  der  Kugel  nach  (1)  orthogonal,  so 

folgt   auch: 

HI)'=  0, 

also  ist  (abgesehen  von  dem  Fall  H=0)  D'=  0,  und  die  Gleichungen: 
F  =  0,  D'=  0  charakterisieren  eben  das  System  (u,  v)  als  das  der 
Krümmungslini  en . 

Im  Falle  H=  0  hat  jedes  Orthogonalsystem  auf  der  Fläche  ein 
orthogonales  sphärisches  Bild.    Dai-aus  folgt:  Die  sphärische  Abbil- 


*)  K,  H  bezeichnen  wie  gewöhnlich  die  totale  und  die  mittlere  Krümmung: 
DB'—B"'  2  FD  —  ED"—  GB 

EG—F^'  EG  —  F^ 

**)  Dieser  Satz  ergiebt  sich  leicht  aus  den  Ergebnissen  des  §  31,  Kap.  IT 
über  simultane  binäre  quadratische  Formen.  Es  mögen  auf  den  beiden  Flächen 
zwei  entsprechende  Systeme  (u,  v)  zu  Parameterlinien  gewählt  werden.  Dann 
können  die  beiden  (definiten)  quadratischen  Formen: 

ds'-  =  Edu-  +  -iFdudv  +  Gdv-,      ds'-  =  E'du-  -{-  -iF'dudv  +  G'dc', 
welche  die  Quadrate  der  Linienelemente  der  Flächen  darstellen,  auf  eine  und  nur 
auf  eine  Weise  gleichzeitig  auf  Orthogonalformen  gebracht  werden,  falls  nicht 
die  Proportion: 

E' :  F':  G' ==  E  :  F  :  G 

besteht.  Im  letzteren  Falle  ist  die  Abbildung  conform,  d.  h.  alle  Orthogonalsysteme 
gehen  in  ebensolche  über,  und  die  obige  Reduction  ist  auf  unendlich  viele  Weisen 
möglich. 


120     Kap.  5.     Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

dung  nach  Gauss    ist  nur    für  die  Flächen  von   der  mittleren 
Krümmung  Null  und  für  die  Kugel  eine  conforme. 

Diese  wichtige  Eigenschaft  der  Flächen  von  der  mittleren  Krümmung 
Null,  der  sogenannten  Minimal  flächen,  bildet  die  Grundlage  für  den 
Zusammenhang,  der,  wie  wir  im  weiteren  sehen  werden,  zwischen  der 
Theorie  dieser  Flächen  und  derjenigen  der  Functionen  einer  complexen 
Veränderlichen  besteht. 

§  62.     Eigenschaften  der  Gaussisclien  Abbildung  und  Satz  von 
Enneper  über  die  Torsion  der  Haupttangenteneurven. 

Aus    den   Gleichungen   (1)  können  wir  noch   eine  weitere  bemer- 
kenswerte Folgerung  ziehen.     Wir  nehmen  an,   das  System  (u,  v)  auf 
der  Fläche  wäre  conjugiert,  d.  h.  D'=  0.    Die  Gleichungen  (1)  geben: 
_       GD^  FDD"  ED"' 


EG—F^'      I  EG  —  F^'      ^        EG  —  F^ 

Bezeichnen  wir  mit  co  bez.  Sl  den  Winkel,  der  von  den  positiven  Rich- 
tungen der  Parameterlinien  in  jedem  Punkte  der  Fläche  S  bez.  der 
Bildkugel  gebildet  wird,  so  folgt  aus  den  Gleichungen  (vgl.  (6),  S.  63): 

F  f 

cos  CO  =  -7= }     cos  iß  =  -f-  *) 
YEG  yeg    ^ 

das  Ergebnis: 

COS.ß  =  +  cos  CO, 

wo  das  obere  Zeichen  für  einen  hyperbolischen  Punkt  (bei  dem  D,  D" 
verschiedene  Zeichen  haben),  das  untere  für  einen  elliptischen  Punkt 
gilt.  Daraus  schliessen  wir :  Bei  der  sphärischen  Abbildung  bleibt 
der  Winkel  zweier  conjugierter  Richtungen  auf  der  Fläche 
entweder  ungeändert  oder  er  geht  in  den  Supplementwinkel 
über,  je  nachdem  der  Punkt,  von  dem  die  beiden  Richtungen 
ausgehen,  hyperbolisch  oder  elliptisch  ist. 

Weniger  streng  ergiebt  sich  dieser  Satz  auch  auf  Grund  der  fol- 
genden Ueberlegung:  Es  seien  t,  t'  zwei  conjugierte  Richtungen  auf  der 
Fläche.  Dann  erhalten  wir,  wenn  wir  mit  den  Symbolen  d  bez.  d  die 
nach  diesen  Richtungen  gerechneten  Differentiale  bezeichnen  (vgl.  §  56, 

S.  108): 

^  dxdX+öyclY-}-  d2dZ=0. 

Da  nun  dX,  dY,  dZ  den  Cosinus  der  t  entsprechenden  Richtung  auf 
der  Kugel  proportional  sind,  so  folgt,  dass  diese  Richtung  auf  der  Rich- 
tung t'  senkrecht  steht. 

Hieraus  ergiebt  sich,  dass  für  die  (auf  einander  senkrechten) 
Hauptrichtungen  und  nur  für  diese   die   entsprechende  Rich- 

*)  Es  sei  daran  erinnert,  dass  die  Vorzeichen  der  Wurzeln  positiv  zu  nehmen  sind. 


§  62.    Ennepers  Satz  über  die  Torsion  der  Haupttangentencurven.       121 

fcung  auf  der  Kugel  der  ursprünglichen  parallel  wird,  wie 
auch  aus  den  Gleichungen  von  Rodrigues  (§  54,  Kap.  IV,  (13))  erhellt. 

Wir  sehen  auch^  dass  sich  nach  dem  Vorstehenden  für  die  Haupt- 
tangentenrichtungen die  folgende  Definition  ergiebt:  Die  Haupttan- 
gentenrichtungen sind  diejenigen,  welche  bei  der  sphärischen 
Abbildung  um  einen  rechten  Winkel  gedreht  werden. 

Wir  kehren  nun  zu  den  allgemeinen  Gleichungen  (1)  zurück  und 
berechnen   das  Flächenelement  der  Kugel  (§  33,  S.  63): 


d6'=  Yeg  —  /^  dudv. 

Wir  erhalten: 

d6'=  KYEG  —  F^  dudv  =  Kd6, 
wenn  d6  das  Flächenelement  der  gegebenen  Fläche  ist. 

Wenn  wir  also  um  einen  Punkt  M  der  Fläche  eine  kleine  ge- 
schlossene Curve  ziehen  und  mit  6  das  eingeschlossene  Flächenstück- 
chen, mit  <?'  das  entsprechende   des   sphärischen  Bildes  bezeichnen,   so 

conTergiert  das  Verhältnis  — ,  wenn  das  Flächenstückchen  6  (nach  einem 
beliebigen  Gesetz)  unendlich  klein  wird,  gegen  den  Wert  der  Total- 
krümmung K= im  Punkte  M.     Diese  von  Gauss  gegebene  De- 

''i  '"• 
finition  des  Krümmungsmasses  weist,  wie  man  sieht,  eine  TÖllige  Ana- 
logie zu  derjenigen  der  Krümmung  ebener  Curren  auf. 

Zum  Schlüsse  leiten  wir  aus  denselben  Gleichungen  (1)  oder  (2) 
den  Satz  von  Enneper  ab:  Das  Quadrat  der  Torsion  der  Haupt- 
tangentencurven ist  in  jedem  Punkte  gleich  der  mit  entgegen- 
gesetztem Zeichen  genommenen  Totalkrümmung  der  Fläche. 

Zum  Beweise  braucht  nur  beachtet  zu  werden,  dass  für  eine  Haupt- 
tangeutencurve  die  Richtungscosinus  der  Binormale  gerade 

X,  Y,  Z 

sind  und  also  nach  §  5 

_L  _  ^3:*  +  dT-  -f  dZ^  _  ds^ 
T*~  ds^  ~~  ds' 

ist.  Wegen  der  Gleichung  (2)  aber  und  unter  Berücksichtigung  des 
Umstandes,  dass  längs  einer  Haupttangentencurve  nach  §  57 

Ddu^  +  2D'dudv  +  D"dv^  =  0 
ist,  erhalten  wir: 

fs  =  —  K. 

Dieser  Satz  wird  nachher  in  §  65  weiter  ausgeführt  werden,  wo 
unter  Berücksichtigung  des  Vorzeichens  der  Toi-sion  bewiesen  werden 
wird,   dass   in   jedem  (hyperbolischen)  Punkte   der  Fläche   die 


122     Kap.  5.    Die  sphärische  Abbihhmg  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

beiden  Haiipttangentencurven,  die  sich  in  dem  Punkte  durch- 
kreuzen, gleiche,  aber  dem  Zeichen  nach  entgegengesetzte 
Torsion  haben. 


§  63.     Allgemeine  Formeln  für  die  sphärische  Abbildung. 

Für  viele  Fragen  der  allgemeinen  Flächentheorie  ist  die  Unter- 
suchung der  Flächen  mit  gegebener  sphärischer  Abbildung  von 
Wichtigkeit.  Wir  wollen  nun  in  diesem  Paragraphen  die  allgemeinen 
Gleichungen  aufstellen,  die  sich  auf  das  Problem  beziehen:  Wenn  die 
dritte  Differentialform: 
(3)  ds'^  =  edu^  +  2fdudv  +  gdv^, 

gegeben  ist,  d.  h.  e,  /',  g  als  Functionen   von  u   und  v  gegeben 
sind,   sollen  die  zugehörigen  Flächen  bestimmt  werden. 

Zu  diesem  Zwecke  suchen  wir  die  notwendigen  und  hinreichenden 
Bedingungen  auf,  denen  die  Coefficienten  D,  D',  D"  der  zweiten  Grund- 
form genügen  müssen.  Sind  diese  Bedingungen  erfüllt  und  werden 
X,  Y,  Z  als  bekannte  Functionen  von  u  und  v  vorausgesetzt,  so  lässt 
sich  nachweisen,  dass  sich  die  entsprechende  Fläche  mittels  Quadra- 
turen ergiebt. 

^  Zunächst  sind  die  Grundgleichungen  (I)  des  §  47,  Kap.  IV  (S.  89), 
angewandt  auf  die  Bildkugel,  anzusetzen.  Da  die  Cosinus  der  nach 
aussen  gerichteten  Kugelnormale  eben  X,  Y,  Z  sind,  so  ist  die 
zweite  Grundform  bezüglich  der  Kugel,  mit  entgegengesetztem  Vor- 
zeichen genommen,  mit  der  ersten  identisch*).  Die  angeführten  Glei- 
chungen lauten  also  in  dem  vorliegenden  Falle: 

du'    ~~  \   l   l    cu  ^  \  ^  j    cv         ^      ' 


(4) 


dudv~  \  1  j    git  +  1  2   I     --         ^      ' 


c'X   _   i22\   dX         [221    dX_      Y 
cv'    "~   l   1   I    Yu   +   1  2   J     cv         ^^' 


wo  der  Strich  an  den  Christoffel'schen  Symbolen  andeuten  soll,  dass 
dieselben  aus  den  Coefficienten  e,  f,  g  der  dritten  Grundform  (3)  ge- 
bildet sind**). 


*)  Es  wird  hier  also  als  positive  Seite  der  Kugel  die  äussere  genommen 
und  in  Uebereinstimmung  mit  den  grundlegenden  Festsetzungen  des  §  46,  Kap.  IV, 
vorausgesetzt,  dass  auf  dieser  positiven  Seite  die  positive  it- Richtung  links  von 
der  positiven  t"- Richtung  liegt. 

**)  Wie  immer  lassen  wir  auch  hier  die  analogen  Gleichungen  in  Y  und  Z  weg. 


§  63.    Allgemeine  Formeln  für  die  sphärische  Abbildung.  123 

Wir  setzen  nun  die  Grundgleichungen  11  (§  47,  Kap.  IV,  S.  90)  an, 
aber  in  anders   aufgelöster  Form,   wobei   wir  mittels  der  Gleichungen 
(1),  §  61  >  die  Coefficienten  e,  f,  g  einfuhren,  und  finden: 
(ex        fP'  —  gP   cX        fP  —  eP'  cX 


(6) 


.  Fm  eg  —  P     cii^     eg  —  P     cv 

(^)  \cx        fP"-gP'cX    .    fP'-eD"dX 

\cv  eg  —  f-     cu     '       eg  —  P      dv 

Nun  drücken  wir  in  den  Integrabilitätsbedingungen: 

^(£^)_^(i^)  =  0     U.S.W. 
cv  \cu/        cu  \c  v/ 

die  zweiten  Differentialquotienten  von  X    mittels  der  Gleichungen  (4) 

aus  und  setzen   für  die  Differentialquotienten   der  Coefficienten  e,  f,  g 

ihre  Werte   in    den   Christoffelschen    Symbolen    ein.     Nach    einfachen 

Umformungen  finden  wir  als  die  gesuchten  Bedingungen*): 

|lf-^i^--{V}'^+[|V}'-{V}]^'+{Vk=o, 

te-w+}?r^+[m'- {?}>'- {v}'^-o. 

Dies  sind  genau  die  Codazzi'schen  Gleichungen  (I\^,  §  48,' Kap.  IV 
(S.  91),  wenn  an  Stelle  der  ersten  Grundform  die  dritte  gesetzt  wird. 
Genügen  ihnen  D,  D',  D",  so  ist  die  entsprechende  Fläche  wirklich 
vorhanden  und  ergiebt  sich  mittels  Quadraturen  aus  den  Gleichungen 
(5).  Wir  kommen  somit  zu  dem  einfachen  Ergebnis:  Sind  die 
beiden  Differentialformen: 

Bdu^  +  2D'dudv  +  D"dv, 
edu^-\-    2fdudv  -{- gdv^ 
gegeben,    von    denen    die  zweite   definit  ist    und   die   positive 
KrümmungEins  besitzt,  so  ist  dafür,  dass  eine  Fläche  existiere, 

*)  um  diese  Rechnung  in    aller  Kürze    durchzuführen,    setze    man    für    den 
Augenblick: 
fP'-gP       „       fP-eP'  fP"-  gP'  _  p       fB'-  eP"  _  ^ 

woraus  folgt: 

Me  -{-  yf=  -  P,      Mf  +  Xg  =  Pe  +  Qf  ==  -  P\      Pf-{-  Qü  =  -  D'. 
Als  Integrabilitätsbedingungen  erhält  man  die  Gleichungen: 

^-i-ivr-+rvr--+!V)''^^^-<'^=». 

die  unmittelbar  in  die  Gleichungen  (6)  des  Textes  übergehen. 


124     Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

welche  dieselben  als  zweite  und  dritte  Grundform  besitzt, 
notwendig  und  hinreichend,  dass  die  Codazzi'schen  Gleichun- 
gen (6)  erfüllt  sind.  Die  betreffende  Fläche  ist  eindeutig 
bestimmt  und  ergiebt  sich,  wenn  X,  Y,  Z  als  Functionen 
von  u  und  v  bekannt  sind,  mittels  Quadraturen  aus  den  Glei- 
chungen (5). 

Die  Bestimmung  von  X,  Y,  Z,  wenn  nur  die  Coefficienten  e,f,g 
bekannt  sind,  hängt  von  einer  Riccati'schen  Gleichung  ab  (§  50,  Kap.  IV). 

Wie  in  §  48  (S.  92)  sieht  man,  dass  die  Gleichungen  (6)  auch  in 
der  folgenden  Form  geschrieben  werden  können: 

+  1^^]'^-^- 2(12)'-^=+^^^^'-    ^" 


(G*) 


Veg-r 

^  1  1  J  Veg-r  \  1  j  V^-P^  \  1   j  Veg-r 

Endlich  leiten  wir  die  Gleichungen  ab,  die  uns  die  Werte  für 

geben,  wenn  r^  und  r^  die  Hauptkrümmungsradien  der  Fläche  sind. 
Als  die  quadratische  Gleichung,  durch  die  sie  bestimmt  werden,  erhalten 
wir  nach  Formel  (9);  §  52,  S.  100,  die  folgende: 

0)       (eg  —  P)r^  +  (eD"+  gB  —  2fD')r  +  DI)"—  D'^  =  0. 

Also  ist: 

2/"Z)'—  eD"—  gD 


(8) 


**i  +  ^i 


eg-r 

_  DD"—  B"" 

i'2      ~      eg  —  r 


r.,r> 


Aus   den  Gleichungen   (1),  §  61,   finden   wir  für  die  Coefficienten   des 
Quadrates  des  Linienelementes   der  Fläche  die  Werte: 

(9)      l^=~  (*"i  +  ^'-^^  —  n^2^;      F=  —  (r,  +  r,)D'  —  r,rj, 
\  Q^_(^^^_^  r.,)B"—  r^r^g. 

§  64.     Die  näclien  bezogen  auf  ihre  Haupttangentencurven. 

Diese  allgemeinen  Gleichungen  wenden  wir  auf  zwei  Fälle  von 
besonderem  Interesse  an.  Im  ersten  Falle  nehmen  wir  als  Parameter- 
linien  u,  V  auf  der  Kugel  die  Bilder  der  Haupttangentencurven 


§  64.    Die  Flächen  bezogen  auf  ihre  Haupttangent encurven.  125 

der  Fläche,   von  der  wir  also,  indem  wir  uns  auf  reelle  Grössen  be- 
schränken, annehmen,  dass  sie,  wenigstens  in  dem  betreffenden  Gebiet, 
nur  hyperbolische  Punkte  besitze. 
AVir  haben  in  diesem  Falle: 

B  =  0,     IJ"=  0. 
Setzen  wir  nun: 

'•i'"2  =  —  Q', 

d.  h.  bezeichnen  wir   mit j   das   Krümmungsmass   der  Fläche,    so 

erhalten  wir  aus  (8): 

77=^.  =  Q*)- 
yeg  —  f- 

Die  Codazzi'schen  Gleichungen  (6*)  lauten: 

(10)      i^„_2{v}',  H'F=-2{-}; 

wobei  die  geometrische  Bedeutung  von  q  durch  die  Gleichung: 

(11)  ^  =  -v^ 

gegeben  ist. 

Wir  haben  also  das  zum  ei-sten  Mal  von  Diui**)  gefundene  Er- 
gebnis: 

Damit  die  sphärischen  Curven  u^  v  die  Bilder  der  Haupt- 

tangentencurven  einer  Fläche   seien,  ist  notwendig  und   hin- 

reichend,   dass   die   für   das  Linienelement  der  Kugel  berech- 

( 1  2 1 '    f  1  •''  1 ' 
neten  Symbole    i  i   [  7  ]  «'  i    ^^r  Gleichung: 

genügen. 

Ist  diese  Bedingung  erfüllt,  so  wird  q  durch  die  Gleichungen  (10) 
bis  auf  einen  constanten  Proportionalitätsfactor  bestimmt.  Wir  erhalten 
dann  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (5)  den  Satz: 

Die  zugehörige  Fläche  ist  ihrer  Gestalt  nach  mittels 
Quadraturen  durch  die  Gleichungen: 


*)  Wir  lassen  hier  das  doppelte  Zeichen  weg  und  betrachten  die  Grösse  p, 
die  durch  die  folgenden  Gleichungen  (10)  definiert  ist,  als  positiv.  Die  Aende- 
rung  des  Zeichens  von  D'  bedeutet  nur  eine  Aendei'ung  der  Zeichen  der  rechten 
Seiten  in  (5),  d.  h.  es  ist  die  Fläche  nur  durch  die  zum  Coordinatenanfangspunkt 
symmetrisch  gelegene  Fläche  zu  ersetzen. 

**)  Annali  di  matematica,  Ser.  2,  Bd.  4. 


12G      Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 
(  ex gf        cX  Qc        dX 

I   ()u  '\/p.n  —  /*  riu  l/«, 

(13) 


yeg  —  /*  du         Yeg  —  /"*  d'i 


I  dx  

{  cv 


Q9 


dx 


+ 


9f        dX 


yeg  —  P  du         Yeg  —  P  cv 


bestimmt. 

Die  Gleichungen  (8)  werden  dann: 

I  ^fQ  2 

yeg  —  f^ 
und  folglich  die  Gleichungen  (9): 

Für  das  Quadrat   des  Linienelements   der  Fläche   ergiebt  sich 
also  der  Ausdruck: 

(14)  ds'  =  Q\e  du^  —  2fdu  dv  +  gdv'). 

Es  mag  noch  auf  die  einfachen  Beziehungen  hingewiesen  werden,  die 
jetzt  zwischen  den  für  die  Fläche  bez.  Kugel  gebildeten  Christoffel'schen 

I   und         ?      bestehen.      Aus    der    Tabelle    (A),    §  35, 
S.  67,  finden  wir  auf  einfache  Weise.*): 


*)  Es  mag  hier  eine  Reihe  von  einfachen  und  allgemeinen  Gleichungen  an- 
gegeben werden,  die  von  Weingarten  bemerkt  und  dem  Verfasser  brieflich  mit- 
geteilt worden  sind.    Wir  nehmen  die  vier  Gleichungen  (vgl.  §  46): 

^ '^^dx  dX  , '^-^ox  dX  -^^dx  dX 

X  /  dii  du '  X  /   du  dv  '  X  .  dv  du'' 

j.„ -^7  dx  dX 

X  f  dv  cv 
und  differenzieren  jede  derselben  einerseits  nach  u  und  andererseits  nach  v. 
Wenn  wir  dann  für  die  zweiten  Differentialquotienten  von  x  die  durch  die  Grund- 
gleichungen (I),  S.  89,  gegebenen  Werte  und  ebenso  für  diejenigen  von  X  die 
Werte  (4),  S.  122,  einsetzen,  so  erhalten  wir  die  in  Rede  stehenden  Gleichungen, 
die  wir  in  der  folgenden  Tabelle  zusammenstellen: 


^-iv}-+r/i-+i?r-+i\^i-^ 


cu 
dB 


dB' 


\   ov 


l   1   J    ^  +   l   2   J    ^   +  l   1   J  ^  +  1   2   i  ^    ' 


(a) 


§  65.    Zweiter  Beweis  des  Satzes  von  Enneper. 

fjll\  flll'        ..[121'  (22|  f22\'        .^(IJI' 

(  1   J    =  \   1   I  -  -   1  2   r  1  2  j    =   1  2   J  -  -  1    1   J  ' 


127 


(121 
lll 


(121' 

ii  r 


UM  fii\' 

il2j    --l2   j' 


(12)  (121' 

I2I   =-\2\' 


22\ 
1    ( 


(22\' 
ll)' 


§  65.     Zweiter  Beweis  des  Satzes  von  Enneper. 

Wir  zeigen  zunächst,  wie  sich  aus  diesen  Gleichungen  wieder  der 
in  dem  bereits  in  §  62  angedeuteten  Sinne  vervollständigte  Satz  von 
Enneper  ergiebt. 

Wir  betrachten  auf  der  Fläche  S  die  Haupttangentencun'en  v, 
deren  Bogenelement  dSg   infolge  der  Gleichung  (14)  durch 

dSc  =  Q  Y^  du 

gegeben  ist. 

Für    die   Curve    v    erhalten    wir    unter    Beibehaltung    der    in    der 

Curvenlehre  gebrauchten  Bezeichnungen: 

lex  3  ^     cy  1     cz 

cosa=  — ;=r~'      cos  p  ^= — 7=7^'      cosy  = — — — 7 
Qye  cu  Qye  cu  gye  c  it 

d.  h.  infolge  der  Gleichungen  (13): 

f cX  _       ye        cX 

|/e  yeg —  /"*  cu         Yeg  —  /"*  cv 

_f cY^  _        yj        cY 

y e  yeg —  f-  cu         yeg  —  f-  cv 

f cz         yj     cz 


cosa  == 


cos  /3  = 
cosy  = 


V^  Veg  —  r  cu         y~eg  —  f-  cv 

Femer  ist,  da  die  Schmiegungsebene  der  Curve   v  mit  der  Tangential- 
ebene der  Fläche  zusammenfällt, 

cos  A  =  +  X,     cos  ft  =  +  F,     cos  v  =  +  Z, 
und  demnach: 


iT  -   i   1   i  ^  +  l   2   J    ^    +  l   1   J  ^  +  l   2   /  ^   ' 
)"  (2  21  [2  21  (221'  f22)' 


cD" 

c 
CD 

Durch  geeignete  Combination  dieser  acht  Gleichungen  ergeben  sich  wieder 
die  Codazzi'schen  Gleichungen  sowohl  bezüglich  der  ersten  als  auch  der  dritten 
GrundfoiTu  (S.  91  und  S.  123).  Wird  in  den  obigen  Weingarten'schen  Gleichungen 
D  und  D"  gleich  Null  gesetzt,  so  ergeben  sich  unmittelbar  die  Gleichungen  (a) 
des  Textes. 


128      Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 
COs| 


COS  ^    cos  V 
cos  ß    cos  y 


=  + 


Y 


dY 


V~^ 


dY 


f 


cZ 


Ye       dZ 


V^y^il—Pcu        y'eg  —  Pdv      Yeyeg—pcu       yjg  —  pcv 
Analoge   Gleichungen   bestehen   für    cos?;    und   cos  ^.     Ist    „r  die  Tor- 


sion der  Curve  v,   so   kommt   nach  den  Frenet'schen  Formeln  (S.  10): 


=  ^^  cos 


d  cos  X 


=  + 


]/e   jLj 


'V  cos| 


du 


d.  h.  infolge  der  obigen  Gleichung: 

X 


q^i 


cX 
du 

yj  ^8x 
In  cv 


Y 

dY 

du 

yj       dY 


z 

d_Z 

du 

yj     cz 


yeg  —  /*  cv        yeg  —  f^  cv 

Es  ist  aber  nach  §  41,  S.  88,  oben: 

X      Y  Z 

dX     cY  cZ 

du^     du  du 

d_X     dY  cZ^ 

dv      dv  dv 


yeg  —  /■*  dv 


demnach ; 
(15) 


Veg-r, 


=  + 


Wird  entsprechend  mit  jr  die  Torsion  der  Haupttangentencurven 

u 

u  bezeichnet,  so  finden  wir: 


(15*) 


Wie  man  sieht,  geben  diese  Gleichungen  wieder  den  Enneper'schen 
Satz  und  beweisen  ferner,  dass  die  beiden  durch  einen  Flächenpunkt 
gehenden  Haupttangentencurven  zwar  gleiche,  aber  dem  Zeichen  nach 
entgegengesetzte  Torsionen  haben. 


§  66.     Haupttangentencurven  auf  den  Minimalflächen. 

Die  Gleichungen  des  §  64  geben,  angewandt  auf  zwei  wichtige 
Klassen  von  Flächen,  die  wir  weiterhin  untersuchen  werden,  nämlich 
auf  die  Minimalflächen  und  die  pseudosphärischen  Flächen,  unmittelbar 
einige  bemerkenswerte  Sätze. 


§  66.    Hanpttangentencurven  auf  den  Minimalflächen.  129 

Wie  bereits  erwähnt,  werden  als  Minimal  flächen  diejenigen 
Flächen  bezeichnet,  bei  denen  in  jedem  Punkte  die  Hauptkrümmungs- 
radien gleich  und  dem  Vorzeichen  nach  entgegengesetzt  sind.  Ihre 
Haupttangentencurven  sind  reell  und  stehen  auf  einander  senkrecht, 
da  die  Dupin'sche  Indicatrix  in  jedem  Punkte  ans  zwei  (conjugierten) 
gleichseitigen  Hyperbeln  besteht.     Da  hier 

sein  muss,  so   folgt  f=0,   also   auch  F=0  nach   S.  126,   d.  h.   die 
Curven  m,  v  bilden,  wie  bereits  bemerkt,  auf  der  Fläche  und  im  sphä- 
rischen Bilde  ein  Orthogonalsystem.     Weiter  folgt  aber  aus   der  Glei- 
chung (12),  da  wegen  (A),  S.  67 
,  <  (12\'        1  cloge       fl-2\'        1  clogg 

ist,  die  Gleichung: 

c*  löge c*  logg 

cucv  cucv 

Dieselbe  besagt  (nach  (24),  §  38,  S.  72),  dass  die  sphärischen 
Curven  u,  v  isotherm  sind.  Durch  Aenderung  der  Parameter  m,  v  können 
wir  ohne  weiteres  e  gleich  g  machen.  Dann  folgt  aus  den  Gleichungen 
(b)  und  (10),  §  64,  S.  125 : 

1 

Die  Quadrate  der  Linienelemente  auf  der  Kugel  und  auf  der  Fläche 
erhalten  dann  bezüglich  die  Formen: 

Also:  Sowohl  die  Haupttangentencurven  einer  Minimalfläche 
als    auch    ihre    sphärischen    Bilder    sind    Isothermensysteme. 

Die  vorstehenden  Ausdrücke  lassen  wiederum  erkennen,  dass  die  sphä- 
rische Abbildimg  nach  Gauss  für  die  Minimalflächen  conform  ist.  Da 
nun  femer  alle  Isothermensysteme  auf  der  Kugel  bekannt  sind,  so  er- 
geben sich  alle  Minimalflächen  aus  den  Gleichungen  des  Paragraphen  64 
mittels  Quadraturen. 

§  67.     Haupttangentencurven  der  pseudosphärisehen  Flächen. 

Wir  betrachten  Flächen  mit  constantem  negativen  Krüm- 
mungsmass: 

K= i  (o  =  Const.). 

Diese  Flächen  werden  auch  als  pseudosphärische  Flächen  und  g  als 
ihr  Radius  bezeichnet.     Aus  den  Gleichungen  (10)  folgt: 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  U 


130  Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 


1    J  '12 

d.  h.   nach  (A),  S.  67 

'^  cv        '  du  '       '  ov  du  ' 

demnach: 

1^  =  0,     ^  =  0. 

ov  '      cu 

Da  somit  e  eine  Function  von  u  allein  und  g  eine  solche  von  v  allein 
ist,  so  kann  durch  Aenderung  der  Parameter  u,  v  einfach 

e=l,      g  =  l 
gemacht  werden,  und  es  ergiebt  sich,    wenn  mit   cj   der  Winkel    der 
Haupttangenten  auf  der  Fläche  bezeichnet  wird: 
(16)  ds^  =  Q^(du^  +  2cos  ö  du  dv  -\-  dv^), 

(16*)  ds"^  ==       du^  —  2cos  (o  du  dv  -\-  dv'^. 

Wir  betrachten  nun  auf  der  pseudosphärischen  Fläche  S  das  Vier- 
eck, welches  von  vier  Haupttangentencurven : 

U  =  Uq,      U  =^  U^,        V  =  i'o,       V  =  V^ 

gebildet  wird. 

Da  Qdu  das  Bogenelement  der  Curven  v  und  Qdv  dasjenige  der 
Curven  u  ist  und  da  q  constant  ist,  so  haben  die  beiden  Gegenseiten: 

v  =  %,     v  =  v^ 
die    Länge     q{uj^  —  Uq)    und    die    beiden    andern     Seiten    die    Länge 
Qivj^ — Vq).     Es  besteht  also  der  Satz: 

In  jedem  krummlinigen  Viereck,  das  von  vier  Haupttan- 
gentencurven einer  pseudosphärischen  Fläche  gebildet  wird, 
sind  die  gegenüberliegenden  Bogen  einander  gleich. 

Zufolge  (16*)  ist  ferner  klar,  dass  den  sphärischen  Bildern 
der  Haupttangentencurven  dieselbe  Eigenschaft  zukommt. 

Wir  bemerken  noch,  dass  beide  Eigenschaften  für  die  pseudo- 
sphärischen Flächen  charakteristisch  sind.  In  der  That,  wenn  diese 
Eigenschaft  von  den  Curven  u,  v  auf  der  Kugel  vorausgesetzt  wird,  so 
besagt  dieses,    dass    e,  g  durch  Aenderung  der  Parameter  u,  v   gleich 

fl2l  fl2] 

Eins  gemacht  werden  können,  woraus  sich  ]/|=0;    l9|=0  und 

also  infolge  der  Gleichungen  (10)  q  =  Const.   ergiebt.     Berücksichtigt 
man  andrerseits  die  Gleichungen  (a),  §  64,  S.  127: 

fl2\  J12r         fl2\  (121' 

1   1   J    =  -   1   1   1  '        1  2  J    =  -   1  2   p 
SO  gelangt  man  offenbar  zu  derselben  Schlussfolgerung,  wenn  man  vor- 
aussetzt,  dass   die  in  Rede  stehende  Eigenschaft   den   Haupttangenten- 
curven Uj  V  auf  der  Fläche  zykommt. 


§  68.    Formeln  von  Lelieuvre.  131 

Die  Aufgabe,  die  pseudosphärischen  Flächen  zu  bestimmen,  deckt 
sich  mit  der,  auf  der  Kugel  diejenigen  Systeme  von  Gurren  «,  v  zu 
finden,  für  die  das  Quadrat  des  Linienelementes  den  Ausdi-uck  (16*) 
annimmt,  d.  h.  diejenigen  Systeme  zu  finden,  welche  die  Kugelober- 
fläche in  krummlinige  Vierecke  teilen,  deren  Gegenseiten  einander 
gleich  sind.  Wenn  man  nun  mit  Hilfe  der  Gleichung  (IT),  §  35, 
Kap.  ni  (S.  68),  die   Eigenschaft    ausdrückt,    dass  die  Krümmung  der 

Form  (16*)   gleich  Eins  (oder  diejenige   der  Form  (16)  gleich jj 

ist,  so  findet  man  für  a  die  charakteristische  Gleichung: 

(17)  i^^  =  sinc. 

Jeder  Lösung  a  dieser  partiellen  Differentialgleichung  entspricht 
eine  pseudosphärische  Fläche  mit  gegebenem  Radius  q  und  umgekehrt  *). 

§  68.    Formeln  von  Lelienvre. 

Die  Gleichungen  (13)  des  §  64  (S.  126)  gestatten  eine  von  Le- 
lieuvre**) angegebene  elegante  Transformation,  die  füi*  die  Theorie 
der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  von  grosser  Wichtigkeit  ist. 
Diese  Transformation  der  Gleichungen  (13)  ergiebt  sich  unter  Berück- 
sichtigung der  Identitäten  ***) : 

*)  Es  folgt  nämlich  aus  dem  allgemeinen  Satze  des  §  48,  dass,  wenn  co  der 
Gleichung  (17)  genügt,  zu  der  Kugel  das  Linienelement-Quadrat  (16*)  gehört.    Ist 
CO    gegeben,    so    hängt    die    Bestimmung    der    entsprechenden    pseudosphärischen 
Fläche  von  der  Integration  einer  Riccati'schen  Gleichung  ab  (§  50). 
**)  Bulletin  des  Sciences  Mathematiques,  Bd.  12,  S.  126. 

***)  Diese  Identitäten  sind  besondere  Fälle   der  folgenden  für  eine  beliebige 
Fläche  geltenden: 

cz        yCy  E  ex  Fex 

cu  cu  "~  y^EG  —  F*  cv        yEG  ^^F^  c  u\ 

cz  cy  F  ex  G  ex 

X     — ^    TT —    ^= 


cv  cv       yEG  —  F^cv       yEG  —  F^  ( « 

die    dadurch  bewiesen  werden,    dass    man    für   X,    Y,  Z  ihre   Werte  (1),   §  46, 
Kap.  IV,  einsetzt.     So  ist  z.  B.: 

-rr££  _  y  £y  _  1  iez  /cz  ex cz  cx\  _  ey^/exey       cxcy\\ 

du  cu       yEG  —  jP*  \cu\cucv       cv  cu)       cu\cu  cv       cv  cu)\ 

yEG-  F'  \dv[_\cuJ        \cuj        \cuj  _\ 

ex  Fex  ex   .cy^cy        cz  cz~\\ 

cu  I  ctt  cv        cu  cv        Tu  cv  \\ 

E  ex  F  ex 


yEG  —  F'cv       yEG  — F*  du 


132      Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 


(a) 


Ve9 


^^  + 


P  du 

dx 


__e cX 

Yeg  —  /■*  cv 
f         dX 


cu  du 

Y'/'  +  Z^-I. 

CV  dv 


\\/eg  —  p  du         Yeg  —  p  dv 

Die  Gleichungen  (13)  können  demnach  auch  folgendermassen  geschrie- 
ben werden: 


CX 

du 


^=  —  9 


C£ 

du 


^  =  —  9 


Y  Z 

ar  c_z_ 

du  du 

Z  X 

dZ  dx 


CX 

d  V 


=  +  Q 


du 
X 


dz_ 
du 


=  — (> 


Wird 


du 
Y 


7^-  ^  -h  P 
CV  '      *^ 


Y  Z 

cY  dz 

dv  dv 

Z  X 

dZ  dx 


dx    d_Y^ 
du     du 


cz 
dv 


CV 

X 


CV 

Y 


=  +  P 


£X  dY 

dv      dv 


nun 


VqX=1,      ■VQY=ri,      VqZ^I 
gesetzt^  so  ergeben  sich  die  Lelieuvre'schen  Formeln: 


(18) 


CX 

du 


'  du 


V 

t 

dn^ 

du 

du 

t 

1 

El 
du 

du 

cz 

du 


CE,       CT] 

du   du 


CX 

dv 


dv 

dz 
dv 


=  + 


=  + 


+ 


n 

t 

dri 

dv 

dt 

dv 

t 

^ 

El 

dv 

dv 

1 

V 

dv 

dri 

dv 

Nun  sind  X,  Y,  Z  infolge  der  mittleren  der  Gleichungen  (4),  §  63, 
S.  122,  und  infolge  der  Gleichungen  (10),  §  64,  S.  125,  Lösungen  der 
Laplace'schen  Gleichung: 

C^(p 

du 


clogY^  dcp    .    c  log  Yq  ^  _i_  f 
"'  du        dv    '    '  ^ 


0 


dudv    ' 
Da  dieselbe  gleiche  Invarianten  besitzt*),  so  geht  sie,  wenn 

gesetzt  wird,  in  die  folgende  über: 

d^d- 


(19) 


wo 


M 


1     d^YQ 
Yq   dud\ 


dudv 

f    ist. 


=  JfO-, 


*)  Vgl.  Darboux,  Bd.  2,  S.  27. 


§  68.    Formeln  von  Lelieuvre.  133 

Daraus  folgt:  In  den  Lelieii vre'schen  Formeln  (18)  sind 
I,  r^,  t,  drei  particiliare  Lösungen  der  Gleichung  (19). 

Nun  gilt  aber  auch  umgekehrt  der  Satz:  Kennt  man  drei 
linear  unabhängige  particulare  Lösungen  |,  ?j,  t,  einer  will- 
kürlich gewählten  Laplace'schen  Gleichung  von  der  Form: 

Mi-  =  M», 
cucv  ' 

wo  M  eine  beliebige  Function  von   u  und  v   ist,   so   ergeben 

die    Gleichungen  (18)   mittels    Quadraturen    eine   Fläche,    auf 

der  die  Ciirven  ?<,  v  die  Haupttangentencurven  sind  und  deren 

Krümmungsmass  K  in  jedem  Punkte  durch 

gegeben  ist. 

In  der  That   ist  leicht  zu   sehen,    dass  die  Bedingungen  für  die 

Integrabilität  der  Gleichungen  (18)  für  die  Lösungen  |,  ?;,  ^  von  (19) 

identisch  erfüllt  sind;   auf  der  sich  ergebenden  Fläche: 

X  =  x(u,  v),     y  =  y(u,  v),     z  =  z{u,  v) 

sind  I,  >;,  %  infolge   der  Gleichungen    (18)   den   Richtungscosiniis    der 

Normale  proportional-     Demnach  ist,  wenn 

Q  =  ^'  +  r^  +  ^' 
gesetzt  wird: 

X=4='     ^=^-'     ^=-7=' 

y?  v7         y? 

und  die  Gleichungen: 

y^  I  cu   cu  '        X  )  cv    cv  ' 

die  aus  den  Gleichungen  (18)  folgen,  beweisen  eben,  dass  die  Ciirven 
u,  V  die  Haupttangentencurven  sind.     Setzt  man  femer  noch : 

dX'-  +  dY'  +  dZ'  =  edu^  +  2fdudv  +  gdv-, 
so  kommt  man  von  den  Gleichimgen  (18)  wieder  zu  den  Gleichungen 
(13),  sodass  der  Beweis  geführt  ist. 

Nach  dem  vorstehenden  Satze  können  wir  mit  Hilfe  von  geeig- 
neten Gleichungen  (19)  unendlich  viele  Flächen  erhalten,  auf  denen 
wir  unmittelbar  die  Haupttangentencurven  kennen.  Wenn  wir  z.  B. 
die  Gleichung: 

C  U  C  V 

nehmen  und  die  drei  particiliaren  Lösungen 

l  =  V,        ?J  =  1^'  (f),        t=  H' 

wählen,  wo   i'(v)    eine   beliebige  Function    von   v   ist,  so    ergiebt    die 
Integration  der  Gleichungen  (18): 


134     Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

(20)  X  =  —  uiIj(v),     y  =  UV,     z  =J  (vip'iv)  —  ■^{v))dv. 

Diese  Gleichungen  definieren  uns  eine  Fläclie,  auf  der  die  Haupt- 
tangentencurven  v  offenbar  Gerade  sind,  welche  die  ^-Axe  senkrecht 
kreuzen,  d.  h.  ein  gerades  Conoid.  Wegen  der  Willkürlichkeit  der 
Function  il)(v)  ist  die  Fläche  (20)  auch  das  allgemeinste  gerade  Conoid. 

§  69.     Die  Flächen  bezogen  auf  ein  conjugiertes  System. 

Der  zweite  besondere  Fall,  auf  den  wir  die  allgemeinen  Gleichungen 
des  §  63  anwenden  wollen,  soll  derjenige  sein,  in  welchem  die  Curven 
u,  V  auf  der  Kugel  die  Bilder  eines  conjugierten  Systems  auf 
der  Fläche  sind. 

Da  dann  D'=  0  ist,  so  nehmen  die  Gleichungen  (6)  (S.  123)  fol- 
gende einfache  Gestalt  an: 


(21) 


Wenn  ein  System  (m,  v)  auf  der  Kugel  willkürlich  gegeben  ist,  so 
giebt  es  unendlich  viele  Flächen,  für  die  dasselbe  ein  conjugiertes 
System  ist.  Eine  beliebige  dieser  Flächen  ergiebt  sich,  wenn  für  D  und 
D"  zwei  Functionen  von  u  und  v  genommen  werden,  die  den  Glei- 
chungen (21)  oder  den  nach  (20),  S.  45,  äquivalenten  Gleichungen: 


genügen,  und  wenn  alsdann  x,  y,  s  mittels  Quadraturen  aus  den  Glei- 
chungen (5)  (S.  123)  bestimmt  werden,  die  in  diesem  Falle  lauten: 

dx         D     (      dx  .   .ax\ 

\~9  d^-\-t  f,}^ 


(22) 


du         eg  —  f^ 

dx  D"      /  ,     ,.dX  dX\ 


\  '    '    cu  cv / 


[dv         eg  —  P 
und  entsprechend  für  y  und  z. 

Aus  den  Gleichungen  (8)  (S.  124)  ergiebt  sich: 

(23)  r,  +  r2  =  — -^^~t|?,     r^r^  = 


eg-P    '      ^^         eg-r 
Die  Gleichungen  (9)  ebenda  ergeben : 

^     ^  eg  —  P'  eg  —  p'  eg~P 


§  69.    Flächen  bezogen  auf  ein  conjugiertes  System. 


135 


Irs] 
Bereclinen  wir  mittels  dieser  Ausdrücke  die  Symbole   \      [   für  die 

Fläche,  so  finden  wir  unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen  (21)*): 


ffll\         clogl)        fll\' 


(25) 


{7h 


"5-  1  2  j  ' 


(221 
\-2| 

fl2l 
\2j 


f  log  J" 
cv 


■':■}'' 


D    |22\' 

Er  1  1  J' 


22| 
Uli 


B"  }12\'  /ll\  D   |12\' 

-   15-12  1'  l2   j    =-B^\l]' 


Wir  nehmen  nun  im  besonderen  an,  dass  das  System  (m,  v)  auf 
der  Kugel  orthogonal  sei  und  demnach  die  Gurren  ?/,  v  Krümmimgs- 
linien  der  Flächen  seien  (vgl.  §  61,  S.  119).  Es  ist  dann  f  =  0  und 
also  nach  (23): 

D  =  —  e}\,     D"=—gr^. 

Wenn  wir  dieses  in  den  Gleichungen  (21)  einsetzen  und  gleichzeitig 
die  Werte  der  Christofferschen  Symbole  nach  §  35  entwickeln,  so  er- 
halten wir: 


du 


(26) 


cv 
er 


!-  =  (>•! 


\    CU  ^   - 


ajogj^ 

^^       cv 

.  giogv7 

^^^       du 


Die  Aufgabe,  die  Flächen  mit  gegebenen  sphärischen  Bil- 
dern der  Krümmungslinien  zu  bestimmen,  wird  demnach  bei 
dieser  Art  der  Behandlung  auf  die  Integration  des  Systems  (26)  zurück- 
geführt. 

Eine  elegantere  und  mehr  symmetrische  Methode  wird  sich  dem- 
imchst  aus  den  Gleichungen  für  die  Ebenencoordinaten  der  Fläche  ergeben. 


§  70.    Flächen  mit  positiver  Krümmung  bezogen  auf  ein 
isotherm  -  conjugiertes  System. 

Auf  einer  Fläche  (oder  auf  einem  Flächenstück)  mit  positiver  Total- 
krümmung giebt  es  unendlich  viele  conjugierte  Systeme,  für  welche 
die  zweite  Grundform: 

Ddu^  +  2D'dudv  +  B"  dv^- 
die  isotherme  Gestalt  (§  38)  annimmt,  d.  h.  für  die  bei  geeigneter  Wahl 
der  Parameter  u  und  v 
. D  =  D",      D'=  0 

*)  Die  folgenden  Gleichungen  des  Textes  ergeben  sich  auch  unmittelbar  aus 
den  in  der  Anmerkung  §  64,  S.  126,  angegebenen,  wenn  darin  D'  gleich  Null  ge- 
setzt wird. 


136      Kap.  5.    Die  sphärisehe  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 


wird.  Der  Kürze  halber  nennen  wir  solche  Systeme  isotherm- 
conjugiert.  Wir  wollen  nun  für  diese  Systeme,  die  in  vielen  Be- 
ziehungen bei  den  Flächen  mit  elliptischen  Punkten  dieselbe  Rolle 
spielen,  wie  das  System  der  Haupttangentencurven  bei  den  Flächen  mit 
hyperbolischen  Punkten,  die  zugehörigen  Gleichungen  aufstellen.  Ins- 
besondere können  wir,  ohne  auf  die  Realität  der  Parameterlinien  zu 
verzichten*),  für  die  genannten  Flächen  ein  System  von  Gleichungen 
ableiten,  die  den  Lelieuvre'schen  (§  68)  vollkommen  analog  sind. 

Wird  in   den  Gleichungen   des  vorigen  Paragraphen  D  =  D"  an- 
genommen, ferner: 


D 


B" 


V^g 


=  9 


P        Veg-r 
gesetzt,  so  ergiebt  Einsetzen  in  den  Gleichungen  (21*): 


(2^)    -^ 


fll  (22 

llj+ll 


C  logQ 


(22 
.12 


+ 


WO  die  geometrische  Bedeutung  von  q  durch  die  Gleichung: 

1 


(27*) 


K  = 


gegeben  ist.     Die  Gleichungen  (22)  lauten 
i'  dx Q         /       ^.  cX 

\  cv 


(28) 


(- 


cu  cv  / 


,     ,.dX  cX 

-r  f e  — 

Cu  dv 


Veg  -  f 
wonach   sich  £",  F,  G  berechnen  lassen,  sodass 

ds^  =  Q^ißdu^  —  2fdudv  -{-  edv^) 
folgt. 

Also:  Damit  ein  System  (w,  v)  auf  der  Kugel  das  Bild  eines 
isotherm-conjugierten  Systems  auf  einer  Fläche  sei^  ist  not- 
wendig und  hinreichend,   dass  die  Christoffel'schen  Symbole 

I      I  ,   für    das  Linienelement    auf   der    Kugel    berechnet,    der 
Bedingung: 


*)  Da  die  Differentialgleichung  der  Haupttangentencurven  die  Form: 

du^  ^  dv^  =  0 
annimmt,  so  sind  die  Gleichungen  der  Haupttangentencurven  in  endlicher  Gestalt: 

u  -\-  iv  =  Const.,      u  —  iv  =  Const. 
"Wenn  wir  dieses  berücksichtigen,  können  wir  gleichfalls  den  analytischen  Ueber- 
gang  von  den  Gleichungen  des  vorigen  Paragraphen  zu   denjenigen  dieses  Para- 
graphen bewerkstelligen. 


§  70.    Isotherm -conjugierte  Systeme.      §  71.   Formeln  dafür.  137 

gnii)'    (221'-]     rrf22\'    (iin 

genügen.  Ist  dieselbe  erfüllt,  so  ergiebt  sich  die  zugehörige  Fläche 
ihrer  Gestalt  nach  aus  den  Gleichungen  (27)  und  (28)  mittels  Qua- 
draturen. 

Es  mag  noch  bemerkt  werden,  dass,  wenn  D  =  D",  D'=  0  ist, 
die  Coordinaten  x,  y,  z  eines  Flächenpunktes  wegen  der  Gleichungen 
(I)  des  §  47,  Kap.  IV  (S.  89),  folgenden  beiden  simultanen  Gleichungen 
genügen : 

f*ö-  (l2\r*    ,     (l2\fa- 

~  1  1  Jäi+  1  2  j^7' 


CV.CV 

cu"-         cv^ 


r(ii\     f22nr*     niil 


22 


1  2  IJ  c» 


c9 


Umgekehrt,  bilden  zwei  Gleichungen  von  der  Form: 

=  a^ ho  7^1 


CUCV  fl*     '  cv 

ru'  cv'  CU      '     '^  Ct7 

ein  unbeschränkt  integrierbares  System*),  und  sind 

drei   linear  von   einander  unabhängige  Lösungen   derselben,    so   bilden 
die  Curven  ii,  v  auf  der  Fläche: 

X  =  x(u,  v),      ij  =  y{Uj  v\     0  =  z{u,  v) 

ein  isotherm -conjugiertes  System**), 

§  71.     Formeln  für  isotherm -conjugierte  Systeme. 

Mit  Hilfe  der  Identitäten  (a)  in  §  68  können  wir  wieder  die 
Gleichungen  (28)  in  andere,  den  Lelieuvre'schen  vollkommen  analoge, 
transformieren.     Setzen  wir  nämlich: 

(29)  >VX=|,      Y^Y=r,,      YqZ=%, 

so  gehen  dieselben  infolge  der  soeben  erwähnten  Identitäten  über  in: 


*)  Ein  System  wie  das  obige  im  Text  kann  höchstens  vier  linear  von 
einander  unabhängige  Lösnngen  besitzen  (mit  Einschluss  der  Lösung:  ■O' =  Const.); 
ist  dieses  der  Fall,  so  ist  es  eben  unbeschränkt  integrierbar. 

**)  Aus  dieser  Bemerkung  ergieht  sich  nach  einer  ganz  analogen  Beweis- 
methode wie  in  §58,  S.  111:  Die  isotherm-conjugierten  Systeme  gehen 
bei  projectiven  Transformationen  in  ebensolche  über. 


138      Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 


(30) 


dx I 


^2/  _  I 

du  ~  "T~ 


V 

l 

dv 

t 

l 

dv 

dv 

dl 

du 


+ 


^ 

n 

dv 

dr\ 
dv 

ex 
dv 


dy_ 

dv 


dj_ 

dv 


V 

t 

djl 

du 

du 

l 

l 

du 

d^ 
du 

1 

V 

du 

drj 
du 

Nun  genügen  X,  Y,  Z  den  Gleichungen  (4)  in  §  63.  Addieren 
wir  die  erste  und  dritte  derselben  und  berücksichtigen  wir  die  Glei- 
chungen (27),  so  sehen  wir,  dass  X,   Y,  Z  Lösungen  der  Gleichung: 

|>  -f  |!^-  +  ^-^p-^  1^  +  l'^^  1^  +  (ß  +  ^)  9^  =  0 

du^     '     cv^     '       du     du    ^       dv      dv    ^    ^      '    ^■'^ 
sind.     Diese  geht,  wenn 

gesetzt  wird,  über  in: 

(31) 
wobei 


-\/q  (p  =  ^ 


''^  +  ?S  =  M». 


du' 


dv' 


M 


-  (ß  +  ^) 


ist.     Infolge   der   Gleichungen    (29)   sind    |,  ?^,  2;    drei  particuläre  Lö- 
sungen von  ihr. 

Umgekehrt:  Ist  eine  Gleichung  von  der  Form: 


d^&   ,  ?r-& 


M&, 


du'     '     dv' 

wo  M  eine  beliebige  Function  von  u  und  v  ist,  gegeben,  und 
kennt  man  drei  linear  von  einander  unabhängige  Lösungen 
I,  7],  £;,  so  ergiebt  sich  aus  den  Gleichungen  (30)  mittels 
Quadraturen   eine  Fläche: 

X  =  x{u,  V),     y  =  y(;ii,  v),     s  =  z{ii,  v), 
auf   der    die    Curven    m,  v    ein    isotherm-conjugiertes    System 
bilden.     Der  Beweis  ist  derselbe  wie   in  §  68,  und  auch  hier  ergiebt 
sich  nach  (27*),  S.  136,  dass  das  Krümmungsmass  K  der  Fläche  durch 

(32)  K^+  ' 

gegeben  ist. 


iV'  +  n'  +  tr 

Beispiel.     Man  betrachte  die  Gleichung: 

^^^^  du'  ^  dv' 


d'&         ■        d'&     __r. 

1     a,,2  ^ 


.    §  72.    Formeln  von  Weingarten  fiir  die  Ebeneneoordinaten.  139 

und  wähle  die  Lösungen: 

wo    tt    eine    beliebige   Lösung  von  (33)   ist,  deren    conjugierte   ß  be- 
kanntlich durch  die  Bedingungen: 

ca  cß  ca cß 

cu        cv  cv  du 

bestimmt   ist.     Die  Gleichungen  (30)  ergeben  dann  integriert: 

,         ca  u*  -f-  *'*  a  ^" 

'        cu        ^  2  '^  cu 

und  bestimmen  eine  Fläche,   auf  der  das  System  (m,  v)   isotherm-con- 

jugiert  ist.     Setzt  man  z.  B. 

a  =  — hv.      ß  =  hu, 

so  erhält  man  das  Rotationsparaboloid: 

^  ==  ^IF^      ('*  =  Const.). 
Die    Curven    ?t,  v    des    isotherm-conjugierten    Systems    sind    in  diesem 
Falle  die  (congruenten)  parabolischen  Schnitte  der  Fläche  mit  Ebenen, 
die  den  Hauptebenen  parallel  sind. 

§  72.     rormeln  von  "Weingarten  für  die  Ebeneneoordinaten 

der  Fläche. 

An  die  Theorie  der  Abbildung  einer  Fläche  auf  die  Kugel  können 
naturgemäss  die  Fonneln  für  die  Tancrential-  oder  Ebenencoor- 
dinaten  angeschlossen  werden,  zu  deren  Behandlung  wir  nun  über- 
gehen *). 

Wir  denken  uns  eine  (nicht  abwickelbare)  Fläche  als  Enveloppe 
ihrer  Tangentialebene  und  geben,  um  sie  zu  bestimmen,  die  Coor- 
dinaten  dieser  Ebene  als  Fimctionen  zweier  Parameter  (krummliniger 
Coordinaten)  it,  i\  Zu  Coordinaten  der  Ebene  wählen  wir  zweckmässig 
die  Coefficienten  ihrer  Gleichung  in  der  Normalform: 

d.  h.  die  Richtungscosinus  X,  Y,  Z  der  Flächennormale  und  den  Ab- 
stand W  der  Tangentialebene  vom  Coordinatenanfangspunkt.  X,  Y,  Z,  W 
sind  als  Functionen  von  u  und  v  bekannt,  also  auch  die  Coefficienten 

e,  f,  g  des  Quadrates  des  Linienelements  (3),  §  63,  auf  der  Bildkugel. 
Wir  wollen  nun   die  Coordinaten  x,  y,  z  des   Berührungspunktes    der 


*)  Weingarten,   Ueber  die  Theorie  der  auf  einander  abwickelbaren  Ober- 
flächen (Festschrift  etc.  1884). 


140     Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordi^ten. 

Tangentialebene   berechnen.     Zu   diesem  Zwecke   differenzieren   wir  die 
Gleichung: 

(a)  xX-\-yY-j-  0Z=W 

* 

nach  a  und  v  und  erhalten  so: 


(b) 


dx 

du 


8Y 
du 


^--  +yli-  +  ^l~  = 


dz 

'  du 


dW 
du 

dX    .        dY    .       dZ        dW 
^  - — r  y  Q h  ^  Q-  = 


dv  dv 
demnach  durch  Auflösung  des  linearen  Systems   (a),  (b)  nach  x,  tj,  z: 

W     Y  Z 

dW    dY  dZ 

du     du  du 

dW    dY  dZ 

dv     dv  'dv 


Veg  -  r 


oder  wegen  der  Identitäten  (a)  in  §  68  und  nach  (1),  §  46; 


WX  -j- 


eg-r 


dWdX 
du  du 


f  (^K g^    ,    dWdX 
'   \du  dv     '     dv  du 


,     dWdx] 
"*"  ^  dv  dv  I 


Dieser  Ausdruck  und  die  analogen  für  y  und  0  lassen   sich  auch 
folgendermassen  schreiben: 

(34)  x=WX+V{W,X),     y=WY-\-W(W,Y), 

z=  WZ-\-V(W,  Z), 

wo  der  gemischte  Differentialparameter  V  (ebenso  wie  die  weiteren, 
auf  die  wir  stossen  werden)  für  die  gegebene  Form  des  Linienelement- 
Quadrates  auf  der  Kugel, 

edii'  -\-  2f(ludv  -{-gdv% 

berechnet  ist  (vgl.  §  35,  S.  67). 

Für  die  so  bestimmte  Fläche  können  wir  ferner  die  Coefficienten 
D,  D',  B"  der  zweiten  Grundform  leicht  berechnen. 

Aus  den  Gleichungen  (b)  folgt  nämlich  mittels  nochmaliger  Diffe- 
rentiation nach  u  und  v  wegen  (3*)  in  §  46: 


D  = 


Vd'x 
nr ^ 


^  ^  ~du 


d^W 

du'  ' 


i>'=2 


d^_ 

dudv 


D" 


.^!— *'        dv'  dv'   ' 


d'W_ 

dudv 
d'W 


wofür  sich  auch  unter  Berücksichtigung  der  Grundgleichungen  (4),  §  63, 
schreiben  lässt: 


§  73.    Flächen  mit  gegebenem  Bilde  eines  conjugierten  Systems.         141 


cu- 


(35)  { 


wo  die   Wrs  die  covarianten  zweiten  Differentialquotienten  von   TT'  be- 
züglich der  Form: 

edu--^2fdu(h-\-gdv^ 

sind  (nach    22,.,  S.  46). 

Als  Gleichungen  zur  Bestimmung  der  Summe  und  des  Products 
der  beiden  Hauptkrümmungsradien  erhalten  wir  weiter  aus  den  Glei- 
chungen (8),  §63  (S.  124),  die  folgenden: 

„     I    ,.  _  9^11  —  ^f^ii  +  eW^^  _L  9  TOT 

»i-t-^—  eg  —  p  -T  ^  yy , 

12  e^  _  /s  ~r  eg  —  f-  ' 

oder: 

r, -fr,  =  A,Tr+2Tr, 


(36) 

^    ^  [       }\r,  =  TF^  -f  TFA,  TT'  +  A.,  TF, 

wo  die  zweiten  Differentialparameter  A^,  A.,,,  wie  gesagt,  für  die 
Grundform : 

edu^-\-2fdudv-\-gdv^ 

zu  berechnen  sind.     (Vgl.  (24),  S.  47.) 

Von  den  beiden  Ausdrücken  (36)  ist  der  erste  wegen  seiner  Ein- 
fachheit besonders  bemerkenswert:  im  folorenden  machen  wir  von 
ihm  einige  wichtige  Anwendungen. 

§  73.     Flächen  mit  gegebenem  Bilde  eines  conjugierten  Systems. 

JWir  nehmen  nun  an,  es  sei  das  System  (m,  v)  auf  der  Fläche  ein 
eonjugiertes.  In  diesem  Falle  muss  Z)'=  0  oder  infolge  der  mittelsten 
der  Gleichungen  (35) 

sein,  d.  h.   W  muss  eine  Lösung  der  Laplace'schen  Gleichung: 

(37)  ^=p2|'a^      {i2|'a^_ 

sein,  von  der  auch  (nach  (4)  in  §  63)  X,  Y,  Z  particulare  Lösungen 
sind..  Also:  Wenn  das  System  (?/,  i)  conjugiert  ist,  so  sind  die 
Ebenencoordinaten  X,  Y,  Z,   W  Lösungen   ein  und  derselben 


142     Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

Laplace'schen  Gleichung  (37).  Umgekehrt  sieht  man  sofort:  Sind 
die  Ebenencoordinaten  X,  Y,  Z,  W  Lösungen  ein  und  der- 
seben  Gleichung  von  der  Form: 

=  a  ^ \-  0  ^ \-  cd-, 

/i  -9/.         '  y^  41  •  / 


cudv  du    '        cv 

so  ist  das  System  {u,  v)  auf  der  Fläche  ein  conjugiertes. 

Die  bereits  in  §  69  berührte  Aufgabe,  die  Flächen  mit  gege- 
benem sphärischen  Bilde  eines  conjugiertes  Systems  (u,  v) 
zu  bestimmen,  wird  somit  auf  die  Integration  der  Laplace'schen 
Gleichung  (37)  zurückgeführt;  jede  (linear  von  X,  Y,  Z)  unabhängige 
Lösung  derselben  liefert  uns  eine  Fläche,  die  der  gestellten  Bedingung 
genügt. 

Wir  erwähnen  noch,  dass,  wenn  das  System  (ti,  v)  auf  der  Fläche 
dasjenige  der  Haupttangentencurven  ist,  gleichzeitig  D  =  0,  D"==  0 
ist,  d.  h.  dann  ist  W  ebenso  wie  X,  Y,  Z  eine  gemeinsame  Lösung 
der  Gleichungen: 

du^  ~~  1  1  j  cu  "1"  1  2  J  a«      ^^' 
a^  _  j22\'a^      f22)'a^_ 

dv^  ~  \  1  \    cu^   {2  \   dv         ^^• 

Aus  diesen  Entwickelungen  ergiebt  sich  der  analytische  Beweis  des 
in  §  58  (S.  111)  ausgesprochenen  Satzes:  Bei  den  dualistischen 
Transformationen  des  Raumes  gehen  die  conjugierten  Systeme 
und  die  Haupttangentencurven  einerFläche  in  ebensolche  über. 

Hierbei  brauchen  wir  uns,  da  nach  dem  angeführten  Paragraphen 
der  analoge  Satz  für  projective  Transformationen  gilt,  nur  auf  eine 
besondere  Reciprocität  zu  beschränken,  und  wir  wählen  diejenige 
dualistische  Transformation,   die  jeder  Ebene  des  Raumes: 

lX-i-Yri  +  ^Z=W 
ihren  Pol  bezüglich  der  Kugel: 

d.  h.  den  Punkt  mit  den  Coordinaten: 

_  X  _J__^ 

^  —  jy^'      y         -\\r^       ^        ^ 

zuordnet. 

Wenn  das  System  (u,  v)  ein  conjugiertes  System  auf  der  Enveloppe 
der  Ebenen  (X,   Y,  Z,   W)  ist,  so  geht  die  Gleichung: 

-6 — cT  =  a  ^ hOö rcO', 

cucv  cu    *       cv    '         ' 


§74.    Flächen  mit  einer  Schar  Krümmungslinien  in  parallelen  Ebene.      143 

der  X,   Yj  Z,   W  genügen,  mittels  der  Transformation: 

&  =  W(p 
in  eine  Gleichung: 

cucv  cu    '    "^  ov 

über,  der  die  Coordinaten  oc,  y,  z  des  Poles  genügen.  Es  bilden  daher 
auf  der  Ortsfläche  des  Punktes  {x,  y,  z)  nach  §  58,  S.  110,  die  Curven 
M,  V   ein   conjugiertes  System. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  erledigt  sich  der  Fall  der  Haupttangenten- 
curven. 

§  74.     Flächen  mit  einer  Sckar  Krümmungslimen   in  parallelen 

Ebenen. 

Wir  haben  allgemein  gesehen,  dass  die  Bestimmung  der  Flächen 
mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  (j(,  v)  eines  conjugierten  Systems  mit 
der  Integi-ation  der  Laplace'schen  Gleichung  (37)  gleichbedeutend  ist. 
Insbesondere  gilt  dieses  von  der  Aufgabe,  die  Flächen  mit  gege- 
benen sphärischen  Bildern  der  Krümmungslinien  zu  bestim- 
men. Und  um  hiervon  eine  einfache  Anwendung  zu  geben,  wollen 
wir  jetzt  alle  diejenigen  Flächen  bestimmen,  die  (wie  die  Ro- 
tationsflächen) eine  Schar  Krümmungslinien  in  parallelen 
Ebenen  besitzen. 

Für  jede  dieser  Curven  ist  das  sphärische  Bild  offenbar  ein  Kreis 
in  einer  der  Cm-venebene  parallelen  Ebene*);  es  sind  demnach  die 
gesuchten  Flächen  durch  die  Eigenschaft  gekennzeichnet,  dass  die  sphä- 
rischen Bilder  ihrer  Krümmungslinien  ein  System  von  Meridianen  und 
Parallelkreisen  auf  der  Bildkugel  sind.  Daraus  folgt,  dass  die  Krüm- 
mungslinien des  zweiten  Systems  gleichfalls  eben  sind  und  dass  ihre 
Ebenen  die  ersteren  Ebenen  und  die  Fläche  rechtwinklig  schneiden. 

Sind  nun,  wie  gewöhnlich, 

X  =  sin  u  cos  r,      Y  =^  sin  h  sin  r,      Z  =  cos  u 

die  von  den  Parametern  u,  v  der  Parallelkreise  und  der  Meridiane  ab- 
hängigen Coordinaten  eines  Punktes  der  Bildkugel  und  ist  also: 

ds"^  =  du^  -\-  sm^udv- 
der  Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linienelementes  der  Kugel,  so  wird 
die  zu  integrierende  Gleichung  (37)   nach  Tabelle  (A),  §  35,  folgende: 

=  cotg  u 


cucv  <=■     cv 


*)  Es  sei  daran  erinnert,  dass  in  jedem  Punkte   einer  Krümmungslinie  ihre 
Tangente  derjenigen  des  sphärischen  Bildes  parallel  ist  (vgl.  §  62). 


144      Kap.  5.    Die  sphärische  Abbildung  nach  Gauss.  —  Ebenencoordinaten. 

Ihr  allgemeines  Integral  ist  gegeben  durch: 

W  =  smucp(v)  -j-  xp(u), 

wo  (p{v),  ^(w)  willkürliche  Functionen  von  v  bez.  u  sind.     Die  Glei- 
chungen (34)  liefern  uns  also  für  die  gesuchten  Flächen  die  Gleichungen : 

x  =  cosvq)(v)  —  smvq)'(v)  -\-  cos v  [i^ (ii)  simi  -|-  ^'(m)cosm], 
y  =  smvq){v)  -f-  cosvq)'(v)  -\-  sin -y  [i^ (m)  sin  m  -f-  •j^'(w)  cosm]^ 
0  =  '^(u)  cos  u  —  l/''(*0  ^^^  **• 

Die  Ebenen  der  Curven  v  =  Const.  sind  senkrecht  zu  einem 
gewissen  Cylinder,  den  sie  längs  der  Erzeugenden  schneiden.  Die 
Axe  dieses  Cylinders  ist  der  ^-Axe  parallel,  und  sein  Schnitt  mit  der 
rr «/-Ebene  wird  durch  die  Curve: 

'  X  =  cosv(p{v)  —  smvq)'{v\ 


(38) 


(a)  ,  . 

\y  =  sin  v(p(v)  -j-  cos  vcp'iv) 

gegeben.  In  jeder  der  erwähnten  Ebenen  sind  die  Gleichungen  der 
Curve  V,  bezogen  auf  die  Normale  der  Curve  (a)  als  7j-  und  auf  die 
Erzeugende   des  Cylinders  als  ^-Axe,  offenbar: 

rj  =  -i{;(ti)  sin  (^ii)  -f-  i^\u)  cos  u. 


[  ^  =  t{u)  cos  (u)  —  i^'(^)  sinw. 

Wegen  des  Auftretens  der  beiden  willkürlichen  Functionen  cp{u) 
und  iIj(u)  bleibt  sowohl  die  Gestalt  des  (Leit-)Cylinders  (a)  als  auch 
diejenige  des  Querschnittes  (b)  willkürlich,  und  es  entstehen  dem- 
nach die  gesuchten  Plächen  auf  folgende  Weise:  Man  nehme  eine 
Cylinderfläche,  zeichne  in  einer  Ebene  TT  eine  beliebige  Curve 
r  und  eine  beliebige  Gerade  v  und  bewege  TT  so,  dass  v  der 
Reihe  nach  mit  den  Erzeugenden  des  Cylinders  zusammen- 
fällt und  dabei  TT  normal  zum  Cylinder  bleibt;  dann  beschreibt 
die  ebene  Curve  F  die  gesuchte  Fläche. 

Eine  solche  Fläche  heisst  eine  Gesimsfläche  mit  cylindrischer 
Abwickelung  (nach  Monge:  moulure)*).  Ihre  Krümmungslinien 
sind  die  verschiedenen  Lagen  der  Curve  F  und  die  Schnitte  mit 
Ebenen,  die  auf  den  Erzeugenden  des  Leitcylinders  senkrecht  stehen. 

Wenn  wir  die  Bezeichnungen  unwesentlich  abändern,  nämlich  mit  v 


*)  Im  allgemeinen  werden  diejenigen  Flächen  als  Gesimsflächen  (mou- 
lure s)  bezeichnet,  bei  denen  die  Krümmungslinien  der  einen  Schar  in  Ebenen 
liegen,  die  zur  Fläche  normal  sind.  Sie  entstehen  durch  die  Bewegung  einer 
ebenen  Curve,  deren  Ebene,  ohne  zu  gleiten,  auf  einer  beliebigen  abwickelbaren 
Fläche  rollt. 


§  74.    Flächen  mit  einer  Schar  Krümmungslinien  in  parallelen  Ebenen.     145 

den  Bogen  des  Querschnittes  z  =  0  des  Leitcylinders,  mit  a  den  Winkel 
zwischen  der  Tangente  des  Schnittes  und  der  a:-Axe,  mit 

X  =  x{v),     y  =  y(v) 
die   Gleichungen    des  Schnittes    des   Cylinders    mit    der    Ebene    z  =  0, 
endlich  mit 

die  Gleichungen   der  erzeugenden   Curve,  bezogen  auf  ihren  Bogen  m, 
bezeichnen,  so  erhalten  wir  als  Gleichimgen  der  Fläche  offenbar: 

(39)  X  =  x(v)  +  sin  aU,     y  =  y{v)  —  cos  aU,     z=  1  Yl  —  U'^  du, 
also  für  das  Quadrat  des  Linienelementes  den  Ausdruck: 

(40)  ds'  =  du^  +  (l  +  §)'  dv\ 

wo  i?= JR(i)  der  E^rümmungsradiüs  des  Querschnittes  des  Leitcylinders  ist. 


Bianchi,  Sifferentialgeometrie.  10 


Kapitel  VI. 
Geodätische  Krümmung.  —  Greodätisclie  Linien. 

Tangentiale  oder  geodätische  Krümmung.  —  Bonnet'sclier  Ausdruck.  —  Liouville- 
scher  Ausdruck  für  die  Krümmung  K.  —  Geodätische  Linien.  —  Verschiedene 
Formen  ihrer  Differentialgleichung.  —  Geodätisch  parallele  Linien.  —  Geodätische 
Ellipsen  und  Hyperbeln.  —  Geodätische  Torsion  einer  Curve.  —  Allgemeine  Sätze 
über  die  Integration  der  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien.  —  Geo- 
dätische Linien  auf  den  Liouville'schen  Flächen,  insbesondere  auf  den  Rotations- 
flächen. —  Satz  von  Gauss  über  die  Totalkrümmung  eines  geodätischen  Dreiecks. 
—  Doppelte  Orthogonalsysteme  von  Curven  mit  constanter  geodätischer  Krümmung. 


§  75.     Tangentiale   oder   geodätisclie   Krümmung   orthogonaler 

Parameterlinien. 

Wir  betracliten  auf  einer  Fläche  S  eine  Curve  C,  die  von  einem 
Punkte  M  der  Fläclie  ausgeht,  und  projicieren  die  Curve  senkrecht  auf 
die  Tangentialebene  in  M.  Die  Krümmung  ihrer  Projection  y  im 
Pimkte  Jlfheisst  die  tangentiale  oder  geodätische  Krümmung*)  der 
Curve  C  im  Punkte  M,  und  der  zugehörige  Krümmungsmittelpunkt  m 
der  Curve  y  wird  als  Mittelpunkt  der  geodätischen  Krümmung 
der  Curve  C  bezeichnet,  während  die  Strecke  Mm,  deren  reciproker 
Wert  die  geodätische  Krümmung  ist,  den  Nfimen  Radius  der  geo- 
dätischen Krümmung  führt.     Wir  bezeichnen  diesen  Radius  mit 

Qff  =  Mm 
und  beachten,  dass  er  von  M  aus  in  der  Tangentialebene  in  der  zur 
Curve  C  normalen  Richtung  gemessen  wird,  nachdem  auf  der  Normale 
der  positive  Sinn  festgelegt  worden  ist.  Wir  wollen  daher  Qg  das 
positive  oder  negative  Vorzeichen  erteilen,  je  nachdem  die  Richtung 
von  M  nach  m  den  positiven  oder  den  negativen  Sinn  hat.  Bezeich- 
nen wir  ferner  mit  —  die  (wie   gewöhnlich  absolut  genommene)  erste 


*)  Der  Grund  für  die  zweite  Bezeichnung  wird  später  (§  80)  erkannt  werden. 


§  75.    Geodätische  Krümmung  orthogonaler  Parameterlinien.  147 

Krümmung  der  Curve  C  in  M  und  mit  s  den  Winkel,  den  die  positive 
Richtimg  der  Hauptnormale  der  Curve  C  in  M  mit  der  eben  fest- 
gelegten positiven  Richtung  in  der  Tangentialebene  normal  zur  Curve 

C  bildet,  so  haben  wir: 

1   ^  cos  £  ^. 

9~g  Q 

Wir  wollen  nun  den  Ausdrack  für  die  Tangentialkrümmung  einer 
auf  einer  Fläche  gezogenen  Curve  ableiten,  wenn  die  Curve  in  krumm- 
linigen Coordiuaten  dui-ch  die  Gleichung: 

q>(Uj  v)  =  0 
gegeben  ist.     Wir   betrachten    zunächst    den  Fall,    in    dem    die    Para- 
meterlinien H,  r  auf  einander  senkrecht  stehen,  also 

ds-  =  Edu-  +  Gdv- 
ist,  und  suchen  die  Ausdrücke  für  die  geodätischen  Krümmungen  dieser 
Parameterlinien,  die  wir  mit 

—  bez.  — 

bezeichnen  wollen.  Infolge  der  obigen  und  der  bereits  früher  hin- 
sichtlich der  positiven  Richtungen  der  Parameterlinien  getroffenen  Fest- 
setzungen kommen  diesen  Krümmungen  vollkommen  bestinmite  Vor- 
zeichen zu. 

Für  eine  Curve  u  =  Const.  haben  wir  unter  Beibehaltimg  der 
gewöhnlichen  Bezeichnungen  aus  der  Curvenlehre  (Kap.  I): 

dSu  =  yO  dv, 

lex  a  1    cy  1    cz 

cos  a  =  —=  —  y     cos  ö  =  —=z  ^j      cosy  =  —=  —  • 
YGcv  yOcü  VGdv 

Hieraus  ergiebt  sich  durch  eine  neue  Differentiation  nach  dem  Bogen 
der  Curve  u  und  unter  Berücksichtigung  der  Frenet'schen  Formeln: 

cos  4 1      ^   /  ^     ^-^'X  cos  ri 1      c    /  1     cy\ 

^^^  YGcvXYGcvJ'  q     ~~  yGcv\yGct)' 

cos  J 1       ^    /   1     ^^\ 

Q       yGcv\yGcv)' 

wo  Q  der  (absolut  genommene)  Radius  der  ersten  Krümmung  der  Curve 
u  =  Const.  ist.     BQeraus  folcrem  wir: 


*)  Es  ist  dieses  die  Meusnier'sche  Gleichung  (§  53,  Kap.  IT),  angewandt  auf 
die  Curve  C  und  den  Querschnitt  y  durch  den  Gy linder,  der  C  auf  die  Tangen- 
tialebene projiciert.  Man  sieht,  dass  der  Mittelpunkt  m  der  geodätischen  Krüm- 
mung derjenige  Punkt  ist,  in  welchem  die  Axe  des  Schmiegungskreises  im 
Punkte  M  der  Curve  C  die  Tangentialebene  schneidet. 

10* 


148              Kap.  VI.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 
1   cos  f ■^^  cos  ^     1    dx  1       sr^dx   c   / 


dx   d   /  l     dx 

e«  ~~     ?    ~^     Q     y'E  cu~  YEG^  du  dv\yG  dv 

Nun  ist: 

-^^dx    d   /  1    dx\  1     '^^dxd^x 


wegen: 


dudv\yG  dvj        VG^dudv^ 

y  1^1^  =  0. 

X  ;  du  cv 


Ferner  ergiebt  sich  aus  der  letzten  Gleieliung  durch  Differentiation  nach  v : 

^J  du  dv^  .^J  dv  dudv  2   du 


Also  ist: 

QN  1  = i_dyG 

^  ^  Qu  yEG    du 

und  analog: 

Q*N  l_ ^dyE 

^     \  Qv  yEG    dv 


§  76.    Bonnets  Ausdruck  für  die  geodätische  Krümmung. 

Die  Ausdrücke  (1)  oder  (1*)  können  wir  durch  Einführung  der 
Differentialparameter  auf  eine  andere  Form  bringen.  Wir  haben  nämlich : 

1  E  2  y_g,^  du^E  V    ?  K      /         E     du 

weil  F  gleich  Null  ist  und  nach  §  35,  sodass  der  Ausdruck  (1)  auch  in 
der  Form : 

^  ^  Qu     y\u        \    y L^u) 

geschrieben  werden  kann. 

Nunmehr  können  wir  leicht  in  ihrer  ganzen  Allgemeinheit  die 
Aufgabe  lösen:  Eine  Fläche  ist  auf  ein  beliebiges  System  von 
Parameterlinien  m,  v  bezogen,  für  die  das  Quadrat  des  Linien- 
elements die  Form: 

ds"  =  Edu^  +  2Fdudv  +  Gdv^ 

annimmt,  und  es  ist  ferner  die  Gleichung: 

q)(u,  v)  =  Const. 
einer  Schar  von  Curven   auf  der  Fläche  gegeben;    es  soll  die 
geodätische  Krümmung  —  dieser  Curven  berechnet  werden. 

Um  auch  das  Vorzeichen  von  q^  eindeutig  zu  bestimmen,  treffen 
wir  die  Festsetzung,  dass  als  positive  Richtung  normal  zu  einer  Curve 


§  76.    Bonnets  Ausdruck  für  die  geodätische  Krümmung. 


149 


q)  =  Const.  in  der  Tangentialebene  diejenige  gewählt  werden  soU,  längs 
welcher  der  Parameter  cp  wächst.  Wählen  wir  zu  Parameterlinien  die 
Curven  (p  =  Const.  und  ihre  Orthogonaltrajectorien  ^  =  Const.,  so 
nimmt  das  Quadrat  des  Linienelements  die  Gestalt: 

ds-  =  E.dcp'  +  G^dij;^ 
an,  und  wir  haben  wegen  der  Gleichung  (1) 

1  ^       1      gj/g^ 
Q^~~  yE^G^    cq> 

oder  wegen  der  Gleichung  (2) 
(3) 


Wegen  der  grundlegenden  Eigenschaft  der  Diiferentialparameter 
ist  es  gleichültig,  ob  wir  sie  in  den  neuen  Coordinaten  ((p,  ^)  oder  in 
den  alten  (m,  v)  berechnen,  und  es  giebt  uns  demnach  die  vorstehende 
Gleichung  den  gesuchten  Auschiick.  Die  Entwickelimg  der  rechten 
Seite  giebt  nach  §  35: 


yEG—F- 


_1 


Gi^-F 
cu 


Cq) 
CO 


yEG—F- 


cv 


f'J-' 

c 


-G'ß-F''' 


+ 


cu 


cv    c 


Yeg—f^  L  Veg—  f^  c  u  \y Ai  cp 


'  cv  \  YEG—F'  J _ 


:E^X-F'y 


+ 


+ 


cv 


cu  c 


g'^-f'^ 


^EG—  FM^«»  \}/(£^^^F^VÄ7^ 


yEG-  F*  cv  VVA,qp/_ 


+ 


vl/(£(?  — F^A, 


Wir  erhalten  somit  für  die  geodätische  Krümmung  den  Bonnet- 
schen  Ausdruck: 


(4) 


.Cq> 


g'^ 

cu 


v^w^^^w^^:i' 


+ 


c.  «^qP 


Cfp 


FV^-E 
cu  cv 


y^m~- 


^f'^'-^  +  g 

cu  cv 


\cu/  / 


Hierin  ist  die  rechte  Seite  nach  (3)  ein  Differentialparameter  von  (p.  Dieser 
Umstand  zieht  eine  sehr  wichtige  Eigenschaft  der  geodätischen  Ki-üm- 
mung  nach  sich,  deren  geometrische  Bedeutung  wir  in  der  Theorie 
der  Abwickelbarkeit  der  Flächen  auf  einander  erkennen  werden. 


150  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

Sind  die  Curven: 

q)  =  Const. 

niclit  durch  eine  endliclie  Gleichung,  sondern  durch  eine  Differential- 
gleichung erster  Ordnung: 

Mdu  +  Ndv  =  0 

bestimmt,   so   können   wir  offenbar  ihre  geodätische  Krümmung  eben- 
falls nach  Gleichung  (4)  berechnen,  indem  wir  berücksichtigen,  dass 

dff    d(p 


du  '  cv 


=  M:N 


ist.     Es  folgt  also: 


(4*) 


ywä 


+ 


FN—  GM 


+ 


JV"2  —  2FMN  +  GM 
FM  —  EN  \  \ 


cvXyEN^-  —  2FMN  -\-  GM'; 


§  77.    Liouvilles  Ausdruck  für  die  Krümmung  einer  Fläche. 

An  die  vorstehenden  Ausdrücke  schliesst  sich  ein  weiterer  bemer- 
kenswerter an,  der  von  Liouville  für  das  Krümmungsmass  K  einer 
Fläche,  ausgedrückt  durch  die  geodätischen  Krümmungen 


der  Parameterlinien  gegeben  worden  ist.     Aus   der  Bonnet'schen  Glei- 
chung (4)  erhalten  wir: 


(8) 


1 

1 

c 
CO 

~  c 

du 

cVG 

Qu 

1 

Yeg- 

1 

-F^ 

du 
dVE 

Qv 

YEG- 

-jP* 

cv 

Indem  wir  rechts  für  die  Differentialquotienten  der  Coefficientcn 
ihre  Werte  in  den  Christoffel'schen  Symbolen  nach  (A),  S.  67,  ein- 
setzen, erhalten  wir  die  gleichbedeutenden  Ausdrücke: 


(5*) 


YEG  —  F^  J22 
Gy'G 


9. 


Yeg  —  f^  jii 

eYe 


Nun  benutzen   wir   den   Ausdruck  (III),   §  29  (S.  53),  für    das   Krüm- 
mungsmass K: 


K  = 


Yeg—f^ 


'1.  (Vl^Lull  f  1 1|\        A  (Y^G-F^  f  1  2 

pv  \         E  1  2  jy         cu\         E  \  2 


§  77.    LiouviUes  Ausdruck  für  die  Krümmung  einer  Fläche.  151 

den  wir  infolge  der  zweiten  der  Gleichungen  (5*)  auch  folgendennassen 
schreiben  können:  

Mittels  der  bekannten  Gleichungen  (S.  63); 


führen  wir  den  Winkel  H  zwischen  den  Parameterlinien  u,  v  ein.  In- 
dem wir  nämlich  die  erste  dieser  Gleichungen  nach  v  differenzieren  und 
für  sin.Q  den  durch  die  zweite  Gleichung  gegebenen  Wert   einsetzen, 

erhalten  wir: 

cSl_  1  ["££  _  Z.  £^  _  Z.  £^1 . 

~  J^  ~  YEG—  F^lcD        -IE  cv        2G  cv] 

Wenn  wir  rechts  für  die  Differentialquotienten  der  Coefficienten  die 
Werte  in  den  Christofferschen  Symbolen  einsetzen,  so  folgt: 

-77  = G li  j  +        E        1-2  j 

oder  wegen  der  ersten  der  Gleichungen  (5*): 

yWG^^F-  ( 1  2 1  ^  _  yG^  _  f  ß  . 

E  1  -2  I  Q,  cv 

Mithin  nimmt  der  Ausdruck  (a)  die  elegante  und  symmetrische  Gestalt: 

(^)  ^"VEG^^TF^  Icucv  ^  cu\  e„    '^ev\Q,   M 

an.     Dieses  eben  ist  der  Liouville'sche  Ausdruck. 

Falls  die  Parameterlinien  auf  einander  senkrecht  stehen  [p,  =  -J  j 
lautet  er: 

j_  ^ /J_\    ,    J_  A/-L\  4- 1  ^=^-1^  +  i^ -4^^^ 
""  VE  ch\Qu)  "^  VG  cv  \9j  "^  Qu  VEG    cu  Qc  VEG    cv 

oder  auch  infolge  der  Gleichungen  (1),  (1*)  mit  Rücksicht  darauf,  dass 

YEdit,   yadv 

die  Bogenelemente  ds„  dSu  der  Parameterlinien  sind: 

*)  Eine  unmittelbare  Folgerung  aus  dieser  Gleichung  ist  der  Satz:  Nur  auf 
den  Flächen  mit  constantem  negativem  Krümmungsmass  (den  pseu- 
dosphärischen Flächen)  giebt  es  doppelte  Orthogonalsysteme  von 
Curven  von  der  Beschaffenheit,  dass  die  Curven  jedes  Systems  die- 
selbe constante  geodätische  Krümmung  besitzen. 


152  Kaj).  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätisclie  Linien. 

§  78.    Geodätisclie  Linien. 

Eine  auf  einer  Fläche  S  gezogene  Curve  L  nennen  wir  eine 
geodätische  Linie  von  S,  wenn  in  jedem  Punkte  von  L  die  Haupt- 
normale der  Curve  mit  der  Fläch ennormale  zusammenfällt;  mit  anderen 
Worten:  die  geodätischen  Curven  sind  die  Curven  mit  der  Tangential- 
krümmung  Null*). 

Von  dieser  Definition  ausgehend  wollen  wir  die  Differentialglei- 
chung der  geodätischen  Linien  aufstellen. 

Angenommen,  G  wäre  eine  solche  Curve,  so  denken  wir  uns  die 
krummlinigen  Coordinaten  (iij  v)  eines  beweglichen  Punktes  von  G  als 
Functionen  des  Bogens  s  von  G  ausgedrückt  und  haben  sofort  die  Be- 
ziehung: 

Für  die  Curve  G  haben  wir  unter  Anwendung  der  üblichen  Be- 
zeichnungen des  Kapitels  I: 

dx  du    ,    dx  dv  ^        ^V  du    ,    dv  dv 

cos  a  ==  >,  -  -^ — \-  Q--^-'     cos  ö  =  >,—  ^ — \-  -J-  -,- ) 
ou  ds     '    cv  ds  '^        cu  ds    '     cv  ds 

dz  du    ,    ds  dv 
cos  y  =  5—  -^ — \-  ^^  -T~- 
'         du  ds    '    dv  ds 

Durch    nochmalige  Differentiation   nach   s  und   mit  Rücksicht  darauf, 
dass  infolge  der  Voraussetzung 

cos  I  =  +  X,     cos  '»?==+  ^7     cos  2;  =  +  Z 

ist,  ergiebt  sich  infolge  der  Grundgleichungen  (I),  §  47,  Kap.  IV  (S.  89), 
und  nach   den  Frenet'schen  Formeln: 

1    X  dx  d^u  j^  dx  d^v    1^      flll^a;     ^^   (lll^o;  j^  y-j-^     A^^'V_L 

— 'J  ~"dü  ds^  ~^  dv  ds^  ~^  \_\  1  j  du  ~^  \  2  }  d^  '^  J  Ufs)    ' 

+  2 

[{22]  dx.     i22\dx.    -nn^l/dvX 
+  l\l\  d'u+  \2Jd^  +  ^    -^jKdl) 


cu    '     [  2  }  cv     ' 


du  dv  j^ 
ds  ds     ' 

2  . 


nebst  analogen  Gleichungen  für  Fund  Z.  Daraus  und  aus  (11),  §53, 
S.  101  ((?  =  0),  folgt,  dass  für  eine  geodätische  Linie  die  charakte- 
ristischen Gleichungen  gelten  müssen: 


*)  Wenn  auf  der  Fläche  eine  Gerade  liegt,    so  braucht  man  nur  die  zweite 
Definition  anzuwenden,  um  zu   erkennen,   dass    sie    eine  geodätische  Linie  ist. 


(8) 


§  78.    Geodätische  Linien.  153 

S+{V}(^)+M\1^l^+{"}(4-:)=o- 


Diese  zusammen  mit  der  Gleichung  (7)  bestimmen  den  Verlauf 
der  geodätischen  Linien  auf  der  Fläche. 

Für  die  Gleichungen  (8)  können  wir  auch  diejenigen  setzen,  welche 
sich  aus  ihnen  ergeben,  wenn  wir  das  eine  Mal  die  erste  mit  E,  die 
zweite  mit  F,  das  andere  Mal  die  erste  mit  F,  die  zweite  mit  G  mul- 
tiplicieren  und  jedesmal  addieren,  d.  h.  nach  (18*),  S.44,  die  Gleichimgen: 

^d*u    ,     ^  d^v    .    Vi  l"|  (du\^.    ^  [l  2l  du  dv         [2  2"|  (dv\^_  ^ 

Diese  Gleichungen  können  nach  (A),  S.  67,  in  der  folgenden  einfacheren 
Form  geschrieben  werden: 

^  oAI-p^j-  r^\  —  i^  f—Y-l.  9  £Z  ^*  ^  _l_  £^  I^Y 
"^dsK     ds  '^       dsl  ~~  cu  \ds)  "T"  -  f!*  rfs  ds  "•"  cu  \ds)' 

«  d  /„  du    ,    ^  dv\  _  cE  (duy,    9  ^  ^  ^    I    ^  (^Y  *\ 

^rfiV^  ds  "T"  ^  rfs/  ~  Cü  \ds)  "T"  -^  gt?    ds  ds  "T"  cv  \dsJ  •   > 


(9) 


Wollen  wir  endlich  die  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien 
ansetzen,  indem  wir  als   den    die  einzelnen   Curvenpimkte  bestimmen- 


*)  Es  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dass  von  den  beiden  Gleichungen  (9) 
oder  auch  (8)  die  eine  eine  Folge  der  andern  und  der  Gleichung  (7)  ist.  Durch 
Differentiation  der  letzteren  nach  s  ergiebt  sich  nämlich  die  Identität: 

^  '  ds        ^  ds 

wo 

"  ~      ds  \     ds  ~^       dsJ        cu  \ds/       "  c  u  ds  ds        du  \ds/  ' 

^       "  ds  \      ds  ds/         dv  \ds/       "  dv  ds  ds         cv  \ds/ 

gesetzt  ist. 

Aus  dieser  Identität  (a),  die  für  jede  beliebige  auf  der  Fläche  gelegene 
Gurre  gültig  ist,  folgt,  dass,  abgesehen  von  den  Parameterlinien  m,  v, 
für  jede  beliebige  Curve  die  eine  der  beiden  Gleichungen  (9): 

c  =  0,     ß  =  0 
die  andere  nach  sich  zieht.     Handelt  es  sich  aber  darum,   die  Eigenschaft,  dass 
eine  der  Parameterlinien,   z.  B.  eine   Curve  v  =  Const. ,    eine  geodätische   Linie 
ist,  zum  Ausdruck  zu  bringen,   so  müssen  wir  die   zweite  Bedingung  ß  ^  0  an- 
setzen, da  die  erste,  a  ^  0,  in  diesem  Falle  identisch  erfüllt  ist. 


154  Kap.  6.     Greoclätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

den  Parameter  nicht  gerade  die  Bogenlänge  wählen,  sondern  ihn  will- 
kürlich lassen,  so  brauchen  wir  nur  aus  den  Gleichungen  (8)  die  fol- 
gende abzuleiten: 

(10)      dudH  —  dvd^u  +  1^}  du""  +  (2  1^2^}  —  l^^\)duhlv  + 


+  {[\'}-^\'])äuä.^-[\'}äv'-0, 


die  offenbar  giltig  ist,  welches  auch  die  unabhängige  Veränderliche 
sein  mag.  Nehmen  wir  insbesondere  11  als  unabhängige  Veränderliche 
und  denken  wir  uns  die  Gleichung  der  geodätischen  Linie  in  der  Form: 

geschrieben,  so  erhalten  wir,  wenn  wir 

/ du         „       d^v 

dv  '  du^ 

setzen,  zur  Bestimmung  der  geodätischen  Linien  die  Differentialgleichung 
zweiter  Ordnung: 

(10*)  ."_  {v}. ■»  +  ({-} -2  {-)).-^  + 


+  (2{?}-{V})^'+{V}-o- 


Aus  diesen  verschiedenen  Gestalten  der  Gleichung  der  geodätischen 
Linien  ergiebt  sich:  Auf  jeder  Fläche  giebt  es  doppelt  unend- 
lich viele  geodätische  Linien;  eine  solche  Linie  ist  bestimmt, 
wenn  ein  Flächenpunkt,  durch  den  sie  hindurchgehen  soll, 
und  die  Richtung,  die  sie  in  diesem  Punkte  hat,  gegeben  sind. 

§  79.     Kürzeste  Flächencurve  zwischen  zwei  gegebenen  Punkten. 

Auf  die  Theorie  der  geodätischen  Linien  werden  wir  auch  durch 
die  folgende  Aufgabe  aus  der  Variationsrechnung  geführt:  Auf  einer 
Fläche  sind  zwei  Punkte  Ä  und  B  gegeben;  gesucht  wird  die 
kürzeste  Linie,  die  auf  der  Fläche  Ä  mit  B  verbindet.  An- 
genommen, G  sei  die  gesuchte  Linie,  so  müssen  wir  nach  den  Regeln 
der  Variationsrechnung  die  Bedingung  dafür  aufstellen,  dass  die  erste 
Variation  der  Länge  des  zwischen  A  und  B  gelegenen  Bogenstückes 
von  G  gleich  Null  wird,  sobald  G,  die  Endpunkte  Ä,  B  als  fest  ge- 
dacht, eine  unendlich  kleine  Gestaltsänderung  erfährt.  Wenn  wir  nun 
u  und  V  längs  G  durch  den  Bogen  s  von  G  ausdrücken,  so  müssen  wir  also : 

B 

djds  =  0 


§  79.    Kürzeste  Flächencture  zwischen  zwei  gegebenen  Punkten.         155 
setzen,  wo  u  und  v  durch  die  Gleichung  verknüpft  sind: 

Wenden  wir  die  Regeln  der  Variationsrechnung  an^  so  erhalten 
wir  auf  diese  Weise  genau  die  Gleichungen  (9);  daraus  schliessen  wir: 
Die  kürzeste  Linie  zwischen  zwei  Punkten  der  Fläche  ist 
notwendigerweise  eine  geodätische  Linie,  d.  h.  die  Haupt- 
normale der  Curve  muss  in  jedem  Punkte  mit  der  Flächen- 
normale zusammenfallen. 

Es  ist  jedoch  zu  beachten,  dass,  wenn  auf  einer  geodätischen  Linie 
G  zwei  Punkte  Ä  und  B  willkürlich  angenommen  werden,  durchaus 
nicht  behauptet  werden  darf,  dass  G  die  kürzeste  Linie  sei,  die  auf  der 
Flache  A  mit  B  verbindet.  Diese  Eigenschaft  findet,  wie  wir  dem- 
nächst sehen  werden,  nur  dann  statt,  wenn  ^-1  und  B  einander  hinrei- 
chend nahe  sind  und  die  Linie  G  innerhalb  eines  hinlänglich  kleinen 
Gebietes  liegt.  Als  Beleg  braucht  man  nur  auf  einer  Kugel  einen 
solchen  Bogen  eines  grössten  KJreises  (der  hier  eben  geodätische  Linie 
ist),  der  grösser  als  die  Halbperipherie  ist,  oder  auf  einem  geraden 
Kreise ylinder  einen  Bogen  einer  Schraubenlinie,  der  mehr  als  einen 
halben  Umgang  auf  dem  Cylinder  macht,  zu  betrachten,  um  sich 
geometrisch  von  der  Richtigkeit  unserer  Behauptung  zu  überzeugen. 
Die  bleibende  Eigenschaft  der  geodätischen  Linien  während  ihres  ganzen 
Verlaufes  ist  diejenige,  von  der  wir,  um  sie  zu  definieren,  im  vorigen 
Paragi-aphen  ausgegangen  sind;  die  andere,  dass  sie  nämlich  den  kür- 
zesten Weg  zwischen  zweien  ihrer  Punkte  angiebt,  gilt  im  allgemeinen 
nur  für  hinreichend  kui-ze  Bogen. 

§  80.     Gaussische  Form   der  Differentialgleichung  der  geodätischen 

Linien. 

Gauss  hat  die  Difierentialgleichung  der  geodätischen  Linien  durch 
Einführung  des  Xeigimgswinkels  0-  der  geodätischen  Linie  gegen  die 
Curven  v  auf  eine  bemerkenswerte  Form  gebracht.  Messen  wir  d- 
genau  so  wie  in  §  34,  Kap.  IH,  so  haben  wir  die  Gleichungen: 

(a)  cos^  =  -i-(i;^*  +  F'^Y     sin^  =  >^^5EZ:i^-. 

yE\ds*         dsP  YE         ds 

Setzen  wir  nun  voraus,  dass  die  betreffende  geodätische  Linie 
nicht  eine  Curve  v  =  Const.  ist,  so  können  wir  die  Bedingimg  dafüi-, 
dass  sie  eine  geodätische  Linie  ist,  mittels  der  ersten  der  Gleichimgen 
(9)  (s.  die  Anmerkung  zu  S.  153)  aufstellen.  Dieselbe  lässt  sich  wie 
folgt  schreiben: 


156  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

(b)  2dsd(yE  cos'Ö-)  =  ^^  du'  -j-  2I-  dudv  +  lß-  dv\ 

^  ^  ^'  ^        cu  '        du  '     cu 

Femer  haben  wir  infolge  der  Grleicbungen  (a)  selbst: 

2ds  d(yE  cos  d)  =  ^  {Edu  +  Fdv)  dE  —  2  YEG  —  F'  dv  dd-  = 

^  a¥ ^^*'+  Tv  ^**  ^^  +  E  ^^  (a¥  ^^  +  If  ^^)  ~  ^  V-SG^  —  i^'  dv  dd: 
Indem  wir  dieses  in  (b)  einsetzen,  das  beiden  Seiten  gemeinsame  Glied 
^-  du'  lieben  und  dann  durch  2dv,  das  nach  der  Voraussetzung 
nicht  gleich  Null  ist,  dividieren,  erhalten  wir  die  Gaussische  Gleichung: 

iyE(r:rw^d^  =  \^-l^^du+l^d.)  + 


(11) 


-f-  -  ^—  du  —  -^—  du  —  -  -^—  dv. 

'    2  cv  du  2  du 


Dieselbe  gilt,  wie  unmittelbar  ersichtlich  ist,  auch  in  dem  zuerst 
ausgeschlossenen  Falle  einer  geodätischen  Linie  v  ==  Const. 

Stehen  insbesondere  die  Curven  ^*,  v  auf  einander  senkrecht,  so 
erhalten  wir  die  einfachere  Gleichung: 

YEG  d^^li^du-ll^dv, 

'  2  cv  2  du       ' 

die  wir  auch  in  der  Form: 

(11*)  rf»  =    1   iV£\;„  _  _L  LVff  rf, 

^     ^  ya    CV  ye  du 

schreiben  können. 

Mittels  dieser  Gleichungen  können  wir  eine  zweite  Definition  der 
tangentialen  oder  geodätischen  Krümmung  einer  Curve  geben,  durch 
welche  die  letztere  Bezeichnung  gerechtfertigt  wird.  Es  sei  l  eine  be- 
liebige Curve  auf  S]  wir  betrachten  einen  Punkt  M  dieser  Curve, 
nehmen  einen  zweiten  M  sehr  nahe  gelegenen  Punkt  Jf'  auf  l  an  und 
ziehen  in  M  und  M'  die  l  berührenden  geodätischen  Linien,  die  sich 
in  einem  Punkte  N  schneiden  und  einen  sehr  kleinen  Winkel  A^  mit 
einander  bilden  werden.  Dividieren  wir  Aj  durch  die  Länge  A^  des 
Bozens  MM',    so    können  wir  beweisen,    dass   der   Grenzwert   des 

A 
Verhältnisses  ^*,    wenn    sich    M'    dem    Punkte    M   unendlich 

s 

nähert,  gleich   der    geodätischen  Krümmung  der  Curve  l  im 
Punkte  M  ist. 

Zum  Beweise  nehmen  wir  die  Parameterlinien  u,  v  senkrecht  auf 
einander  an.  Es  seien  ferner  u=^0  die  Curve  l  und  (0,  v),  (0,v-\-dv) 
die  beiden  Punkte  ilf  bez.  M'  auf  der  Curve  l.     Es  seien  endlich  g,g' 


§  80.    Gaussische  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien.         157 

die  geodätischen  Linien,  die  /  in  M  und  M'  berühren,  also  K  ihr 
Schnittpunkt.     Bezeichnen    wir   noch   mit  P  den  Punkt,    in    dem   die 

geodätische  Linie  g  die  Curve  v  -j-  dv  unter  dem  Winkel  y  4"  ^^ 
schneidet,  da  -O'  in  ilf  gleich  y  ist.     Nach  (11*)  ist  dann: 

j/G     cv  yE    du 

Da  du  gleich  Null  ist,  so  kommt: 

y/E    du 

Das  unendlich  kleine  Dreieck  M'NP  kann  aber  bis  auf  unendlich 
kleine  Grössen  höherer  Ordnimg  als  geradlinig  angesehen  werden,  und 
der  Yon  g  mid  g'  gebüdete  Winkel  bei  N  wird  durch  fZö-  angegeben. 
Femer  ist: 

Bogen  MM'=  ds,,  =  yädv 
und  folglich: 

lim  ^  =  — = ^     gy^. 

Dieser  Wert  stimmt  mit  dem  in  §  75  (S.  148)  für  die  Tangential- 

krümmung  —  der  Curven  w  berechneten  Werte  (1)  genau  überein. 
^" 

Auf  diese  zweite  Art  definiert  ist  die  geodätische  Krümmung  einer 
auf  einer  Fläche  gelegenen  Curve  die  natürliche  Verallgemeinerung  des 
Begriffs  der  gewöhnlichen  Krümmung  einer  ebenen  Curve,  wenn  die 
Geraden  (die  geodätischen  Linien)  der  Ebene  durch  die  geodätischen  Linien 
der  Fläche  ersetzt  werden. 

Auch  folgt  daraus  eine  weitere  charakteristische  Eigenschaft  der  geo- 
dätischen Krümmimg,  der  zufolge  sie  auch  Abwickelungskrümmung 
genannt  werden  kann.  Es  besteht  nämlich  der  Satz:  Die  geodäti- 
sche Krümmung  einer  auf  einer  Fläche  S  gelegenen  Curve  L 
ist  gleich  der  gewöhnlichen  Krümmung  derjenigen  ebenen 
Curve,  in  die  L  übergeht,  wenn  die  der  Fläche  S  längs  L  um- 
schriebene abwickelbare  Fläche  S  in  eine  Ebene  ausgebreitet 
wird.  Da  sich  nämlich  S  und  E  längs  der  Curve  L  berühren,  so  hat 
die  Curve  L  die  mindiche  geodätische  Krümmung,  mag  sie  nun  als  zu 
S  oder  als  zu  Z"  gehörig  betrachtet  werden.  Bei  der  Abwickelung  von 
27  in  eine  Ebene  bleiben  aber  die  Längen  der  Seiten  und  die  Winkel 
der  auf  H  gezeichneten  Figuren  ungeändert,  und  es  vei'wandeln  sich 
die  geodätischen  Linien  von  E  in  die  Geraden  der  Ebene. 


158  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätisclie  Linien. 

Wenden  wir  diesen  Satz  z.  B.  auf  die  Bestimmung  der  geodäti- 
schen Krümmung  eines  Parallelkreises  auf  einer  Rotationsfläche  an  und 
berücksichtigen  wir,  dass  in  diesem  Falle  die  umschriebene  abwickel- 
bare Fläche  ein  Rotationskegel  ist,  der  mit  der  Fläche  die  Drehaxe 
gemeinsam  hat,  so  kommen  wir  zu  dem  Ergebnis: 

Der  Radius  der  geodätischen  Krümmung  eines  Parallel- 
kreises auf  einer  Rotationsfläche  ist  gleich  dem  Stück  der 
Meridiantangente  zwischen  dem  Berührungspunkt  und  der 
Drehaxe. 

• 

§  81.     Geodätisch  parallele  Linien. 

Die  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien  kann  nur  in 
wenigen  besonderen  Fällen  integriert  werden;  trotzdem  kann  man,  von 
der  Differentialgleichung  selbst  ausgehend,  einige  wichtige  Eigenschaften 
dieser  Linien  ableiten,  und  mit  diesen  wollen  wir  uns  jetzt  beschäftigen. 

Wir  betrachten  zunächst  eine  einfach  unendliche  Schar  von  geo- 
dätischen Linien  und  ihre  orthogonalen  Trajectorien.  Dieses  doppelte 
Orthogonalsystem  wählen  wir  als  Coordinatensystem  (i(,  v),  und  wir 
setzen  voraus,  dass  die  Curven  v  die  geodätischen  seien.    Dann  haben  wir: 

und  nach  Voraussetzung  (vgl.  (1*),  S.  148): 
1^ 1_  dys 

d.  h.: 

'#  =  0 

cv 
oder: 

Ve=u, 

wo   U  eine   Function   von  u  allein  ist.     Wir  ersetzen   nun   den  Para- 
meter n,  der  die  einzelnen  orthogonalen  Trajectorien  bestimmt,    durch 
fUdu.     Dann    nimmt    das    Quadrat    des    Linienelementes    die    charak- 
teristische Form: 
(12)  ds^  =  du^  -f  Gdv^ 

an,  aus  der  sich  sehr  wichtige  Folgerungen  ziehen  lassen.  Betrachten 
wir  den  Bogen  einer  beliebigen  geodätischen  Linie  r,  der  zwischen 
zwei  festen  Curven  des  Systems  w,  etwa 

liegt,  so  ist  seine  Länge  durch  das  Integral: 


=  0, 


%Sl.   GeoÜüaA  ^anJLi^  Umem.  159 

fdm  =  «j  —  «, 

se^Atm,  ^s  TOB  r  «hb  aaUöBgig  uL     Dans  folgt  der  Saiz: 

A)  Die  Bogen,  die  *uf  den  geodätischen  Linien  r  tob 
zweien  ihrer  orthogonalen  Trajeetorien  ausgesehnitten  wer- 
den, haben  sämtlich  gleiche  Länge. 

Dienr  Saix  bnoi  aaA  m  der  fulgfiidfii  Paanmig  mmgui^othtn 
werden: 

B)  Werden  dvreh  die  Punkte  einer  Cmrre  L  die  orthogo- 
nalen geodätischen  Linien  g  gezogen  und  «af  mllen  diesen 
von  L  aus  Bogen  ron  gleieker  Länge  abgetragen,  so  ist  der 
<Jrt  der  Endpunkt«  dieser  Bogen  wieder  eine  orthogonale 
Trajeetorie  der  geodätisehen  Linien  g*). 

Ans  dieaeM  Gnade  ^revdot  die  orthogowahn  TEafeetoden  einer 
ein&di  n&endüdMn  Sciar  toi  ffodiütrhm.  liuen  geodltisck 
parallel  genanL  BenMikemeii  iit  der  Audraek  für  die  Gauä- 
sdie  EröHBn^  K  ier  FBcke  in  den  gi  nwtliiirlif  w  Coorfinaten  m,  w 
da:  Caofknnga  (12).    Er  lautet  nack  «Beickng  (18),  &  68: 

.13,  ^=_^^. 

I G     cm* 

Wir  wollen  nun  die  Bedingung  dafin-  anfatefl«,  das  dne  einfiidi 

unendlidie  Currenadiar,  d^^ai  Gleifhung 

f>(«,  r ,  =  ConsL 

iflft^  ans  geo£tiKk  paialkden  Cnrren  faest^L  Wäklen  vir  die  Cnrren 
f»  =  CQ«L  nal  ikie  ni  ihnftimakTi  Tk^^eeftoden  #r  =  CoMt.  na  Bun- 
^M:»>mK^0m^  SO  niHHt  das  QnMil ■!  des  T."  '     i1m».wIh  £e  Fonn: 

ds'  =  E^d^  -h  G^d^ 
am,  nnd  es  iit  natk  §S§: 

A,v  =  ^- 

Fol^iik  eikaiten  vir  dafib^  daes  £e  Cnrren  #  gooditinrkf  nein  aidkn: 

A,f.=/'(v), 
wo  /«(f»)  eine  Fnnetion  vwi  f>  aliein  ist.     Alai»: 


(«,  r)  £e  Bagea  aller  Own 

Ti^nftefim  n,  anl  i^   gkick  laaig 

In  4er  Itet,  lAUt  waam  des 

T^ainriariB  ai 

CH5- 


160  Kap.  G.    Geodätische  Krümmunc^.  —  Geodätische  Linien. 

Damit    die    Curven    cp  =  Consfc.   geodätisch  parallel    sind, 
ist  notwendig  und  hinreichend,  dass  sich 

.   ,,  A,{cp)=fl<p) 

ergiebt. 

Führen   wir  unter    dieser  Voraussetzung    statt    des   Parameters   (p 

den  von  einer  festen  orthogonalen  Trajectorie  an  gerechneten  Bogen  d- 

der  geodätischen  Linien  ijj  als  Parameter  ein,  d.  h.  setzen  wir: 


so  erhalten  wir: 


Ai^=  1. 
Wir  haben  somit  das  wichtige  Ergebnis: 

Ist  die  Function  d-(u,  v)  ein  Integral  der  partiellen  Diffe- 
rentialgleichung: 

so  sind  die  Curven  '9'=Const.  geodätisch  parallel,  und  es  ist 
%•  der  von  einer  festen  Curve  %"  =  Q'q  an  gerechnete  Bogen 
der  orthogonalen  geodätischen  Linien. 

§  82.     Geodätisclie  Kreise. 

In  Satz  B)  des  vorigen  Paragraphen  ist  die  Curve  L  willkürlich. 
Wenn  wir  annehmen,  dass  sie  um  einen  Flächenpunkt  0  beschrieben, 
sehr  klein  und  geschlossen  ist,  wenn  wir  sie  ferner  um  0  immerfort 
zusammenziehen  und  schliesslich  auf  diesen  Punkt  zusammenschrumpfen 
lassen,  so  ergiebt  sich  aus  Satz  B)  der  folgende: 

Werden  auf  den  geodätischen  Linien,  die  von  einem 
Punkte  0  ausgehen,  von,  0  Bogen  von  gleicher  Länge  abge- 
tragen, so  ist  der  Ort  der  Endpunkte  dieser  Bogen  eine  zu 
allen   diesen  geodätischen  Linien  orthogonale  Curve. 

Das  Quadrat  des  Linienelementes  der  Fläche  nimmt,  wenn  diese 
geodätischen  Linien  und  ihre  orthogonalen  Trajectorien  zu  Parameter- 
linien gewählt  werden,  ebenfalls  die  Gestalt  (12)  an. 

Auf  strengere  und  directere  Art  können  wir  den  letzten  Satz  wie 
folgt  beweisen:  Als  Parameter  v,  der  die  einzelnen  von  0  ausgehenden 
geodätischen  Linien  bestimmt,  wählen  wir  den  Winkel,  den  eine  ver- 
änderliche geodätische  Linie  des  Büschels  mit  einer  festen  bildet,  und 
als  Curven  u  den  Ort  der  Endpunkte  der  geodätischen  Bogen,  die  in 
der  Länge  u  von  0  aus  abgetragen  werden.  Das  Quadrat  des  Linien- 
elementes der  Fläche  möge  dann  die  Gestalt: 

ds^  =  Edu^  -{-  2Fdudv  +  Gdv"^ 
annehmen. 


§  82.    Geodätische  Kreise.  161 

Da  nun  das  Bogenelement  der  geodätischen  Linien  gleich  du  ist, 
so  haben  wir  sofort:  E  =  l,  und  da  die  Linien  r  geodätische  sind,  so 
ist  (§  77,  ^bj): 

e„      ya-F^du 

und  folglich: 

wo  g)  eine  Function  von  r  allein  bezeichnet.    Wenn  nun  x^,  y^,  Sq  die 
Coordinaten  Ton  0  sind,  so  reducieren  sich  die  Functionen: 

für  ?(  =  0,  was  auch  v  sein  mag,  auf  die  drei  Constanten  Xqj  yQj  Zq. 
Es  ist  daher: 

(1^)      =0,       (^)      =0,       (^)      =0, 

also  auch: 

(i^)„=o=0. 

Da  nun  aber  F  von  m  unabhängig  ist,  so  folgt  hieraus,  dass  F 
überhaupt  gleich  KuU  ist,  d.  h.  die  Gurren  it,  v  stehen  auf  einander 
senkrecht,  wie  behauptet  wurde.  Das  Quadrat  des  Linienelements 
nimmt  daher  auch  hier  die  Gestalt  an: 

ds^  =  du^  +  Gdv\ 

Aber  die  Function  G  besitzt  in  dem  vorliegenden  Falle  besondere 
bemerkenswert«  Eigenschaften.     Zu  diesem  Zwecke  entwickeln  wir 

x{u,  v),  y(xi,  c),  z{ii,  r) 
in  der  Umgebung  von  0  nach  Potenzen  von  u,  wobei  wir  nur  bis  zu 
den  zweiten  Potenzen  von  n  gehen  und  das  Coordinatensystem  so 
legen,  dass  der  Anfangspunkt  mit  0,  die  ^-Axe  mit  der  Flächennor- 
male und  die  a-Ase  mit  der  Tangente  der  geodätischen  Linie  r  =  0 
in  0  zusammenfällt.  Wir  haben  dann  bei  passender  Wahl  des  Parameters  v: 

X  =  u  cos  r  -f-  f  1  ? 

y=u  sin  v  +  s^, 

u-     . 

WO  fi,  f^,  fg  bezüglich  u  unendlich  klein  von  der  dritten  Ordnung 
sind  und  q  den  Radius  der  ersten  Krümmung  der  geodätischen  Linie 
v  =  0  bezeichnet.     Daraus  folgt : 

G=ii'  +  ri, 
wo  ri  unendlich  klein  von  der  dritten  Ordnung  in  u  ist,  und  also: 


(T^)«=o=o,     (^)„  =  i. 


Bianchi,  Differentialgeometrie.  11 


162  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

Berücksichtigen  wir  ferner  die  Gleichung  (13),  nach  der 

ist,  so  folgern  wir  daraus  weiter: 

wo  Kq  das  Krümmungsmass  der  Fläche  in  0  ist. 

Entwickeln  wir  "j/Ü  nach  Potenzen  von  m,  so  erhalten  wir  dem- 
nach die  Gleichung: 

(14)  yG  =  u-^-4-.... 

In  dem  Falle,  den  wir  augenblicklich  betrachten,  werden  die 
Curven  u  =  Const.,  welche  die  Eigenschaft  besitzen,  dass  alle  ihre 
Punkte  von  dem  festen  Punkte  0  gleichen  geodätischen  Abstand  haben, 
geodätische  Kreise*)  genannt.  Der  Punkt  0  heisst  ihr  Mittelpunkt, 
und  der  constante   geodätische  Abstand  ihr  Radius. 

Aus  der  Gleichung  (14)  erhalten  wir  für  den  Umfang  C  eines 
geodätischen  Kreises  mit  dem  unendlich  kleinen  Radius  w,  nämlich  für 

c=fyadv, 
ü 

den  Wert: 

(15)  C=:2nu~'^f^  +  ,, 

wo  £  von  höherer  als  dritter  Ordnung  in  u  ist. 

Aus  der  geodätischen  Form  (12)  des  Quadrates  des  Linienelements 
können  wir  endlich  den  Beweis  des  folgenden  Satzes  ableiten:  Für  zwei 
Punkte  A  und  B,  die  in  hinreichend  kleiner  Entfernung  auf 
einer  geodätischen  Linie  g  angenommen  werden,  ist  diese 
Linie  in  der  That  der  kürzeste  Weg,  auf  dem  man  auf  der 
Fläche  von  A  nach  B  gelangen  kann. 

Betrachten    wir   nämlich    in    der    Gleichung   (12)    für    u,  v    einen 

-*)  Wegen  der  eben  genannten  Eigenschaft  sind  die  geodätischen  Kreise  die 
natürliche  Verallgemeinerung  der  Kreise  in  der  Ebene.  Geht  man  jedoch  von 
der  anderen  Eigenschaft  des  gewöhnlichen  Kreises  aus,  dass  er  nämlich  eine  con- 
stante Krümmung  besitzt,  so  wird  man  dazu  geführt,  als  geodätische  Kreise  die 
Curven  mit  constanter  geodätischer  Krümmung  zu  definieren.  Einige 
Autoren,  wie  Darboux,  stellen  gerade  diese  zweite  Definition  auf.  Was  zu 
beachten  ist,  ist  der  Umstand,  dass  die  beiden  Definitionen,  die  sich  im  Falle  der 
Ebene  (und  allgemeiner  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass)  decken,  für 
eine  allgemeine  Fläche  Curven  ganz  verschiedener  Art  charakterisieren. 


§  83.    Greodätische  Ellipsen  und  Hyperbeln.  163 

Aenderuugsbereich,    in    dem    die   Function   G    eindeutig,    endlieli    und 
stetig  ist,  und  sind 

zwei  Punkte,  die  in  diesem  Bereich  auf  der  geodätischen  Linie  i"  ge- 
wählt sind,  so  ist  die  Länge  des  geodätischen  Bogens  AB  durch  den 

Ausdi-uck: 

•«1 

J^dti  =  «1  —  «0 

«o 

gegeben.     Für  eine  andere  Curve: 

welche  dieselben  Punkte  Ä  und  B  verbindet  und  ganz  in  dem  betrach- 
teten Bereiche  liegt,  ist  die  Länge  des  Bogens  zwischen  A  und  B  durch 


du 


gegeben,  und  dieser  Wert  übertrifft  offenbar  den  Wert   jdu  =  u^  —  Hq, 
da  G  positiv  ist.  "^ 

§  83.     Greodätische  Ellipsen  und  Hyperbeln. 

Auf  einer  Fläche  S  nehmen  wir  zwei  Curreu  C  und  C  an,  die 
nicht  geodätisch  parallel  sind,  und  wählen  als  Parameterlinien  «,  v  die 
geodätischen  Parallelen  zu  C  und  C,  als  Parameter  u  die  geodätische 
Entfernung  von  der  Grundcurve  C  und  als  Parameter  v  diejenige 
von  der  Grundcurve  C.     Wenn 

ds^  =  Edu^  -f  2Fdudv  +  Gdv^ 

der  Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linienelements  ist,  so  müssen   wir 
nach  dem  Schlussergebnis  des  §  81 

A^ti  ==1.      A^r  =  1, 
d.h. 

^-  =  1       ^^=1 

EG  —  F-  '      EG  —  F*- 

oder 


E=G,     F=yE{E—l) 
setzen. 

Wird  mit  o  der  Winkel  der  Parameterlinien  bezeichnet,   so   ist 

demnach   (vgl.  S.  63): 

E=G=-X-.     F=4^ 

8m*  ü)  sin-  10 

und  folglich: 

11* 


164  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

f-tf^  -7  2 ^^^  ~l~  2  cos  Gj  du  dv  -\-  dv'^ 

sin*  (o 

Führen  wir  nun  als  neue  Parameterlinien  die  Curven: 

u  -\-  V  ^=  Const.,      u  —  V  =  Const. 
ein  und  setzen  wir  noch: 

u  -\-  V  =  2a,      u  —  V  =^  2ß, 
so  erhalten  wir: 
(17)  ds'  =  -^^  +  ^^^- 

sm^  --        cos*~^ 
2  2 

Die  neuen  Parameterlinien  stehen  also  auf  einander  senkrecht^ 
d.  h.:  Auf  jeder  beliebigen  Fläche  bilden  die  Ortscurven  der- 
jenigen Punkte,  für  welche  die  Summe  oder  die  Differenz 
der  geodätischen  Entfernungen  von  zwei  festen  Grundcurven 
constant  ist,  ein  Orthogonalsystem  (Weingarten). 

Wenn  die  Curven  C  und  C  durch  unendliches  Zusammenziehen 
auf  Punkte  einschrumpfen,  so  ist  das  soeben  betrachtete  System  die 
Verallgemeinerung  des  Systems  confocaler  Ellipsen  und  Hyperbeln  in 
der  Ebene.     Es  werden  daher  auch  allgemein  die  Curven: 

a  =  Const.,      ß  =  Const., 

welches    auch   die   Grundcurven    sein  mögen,    geodätische  Ellipsen 
und  Hyperbeln  genannt. 

Der  Ausdruck  (17)  für  das  Quadrat  des  Linienelements  gilt  nach 
dem  Vorstehenden  für  jede  Fläche.  Es  ist  klar,  dass,  wenn  es  auf  diese 
Form  gebracht  ist,  die  Curven  a  =  Const.,  ß  =  Const.  geodätische 
Ellipsen  und  Hyperbeln  bezüglich  gewisser  zweier  Grundcurven  sind. 
Um  das  Quadrat  des  Linienelements  einer  gegebenen  Fläche  wirklich 
auf  die  Form  (17)  zu  bringen,  braucht  man  nur  die  geodätischen  Linien 
der  Fläche  und  ihren  Bogen  zu  kennen.  Somit  werden  wir  z.  B.  für 
die  Ebene  und  die  Kugel  in  der  allgemeinsten  Weise  das  Quadrat  des 
Linienelements  auf  diese  Form  bringen  können*). 

§  84.     Torsion  einer  geodätisclien  Linie. 

Eine  geodätische  Linie  ist  durch  den  in  einer  gegebenen  Kichtung 
erfolgenden  Durchgang  durch  einen  Punkt  P  bestimmt  (vgl.  §  78).  Wir 
stellen  uns  die  Aufgabe,  aus  diesen  beiden  Elementen  einer  geodätischen 


*)  In  betreff  der  hierauf  bezüglichen  wirklichen  Gleichungen  s.  Darboux, 
2.  Bd.,  S.  422. 


§  84.    Torsion  einer  geodätischen  Linie.  165 

Linie  g  ihre  Torsion  ^  in  P  nebst  dem  zugehörigen   Voi*zeichen  zu 

berechnen. 

Für   eine    solche    creodätische    Linie   ist    unter    Beibehaltung    der 

üblichen  Bezeichnungen: 

ex  du    ,    cxdv  o        cy  du    ,    cy  dv 

cos a  =  TT—  -5 — \-  7.—  -5- 7      cos p  =  ^^ — r  ^^~  j~" » 
cu  ds     ^    cc  ds  ^        cu  ds    *    cv  ds 


cos  r  =  :^—  3 — h  —   j 
'         Cu  ds  ■ '    CO  ds 


cz  cu  j^  cz  dv 
du  ds  •'    CO  d 

cos  5  =  +  X,      cos  1?  =  +  -^j      ^^^  ^  =  +  ■^, 
:  COST?     cos  ^  —  \      cu  cu/  ds  —  \      cv  cv/ ds 


also: 

cos  ß    cos  y 

cos  1^    cos  5  j 

nebst  analogen  Ausdrücken  für   cosft   und  cosv.     Unter  Berücksichti- 
gimg  der  Identitäten  (§  68,  S.  131   Anmerkung): 


du  cu        yEG—F^\     cu  cv)' 

Z£l  -  T'^  =  —J=(G^^  -  F  '-^) 
CK  CV        \EG  —  F^\     cu  cv) 


ersriebt  sich: 


,        cu  cv  du    ,        cu  cv  dv 

cos  A  — T~  =^ ~T~  =z=z=^ ■ 

—  yEG—F*-    ds  —    yEG—F^'     ds 

,        cu            cv  du    ,        cu            cv   dv 
cos  u=  -\ = 

—  yEG—F'-     ds—    YEG—F''     ds 

fI^-eU^       g\^-f^^ 

cu  cv  du    ,        cu  cv  dv 

cos  V  =  -I ,  h 


yEG—F-     ds  —     yEG—F'     ds 

Aber  nach  den  Frenet'schen  Formeln  ist: 

•^-7  d  cos  I 


T.  ^ 


rfcosi        '^         ^  (cXdu    ,    cXdv\ 

cos  A  -^^  =  H-^  ^««Mt7  rf7  +  77  -Ts) 


Wenn  für  cosA,  cos^,  cosv  die  obigen  Werte  eingesetzt  werden,  so 
fällt  die  Zweideutigkeit  des  Vorzeichens  fort  und  es  ergiebt  sich  (nach 
S.  87)  als  der  gesuchte  Ausdruck: 

1  (FD  _  ED')du'  +  (GD  —  ED")dudv +{ßD'—  FD")dv* 


(18) 


T^  {Edu*--\-  2Fdudv  +  Gdc')yEG-F- 


Derselbe  giebt  also  die  Torsion  derjenigen  geodätischen  Linie  an,  die  durch 
den  Flächenpunkt  (m,  v)  in  der  durch  das  Verhältnis  ^  bestimmten 
Richtung  hindurchgeht. 


166  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

Der  Zähler  dieses  Ausdrucks  ist,  wie  man  sieht,  genau  die  Jacobi- 
sche Determinante  der  beiden  Grundformen: 

Bdu  -\-  D'dv     B' du  -\-  B" dv 
Edu  +  Fdv        Fdu  +  Gdv 

die,  gleich  Null  gesetzt,  die  Differentialgleichung  der  Krümmungslinien 
liefert.  Daraus  ergeben  sich  die  folgenden  leicht  auch  direct  zu  be- 
weisenden Sätze*): 

1)  Wenn  eine  Krümmungslinie  eine  geodätische  Linie 
ist,  so  ist  sie  eben. 

2)  Jede  ebene  geodätische  Linie  ist  eine  Krümmungslinie. 

§  85.     Geodätische  Torsion  einer  Flächencurve. 

Die  Ergebnisse  des  vorigen  Paragraphen  führen  dazu,  für  eine 
beliebige  auf  einer  Fläche  gezogene  Linie  L  in  jedem  ihrer  Punkte 
noch  ein  weiteres  geometrisches  Element  einzuführen,  dessen  Betrach- 
tung von  Wichtigkeit  ist,  die  sogenannte  geodätische  Torsion. 
Nach  Bonnet  wird  mit  diesem  Namen  die  Torsion  derjenigen  geodä- 
tischen Linie  bezeichnet,  welche  die  Curve  L  in  einem  Punkte  P  be- 
rührt**).    Die  geodätische  Torsion   „     einer   Curve  L  ist   durch   den 

9 

Ausdruck  (18)  gegeben,  wobei  unter  du,  dv  die  Zunahmen  der  krumm- 
linigen Coordinaten  längs  L  zu  verstehen  sind. 


*)  Werden  die  Krümmungslinien  als  Parameterlinien  gewählt,  so  nimmt  die 
Gleichung  (18)  die  einfachere  Gestalt  an  (vgl.  §  54,  S.  102): 

/l  l\du  dv         /l  1\         ^    .    ^ 

>^^^  \S-y,)-dsdi  =[t,-  t,)  ^«^^  «-^' 


d.  h.: 


2  V'-i         'V 


rj,  „  .  ,  sin2'9'. 


Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Richtungen  der  Krümmungslinien  das  Büschel 
der  von  P  ausgehenden  geodätischen  Linien  in  zwei  Teile  zerlegen;  die  geodä- 
tischen Linien  der  einen  Schaar  sind  alle  rechts,  diejenigen  der  anderen  alle 
links  gewunden.  Zwei  auf  einander  senkrechte  geodätische  Linien  haben  dem 
absoluten  Wert  nach  gleiche,  dem  Zeichen  nach  entgegengesetzte  Torsion.  Die- 
jenigen geodätischen  Linien,  welche  die  Winkel  zwischen  den  Hauptrichtungen 

halbieren,  haben  die  grösste  Torsion,  nämlich  —  1 1 . 

**)  Er  sei  darauf  hingewiesen,  dass  die  Bezeichnung  „geodätische  Torsion" 
der  Bezeichnung  „geodätische  oder  tangentiale  Krümmung"  nicht  analog  ist,  da 
sich  sonst  rückwärts  als  die  tangentiale  Krümmung  der  geodätischen  Linie  gerade 
diejenige  ergäbe,  die  wir  die  normale  Krümmung  genannt  haben,  während  sie 
doch  nach  Definition  gleich  Null  ist. 


§  85.    Geodätische  Torsion  einer  Flächencurve. 


167 


Aus  dieser  Gleichung  folgt  für  die  Krümmungslinien  offenbar  die 
weitere  Definition: 

Die  Krümmungslinien  sind  diejenigen  Curven,  die  in 
jedem    Punkte    die    geodätische    Torsion    Null    besitzen. 

Wir    sehen    mm,    dass   aus    der   Gleichimg   (18)   speciell    für   die 

geodätischen    Torsionen    „-,  -^    der    Paramet^rlinien    die    Ausdrücke 

folgen : 

J_  GD'—  FD" 

T.. 


(19) 


gYeg  —  f^ 

FD  —  ED' 
Ey/EG  —  F^' 


und,  wenn  überdies  die   Curven    u,  v  auf   einander   senkrecht   stehen, 
(F=0): 

J__ 1_  D' 

T..  ~        T. 


'EG 


(19*) 


woraus  hervorgeht,  dass  zwei  von  einem  Punkte  ausgehende  und  auf 
einander  senkrechte  geodätische  Linien  gleiche,  aber  dem  Vorzeichen 
nach  entgegengesetzte  Torsion  haben.  (Tgl.  die  vorletzte  Anmerkung.) 
Wir  wollen  nun  die  Beziehung  aufsuchen,  die  zwischen  der  geo- 
dätischen und  der  absoluten  Torsion  einer  beliebigen  auf  einer  Fläche 
gezogenen  Cui-ve  besteht.  Der  Einfachheit  halber  wählen  wir  zu  diesem 
Zwecke  ein  orthogonales  System  als  Pai-ameterlinien  u,  r,  und  die  in 
Rede  stehende  Curve  L  sei  eine  Curve  des  Systems  u.  Mit  6  bezeich- 
nen wir  den  Winkel,  den  die  Flächennormale  mit  der  Hauptnonnale 
von  L  bildet,  imd  also  auch  denjenigen  Winkel,  um  welchen  in  der 
Noi-malenebene  eines  Punktes  P  von  L  die  positive  Richtung  der 
Flächennormale  in  positivem  Sinne  gedreht  werden  muss,  um  mit  der 
positiven  Richtung  der  Hauptnormale  von  L  zusammenzufallen*).  In 
den  gewöhnlichen  Bezeichnungen  haben  wii*: 


cosa 


1    ex  g  ^    cy 

■}  cos  ^  =  * 


yGcv 


YG  ci 


cosy 


1      £2 

yG  cv 


j,  ^    ,     sin  c  8  a: 

cos  t  =    cos  6  X  -\ ;r—  } 

*    YE  du 


^r   ,    sine  cy 
COS>i  =  COSöl   +~7=-^f 

yE  cu 

cos^  =  cos  aZ  +  -i^—> 
yE  du 


*)  Natürlich  ist  als  positive  Seite  der  genannten  Normalenebene   diejenige 
anzusehen,  welche  der   positiven  Richtung  der  Tangente  von  L  zugewandt  ist. 


168  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

cos  A  =  —  sm  <?  X  +  — r- ,         cos  tt  =  —  sm6  Y-4 ^^~ , 

VE    du  ^  ^  -[/E   du 

r,    1    cos  6  dz 
cos  V  =  —  smaZ  -\ — -^  —  j 

'  yE  du 

also   nach   den  Frenefschen  Formeln  für   die  absolute   Torsion  ,.,   der 

Curve  u: 

1         '^1         j.(Zcos;i           1      ^;-y         f.dcosX          D'              1     da 
-  =  >  cos  ^     j —  =  — —    >'  cos  t =     , 

T     jiLi         äs^       yo  jiLi      ^    dv       yeg     ya  dv 

wofür  auch  wegen  (19*) 

geschrieben  werden  kann. 

Dieses  ist  die  Gleichung,  um  deren  Ableitung  es  sich  handelte;  sie 
zeigt  uns,  dass  die  geodätische  Torsion  mit  der  absoluten  für  alle  die- 
jenigen Curven  und  nur  für  solche  zusammenfällt,  deren  Hauptnormale 
gegen  die  Fläche  um  einen  constanten  Winkel  geneigt  ist.  Zu  dieser 
Klasse  von  Curven  gehören  die  geodätischen  Linien  und  die  Haupt- 
tangentencurven;  für  die  ersteren  ist  6  gleich  Null  (oder  gleich  jt),  für 

die  letzteren  gleich  —  •     Im  allgemeinen  bilden  die  Curven  dieser  Art, 

die  einem  constanten  Werte  von  6  entsprechen,  wie  die  geodätischen 
Linien  eine  zweifach  unendliche  Mannigfaltigkeit,  ausgenommen  in  dem 

Grenzfalle    ^  =  -^  (der  Haupttangentencurven)  *), 

§  86.    Allgemeine  Sätze  über  die  Integration  der  Differentialgleichung 
der  geodätischen  Linien. 

Indem  wir  nun  zu  der  Differentialgleichung  der  geodätischen 
Linien  zurückkehren,  wollen  wir  einige  allgemeine  Sätze  angeben,  die 
ihre  Integration  betreffen**). 

Zunächst  bemerken  wir,  dass  die  Bonnet'sche  Gleichung  (4*), 
§  76,  sofort  auf  den  folgenden  Satz  führt: 

A)  Wenn  die  durch  die  Differentialgleichung  erster  Ord- 
nung: 

Mdu-}-Ndv  =  0 

definierten  Curven  geodätische  Linien  sind,  so  lassen  sich 
ihre  orthogonalen  Trajectorien  durch  eine  Quadratur  be- 
stimmen. 


*)  Infolge  des  in  der  Anmerkung  zu  §  84  Gesagten  folgt  hieraus  weiter, 
dass  die  beiden  von  einem  Punkte  ausgehenden  Haupttangentencurven  gleiche 
und  dem  Vorzeichen  nach  entgegengesetzte  Torsion  haben. 

**)  Darboux,  2.  Bd.,  S.  424  tt". 


§  86.    Integration  der  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien.       169 

Es  ist   nämlich  die  Diiferentialgleichung  der  orthogonalen  Trajec- 
torien  durch  (§  34,  S.  66,  (13)): 

(^Ey—  F3I)di(  +  {FN—  GM)dv  =  0 
gegeben,  und  wegen  der  eben  angeführten  Gleichung  (4*)  ist  nach  der 
Voraussetzung: 

d    /  FN-GM  \_^(  EN-FM  \ 

^  \yEN^--2FMX+GMV        cv  \yEN'-2FMN-\-GM'J 

d.  h.  der  Ausdruck: 

YEN^  -  2FMN-{-  GM'-  yEK*-  —  2FMX+  GM' 

ein  vollständiges  Differential     Setzen  wir  also: 

r(EX—  FM)du  +  {FN—  GM)dv  ^ 
^(";  ^)  —J  YEN*  —  2FMN  +  GM~' 

so  ist  d-  das  gesuchte  Integral.    Dies  folgt  auch  so:  Wir  haben  offenbar 

folglich  ist  nach  §  84  die  Gleichung  der  gesuchten  orthogonalen  Tra- 
jectorien:  ^  =  Const.  Dabei  ist  ^  der  von  einer  festen  orthogonalen 
Trajectorie  an  gerechnete  Bogen  der  geodätischen  Linie. 

Wir  nehmen  nun  an,  es   sei    eine  solche  Lösung  &   der  partiellen 

Differentialgleichung : 

Ai^  =  l 

bekannt,  die  eine  wesentliche,  d.  h.  in  d-  nicht  additiv  auftretende  will- 
kürliche Constante  a  enthält.     Wird  die  Gleichuug:   A^»=l  oder: 

E  i^Y-  2Fi^i^  +  G  (i^y=  EG  -  F^ 
\cv/  cudv    '         \chI 

nach  dem  Parameter   o,  der  nur   in   ^  enthalten  ist,  differenziert,   so 

ergiebt  sich  nach  §  35: 

Dieses  beweist,  dass  für  jeden  bestinmit^n  Wert  von  a  die  Gleichung: 

(21)  l!-^ 

in  der  h  eine  willkürliche  Constante  bedeutet,  die  zu  den  Curven 
0-  =  Const.  orthogonalen  geodätischen  Linien  dai-stellt  (vgl.  §  36).  Die 
Gleichimg  (21)  enthält  die  beiden  willkürlichen  Constanten  a  und  6 
und  ist  die  allgemeine  Gleichung  der  geodätischen  Linien  der  Fläche. 
Um  dieses  zu  beweisen,  braucht  man  nur  zu  zeigen,  dass  eine  Curve: 

0-  =  Const. 


170  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

durch  einen  beliebigen  Punkt  der  Fläche  in  beliebiger  Richtung  gelegt 

werden  kann.   Es  kann  nun  das  Verhältnis  ^—  :  >,-  nicht  unabhänffiff  von  a 

du     cv  ^  ^ 

r&  SO" 

sein,   denn   da  ausserdem  ts—    und  >.      durch  die  Gleichung:   A.  O- =  1 

'  du  cv  Ol 

verbunden  sind,  würden  ja  sonst  beide  Grössen  von  a  unabhängig  und 
also  a  in  Q'  additiv  enthalten  sein.  Ist  aber  {uq,  Vq)  ein  beliebiger 
Punkt  der  Fläche,  so  stellt  die  Gleichung: 

d'{u,  V,  a)  =  ^{uq,  Vq,  a) 
eine  Curve  d'  =  Const.   dar,   welche  von  {iIq,  Vq)   ausgeht.     Ihre  Rich- 

^  A,        g  A. 

tunff  in  diesem  Punkte  hängt  von   dem  Verhältnis  ö—  '  0—  ab ,  das  bei 

o  °  ou    cv        ' 

der  Aenderung  von  a  alle  Werte  annehmen  kann*).  Wir  haben  also 
den  Satz: 

B)  Ist  von  der  partiellen  Differentialgleichung: 

Ai'^  =  l 
eine  Lösung  d-  mit  einer  wesentlichen  Constanten  a  bekannt, 
so   ergiebt  sich    die   allgemeine  Lösung  der   Differentialglei- 
chung der  geodätischen  Linien  mittels  Differentiation  in  der 
Form: 

wobei  1)  eine  zweite  willkürliche  Constante  ist.  Der  Bogen 
jeder  geodätischen  Linie  ist  gleich  der  Differenz  der  Werte, 
welche    die  Function  -9"  in   den  beiden  Endpunkten  annimmt. 


§  87.     Jacobi's  Satz  über  die  Differentialgleicliung  der  geodätischen 

Linien. 

Auf  Grund  der  letzten  Ergebnisse  können  wir  mit  Jacob i  be- 
weisen, dass  man  von  der  Differentialgleichung  zweiter  Ord- 
nung der  geodätischen  Linien  nur  eine  intermediäre  Integral- 
gleichung erster  Ordnung  mit  einer  willkürlichen  Constanten 
a  zu  kennen  braucht,  um  mittels  Quadraturen  die  Gleichung 
dieser  Curven  in  endlicher  Gestalt  zu  erhalten.    Es  sei  nämlich 

durch 

dv  ^  s, 

eine  solche  bekannte  intermediäre  Integralgleichung  dargestellt.    Setzen 
wir  dann  in  dem  Satze  A)  des  vorigen  Paragraphen 

M=  —  q),      N=l, 

*)  Darboux,  2.  Bd.,  S.  428. 


§  87.    Jacobi's  Satz.     §88.   Geod.  Linien  auf  den  LiouTÜle'schen  Flächen.     171 

SO  sehen  wir,  dass  der  Ausdruck: 

(E  4-  F(p)  rfit  +  (F  +  gqp)  dv 
yE-\-2F(p  +  Gqp- 

ein  vollständiges  Differential  ist.     Setzen  wir  also: 

_   r  {E  +  F(p)du-\-{F+  G(p)dv 

so  ist  nach  Satz  B) 


TT-   =   0 

ca 


die  Gleichung  der  geodätischen  Linien  in  endlicher  Gestalt. 

Dieses  Ergebnis  benutzen  wir  jetzt  zum  Beweise  des  Satzes:  Bei 
den  Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  Null  (den  abwickel- 
baren Flächen)  lässt  sich  die  Differentialgleichung  der  geo- 
dätischen Linien  mitteÄ  zweier  Quadraturen  integrieren. 

Wir  schreiben  nämlich  die  Differentialgleichung  der  geodätischen 
Linien  in  der  Gaussischen  Form  (§  80,  S.  156): 

2}/EG—F*-\E  cu         cv  cuj 

'  2l/£(?— F*V^  cv  cu) 
wo  iif  der  Winkel  zwischen  den  geodätischen  Linien  und  den  Ciirven 
r  ist.  Gemäss  der  Gleichung  (17),  §  35,  S.  ^^,  besagt  die  Bedingung: 
K  =  0,  dass  die  rechte  Seite  dieser  Gleichung  ein  vollständiges  Diffe- 
rential ist.  Durch  eine  Quadratur  ergiebt  sich  sofort  eine  intermediäre 
Integi*algleichuug  mit  einer  wülkürlichen  Coustanten  a: 

^  =  fiii,  v)  +  a, 
und  eine  zweite  Quadratur  giebt  die  Gleichung  der  geodätischen  Linien 
in    endlicher    Gestalt.     Mit   anderen    Worten:    Hat    eine    quadratische 
Differentialform : 

Edi(r  -\-2Fdudv-^  Gdv'- 

die  Krümmung  Null,   so    genügen  zwei   Quadraturen,  um  sie  auf  die 
Normalform  da^  -\-  dt/  zu  bringen.     (Vgl.  dasselbe  Problem  in  §  29.) 

§  88,    Geodätische  Idnien  auf  den  Liouville'seh.en  Flächen. 

Es  giebt  eine  Klasse  von  Flächen,  die  in  ihrer  ganzen  Allgemein- 
heit zuerst  von  Liouville  betrachtet  worden  sind  und  bei  denen  das 
Verfahren,  das  durch  die  Sätze  in  §  86  für  die  Integration  der  Diffe- 
rentialgleichung der  geodätischen  Linie  angegeben  wurde,  vollständig 


1  72  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

durchführbar  ist.  Es  sind  dieses  diejenigen  Flächen,  bei  denen  das 
Quadrat  des  Linienelements  auf  die  Form: 

(22)  ds^  =  { a  (w)  +  ß{v)  ]  (du^  +  dv^) 

gebracht  werden  kann,  wo  a{u)  eine  Function  von  u  allein  und  ß{v) 
eine  Function  von  v  allein  ist.  Für  diese  besondere  Form  des  Qua- 
drates des  Linienelements  geht  die  Gleichung: 

nach  §  35  über  in: 

Wir  suchen  ihr  dadurch  zu  genügen,  dass  wir  ^  gleich  der  Summe 
zweier  Functionen  setzen,  von  denen  die  eine  nur  von  u,  die  andere 
nur  von  v  abhängt: 

%=  U-^  ¥.• 
Dieses  giebt: 

ü'^  —  a{u)  =  ß{v)  —  V'^  =  a, 

wo  a  eine  willkürliche  Constante  ist.     Wird  also 

(23)  ^=  j  ya{ii)  +  a  du  +  fyß{v)  —  a  dv 

gesetzt,  so  ist  Q'  eine  Lösung  von  t^^^.=  1  mit  der  wesentlichen  Con- 
stanten a,  und  folglich  (§  86)  erhalten  wir  als  Gleichung  der  geodä- 
tischen Linien  in  endlicher  Gestalt: 


(24)  2  ^  =  f—A'i ip  f 

da      J   |/o;(t<)  -{-  a       J 


Vm 


dv  , 


während  uns   (23)   ihren   Bogen  d-  giebt.     Wir   fügen   überdies   hinzu, 

dass,  wenn  mit  ^   der  Winkel   zwischen   den  geodätischen  Linien  und 

den  Curven  v  bezeichnet  wird, 

,     ,        dv 

ist,  woraus  infolge  von  (24)  die  Gleichung: 
(25)  ß(v)cos^ip  —  a(^f)  sin^^   =a 

hervorgeht,  die  uns  ein  intermediäres  Integral  erster  Ordnung  der  Glei- 
chung der  geodätischen  Linien  auf  den  Liouville'schen  Flächen  giebt. 
Dini*)  hat  bemerkt,  dass  der  Ausdruck  (22)  für  das  Quadrat  des 
Linienelements  dadurch  gekennzeichnet  werden  kann,  dass  man  sagt: 
Die  Parameterlinien  u,  v  bilden   ein   isothermes    System   von 


*)  Sopra  un  problema   della   rappresentazione  geografica  di  una 
superficie  sopra  un'  altra.     Annali  di  Matematica,  Bd.  III,  1869. 


§  89.    Geodätische  Linien  auf  den  Rotationsflächen.  173 

geodätischen  Ellipsen  iTnd  Hyperbeln.     Um  dieses  zu  beweisen, 
fokren  wir  statt  der  Parameter  u,  v  andere  ein,  indem  wir 

setzen,  sodass 

('^r+r^)=«(«)+/»w 

wird.     Setzen  wir  noch: 

.     OD  du  m  dv 

sm  —  =  -— ===  j      cos  -r-  =  ^=  f 

2  >/«(«) +  ß(r)  2  |/a(M)  +  ß(r) 

SO    nimmt    der  Ausdruck  (22)    die    charakteristische   Gestalt  (17)    aus 
§  83  an: 


2  ""^    2 


wodurch  unsere  Behauptung  bewiesen  ist.  Umgekehrt  ist  sofort  ein- 
leuchtend, dass,  wenn  ein  Orthogonalsystem  von  geodätischen  Ellipsen 
und  Hyperbeln  auch  noch  isotherm  ist,  durch  Einfuhnmg  neuer  Para- 
meter das  Linienelement  auf  die  Liouville'sche  Form  gebracht  werden  kann. 
Wir  können  demnach  sagen:  Die  Liouville'schen  Flächen 
sind  diejenigen  Flächen,  auf  denen  es  ein  isothermes  System 
von  geodätischen  Ellipsen  und  Hyperbeln  giebt*). 

§  89.    Geodätische  Linien  auf  den  Eotationsflächen. 

Zu  der  Klasse  der  Liouville'schen    Flächen   gehören    die  Flächen 
zweiten  Grades  und  die  Rotationsflächen,  auf  denen  nämlich  die  Ki-üm 
mungslinien    ein  isothermes  System  geodätischer  Ellipsen  und  Hyper- 
beln bilden. 

Wir  wenden  die  Ergebnisse  des  vorigen  Paragraphen  auf  den  letz- 
teren Fall,  d.  h.  auf  das  Quadrat  des  Linienelements: 

ds-  =  rfw-  +  r'-dv- 
(vgl.  §  42)  an,  das  wir  auf  die  isometrischen  Parameter: 

«X  =J   ^,     V 
beziehen,  wodurch  wir  erhalten: 

ds^  =  r\du,^  -f-  dv-). 

*)  Die  diesem  Buche  gesteckten  Grenzen  gestatten  uns  nicht,  hier  auf  die 
neueren  wichtigen  Resultate  einzugehen,  die  verschiedene  Mathematiker  bezüglich 
der  Theorie  der  LiouTÜle'schen  Flächen  erhalten  haben,  iasbesondere  auf  die  Kri- 
terien dafür,  ob  eine  gegebene  Fläche  zu  dieser  Klasse  gehört. 


174  Kap.  6.     Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

Dieser  Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linienelements  ergiebt  sich  aus 
dem  Liouville'sclien  (22),  wenn  darin 

a(uj)  =  r\      ß{v)  =  0 
gesetzt  wird. 

Die  Constante  a  in  der  Gleichung  (23)  muss  in  dem  vorliegenden 
Falle  für  die  reellen  geodätischen  Linien  einen  negativen  Wert  haben. 
Wird  also 

a  =  —  k^ 

gesetzt,  so  lautet  die  Gleichung  (24)  der  geodätischen  Linien  in  end- 
licher Gestalt: 

(26)  v=-\-lf      /^         -{-5^ 

und  die  Gleichung  (23),  die  den  Bogen  s  der  geodätischen  Linien 
giebt : 

(27)  ..  =  +  Ä..,  +  ftllnJ^  äu  =  f-lß-^. 

Es  ist  klar,  dass  das  einfach  unendliche  System  von  geodätischen 
Linien,  das  sich  aus  (26)  für  einen  festen  Wert  von  k  und  ver- 
änderliches b  ergiebt,  aus  lauter  congruenten  Curven  besteht,  die  durch 
Drehung  um  die  Axe  mit  einander  zur  Deckung  gebracht  werden 
können. 

Die  intermediäre  Integralgleichung  (25)  liefert  uns  die  Gleichung: 

(28)  r  sin  xl;  =  1i, 

d.  h.  den  Clairaut'schen  Satz:  In  jedem  Punkte  einer  auf  einer 
Rotationsfläche  gezogenen  geodätischen  Linie  ist  das  Pro- 
duct  aus  dem  Radius  des  betreffenden  Parallelkreises  und 
dem  Sinus  des  Neigungswinkels  der  geodätischen  Linie  gegen 
den  betreffenden  Meridian  constant. 

Besitzt  die  Fläche  einen  grössten  Parallelkreis  vom  Radius  i?,  so 
ist  für  jede  reelle  geodätische  Linie  der  Wert  der  Constanten  Ic  kleiner 
als  R.  Die  Curve  verläuft  ganz  innerhalb  der  Zone,  in  der  die  Radien 
der  Parallelkreise  nicht  grösser  sind  als  h^  wie  aus  der  Gleichung  (28) 
hervorgeht. 

§  90.     Gauss'  Satz  über  die  Totalkrümmung  eines  geodätischen 

Dreiecks. 

Indem  wir  nun  zu  der  allgemeinen  Theorie  der  geodätischen  Linien 
zurückkehren,  betrachten  wir  mit  Gau.ss  ein  geodätisches,  d.  h.  ein  von 
drei  geodätischen  Bogen  gebildetes  Dreieck  ABC,  das  ein  Stück  der 
Fläche  S  einschliessen  wird.     Wir  berechnen  seine  Totalkrümmung 


§  90.    Totalknunmung  eines  geodätischen  Dreiecks.  175 

(Curvatura  integra),  d.  h.   das  über   das  ganze   Dreieck    erstreckte 
Doppelintegral : 

wo  dö  das  Flächenelement  und  K  wie  gewöhnlich  das   Krümmungs 
mass  bezeichnet. 

Als  Parameterlinien  v  wählen  wir  die  von  der  Ecke  A  ausgehen- 
den geodätischen  Linien  und  als  Parameter  v  den  Winkel,  den  sie  mit 
der  festen  geodätischen  Linie  AB  {v  =  0)  bilden.  Als  Cm-ren  m  wäh- 
len wir  die  orthogonalen  Trajectorien  der  Curven  v  (die  geodätischen 
Kreise  um  A)  und  rechnen  den  Bogen  u  der  geodätischen  Linien  vom 
Punkte  A  aus.     Da   dann  das  Quadrat  des  Linienelements  durch 

ds'~  =  du^  -j-  Gdv^ 

gegeben  ist,  so  genügt  die  Fimction  yG  den  Bedingungen  (§  82): 

(29)  (m=„  (l^^r^- 

Da  femer  (nach  S.  159  u.  63) 

X=  — -^^^,     d6=yGdudv 
ist,  so  kommt: 

A 

(30)  2'=//-^'"'^'-=/""/-^''». 

0  0 

WO  A  den  Dreieckswinkel  an  der  Ecke  A  bedeutet. 

Längs  der  geodätischen  Linie  BC,  als  deren  positive  Richtung 
wir  diejenige  von  B  nach  C  festsetzen  wollen,  ist  die  Gaussische  Diffe- 
rentialgleichung der  geodätischen  Linien  (Formel  ',11*),  §  80,  S.  156) 
erfüUt,  d.  h.: 

(31)  dd-  =  —  ^dv. 

*  A 

Bezeichnen  wir  die  Dreieckswinkel  in  B  und  C  mit  B  und  C,  so 
haben  wir  demnach: 

O'b  =  TT  jB,         O'c  =   C, 

wo  d-Bj  9c  die  Werte  von  d-  in  B  bez.  C  sind. 
Nun  giebt  uns  Gleichung  (30): 


A 
0 


=/{(m=.-^}-- 


176  Kap.  G.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien, 

d.  h.  gemäss  (29)  und  (31): 

A 

A 

^=f{dv-\-dQ)  =  A^&c  —  ^B  =  A  +  B-\-G—7t. 

0 

In  dieser  bemerkenswerten  Gleichung  ist  der  Satz  von  Gauss 
enthalten: 

Die  Totalkrümmung  eines  geodätischenDreiecks  ist  gleich 
dem  Ueberschuss  seiner  Winkelsumme  über  zwei  Rechte  (dem 
sphärischen  Excess). 

Dieser  Ueberschuss  ist  positiv,  wenn  alle  Punkte  im  Innern  des 
Dreiecks  elliptisch  sind,  negativ,  wenn  sie  hyperbolisch  sind,  und  gleich 
Null  im  Falle  der  abwickelbaren  Flächen.  Schliesslich  bemerken,  wir 
noch,  dass,  wenn  das  Krümmungsmass  K  der  Fläche  constant  ist,  der 
vorstehende  Satz  als  besonderen  Fall  den  folgenden  liefert: 

Auf  einer  Fläche  mit  constantem  Krümmungsmass  ist 
der  Flächeninhalt  eines  geodätischen  Dreiecks  dem  Ueber- 
schuss der  Winkelsumme  desselben  über  zwei  Rechte  pro- 
portional. 

§  91.     Doppelte   Orthogonalsysteme   von    Curven   constanter 
geodätisclier  Krümmung. 

Wir  schliessen  dieses  Kapitel  mit  der  Ableitung  einiger  einfacher 
Sätze  über  Curven  mit  constanter  geodätischer  Krümmung. 

Wir  nehmen  an,  dass  in  einem  auf  einer  Fläche  S  befindlichen 
doppelten  Orthogonalsystem  (w,  v)  jede  Curve  des  Systems  u  sowohl 
wie  jede  Curve  des  Systems  v  constante  geodätische  Krümmung  be- 
sitze.    Ist 

ds^  =  Edu^  ^  Gdv^ 

der  Ausdruck  für  das  Quadrat   des  Linien  Clements,   so  haben  wir  der 
Voraussetzung  zufolge  (§  75,  S.  148): 

^  ^  YEG    du  '     }/EG     dv  ' 

wo   ü  eine  Function   von  u  allein,    V  eine  Function  von  v  allein  ist. 
Daraus  folgt: 

du  cv 

oder : 

djvVG)  ^  d{uyE)  _ 

du  dv 

Demnach  ist 


§  91.    Orthogonalsysteme  constanter  geodätischer  ErGmmung.  177 

UyEdu+VYGdv 
das  vollständige  Differential  einer  Function  (p,  und  dabei  ist: 

Werden  diese  Werte  in  (a)  eingesetzt,  so  ergiebt  sich  zur  Bestimmung 
von  qp  die  eine  Gleichung: 

C*9J    Cqp  cqp 

dntjv       Zv,  dv 
deren  allgemeine  Lösung 

^  =  -  log[a(M)  -f  ^(t;)] 

ist,  wo  «(m),  /3(r)  willkürliche  Functionen  von  u  bez.  v  sind.     Daraus 
ergiebt  sich  für  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Ausdruck: 

^^   ~"[a(tt)  +  ß(r)]«L  0"*  ^      y*  J 

oder  durch  Einführung  neuer  Parameter  Mj,  r^: 
(32)  rf^  =  ^J+iV,). 

Wir  haben  also  nach  §  37,  S.  71,  den  Satz: 

Ein  doppeltes  Orthogonalsystem  von  Curven  mit  con- 
stanter geodätischer  Krümmung  ist  stets  isotherm. 

Auch  besteht  der  umgekehrte  Satz: 

Sind  in  einem  doppelten  Isothermensystem  die  Curven 
des  einen  Systems  Curven  mit  constanter  geodätischer  Krüm- 
mung, so  sind  es  auch  diejenigen  des  zweiten  Systems. 

Wählen  wir  nämlich  isometrische  Parameter,  so  hat  das  Quadrat 
des  Linienelements  die  Gestalt: 

Nun  ist  nach  S.  148: 

und  von  den  beiden  Bedingungen: 


*)  Falls  die  Punctioneii  CT,  F  nur  Constanten  sind,  erhält  ds'  die  Form: 
''«'  =  ,„«    f  ?..^«  ^^<  +  äv*)     (a,  6=  Const.) , 

mid  gehört  zu  einer  pseudosphärischen  Fläche  vom  Erömmongsmasä 

^=  — (a*  +  6*). 
(VgL  die  Anmerkung  S.  151.) 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  12 


178  Kap.  6.    Geodätische  Krümmung.  —  Geodätische  Linien. 

ist,  wie  ersichtlicli,  die  eine  eine  Folge  der  anderen. 

Es  ist  klar,  dass  die  liier  betrachteten  doppelten  Orthogonal- 
systeme  nur  auf  besonderen  Flächen  wirklich  vorhanden  sind.  Insbe- 
sondere giebt  es  in  der  Ebene  und  auf  der  Kugel  unendlich  viele 
solcher  Systeme,  und  in  §  44,  Kap.  III,  haben  wir  die  Aufgabe,  alle 
diese  zu  bestimmen,  bereits  geometrisch  gelöst. 


Kapitel  TU. 
Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

Biegsame  Flächen.  —  Gaussischer  Satz  von  der  Un Veränderlichkeit  des  Krümmungs- 
masses  bei  Verbiegung.  —  Kriterien  dafür,  ob  zwei  gegebene  Flächen  auf  ein- 
ander abwickelbar  sind.  —  Fall  der  Flächen  xon  constantem  Kriinimungsmass. 
—  Abwickelbarkeit  eines  Stückes  einer  Fläche  von  constantem  Krümmungsmass 
auf  ein  beliebiges  anderes  Stück  derselben  Fläche.  —  Flächen,  die  eine  stetige 
Verbiegung  in  sich  gestatten.  —  Auf  einander  abwickelbare  Rotationsflächen.  — 
Schraubenflächen  und  Satz  von  Bour.  —  Die  partielle  Differentialgleichung  zweiter 
Ordnung,  von  der  die  Verbiegung  einer  gegebenen  Fläche  abhängt.  —  Allgemeine 
Sätze  über  Verbiegung.  —  Bonnets  Satz  von  der  Möglichkeit,  eine  Fläche  so 
zu  verbiegen,  dass  die  Haupttangentencurven  des  einen  Systems  Haupttangenten- 

curven  bleiben. 


§  92.    Definition  der  Abwickelbarkeit  von  Flächen  auf  einander. 

Wie  in  der  ebenen  und  in  der  sphärischen  Geometrie  die  Eigen- 
schaften der  in  der  Ebene  oder  auf  der  Kugel  gezeichneten  Figuren 
ohne  Rücksicht  auf  ihre  absolute  Lage  im  Räume  untersucht  werden, 
ebenso  kann  eine  analoge  Untersuchung  für  jede  beliebige  Fläche  S 
angestellt  werden.  Diejenigen  Eigenschaften  nun,  welche  nur  die  Grössen- 
und  Lagenbeziehungen  der  auf  der  Fläche  gezeichneten  Figuren  inso- 
weit betreffen,  als  sie  auf  der  Fläche  gelten,  machen  die  Geometrie 
der  Fläche  aus. 

Unter  diesem  Gesichtspunkt  können  zwei  der  Gestalt  nach  sehr 
verschiedene  Flächen  dieselbe  Geometrie  haben.  So  ist  es  klar,  dass 
die  Sätze  der  ebenen  Geometrie  immer  noch  grültiof  sind,  wenn  die 
Ebene,  in  der  die  Figuren  gezeichnet  sind,  auf  einen  Cylinder,  einen 
K^el  oder  eine  beliebige  andere  abwickelbare  Fläche  aufgewickelt 
gedacht  wird. 

Um  das  Wesen  derjenigen  Eigenschaften,  welche  die  Geometrie 
einer  Fläche  ausmachen,  wohl  zu  erfassen,  denke  man  sich  zweck- 
mässiger Weise  die  Fläche  aus  einer  unendlich  dünnen,  vollkommen 
biegsamen,  aber  undehnbaren  Hülle  gebildet. 

12* 


180  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

Diejenigen  Eigenschaften,  welche  sich  nicht  ändern,  wie  die  Fläche 
auch  verbogen  werden  mag,  fallen  in  ihre  Geometrie,  die  übrigen 
haften  der  Gestalt  und  der  wirklichen  Lage  der  Fläche  im  Räume  an. 

Zwei  Flächen  S,  S',  deren  Punkte  P,  P'  einander  so  zugeordnet 
werden  können,  dass  die  entsprechenden  Linienelemente  gleich  werden, 
haben  dieselbe  Geometrie,  weil  dann  auch  die  endlichen  Bogen,  die 
Winkel  und  die  Flächenräume  der  Figuren  auf  S  den  entsprechenden 
Stücken  der  Figuren  auf  S'  gleich  sind.  In  diesem  Falle  heissen  die 
beiden  Flächen  S,  S'  auf  einander  abwickelbar,  womit  gesagt 
werden  soll,  dass  die  eine  Fläche  (oder  ein  Stück  von  ihr)  durch  blosse 
Verbiegung,  ohne  Riss  oder  Faltung,  auf  die  andere  ausgebreitet  werden 
kann.  Damit  aber  diese  Abwickelung  für  wirklich  ausführbar  gehalten 
werden  kann,  muss  offenbar  das  Vorhandensein  einer  stetigen  Aufein- 
anderfolge von  Gestaltsänderungen  der  biegsamen  Fläche  S,  welche  von  S 
zu  S'  hinüberleitet,  nachgewiesen  werden. 

Wenn  für  zwei  Flächen  S,  S'  die  Ausdrücke  für  die  Quadrate  der 
Linienelemente  gegeben  sind: 

ds^  =    Edu^  +  2Fdudv  +  Gdv\ 
ds'^  =  E'du'^  +  2F' du'dv'-^  G' dv\ 

so  muss  man,  um  zu  erkennen,  ob  sie  auf  einander  abwickelbar  sind, 
untersuchen,  ob  zwischen  den  Punkten  {u,  v)  der  einen  und  den  Punkten 
(u',  v')  der  andern  eine  solche  Zuordnung  möglich  ist,  dass  sich  die 
Gleichheit  der  Linienelemente: 

ds==  ds' 
ergiebt. 

Für  die  Abwickelbarkeit  der  beiden  Flächen  auf  einander   ist  es 
demnach  notwendig  und  hinreichend,  dass  die  Differentialformen: 
Edu^  +  2Fdudv    +  Gdv^ 
E'du'^  +  2F'dudv'-\-  G'dv'^ 
in  einander  transformierbar  sind. 

"«^ 

§  93.    Gaussischer  Satz  von  der  Unveränderlichkeit  des  Krümmungs- 
masses  bei  Verbiegung. 

Aus  den  obigen  Betrachtungen  ergiebt  sich,  dass  die  Geometrie 
der  Fläche  schon  durch  den  Ausdruck  für  ihr  Linienelement  oder  durch 
ihre  erste  Grundform: 

(1)  Edu^  +  2Fdu  dv  +  Gdv^ 

vollkommen  bestimmt  ist.  Mit  anderen  Worten,  die  unendlich  vielen 
Gestaltsänderungen,  die   eine  Fläche  S  beim  Verbiegen  erleiden  kann. 


§  93.     Unveränderlichkeit  des  Krümmungsmasses  bei  Verbiegxmg.         181 

haben  die  erste  Grundform  gemeinsam;   jede   einzelne   von  ümen  wird 
dann  erst  durch  ihre  zweite  Grundform  (Kap.  IV)  näher  bestimmt. 

Wenn  die  Geometrie  einer  Fläche  als  durch  das  Linienelement  der 
Fläche  definiert  behandelt  wird,  so  ist  von  jeder  besonderen  Flächen- 
gestalt, die  dem  Linienelement  wirklich  entspricht,  abzusehen.  Ana- 
lytisch haben  wir  eine  zweidimensionale  Mannigfaltigkeit,  die  von  den 
beiden  Yariabeln  u,  v  erzeugt  wird  und  deren  Elemente  fPunkte)  von 
je  einem  Weriepaar  {Uq,v^  bestimmt  werden:  die  Entfernung  ds  zwischen 
zwei  einander  unendlich  nahen  Punkten  (?*,  y),  («  -|-  dti,  v  -j-  dv)  be- 
stimmt sich  nach  der  Grundform  (1),  und  der  Winkel  0-  zwischen  den 
beiden  Linienelementen  ds,  ds,  die  den  Punkt  {i(,  v)  mit  den  Pimkten 
(m  -\-  du,  V  -\-  dv)j  (m  -\-  du,  V  -\-  dv)  verbinden,  aus  der  Gleichung 
(vgl.  §  34): 

EduSu+  F(dudv  -\-  dvdu)  -\-  Gdcöti 

cos  0-  = !— ^ j—i ' 

dsos 

Zwischen  der  zweidimensionalen  Mannigfaltigkeit  und  den  Wertepaaren 
(uq,  Vq)  haben  wir  somit  ein  eindeutiges  Entsprechen. 

Der  Aenderungsbereich,  den  wir  für  u,  v  betrachten,  soll  stet«  ein 
solcher  sein,  dass  innerhalb  desselben  die  Functionen  E,  F,  G  samt 
ihren  ersten  und  zweiten  partiellen  Differentialquotienten  eindeutig, 
stetig  und  endlich  und  ferner  JE",  G,  EG  —  F-  positiv  sind.  Der 
Winkel  ra  der  Parameterlinien,  der  durch  die  Gleichungen: 


F  .  VEG—F*- 

coacj  =    ,       >      sin  c)  = = — 

yEG  yEG 

bestimmt  ist  (vgl.  §  34,  S.  63),  ändert  sich  demnach  in  dem  betreffenden 
Bereich  stetig  zwischen  Ound  rc,  ohne  jemals  diese  Endwerte  zu  en-eichen. 

Bei  diesen  allgemeinen  Untersuchungen  finden  die  Begriffe  Diffe- 
rentialinvarianten und  Differentialparameter,  die  wir  im  zweiten  Kapitel 
behandelt  haben,  eine  unmittelbare  wichtige  Anwendung.  Die  Krüm- 
mung einer  Fläche  ist  eine  Diff'erentialinvariaute  der  Form  (1):  ihr 
Wert  in  jedem  Punkte  hängt  nur  von  den  Coefficienten  der  Form  (1) 
ab  und  bleibt  demnach  derselbe,  wie  die  Fläche  auch  verbogen  werden 
mag   (vgl.  §  55). 

Daraus  ergiebt  sich  der  grandlegende  Satz  von  Gauss:  DasKrüm- 
mungsmass  einer  Fläche  bleibt  bei  einer  beliebigen  Yerbie- 
gung  der  Fläche  ungeändert.  Dieses  Ergebnis  lässt  sich  auch  noch 
in  folgender  Fassung  aussprechen:  Sind  zwei  Flächen  auf  einander 
abwickelbar,  so  haben  sie  in  je  zwei  entsprechenden  Punkten 
gleiches  Krümmungsmass. 

Dieses  ist  die  Eigenschaft,  welche,  wie  bereits  anderwärts  (S.  105) 


182  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

bemerkt  worden  ist,  dem  Gaussischen  Krümmungsmass  bei  den  geo- 
metrischen Anwendungen  überwiegende  Bedeutung  verleiht. 

Wir    betrachten    nun    einen    DifPerentialparameter    der   Form    (1), 
der  eine  oder  mehrere  willkürliche  Functionen 

(p,  t  '■■ 

enthält.  Der  Wert,  den  er  in  jedem  Punkte  der  Fläche  annimmt,  ist 
von  den  Coordinaten,  die  zu  seiner  Berechnung  verwandt  werden,  un- 
abhängig und  bleibt  bei  jeder  beliebigen  Verbiegung  der  Fläche  der- 
selbe. Werden  cp,  ip  .  .  .  gleich  Constanten  gesetzt,  so  ergeben  sich  auf 
der  Fläche  ebensoviele  Curvensysteme,  und  der  DifFerentialparameter 
stellt  einen  mit  diesen  Curven  unzertrennlich  verbundenen  Ausdruck 
dar,  der  sich  nicht  ändert,  wie  die  Fläche  auch  verbogen  werden  mag. 

Betrachten    wir  z.  B.    die    geodätische  Krümmung  -     der  Curven 
(p  =  Const.    Sie  ist  (§  76,  (3),  S.  149)  durch  den  Differentialparameter 


gegeben.  Daraus  folgt:  Die  geodätische  Krümmung  einer  auf 
einer  Fläche  gelegenen  Curve  ändert  sich  nicht,  wenn  die 
Fläche  verbogen  wird. 

Insbesondere  gehen  die  geodätischen  Linien  einer  Fläche  S  bei 
einer  Verbiegung  von  S  in  die  geodätischen  Linien  der  neuen  Fläche 
über.  Diese  Thatsache  folgt  übrigens  auch  direct  aus  der  charakte- 
ristischen Eigenschaft  einer  geodätischen  Linie  (§  82,  S.  162),  die 
kürzeste  Linie  zu  sein,  die  sich  auf  einer  Fläche  zwischen  zwei  ein- 
ander hinlänglich  nahen  Punkten  ziehen  lässt.  Hieraus  ergiebt  sich 
ein  neuer  Beweis  für  die  Unveränderlichkeit  der  geodätischen  Krüm- 
mung bei  einer  Verbiegung,  wenn  man  sich  der  in  §  80,  S.  156,  für 
die   geodätische  Krümmung  gegebenen  Definition  bedient. 

Wir  wollen  hier  noch  bemerken,  dass  sich  aus  letzteren  Ueber- 
legungen  ein  anschaulicher  Beweis  für  die  Unveränderlichkeit  des 
Gaussischen  Krümmungsmasses  bei  einer  Verbiegung  ergiebt.  Betrachtet 
man  nämlich  einen  geodätischen  Kreis  mit  unendlich  kleinem  Radius  u, 
dessen  Mittelpunkt  ein  Flächenpunkt  P^  ist,  so  ist  sein  Umfang  C  bis 
auf  unendlich  kleine  Grössen  von  höherer  als  der  dritten  Ordnung 
infolge  des  Ausdrucks  (15),  §  82  (S.  162),  in  der  Form: 

gegeben,  wo  Kq  das  Krümmungsmass  der  Fläche  in  Pq  ist.  Wie  die 
Fläche  auch  verbogen  werden  mag,  C  ändert  sich  nicht,  also  auch  nicht  Kq  . 


§  94.    Kriterien  für  die  Abwickelbarkeit  von  Flächen  auf  einander.       183 

§  94.     Kriterien  dafür,  ob  zwei  gegebene  Flächen  auf  einander 

abwickelbar  sind. 

Mit  Hilfe  der  Theorie  der  Differentialparameter  können  wir  in 
der  einfachsten  Weise  die  Aufgabe  lösen:  Gegeben  sind  zwei  Flächen 
S,  S':  es  ist  zu  untersuchen,  ob  dieselben  auf  einander  ab- 
wickelbar sind:  und  wenn  dieses  der  Fall  ist,  sollen  die  da- 
rauf bezüglichen  Gleichungen  aufgestellt  werden. 

Analytisch  ist  die  Aufgabe  mit  der  Frage  nach  der  Transformier- 
barkeit  zweier  gegebener  Differentialformen: 

Edu-  +  2Fdu  dv     +  Gdi:^^ 
E'dxi'-  +  2F'dudv'-\-  G'dv'^ 

in  einander  gleichbedeutend  (§  92).     Nun  nehmen  wir  an,  es  seien 

(p(u,  v)  =  (fXu,  üO, 


zwei  unabhängige  Beziehungen  zwischen  u,  v,  u,  v\  welche  das  Gesetz 
dai-stellen,  nach  dem  unter  der  Voraussetzung  der  Abwickelbarkeit  der 
Flächen  auf  einander  die  Punkte  der  einen  Fläche  denen  der  anderen 
entsprechen.  Infolge  der  Eigenschaften  der  Difierentialparameter  müssen 
wir  haben: 

(3)         A,9>  =  A;9',      V(9,V)  =  V'(9'>'),      A,,^.  =  A,>', 

wo  die  Striche  andeuten,  dass  die  Differentialparameter  auf  den  rechten 
Seiten  für  die  zweite  Form  gebildet  sind.  Damit  die  Flächen  auf  ein- 
ander abwickelbar  seien,  ist  es  also  erforderlich,  dass  die  Gleichungen 
(2)  die  Gleichungen  (3)  zur  Folge  haben.  Diese  notwendige  Bedingung 
ist  für  die  Abwickelbarkeit  auch  hinreichend.  Aus  dem  Ergebnis  in 
§  86  (S.  69,  i20')  folgt  nämlich,  wenn  für  die  erste  Form  cp,  iL'  und  für 
die  zweite  95',  i^«'  als  neue  Veränderliche  eingeführt  werden: 

E'dtr-  +  2F'du'dv-\-  G'dv'  =  A>Wi:im^f^rf^;rf^+A,V^^' 

und  wegen  der  Gleichungen  (2),  (3)  sind  die  rechten  Seiten  einander 
gleich. 

Nach  dieser  Vorbemerkung  schliessen  wir  vorerst  den  Fall  aus,  dass 
eine  der  beiden  Flächen  constantes  Krümmungsmass  besitze.  Bezeich- 
nen wir  die  Krümmungsmasse  der  beiden  Flächen  mit  Ki^ii,  r)  bez. 
K'{u'j  v'\  so  liefert  uns  der  Gaussische  Satz  unter  der  Voraussetzung, 


184  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

dass  die  Flächen  auf  einander  abwickelbar  sind,  sofort  eine  Beziehung 
von  der  Form  (2)  in  der  Gleichung: 

(4)  K{u,  v)==K{u',v'). 

Ferner  ist  einleuchtend,  dass  jeder  für  die  Function  K  gebildete 
Differentialparameter  gleich  dem  entsprechenden  für  K'  berechneten 
sein  muss.     Wir  nehmen  zunächst  die  Beziehung: 

(5)  A,^=A/^', 

die  mit  (4)  combiniert  zu  den  nachstehenden  drei  Fällen  Anlass  geben 
kann: 

1.  Die  Gleichungen  (4)  und  (5)  widersprechen  einander; 
dann  sind  die  Flächen  nicht  auf  einander  abwickelbar. 

2.  Die  Gleichungen  (4)  und  (5)  sind  mit  einander  ver- 
träglich und  von  einander  verschieden.  In  diesem  Falle  ist  es 
nach  dem,  was  wir  oben  gesehen  haben,  damit  die  Flächen  auf  ein- 
ander abwickelbar  seien,  notwendig  und  hinreichend,  dass  die  Glei- 
chungen (4)  und  (5)  die  weiteren: 

V(JBr,  L,K)  =  V\K',  A,'K'),      A,(A,K)  =  A/(A/X') 

nach  sich  ziehen,  was  durch  algebraische  Rechenoperationen  entschieden 
werden  kann. 

3.  Die  Gleichungen  (4)  und  (5)  lassen  sich  auf  einander 
zurückführen. 

Dieses  tritt  ein,  wenn  A^K  eine  Function  von  K  und  A/J5l'  die- 
selbe Function  von  K'  ist. 


§  95.     Fläclien,  die  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind. 
In  dem  zuletzt  betrachteten  Falle: 

(a)  A,K=fiK),      A,'K'=f{K') 
wählen  wir  statt  (5)  die  andere  Beziehung: 

(5*)  A,E^A,'K' 

und  führen  die  Aufgabe   wieder  auf  algebraische  Eliminationen  zurück, 
wofern  nicht  der  weitere  Fall  eintritt,  der  durch  die  Gleichungen: 

(b)  A,K  =  x{K),     a;k'=i{k') 

gekennzeichnet  ist. 

Es   erübrigt  also    nur  noch,   den  einzigen  Fall  zu  betrachten,   in 
dem  die  Gleichungen  (a)  und  (b)  zusammen  bestehen. 


§  95.    Auf  Rotationsflächen  abwickelbare  Flächen.  185 

Da  dann  „  ^ 

ist,  so  bilden  die  Curven  gleichen  Krümniungsmasses  K=  Const.   mit 
den  orthogonalen  Trajeetorien 

•  ,^.  z=  Const. 

ein  Isothermensystem  (§  38,  S.  73). 

Die  Function  ^(?t,  i;)    ergiebt   sich  mittels  Quadraturen    aus    den 
Gleichungen  (§  39,  S.  73): 


HO 


du~^  YEG-F' 


c 


t^rS) 


(iO 
(JT) 


dK  OU  CV 


ct~  y/EG—F 

Daraus  folgt  nach  (14),  S.  67: 

J  /(Jn 


dK 


und  somit  nach  S.  183; 


Edir--\-  2Fdudv  +  Gdv'  =  ^ 


rftO*         dK^    ,    e  «^  -^f^     .  dv> 


ß 


/(■«■) 


dK 


I 


Da  die  Functionen  /  und  x  ^ür  die  zweite  Fläche  dieselben  bleiben, 
so  kommt  dieser  Fläche  dieselbe  Form  für  das  Linienelement  zu,  das 
andererseits  zu  einer  Rotationsfläche  gehört    (vgl.  S.  79). 

Also:  Wenn  die  Beziehungen  (a)  und  (b)  bestehen,  so  sind 
die  beiden  Flächen  auf  dieselbe  Rotationsfläche  und  also 
auch  auf  einander  auf  einfach  unendlich  viele  Weisen  ab- 
wickelbar. 

Um  in  diesem  Falle  die  wirklichen  Gleichungen  für  die  Abwickel- 
barkeit zu  finden,  sind,  wie  wir  gesehen  haben,  zwei  Quadraturen 
erforderlich. 

§  96.     Fall  der  Flächen  von  constantem  Krümmu n gemäss . 

Bei  der  in  den  beiden  vorstehenden  Paragraphen  gegebenen  Lö- 
sung der  ersten  Aufgabe  aus  der  Lehre  von  der  Abwickelbarkeit  zweier 
Flächen  auf  einander  haben  wir  den  Fall  ausgeschlossen,  dass  die  eine 
Fläche  constantes  Krttmmungsmass  besitze.     Damit  in  diesem  Falle  die 


186  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

beiden  Flächen  auf  einander  abwickelbar  seien,  ist  es  erforderlich,  dass 
die  zweite  Fläche  dasselbe  constante  Krümmungsmass  besitzt.  Nun  ist  es 
sehr  bemerkenswert,  dass  in  diesem  Falle  das  Kennzeichen,  das  der 
Graussische  Satz  liefert,  für  die  Abwickelbarkeit  auch  hinreichend  ist,  d.  h. : 

Zwei  Flächen  mit  demselben  constanten  Krümmungsmass 
sind  auf  einander  abwickelbar. 

Für  den  Fall  der  Flächen  mit  der  Krümmung  Null  haben  wir 
dieses  Ergebnis  bereits  in  §  55,  S.  106,  nachgewiesen,  wo  wir  gesehen 
haben,  dass  eine  derartige  Fläche  auf  die  Ebene  abgewickelt  werden 
kann.  Hier  wollen  wir  einen  zweiten  Beweis  dafür  geben,  den  wir 
sofort  auch  auf  die  Flächen  mit  nicht  verschwindendem  constantem 
Krümmungsmass  ausdehnen. 

Wir  ziehen  auf  einer  Fläche  vom  constanten  Krümmungsmass  K 
eine  geodätische  Linie  L  und  wählen  als  Parameterlinien  die  zu  L 
orthogonalen  geodätischen  Linien  und  deren  orthogonale  Trajectorien, 
als  Parameter  u  den  Bogen  der  geodätischen  Curven  v,  gerechnet  von 
der  Curve  L  ab,  die  demnach  die  Curve  u  =  0  ist,  und  als  Parameter 
V  den  Bogen  der  Curve  L,  gerechnet  von  einem  festen  Punkte  dieser  Curve 
an.    Das  Quadrat  des  Linienelements  nimmt  dann  nach  §  81  die  Form: 

ds^  =  dii^  -\-  Gdv^ 
an.     Da  die  geodätische  Krümmung  der  Curve  u  =  0  gleich  Null  ist,  so 
ist  nach  (1),  S.  148:  _ 

w  (T)   =0- 

^  ^  '      \  du  /m=o 

Ferner  ergiebt  sich,  da  das  Bogenelement  der  Curve  u  ==  0  gerade  dv  ist: 

iß)  _  (1^51-.=  1- 

Nun  haben  wir  (vgl.  S.  159): 

und  da  der  Annahme  nach  K  constant  ist,  so  erhalten  wir,  wenn  wir 
die  drei  Fälle: 

K=0,     K>0,     K<0 

unterscheiden,  folgende  Ergebnisse: 
1)  Ist  K=0,  so  kommt: 

YG  =  q)(v)  .  II  -\-  tß(v), 
wo  (p{v),  1p  (v)  Functionen  von  v  allein  sind.    Aber  aus  (a)  und  (/3)  folgt: 

sodass  sieh 

ds^  =  du^  -\-  dv"^, 

d.  h.  das  Quadrat  des  Bogenelements  der  Ebene  ergiebt. 


§  96.    Flächen  von  constantem  Krümm ungsmass.  187 

2.  Ist  JST  >  0,  so  setzen  wir 

K=^,     {R  reeU) 
und  erhalten  aus  (y): 

YG  =  9  (v)  eos  ^  +  ^(t?)  sin  ^  7 

femer  aus  (a)  und  (/S): 

Demnach  ist  hier: 

(6)  ds-  =  di(^-{-cos^'^  dv-. 

Dieses  ds~  gehört  zur  Kugel  vom  Radius  B\  also:  Alle  Flächen 
mit  positivem  constantem  Krümmungsmass  ^  sind  auf  die 
Kugel  vom  Radius  B  und  also  auch  auf  einander  abwickelbar. 

3.  Ist  Ä^  <  0,  so  setzen  wir 

Dann  giebt  Gleichung  {y)'. 

yO  =  (p{v)  cosh  j.  +  ^'(^)  sinh  ^j 
und  infolge  von  (a)  und  (/3)  ist: 

Also:  Das  Quadrat  des  Linienelements  jeder  pseudosphärischen 
Fläche  vom  Radius  R  kann  auf  die  Form: 

(7^  ds^  =  du^  +  cosh^  "  dv^ 

gebracht  werden. 

Daraus  folgt,  dass  alle  diese  Flachen  auf  einander  abwickelbar  sind. 

§  97.     Abwiekelbarkeit   eines  Stückes   einer  Fläche   von   constantem 
Krünunungsmass  auf  ein  beliebiges  anderes  Stück  derselben  Fläche. 

Die  soeben  gewonnenen  Ergebnisse  können  nicht  allein  auf  zwei 
verschiedene  Flächen  mit  demselben  constanten  Krümmungsmass,  son- 
dern auch  auf  zwei  Stücke  ein  und  derselben  Fläche  mit  constantem 
Krümmungsmass  angewandt  werden.  Wir  erhalten  alsdann  den  wich- 
tigen Satz: 

Jedes  Stück  einer  Fläche  von  constantem  Krümmungs- 
mass ist  auf  irgend  ein  anderes  Stück  derselben  Fläche  ab- 
wickelbar, in  der  Weise,  dass  zwei  beliebige  Punkte  A,  B 
des    ersten    Stücks    mit    zwei   beliebigen    Punkten  Ä',  B'   des 


188  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

zweiten  zur  Deckung  gebracht  werden  können,  wofern  nur 
die  geodätische  Entfernung  zwischen  Ä'  und  B'  gleich  der- 
jenigen zwischen  Ä  und  B  ist. 

Für  die  Flächen  von  verschwindendem  oder  positivem  constantem 
Krümmungsmass  ist  der  Satz  ohne  weiteres  klar,  da  ja  die  Ebene  und 
die  Kugel,  worauf  dieselben  bezüglich  abwickelbar  sind,  die  genannte 
Eigenschaft  besitzen.  Um  ihn  auch  für  die  pseudosphärischen  Flächen 
in  aller  Strenge  zu  beweisen,  wählen  wir  das  eine  Mal  als  die  geodä- 
tische Linie  L   des  vorigen  Paragraphen   die  Curve  AB  und  erhalten: 

ds^  =  du^  +  cosh^  ^-  dv^, 

wo  der  Bogen  v  der  Curve  AB  von  A  ab  gerechnet  werden  soll,  so- 
dass A  die  Parameter  w  =  0,  v  =  0  hat.  Indem  wir  hinsichtlich  der 
zweiten  geodätischen  Linie  A' B'  ebenso  verfahren,  erhalten  wir: 

ds'^  =  du'^  -j-  cosh^  -^  dv^. 
Wird  nun  einfach 

gesetzt,  so  ergiebt  sich: 

ds"^  =  ds^, 

und  dem  Punkte  A  oder  (0,  0)  entspricht  der  Punkt  A'  oder  (0,  0), 
dem  Punkte  B  oder  (0,  l)  der  Punkt  B'  oder  (0,1),  wenn  l  die  über- 
einstimmende Länge  der  Bogen  AB  und  A'B'  ist.  Demnach  ist  die 
Fläche  so  auf  sich  selbst  abwickelbar,  dass  A  mit  A'  und  B  mit  B' 
zur  Deckung  kommt,  wie  behauptet  wurde. 

Dieser  Satz  besagt,  dass  jede  auf  einer  Fläche  von  constantem 
Krümmungsmass  gezeichnete  Figur  vermöge  blosser  Yerbiegung  auf 
ein  beliebiges  anderes  Stück  der  Fläche  verlegt  werden  kann,  ohne 
dass  die  Winkel  und  die  Linien-  und  Flächengrössen  eine  Aenderung 
erleiden. 

Für  die  Geometrie  der  Flächen  von  constantem  Krümmungsmass 
gilt  also  im  allgemeinen  ebenso  wie  für  die  Ebene  und  die  Kugel  das 
Prinzip  der  Deckung  der  Figuren.  Es  ist  dieses  die  Grundlage 
der  Analogien,  die  zwischen  der  Geometrie  der  drei  Flächengattungen 
bestehen,  wie  wir  im  folgenden  sehen  werden.  Ferner  ist  es  auch  nach 
dem  Gaussischen  Satze  klar,  dass  für  keine  andere  Fläche  dasselbe 
Prinzip  gelten  kann. 

Aus  unseren  Ausführungen  folgt,  dass  zwei  Flächen  S,  S'  mit 
demselben  constanten  Krümmungsmass  auf  dreifach  unendlich  viele 
Weisen  auf  einander  abwickelbar  sind.  Sind  die  beiden  Flächen  ge- 
geben,  so    müsste    man,   um   eine    dieser   Arten   der   Abwickelbarkeit 


§  97.  Abwicklung  v.  Flächen  const.  Krümm.     §  98.    Pseuodosphär.  Flächen.     189 

zu  finden,  die  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien 
integrieren.  Ist  das  Krümmungsmass  gleich  Null,  so  wird  die  Auf- 
gabe mittels  Quadraturen  gelöst  (§  87,  S.  171):  in  den  anderen  Fällen 
lässt  sie  sich,  wie  in  einem  anderen  Kapitel  gezeigt  werden  wird*), 
auf  die  Integration  einer  Differentialgleichung  erster  Ord- 
nung vom  Riccati'schen  Typus  zurückführen. 

§  98.     Das  Linienelement  der  pseudosphärischen  Fläelien. 

Wir  kehren  nun  zu  dem  Ausdruck  (7),  S.  187,  für  das  Quadrat 
des  Linienelements  zurück,  der  zu  jeder  pseudosphärischen  Fläche  vom 
Radius  R  gehört.  Zusammen  mit  diesem  Ausdruck,  der  als  ein  solcher 
Ton  hyperbolischem  Typus  bezeichnet  wird,  ist  es  hier  zweck- 
mässig, noch  zwei  andere  ebenso  wichtige  Ausdrücke  für  das  Quadrat 
des  Linienelements  zu  betrachten,  die  als  solche  von  elliptischem  be- 
züglich parabolischem  Typus  bezeichnet  werden. 

Wir  betrachten  einen  (gewöhnlichen)  Punkt  P  einer  pseudosphä- 
rischen Fläche  und  wählen  als  Parameterlinien  die  von  P  ausgehenden 
geodätischen  Linien  v  und  ihre  orthogonalen  Trajectorien  m,  als  Para- 
meter V  den  Winkel,  den  eine  veränderliche  geodätische  Linie  des 
Büschels  mit  einer  festen  bildet,  und  als  Parameter  u  den  von  P  aus 
gerechneten  Bogen  der  geodätischen  Linien.  Das  Quadrat  des  Linien- 
elements erhält  dann  die  Gestalt: 

ds-  =  du-  -\-  Gdv', 

und  es  ist  (§  82,  S.  161): 

{yo)     =0,    (y^     =1. 

Nun  ist,  wie  wir  in  §  96  gesehen  haben, 

YQ  =  g)(v)  cosh  ^  -j-  i>{v)  sinh  ^  j 

und  die  voraufgehenden  Bedingungen  geben: 

tp(v)  =  0,     i(f{v)  =  B. 
Demnach  ist: 

ds^  =  du^~  +  R-  sinh^-^di-. 

Dieses  ist  ebenfalls  ein  Ausdnick  fiir  das  Quadrat  des  Linienelements,  der 
zu  jeder  pseudosphärischen  Fläche  vom  Radius  B  gehört,  und  wird 
als  ein  solcher  von  elliptischem  Typus  bezeichnet. 


*)  S.  Kap.  XVI,  §  243. 


190  Kaj).  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

Endlich  wählen  wir  als  Curve  i  in  §  96   statt   einer  geodätischen 

Linie  eine  Linie  mit  der  constanten  geodätischen  Krümmung  ^• 

Eine   solche  Curve   auf  einer  pseudosphärischen  Fläche  heisst  Grenz- 
kreis*).    Wir  haben  dann  ebenfalls: 

ds^  =  du^  -\-  Gdv^,     yCr  =  cp(v)  cosh  -^  -|-  i>(v)  sinh  ^  • 
Da  im  jetzigen  Falle 


cpOv)  sinh  -i^i  -\-  tpiv)  cosh  ^ 
cp(v)  cosh  ^  4-  ibhA   sinh  — 


sein  muss,  so  ergiebt  sich: 

(p(v)  ==  i(j(v)  =  1.  , 

Demnach  ist: 

2m 

ds^  =  du^  -f-  e    dv^. 

Diesen  dritten  Ausdruck  bezeichnen  wir  als  einen  solchen  von  para- 
bolischem- Typus. 

Fassen  wir  also  unsere  Ergebnisse  zusammen,  so  haben  wir  auf 
den  pseudosphärischen  Flächen  vom  Radius  R  die  folgenden  drei  typi- 
schen Ausdrücke  für  das  Quadrat  des  Linienelements  gefunden: 

2m 

A)  Parabolischer  Typus:        ds'^  =  du^ -\- e    dv^. 

B)  Elliptischer  Typus:  ds^  =  dw"  +  W  sinh^  ^  dv\ 

C)  Hyperbolischer  Typus:     ds^  =  du^ -\-  cosh^  ^  t?t?l 

§  99.     Rotationsflächen  eonstanter  Krümmung. 

Wir  wollen  nun  die  gestaltlich  einfachsten  pseudosphärischen  Flächen, 
solche  nämlich,  die  zugleich  Rotationsflächen  sind,  untersuchen. 

Ihr  ds"  hat,  auf  die  Meridiane  und  Parallelkreise  bezogen,  die  Form: 

/  M  m\2 

ds"  =  du^  +  (o  /+  C'e"  -^  j  dv\ 

Wir  unterscheiden  drei  Fälle,  je  nachdem  von  den  beiden  Constanten 
G,  C  eine  gleich  Null  ist  oder  beide  verschiedene  oder  beide  dasselbe 
Vorzeichen  haben.  Ersetzen  wir  den  Parameter  v  durch  cv^  (c  =  Const.), 
so  erhalten  wir  die  drei  Ausdrücke  von  den  bezüglichen  Typen  A),  B),  C): 

*)  Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  es  auf  jeder  pseudosphärischen  Fläche  dop- 
pelt unendlich  viele  Grenzkreise  giebt.  Eine  ausführlichere  Untersuchung  dieser 
Verhältnisse  wird  jedoch  erst  in  Kapitel  XVI  angestellt  werden. 


§  99.    Rotationsflächen  constanter  Krümmung.  191 


I)  ds'  =  du^  +  e''  JV; 
U)  ds^^  du^  +  ;.2  sinli^  J  dv,^, 

m)  ds^  =  du^  +  A^  cosh^  ^  di\^    (l  =  Const.), 


die  wir  drei  Rotationsflächen  zuordnen^  auf  denen  u  der  Meridianbogen 
und  i\  die  Länge  ist.  Bezeichnen  wir  mit  r  den  Radius  des  Parallel- 
kreises und  wählen  wir  die  £ -Achse  als  Drehaxe,  so  haben  wir  in  den 
drei  Fällen  für  die  MeridiancuiTe  bezüglich: 

_u  /*      /  Ju 

I)   r  =  e^  ,=J    yi-^^eUu, 

II)   r  =  X  sinh  ^,     z  =  jy  \  —  ^  cosh^  ^  du, 

ni)   r  =  k  cosh  ^j     z  =  I  yl  —  ^  sinh-  ^  dw. 

Wir  untersuchen  nun  die  Gestalten  der  drei  Meridiancurven. 
Im  Falle  I)  können  wir  die  Integration  mittels  gewöhnlicher  Func- 
tionen ausführen.     Wird 

u 

e    =  i2  sin  9? 

gesetzt,  so  ist  (p  der  Winkel  zwischen  der  Tangente  der  Meridiancurve 
und  der  z-Axe,  und  die  Gleichungen: 

r  =  R  sing),     z  =  rJ  ^^^  d<p  =  R  (logtg  ^  -f  costp) 

geben  uns  die  Coordinaten  eines  Punktes  der  Cui-re  als  Functionen 
des  Parameters  tp. 

Die  durch  diese  Gleichungen  bestimmte  Curve,  welche  die  s-Axe 
zur  Asymptote  hat  und  die  Eigenschaft  besitzt,  dass  das  zwischen  dem 
Berührungspunkt  und  der  Asymptote  gelegene  Stück  ihrer  Tangente 
constant,  gleich  R,  ist,  wird  als  Tractrix  bezeichnet.  Die  eben  ge- 
nannte Eigenschaft  kann  direct  aus  der  Gleichung  der  Curve,  sowie 
auch  aus  der  Thatsache  gefolgert  werden,  dass  die  geodätische  Krüm- 
mung   der    Parallelkreise    auf    der    zugehörigen    Rotationsfläche    con- 

stant,  gleich  ^,  ist  (vgl.  §  80,  S.  158).     Diese  Fläche  heisst  Pseudo- 

sphäre  (siehe  Fig.  1)  und  hat  unter  allen  pseudosphärischen  Flächen 
die  einfachste  Gestalt*). 

*)  Die  drei  folgenden  Figuren  sind  dem  Verzeichnis  der  von  L.  Brill  in 
Darmstadt  hergestellten  Modelle  entnommen. 


192 


Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 


Fall  II):  Elliptischer  Typus,    Um  eine  reelle  Fläche  zu  erhalten, 
muss  man 


B 


<1 


annehmen.     Wird  dementsprechend  A  =  JR  sin  o;   ge- 
setzt,   so   darf  cosh^  „-  höchstens   gleich   -.  ,-   wer- 
'  B,  °  sm-cc 

den.    Demnach  liegen  die  Radien  r  der  Parallelkreise 

zwischen 

r  =  0     und     r  =  R  cos  a . 

Ist  r  =  0 ,  so  ist  -1—  =  sin  a .     Daher  schneiden  alle 
'  du 

Meridiane  die  Rotationsaxe  im  Punkte  m=0  unter  dem 

Winkel  a.  Dieser  Punkt  ist  ein  Knotenpunkt  (conischer  Punkt)  der  Fläche. 

Die  Coordinaten  eines  Punktes  der  Meridiancurve  lassen  sich  durch 

elliptische   Functionen  eines  Parameters   t  mit   dem  Modul   k  =  cos  cc 

ausdrücken.     Wir  setzen  nämlich: 


Flg.  1.     PseudoSphäre. 


k 


sinh  j^  =  -TT  cn(r,  Ic) 


und  erhalten: 


r  ==  Bk  CUT,     5 


=  B¥  fi 


Je' 


sn^TcZr  =  B 


J 
K 


Z{r) 


WO 


Z{r)  = 


&{r) 


r^2K 


die  Jacobi'sche  Function  und  J,  K  die   bekannten  Constanten  aus  der 
Theorie  der  elliptischen  Functionen   sind.     Der  Curvenzug  von   t  =  0 

bis  t  =  2K  ist  in  der  Figur  2  abgebildet; 
jedesmal  wenn  x  um  AK  wächst,  kehrt 
derselbe  Curvenzug  periodisch  wieder.  Die 
zugehörige  Rotationsfläche  besteht  aus  un- 
endlich vielen  congruenten,  durch  Verschie- 
bung längs  der  Axe  aus  einander  hervor- 
gehenden Teilen.  Die  grössten  Parallelkreise 
vom  Radius  r  =  B  cos  a  sind  Rückkehr- 
curven  der  Fläche,  da  die  Punkte  t  =2mK 
(m  ganz)  Rückkehrpunkte  der  Meridian- 
curve sind. 

Fall  III):    Hyperbolischer    Typus. 
In  diesem  Falle  haben  wir: 


T=0 


Fig.  2. 
Pseudosphärische  Botationsfläche 
vom  elliptischen  Typus. 


r  =  X  cosh 


B 


dr  X      •   li    ^ 

du        B  B 


§  100.    Fläche  constanter  Krümmung  auf  Rotationsflächen  abgewickelt.     193 

Der  grösste  Wert,    den  u  auf  dem   reellen  Zuge  der  Curve  annimmt, 

bestimmt  sich  aus  der  Gleichung: 

.  ,   tt         B 
sinh^=-^, 

und  die  Radien  der  Parallelkreise  liegen  zwischen  dem  kleinsten  Werte 


A  und  dem  grössten  Werte  Y  R'  -\-  l^ . 
Setzen  wir  hier: 


]/i2*  +  A-  S  k' 

so  können  wir  die  Coordinat^n  eines  beweglichen 
Punktes  der  Curve  durch  elliptische  Functionen  des 
Parameters  r  ausdrücken  mittels  der  Gleichungen: 

r  =  |dnr,      »- =  f  (^  r  -  Z(r))  • 

Die  Gestalt  der  Curve  von  r  =  0  bis  t  =  2  ^  ist  Fig.  s. 

in  Fig.  3  abgebildet.    Wächst  t  um  2K,  so  kehrt  der-      B^^atioLfläche* 

TL/-,  •     T      1         •     1  -r\-  "iT-»!       vom    hrperboliächen 

selbe  Lurvenzug  periodisch  wieder.    Die  grössten  raral-  Typus, 

lelkreise,   die    den  Werten   t  =  2mK  (m   ganz )    ent- 
sprechen, sind  Rückkehrcurven   der  F^che,  und  die  kleinsten,  die  den 
Werten  r=  {2m  -j-  1)K  entsprechen,  sind  geodätische  Linien. 

§  100.     Abwickelung  einer  Fläclie  constanter  Krümmung  auf  eine 

Rotationsfläche . 

Die  soeben  betrachteten  drei  Arten  pseudosphärischer  Rotations- 
flächen sind  von  einander  verschieden,  und  es  ist  nicht  möglich,  eine 
von  ihnen  auf  eine  solche  von  anderer  Art  so  abzuwickeln,  dass  sich 
die  beiderseitigen  Parallelkreise  decken.  Um  sich  hiervon  zu  über- 
zeugen, braucht  man  nur  zu  beachten,  dass  beim  parabolischen  Typus 
die  Parallelkreise  Curven  mit  der  constanten   geodätischen  Krümmung 

^  sind,  während  diese  geodätische  Krümmung  beim  elliptischen  Typus 
>^,  beim  hyperbolischen  dagegen  <^  ist.      Nach   dem   allgemeinen 

Satze  (§  96)  jedoch  ist  jede  pseudosphärische  Fläche  vom  Radius  It 
auf  jede  der  Flächen  Ij,  11),  Ul)  abwickelbar.  Wir  wollen  diese  Ai-t 
der  Verbiegung  jeder  pseudosphärischen  Fläche  in  eine  pseudosphäri- 
sche Rotationsfläche  näher  untersuchen  und  bemerken  dazu  folgendes: 
a)  Auf  einer  pseudosphärischen  Fläche  S  ziehe  man  einen  Grenz- 
kreis und  betrachte  die  zu  demselben  orthogonalen  geodätischen  Linien. 
Durch  Biegung  kann  der  Fläche  die  Gestalt  einer  Pseudosphäre  erteilt 

B  i  a  n  c  h  i ,  Differentialgeometrie.  1 3 


194  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

werden,  für  welche  die  soeben  gezogenen  geodätischen  Linien  die  Meri- 
diane werden  (vgl.  S.  190). 

b)  Auf  der  pseudosphärischen  Fläche  S  nehmen  wir  einen  Punkt  P 
an  und  betrachten  die  von  P  ausgehenden  geodätischen  Linien,  sowie 
die  zu  ihnen  orthogonalen  geodätischen  Kreise.  Wählen  wir  die  Para- 
meter u^  V  ebenso  wie  in  §  98,  S.  189,  so  haben  wir: 

dSy^  =  du^  -f-  R^  sinh^       dv'^. 

Durch  Vergleichung  mit  dem  Quadrat  des  Linienelements  der  Rota- 
tionsfläche vom  elliptischen  Typus   (S.  191): 

ds^^  =  du^^  -f-  A^  sinh^  ^  dv^^ 

erhalten  wir  als  Gleichungen  für  die  Abwickelung  der  beiden  Flächen 

auf  einander: 

l 

Daraus  ergiebt  sich,  dass,  wenn  die  Länge  v^  auf  der  Rotationsfläche 
11)  einen  vollen  Umgang  von  0  bis  2  n  macht,  der  Winkel  v  das  Inter- 
vall von  ^' =  0  bis  v=^2n^u\a  durchläuft,  das  kleiner  als  2;r  ist. 
Es  genügt  also  schon  ein  Stück  von  >S.um  P,  um  einen  Mantel  der 
Fläche  II)  vollständig  zu  bedecken.  Ferner  giebt  es  auf  der  Fläche 
II)  kein  Gebiet,  das  dem  Teile  von  S  jenseits  des  geodätischen  Kreises 
vom  Radius 

u  =  sect  cosh  \— — 1 

\sin  a/ 
entspricht;  derjenige  Teil  von  >S^  um  P,  der  in  die  Gestalt  eines  Man- 
tels  der  Fläche  II)   gebracht  werden  kann,   wird   also  von  einem  geo- 
dätischen Sector  begrenzt. 

c)  Im  Falle  der  Fläche  III)  vom  hyperbolischen  Typus  ist  der 
kleinste  Parallelkreis  eine  geodätische  Linie,  und  wir  können  daher 
eine  beliebige  pseudosphärische  Fläche  S  auf  die  Fläche  III)  so  ab- 
wickeln, dass  sich  eine  willkürliche  geodätische  Linie  g  auf  S  mit  dem 
kleinsten  Parallelkreis  deckt.  Derjenige  Teil  von  8,  der  sich  auf  einen 
Mantel  der  Fläche  III)  wirklich  abwickelt,  ist  ein  Streifen,  der  von 
zwei  zur  Curve  g  geodätisch  parallelen  und  von  ihr  überall  gleich  weit 
entfernten  Curven  begrenzt  wird,  die  nach  der  Verbiegung  die  gröss- 
ten  Parallelkreise  (Rückkehrcurven)  des  Mantels  geworden  sind.  An  den 
Enden  der  geodätischen  Linie  g  wird  der  Streifen  von  zwei  zu  g  ortho- 
gonalen geodätischen  Linien  begrenzt,  die  sich  nach  der  Verbiegung 
zu  einem  einzigen  Meridian  des  Mantels  zusammenschli essen.  Die  Länge 
und  die  Breite  des  Streifens  hängen  nur  von  dem  Radius  ab,  den  man 
für  den  kleinsten  Parallelkreis  wählen  will. 


§  101.    Flächen,  die  eine  stetige  Verbiegung  in  sich  zulassen.  195 


§  101.     Flächen,  die  eine  stetige  Verbiegung  in  sich  zulassen. 

Die  fundamentale  Eigenschaft  der  Flächen  von  constantem  Krüm- 
mungsmass,  die  wir  in  §  97  nachgewiesen  haben ^  lässt  sich  folgender- 
massen  aussprechen: 

Das  Linienelement  jeder  Fläche  von  constantem  Krüm- 
mungsmass  lässt  oc^  Transformationen  in  sich  zu. 

Wir  fragen  nun,  ob  es  noch  andere  Flächen  giebt,  die  stetige  Ver- 
biegungen  in  sich  zulassen.  Wenn  es  solcher  Verbiegungen  doppelt 
unendlich  viele  ^be,  so  könnte  durch  geeignete  Verfügung  über  die 
beiden  Transformationsparameter  jeder  Punkt  der  Fläche  in  jeden  be- 
liebigen anderen  Punkt  (eines  passenden  Gebiets)  verlegt  werden:  nach 
dem  Gaussischen  Satze  besässe  die  Fläche  ein  constautes  Krümm ungs- 
mass,  und  die  vorausgesetzten  Verbiegungen  wären  also  in  dreifach, 
nicht   allein  doppelt  unendlicher  Zahl  vorhanden. 

Femer  ist  klar,  dass  jede  auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbare 
Fläche  wenigstens  eine  stetige  Verbiegung  in  sich  zulässt,  entsprechend 
der  Drehvmg  der  Fläche,  auf  die  sie  abwickelbar  ist,  um  die  Axe. 

Es  ist  nun  von  Wichtigkeit,  dass  auch  der  umgekehrte  Satz 
besteht: 

Jede  Fläche  S,  die  eine  stetige  Verbiegung  in  sieh  zu- 
lässt,  ist  auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbar. 

Besitzt  die  Fläche  S  constantes  Krümmungsmass ,  so  ist  der  Satz 
bereits  durch  die  Untersuchungen  in  den  vorigen  Paragi-aphen  bewiesen. 
Im  gegenteiligen  Falle  müssen  sich  während  der  angenommenen  stetigen 
Verbiegung  die  Curven  L,  längs  deren  das  Krümmungsmass  K  ein 
und  denselben  Wert  hat,  nach  dem  Gaussischen  Satze  in  sich  selbst 
verschieben.  Und  da  nun  diese  Biegung  von  einem  sich  stetig  ändern- 
den Parameter  abhängt,  so  kann  jeder  Punkt  einer  Curve  L  in  jeden 
beliebigen  anderen  Punkt  derselben  Curve  verlegt  werden;  daraus  folgt, 
dass  die  Curven  L  constante  geodätische  Krümmung  besitzen.  Femer 
verschieben  sich  die  zu  einer  Curve  L  geodätisch  parallelen  Curven  wäh- 
rend der  Verbiecrunff  offenbar  ebenfalls  in  sich  selbst.  Aus  diesen 
Ueberlegungen  ergiebt  sich  der  obige  Satz  ohne  Schwierigkeit,  denn 
in  der  That  lässt  sich  beweisen: 

Wenn  eine  Fläche  S  ein  System  von  Curven  L  besitzt, 
die  geodätisch  parallel  sind  und  von  denen  jede  constante 
geodätische  Krümmung  hat,  so  ist  sie  auf  eine  Rotationsfläche 
abwickelbar,  deren  Parallelkreise  die  Biegungscurven  der 
Curven  L  sind. 

13* 


196  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

Man  wähle  nämlich  als  Coordinatensystem  das  von  den  Curven  L 

(u  =  Const.)    und    von    den    dazu    orthogonalen    geodätischen    Linien 

(v  =  Const.)   gebildete.     Dann  nimmt   das  Quadrat   des  Linienelements 

die  Form:  „  „        ^      „ 

ds^  =  du^  +  Gdv^ 

an.     Nun  ist  nach  Voraussetzung  (vgl.  S.  148): 

= ^^ —  =  a)(w), 

also: 

yä  =  JJY, 

wo  TJ  eine  Function  von  u  allein  und  V  eine  Function  von  v  allein 
ist.     Wird  dann 

/  Ydv  =  v^ 

gesetzt,  so  ergiebt  sich  sofort  das  Quadrat  des  Linienelements  einer 
Rotationsfläche  (vgl.  §  42): 

ds^  =  dir  -j-  U^dvi^. 

§  102.     Auf  einander  abwickelbare  Rotationsflächen. 

Wir  wollen  nun  einige  einfache  Beispiele  von  auf  einander  ab- 
wickelbaren Flächen  betrachten  und  zunächst  untersuchen,  ob  zwei 
Rotationsflächen  S,  S^^  auf  einander  abgewickelt  werden  können. 

Aus  dem  Gaussischen  Satze  folgt  vorerst,  dass  sich  die  Parallel- 
kreise von  S  mit  denjenigen  von  8^  und  dass  sich  also  auch  die  beider- 
seitigen Meridiane  decken  müssen.  Ausgenommen  sind  natürlich  die 
Flächen  von  constantem  Krümmungsmass,  aber  die  nachfolgenden  Unter- 
suchungen gelten  auch  für  diese  Flächen,  wenn  noch  die  Bedingung 
hinzugefügt  wird,  dass  sich  die  Parallelkreise  der  einen  Fläche  mit 
denjenigen  der  anderen  decken  sollen. 

Wenn  das  Quadrat  des  Linienelements  von  S  durch 
ds^  =  du^  -f~  r'^dv^ 
und  dasjenige  von  /S^  durch 

dSj^  =  du-^  -\-  Yydv^ 

gegeben  ist,  so  können  wir  ohne  weiteres  %  =  u  setzen,  indem  wir 
die  Meridianbogen  von  zwei  entsprechenden  Parallelkreisen  ab  rechnen. 
Um  die  beiden  Linienelemente  in  einander  zu  transformieren,  muss 
man  v.^  =  v^  {v)  setzen  und  diese  Function  durch  die  Bedingung : 


bestimmen. 


^iW-^'-<^) 


§  102.    Auf  einander  abwickelbare  Rotationsflächen.  197 

Hieraus  ergiebt  sich: 

r^  =  Tir,      v^  =  -^  (k  willkürlich  constant). 

Wenn  also  r  =  (p(u)  die  Gleichung  der  Meridiancurve  von  S  ist,  so 
sind  die  Coordinaten  eines  Punktes  der  Meridiancurve  von  S^  gegeben 
durch : 

r  =  A-(p(w),     2  =fVl  —  r-<p'^{u)  du. 

Daraus    folgt:    Jede    Rotationsfläche    kann    auf   oc^   Weisen    so 

verbogen  werden,  dass  sie  eine  Rotationsfläche  bleibt. 

Wir   untei-suchen   nun    des    näheren,    in    welcher  Weise    sich    die 

Fläche   S^   auf  S  abwickelt.     Setzen    wir   Z:  <  1    voraus,   so   zeigt    die 

Gleichung: 

V  =  ]ci\ , 

dass,  wenn  die  Länge  i\  auf  Sj^  einen  ganzen  Umgang  vollendet  hat, 
wobei  sie  gleich  2jt  wird,  die  Länge  v  gleich  2Ji:i  <  2%  wird.  Wenn 
also  die  Fläche  5^  auf  die  Fläche  S  abgewickelt  wird,  so  wird  letztere 
nicht  ganz  bedeckt,  sondern  es  bleibt  ein  Stück  (Zweieck)  frei,  das 
zwischen  zwei  Meridianen  liegt,  deren  Ebenen  einen  Winkel  von  der 
Amplitude  27c(l  —  Je)  bilden.  Um  5^  auf  S  auszubreiten,  muss  man 
also  S^  längs  eines  Meridianes  aufschneiden,  öjßfnen  und  dann  so 
verbiegen,  dass  die  Schnittränder  zwei  bestimmte  Meridiane  auf  S 
werden.  Beachtet  man,  dass  die  geodätische  Krümmung  der  Parallel- 
kreise und  die  Totalkrümmung  der  Fläche  bei  der  Verbiegung  unge- 
ändert  bleiben,  so  sieht  man  sofort,  dass  in  zwei  einander  ent- 
sprechenden Punkten  die  Krümmung  der  Meridiancurve  von  S  gi-össer 
als  diejenige  der  Meridiancurve  von  S^  ist. 

Der  Fall  ^'  >  1  lässt  sich  offenbar  auf  den  vorigen  zurückführen, 
wenn  wir  umgekehrt  S  id.  S^  verbiegen,   was  ja  darauf  hinauskommt, 

dass  A"  durch  -,-  ersetzt  wird.  Hierbei  ist  aus  S  ein  Zweieck  heraus- 
zunehmen und  darauf  die  Stetigkeit  der  Fläche  in  der  Weise  wieder- 
herzustellen, dass  man  die  beiden  Grenzmeridiane  des  herausgenomme- 
nenen  Zweiecks  durch  Verbiegung  zu  einem  einzigen  vereinigt. 

Femer  ist  zu  bemerken,  dass  jedem  Punkte  der  Meridiancurve  von 
S   ein    reeller  Punkt    der    Meridiancurve    von   S^   entspricht,    so  lange 

A-v— <1  ist,  was  wegen  der  obigen  Gleichungen  immer  der  Fall  ist, 
wenn  J:  <  1  ist.  Ist  jedoch  /.•>!,  so  schliessen  die  Parallelkreise, 
denen  der  Wert  -v-  für  ;;=—  entspricht,  auf  S  eine  Zone  ein,  welche  der 
thatsä<?hlich  auf  S^  abwickelbare  Teil  von  S  ist.    Nach  der  Verbiegung 


198  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

werden   die  Grenzparallelkreise   dieser  Zone  Rückkehrparallelkreise   für 
S^j   d.  h.  solche,  auf  denen  die  Meridiane  Rückkehrpunkte  haben. 

§  103.    Beispiel:  Rotationsflächen  constanter  Krümmung. 

Als  Beispiel  betrachten  wir  die  Verbiegungen  der  Rotationsflächen 
von  constantem  Krümmungsmass. 

a)  Für  die  Kugel  vom  Radius  Eins  kann 

r  =  cosM 

gesetzt  werden.     Es  sind   dann   die  Coordinaten  längs   der  verbogenen 
Meridiane  durch  die  Gleichungen: 

r  =  Je  cos  u,     ^  =  j  y  1  —  ^^  si^^  ^^  ^** 
gegeben. 

Wir  können  dieselben  durch  elliptische  Functionen  eines  Para- 
meters t  ausdrücken.  Zu  diesem  Zwecke  setzen  wir,  wenn  Z;  <  1  ist 
costt  ==  cn(T,  Ti)  und  erhalten: 

r  =  ^cnr,     ^  =  ( 1  —  ^)  ^  ~h  ^(^)- 
Ist  Ä;  >  1 ,  so  führen  wir  -,-  statt  Ti  ein  und  erhalten,  indem  wir 


setzen: 

dnr 

^  =  -1-' 


k 

cos  w  =  dn  (t,  Ti) 


Im  Falle  Tc<Cl  ergiebt  sich  eine  spindelförmige  Fläche,  deren  Meridiane 
die  Axe  in  einem  (konischen)  Punkte  unter  dem  Winkel  a  =  arc  sin  Ti 
treffen.  Im  Falle  /c  >  1  liegt  eine  Zone  vor,  die  von  zwei  kleinsten 
Rückkehrparallelkreisen  begrenzt  ist.  Die  drei  nachstehenden  Figuren 
4,  5,  6  stellen  die  den  drei  Fällen  entsprechenden  Flächen  dar.  Auf  der 
mittleren,  der  Kugel,  ist  die  Zone  angegeben,  die  sich  auf  die  ganze 
Fläche  in  Fig.  6  abwickelt. 

b)  Die  Pseudosphäre  besitzt  die  merkwürdige  Eigenschaft,  dass 
alle  ihre  Rotationsbiegungsflächen  mit  ihr  identisch  sind,  was  sich 
daraus  ergiebt,  dass  die  geodätische  Krümmung  der  Parallelkreise  con- 

stant  gleich   „    ist.     Im    Falle  des  Einschrumpfens    der  Parallelkreise 

(Ti  <  1)  wird  der  grösste  (Rückkehr-)Parallelkreis  ein  kleinerer  Parallel- 
kreis, und  es  bleibt  demnach  die  zwischen  diesem  und  dem  grössten 
Parallelkreise  gelegene  Zone  unbedeckt.  Bei  der  umgekehrten  Yerbie- 
gung  wird  ein  kleinerer  Parallelkreis  zum  Rückkehrparallelkreis;  um 
jedoch  diese  Verbiegung  zu  bewerkstelligen,  muss  man  zuerst  die  Zone 


§  103.  Verbieg,  t.  Rotationsfl.  const.  Er.  §  104.  Theor.  v.  Bourüb.  Schraubenfl.     199 

zwischen    diesem   und    dem    wirklichen    Rückkehrparallelkreis   aus    der 
Pseudosphäre  herausschneiden. 


Fig.  4. 


Fig.  5. 


Die  Verbiegrung  von  pseudosphärischen  Rotationsflächen  der  anderen 
beiden  Arten  führt  auf  Flächen  von  demselben  Typus.  Dabei  ändert 
sich  im  Falle  der  Flächen  vom  elliptischen  Typus  der  Offuimgswinkel 
an  der  Spitze  (ain  konischen  Punkt \,  bei  denjenigen  vom  hyperboli- 
schen Typus  der  Radius  des  kleinsten  Parallelkreises. 


§  104.     Theorem  von  Bour  über  Schraubenflächen. 

Das  Ergebnis  in  §  101  gestattet  eine  unmittelbare  Anwendung 
auf  eine  wichtige  Klasse  von  Flächen,  die  als  Schrauben  flächen 
bezeichnet  werden.     Dieselben  werden  von  einer  ebenen  oder  doppelt 


200  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

gekrümmten  Curve  erzeugt,  der  eine  doppelte  Bewegung  erteilt  wird, 
eine  drehende  um  die  Axe  und  eine  fortschreitende  parallel  zur  Axe, 
deren  Geschwindigkeiten  in  einem  constanten  Verhältnis  zu  einander 
stehen.  Die  verschiedenen  Punkte  der  erzeugenden  Curve  beschreiben 
dabei  sämtlich  Schraubenlinien,  deren  gemeinsame  Axe  die  Axe  der 
Schraubenfläche  ist  und  die  alle  gleiche  Ganghöhe  haben.  Wenn  wir 
beachten,  dass  sich  bei  der  Schraub ung,  vermöge  deren  die  Fläche 
erzeugt  wird,  die  ganze  Fläche  in  sich  selbst  bewegt,  so  brauchen 
wir  nur  den  Satz  in  §  101  anzuwenden  und  kommen  dann  zu  dem 
eleganten,  von  Bour  herrührenden  Ergebnis: 

Jede  Schraubenfläche  ist  auf  eine  Rotationsfläche  ab- 
wickelbar-, die  Schraubenlinien  decken  sich  dabei  mit  den 
Parallelkreisen  der  Rotationsfläche. 

Da  sich  jede  Schraubenlinie  unendlich  oft  auf  den  entsprechenden 
Parallelkföis  aufwickelt,  so  ist  es  klar,  dass  die  Rotationsfläche  von  der 
Schraubenfläche  unendlich  oft  überdeckt  wird. 

Von  diesem  Satze  wollen  wir  nun  einen  directen  Beweis  geben, 
um  auch  die  wirklichen  Abwickelungsgleichungen  zu  erhalten.  Hierzu 
bemerken  wir,  dass,  wenn  durch  die  Axe  eine  Ebene  gelegt  wird,  auf 
der  Schraubenfläche  eine  Schnittcurve  (Meridianprofil)  entsteht, 
welche  die  Schraubenfläche  erzeugt,  wenn  ihr  eben  die  Schraubung  um 
die  Axe  erteilt  wird,  durch  welche  die  Fläche  erzeugt  wurde.  Eine 
Schraubenfläche  ist  also  bestimmt,  wenn  ihr  Meridianprofil  und  der 
Parameter  der  Schraubung  gegeben  sind. 

Als  ^-Axe  werde  die  Axe  der  Schraubenfläche  gewählt,  mit  q  der 
Abstand  eines  Punktes  des  Meridianprofils  von  der  Axe  bezeichnet, 
und  es  sei 

^  =  <p{q) 

die  Gleichung  des  Meridianprofils.  Wir  bezeichnen  ferner  mit  v  den 
Winkel,  um  den  sich  nach  einer  beliebigen  Zeit  die  Ebene  des  Meri- 
dianprofils gedreht  hat,  und  mit  m  das  Verhältnis  der  Geschwindigkeit 
der  fortschreitenden  Bewegung  zur  Rotationsgeschwindigkeit.  Die  Coor- 
dinaten  x,  y,  z  eines  beweglichen  Punktes  der  Schraubenfläche  sind 
dann  als  Functionen  von  q  und  v  durch  die  Gleichungen: 
X  =^  Q  cos Vj  y  =  Q  Bixiv,  z  =  ffio)  -\-  '^v 
gegeben,  aus  denen 

ds^  =  [1  -f-  (p'^o)]  dQ^  +  2m(p'(Q)dQdv  +  (q'  +  m^)dv^ 
folgt. 

Wir  führen  nun  statt  der  Parameterlinien  v  andere  Linien  v^  ein, 
indem  wir 


§  105.    Beispiele  von  Schraubenflächen.  201 

,  /    tp'(Q)dQ 

setzen,  wobei  Je  eine  willkürliche  Constante  ist.     Dann  ergiebt  sich: 


ds^-  = 


'^+'^^^dQ^-^k\Q^-  +  m^dv,^ 


Vergleichen  wir  dieses  Quadrat  des  Linienelements  mit 

ds,'  =  [1  +  iL'''(r)]dr-  +  r-dL\% 
d.  h.  mit  demjenigen  einer  Rotationsfläche,   deren  Meridiancnrve  durch 
die  Gleichung: 

gegeben  ist,  so  können  wir  beide   einander  gleich  machen,  wenn  wir 
zwischen  r,  ^(r),  q,  ffio)  folgende  Beziehungen  aufstellen: 


l[i  +  -^"«](l^)  =  i  +  fi^' 


Diese  Gleichungen  beweisen  wieder  den  Bour'schen  Satz.  Femer  sieht 
man,  dass,  wenn  eine  Schraubenfläche  oder  eine  Rotationsfläche  will- 
kürlich gewählt  wirdj  die  Rotationsflächen  bez.  die  Schraubenflächen,  auf 
die  sie  abwickelbar  ist,  durch  Quadi-aturen  gefunden  werden  können.  Im 
ersten  Falle  ergiebt  sich  nämlich  »/^"'(r)  durch  Elimination  von  (>,  im 
zweiten  (p'(q)  durch  Elimination  von  r. 

§  105.     Beispiele  zur  Abwickelung  von  Schraubenflächen  auf 
Rotationsflächen. 

Wir  wenden  nun  die  Gleichungen  (8)  auf  zwei  einfache  Beispiele  an. 

1)  Das  Meridianprofil  sei  eine  zur  Axe  senki-echte  Gerade;  die 
erzeugte  Schraubenfläche  ist  die  bereits  in  §  19,  S.  32,  betrachtete 
Minimal-Schraubenregelfläche.  Wir  haben  in  den  Gleichungen  (8) 
in  diesem  Falle  9)'((>)  =  0,  also: 


1 +  *"(••)  =  (^)  =  ,.v^ 


Wenn  die  willkürliche  Constante  Je  gleich  Eins  gesetzt  wird,  so  folgt: 

dr 


=  *(r)  =  ,„  /  -= 


V' 

und  durch  Ausfühiimg  der  Integration: 


r  =  m  cosh  — 
m 


Die  Meridiancurve   der  Rotationsfläche  ist  demnach   eine   gewöhnliche 
Kettenlinie,  deren  Leitlinie  die  Drehaxe  ist. 


202  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

Die  zugehörige  Rotationsfläche  wird  Catenoid  genannt  Die  Er- 
zeugenden der  Schraubenfläche  decken  sich  bei  der  Abwickelung  mit 
den  Meridianen^  und  die  Axe  q  =  0  wird  der  Kehlkreis  r  =  m  des 
Catenoids. 

2)  Das  Meridianprofil  sei  eine  um  den  Winkel  a  zur  Axe  geneigte 
Gerade;  ihre  Gleichung  ist  dann: 

S  =  Q  cotg  a . 
Wenn  also  in  (8) 

fp\Q)  ==  CotgCC 


gesetzt  wird^  so  ergiebt  sich: 

1  +  ^'^r)  : 


.,     ,    (r^  —  h^m^)  cotg^  a 


^2  (^2  _  ^.2^„2) 

Setzen  wir  die  willkürliche  Constante  h  gleich  cotga,  so  erhalten  wir: 

,  w  \  r  tg  a 

yr'^  —  m^  cotg*  cc 

Die  Gleichung  der  Meridiancurve  der  Rotationsfläche  ist  also: 


^  =  tg  a  yr^  —  m^  cotg^  a 
oder: 


'     1. 


m^  cotg*  a         m* 

Die  Rotationsfläche  ist  daher  ein  einschaliges  Rotationshyper- 
boloid. Man  sieht  leicht,  dass  sich  bei  der  Abwickelung  die  Axe 
p  =  0  der  Schraubenfläche  mit  dem  Kehlkreis  des  Hyperboloids  und 
die  Erzeugenden  der  Schraubenfläche  mit  der  einen  Schar  der  Er- 
zeugenden des   Hyperboloids  decken. 

§  106.     Das  allgemeine  Problem  der  Verbiegung  von  Flächen. 

Wir  gehen  nun  zu  der  Behandlung  einer  zweiten  und  wichtigeren 
Aufgabe  aus  der  Lehre  von  der  Abwickelbarkeit  der  Flächen  auf  ein- 
ander über,  die  folgendermassen  lautet:  Alle  Flächen  zu  finden, 
die  auf  eine  gegebene  Fläche  abwickelbar  sind,  oder:  Alle 
Flächen  mit  gegebenem  Linienelement  zu  finden. 

Diese  schwierige  Aufgabe  kann  vollständig  nur  in  wenigen  beson- 
deren Fällen  gelöst  werden,  die  in  späteren  Abschnitten  dieses  Buches 
behandelt  werden  sollen.  Doch  gestatten  es  die  allgemeinen  Sätze 
über  partielle  Difi'erentialgleichungen,  sehr  wichtige  allgemeine  Sätze 
bezüglich    der    gestellten    Aufgabe    abzuleiten.     Und    mit    diesen    eben 


§  106.  Allg.  Probl.  d.  Verbiegung.     §  107.  Part.  Diffgl.  2.  0.  für  die  Verbiegung.     203 

wollen  wir  uns  beschäftigen,  soweit  dieses  die  Grenzen  der  Kürze,  die 
wir  uns  gfesteckt  haben,  zulassen*'). 

Der  erste  Weg,  die  vorliegende  Aufgabe  in  Angriff  zu  nehmen, 
ergiebt  sieh  naturgemäss  aus  den  Grundgleiehungen  der  Flächentheorie 
(Kap.  IV).     Wenn  die  erste  Grundform: 

Edu^-i-2Fdudv  +  Gdv^ 
gegeben  ist,  so  gehört  zu  jeder  Fläche  mit  diesem  Quadrat  des  Linien- 
elements eine  zweite  Grundform: 

Ddu^  +  2D'dudv  +  I)"dv^, 
imd  die  Functionen  D,  D',  D"  müssen  den  Gleichungen  (HT),  (J^j 
§48,  S.  91,  d.  h.  der  Gaussischen  imd  den  beiden  Codazzi'schen 
Gleichungen,  genügen.  Umgekehrt,  wenn  D,  D',  D"  drei  Functionen 
von  u  und  v  sind,  die  den  drei  genannten  Gleichungen  genügen,  so 
giebt  es  eine  zugehörige  Fläche  mit  dem  gegebenen  Linienelement, 
und  die  wirkliche  Bestinunuug  der  Fläche  hängt  in  letzter  Linie  von 
der  Integration  einer  Riccati'schen  Gleichung   ab  (§  50,  Kap.  lY). 

Würden  wir  also  z.  B.  das  Linienelement  einer  Rotationsfläche 
nehmen,  also 

ds-  =  dir  -f-  r-dt^ 

setzen,  wo  r  nur  von  ii  abhängt,  so  könnten  wir  den  genannten  Grund- 
gleichungen genügen,  wenn  wir  für  D,  D',  D"  Functionen  von  u  allein 
wählen  würden.  Die  auf  die  Rotationsflächen  abwickelbaren  Flächen, 
die  wir  auf  diese  Weise  finden  würden,  sind  gerade  die  Schrauben- 
flächen (§  104)**). 

§  107.     Partielle  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung,  von  der  die 
Verbiegung  einer  gegebenen  Fläche  abhängt. 

Weit  wichtiger  als  die  obige  Methode  ist  diejenige,  zu  deren  Ent- 
wicklung wir  nun  übergehen,  indem  wir  uns  dabei  auf  die  Ergebnisse 
in  §  60,  Kap.  IV,  vor  aUem  auf  die  Gleichung  (B),  S.  116,  stützen. 

Für  jede  Fläche: 

X  =  x{u,  v),     y  =  y{u,  v),     z  =  z(u,  v) 
mit  gegebenem  Quadrat  des  Linienelements: 

*)  Vollständig  durchgeführt  findet  der  Leser  die  Aufgabe   im  3.  Bande  der 
Le^ons  von  Darboux,  S.  263  ff. 

**)  Zum  Beweise  braucht  man  nur  zu  beachten,  dass  in  diesem  Falle  sowohl 
die  erste  als  auch  die  zweit«  Grundform  die  stetige  Transformation  in  sich: 

u'=  tt,    v'^  V  -f-  Const. 
zulassen.    Da  also  die  Fläche  eine  stetige  Bewegung  in  sich  gestattet,  ist  sie  eine 
Schraubenfläche. 


204  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

(9)  dx"  +  dy''  +  dz''  =  Edu'  +  2Fdudv  +  Gdv^ 

besagt  die  so  eben  erwähnte  Gleichung^  dass  jede  der  drei  unbekannten 
Functionen  x,  y,  z  der  partiellen  Differentialgleicbung  zweiter  Ordnung: 

(10)  L^^x  =  {\  —  t,^x)K 

genügt,  deren  Coefficienten  allein  aus  JE",  F ^  G  und  deren  ersten  und 
zweiten  Differentialquotienten  gebildet  sind*). 

Nun  ist  es  wichtig,  mit  Darboux  zu  bemerken,  dass  die  Glei- 
chung (10)  folgende  Bedeutung  hat: 

Ist  x(;u,  v)  eine  Lösung  der  Gleichung  (10),  so  hat  die  qua- 
dratische Form: 

—  dx^  +  Edtt^  +  2Fdu  dv  +  Gdv'  = 

=  [E-{'j^)']äu'+2[F-%%\äuä.  +  [G-  (|-:)^j  ä.^ 

die  Krümmung  Null. 

Um  dieses  auf  die  einfachste  Art  zu  beweisen,  werde 
x  =  u^     F  =0 
gesetzt,  was   offenbar  wegen    der  Invarianteneigenschaft    unserer   Glei- 
chung erlaubt  ist.     Die  Gleichung  (10)  lautet  dann: 

flll    [22l  |12P        ^.^         ..^ 

Wenn  hierin  für  die  Christoffel'schen  Symbole  die  wirklichen  Werte 
aus  §  35: 

l]~2E'du'      \l]~'2E8v'      \lj~        2E~du 
eingesetzt  werden,  so  ergiebt  sich: 

cu  cu     '    \cv  /    '  ^  -^ 

Nun  ist  in  orthogonalen  Parametern  u,  v  (§  35,  S.  68,  Formel  (18)): 

(11)  iE^G^K = E  ri^  f + m] + G  k^  i^ + m 

^     ^  cv   dv     '    \cu/        '  du  du     ^    \dv/ 


—  2EG 


*)  Unter  Anwendung  der  Monge'schen  Bezeichnungen  p,  g;  »',  s,  i{  für  die 
ersten  und  zweiten  Differentialquotienten  der  unbekannten  Function  (vgl.  S.  114) 
lautet  die  Gleichung: 

==  K[EG  —  F'-  (Eq^—  2Fpq+  Gp^)] 
und  hat  die  Ampere'sche  lineare  Form  bezüglich  rt  —  s*,  r,  s,  t. 


§  108.    Verbiegung  einer  Fläche  mit  einer  starren  Curve.  205 

Die  vorige  Gleichung,  mit  G  multipliciert,  lautet  dann: 

+  «(£  -  1)  [Hl^  +  (If)^]  -  2£G(£  -  1)  [g  +  |!^]  =  0. 

Werden  die  Glieder,  die  sich  aufheben,  weggelassen  und  wird  noch 
durch  E  dividiert,  so  ergiebt  sich  die  äquivalente  Gleichung: 

(^-i)[ifi?+{i4r]+«Ki?+(i?)']- 

die  wiederum  infolge  von  (11)  besagt,  dass  die  Form: 

{E—l)du^-{-  Gdv- 

die  Krümmung  Null  hat. 

Nach   dieser   Vorbemerkung   nehmen    wir  an,    es    wäre    uns    eine 
Lösung  x(h,  v)  der  Gleichung  (10)  bekannt.     Wir  woUen  dann  sehen, 
ob  es  eine  zugehörige  reelle  Fläche  mit  dem  gegebenen  Linienelement 
giebt.     Da  dann  die  Differentialform: 
(12)  Edu^  +  2Fdu  dv  +  Gdv""  —  do^ 

die  Krümmung  Null  besitzt,  so  ist  es,  damit  es  zwei  andere  reelle 
Functionen  y{u,  v),  z{u,  v)  giebt,  die  der  Gleichung  (9)  genügen,  not- 
wendig und  hinreichend,  dass  die  Form  (12)  eine  definite,  d.  h. 

oder 

A^x  <  1 

ist.  Wird  diese  Bedingung  als  erfüllt  vorausgesetzt,  so  ergeben  sich 
nämlich  y  und  z  mittels  Quadraturen  nach  §  87,  S.  170.  Also:  Jeder 
reellen  Lösung  xiii,  v)  der  Gleichung  (lOj,  die  ausserdem  der  Un- 
gleichheit AyX<il  genügen  muss,  entspricht  eine  reelle  Fläche 
mit  dem  gegebenen  Linienelement.  Ist  diese  Lösung  bekannt, 
so  ergiebt  sich  die  zugehörige  Fläche  mittels  Quadraturen. 

§  108.     Verbiegung  einer  Fläche  mit  einer  starren  Curve. 

Wir  beschäftigen  uns  nun  mit  der  folgenden  Frage:  Wenn  eine 
Fläche  5^  gegeben  und  auf  ihr  eine  Curve  F  gezogen  ist,  kann 
dann  die  Fläche  verbogen  werden,  ohne  dass  die  Curve  F 
verzerrt  wird? 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  dieses  möglich  ist,  sei  S^  eine  der 


Jiz-t    Jl/  • 

Vi 

=  y, 

z,  =  z, 

dx^         dx 

du         du 

du 

dii 

dz^  __  dz 
du         du 

dx^        dx 
dv         dv 

dv 

dv 

dz^  dz 
dv          dv 

x,  =  x. 

Y. 

=  r, 

z,  =  z 

206  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

Gestalten,  die  S  bei  der  Verbiegung  annimmt,  wobei  JT  starr  bleibt. 
Wir  können  dann  die  geänderte  Gestalt  S^  als  von  der  ursprünglichen 
S  so  wenig  abweichend  annehmen,  dass  die  Normalen  von  S^  und  S  ein- 
ander beliebig  nahe  sind.  Beachtet  man  nun  aber,  dass  F  auf  S^  und 
8  dieselbe  geodätische  Krümmung  hat,  und  erinnert  man  sich  an  die 
Beziehung,  die  zwischen  der  geodätischen  und  der  absoluten  Krüm- 
mung besteht  (§  75,  S.  147),  so  kann  man  daraus  sofort  schliessen, 
dass  längs  F  die  Normalen  von  S^  und  S  zusammenfallen. 

Nun  nehmen  wir  der  Einfachheit  halber  auf  S  und  S^^  ein  ortho- 
gonales Coordinatensystem  (u,  v)  an,  und  es  sei 

die  Gleichung  der  Curve  F.  Durch  Beifügung  des  Index  1  unter- 
scheiden wir  die  auf  S^  bezüglichen  Grössen.    Dann  haben  wir  offenbar: 


'  für  V  =  0. 


Betrachten  wir  nun  z,  B.  x^  und  x,  so  sind  dieses  solche  Lösungen 
derselben  partiellen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  (10),  die  für 
i;  =z=  0  in  ihren  Werten  und  in  denjenigen  ihrer  ersten  Differential- 
quotienten übereinstimmen.  Wenn  wir  nun  beweisen,  dass  auch  die 
drei  zweiten  Differentialquotienten  von  x^  für  v  =  0  mit  den 
entsprechenden  von  x  übereinstimmen,  so  ist  infolge  der  all- 
gemeinen Sätze  über  die  Lösungen  partieller  Differentialgleichungen*) 
nachgewiesen,  dass  x-^  und  x  für  alle  Werte  von  u  und  v  überein- 
stimmen. Da  derselbe  Schluss  für  i/i;  2/5  ^xy  ^  wiederholt  werden  kann, 
so  folgt,  dass  Sy  und  S  zusammenfallen. 

Li  der  That  folgt  aus  den  Anfangsbedingungen: 

dx,        dx        dx,         dx       /„..  ..^ 

du         du  ■       dv         dv       ^  ^ 

unmittelbar  durch  Differentiation  nach  w. 

^1  ==  ^       l!^i__  =    ^'^    (für  V  =  0)  . 
du^         du^'      dudv        dudv  ^  -' ' 

Die    Grundgleichungen    (I)    der   Flächentheorie,    §  47,  S.  89,    ergeben 

mithin,  dass  für  v  ==  0 


B,=^B,    b;^b' 


*)  Vgl.   z.  B.    Groursat,    Vorlesungen    über    die    Integration    der    partiellen 
Differentialgleichungen  erster  Ordnung,  deutsch  von  Maser,  Leipzig  1893,  S.  21. 


§  108.    Verbiegung  einer  Fläche  mit  einer  starren  Curve.  207 

ist.     Die  aus  (III),  S.  91,  folgende  Gleichung: 

BD"—  D-  =  A  A"—  A'' 
giebt  also,  wenn  darin  v  =  0  gesetzt  wird: 

BD'=  BD;'     (für  V  =  0). 

Daraus  folgt: 

(A")-o  =  (2>")r=o, 

wofern  nicht  (Ar=o  =  0  ist.     Wird  dieser  Fall  ausgeschlossen,  so 
ergiebt  sich  aus  der  dritten  der  Gleichungen  (I),  S.  89: 

^  =  ^       (für  r  =  0), 
er-  er-        ^  ' 

wie  wir  beweisen  wollten.     Daher  fallen  B^  und  S  zusammen. 

In  dem  ausgeschlossenen  Falle  (Ar=o  =  0  ist  nach  S.  109  die 
Curve  V  =  0  eine  Haupttangentencurve  von  S\  wir  können  also  den 
Satz  aussprechen:  Wenn  auf  einer  biegsamen  Fläche  S  eine 
Curve  r  starr  bleibt,  so  kann  die  Fläche  nicht  verbogen 
werden,  vorausgesetzt,  dass  die  Curve  T  keine  Haupttangen- 
tencurve von  S  ist. 

Falls  r  eine  Haupttangentencurve  ist,  so  folgt  aus  weiteren  Eigen- 
schaften der  partiellen  Differentialgleichungen,  wie  hier  nur  kurz  erwähnt 
werden  kann,  dass  es  in  der  That  möglich  ist,  die  Fläche  ohne  Ver- 
zerrung der  Curve  zu  verbiegen.  Es  ist  dieses  eine  eigentümliche 
Eigenschaft  der  Haupttangentencurven,  weshalb  sie  auch  als  Fal- 
tungslinieu  bezeichnet  werden.  Diese  Eigenschaft,  die  sie  vor  jeder 
anderen  Curve  der  Fläche  auszeichnet,  ist  im  Gnmde  genommen  eine 
Folge  davon,  dass  auf  jeder  Fläche  5  die  Haupttangentencurven  die 
Charakteristiken  der  partiellen  Differentialgleichung  (10)  sind,  von 
deren  Lösung  die  Verbiegung  von  S  abhängt*)  (Darb oux,  3.  Bd.,  a.  a.  0. ). 


*)  Wird   die  Gleichnng   (10)  in   der  in   der  Anmerkung   zum  vorigen  Para- 
graphen gegebenen  Form  (S.  204) : 

$(r,  s,  f)  =  0  " 
geschrieben,  so  geht  die  Differentialgleichung  der  Charakteristiken: 

-:r—  du^ 7^-  dudv  4-  -^—  rti'  =  0 

et  es  er 

infolge  der  Gleichungen  (I),  S.  89,  eben  in  diejenige  der  Haupttangentencurven: 

Ddu-  -i-2D'dudv  -\-  D"dv-  =  0 

über.    (Vgl  Darb  oux,  3.  Bd.,  S.  252.) 


208 


Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Fläclien. 


§  109.    Verbiegung,   bei  der   eine    gegebene  Curve  in  eine  andere 
gegebene  Curve  übergeht. 

Der  soeben  bewiesene  Satz  führt  naturgemäss  zu  der  Frage:  Ist 
es  möglich,  eine  Fläche  S'  so  zu  verbiegen,  dass  eine  gege- 
bene Curve  C  auf  ihr  eine  vorgeschriebene  Gestalt  F  an- 
nimmt? 

Zunächst  bemerken  wir,  dass,  wenn  die  gesuchte  Vorbiegung  möglich 
sein  soll,  die  absolute  Krümmung  von  F  in  jedem  Punkte  nach  S.  147 
grösser  als  die  geodätische  Krümmung  von  C  in  dem  entsprechenden 
Punkte  (oder  mindestens  ihr  gleich)  sein  muss.  Diese  Bedingung  setzen 
wir  als  erfüllt  voraus  und  betrachten  auch  einstweilen  den  Fall  der 
Gleichheit  der  absoluten  und  geodätischen  Krümmung  von  F  als  aus- 
geschlossen, in  welchem  Falle  F  auf  der  Biegungsfläche  eine  Haupt- 
tangentencurve  wäre. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  die  gesuchte  Verbiegung  möglich 
ist,  sei  S  die  Biegungsfläche,  auf  der  wir  ein  orthogonales  Coordinaten- 
system  (m,  v)  wie  im  vorigen  Paragraphen  annehmen,  so  dass  F  die 
Curve  v  =  0  ist.  Ferner  setzen  wir  der  grösseren  Klarheit  halber  fest, 
dass  der  Parameter  u  der  von  einem  bestimmten  festen  Punkte 
der  Curve  F  gerechnete  Bogen  dieser  Curve  sein  soll,  so  dass  wir 

E=l     (für  v  =  0) 

haben.  Mit  6  bezeichnen  wir  den  Winkel,  um  den  sich  die  positive 
Richtung  der  Normale  von  S  in  der  Normalenebene  von  F  in  positivem 
Sinne  drehen  muss,  um  mit  derjenigen  der  Hauptnormale  von  F  zu- 
sammenzufallen. Indem  wir  für  die  Curve  F  die  üblichen  Bezeich- 
nungen der  Curventheorie  (Kap.  I)  beibehalten,  haben  wir  dann  für  v  =  0: 

dx 

du 


cosa  = 


cos  /S  =  ö— 


dz 

cos  y  =  K— 

'         du 


COS  I  =  X  cos  6 


sin  6  dx 

ya  dv' 


cost; 


Y  cos  6  — 


(13)     { 


cos  "c,  =  Z  cos  6 


sin  G  dy 

ya  dv' 

sin  6  dz 
YG  dv' 


cos  A  = = 


cos  ff  dx 

yo  dv 


X  sin  ö,      cos  fi  = 


cos  V 


Nun  ist  nach  (I),  S.  89,  und  nach  (A),  S.  10: 
111  aa; 


c^x 

d^^ 


cu 


+ 


ll\  ?a;         j^ 


cos  6  dy  -xr     ' 

--=  -^  —  Z  sin  6, 

ya  dv  ' 

cos  6  dz  n     ' 

— -rr  Z   Sin^. 

ya  dv 


cos  I 


§  109.  Verbieg.,  bei  der  eine  geg.  Curve  in  eine  andere  geg.  Corve  übergeht.    209 
nebst  den  analogen  Gleichungen  für  y  und  z.     Da  nun  nach  §  35: 

ist,  so  schliessen  wir  aus  dem  Vergleich  mit  den  Gleichungen  (13): 


(15) 


D  = 


sin  G 
Q 


für  r  =  0. 


Da  die    absolute   Krümmung  —  und    die  geodätische   Krümmung 

—  von  r  bekannt  sind,  so  liefert  die  zweite  dieser  Gleichungen  für  den 

unbekannten  Winkel  6  zwei  Werte,  die   sich  zu   tt  er^nzen. 

Wir  denken  uns  einen  von  diesen  Werten,  von  denen  jeder  that- 
sächlich  zu  einer  entsprechenden  Fläche  S  führt*),  für  6  ausgewählt 
und  erhalten  ausserdem  aus  den  Gleichungen  (13)  die  Anfangswerte  von 


ex    cy     cz 
cc     er     icv 


(16) 


cv 


=  —  YG  (sin  6  cos  I  -|-  cos  6  cos  A), 


cv 


'    für  r  =  0. 


=  —  YG  (sin  6  cos  1]  -\-  cos  6  cos  fi), 
^  =  —  YG-  (sin  6  cos  t  -4-  cos  6  cos  v) 

Auch  ist  es  zweckmässig,  die  Werte  von  X,  Y,  Z  längs  F  anzugeben. 
Es  sind  dies  die  folgenden: 

ix  =  cos  6  cos  I  —  sin  0  cos  k,  \ 
Y  =  cos  6  cos  1^  —  sin ö  cos  u ,  J  für  r  =  0. 
^  =  cos  ö  cos  ^  —  sin  6  cos  v  ) 
Aus  (16)  folgt,  dass  wir  für  die  Lösungen  x,  y,  z  der  Gleichung  (10): 
A.„^  =  (1  —  AiO-)^ 
ausser  den  Anfangswerten   der   Functionen  selbst  und  ihrer  ersten  Ab- 
leitungen  nach  v  auch  diejenigen  der    zweiten  Differentialquotieuten 


c-x      c^x  , 
du*     cucv 


c^y      c^y   . 

7= i  J        -^ TT-  1 

cur      cucv 


cw 


kennen.      Die    partielle    Differentialgleichung   (10),    der    sie    genügen, 


*)  Dass  die  gestellte  Aufgabe  auf  diese  Weise  zwei  verschiedene  Lösungen 
hat,  widerspricht  nicht  dem  Satze  in  §  108,  da  ja  die  beiden  Flächen  S,  die  sich 
so  ergeben,  auf  einander  abwickelbar  sind  und  die  Curve  F  bei  der  stetigen  Yer- 
biegung  der  einen  Fläche  in  die  andere  schliesslich  ihre  anfangliche  Gestalt 
wieder  annimmt,  sich  jedoch  in  den  Zwischenstadien  ändert. 

Bianchi    Differentialgeometrie.  14 


210  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

liefert  mindestens  für  zwei  von  ihnen  die  Anfangswerte  der  zweiten 

Differentialquotienten 

d^x        d^y        d^z 

dv^        dv^        dv^ 

Entgegengesetzten  Falls    würden  nämlich    wegen   der  Form    der   Glei- 
chungen (10)  von  den  Gleichungen: 

cosg  _d^x  _  jllj^,     [lll^ 


+   1  2  ]dv' 


cos  ij d'^y {ll\dy 

Q  du^  \    1    \    du 

Q  ~~  du-  [  1  j  du'^  [  2  i  dv 
für  V  =  0  zwei  gelten^  und  nach  den  vorhin  entwickelten  Gleichungen 
(13)j  (14)  würde  z.  B.,  wenn  die  letzten  beiden  als  richtig  angenom- 
men werden,  für  v  =  0  folgen:  Y=0,  Z  =^  0.  Die  Curve  F  wäre 
demnach  der  Querschnitt  eines  der  x-Axe  parallelen  Cylinders  und 
der  Winkel  6  ein  Rechter,  also  die  Curve  F  entgegen  der  Voraus- 
setzung eine  Haupttangentencurve. 

Unbeschadet  der  Allgemeinheit  können  wir  also  insbesondere  vor- 
aussetzen, dass  für  die  Function  x(u,  v)  der  Anfangswert  von  -^—^  be- 
stimmt sei. 

§  110.     Erledigung  dieses  Problems  der  Verbiegung. 

Nach  dieser  Vorbemerkung  suchen  wir  eine  Lösung  x^  (u,  v)  der 
Gleichung  (10)  von  der  Beschaffenheit,  dass  sich  für  v  =  0 

(a)  x^  =^  X,      ö~^  =  —  yCr  (sin  6  cos  |  -j-  cos  a  cos  A) 

ergiebt,  wo  <?  einen  der  beiden  oben  festgesetzten,  aus  der  zweiten  der 
Gleichungen  (15)  entnommenen  Werte  hat.  Da  durch  diese  Anfangs- 
werte und  durch  die  partielle  Differentialgleichung  (10)  die  Werte  der 
drei  zweiten  Differentialquotienten  von  x^  für  v  =  0  bestimmt  werden, 
so  liefern  uns  die  in  §  108  erwähnten  allgemeinen  Sätze  über  partielle 
Differentialgleichungen  das  Ergebnis,  dass  es  eine  und  nur  eine  Lösung 
Xj^  der  Gleichung  (10)  giebt,  die  den  Anfangsbedingungen  genügt.  Für 
diese  Lösung  ist  für  v  ==  0: 

^1  ^1  =  {-^y+  G  (^)'  =  ßo^' "  +  (^^^  <?  cos  ^  +  cos  6  cos  Xf  = 

=  1  —  (cos  6  cos  I  —  sin  ö  cos  A)^  <  1 , 

und  die  Bedingung  A^^Tj  <  1  ist  demnach  in  einem  gewissen  zwei- 
dimensionalen Gebiet  {u,  v)  erfüllt.     Nach  dem  Satze  am  Schlüsse  von 


§  110.    Erledigung  dieses  Problems  der  Verbiegung.  211 

§  107  entspricht  also  dieser  Lösung  a'^  der  Gleichung  (10)  eine  Fläche 
Si  mit  dem  gegebenen  Linienelement,  und  wir  wollen  nun  nachweisen, 
dass  auf  S^  die  Curve  v  =  0,  die  wir  mit  C^  bezeichnen,  ihrer  Gestalt 
nach  genau  mit  der  gegebenen  Curve  F  übereinstimmt,  wozu  wir  nur 
nachzuweisen  brauchen,  dass  Ci  und  F  bei  gleichem  Bogen  u  gleiche 
Flexion  und  Torsion  haben  (§8,  S.  12).  Indem  wir  wie  gewöhnlich 
durch  den  Index  1  die  auf  5^  bezüglichen  Ausdrücke  unterscheiden, 
haben  wir  analog  der  letzten  Formel  auf  S.  208: 

Wenn  v  gleich  Null  gesetzt  wird,  so  ergiebt  sich  nach  (13)  und  (14): 
1      1     ^^  _i_  T)  X ^^'^ ^^^  ^ cosg  ^  __  sing  dx 

Nun  ist  6  durch  die  zweite  der  Gleichungen  (15)  bestimmt  und  X 
(der  getroffenen  Annahme  zufolge)  nicht  gleich  Null.    Daraus  folgt: 

(A)r  =  0  = 


COS  ff 

9 


(-Di)r=o  ist  aber  nach  S.  102,  abgesehen  vom  Vorzeichen,  die  Krüm- 
mung  des  die  Curve   Cj   berührenden  Normalschnitts.     Da  femer   die 

geodätische  Krümmung        von   Q  gleich  — ist,  so   ist  die  abso- 

lute  Krümmung        von  C,  gleich  der  aboluten  Krümmung  —  von  F. 

Um  zu  beweisen,   dass   das  Nämliche   mit  den   beiden  Torsionen 

-=->  -ji  der  FaU  ist,  erinnern  wir  daran  (§  85,  S.  168),  dass 
'  J___  AI  _<?£ 

T,  ~        YG        d« 

ist.     Wird  nun  die  zweite  der  Gleichungen  (a)  nach  u  differenziert,  so 
ergiebt  sich  nach  den  Frenet'schen  Formeln: 

(ß)        ^  ^   = ^ —  (sin  ö  cos  I  +  cos  6  cos  l)  —  » 

—  YG  (cos  6  cos  I  —  sin  <y  cos  X)  -r-  -{- 


I     -.  /TT     •  /cos  a     ,     cos  l\  -,  /7=7 

-f  yG  sm  6  y 1-  -y-j  —  yG  cos  0 

Andrerseits  ist  nach  (I),  S.  89: 

^^=\i  j  e^+  1-2  jä^  +  A^i- 


COSJ 

T 


dui 


Wird  hierin  v  gleich  Null  gesetzt  und  berücksichtigt,  dass  nach  S.  67 

und  148 

14* 


21^  K^ap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

1  2|         ^  /  1    dE\         ^  _  Z]/^        ^  /ya  sin  c\ 

2  i,,=o~  \2G^  awA=o  ~  \y'G     du  A=t) 

ist,  so  folgt  nach  (16)  und  (16*)  für  v  =  0: 

f  V           d'^x.          VG  sin  ff                   dVCr   ,  .  j.    ,  ,s     , 

W        ä^^  =  -— ^ COS  « -g-^  (sin  (?  cos  i  +  cos  (?  cos  K)  + 

-f-  Z)/  (cos  <?  cos  I  —  sin  (?  cos  A) . 
Durch  Vergleichen  der  Werte  (/3)  und  {y)  von  >r — J-^    erhalten  wir  für 

T         ya      du 

demnach  genau: 

Wir  haben  somit  den  Satz  bewiesen:  Es  ist  (auf  zwei  verschie- 
dene Arten)  möglich,  eine  Fläche  S  so  zu  verbiegen,  dass 
eine  Curve  C  auf  ihr  eine  willkürlich  gegebene  Gestalt  P  an- 
nimmt, wofern  die  erste  Krümmung  von  T  in  jedem  Punkte 
grösser  als  die  geodätische  Krümmung  von  C  in  dem  ent- 
sprechenden Punkte  ist. 

§  111.    Verbiegung,   bei   der  eine   gegebene  Curve  Haupttangen ten- 
curve  oder  Krümmungslinie  wird. 

Es  bliebe  nun  noch  der  Ausnahmefall  zu  betrachten,  dass  die  ab- 
solute Krümmung  von  T  gleich  der  geodätischen  von  G  ist.  Wenn 
die  Verbiegung  möglich  ist,  so  ist  T  Haupttangentencurve  der  Bie- 
gungsfläche und  also  (nach  dem  Enneper'schen  Satze,  S.  121)  ihre  Tor- 
sion in  jedem  Punkte  gleich  der  Quadratwurzel  aus  dem  mit  entgegen- 
gesetztem Zeichen  genommenen  Krümmungsmass  K  in  dem  entsprechen- 
den Punkte  von  G. 

In  diesem  Falle  geht  demnach  die  gestellte  Aufgabe  in  die  fol- 
gende über:  Eine  Fläche  so  zu  verbiegen,  dass  eine  auf  ihr 
gegebene  Curve  G  nach  der  Verbiegung  eine  Haupttangenten- 
curve T  wird.  Aus  dem  soeben  Gesagten  ergiebt  sich,  dass  die  Gestalt 
der  Curve  T  vollkommen  bestimmt  ist,  und  wir  beschränken  uns  hier 
auf  die  blosse  Angabe,  dass  die  gesuchte  Verbiegung  in  der  That  mög- 
lich ist  und  daher  auf  unendlich  viele  Arten  bewerkstelligt  werden 
kann  (nach  §  108,  S.  207). 

Indem  wir  zu  dem  im  vorigen  Paragraphen  aufgestellten  allgemeinen 
Satze  zurückkehren,  können  wir  daraus  den  folgenden  ableiten: 

Eine  Fläche  S  kann  auf  unendlich  viele  Arten  so  verbogen 


S  111.  Besondere  Art  der  Verbiegimg.  §112.  Bonnets  Theorem  üb.  Verbiegung.    213 

werden,  dass  eine  auf  ihr  gegebene  Curve  C  Krümmungslinie 
der  neuen  Fläche  wird. 

Um  dieses  nachzuweisen,  brauchen  wir  hierzu  nach  S.  98  nur  die 
Bedingung  aufzustellen,  dass  längs  der  neuen  Gurre  F  die  Proportion: 

dx.dy'.ds  =  dX.dY:dZ 
besteht,    die    mit  Rücksicht  auf  die   Gleichungen    (16*)    einfach 

dff  _  _  1 

rfM  ~  T 

giebt.  Es  kann  demnach  die  Function  6  von  u  willkürlich  angenom- 
men und  die  Curve  F  nach  der  Verbiegung  durch  die  charakteristischen 
Gleichungen : 

1 1  2. ^ 

g  Q^  sin  6  T  du 

bestimmt  werden.  Wird  die  Fläche  so  verbogen,  dass  die  Curve  C  in 
die  Gestalt  F  übergeht,  so  ist  letztere  eine  Ki-ümmungslinie  der  Bie- 
gungsfläche. Durch  Elimination  von  6  erkennt  man,  dass  die  unendlich 
vielen  Gestalten  F.  welche  die  Curve  C  annehmen  kann,  wenn  sie  bei 
der  Verbiegung  Kfümmimgslinie  wird,  der  Differentialgleichung  erster 
Ordnung  zwischen  q  und  T: 


m-'rV^A0 


genügen.  Insbesondere  giebt  es  imter  diesen  unendlich  vielen  Gestalten 
F  noch  immer  unendlich  viele,  die  ebene  Krümmungslinien  sind.  In 
diesem  Falle  nämlich  bi-aucht  der  Grösse  6  nur  ein  beliebiger,  zwischen 

0  und  —  (die  Endwerte  ausgenommen")  gelegener  constanter  Wert  er- 
teilt zu  werden.  Hat,  noch  specieUer,  die  Curve  F  constante  geodä- 
tische Krümmung,  so  nimmt  sie,  wenn  sie  eine  ebene  Krümmimgslinie 
wird,  Kreisfonn  an. 

§  112.     Theorem  von  Bonnet   über   die  Möglichkeit,   eine  Fläche  so 
zu  verbiegen,  dass  die  Haupttangentencurven  der  einen  Schar  eben- 
solche  Curven  bleiben. 

Wir  prüfen  schliesslich  noch  die  folgende  Frage:  Kann  eine 
Fläche  S  so  verbogen  werden,  dass  die  Haupttangentencurven 
der  einen  Schar  nach  der  Verbiegung  Haupttangentencurven 
bleiben? 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  dieses  möglich  sei,  beziehen  wir 
die  Fläche  auf  ihre  augenblicklichen  Haupttangentencurven  w,  v  und 
nehmen  an,   dass  die  Curven  ii  nach  der  Verbiegung  Haupttangenten- 


214  Kap.  7.    Auf  einander  abwickelbare  Flächen. 

curven  bleiben.  Die  Antwort  auf  unsere  Frage  ergiebt  sich  ohne 
Schwierigkeit,  wenn  wir  uns  der  Ergebnisse  in  §  64,  S.  125,  in  be- 
treff der  Haupttangentencurven  einer  Fläche  erinnern.     Es  seien 

7)      7) '     7) " 
die  Werte  von  B,  B',  B"    nach   der  Verbiegung.     Dann    haben    wir 
nach  der  Annahme 

folglich  nach  (III),  S.  91,  und  (11),  S.  125: 

A'^      __7r      —A: l1 


EG—  F^  '      YEG  —  F^ 

Die    zweite  Codazzi'sche    Formel    giebt,   in    der   zweiten   Form  (IV*), 
§  48,  S.  92,  geschrieben: 

_■!/ Al___\   ,    |22|        A        _  2  /i 2l        A' 0 

Nun  ist  nach  den  in  §  64  angegebenen  Gleichungen  (10)  und  (a) 
diogQ  9(121'     ofl2| 

und  daher  geht  die  vorhergehende  Gleichung  über  in: 


{"} 


?[A  =  o. 


Nehmen  wir  B^  =  0  an,  was  besagt,  dass  auch  die  Curven  v 
Haupttangentencurven  bleiben  und  demnach  JE,  F,  G,  e,  f,  g  ihre 
Werte  behalten,  so  ist  die  neue  Fläche  mit  der  alten  identisch  (§64). 

Ist  dagegen 

so  sind  die  Curven  u  nach  (10),  S.  154,  geodätische  Linien,  und  da 
sie  auch  Haupttangentencurven  sind,  so  sind  sie  notwendig  Gerade*). 
Die  Fläche  ist  daher  eine  Linienfläche,  und  die  gesuchten  Verbie- 
gungen  sind  diejenigen,  bei  denen  die  Erzeugenden  starr  bleiben.  Im 
Falle  einer  Linienfläche  jedoch  ist  diese  Verbiegung  in  Wirklichkeit 
auf  unendlich  viele  Arten  möglich.  Es  ist  dann  nämlich  nur  noch 
die  erste  der  genannten  Gleichungen  (IV*),  §  48,  zu  erfüllen,  die  nach 
(10)  und  (a)  in  §  64  lautet: 


*)  Dass  eine  Curve  C,  welche  Haupttangentencurve  und  geodätische  Linie 
ist,  eine  Gerade  sein  muss,  folgt  daraus,  dass  im  entgegengesetzten  Falle  die 
Schmiegungsebene  von  C  gleichzeitig  Tangential-  und  Normalebene  der  Fläche 
sein  würde.  Umgekehrt  ist  jede  auf  einer  Fläche  liegende  Gerade  gleichzeitig 
Haupttangentencurve  und  geodätische  Linie. 


§  112.    Bonnets  Theorem  über  Verbiegung.  215 

A  (      A       \    .    (2  2)        A 0 

?P  \yEG  —  F\/         \  2  jyEG—F'- 

Es  ist  klar,  dass,  wenn  D^  eine  Lösung  dieser  Gleichung  ist,   die  all- 
gemeinste die  Form 

Di9)(u) 

hat,  wo  €p(u)  eine  willkürliche  Function  von  u  ist. 

Wir  haben  also  den  folgenden  von  Bonnet  herrührenden  Satz: 
Es  ist  unmöglich,  eine  Fläche  S  so  zu  verbiegen,  dass  die 
Haupttangentencurven  der  einen  Schar  Haupttangentencurven 
bleiben,  falls  nicht  S  eine  Linienfläche  ist,  deren  erzeugende 
Geraden  jene  Haupttangentencurven  sind. 

Im  Falle  einer  Linienfläche  dagegen  sind  solche  Verbiegungen, 
bei  denen  die  Erzeugenden  starr  bleiben,  möglich,  und  zwar  hängen  sie 
von  einer  willkürlichen  Function  ti  ab. 


» 


Kapitel  YIII. 
Verbiegung  der  Linienflächen. 

Auf  einander  abwickelbare  Linienflächen.  —  Linienelement  einer  Linienfläche.  — 
Strictionslinie  und  darauf  bezügliche  Sätze  von  Bonnet.  —  Haupttangentencurven 
der  zweiten  Schar.  —  Formel  von  Chasles.  —  Biegung  der  Linienflächen  nach 
der  Methode  von  Minding.  — •  Methode  von  Beltrami  und  die  darauf  bezüglichen 
Fundamentalgleichungen.  —  Problem,  eine  Linienfläche  derart  zu  verbiegen,  dass 
eine  auf  ihr  gegebene  Curve  eine  Haupttangentencurve  oder  eine  ebene  Curve 
oder  eine  Krümmungslinie  wird.  —  Linienflächen,  die  auf  Rotationsflächen  ab- 
wickelbar sind. 


§  113.     Auf  einander  abwickelbare  Linienfläclien. 

Die  besonderen  Verbiegungen  der  Linienflächen,  deren  Möglichkeit 
wir  am  Schlüsse  des  letzten  Kapitels  erkannt  haben,  bieten  ein  beson- 
deres Interesse,  und  ihrem  Studium,  das  mit  sehr  einfachen  Mitteln 
möglich  ist,  wollen  wir  dieses  Kapitel  widmen.  Vor  allem  aber  wollen 
wir  mit  Bonnet  beweisen,  dass  mit  der  Untersuchung  dieser  Ver- 
biegungen die  allgemeine  Aufgabe  gelöst  wird,  alle  Linienflächen  zu 
finden,  die  auf  eine  gegebene  Linienfläche  abwickelbar  sind. 

Es  gilt  nämlich  der  folgende  Satz  von  Bonnet:  Wenn  zwei 
Linienflächen,  die  nicht  durch  Verbiegung  aus  ein  und  der- 
selben Fläche  zweiten  Grades  hervorgegangen  sind,  auf  ein- 
ander abwickelbar  sind,  so  müssen  sich  die  Erzeugenden  der 
einen  mit  denjenigen  der  anderen  decken. 

Dass  die  Biegungsflächen  der  Flächen  zweiten  Grades  mit  reellen 
Erzeugenden  eine  Ausnahme  von  diesem  Satze  bilden,  erhellt  daraus, 
dass  eine  Fläche  zweiten  Grades  infolge  ihrer  Eigenschaft,  eine  doppelte 
Schar  geradliniger  Erzeugenden  zu  besitzen,  so  verbogen  werden  kann, 
dass  man  entweder  die  Erzeugenden  des  ersten  Systems  gerade  lässt 
und  die  anderen  krümmt,  oder  umgekehrt. 

Den  genannten  Satz  beweisen  wir  folgendermassen  auf  einfache 
Weise:    Es  seien  S,  S^   zwei   auf  einander  abwickelbare  Linienflächen, 


§  113.    Auf  einander  abwickelbare  Linienflächen.  217 

und  wir  nehmen  an,  dass  beim  Abwickeln  den  Erzeugenden  u  von  S 
die  Erzeugenden  v  von  S^  nicht  entsprechen.  Nehmen  wir  dann  auf 
S,  Si  die  Curven  w,  v  als  Parameterlinien  an,  so  haben  die  beiden 
Flächen  S,  Si  die  erste  Fundamentalfonn  gemein.     Wenn  wir  mit 

iDchr  +  22)'  dudv  +  D"  dv\ 
^^^  \D^du^  +  2B^dudv  +  B"dt^ 

die  bezüorlichen  zweiten  Fundamentalformen  bezeichnen,  so  haben  wir 
D"=  0,  jDi  =  0,  da  die  u  auf  S  und  die  r  auf  S^  Haupttangenten- 
curven  sind.  Da  ferner  nach  dem  Gaussischen  Satz  die  beiden  Discri- 
minanten   der  Fonnen  (1)  gleich  sind,  so  ist: 

d;=±b'. 

Nun  bringen  wir  zum  Ausdnick,  dass  die  beiden  Formen  (1)  den  Codazzi- 
schen  Gleichungen  (IV*),  §  48  (^S.  92),  genügen,  wobei  wir  beachten, 
dass  die  «,  v  geodätische  Linien  sind  und  also  nach  Formel  (10),  S.  154: 

(22}  _    flll_o 

1  1   j   -   1   2  j   -  ^ 

ist.     Daraus  folgen  die  Gleichungen: 

A/         -P'  \    .     O  fl2l  ^ 

cv\^EG—F'-)    '        \  1  j  }/EG—F* 

cu\yEG—Fy  \  2  J  yEG—F*- 

Sie  zeigen  uns,  dass  die  Codazzi'schen  Gleichungen  auch  erfüllt  sind,  wenn 
wirD  und  D  gleich  Null  setzen  und  D'  den  alten  Wert  lassen.  Es  existiert 
demnach  eine  di-itte  auf  S  und  S^  abwickelbare  Fläche  S^,  welche  die 
H,  c  zu  Haupttangenteneurven  hat.  S.^  ist  also  in  doppelter  Weise  eine 
Linienfläche  und  folglich  eine  Fläche  zweiten  Grades,  wie  zu  beweisen  war. 
Was  mm  die  auf  Flächen  des  zweiten  Grades  abwickelbaren 
Linienflächen  anbelangt,  so  ist  nach  dem  Vorstehenden  (vgl.  auch 
§  112)  klar,  dass  ihre  Erzeugenden  sich  mit  der  einen  oder  der  anderen 
Schar  der  Erzeugenden  der  Fläche  zweiten  Grades  decken. 

§  114.     Iiinienelement  einer  Linienfiäclie. 

Der  Untersuchung  der  Abwickelbarkeit  von  Liuienflächen  auf  ein- 
ander schicken  wir  einige  allgemeine  Betrachtungen  über  diese  Flächen 
voraus. 

Auf  einer  Linienfläche  S  denken  wir  uns  eine  beliebige  Curve  C 
gezogen,  die  wir  als  Directrix  betrachten  und  nur  der  Bedingung 
unterwerfen,  dass  sie  alle  Erzeugenden  schneiden  soll.  Zur  Bestimmung 
der  Linienfläche  S  wird  es  dann  genügen,  wenn  die  Curve  C  und  in 


=  0, 
=  0. 


218  Kap.  8.    Verbiegung  der  Linienflächen. 

jedem  ihrer  Punkte  die  Richtung  der  hindurchgehenden  Erzeugenden 
gegeben  ist. 

Seien  v  der  von  einem  festen  Punkte  der  Directrix  C  gerechnete 
Bogen  dieser  Curve,  p,  q,  r  die  laufenden  Coordinaten  eines  Punktes 
von  C,  ausgedrückt  als  Functionen  von  v,  während  l,  m,  n  die  Rich- 
tungscosinus der  durch  den  Punkt  {^p,  g,  r)  von  G  hindurchgehenden 
Erzeugenden  bezeichnen  und  ebenfalls  bestimmte  Functionen  von  v  sein 
mögen.  Wir  bezeichnen  ferner  mit  u  den  algebraischen  Betrag  desjenigen 
Stückes  der  Erzeugenden,  das  zwischen  dem  Punkt  (|),  g,  r)  der  Directrix 
und  einem  beliebigen  Punkt  [x,  y,  z)  der  Erzeugenden  liegt.  Die 
Gleichungen: 

(1)  X  =  p  -\-lu,    y  ==  q -j- mu,    z  =  r -\- nu 

definieren  uns  die  Fläche  8,  da  sie  x,  y,  z  als  Functionen  von  u,  v  aus- 
drücken.    Wir  berechnen  das  Linienelement  von  S,   deuten  zu   diesem 
Zwecke  die  Differentialquotienten  nach  v  durch  Striche  an  und  setzen: 
r   V^  +  m'2    +  w'2   =  M\ 

(2)  \l' p  -\- m  q  -\-  n  r' =  N , 

\  Ip'  -\-  mq    -\-  nr'  =  cosO-, 

wo  M,  N,  d"  Functionen  von  v  sind  und  -0'  offenbar  den  Neigungs- 
winkel der  Erzeugenden  gegen  die  Directrix  bedeutet.  Zu  diesen 
Gleichungen  sind  noch  die  folgenden  hinzuzufügen: 

P  -\-m'-\-n'  =1, 


(2*) 

Für   das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche  erhalten  wir  den 
Ausdruck: 

(3)  äs'  =  du^  +  2cos  -e-  dudv  +  {M^u''  +  2  Nu  +  l)dv''. 

Wir  bemerken  nun  zunächst  folgendes:  Die  Differentialgleichung  der 
orthogonalen  Trajectorien  der  Erzeugenden  ist  nach  S.  66: 

du  -\-  cosd'dv  =  0; 
durch  Quadratur  folgt  hieraus  sofort  die  Integralgleichung  dieser  ortho 
gonalen  Trajectorien: 

u  -{-  f  cosd^dv  =  Const.*). 

Betrachten  wir  eine  Erzeugende  v  und  die  unendlich  benachbarte 
V  -f-  dv,  und  bezeichnen  wir  mit  d(p  den  unendlich  kleinen  Winkel, 
den  sie  mit  einander  bilden,  so  haben  wir  offenbar: 


*)    Dieses    Ergebnis    ist    offenbar   nur    ein    besonderer   Fall    des    Satzes  A) 
in  §  86,  S.  168. 


§  114.    Linienelement  einer  Linienfläche.     §  115.    Strictionslinie. 
d(p^  =  dl^  +  dm-  +  cln\ 


219 


d.h.: 

(4)  d(p  =  Mdv. 

Bezeichnen  wir  femer  mit  d6  ihren  unendlich  kleinen  Minimalabstand 
und  mit  U  den  Wert  von  u  im  Fusspimkt  dieses  Minimalabstandes  auf 
der  Erzeugenden  v,  so  haben  wir  nach  bekannten  Formeln  der  ana- 
lytischen Geometrie: 

l     in    n 
V    m    n' 


d6  = 


M 


dv. 


Andrerseits  ist: 


folglich: 

Setzen  wir  sodann: 


A  = 


so  erhalten  wir: 


p    q_      r    ^ 

l     m    n  \  =  M^  sin^  0-  —  N^, 

V    m'  n 


VM^  sin*  a-  —  2V^  , 

de  = =7 dv. 

M 


1  m    n 

1 

n    l 

^       1 

ni    n 

> 

B  = 

n'  V 

> 

c=  \ 

l    m    I 

T  '    1» 

l    in    \ 


U  = 


p'  l  -\-  V dv  A 
q  m  -\-  m' dv  B 
r'     n  +  n  dv     C 


^2  +  ^  _|_   (7 

imd  mit  Vernachlässigung  der  unendlich  kleinen  Glieder  in  der  zweiten 
Reihe: 

(6)  ^=-W'- 


§  115.     Strictionsliiiie  und  darauf  bezügliche  Sätze  von  Bonnet. 

Die  durch  ein  und  denselben  Punkt  des  Raumes  parallel  zu  den 
Erzeugenden  einer  Linienfläche  gezogenen  Geraden  bilden  den  so- 
genannten Leitkegel.  Wählen  wir  als  Kegelspitze  den  Coordinaten- 
anfang  und  durchschneiden  wir  den  Kegel  mit  einer  Kugel  vom  Radius 
Eins  um  den  Anfangspunkt,  so  soU  die  Schnittcurre  die  sphärische 
Indicatrix  der  Erzeugenden  genannt  werden.  Ihr  Bogenelement 
ist  offenbar  d(p  =  Mdv. 

Der  Fusspunkt  des  kleinsten  Abstandes  der  Erzeugenden    v  Ton 


220  Kap.  8.     Verbiegung  der  Linienflächen. 

der  benaclibarten  heisst  der  Mittelpunkt  der  ersteren.  Der  Ort  dieser 
Mittelpunkte  bildet  eine  für  die  Untersuchung  der  Linienflächen  sehr 
wichtige  Curve,  die  den  Namen  Strictionslinie  führt.  Nach  (6)  ist 
ihre  Gleichung: 

(7)  M^u-{-N=0. 

Für  den  Fall  iV^  =  0  fällt  sie  mit  der  Directrix  zusammen. 

Die  Strictionslinie  ist  stets  eindeutig  bestimmt,  ausser  für  den  Fall, 
dass  gleichzeitig  M  und  N  gleich  Null  sind ;  dann  ist  die  Fläche  nach  der 
ersten  der  Gleichungen  (2)  cylindrisch.  Bei  den  abwickelbaren  Flächen, 
die  nach  (5)  durch  die  Gleichung: 

charakterisiert  sind,  fällt  nach  (6)  die  Strictionslinie  mit  der  Rückkehr- 
kante zusammen. 

Für  die  geodätische  Krümmung  —  der  Directrix  u  =  0  haben  wir 

Po 

nach   der  Formel   (5)  in  §  77,  S.  150,  den  Ausdruck: 

i-  =         1         /^  /  F\  _  gy^\ 
Po        yEG—FAdv\\/G)         du  J 

Indem  wir  darin  wegen  (3) 

^=1^     i^=cos'^,      G  =  Mhi^-{-2Nu+l 
setzen,  erhalten  wir  den  Wert: 

1_  _    N         d& 

Po  sin  ■9'  ~r"  (ly 

Hieraus  folgt,  dass,  wenn  von  den  drei  Grössen 

Po '  '      dv 

zwei  identisch  gleich  Null  sind,  die  dritte  es  ebenfalls  ist.  Geome- 
trisch ausgedrückt,  liefert  dieses  Ergebnis  den  Satz  von  Bonnet: 

Besitzt  eine  auf  einer  Linienfläche  gezogene  Curve  zwei 
der  folgenden  drei  Eigenschaften:  1)  geodätische  Linie, 
2)  Strictionslinie  zu  sein,  3)  die  Erzeugenden  unter  constan- 
tem  Winkel  zu  schneiden,   so  besitzt  sie  auch  die  dritte. 

Es  ist  klar,  dass  eine  Linienfläche,  auf  der  eine  solche  Curve  vor- 
handen ist,  der  Ort  einer  Geraden  ist,  die  eine  Curve  (Strictionslinie) 
senkrecht  zur  Hauptnormale  schneidet  und  mit  dieser  Curve  einen  con- 
stanten  Winkel  bildet.  Insbesondere  wird  es  nur  für  eine  Linienfläche, 
die  der  Ort  der  Binormalen  einer  Curve  ist,  zutrefi'en,  dass  die  Stric- 
tionslinie eine  Orthogonaltrajectorie  der  Erzeugenden  ist. 

Nehmen  wir   endlich   als  Directrix  eine   Orthogonaltrajectorie  der 


§  116.    Haupttangentencurven  der  zweiten  Schar. 


221 


Erzeugenden,    so    ist    ^=    -,    und    wir   erhalten  für    die   geodätische 

Krümmung         der  Curven  u  =  Const.  den  Wert: 

l^_ iLf'u  +  N 

9„  "~         Jtf*tt»  +  2iVtt  +  1  ■ 

Daraus  folgt  nach  (6),  dass  die  Strictionslinie  auch  als  der  Ort  der- 
jenigen Punkte  der  Linienfläche  definiert  werden  kann^  in 
denen  die  geodätische  Krümmung  der  Orthogonaltrajecto- 
rien  der  Erzeugenden  srleich  Null  ist. 


§116.  Haupttangentencurven  der  zweiten  Schar.  Formel  von  Chasles. 

Auf  jeder  Linienfläche  sind  die  Erzeugenden  die  Haupttangenten 
curven  des  einen  Systems,  wie  geometrisch  einleuchtet  (§  112).     Ana- 
lytisch wird  dieses  durch  die  Berechnung  der  Coefficienten  D,  D\  D" 
der  zweiten   Fundamentalformel   sofort  bestätigt.     Wir  finden  nämlich 
nach  S.  87: 


D  =  0,    D'- 


yM-u^-^2Nu-\-8m-9 


yM*u^  -\-2Nu-\-  sin'  9 


D"= 


yM*u*  +  2  ^tt  -J-  sin*  ^ 


m  n 

l  m  n 

p-{-l'ii  q'-\-m'u  r'-\-n'u 
V  m    n 
l    m    n    ^ 
P    a    r'  I 
p"-{-l"u   q"-\-m"i(    r" -\- n" t( 

l  m  n 

p'-\-  l'u    q'-\-  m'u     r'  -\-  n'u 


Die  Differentialgleichung  der  Haupttangentencurven  des  zweiten  Systems 

ist  also  nach  S.  109: 

2D'du  -j-  D"dv  =  0 

und  hat  demnach  die  Riccati'sche  Form: 

wo  a,  bj  c  Functionen  von  v  allein  sind.  Die  bekannte  Eigenschaft 
einer  Gleichung  von  diesem  Typus,  dass  das  Doppelverhältnis  (u^  «.,  n.^  uj 
von  vier  particulären  Lösungen  eine  Constante  ist,  Kefert  unter  Berück- 
sichtigung der  Bedeutung  von  w  unmittelbar  den  Satz  von  Paul 
Serret:  Das  Doppelverhältnis  der  vier  Punkte^  in  denen  eine 
beliebige  Erzeugende  vier  feste  Haupttangentencurven  des 
zweiten  Systems  schneidet,  ist  constant. 

Femer  sieht  man,    dass  man  nur  eine   der  Haupttangenten- 


222 


Kap.  8.    Verbiegung  der  Linienflächen. 


curven  des  zweiten  Systems  zu  kennen  braucht,  um  die  übri- 
gen mittels  Quadraturen  zu  bestimmen. 

Die  Werte  der  Richtungscosinus  X,  Y,  Z  der  Normale  sind  durch 
die  Gleichungen  gegeben: 


X  = 


m  n 

q'-\-  m'u     r'-\-  n'u 


yM^u^-\-2Nu-\-am^d- 


Y 


n  l 

r'-\-n'u      p'-\~l'u 


yM^u^-{-2Nu  +  sin*  9 

l  m 

p'  -\-  V  u    q  -\-  m'u 


ym^u^  -j-2Nu  +"sin*  «• 
Bezeichnen  wir  mit  Xq,  Yq,  Zq  die  Werte  von  X,  Y,  Z  im  Mittel- 
punkt w  =  —  ^Tj^ ,   mit  Sl  den  (zwischen  0  und  tc  gelegenen)  Winkel, 

den  die  beiden  positiven  Richtungen  (X,  Y,  Z),  (Xq,  Yq,  Zq)  mit  ein- 
ander bilden,  so  erhalten  wir,  da  cos  Sl  =  XXq  -\-  YYq  -\-  ZZq  ist, 
den  Wert: 


cos  iß  = 


ym^sin^»  —  N" 


MyW'u^  +2Nu-{-  sin*«- 

Da  die  Werte  der  Wurzeln  und  M  selbst  positiv  zu  nehmen  sind, 
so  ist  ersichtlich,  dass  il  stets  spitz  ist,  wie  geometrisch  leicht  voraus- 
zusehen war. 

Nehmen  wir  nun  der  Einfachheit  halber  an,  dass  die  Directrix 
eine  Orthogonaltrajectorie  der  Erzeugenden  sei.     Wir  haben  dann: 

Wenn  wir  an  Stelle  von  v  den  Parameter 

v^  ==CMdv 

einführen   (sodass  also  v^  nach  S.  219  den  Bogen   der  sphärischen  In- 
dicatrix   der  Erzeugenden  bedeutet)  und  gleichzeitig 


ß 


setzen,    so    sind   a  und    ß   Functionen    von    v^,  und    das    Quadrat    des 
Linienelements  nimmt  die  Form: 

(8)  ds^  =  du'  +  [(u  —  af  -f  ß^]dv,' 

au.     Die  frühere  Gleichung  für  cos  ü  wird: 

cos  Sl  =  — —  5 

y{u  —  ccy  +  ß^ 

daraus  folfft  die  Formel  von  Chasles: 


§  116.  Formel  von  Chasles.    §  117.  Verbiegung  einer  Linienfläche  nach  Minding.    223 

(9) 

in    der    Sl    stets    zwischen    —  ^  ^^^^  ~l~  o    ^^   nehmen  ist   und   sein 

Vorzeichen  von  der  Richtung  abhängt,  in  der  sich  die  Tangentialebene 
dreht,  wenn  sich  der  Berührungspunkt  vom  Mittelpunkt  nach  dem  be- 
trachteten Punkte  hin  bewegt. 

Aus  (9)  ziehen  wir  sofort  einige  bemerkenswerte  Folgerungen. 
Lassen  wir  die  Tangentialebene  des  Mittelpunktes  ti  =  cc  der  Erzeu- 
genden^!' um  diese  Erzeugende  um  den  Winkel  Sl  rotieren,  so  wird 
sie  die  Fläche  in  einem  Punkte  (n^,  i),  der  durch  die  Gleichung: 

«1  —  tt  =  ß  tgSi 
bestimmt  wird,  berühren  und  im  Punkte  (?<,,  t?),  der  durch 

Mg  —  a  =  —  ß  cotg  Sl 
gegeben  ist,  auf  ihr  senkrecht  stehen;  daraas  folgt: 
(«1  —  a){i(,  —  a)  =  —  ßK 

Es  bestimmt  also  jede  Ebene  durch  irgend  eine  Erzeugende  auf 
dieser  Erzeugenden  zwei  Punkte  P^,  P^,  in  denen  sie  bezüghch  die 
Fläche  berührt  und  auf  ihr  senkrecht  steht.  Dreht  sich  die  Ebene  um 
die  Erzeugende,  so  liefert  das  Punktepaar  P^,  P^  eine  Involution, 
deren  Centrum  der  Mittelpunkt  ist. 

Schliesslich  bemerken  wir,  dass  sich  aus  (8)  für  das  Krümmungs- 
mass  K  nach  S.  68  der  Ausdruck: 


K  = 


f- 


ergiebt.  Er  ist  stets  negativ,  wie  es  auch  natürlich  ist,  da  die  Haupt- 
tangentencurven  reell  sind.  Längs  jeder  Erzeugenden,  für  die  ß  nicht 
gleich  Xull  ist,  nimmt  der  absolute  Wert  von  K  im  Mittelpunkte  sein 
Maximum  an  und  nähert  sich  der  Null,  je  weiter  man  sich  vom  Mittel- 
punkt entfernt. 

§  117.    Verbiegxing  einer  Limeufläche  nach  der  Methode  von  Min  ding. 

Wir  kommen  nun  zu  der  eigentlichen  Aufgabe  dieses  Kapitels, 
nämlich  zur  Bestimmuncr  aller  Linienflächen  mit  oreffebenem  Linien- 
dement,  das  wii-  in  der  allgemeinen  Form  (3)  annehmen.  Dann  sind 
auch  ^,  M,  N  als  Functionen  von  v  gegeben,  und  die  Aufgabe  wird 
darin  bestehen,  die  sechs  unbekannten  Functionen  p,  q,  r,  Z,  fw,  n 
der  Veränderlichen  v  allein  so  zu  bestimmen,  dass  die  fünf  Funda- 
mentalgleichungen : 
(10)  jP+»r+»==l. 

\l  '  -\-  m  -  -f-  «  -  =  Jz-; 


224  Kap.  8.    Verbiegung  der  Liiiienflächen. 

Zj)'  -f- ^'^Q''  +  wr'   =cosO', 

V p' -{- m' q' -\- n' r' =  N 
erfüllt  werden. 

Für  die  Behandlung  unserer  Aufgabe  ergeben  sieb  zwei  verschiedene 
Methoden,  je  nachdem  wir  zunächst  l,  m,  n  als  bekannt  annehmen  und 
p,  q,  r  suchen  oder  umgekehrt  p,q,r  als  bekannt  annehmen  und  l,  m,  n 
suchen.  Im  ersten  Falle  steht  uns  die  Methode  von  Minding  zu 
Gebote,  die  zu  folgenden  Ergebnissen  führt: 

Es  seien  l,  m,  n  drei  Functionen  von  v,  die  den  beiden  Gleichungen 
(10)  genügen.  Die  Gleichungen  (11)  geben  dann  die  Werte  für  ^',  q,  r , 
und  aus  diesen  erhält  man  durch  Quadraturen  p^  q,  r. 

Genügt  man  der  ersten  Gleichung  (10)  dadurch,  dass  man  setzt: 
l  =  sin  03  cos  ip,      m  =  sin  co  sin  ijjj     n  =  cos  gj, 
wo   (0   und  ip   Functionen  von  v  sind,   so  ist  nur  noch  die  zweite   der 
Gleichungen  (10)  zu  befriedigen.     Sie  ergiebt: 

co'^  -j-  ^'^  sin^  Gj  =  M^, 
woraus  mittelst  einer  Quadratur  für  ^  die  Gleichung: 

J  sin  CO 

folgt,  in  der  co  willkürlich  bleibt.  Die  Willkürlichkeit,  die  der  Lösung 
infolge  des  Vorhandenseins  der  willkürlichen  Function  io{v)  anhaftet, 
kann  geometrisch  dahin  gedeutet  werden,  dass  der  Fläche  8  durch 
Verbiegung  ein  willkürlich  angenommener  Leitkegel  zugewiesen  wer- 
den kann. 

In  der  That  genügen  die  Coordinaten  l,  m,  n  eines  Punktes  der 
gegebenen  sphärischen  Indicatrix  den  Gleichungen  (10),  falls  zwischen 
dem  Bogen  fp  dieser  Indicatrix  und  dem  Bogen  v  der  Directrix  die  Relation : 

9?  =  CMdv 

aufgestellt  wird.  Der  Leitkegel  der  entsprechenden  Fläche  hat  dann  die 
durch  die  Wahl  von  o?  bestimmte  Gestalt. 

Wir  bemerken  ferner,  dass  sich  durch  Auflösung  des  Systems  (11) 
nach  p,  q  ,  r'  ergiebt: 


p=    Z  cos  -^  H — "— ^ 


(-[c,\                     I     ,                    ^    ,    m' N -[- B  •[/ M^  sin^  &  —  N 
K^'^J  ■     {q=mcosd'-\ =- —     71/2 


ncos&-\ = — *— ^, 


§  118.    Methode  von  Beltrami.  225 

Darin  ist  wie  auf  S.  219 

\  m    fi  ^       \  n    l  ^       \  l    m    \ 

m    n  n    l  l    m    \ 

gesetzt. 

Da  mm  nach  S.  219 

ist,  wenn  die  Fläche  nicht  in  die  Ebene  abwickelbar  ist,  so  führen  die 
beiden  Wertsysteme  für  p\  q\  r',  die  dem  doppelten  Vorzeichen  der 
Wurzel  entsprechen,  zu  zwei  wesentlich  verschiedenen  Flächen. 

Wir  haben  demnach  das  Ergebnis: 

Jede  Linienfläche  kann  so  verbogren  werden,  dass  ihr 
Leitkegel  eine  willkürlich  gewählte  Gestalt  annimmt,  und 
zwar  auf  zwei  verschiedene  Arten. 

Die  zu  der  Bestimmimg  der  beiden  Biegimgsflächen  erforderlichen 
Rechnungen  bestehen  lediglich  in  Quadi-aturen. 

§  118.     Methode   von   Beltrami   und  die   darauf  bezüglichen 
Fundamentalgleichungen. 

Xach  der  vorstehenden  Methode  lassen  sich  alle  auf  eine  gegebene 
Linienfläche  abwickelbaren  Linienflächen  wirklich  bestimmen.  Wollte 
man  jedoch  die  willkürliche  Function  (o{y)  so  bestimmen,  dass  sie  einer 
gegebenen  Bedingimg  genügt,  so  wüi'de  man  in  den  meisten  Fällen  auf 
unüberwindliche  Schwierigkeiten  stossen. 

Es  ist  dann  die  zweite  Methode,  zu  deren  Entwickelung  wir  nun 
übergehen  und  die  von  Beltrami*)  herrührt,  vorzuziehen. 

Diese  Methode  besteht  darin,  dass  man  zunächst  feststellt,  was  für 
Gestalten  die  Directrix  bei  einer  Verbieorunor  der  Fläche  annehmen 
kann.  Für  jede  dieser  Gestalten  bestimmt  sich  die  Gestalt  der  ent- 
sprechenden Fläche  auf  Grund  der  Ueberlegung,  dass  sich  die  geodä- 
tische Krümmung  imd  der  Winkel  O-  bei  einer  Yerbiecruncr  nicht  ändern. 
Da  die  allgemeine  Lösung  der  Aufgabe  eine  wiRkürliche  Function  ent- 
hält, so  ist  von  vom  herein  klar,  dass  die  möglichen  Gestalten  der 
Directrix  notwendigerweise  an  eine  Bedingung  geknüpft  sind,  die  eben 
gestellt  werden  muss. 

Wir  betrachten  eine  dieser  Gestalten  der  Directrix,  für  die  wir 
die  in  der  Curventheorie  gebrauchten  Bezeichnungen  beibehalten.  Nen- 
nen wir  6  den  Neigungswinkel  der  Schmiegimgsebene  der  Directrix 
gegen  die  Tangentialebene  der  Fläche,  so  haben  wir: 


*)  Sulla  flessione  delle  superficie  rigate.  Annali  di  Mat.  1865,  7.  Bd.,  S.  105. 

Bianchi,  üiffeTentialgeometrie.  15 


226 


Kap.  8.    Verbiegung  der  Linienflächen. 


il  =  cos  d-  cos  a  -\-  sin  ■9- (cos  6  cos  |  -|-  sin  6  cos  A), 
w  =  cos  d-  cos  /3  +  sin  'O'(cos  0  cos  »j  +  sin  ^  cos  fi), 
n  =  cos  -9-  cos  y  -\-  sin  '9'(cos  6  cos  ^  -}-  sin  ö  cos  v). 

Berechnen  wir  T,  w',  n'  mit  Hülfe  der  Frenet'schen  Formeln,  so  redu- 
cieren  sich  die  Fundamentalgleichungen  (10)  und  (11),  denen  l,  m,  n 
genügen  müssen,  auf  die  beiden  folgenden: 


-  ,   ,    cos  ö  N 

Q 


sin  & 


sin' *(*'+ «;")  +  " 


COS 'S-     ,    /              ■     r^\r  ,    sin  ff  sin 'ö' 
1-  (cos  0  sm  O")  -] j, 


+ 


oder: 

(14) 

(15) 


+ 

cos  a 
Q 


(sin(?  sin-O-)'- 


N 
sin-ö' 


cos  ö  sin  'S- 


0-',  **) 


=  Jf2*) 


cos  ■9'    ,     /  •     ^\/  1    sine  sin ■O- 
f-  (cos  a  sm  d-)  -f- 


T 


+ 


(sin  6  sin '&■)'- 


+ 

cos  ö  sin  0' 
T 


=  M^  —  N\ 


Die  Unbekannten  in  unserer  Aufgabe  sind  6,  q,  T.  Es  ist  klar, 
dass,  wenn  man  den  Wert  für  6  aus  (14)  in  (15)  einsetzt,  letztere 
Gleichung  in  eine  Relation: 


(1«) 


/■(".  p-  T' ;;;)  - 


0 


übergeht,   die    eine    Beziehung    zwischen    den   Radien    der   ersten    und 
zweiten  Krümmung  der  verbogenen  Directrix  herstellt. 

Jeder  Curve,  deren  Flexions-  und  Torsionsradius  der  Gleichung  (16) 
genügen,  entspricht  eine  specielle  Verbiegung  der  Linienfläche,  deren 
Elemente  aus  den  Gleichungen  (14)  und  (13)  zu  berechnen  sind.  Die 
vorliegende  Aufgabe  hängt  demnach  mit  einer  anderen  aus  der  Curven- 
lehre  zusammen,  nämlich  mit  der  Aufgabe,  eine  Curve  aus  ihren  natür- 
lichen Gleichungen  zu  bestimmen  (vgl.  1.  Kap.,  S.  13  u.  f.). 


*)  Mit  (cos  er  sin -9')',  (sine  sin^)'  werden  der  Kürze  halber  die  Differential- 
quotienten von  cos  0  sin  ■9',  sine  sin#  nach  v  bezeichnet. 

**)  Dieses  besagt  nach  S.  147,  dass  die  geodätische  Krümmung  der  Directrix 
bei  der  Verbiegung  ungeändert  bleibt. 


§  119.    Verbiegung,  bei  der  eine  Curve  Haupttangentencurve  wird.       227 

§  119.     Problem,    eine   Linienfläche    derart   zu    verbiegen,    dass    eine 
auf  ilir  gegebene  Curve    eine  Haupttangentencurve  wird. 

Von  den  voraufgehenden  allgemeinen  Ergebnissen  maelien  wir 
nun  die  hauptsächlichsten  Anwendungen. 

Wir  stellen  uns  zunächst  die  Aufgabe,  die  Linienfläche  so  zu  ver- 
biegen, dass  die  Directrix  eine  Haupttangentencurve  wird.  Wir  müssen 
dann  6  gleich  Null  (oder  gleich  jt)  setzen,  und  es  ergiebt  sich  also  aus  (14): 

WO  natürlich  das  Vorzeichen  der  rechten  Seite  durch  die  Bedincninor 
bestimmt  ist,  dass  der  Wert  für  g  positiv  sein  muss.  Die  Gleichung 
(15)  giebt  dann: 

(b)  —' 


T  sin*^ 

Also:  Jede  Linienfläche  kann  so  verbogen  werden,  dass  eine 
beliebig  auf  ihr  gezogene  Curve  Haupttangentencurve  wird. 
Die  verbogene  Directrix  bestimmt  sich  aus  den  natürlichen 
Gleichungen  (a),  (b). 

Betrachten  wir  den  besonderen  Fall,  in  dem  die  Directrix  eine 
geodätische  Linie  ist.     Dann  ergiebt  sich: 

-  =  o, 

d.  h.  die  verbogene  Directrix  ist  eine  Gerade.     Es  folgt  somit: 

Jede    geodätische    Linie    einer   Linienfläche    kann    durch 

Verbiegung  der  Fläche  zu  einer  Geraden  werden. 

Um  für  diesen  Fall  einfache  Gleichungen  zu  erhalten,  wählen  wir 

die  verbogene  Directrix  als  s-Axe  und  haben  dann: 

p  =  0,     q  =  0,     r=v,     n^cosd-. 

Setzen  wir  noch: 

Z  =  sin  0^  cos  tp,      m  =  sin  0-  sin  ^, 
%o  folgt  aus 

Z'^  +  m-  +  n-  =  M'-  • 
wie  auf  S.  224:  

^  =  /  - — ^~i —  dv. 

J  sm  & 

Für  die  Biegungsfläche  haben  wir  also  nach  (1),  S.  218,  die  Gleichungen: 
X  =  u  sin  0-  cos  t/»,     y  ^  u  sin  O"  sin  ip,     z  =  v  -\-  u  cos  0^. 

Ist  insbesondere  O-  gleich  -,  d.  h.  ist  die  Fläche  der  Ort  der  Binor- 
malen der  Directrix,  so  ist  die  Biegungsfläche  ein  gerades  Conoid  (vgl. 
S.  134),  und  da  in  diesem  Falle  l,  w<,  n  die  Richtungscosinus   der  Bi- 

15* 


228  Kap.  8.    Verbiegung  der  Linienflächen. 

normale  sind,  also  nach  Definition  von  M  und  nach  S.  8  die  Grösse 
M  gleich  rj,  ist,  wo  ^  die  Torsion  der  ursprünglichen  Directrix  be- 
deutet, so  ergiebt  sich: 

*=J-T- 
Besitzt  nun  noch  specieller  die  ursprüngliche  Directrix  constante  Tor- 
sion, so  ist  das  Biegungsconoid  die  Minimal-Schraubenregelfläche. 

Werden  umgekehrt  alle  Linienflächen  gesucht,  die  sich  auf  die 
Schraubenfläche: 

X  =  u  COS  j- ,      y  =  u  sm  -,  - ,      s  =  v 

abwickeln  lassen,  für  die  das  Quadrat  des  Linienelements 

ist,  so  ist  p  =  0,  g  =  0,  r  =  v,  l  =  cos  ,  ,  w  =^  sin  -,-,  w  -=  0,  also 
nach  (2),  S.  218,  und  (14),  S.  22Q: 

M=l,  N=o,  ^  =  1,  .^;. 

Hiernach  ergiebt  Gleichung  (15): 

1  1 

T  ~  k  ' 

Also:  Die  auf  die  Minimal-Schraubenregelfläche  vom  Para- 
meter k  abwickelbaren  Linienflächen  sind  alle  von  den  Bi- 
normalen der  Curven  constanter  Torsion  ,  erzeugten  Flächen 
und  auch  nur  diese. 

Wir  setzen  endlich  voraus,  dass  die  Directrix  der  beliebig  gegebenen 
Linienfläche  eine  Orthogonaltrajectorie  der  Erzeugenden  sei.  Machen 
wir  sie  durch  Verbiegung  der  Fläche  zu  einer  Haupttangentencurve, 
so  sind  ihre  Hauptnormalen  die  Erzeugenden  der  Biegungsfläche.    Also: 

Durch  Verbiegung  einer  Linienfläche  können  die  Erzeu- 
genden die  Hauptnormalen  einer  beliebigen  ihrer  Orthogonal* 
trajectorien  werderf. 

§  120.     Problem,    eine   Linienfläclie   derart   zu   verbiegen,   dass   eine 
auf  ihr  gegebene  Curve  eben  oder  eine  Krümmungslinie  wird. 

Wir  wollen  nun  die  Fläche  so  verbiegen,  dass  die  Directrix  ^t  =  0 
eben  wird.  Hierzu  braucht  nur  in  der  Gleichung (15)  j,  gleich  Null  ge- 
setzt zu  werden,  was  eine  Differentialgleichung  erster  Ordnung: 
ip  iv,  Q,  y-j  =  0  zur  Bestimmung  von  q  liefert.     Daraus  schli essen  wir: 


§  120.  Verbiegung,  bei  der  eine  Curve  eben  oder  eine  Krümmungslinie  wird.     229 

Es  ist  auf  'x.^  Arten  möglich,  eine  Linienfläche  so  zu  ver- 
biegen, dass  eine  beliebige  Curve  auf  ihr  eben  wird. 

Ist  insbesondere  die  gegebene  Curve  eine  Orthogonaltrajectorie  der 

Erzeugenden,  also  9-  gleich   "  >    j.  gleich  NuU,  so  wird  Gleichung  (15): 

woraus  durch  Integration 

6  =  fyiP^^N^  dv 

folgt.    Die  ebene  Biegungscurve  bestimmt  sich  aus  Gleichung  (14),  die 

cos  e 

ergiebt. 

Endlich  imtersuchen  wir,  ob  es  möglich  ist,  eine  vorgegebene  Curve 
durch  Verbiegimg  zu  einer  Krümmungslinie  zu  macheu.    Es  sind 

X  =  cos  6  cos  A  —  sin  6  cos  §,      1'  =  cos  6  cos  ^  —  sin  <y  cos  ij, 

Z  =  cos  6  cos  V  —  sin  6  cos  ^ 

die  Richtungscosinus  der  Flachennormale  längs  der  verbogenen  Direc- 
trix,  rmd  wir  haben,  da  die  Krümmungslinie  nach  S.  07  Evolvente  der 
von  den  Flächennonnalen  eingehüllten  Curve  ist  und  daher  hier  in  der 
letzten  Gleichung  auf  S.  28  für  u,  c,  s   die  Werte  — sinö,  costf,  u  zu 

setzen  sind: 

1  de 

T~~d~v' 

Eliminieren  wir    -  und    ~   mit   Hilfe   dieser  und   der   Gleichung  (14) 

aus  (15),  so  erhalten  wir  zur  Bestimmung  von  6  eine  Differential- 
gleichimg  erster  Ordnung.     Hierbei  ist  natürlich  vorausgesetzt,  dass  d- 

nicht  gleich  ^  sei,  denn  sonst  würde  die  FKche  developpabel   sein*). 

Daraus  folgera  wir:  Es  ist  stets  möglich,  eine  Liuienfläche 
so  zu  verbiegen,  dass  eine  beliebige  Curve  auf  ihr  eine  Krüm- 
mungslinie wird,  wofern  die  Curve  nicht  eine  Orthogonal- 
trajectorie der  Erzeugenden  ist. 

Wir  bemerken  femer,  dass,  wenn  die  gegebene  Cui-ve  eine  geodä- 
tische ist,  sie  beim  Uebergange  in  eine  Krümmungslinie  eben  wird, 
wie  geometrisch  nach  S.  166  einleuchtet.  Dieses  ei^ebt  sich  auch 
aus   unseren    Formeln.     In    der  That  ist  dann    nach   S.  152   a  gleich 

~,  also  nach  obigem  Wert  von   „  auch        gleich  Null,  und  (15)  wird: 


*)  Dieses  wird  auch  durch  die  eben  angestellte  Rechnung  bestätigt,  da  die 
linke  Seite  von  (15)  gleich  Xull  werden  würde. 


230  Kap.  8.    Verbiegung  der  Linienflächen. 

wodurch  q  und  also  aucli  die  Biegungscurve  bestimmt  wird. 


§  121.     Linienfläclien,  die  auf  Rotati onsfläclien  abwickelbar  sind. 

Zum  Schluss  beschäftigen  wir  uns  mit  der  Frage:  AVelche 
Linienflächen  sind  auf  Rotationsflächen  abwickelbar? 

Eine  solche  Fläche  muss  eine  stetige  Verbiegung  in  sich  zulassen, 
während  deren  sich  das  ganze  System  der  Erzeugenden  in  sich  ver- 
schieben muss  (S.  216).  Dabei  braucht  wegen  der  Stetigkeit  der  Ver- 
biegung auch  der  Fall  der  auf  Flächen  zweiter  Ordnung  abwickelbaren 
Flächen  nicht  ausgenommen  zu  werden. 

Die  Linienfläche  sei  auf  ihre  Erzeugenden  und  deren  orthogonale 

Trajectorien  bezogen,  sodass  d-  gleich   |-  ist.     Führen  wir    /  3Idv  als 

neues  v  ein,  so  hat  das  Quadrat  des  Linienelements  nach  S.  222  die 
Form: 

ds""  =  du^  +  [(u  —  aiv)y  +  ß^{v)]  dv\ 

Während  der  als  stetig  vorausgesetzten  Verbiegung  verschiebt  sich  die 
Strictionslinie  in  sich,  schneidet  daher  die  Erzeugenden  unter  constan- 
tem  Winkel  und  ist  also  eine  geodätische  Linie  (S.  220);  ferner  ist 
längs  derselben  die  Krümmung  der  Fläche  constant,  gleich  Kq.  Nun 
ist  längs   der  Strictionslinie  u  =  a  nach  (18)  auf  S.  68: 

TT   __    ^ 

woraus  sofort 

ß{v)  =  Const.  =  Ä; 

folgt.  Bezeichnen  wir  sodann  den  (constanten)  Neigungswinkel  der  Er- 
zeugenden gegen  die  Strictionslinie  mit  o,  so  haben  wir: 

,  1  du         1      ,.  . 

cotg«=  ß-2-,  =  -j,cc{v), 

demnach: 

u(v)  =  livcotgco, 

da  wir  die  additive  Constante  in  u  mit  hineinziehen  können. 

Das   Quadrat   des  Linienelements   der  gesuchten  Flächen   ist    also 
von  der  Form: 
(17)  ds^  =  dti'  +  [{ii  —  Tiv  cotg  coj  +  Ä;2]  dv\ 

Für    Gj  =         gehört   das  Linienelement    zu    der   Minimal -Schrau- 

benregelfläche   vom  Parameter  li,    für   ca^-^    zum  einschaligen  Rota- 


§  121.    Linienflächen,  die  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind.       231 

tionshyperboloid,  dessen  Meridianhyperbel  die  Halbaxen  a  und  b  hat, 
wo  a  =  ^cotgw,  b  =  k  ist,  wie  man  leicht  einsieht*).  Also:  Die 
einzigen  auf  Rotationsflächen  abwickelbaren  Linienflächen 
sind  die  Biegungsflächen  der  Minimal-Schraubenregelfläche 
und  des  einschaligen  Rotationshyperboloids. 

Die  ganze  Klasse  der  Flachen  der  ersten  Art  ist  bereits  in  §  119 
als  diejenige  charakterisiert^  welche  die  von  den  Binormalen  der  Curven 
constanter  Torsion  gebüdeteu  Flächen  umfasst. 

Für  die  Flächen  der  zweiten  Art  giebt  es  einen  eleganten,  von 
Laguerre  heiTührenden  Satz,  zu  dem  wir  in  der  folgenden  Weise 
gelangen:  Wir  setzen  in  (17): 

-. —  =  t\ ,      u  —  k  V  cotg  CO  =  u, 

und  erhalten  für  das  Quadi-at  des  Linienelements  der  in  Rede  stehen- 
den Fläche  den  Ausdiiick: 

f/5-  =  du,'  +  2cos  cj du,  dv,  +  i^''''^'""  +  l)  dv,-. 

Durch  Vergleichen  mit  den  ursprünglichen  Bezeichnungen  (S.  218) 
haben  wir  dann: 

„  -,,  sin  £0  -.T  r\ 

(ö  =  »,     21=  -jT-  ,     A  =  0. 
Setzen  wir  diese  Werte  in  (15)  ein  und  beachten  wir  dabei,  dass 

6  gleich  —  ist ,  so  erhalten  wir: 

,      .  cos  (o  j^  sin  0)  sin  ta 

(18)  -j-  -h  -^  —  —jT-^ 

woraus  der  Satz  folgt  (vgl.  S.  32): 

Die  Curven,  in  die  der  Kehlkreis  des  einschaligen  Rota- 
tionshvperboloids  bei  einer  Deformation  der  Fläche,  bei  der 
die  Erzeugenden  Gerade  bleiben,  verbogen  wird,  sind  ßer- 
trand'sche  Curven. 

Hieraus  folgt  eine  Bestätigimg  der  vorhin  ei-wähuten  Eigenschaft, 
dass  das  vorstehende  Quadi-at  des  Linienelements  zum  einschaligen 
Rotationshyperboloid   gehört.     In    der   That,    wenn    die    Strictionslinie 

eben  wird  (§  120),  so  ist   „  gleich  Null  und  nach  (18) 

Q  =Jc  cotgo. 

Die  Strictionslinie  wird  also  ein  Kreis  mit  dem  Radius  Ärcotgcj,  imd 
die  Fläche  ist  offenbar  ein  einschaliges  Rotationshyperboloid,  das  die- 
sen Kreis  zum  Kehlkreis  hat. 


*)  Den  directen  Nachweis  überlassen  wir  dem  Leser. 


Kapitel  IX. 
Evolntenfläclie  und  Weiiigarten'scher  Satz. 

Allgemeine  Eigenschaften  der  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche.  —  Evoluten- 
mittelfläche  einer  Fläche  nach  Ribaucour.  —  TF- Flächen,  deren  Hauptkrünimungs- 
radien  durch  eine  Gleichung  verbunden  sind.  —  Sätze  von  Ribaucour  über  das 
Entsprechen  der  Haupttangentencurven  und  Krümmungslinien  auf  den  beiden  Män- 
teln der  Evolutenfläche.  —  Bestimmung  der  Krümmungslinien  einer  TF- Fläche 
mittels  Quadraturen.  —  Die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  einer  TF- Fläche 
sind  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  (Weingarten'scher  Satz).  —  Umkehrung  des 
Weingarten' sehen  Satzes.  —  Besondere  Formen  des  Linienelements  der  Kugel, 
die  den  "PF- Flächen  entsprechen.  —  Anvs^endung  auf  die  Bestimmung  der  Mini- 
malflächen :  )\  -\-r^  =  0  und  der  Weingarten' sehen  Flächen :  2  (r^  —  r^ )  =  sin  2  {r^  -\-i\)- 
—  Evolventen-  und  Ergänzungsflächen  der  pseudosphärischen  Flächen. 


§  122.     Die   geodätischen   Linien   der   Evolutenfläche,   die   den 
Krümmungslinien  der  Evolventenfläche  entsprechen. 

Im  ersten  Teile  dieses  Kapitels  nehmen  wir  die  Untersuchung  der 
allgemeinen  Eigenschaften  der  Flächen  wieder  auf,  um  dann  die  Er- 
gebnisse auf  eine  besonders  wichtige  Gattung  von  Flächen  anzuwenden. 

Wir  haben  auf  S.  100  gesehen,  dass  auf  der  Normale  in  jedem  Punkte 
M  einer  Fläche  S  zwei  besondere  Punkte  Jl^,  M^  liegen,  nämlich  die 
Hauptkrümmungsmittelpunkte  der  Fläche  oder  die  Krümmungsmittel- 
punkte der  beiden  Hauptschnitte  durch  M.  Bewegt  sich  der  Punkt 
M  auf  der  Fläche  S,  so  beschreiben  die  Krümmungsmittelpunkte  Ji^ ,  M.^ 
eine  Fläche,  welche  die  Evolutenfläche  der  Fläche  S  heisst,  während 
die  Fläche  8  die  Evolventen  fläche  heisst.  Die  Evolutenfläche  be- 
steht offenbar  aus  zwei  Mänteln  5^,  S^,  von  denen  der  eine  vom  Krüm- 
mungsmittelpunkt J/j,  der  andere  vom  Krümmungsmittelpunkt  M^ 
beschrieben  wird. 

Wir  können  die  beiden  Mäntel  S^,  S.^  auch  auf  folgende  Weise 
erzeugen:  Wir  betrachten  eine  Krümmungslinie  C  von  S',  die  Flächen- 
normalen längs  0  bilden  nach  S.  97  eine  abwickelbare  Fläche,  deren  Rück- 


§  12-2.  Geod.  Linien  d.  Evolutenfl.,  d.  d.  Krümmungsl.  d.  Evolventenfl.  entspr.     233 

kehrciirve  F  eben  der  Ort  der  Krümmimgsiiiittelpuiikte  der  C  berührenden 
Normalschnitte  ist.  Lassen  wir  die  Curve  C  nach  und  nach  in  alle 
Krümmimgslinien  dei-selben  Schar  übergehen,  so  beschreibt  ihre  Evo- 
lute r  einen  Mantel  der  Evolutenfläche. 

Vermittelst  einfacher  geometrischer  Betrachtungen  wollen  wir  nun 
einige  grimdlegende  Eigenschaften  der  Evolutentlächen  ableiten  imd 
zunächst  den  Satz  beweisen: 

Die  Rückkehrcurven  der  abwickelbaren  Flächen,  welche 
die  Örter  der  Plächennormalen  längs  der  einzelnen  Krüm- 
mungslinien der  Fläche  sind,  sind  geodätische  Linien  der 
Evolutenfläche. 

Zum  Beweise  bemerken  wir  zunächst,  dass  jede  Normale  der  Evol- 
ventenfläche die  Evolutenfläche  in  zwei  Punkten  berührt,  und  zwar  den 
ersten  Mantel  S^  im  ersten  Ki-ümmungsmittelpuukt  J/^,  den  zweiten 
Mantel  S^  im  zweiten  Krümmungsmittelpunkt  M^.  Wir  betrachten 
nun  ein  Boffenelement  MM'  einer  Krümmungslinie  der  zweiten  Schar. 
Die  Normalen  in  31  und  M'  schneiden  sich  (bis  auf  unendlich  kleine 
Grössen  höherer  Ordnung)  im  zweiten  Krümmuugsmittelpunkt  JX,  und 
berühren  den  ersten  Mantel  S^  in  den  bezüglichen  auf  ihnen  gelegenen 
ersten  Krtimmimgsmittelpunkten  M^  und  J//. 

Die  Ebene  MM.,M'  enthält  also  zwei  verschiedene  Richtungen 
J/^J/o  imd  J/jJ//,  die  von  M^  ausgehen  und  S^  berühi-eu,  imd  ist 
folglich  die  Tancrentialebene  des  ersten  Mantels  in  J/..  Daraus  folgt 
unmittelbar: 

Die  Normale  des  ersten  Mantels  S^  in  M^  ist  der  Tangente 
der  ersten  Krümmungslinie  in  M  parallel.  Entsprechendes 
gilt  für  den  zweiten  Mantel  S^. 

Ist  nun  Ci  eine  Krümmungslinie  der  ersten  Schar  und  F^  die 
Rückkehrcui-ve  der  von  den  Flächennormalen  von  S  längs  Q  ei-zeugten 
abwickelbaren  Fläche,  so  ist  die  Tangente  von  C^  in  M  der  Haupt- 
normale der  Evolute  F^  parallel.  Hiermit  ist  der  vorhin  ausgesprochene 
Satz  bewiesen. 

Femer  können  wir  leicht  auf  einem  der  Mäntel  der  Evolutenfläche, 
z.  B.  dem  ersten,  die  zu  diesen  geodätischen  Linien  F^  orthogonalen 
Trajectorien  bestimmen.  Ist  nämlich  f^  eine  von  diesen  orthogonalen 
Trajectorien  auf  S^ ,  ferner  t  die  entsprechende  Curve  auf  S,  so  erzeugen 
die  Normalen  von  S  längs  t  eine  Linienfläche,  auf  der  die  Curven  t 
und  t^  orthogonale  Trajectorien  der  Erzeugenden  sind.  Das  zwischen 
t  und  t^  liegende  Stück  MM^  dieser  Ei-zeugenden  ist  demnach  constant, 
wenn  M  längs  t  fortrückt  (Satz  A»,  S.  159),  d.  h.  längs  der  Curve  t 
auf  S  ist  der  erste  Hauptkrümmungsradius  r^  constant.     Also: 


234  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten'scher  Satz. 

Die  orthogonalen  Trajectorien  der  geodätischen  Linien, 
die  auf  einem  der  Mäntel  der  Evolutenfläche  von  den  Nor- 
malen der  Evolventenfläche  umhüllt  werden,  entsprechen 
denjenigen  Curven  auf  der  Evolventenfläche,  längs  deren  der 
betreffende   Hauptkrümmungsradius  constant  ist*). 

Hierbei  ist  der  Fall  ausgeschlossen,  dass  der  in  Rede  stehende 
Hauptkrümmungsradius  auf  der  ganzen  Fläche  S  constant  ist.  In  diesem 
Falle  reduciert  sich  aber,  wie  gezeigt  werden  wird,  der  entsprechende 
Mantel  der  Evolutenfläche  auf  eine  Curve. 

§  123.    Formeln  für  die  Evolutenfläche. 

Wir  wollen  nun  die  vorstehenden  grundlegenden  Eigenschaften 
auf  analytischem  Wege  bestätigen  und  aus  ihnen  andere  von  grosser 
Wichtigkeit  ableiten. 

Am  einfachsten  lassen  sich  die  dazu  erforderlichen  Rechnungen 
durchführen,  wenn  wir  die  Evolventenfläche  S  auf  ihre  Krümmungs- 
linien u,  V  beziehen.     Bezeichnen  wir  mit 

ds'  =  Edu^  +  Gdv^ 
das  Quadrat  des  Linienelements,  mit  r^,  r^  die  den  Curven  u,  v  bezüg- 
lich entsprechenden  Hauptkrümmungsradien,  so  haben  wir  (§54,  S.  102): 

D  =  —  -,     D'=0,     D"=  — ^, 

und  die  Codazzi'schen  Formeln  werden  in  unserem  Falle  einfach  (vgl. 
die  beiden  letzten  Gleichungen  (V),  §  49,  S.  94): 


oder: 

(1)  { 


cv\r^J         r^     dv    '      du  \  r^  J         r^     du 
(^l  _  1)  ^J^V^  _   i  (}\  _  0 

\7-i         r^/        ou  ^    du\r^/ 


Was   die   Gaussische   Gleichung  anbetrifft,   so  lautet  sie   ((18)  in  §  35, 
S.  68): 


*)  Es  dürfte  nicht  überflüssig  sein,  darauf  hinzuweisen,  dass  der  hier  gege- 
bene Beweis  für  die  Eigenschaft,  dass  die  Curven  i\  =  Const.  die  orthogonalen 
Trajectorien  der  Curven  Fj  sind,  von  der  anderen  Eigenschaft,  dass  die  Curven 
Fj  geodätische  Linien  sind,  unabhängig  ist.  Es  ergiebt  sich  aus  ihm  sogar  ein 
neuer  Beweis  für  letztere  Thatsache,  wenn  berücksichtigt  wird,  dass  wegen  der 
Eigenschaft  der  Evolventen  (S.  27)  der  Bogen  der  Curven  F, ,  der  zwischen  zwei 
orthogonalen  Trajectorien  derselben  liegt,  für  alle  gleich  ist  (vgl.  §  81,  S.  159, 
Anmerkung). 


§  123.    Formeln  für  die  Evolutenfläche.  235 

^^  r^r,  yEGlcu\yE     du  /     '    c »  \|/Ö     cv   /J 

In  den   Gleichungen  (1)  können  wir  an  Stelle  von  JS,  G  die   Coeffi- 
eienten  e,  g  des  Linienelement-Quadrates  der  Kugel, 

ds'  =  edu^  +  gdi", 

einführen,  und  zwar  mittels  der  Gleichungen  (13),  §  54,  S.  102: 


cX  _  1   ex 
cu         r^  cu 

cY 
cu 

1   cy 
r,  cu' 

cZ_ 

cu 

1   cz 
r,  cu 

(3) 

cX_  1  CX 

CO         fj  cv' 

cY_ 

cv 

cZ_ 

cv 

1     f2 

Es  ergiebt  sie 

h: 

e  = 

E 

G 

9  =  -. 

• 

Daher  lassen  sieh  die  Gleichungen  (1)  auch  folgendermassen  schreiben: 
(*^i  —  ^i)  —cr„ ?;i  —  ^y 


1^  ^  1  2/        f  „  I      cu 

Diese  Gleichungen  haben  wir  bereits  in  §  69,  S.  135,  erhalten. 

Wir  können  sie  sofort   zur   Bestimmung    derjenigen   Flächen   be- 
nutzen, für  welche  einer  der  Hauptkrümmimgsradien  coustant  ist. 

Es  sei  z.  B. 

r.2  =  Const. 

Dann  folgt  aus  (1)  und  (4): 

1^  =  0,     1^  =  0, 

cv  '        fP  ' 

d.  h.  die  Cui-ven  v  =  Const.  sind  auf  der  Fläche  und  auf  der  Kugel 
geodätische  Linien  (vgl.  S.  158).  Es  liegt  also  eine  Curve  v  =  Const. 
der  Fläche  5  in  einer  zui-  Fläche  nonnalen  Ebene  (nach  §  84,  S.  166), 
und    da  sie   einen    constanten  Hauptkrümmungsradius 

besitzt,  so  ist  sie  ein  Kreis  vom  Radius  B,.  Wir  constniieren  die 
Kugel,  die  diesen  Ki-eis  als  grössten  Kreis  hat  5  sie  berührt  die  Fläche 
S  längs  des  Kreises,  und  es  ist  daher  B  die  Enveloppe  einer  Kugel 
von  constantem  Radius  i?,  deren  Mittelpunkt  eine  Raumcurve  durch- 
läuft. Eine  solche  Fläche  heisst  Kanal-  oder  Röhren  fläche.  Um- 
gekehrt ist  klar,  dass  für  jede  Röhrenfläche  vom  Radius  i2  einer  der 
Hauptkrümmimgsradien  constant ,  gleich  B ,  ist.  Von  den  beiden  Män- 
teln   der  Evolutenfläche    reduciert  sich  der   den  Kreisen  entsprechende 


236  Kap.  9.    P>ol Utenfläche  und  Weingartcn'scher  Satz. 

offenbar  auf  die  Axe  der  Röhrenfläche,  d.  h.  auf  den  Ort  der  Mittel- 
punkte der  umhüllten  Kugeln.  Der  zweite  Mantel  ist,  wie  sich  geo- 
metrisch ergiebt,  die  Polardeveloppable  der  Axe  (S.  23). 

§  124.     Weitere  Eigenschaften  der  Evolutenfläche. 

Bezeichnen   wir  mit  x^,  y^,  z^   die  Coordinaten   des  ersten  Krüm- 
mungsmittelpunktes 1/j,  so  haben  wir*): 
(5)  3c^^x  —  r,X,     y^=y  —  r,Y,     z,==z—r,Z, 

woraus  sich  durch  Diiferentiation  infolge  der  Gleichungen  (3)  ergiebt: 


(6) 


Bezeichnen  wir  überhaupt  durch  Hinzufügung  des  Index  1  die  auf 
den  ersten  Mantel  S^  der  Evolutenfläche  bezüglichen  Grössen,  so  erhal- 
ten wir,  da  die  Normale  der  Tangente  der  zweiten  Krümmungslinie 
parallel  ist: 

(7)  V  _     1    ^-^        V  '^    ^y        y  1    dz 

yGcv  yOcv  ^        YGdv 

Gleichungen,  die  den  zweiten  in  §  122  angeführten  Satz  beweisen. 
Ferner  erhalten  wir  nach  (6): 

(8)     i^  =  i,(i-;^y+(|r.)^,   r,^^%  o^^i^, 

demnach: 

(9)     ds,'  =  \e(i  -  ;i)  +  (|I^)'1  clu^  +  2  -!^  1^  du  dv  +  (|^)^/r. 

L     \  r^/         \cuj  J  '        cu  cv  '    \dv  J 

Werden  zu  Parameterlinien  auf  S^  die  Curven  a  =  Const.  und 
r^  =  Const.  gewählt,  so  geht  Gleichung  (9)  über  in: 


cu          \           rj  cu 

du  ^' 

du 

-(1 

rj  du 

du   ^' 

% 

dz, 
cu 

-(1 

_  ^j\  ^1 

rj  du 

-'Az, 

cu       ' 

y  dv             'dv  ^' 

dv 

_dr, 

dv 

Y, 

dz, 

dv 

-  P  z 

dv 

2 

du^. 


(9*)  ds,'  =  dr,'+E[l~'^) 

woraus  hervorgeht,   dass  auf  S^   die  Curven   u  geodätische  Linien  und 
die  Curven  r^  =  Const.  ihre  orthogonalen  Trajectorien  sind  (vgl.  §  122). 
Berücksichtigen  wir  die  Gleichungen  (§  49,  S.  94): 

(10)  ^-~i  =  -L.  ^yj^  .  Jl.  ^£     i^  ^ ^___  ^  V^      1  dx  :•  ya  ^ 

du      ya  dv     yE  du'    dv  ~~     ys  du   '  ys  du       r,     ' 

*)  Man   erinnere   sich   des  Sinnes,  in  dem  r,  gerechnet  wird.  (S.  100,  Anm. 


§  124.  Weiteres  über  die  Evolutenfläche.     §  125.  Radius  d.  geod.  Krümmung.     237 
dazu  die  analogen  für  Y^  und  Z^,  so  erhalten  wir  für  die  Wei*te  von 

A,   A',   A" 

infolge  der  Gleichungen  (6)  nach  (3),  S.  87,  die  Ausdrücke: 

B    =        ^cx,cX,^       VE  dys /^        r,\ 
1  ^  cu  cu  ya     ^r    \  rj' 


T\  ' 'VT  ^^1  C^ 

^  XI   cv    du 


7)  "—  _  "V  ^  ^5  —  _  1^  ^Ti . 

^  _^J     CV      cv  Tj        CV 

Eliminieren  wir  aus  dem  Werte  für  A  denjenigen  für  —!:--  mittels  der 
ersten  der  Gleichungen  (1),  so  haben  wir: 

(11)  A  =  ^/.4r.,    i),  =  o,    i);-=_V«|i. 

yG    r^     cv  r^    cv 

Da  A'  gleich  Null  ist,  so  sehen  wir  sofort,  dass  auf  dem  ersten 
(und  ebenso  auch  auf  dem  zweiten)  Mantel  der  Evolutenfläche 
diejenigen  Curven  u,  v,  welche  den  Krümmungslinien  der 
Evolventenfläche  entsprechen,  ein  conjugiertes  System  bilden. 

Dieses  folgt  auch  unmittelbar  daraus,  dass  auf  S^  die  Tangenten 
der  Curven  n  längs  einer  Curve  r  eine  abwickelbare  Fläche  erzeugen, 
deren  Rückkehrcurve  die  entsprechende  Curve  v  auf  dem  zweiten  Mantel 
S^  ist  (S.  107). 

Merken  wir  uns  noch,  dass  sich  für  das  Krümmungsmass  K^  von  >Sj 


(12)  K, 


C)\ 

DiD^"—Di^_  1  Yv 


dv 
ergiebt. 

Entsprechend  erhalten  wir  für  das  Krümmungsmass  K^  des  zweiten 


Mantels  S^  den  Wert: 
(12*) 

K,= 

an 

1         du 

(r,  —  r.)*  cr^ 
cu 

§  125.     Beltramis  Constniction   des  Radius  der  geodätischen 

Krümmung. 

In  diesem  Paragi-aphen  geben  wir  eine  von  Beltrami  herrührende 
Constniction  für  den  Radius  der  geodätischen  Krümmung  einer  belie- 
bigen auf  einer  Fläche  gelegenen  Curve,  die  für  die  Theorie  der  Evo- 
lutenflächen unmittelbar  ein  wichtiges  Ergebnis  liefert. 


238  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten'scher  Satz. 

Auf  einer  Fläche  S  betrachten  wir  eine  Schar  von  oo^  geodäti- 
schen Linien  g^  und  es  sei  L  eine  Curve,  deren  Tangenten  denjenigen 
der  geodätischen  Linien  g  conjugiert  sind.  Die  Tangenten  der  Curven 
g  längs  L  erzeugen  eine  abwickelbare  Fläche^  deren  Rückkehrcurve  wir 
mit  r  bezeichnen  wollen.  Es  sei  t  irgend  eine  dieser  Tangenten^  M 
ihr  Berührungspunkt  mit  S  und  m  derjenige  mit  der  Rückkehrcurve  F. 
Wir  wollen  beweisen,  dass  der  Punkt  m  der  Mittelpunkt  der 
geodätischen  Krümmung  in  M  füv  diejenige  orthogonale  Tra- 
jectorie  der  geodätischen  Linien  g  ist,  welche  durch  M  geht. 

Wir  wählen  zu  diesem  Zwecke  auf  S  als  Parameterlinien  v  die 
geodätischen  Linien  g  und  als  Curven  u  ihre  orthogonalen  Trajectorien. 
Bei  passender  Wahl  des  Parameters  u  erhalten  wir  für  das  Quadrat 
des  Linienelements  von  S  nach  S.  158  den  Ausdruck: 

ds^  =  diC^  -\-  Gdv^, 

und  der  Radius  Qu  der  geodätischen  Krümmung  der  Curven  u  ist 
nach  Grösse  und  Vorzeichen   durch   die  Gleichung  (§  75,  S.  148): 

1  _  _   1    dG 
Q^~        2G  du 

bestimmt.  Nun  seien  x,  y,  z  die  Coordinaten  von  Jf  und  ^,  t],  t, 
diejenigen  von  m.  Setzen  wir  ferner  den  algebraischen  Wert  der 
Strecke  Mtn  gleich  r,  so  erhalten  wir: 

5-  ,       dx  I       ^2/       t.  ,        dz 

*  '       ou'      '       ^    '       du'     ®  '       du 

Verschieben  wir  M  längs  der  Curve  L  und  bezeichnen  wir  mit  d 

die  entsprechenden  Zunahmen,  so  ergiebt  sich: 

At  ^  A,/  _4_  ^  A^,  _J_  Ar  ^■^-  4-  r  i^-  <^M  -I-  -^—~  fiv\ 

^        du         *    8v  '  du    '       \du^  '    dudv       n 

^  ^  =  1-^  d  w  +  1^  ^  ^  +  ^  ^  1^  +  ^  (1^  <^  ^  +  #?-  ^  ^) , 

'        du         '    8v  '         du    '       \du^  '    ducv     7' 

Öt  =^  y^  8u-\-  J'-  dv  +  ör  i^  4-  r  (2— «  ^^  +  0 — --  ^^)  • 
'         cu  '    cv  '  cu    '        \cu^  '     cucv      I 

Nun  sind  d|,  8r\^  Öt,  den  Richtungscosinus  der  Tangente  t  der  Rück- 
kehrcurve   T  proportional;    wenn    wir    daher    die    vorstehenden    Glei- 

chunffen    der    Reihe    nach    mit    7.— ,  7^ ,   ;,      multipliciereu ,    sie    dann 

°  cv  '   cv  '   dv  ^  ' 

addieren  und  dabei  die  Gleichungen: 

^düdv~'      ^  \dv)   "~      '      jiLJ  dv  dudv  ~  2   du  ' 

"S^dx  d^x ^ 

.^mJ  'dv  8u^ 


§  126.    ETolventen-  und  ETolutertmittelfläche  nach  Ribaucour.  239 

berücksichtigen,  so  erhalten  wir: 

'     2    cti  ' 

d.  h.: 

l_ 1   dG 

T~        IG  du' 

Es  stimmt  also  r  der  Grösse  und  dem  Vorzeichen  nach  mit  Qu 
nberein,  was  zu  beweisen  war. 

Nachdem  so  der  Satz  von  Beltrami  bewiesen  worden  ist,  be- 
trachten wir  wieder  den  ersten  Mantel  S^  der  Evolutenfläehe  einer 
Fläche  S.  Auf  S^  sind  die  orthogonalen  Trajectorien  der  geodätischen 
Linien  h  =  Const.  die  Curven  r^  =  Const.,  während  die  Ciirven,  deren 
Tangenten  den  Tangenten  der  Curven  u  conjugiert  sind,  die  Curven  v 
sind.  Also:  Der  Mittelpunkt  der  geodätischen  Krümmung 
einer  auf  S^  gelegenen  Curve  r^  =  Const.  in  einem  Punkte  il/j 
ist    der  entsprechende  Punkt  3f^  auf  dem  zweiten  Mantel  S^. 

Daraus  folgt,  dass  der  Radius  der  geodätischen  Krümmung 
der  Curven  )\  =  Const.  auf  Si  oder  der  Curven  n  =  Const.  auf 
S^  (bis  auf  das  Yorzeichen")  durch  die  Differenz  r^  —  r^  der 
Hauptkrümmungsradien  der  Evolventenfläche  gegeben  ist. 

§  126.     Evolventen-  und  Evolutenmittelfläche  nach  Eibaucour. 

Im  Znsammenhange  mit  der  aus  den  beiden  Mänteln  iSj,  S^  be- 
stehenden Evolutenfläche  einer  Fläche  *S  wollen  wir  nun  kurz  noch 
eine  zu  5  in  enger  Beziehung  stehende  Fläche  betrachten,  deren  Unter- 
suchung von  Ribaucour  herrührt  und  die  wir  mit  diesem  Mathe- 
matiker als  Evolutenmittelfläche  von  S  bezeichnen  wollen.  Wir 
betrachten  den  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Krümmungsmittel- 
punkten J/^,  J/^  von  S  gelegenen  Punkt  31^:  die  Ebene,  welche  in  Mq 
auf  der  Linie  M^M^  senkrecht  errichtet,  d.  h.  durch  Mq  parallel  der 
in  M  an  die  Evolventenfläche  S  gelegten  Tangentialebene  gelegt  wird, 
heisse  Mittelebene.  Als  Evolutenmittelfläche  von  S  werde  nun 
die  Enveloppe  21  der  Mittelebene  bezeichnet.  L'mgekehrt  nennen  wir 
S  die  Evolventenmittelfläche  von  E. 

Die  Coordinaten  des  Mittelpunktes  Mq  von  M^M^   sind  offenbar: 

Wird   mit  a   der   (algebraische)  Abstand    der  Mittelebene    vom  Coor- 
dinatenanfangspunkt  bezeichnet,  so  ist  daher: 


240  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten' scher  Satz. 

Die  Sumnie  UXx  stellt  nun  den  Abstand  des  Coordinatenanfangs- 
punktes  von  der  Tangentialebene  der  Evolventenfläche  S  dar.  Bezeich- 
nen wir  diesen  Abstand  mit   W,  so  haben  wir  demnach: 


Nun  ist  nach  den  Weingarten'schen  Gleichungen  in  Ebenencoordinaten 

(§  72,  (36),  S.  141): 

wo  der  zweite  Diiferentialparameter  A^'  W  bezüglich  des  Linienelements 
der  Bildkugel  von  S  berechnet  ist*).     Daraus  aber  folgt: 

(13)  cD^-iA/TT. 

Durch  diese  Gleichung,  die  für  jedes  beliebige  System  von  Para- 
meterlinien gilt,  wird  offenbar  die  Aufgabe  gelöst:  Zu  einer  gegebenen 
Evolventenfläche  die  Evolutenmittelfläche  zu  finden.  Da 
nämlich  W  bekannt  ist,  so  lässt  sich  aus  (13)  cj  berechnen  und  dann 
durch  die  Gleichungen  (34),  §  72,  S.  140  (wo  ra  für  W  zu  setzen  ist), 
die  Evolutenmittelfläche  U  bestimmen. 

Die  umgekehrte  Aufgabe:  Für  eine  gegebene  Fläche  U  die- 
jenigen Flächen  zu  finden,  deren  Evolutenmittelfläche  2J  ist, 
lässt  sich  mit  Hilfe  der  Gleichung  (13)  auf  eine  bekannte  Aufgabe  der 
Analysis  zurückführen.  Wird  nämlich  auf  U  ein  beliebiges  Coordina- 
tensystem  (u,  v)  gewählt,  so  kennen  wir  a  als  Function  von  u  und 
V  und  müssen   W  aus  der  partiellen  Differentialgleichung: 

(14)  A,'W=^  —  2co 

bestimmen.  Jede  Lösung  derselben  giebt  offenbar  eine  Lösung  der  ge- 
stellten Aufgabe.  Ist  insbesondere  eine  der  Evolventenmittelflächen 
bekannt,  z.  B.  diejenige,  welche  der  Lösung  W^  von  (14)  entspricht, 
und  wird 

gesetzt,  so  ist  die  Bestimmung  der  anderen  Evolventenmittelflächen 
auf  die  Integration  der  Gleichung: 

(14*)  A/ß  =  0 

zurückgeführt. 


*)  Man  beachte,  dass  sich  S  und  2  Punkt  für  Punkt  infolge  der  Parallelität 
der  Tangentialebenen  entsprechen  und  dass  daher  das  Linienelement  der  Bildkugel 
für  S  und  Z  das  iJ^leiche  ist. 


§  127.    Flächen,  deren  Hauptkrmnmimgsr.  durch  eine  Gl.  verbunden  sind.     241 

Man  braucht  nur  als  Coordinatensystem  (u,  v)  ein  solches  zu 
wählen,  dem  auf  der  Kugel  ein  isothermes  System  entspricht,  um  die 
Gleichungen  (14),  (14*)  in  die  aus  der  Analysis  wohlbekannten  Ge- 
stalten : 

WO  /"  eine  bekannte  Function  von  m,  v  ist,  bezw. 

u^  )  g„i  -1-  ^p*  —  ^ 

zu  bringen,  nach  S.  72  u.  67. 

Wenn  sich  die  ETolutenmittelfläche  auf  einen  Punkt  reduciert,  so 
sind  die  Evolventenflächen  die  von  Appell*)  untersuchten  Flächen,  bei 
denen  die  Mittelebenen  durch  einen  Punkt  gehen.  Sie  entsprechen  den 
Lösungen  der  Gleichung  (15*). 

§  127.     T^"- Flächen,   deren  Hauptkrümmungsradien   durch   eine 
Gleichung  verbunden  sind. 

Wir  wollen  nun  die  allgemeinen  Sätze  über  Evolutenflächen  auf 
eine  wichtige  Klasse  von  Flächen  anwenden,  auf  diejenigen  nämlich, 
deren  Hauptkrümmungsradien  r^,  r^  durch  eine  Gleichung: 

mit  einander  verbunden   sind.     Der  Kürze   wegen  bezeichnen  wir 
jede  Fläche  dieser  Art  als  eine   TF-F lache. 

Auf  die  TF- Flächen  werden  wir  sofort  bei  der  Untersuchung  der 
folgenden  Frage  geführt:  Wir  ordnen  zunächst  die  Punkte  der  beiden 
Mäntel  5^,  S^  der  Evolutenfläche  einander  so  zu,  wie  es  sich  aus 
ihrer  geometrischen  Construction  von  selbst  ergiebt,  d.  h.  wir  ordnen 


*)  American  Journal  of  Mathematics ,  10.  Bd.  In  demselben  Bande  hat 
Goursat  die  allgemeinen  Flächen  untersucht,  die  in  imseren  Bezeichnungen  die 
durch  die  Gleichung: 

fj  4-  r,  =  n  W    (n  =  Const.) 

ausgedrückte  Eigenschaft  besitzen.     Ihre  Bestimmung  hängt  von  der  Gleichung: 

A,'  W  =(n  —  2)W 
ab.    Die  Gleichung  (13)  wird  für  diese  Flächen: 

ü)  = ^—  ^ 

und  beweist,    dass    die  Evolutenmittelfläche  einer  Goursat'schen   Fläche   wieder 
eine  der  ursprünglichen  ähnliche  und  zu  ihr  ähnlich  gelegene  Goursat'sche  Fläche  ist. 
Es  ist  dieses  offenbar  eine  charakteristische  Eigenschaft  der  Goursat'schen 
Flächen. 

Bianchi,  DifTerentialgeometrie.  16 


242  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten'scher  Satz. 

jedem  ersten  Hauptkrümmungsmittelpunkt  M^  der  Evolventenfläche  den 
zweiten  Hauptkrümmungsmittelpunkt  iltfg  zu.  Dann  fragen  wir:  Wann 
tritt  der  Fall  ein,  dass  sich  auf  den  beiden  Mänteln  der  Evo^ 
lutenfläche  die  Haupttangentencurven  entsprechen?  Dazu  ist 
notwendig  und  hinreichend,  dass  die  Coefficienten  der  zweiten  Grund)- 
form  von  S^^  denjenigen  der  zweiten  Grundform  von  S.^  proportional  sind. 
Nun  ergiebt  sich  aus  den  Gleichungen  (11)  für  S^:  ' 


A  :  A':  A"=  Er^'i^^O:-  Gr, 


ov 


^      dv 


C1\ 

du 

cv 

du 

und  daher  für  S^  entsprechend: 

7)   •  D'-  D  "=  Fr  ^  ^^  ■  0  '  —  Gr  ^  ^'^^ 

Die  gestellte  Bedingung  hat  also  die  Beziehung: 


=  0 


zur  Folge,  die  besagt,  dass  r^  und  r^  durch  eine  Gleichung  verknüpft 
sind.  Wir  haben  also  den  Satz  von  Ribaucour:  Die  notwendige 
und  hinreichende  Bedingung  dafür,  dass  sich  auf  den  beiden 
Mänteln  der  Evolutenfläche  die  Haupttangentencurven  ent- 
sprechen, ist,  dass  die  Evolventenfläche  eine   TF-Fläche  ist. 

Es  leuchtet  ein,  dass  man,  anstatt  vom  Entsprechen  der  Haupt- 
tangentencurven auf  >S^^,  Sc^  zu  reden,  auch  sagen  kann,  jedem  con- 
jugierten  System  auf  S^  entspricht  ein  ebensolches  auf  S^.  Auf  diese 
Weise  wird  dem  Begriff  des  Entsprechens  auch  dann  eine  reelle  Fas- 
sung gegeben,  wenn  die  Haupttangentencurven  auf  S^,  S^  imaginär  sind. 
Auch  mag  noch  bemerkt  werden,  dass,  da  auf  den  beiden  Mänteln 
S^,  S.2  den  Krümmungslinien  der  Evolventenfläche,  wie  beschaffen  sie 
auch  sein  mag,  zwei  conjugierte  Systeme  entsprechen,  nur  die  Bedin- 
gung gestellt  zu  werden  braucht,  dass  noch  einem  anderen  conjugierten 
System  auf  S^  Avieder  ein  conjugiei-tes  System  auf  S2  entsprechen  soll, 
damit  der  soeben  betrachtete  Fall  des  Entsprechens  vorliege*). 

Tritt  nun  noch  die  weitere  Bedingung  hinzu,  dass  den  Haupt- 
tangentencurven der  beiden  Mäntel  einer  Evolutenfläche  die  Haupt- 
tangentencurven der  Evolventenfläche  entsprechen  sollen,  deren  Diffe- 
rentialgleichung  nach  S.  102  u.  109 


*)  Es  braucht  nämlich  nur  auf  die  beiden  zweiten  Grundformen  von  S^ , .  S^ 
das  Ergebnis  in  §  31,  S.  58,  angewandt  zu  werden.  (Vgl.  auch  S.  119,  zweite 
Anmerkung.) 


§  128.    Satz  von  Ribaucour  über  Krüimnungslinien  der  Evolutenfläche.     243 

ist,  so  ergeben  sich  sofort  die  beiden  Bedingungen: 

du  '         cv  ' 

woraus  der  Satz  folgt:  Bei  den  Evolutenflächen  der  Flächen 
von  constantem  Krümmungsmass,  und  nur  bei  diesen,  ent- 
sprechen den  Haupttangentencurven  der  Evolventenfläche 
die  Haupttangentencurven  auf  den  beiden  Mänteln  der  Evo- 
lutenfläche. 

Wir  bemerken  endlich,  dass  die  Gleichungen  (12),  (12*),  auf  die 
Krümmungsmasse  der  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  einer  TF- Fläche 
angewandt,  geben: 

(  j^ 1         dr^ 

(r,  -  r,)*  dr,  ' 

1  dr^ 


(16)  { 


K^  =  — 


(»•i  —  r^Y  dr^ 


Hieraus  folgt  somit  der  bemerkenswerte   Satz  von  Halphen,    der  in 
der  Gleichung: 

(17)  ^.^-(rr^.7' 

zum  Ausdruck  kommt. 


§  128.     Satz  von  Ribaucour  über  das  Entsprechen  der  Krüimnungs- 
linien auf  den  beiden  Mänteln  der  Evolutenfläche. 

Ein  anderer  Satz  von  Ribaucour  lässt  sich  auf  einfache  Weise 
aus  unseren  allgemeinen  Gleichungen  ableiten.  Dieser  Satz  bezieht 
sich  auf  den  Fall,  dass  sich  die  Krümmuugslinien  auf  den  beiden 
Mänteln  der  Evolutenfläche  einer  Fläche  entsprechen.  Die  Differential- 
gleichung der  Krmnmungslinien  auf  dem  ersten  Mantel,  nämlich: 

1  Ej^dii  +  F^dv        F^du  +  G^dv 
i  D,du  +  D.'dv      D.'du  +  I),"dv 

lautet,  mit  Benutzung  der  Gleichungen  (9)  und  (11)  entwickelt: 


=  0, 


(18)    Er^^^di^-^    EG(r,-r,f-{-Gr,'{^)'  +  Er,''''^''-^ 


dv    cv 


diidv  -\- 


-{-Gr.^-Ai'''  dv'  =  0. 
'  ^    cu   cv 

Als  Differentialgleichung  der  Krümmungslinien  auf  dem  zweiten  Mantel 

S.y  ergiebt  sich  ebenso: 

16* 


244  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Wein»aj-ten'scher  Satz. 

(18*)  -Er/|5  '^-  du'-  +  [EG{r,-  ..)^  +  £.,»(»^f  +  G./  ^  §>;; 


(ludv  -f- 


'  ^    du  cv 

Sollen  sich  die  Krümmungslinien  auf  beiden  Mänteln  entsprechen,  so 
müssen  die  beiden  Gleichungen  (18),  (18*)  übereinstimmen,  was  sofort 
die  Bedingungen: 

dr^ dij.        dr^  dr^ 

du         du         cv         dv 

oder:  r^  —  rg  =  Const.  liefert.  Also:  Nur  für  die  beiden  Mäntel 
der  Evolutenflächen  derjenigen  TF-Flächen,  deren  Hauptkrüm- 
mungsradien durch   die  Bedingung: 

r,  —  r.,  =  R     (R=  Const.) 

verknüpft  sind,  trifft  es  zu,  dass  sich  die  Krümmungslinien 
entsprechen.  Die  Gleichungen  (16)  lassen  ausserdem  erkennen,  dass 
in  diesem  Falle  die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  Flächen 
von  demselben  negativen  constanten  Krümmungsmass,  nämlich 

=  —  ^  sind*). 

Wir  folgern  hieraus,  dass  sich  im  vorliegenden  Falle  auch  die 
H  aupttangentencurven  auf  den  beiden  Mänteln  entsprechen,  und  ferner 
dass  die  entsprechenden  Bogen  solcher  Haupttangentencurven 
einander  gleich  sind.     In  der  That  haben  wir  nach  Gleichung  (9*): 


ds,'  =  dr,'  +  ^,  (r. 

—  r^)'^  du^, 

ds^^  =  dr^^  +  — ,  (^2 

-  r,f  dv^- 

und    da    dr^^  =  dr,/  und    ausserdem    längs    der  Haupttangentencurven 
(§  127,  S.  242) 

Er.^du'  =  Gr^^dv' 


ist,  so  folgt  wirklich: 


ds^^  =  ds^^. 


Diese  letzte  Bemerkung  rührt  von  Lie  her.  Die  soeben  abgelei- 
teten eleganten  Eigenschaften  sind  einer  wichtigen  Verallgemeinerung 
fähig,  die  wir  in  der  Folge  zur  Kenntnis  bringen  werden. 


*)  Die  Gleichungen  (16)  zeigen  auch,  dass  nur  bei  den  Evolutenflächen  der 
Flächen:  rj  — r^  =  Const.  und  der  Minimalflächen  die  Krümmungsmasse  der  Leiden 
Mäntel  in  entsprechenden  Punkten  gleich  sind. 


§  129.    Lies  Satz  über  die  Krümmungslinien  der  TT'- Flächen.  245 

§  129.     Lies  Satz   über   die  Bestimmung   der   Krümmungslinien 
der    TF- Flächen  mittels  Quadraturen. 

Lie  hat  bemerkt,  dass  auf  jeder  ir-Fläche  die  Krümmungs- 
linien mittels  Quadraturen  bestimmt  werden  können.  Den 
Lie'sehen  Beweis  werden  wir  später  geben;  hier  wenden  wir  uns  zum 
analytischen  Beweise  von  Weingarten.  Wir  erinnern  zu  diesem 
Zwecke  daran,  dass  sich  die  Differentialgleichung  der  Krümmungslinien 
einer  Fläche  S  ergiebt,  wenn  die  quadratische  Covariante  der  beiden 
Grundformen,  nämKch: 

_  1  Edu  +  Fdc        Fdu  +  Gdv    \ 

^  ~  yEG-TF'     Bdu  -f  D'dv    D'du  +  D"dv  f 

gleich  Null  gesetzt  wird  (S.  99).  Bezeichnen  wir  mit  K^  die  Krümmung 
dieser  Difierentialform  und  wählen  wir  zu  ihrer  Berechnimg  die  Krüm- 
mungsliuien  als  Parameterlinien,  indem  wir    nach  (23)  u.  (24),  S.  134, 

E^er,'     ,     F  =  (),     G  =  gr,'    , 
I)  =  —  er„     D'=0,     D"=-gr, 

setzen,  so  erhalten  wir: 

tl.'  =  Ve(/{rj^  —  r^)dudü, 

demnach  (§  29,  S.  53,  Gleichung  (IV)): 

^    ^ 1 rrMogVe     ,    cnogYg    ,    c'log(r,  —  r^)l 

'^  (fj — r,)yegL  dudv  cucv  cucv         J 

Nun  ist  aber  infolge  der  Gleichungen  (4),  §  123,  S.  235: 

g^logVe 

dudv 

g'logVg  ^ 
cucv 

und  daher: 


er. 

c 

cv 

du 

»■l 

or, 

c 

cu 

cv 

r. 

—  n 

K,  = 


dr^     di\ 
du     dv 

i   du     dv 


Also  Dach  S.  242:  Für  die  TT-Flächen,  und  nur  für  diese,  hat  die 
Form  il?  die  Krümmung  Null.  Der  obige  Satz  von  Lie  folgt  nun- 
mehr aus  §  29,  S.  54,  sofort,  da  die  Form  tl'   offenbar  indefinit  ist. 

Bezüglich  der  Haupttangentencurven  einer   TT- Fläche  ist   ein  ent- 
sprechender Satz  nicht  bekannt,  ausser  in  den  beiden  besonders  inter- 


246  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten'scher  Satz. 

essanten  Fällen  der  Minimalfläehen  und  der  pseudosphärischen  Flächen. 
Für  die  ersteren  besitzt  die  zweite  (indefinite)  Grundform: 

Bdu^  +  2D'dudv  +  D"dv^ 
die  Krümmung  Null,  und  für  die  letzteren  wird  diese  Grundform,  mit 
(/•j  —  r^)  multipliciert,   ebenfalls   eine  Form   von   der  Krümmung  Null 
(vgl.  §  66,  67).      Daraus  folgt   dann,    dass    sich   ihre    Haupttangenten- 
curven  mittels  Quadraturen  ergeben. 

§  130.     Weingartens   Satz   über  die  Abwickelbarkeit   der  beiden 
Mäntel  der  Evolutenfläelie  auf  Rotationsflächen. 

Die  wichtigste  und  fruchtbarste  Eigenschaft  der  TT-Flächen  ist 
diejenige,  welche  sich  in  dem  schönen  Satze  von  Weingarten  ausspricht: 

A)  Jeder  Mantel  der  Evolutenfläche  einer  Tl^-Fläche  ist 
auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbar,  deren  Bestimmung 
lediglich  von  der  Gleichung  abhängt,  welche  die  Haupt- 
krümmungsradien r^,  ^2  ^^^  Evolventenfläche  W  mit  ein- 
ander verbindet. 

Der  Beweis  ergiebt  sich  unmittelbar  aus  den  grundlegenden  Ent- 
wickelungen  der  Paragraphen  124  und  125.  Es  sind  nämlich  auf  dem 
ersten  Mantel  S^  die  Gurven  r^  =  Const.  geodätisch  parallel  (S.  239), 
und  da  der  Radius  ihrer  geodätischen  Krümmung, 

eine  Function  von  r^  allein  ist,  so  besitzen  sie  auch  constante  geodä- 
tische Krümmung.  Also  ist  S^  auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbar 
(§  101,  S.  195). 

Da  ferner  die  Function 

lediglich  von  der  Gleichung  abhängt,  die  r^  und  r^  mit  einander  ver- 
bindet, so  ist  auch  der  zweite  Teil  des  Satzes  einleuchtend. 

Direct  ergiebt  sich  der  Satz  aus  der  Gleichung  (9*),  §  124,  S.  236: 

ds,^  =  dr^'  +  J5  (l  -  -*;^y  dii'. 
Berechnen  wir  nämlich 

dr^  ,    dv  dr^    '        i\  —  r^ 

~dv 

mit  Berücksichtigung  der  ersten  der  Gleichungen  (1),  S.  234,  so  er- 
halten wir: 


§  130.  Weingartens  Satz.     §  131.  Beltnuuis  Satz  über  Normalensysteme.    24:7 

nog[yw(i_J)]  ^ ^^ 

er,  n—r/ 

Also  ist: 

— - — \-<p(") 

/<p{u) 
e      du  ersetzen,  so    ergiebt  sich  demnach 

der  Satz: 

Das  Quadrat  des  Linienelements  auf  dem  ersten  Mantel  S^ 

der  Evolutenfläche  einer  TF-Fläche   ist  durch  den  Ausdruck: 

(19)  ds,^  =  di\^  +  e  -^  "'  -  ''  rf«= 

gegeben.  Es  ist  klar,  dass  der  zweite  Mantel  S^  der  EvolutenÜäche 
auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbar  ist,  deren  Linienelement-Quadrat 
durch 

(19*)  ds^^  =  dr^^  +  c  ^  '*  - "^  dv^- 

gegeben  ist. 

Aus  dem  eben  bewiesenen  Satze  von  Weingarten  können  wir  in 
der  Weise,  wie  es  Lie  gethan  hat,  wieder  den  Satz  in  §  129  ableiten. 
Wir  kennen  nämlich  auf  S^  unmittelbar  die  Curven  r^  =  Const.; 
mittels  einer  Quadratur  (%  39,  S.  74")  ergeben  sich  die  orthogonalen 
Trajectorien,  denen  auf  der  Evolventen- TF- Fläche  die  Krümmungslinien 
des  ersten  Systems  entsprechen.  Ahnliches  gilt  für  diejenigen  des  zweiten 
Systems. 

§  131.     Beltramis  Satz  über  die  Normalensysteme   von  Flächen, 
die  zugleich  Flächen  berühren. 

Wie  Weingarten  selbst  gezeigt  hat,  ist  neben  Satz  A)  auch  die 
Ümkehrung  desselben  richtig,  bis  auf  einen  Ausnahmefall,  auf  den  wir 
später  zurückkommen  werden.  Zum  Beweise  stellen  wir  die  folgenden 
von  Beltrami  herrührenden  geometrischen  Ueberlegungen  an*): 

Auf  einer  beliebigen  Fläche  »S*  nehmen  wir  eine  Schar  von  oc} 
Gurven  y  an  und  betrachten  das  von  den  Tangenten  der  Curven  ge- 
bildet« Strahlensystem.  Damit  diese  Strahlen  die  Normalen  einer 
Fläche  27  seien,  ist  notwendig,  dass  die  Curven  g  geodätische  Linien 
sind,  da  einer  der  Mäntel   der  Evolutenfläche  von   E   dann   eben  die 


*)  Ricerche  di  analisi  appheata  alla  geometria.     (Giomale  di  Matematiche, 
2.  u.  3.  Bd.) 


248  Kap.  9.    Evolutenfiäche  und  Weingarten'scher  Satz. 

Fläche  S  ist  (S.  233).  Wir  wollen  nun  beweisen,  dass  diese  Bedingung 
auch  hinreichend  ist.  Es  seien  die  Curven  g  geodätische  Linien  und 
t  eine  ihrer  orthogonalen  Trajectorien.  Wir  betrachten  die  oo^  Evol- 
venten C  der  Curven  g,  die  von  t  ausgehen.  Der  Ort  dieser  Evolventen 
C  ist  nun  eine  Fläche  U,  welche  die  Tangenten  der  Curve  g  zu  Nor- 
malen hat.  In  der  That,  ist  31 P  ein  Stück  einer  der  Tangenten,  das 
zwischen  dem  Berührungpunkt  M  mit  einer  geodätischen  Linie  g  und  dem 
Schnittpunkt  P  mit  2J  liegt,  so  ist  es  auch  in  P  normal  zur  Evolvente  C. 
Lassen  wir  M  längs  einer  Orthogonaltrajectorie  t'  der  Curven  g  wan- 
dern, so  bleibt  MP  beständig  gleich  dem  zwischen  t  und  t'  liegen- 
den Bogen  der  Curven  g,  und  daher  ist  auch  der  Ort  der  Endpunkte 
P  auf  27  in  P  normal  zu  MP.  Da  also  die  Tangente  MP  in  P 
Normale  zweier  verschiedener  von  P  ausgehender  Curven  auf  2  ist,  so 
ist  sie  auch  Normale  von  27,  was  zu  beweisen  war. 

Wir  haben  also  das  Ergebnis:  Die  notwendige  und  hinrei- 
chende Bedingung  dafür,  dass  eine  Schar  von  oo^  Tangenten 
einer  Fläche  S  das  Normalensystem  einer  und  daher  unend- 
lich vieler  (paralleler)  Flächen  2J  bildet,  ist,  dass  die  auf  S 
von  diesen  Geraden  umhüllten  Curven  geodätische  Linien  sind. 

Ofienbar  ist  S  ein  Mantel  der  Evolutenfläche  einer  Fläche  2J,  und 
einer  der  Hauptkrümmungsradien  von  U  ist  gleich  dem  Bogen  der  geodäti- 
schen Linien  g,  gerechnet  von  einer  festen  orthogonalen  Trajectorie  t- 
Der  zweite  Mantel  S'  der  Evolutenfläche  von  U  heisse  die  Ergän- 
zungsfläche zu  ;S^  bezüglich  der  geodätischen  Linien  g.  Dieselbe 
kann  auch  als  der  Ort  der  Mittelpunkte  der  geodätischen  Krümmung 
der  zu  den  Curven  g  orthogonalen  Trajectorien  f  definiert  werden  (S.  238). 

§  182.     Beweis  der  Umkehrung  des  Weingarten'sehen  Satzes. 

Wir  können  nun  die  Umkehrung  des  Weingarten'sehen  Satzes 
leicht  beweisen.  Es  sei  nämlich  S  eine  auf  eine  Rotationsfläche  ab- 
wickelbare Fläche,  und  wir  nehmen  an,  die  geodätischen  Linien  g, 
die  bei  der  Abwickelung  in  die  Meridiane  übergehen,  seien 
keine  geraden  Linien.  Die  oo^  Tangenten  der  Curven  g  sind  dann 
nach  dem  Vorstehenden  die  Normalen  einer  Fläche  2J.     Wenn  wir  mit 

ds^  ==  du^  -\-  (p^(u)dv^ 

das  Quadrat  des  Linienelements  von  S,  bezogen  auf  die  geodätischen 
Linien  g  oder  v  =  Const.  und  auf  ihre  orthogonalen  Trajectorien,  und 
mit  r^,  ^2  die  Hauptkrümmungsradien  der  Evolventenfläche  bezeichnen, 
so  haben  wir  nun: 


§  132.  Umkehrg.  d.  Satzes  v.  Weingarten.  §133.  Sphär.  Linienel.  zu  TT- Flächen.    249 

Tj  =  u  -\-  Const., 
.also  nach  (19),  S.  247: 

n  — »"s  9'(«) 

Es  sind  daher  )\  und  ;%  dnrch  eine  Gleichung  verbunden,  deren  Natur 
lediglich  von  der  Beschaffenheit  der  Function  cp,  d.  h.  von  der  Rota- 
tionsfläche abhängig  ist,  auf  welche  die  Fläche  S  abwickelbar  ist.  S  ist 
also  Evolutenfläche  einer   TF- Fläche. 

Der  ausgeschlossene  Fall  kann  in  der  That  eintreten,  und  die  Unter- 
suchungen des  Kapitels  "STII  (§  119  — 121)  über  die  Linienflächen  er- 
ledigen ihn  vollständig.  Wenn  nämlich  die  geodätischen  Linien  g,  die 
Biegungscurven  der  Meridane,  Gerade  sind,  so  ist  die  Fläche  der  Ort  der 
Binormalen  einer  Curve  constanter  Torsion,  und  die  Rotationsfläche, 
auf  die  sie  abwickelbar  ist,  das  Catenoid  (§  105,  S.  202).  Wir 
können  also  die  Umkehrang  des  Weingarten'schen  Satzes  folgender- 
massen  aussprechen: 

B^  Mit  Ausnahme  der  Linienflächen,  welche  die  Orter 
der  Binormalen  der  Curven  mit  constanter  Torsion  (und  also 
auf  das  Catenoid  abwickelbar  sind),  kann  jede  andere  auf 
eine  Rotationsfläche  abwickelbare  Fläche  als  der  eine  Mantel 
der  Evolutenfläche  einer   TF-Fläche  aufgefasst  werden. 

§  133.    Besondere   Formen  des  Linienelements  auf  der  Kugel,  die 
den   TF- Flächen  entsprechen. 

Die  in  den  vorstehenden  Paragi-aphen  abgeleiteten  Sätze  lassen 
erkennen,  dass  die  beiden  Aufgaben,  aUe  Biegungsflächen  der  Rotations- 
flächen zu  finden  bezw.  die  TT- Flächen  zu  bestimmen,  vollkommen 
gleichbedeutend  sind.  Letztere  Aufgabe  kann  nun  wieder,  wie  Wein- 
garten gezeigt  hat,  auf  die  Bestimmung  deijenigen  besonderen  Systeme 
von  orthogonalen  Curven  auf  der  Kugel  zurückgefühi-t  werden,  für 
die  das  Quadrat  des  Linienelements  die  Form: 

ds'^  =  edu^  +  ydv^f 
wo  g  eine  Function  von  e  allein  ist,  annimmt. 

Zum  Beweise  berücksichtigen  wir,  dass  sich  die  Gleichungen  (4) 
in  §  123  für  den  FaU,  dass  die  Fläche  zur  Gattung  der  IF-Flächen 
gehört,  folgendermassen  schreiben  lassen: 


c  log  Ve  ^^    c_   r    dr^ 
cv  cvj   Ti  —  r, 

c  log  Vg  ^^   i_  r    dr^ 
cu  chJ   r,  —  )\ 


250     '     '  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten'schcr  Satz. 

Wenn  wir    nun   integrieren    und    die  Parameter   u,  v   durch    passende 
andere  ersetzen,  können  wir 

(20)  y^=e^'-^-'-^,     yg  =  e^'---'^ 

machen.     Es  ergiebt   sich   demnach   eine   der  beiden   Grössen  e,  g   als 
eine  Function  der  anderen. 

Es  ist  zweckmässig,  die  Integralzeichen  aus  diesen  Gleichungen  zu 
eliminieren.  Dazu  setzen  wir,  angenommen,  dass  r^  und  also  auch 
Ye   nicht  constant  ist, 

'  a  ' 

dann  sind  Yg,  r^,   r.^   Functionen   von   a.     Die   erste   der   Gleichungen 
(20)  giebt: 


dr,        ,  dr.  d^u 

a.  j,    1   also :    -,—  =  —  a  -^-^  ; 

da  da  da^ 


und  die  zweite: 

Setzen  wir 

so  folgt  daraus: 


Vg  =4;r- 


dTi 
da 


r,  =  ^(a)-a^'{a),      Yd 


1 


Wir  können  demnach  unser  Ergebnis  so  fassen: 

C)  Wenn  eine  W-Fläche  nach  der  Gaussischen  Methode 
auf  die  Kugel  abgebildet  wird,  so  können  die  Parameter  ii,  v 
ihrer  Krümmungslinien  so  gewählt  werden,  dass  das  Quadrat 
des  Liriienelements  der  Kugel  die  Form: 

(21)  ds'^  =  '^''l -\-    '^''^ 


»'\a) 

annimmt,  wo  a  eine  Function  von  u  und  v  ist  und  die  Haupt- 
krümmungsradien r^,  rg  der  TF-Fläche  durch  die  Gleichungen: 

(22)  ^2  =  ^(«),      r^  =  ^{a)  —  a%' {a) 

gegeben  sind. 

Es  gilt  nun  auch  der  umgekehrte  Satz: 

C*)  Wenn  das  Linienelement-Quadrat  (21)  zur  Kugel  vom 
Radius  Eins  gehört,  so  giebt  es  eine  zugehörige  TF-Fläche, 
die  auf  die  Kugel  abgebildet  das  sphärische  System  (m,  v)  zu 
Bildern  derKrümmungslinien  hat  und  deren  Hauptkrümmungs- 
radien durch  die  Gleichungen  (22)  gegeben  sind. 


I 


§  134.    Anwendung  auf  zwei  Klassen  von  T>'- Flächen.  251 

Dieses  folgt  unmittelbar  daraus,  dass  dann  die  Grundgleichungen 
(4),  S.  235,  erfüllt  sind. 

Wir  fügen  nocli  hinzu,  dass  sich,  wenn  X,  Y,  Z  als  Functionen 
von  u  und  v  bekannt  sind,  die  TF- Fläche  mittels  Quadraturen  durch 
die  Gleichungen  ergiebt  (vgl.  (3),  S.  235): 

-"  =  /  ('•»  If  ^"  +  *■!  ^al^*')'     ^  =  /  (^^  1?^"  +  '■^  l^^*')' 


=/(' 


r/^du  +  rj.^dv) 


Verfahren  wir  mit  den  Gleichungen  (1),  S.  234,  in  derselben  Weise 
wie  soeben  mit  den  Gleichungen  (4),  so  erhalten  wir  die  folgenden 
Sätze,  die  wir  nur  anführen  wollen: 

D)  Das  Quadrat  des  Linienelements  einer  TT-Fläche,  be- 
zogen auf  die  Krümmungslinien  (m,  «),  kann  auf  die  Form: 

(23)  rf^  =  ^,^+    ^'' 


gebracht  werden,  wo  ß  eine  Function  von  u  und  v  ist.  Die 
Hauptkrümmungsradieu  der  TF-Fläche  sind  dann  durch  die 
Gleichungen: 

(24)  l=Hß),      y-»iß)-ß^'(ß) 

gegeben. 

D*)  Wenn  das  Linienelement-Quadrat-(23)  so  beschaffen 
ist,  dass  sich  für  seine  Krümmung  der  Wert: 

K=Hß)[»(ß)-ß»'m 

ergiebt,  so  gehört  es  zu  einer  TT-Fläche,  deren  Hauptkrüm- 
mungsradien durch  die  Gleichungen  (24)  gegeben  siud. 

In  der  That  sind  dann  die  Gaussische  Gleichung  und  die  Codazzi- 
sehen  Gleichungen  erfüllt. 

§  134.     Anwendung  auf  die  Bestimmung  der  Minimalflächen: 
r^  -\-  r^  =  0    und    der    Weingarten'schen    Flächen :     2  (r^  —  r^)  = 

In  der  Anwendung  der  vorstehenden  Ergebnisse,  insbesondere  der 
Sätze  C)  imd  C*),  beschränken  wir  uns  vorläufig  auf  zwei  Fälle,  in 
denen  mittels  Quadraturen  die  vollständige  Klasse  von  TT^- Flächen, 
deren  Hauptkrümmungsradien  durch  eine  gegebene  Gleichung  verbun- 
den sind,  also  auch  nach  dem  Weingartenschen  Satze  die  vollständige 
Klasse  von  Flächen,  die  auf  eine  gegebene  Rotationsfläche  abwickelbar 
sind,  bestimmt  werden  kann. 


252  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten'scher  Satz. 

Der  erste  Fall  ist  derjenige,  in  dem  das  System  {u,  v),  für  welches 
das  Quadrat  des  Linienelements  der  Kugel  die  Form  (21)  annimmt,  ein 
isothermes  ist.     Dann  kann  man  einfach 

setzen,  sodass  man  nach  (22)  erhält : 

Die  entsprechenden  Flächen  sind  ausschliesslich  Minimalflächen  und 
zwar  alle  Minimalflächen  und  ergeben  sich  mittels  Quadraturen.  Da 
das  Catenoid  eine  Rotationsminimalfläche  ist,  so  sind  die  Evolutenflächen 
der  Minimalflächen  auf  die  Evolutenfläche  des  Catenoids,  d.  h.  auf  die- 
jenige Rotationsfläche  abwickelbar,  welche  die  Evolute  der  Kettenlinie 
zur  Meridiancurve  und  die  Leitlinie  zur  Drehaxe  hat*).  Von  diesen 
Rotationsflächen  können  wir  also  mittels  Quadraturen  alle  Biegungs- 
flächen erhalten. 

Ein  zweiter  Fall  ergiebt  sich  aus  den  Sätzen  in  §  83,  S.  164, 
über  die  geodätischen  Ellipsen  und  Hyperbeln. 

Wir  können  nämlich  das"  Quadrat  des  Linienelements  der  Kugel 
in  der  allgemeinsten  Weise  auf  die  Form: 

(25)  ds''  =  -^'--  +  — -- , 

2  2 

die  ja  zum  Typus  (21)  gehört,  bringen,  wenn  wir  in  (21) 

a  ==  sm  -„-  j     %■  {a)  =  cos  -^ 

a.'/    \j  1  +  COS  Ü3    , 

-o"  (a)aa  =  — ~ acj, 

.   s          0)  -f-  sin  CO 
'^(«)  =  4 

folgt.     Die  Gleichungen  (22)  geben  dann: 

/cxr>\  oi  -f-  sin  CO  CO  —  sin  co 

(26)  ^2  =  — ^1 '      ^1  = i — 

und  als  Gleichung,  welche  die  Hauptkrümmungsradien  der  entsprechen- 
den  T^- Fläche  verbindet: 

(27)  2(^2 -r,)  =  sin  2(^2 +  r,). 

Wir  können  demnach  mittels  Quadraturen  auch  die  vollständige  Klasse 


setzen,  woraus 


*)  Für  beide  Mäntel  der  Evolutenfläche  einer  Minimalfläche  ergiebt  sich  aus 
den  Gleichungen  (19)  und  (19*): 

ds^  =  da^  -f  ad^\ 


§  135.    EvolTenten-  und  Ei^nzungsflächen  der  pseudosphärischen  Flächen.     253 

dieser  TF- Flächen  bestimmen,  obgleich  die  Relation,  die  hier  zwischen 
den  Hauptkrümmungsradien  besteht,  ziemlich  verwickelter  Art  ist. 

Die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  dieser  TT"  Fläche  haben 
infolge  der  Gleichungen  (19)  und  (19*),  S.  247,  als  Linienelement- 
Quadrate  : 

dSi^  =  -    (sin*  Y  ^^^  ~^~  ^^^^  Y  ^**  / ' 

ds^-  =  —  (cos*y  da^  -\-  4  sin*  ^  dv^j ; 

sie  sind  also  (da  ds^^  in  ds^  übergeht,  wenn  co  durch  :r  —  «  und  u 
durch  V  ersetzt  wird)  auf  einander  und  auf  ein  und  dieselbe  Rotations- 
fläche abwickelbar.  Auch  von  dieser  speciellen  Rotationsfläche  können 
wir  demnach  alle  Biegungsflächen  durch  Quadratiu'en  bestimmen. 

Wir  werden  auf  diese  Ergebnisse  in  einem  der  nächsten  Kapital 
zurückkommen,  wenn  wir  die  elegante  geometrische  Construction  von 
Darboux  entwickeln,  mittels  deren  man  alle  TF- Flachen  der  Klasse 
(27)  erhält. 

§  135.     Evolventen-   und  Ergänztmgsflächen   der  pseudosphärischen 

Flächen. 

Zum  Schluss  wollen  wir  aus  dem  Weingarten'schen  Satze  einige 
Folgeningen  ziehen,  welche  die  pseudosphärischen  Flächen  betrefien,  die 
ja  zu  den   TF- Flächen  gehören. 

Alle  Evolutenflächen  der  pseudosphärischen  Flächen  sind  auf  ein 
und  dieselbe  Rotationsfläche,  die  Evolutenfläche  der  Pseudosphäre,  d.  h. 
auf  das  Catenoid,  abwickelbar;  also: 

Jeder  Mantel  der  Evolutenfläche  einer  pseudosphärischen 
Fläche  ist  auf  das  Catenoid  abwickelbar. 

Wir  betrachten  nun  auf  einer  pseudosphärischen  Fläche  eins  der 
unendlich  vielen  Systeme  von  geodätischen  Linien  r,  für  welche,  so- 
bald sie  mit  den  orthogonalen  Trajectorien  als  Farameterlinien  gewählt 
werden,  das  Quadrat  des  Linienelements  eine  der  drei  Formen  vom 
parabolischen,  elliptischen  oder  hyperbolischen  Typus  annimmt  (§  98, 
S.  190): 

(I)  ds-  =  du-  -j-  e    dv-, 

(n)  ds'-  =  du'  +  R'  sinh-^  ^  dv% 

(m)  ds'-  =  du-  +  cosh^  ^  dv\ 

Jedesmal  sind  die  Tangenten  der  geodätischen  Linien  v  die  Normalen 
einer  (Evolventen-)  TT^-Fläche,  und  wir  wollen  nun  feststellen,  durch  was 


254  Kap.  9.    Evolutenfläche  und  Weingarten' scher  Satz. 

für  eine  Gleichung  dementsprechend  die  Hauptkrümmungsradien  r^,  r^ 
jeder  solchen  TF- Fläche  verbunden  sind.  Fassen  wir  die  pseudosphä- 
rische Fläche  S  als  den  ersten  Mantel  der  Evolutenfläche  der  TF^ Fläche 
auf  und  vergleichen  wir  die  Ausdrücke  (I),  (II),  (III)  für  das  Quadrat 
des  Linienelements  mit  dem  Ausdruck  (19),  S.  247,  indem  wir  i\  statt 
u  setzen: 

so  müssen  wir   die  beiden  Linienelemente  einander  gleich  setzen,  also 

ti  =  r^  -{-  C,     V  =  kVi     (C,  X  =  Const.) 

annehmen.     Als    Relation    zwischen   r-^   und  r.^   finden    wir    somit    ent- 
sprechend den  drei  Fällen: 
(F)  r,-r,  =  B, 

(ir)  r,  —  r,  =  R  tangh  *"^^, 

(Iir)  r,—r,==R  cotgh  *"^i  -  • 

Der  Wert  von  C  in  den  beiden  letzten  Gleichungen  hängt  von  der 
betrefienden  speciellen  Evolventenfläche  2J  ab.  Wir  fragen  nun:  Auf 
was  für  Rotationsflächen  sind  die  bezüglichen  Ergänzungs- 
flächen von  S  in  den  drei  Fällen  abwickelbar? 

Im  ersten  Falle  ergiebt  sich  die  Antwort  sofort  aus  dem  Batze  auf 
S.  244;  offenbar  ist  die  Ergänzungsfläche  in  diesem  Falle  wieder  eine 
pseudosphärische  Fläche  vom  Radius  B.  Diesen  wichtigen  Satz  (aus 
dem  in  Kapitel  XVII  Folgerungen  werden  gezogen  werden)  können 
wir  nach  §  125  auch  so  aussprechen:  Der  Ort  der  Mittelpunkte 
der  geodätischen  Krümmung  einer  Schar  paralleler  Grenz- 
kreise auf  einer  pseudosphärischen  Fläche  ist  wieder  eine 
pseudosphärische  Fläche. 

Indem  wir  nun  zu  den  beiden  anderen  Fällen  übergehen,  sehen 
wir,  dass  sich  für  das  Quadrat  des  Linienelements  des  zweiten  Mantels 
der  Evolutenfläche  nach  Gleichung  (19*),  §  130,  im  Falle  (II) 


im  Falle  (III) 


ds^^  =  tangh^  ^i-i-  dr,-'  -\ ^STc' 

Jti 


ds^^  =  cotgh*  *^i-i—  dr^^  -\ r  jTt 

ü 


ergiebt.     Die  Meridiancurven  der  zugehörigen  Rotationsflächen  können 
in  den  beiden  Fällen  bezüglich  durch  die  Gleichungen : 


§  136.    Evoluten-  und  Ergänzungsflächen  der  pseudosphärischen  Flächen.     255 
B 


yiEt^k^  +  1 
R 


sm 


tp,      z  =  R  flog  tang  ^  +  cos tp] , 
, qp,       z  =  R\  log  tang  „  +  cos  w 


sin 


definiert  werden,  wo  l'  eine  Constante  ist.     Vergleicht  man  diese  Glei- 
chungen mit  den  früheren  (§  99,  S.  191): 

)•  ^  R  sin  tp,      z  =  -iRl  log  tang  ^  -(-  cos  (p\ , 

so  sieht  man.  dass  die  erste  Curve  die  Projection  der  gewöhnlichen 
Tractrix  auf  eine  durch  die  Asymptote  gelegte  Ebene  ist;  wir  bezeich- 
nen sie  als  verkürzte  Tractrix.  Die  zweite  Curve  hat  dagegen  zur 
orthogonalen  Projection  auf  eine  durch  die  Asymptote  gelegte  Ebene 
die  Tractrix  selbst  und  werde  als  verlängerte  Tractrix  bezeichnet. 
Also:  Die  Ergänzungsflächen  einer  pseudosphärischen 
Fläche  in  den  drei  Fällen  (I),  (11),  (III)  sind  auf  Rotations- 
flächen abwickelbar,  die  bezücrlich  die  crewöhnliche.  die  ver- 
kürzte  oder  die  verlängerte  Tractrix  zur  Meridiancurve  und 
die  Asymptote  zur  Drehaxe  haben. 


'Kapitel  X. 
Strahlensysteme  (Coiigruenzen). 

Strahlensysteme.  ^  Grenzpunkte  und  Hauptflächen.  —  Isotrope  Congruenzen  von 
Ribaucour.  —  Abwickelbare  Flächen  und  Brennpunkte  des  Strahlensystems.  — 
Strahlensysteme  von  Normalen.  —  Beltrami'scher  Satz.  —  Malus-Dupin'scher  Satz. 
—  Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  Hauptflächen.  —  Strahlen- 
systeme mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  abwickelbaren  Flächen.  —  Glei- 
chungen, die  sich  auf  die  beiden  Brennfläehen  beziehen.  —  Pseudosphärische 
Strahlensysteme.    —    Guichard'sche    Strahlensysteme.    —    Guichard'sche    und 

Voss'sche  Flächen. 


§  136.     Strahlensysteme. 

Die  Theorie,  welche  wir  in  dem  vorliegenden  Kapitel  entwickeln 
wollen,  hat  zum  Gregenstande  die  Systeme  von  doppelt  unendlich  vielen 
Geraden,  die  so  im  Räume  verteilt  sind,  dass  durch  jeden  Punkt  des 
Raumes  oder  eines  gewissen  Raumgebiets  eine  Gerade  oder  eine  end- 
liche Zahl  von  Geraden  des  Systems  hindurchgeht.  Derartige  Systeme 
von  oo^  Geraden  (Strahlen)  werden  kurz  als  Strahlensysteme  oder 
auch  als  Strahlencongruenzen  oder  einfach  als  Congruenzen  be- 
zeichnet. Die  Gesamtheit  der  Normalen  einer  Fläche  ist  nur  ein  beson- 
derer Fall  eines  solchen  Systems. 

Diese  Theorie,  die  aus  Fragen  der  geometrischen  Optik  hervorge- 
gangen ist,  hat  für  die  Flächenlehre  immer  mehr  an  Bedeutung  gewon- 
nen, und  es  scheint  nicht  zweifelhaft,  dass  sie  in  Zukunft  noch  viel 
mehr  zu  den  Fortschritten  der  Geometrie  beizutragen  bestimmt  ist. 

Wir  werden  hier,  im  Anschluss  besonders  an  die  classische  Arbeit 
von  Kummer*),  die  Grundlagen  der  Theorie  entwickeln  und  in  diesem 
und  den  folgenden  Kapiteln  die  hauptsächlichsten  Anwendungen  geben. 


*)  Allgemeine  Theorie  der  geradlinigen  Strahlensysteme.     (Grelles  Journal, 
Bd.  57.) 


§  186.  Strahlensysteme.     §  137.  Formeln  für  Strahlensvsteme.  257 

Wir  beschäftigen  uns  zunächst  damit,  das  Strahlensystem  analytisch 
zu  definieren.  Zu  diesem  Zwecke  schneiden  wir  das  ganze  Strahlen- 
system durch  eine  Fläche  S  und  betrachten  für  jeden  Strahl  des  Systems 
denjenigen  Punkt,  in  welchem  (oder  einen  von  denjenigen  Punkten,  in 
welchen)  er  von  S  geschnitten  wird,  als  Anfangspunkt.  Die  Fläche  S 
beziehen  wir  auf  ein  krummliniges  Coordinatensystem  («,  r)  und 
definieren  das  Strahlensystem  analytisch  in  der  Weise,  dass  wir  die 
Coordinaten  .r,  y,  z  des  Anfangspunktes  und  die  Bichtungscosinus  des 
Strahles,  die  wir  mit 

X,  r,  z 

bezeichnen,  als  Functionen  von  w  und  v  ausdrücken. 

Yon  den  Functionen  x,  y,  z  setzen  wir  voraus,  dass  sie  samt 
ihren  partiellen  Differentialquotienten  endlich  und  stetig  seien. 

Ziehen  wir  durch  den  Mittelpunkt  der  Kugel: 

x^  +  f  +  ^'  =  1 
den  Radius  parallel  der  positiven  Richtung  des  Stnihles  des  Systems, 
so  sind  X,  1",  Z  die  Coordinaten  seines  Endpunktes  Jl/^.  Diesen 
Punkt  betrachten  wir  als  das  sphärische  Bild  der  Geraden  («,  v)  des 
Strahlensystems.  Durchläuft  die  Gerade  (</,  v)  das  System,  so  beschreibt 
der  Punkt  J/j  das  sphärische  Bild  des  Strahlensystems. 

Die  Coordinaten  |,  ?;,  ^  jedes  Punktes  P  auf  dem  Strahl  («t,  v) 
sind  durch  die  Gleichungen: 

(Ij  l  =  x^tX,      r^=y-^tY,      l  =  z  +  tZ 

gegeben,  wo  t  die  Abscisse   des  Punktes  P  auf  dem  Strahl  ist  und 
vom  Anfangspunkte  P^  oder  (x,  y,  z)  ab  gerechnet  wird. 

§  loT.     Formeln  für  Strahlensysteme. 
Mit  Kummer  führen  wir  die  folgenden  Fundamentalfunctionen  ein: 

(2;    ^(-r-^-  y.'^^'^^F,  yim^G, 

^   ^  ^^   \ru/  j^,    cu  CV  '      .^mJ   \cv/  ' 

/q  ^7  c  Xcx '^cXcx ,  'VTfX  ex ^ 

^  "^  ^m    c n  c  11  '        .^mJ   euer  '       .^— '   cv  cu        '  ' 


2 


^ cX  ex 

9, 


ev  ev 

mit  Hilfe   deren  sich   die  beiden   quadratischen  Differentialformen  aus- 
drücken: 
(4;  ds^-  =^d:r-  =  Edtr  +  2Fdn  dv  +  G  dvK 

(5)  '^dxdX  =  e  dir  +  ( /  +  f)  du  dv  +  gdv\ 

die  wir  die  beiden  Grundformen  nennen.    Die  erste  stellt  das  Quadrat 

BiancUi,  Differentialgeometrie.  17 


258 


Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 


des  Linienelements  des  sphärischen  Bildes  dar;  offenbar  giebt  ds^  auch 
den  unendlich  kleinen  Winkel  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden 
Erzeugenden  (u,  v\  (ii  -\-  du,  v  -\-  dv)  an. 

Wir  bezeichnen  ferner  mit  dp  die  unendlich  kleine  Länge  des 
kleinsten  Abstands  des  Strahles  (u,  v)  von  dem  unendlich  benachbarten 
Strahl,  mit  cosa,  cos&,  cosc  die  Richtungscosinus  dieses  kleinsten  Ab- 
stands und  endlich  mit  r  den  Wert  der  Abscisse  t  im  Fusspunkt  von 
dj)  auf  dem  Strahl  (u,  v)  und  haben  dann: 

cosa  :  C0S&  :  cosc  =  (YdZ^ZdT):  {ZdX—XdZ)  :  (XdY—  YdX), 


=  [( 


dz 

du 

cX 

du 

cY 
du 


Zil)du  +  (Y'^ 


du 


XS^)du-^ 


du 

dx 

du 


du-\-  (X 


dv 

dX 

dv 

oY 


Z  V,       dv 

dv 

X  1-  )  dv 

cv 


Y^i^)dv 

dv 


Wegen  der  Identitäten  in  §  68  (S.  131,  3.  Anm.)  kann  man  schreiben: 


cos  a  :  cos  h  :  cos  c  = 


dX 
dv 

dY 

dv 


F  l^)  du  -  (al^  -F'^)  dv 
du/  \      du  dv  J 


F 


du 


\  du  —  ( 


G 


djY 

du 


F  -/')  dv 

dv 


dv 


Fi^)du-(a-l^-F^ß)dv 
cuj  \      du  dv j 


und  daraus  folgt: 
{ 


(6) 


cosa  = 


C0S&  = 


cos  c  == 


E 


dx 

dv 


v,—  ]  du  4-  { . 

cul  \ 


r^dX 

i     

dv 


dx 


G  V^ )  dv 

du  j 


YEG—F^  yEdu^  -\-2Fdudv  -\-  Gdv^ 

(E  -^ F-„     )  du-}-  (F^ G  „1  dv 

\      dv  du/  \      dv  du/ 


yEG—F^  yEdu^  +  2Fdudv  +  Gdt 


{. 


dz_ 

dv 


dZ_ 
du 


)  du-\-  ( 


F 


dZ 
dv 


G 


dz 

du 


)  dv 


Nun  ist: 


yEG—F^  yEdu^  +  2Fdudv  +  Gdv^ 
dp  =  ^  cos  adx 


oder  infolge  obiger  Gleichungen: 


(7) 


dp  = 


Edu  +  Fdv   Fdu  -\-  Gdv 
yjEG  -  F»  ds,      edu  +  fdv     fdu  +  gdv 


§  138.    Grenzpunkte  und  Hauptebenen.  259 

Da  r  die  Abscisse  des  Fusspunktes  von  dj)  auf  dem  Strahl  (m,  v) 
ist,  so  folgt,  wenn  t  diejenige  des  Fusspunktes  auf  dem  Strahl 
{u-\-du,  v'-\-dv)   bedeutet: 

X  +  rX.  +  dj)  cos  a  =  X  -\-  dx  -\-  t(X  -\-  dX) 
nebst  entsprechenden  Gleichungen  in  y^  z  oder: 

rX  -j-  dp  cos  a=  dx  -\-  t{X  -j-  dX), 

rY ■\-  dp  cosh  =  dy  -\-  t{Y  -\-  dT), 

rZ  -f-  dp  cosc  =  dz  -\-  t(Z  -\-  dZ ). 

Diese  Gleichungen  geben,  der  Reihe  nach  mit  X,   Y,  Z  multipliciert 

und  dann  addiert: 

t^=r  —  ^  XdXy 

d.  h.  t  unterscheidet  sich,  wie  es  auch  natürlich  ist,  unendlich  wenio- 
von  r.  Wenn  wir  die  Gleichungen  dagegen  mit  dX,  dY,  dZ  mul- 
tiplicieren  und  dann  addieren,  so  erhalten  wir: 

^dxdX+  {r  —^  Xdx)  ^dX^  =  0. 

Also  ist  mit  Vernachlässigung  der  unendlich  kleinen  Glieder  höherer 
Ordnung: 

ZdxdX 

~  2dX* 

d.  h. 

/QN  r  =  —  ^^"*  +  (f+Ddudv  -f  gdv* 

^^  Edu^ -\-2Fdudv -{-  Gdv' 

§  138.     Grenzpunkte  und  Hauptebenen. 

Die  soeben  abgeleiteten  Gleichungen  führen  zu  bemerkenswerten 
Folgerungen,  zu  denen  wir  am  einfachsten  dadurch  gelangen,  dass  wir 
eine  geeignete  Transformation  der  knimmlinigen  Coordinaten  (u,v)  vor- 
nehmen. Hierzu  schliessen  wir  zunächst  den  Fall  aus,  dass  die  beiden 
Grundformen  (4)  und  (5)  einander  proportionale  Coefficienten  besitzen, 
d.  h.  dass  die  Proportion: 

E:F:G  =  e-J^:g 

bestehe.  Dann  kann  mittels  einer  bestimmten  reellen  Transformation 
der  Coordinaten  u,  v  gleichzeitig  (§  31,  S.  58) 

gemacht  werden. 

Angenommen,  diese  Transformation  wäre  ausgeführt,  so  wird  die 
Gleichung  (8): 

(S*)  r=—  g<^"*  +  gdv^ 

^     ^  ■  Edu^-\-Gdv'' 

17* 


260  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

Bezeichnen  wir  mit  r^,  r^   diejenigen  Werte  von  r,    welche   bezüglich 
(lvj=  0,  du  =  0  entsprechen,  so  erhalten  wir: 

^  9 

wo   der  getroffenen  Annahme   zufolge   der  Fall  r^  =  r.,   ausgeschlossen 
bleibt.     Gleichung  (8*)  lässt  sich  dann  in  der  Form: 

/j^N  ,  Ei\  du^  -j-  ^''a  <^^^ 

^^•^  *"  ■"  ~  Ech?  ''-f'G dv'    ' 

schreiben,  und  wenn  z.  B.  r^  >  r^  vorausgesetzt  wird,  so  ist: 

^    '    ~Edu'^  Gdv'         2        jE;dMä_j_  q^^»' 
woraus 

folgt. 

Wir  bezeichnen  mit  L^  bez.  ig  die  Fusspunkte  der  kleinsten  Abstände 
des  Strahls  (u,  v)  von  den  beiden  unendlich  benachbarten  Strahlen 
(u  -f-  du,  v),  {iij  v  -\-  dii)-^  ihre  Abscissen  sind  r^,  r^.  Nach  dem 
Obigen  fällt  der  Fusspunkt  des  kleinsten  Abstandes  des  Strahles  (h  ,  v) 
von  jedem  andern  unendlich  nahen  Strahl  (u  -\-  du,  f  -f-  dv)  zwischen 
die  Punkte  ij,  und  Zg;  dieselben  werden  deshalb  Grenzpunkte  ge- 
nannt. 

Wenn  wir  mit 

cos«!,       C0S5^,       COSCj, 

bez.  ^ 

COS  «2,       COS  62,       COS  6*2 

die  Werte  von  cos  a,  cos&,  cosc  in  den  Grenzpunkten  L^,  L^  bezeich- 
nen, so  erhalten  wir  gemäss  den  Gleichungen  (6): 


cos  «^ 

1  ax 

ya  dv 

cos  «2 

demnach : 

__    1    dX 
~~  yE  du 

cos  fej 

1   dY 

~~  ya  dv ' 

COSCj 

1    dz 

ya  dv ' 

COS&2 

y'E  du  ' 

cos  C.2 

1    dz 
yE  du 

costtj  cos  «2  -\-  cosh^  cos(f>2  -j-  cos6\  cos  6*2  =  0. 

Also  ergiebt  sich  der  Satz:  Die  Richtungen  der  kleinsten  Ab- 
stände des  Strahles  (u,  v)  von  denjenigen  beiden  Strahlen 
des  Strahlensystems,  für  welche  die  Fusspunkte  dieser  Ab- 
stände in  die  Grenzpunkte  Lj^,  L.^  fallen,  stehen  auf  einander 
senkrecht. 

Ilauptebenen  des  Strahles  (t*,  v)  werden  diejenigen  Ebenen  ge- 
nannt, welche  durch  diesen  Strahl  senkrecht  zu  jenen  beiden  Minimal- 
abständen gelegt  werden.    Der  obige  Satz  lässt  sich  dann  auch  so  aus-j 


§  139.    Isotrope  Congruenzen  von  Ribaucoar.     Hauptflächen.  261 

sprechen:  Die  beiden  Hauptebenen  eines  jeden  Strahles  stehen 
auf  einander  senkrecht. 

Wir  können  nun  die  Gleichung  (9)  in  einer  anderen  Form  schrei- 
ben, wenn  wir  den  Winkel  a  einführen,  den  der  kleinste  Abstand  djy 
des  Strahles  (m,  v)  vom  Strahl  (ii  -\-  du,  v  -{-  dv)  mit  dem  auf  den 
Grenzpunkt  ^   bezüglichen  Abstand  d}^   bildet.     Wir  haben  nämlich: 

„  VE  du 

cos  a  =  2j  cos  a  cos  «i  = 


YEdu*  -\-  Gdv* 


Edu'  .   ^  Gdv 


cos' o  =  p  j— i— r-v^j— 7     sm*o  = 


Edtt'-\-Gdv^-       '''^     ,~  EdH'--\-Gdc^ 
Somit  entsteht  aus  (9)  die  Hamilton 'sehe  Gleichung: 
(10)  r  =  >\  cos*  ö  -(-  y%  sin^  cj . 

§  189.     Isotrope  Congruenzen  von  Ribaucour.     Hauptflächen. 

Wir  untersuchen  nun  den  Ausnahmefall: 

e'J±f-:g  =  E:F:Cr. 

Die  Betrachtungen  des  vorigen  Paragraphen  bleiben  auch  dann  noch 
gültig,  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  die  dort  vorgenommene 
Transformation  hier  auf  unendlich  viele  Weisen  möglich  ist.  Da  sich 
t\  =  r^  ergiebt.  fallen  die  Grenzpunkte  Lj.  L^  auf  jedem  Strahl  in 
einen  einzigen  Punkt  zusammen,  und  in  denselben  Punkt  fallen  auch 
die  Fnsspunkte  aller  Minimalabstände  des  Strahles  von  den  unendlich 
benachbarten  Strahlen.  Diese  merkwürdigen  Strahlensysteme  sind  zu- 
erst von  Ribaucour  untersucht  worden,  der  ihnen  den  Xamen  iso- 
trope Congruenzen  gegeben  hat.  Ihr  Studium  bietet  ein  hohes 
Interesse  wegen  ihrer  Beziehungen  zu  den  Minimalflächen,  die  wir 
demnächst  entwickeln  werden. 

Wir  machen  hier  die  folgenden  Bemerkungen:  Eine  Gleichung: 

(p(u,  r)  =  0 

zwischen  den  Coordinaten  w,  v  eines  Strahles  irgend  eines  Strahlen- 
systems stellt  eine  Linienfläche  dar.  deren  Erzeugende  Strahlen  des 
Systems  sind,  oder  kurz  ausgedrückt  eine  Linienfläche  des  Strahlensystems. 
Bei  jeder  Linienfläche  einer  isotropen  Congruenz  fällt  offenbar  die 
Strictionslinie  mit  dem  Ort  der  Grenzpunkte  ihrer  Strahlen  zusammen. 
Bei  einer  allgemeinen  Congruenz  dagegen  tritt  dieses  nur  bei  den 
beiden  Scharen  von  Linienflächen: 

u  =  Const.,     V  =  Const. 


262  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

ein,  wenn  u,  v  die  im  vorigen  Paragraphen  eingeführten  Veränderlichen 
sind.  Die  Strictionslinie  ist  für  jede  Fläche  v  =  Const.  der  Ort  des 
Grenzpunktes  L^  auf  den  entsprechenden  Strahlen  und  ebenso  für  eine 
Fläche  u  =  Const.  der  Ort  des  Grenzpunktes  L^.  Die  Linienflächen 
dieser  beiden  Scharen  werden  daher  als  die  Haupt  flächen  des  Strahlen- 
systems bezeichnet.  Im  Falle  der  isotropen  Congruenzen  und  nur  in 
diesem  Falle  ist  jede  Fläche  des  Systems  eine  Hauptfläche. 

Wenn  wir  im  Falle  einer  isotropen  Congruenz  als  Curven  (m,  v) 
auf  der  Kugel  ein  Orthogonalsystem  und  als  Ausgangsfläche  die  Orts- 
fläche der  Grenzpunkte  wählen,  welche  die  Mittel  fläche  des  Strahlen- 
systems genannt  wird,  so  haben  wir: 

r,=r^  =  0, 
daher: 

e  =  0,     /•  +  r=0,    ^  =  0, 

d.  h.  es  ist  identisch: 

dxdX-\-  dydY-\-  d2dZ=0. 

Wenn  also  die  Mittelfläche  S  auf  die  Kugel  abgebildet  wird,  nicht  nach 
der  Gaussischen  Methode,  sondern  in  der  Weise,  dass  parallel  der  Rich- 
tung des  Strahles  des  Systems  ein  Kugelradius  gezogen  wird,  so  zeigt 
die  obige  Gleichung,  dass  jedes  Linienelement  von  S  auf  dem  ent- 
sprechenden der  Kugel  senkrecht  steht.  Somit  ergiebt  sich  der  Satz 
von  Ribaucour: 

Die  Mittelfläche  einer  isotropen  Congruenz  entspricht 
der  Kugel  durch  Orthogonalität  der  Elemente. 

Umgekehrt  leuchtet  ohne  weiteres  ein,  dass,  wenn  eine  Fläche  S 
durch  Orthogonalität  der  Elemente  der  Kugel  entspricht,  eine  isotrope 
Congruenz  entsteht,  wenn  durch  die  Punkte  von  S  zu  den  Radien 
nach  den  entsprechenden  Punkten  der  Kugel  Parallele  gezogen  werden. 

Endlich  bemerken  wir,  dass,  wenn  von  der  Mittelfläche  von  S  aus 
auf  jedem  Strahl  eine  constante  Strecke  t  abgetragen  wird,  sodass 

^  =  x-\-tX,      rj  =  y-\-tY,      t  =  z  +  tZ 

die  Coordinaten  des  Endpunktes  sind,  das  Linienelement-Quadrat  der 
Ortsfläche  der  Endpunkte  durch 

gegeben  ist  und  sich  demnach  nicht  ändert,  wenn  t  durch  —  t  ersetzt 
wird.  Die  beiden  Flächen  S^,  S^,  die  entstehen,  wenn  die  Strecke  t 
nach  beiden  Seiten  abgetragen  wird,  sind  also  auf  einander  abwickel- 
bar, wobei  sich  die  Punkte  auf  demselben  Strahl  entsprechen  und  die 
Entfernung  zweier  entsprechender  Punkte  constant  gleich  2  t  ist.    Um- 


§  140.    Gleichung  zur  Bestimmung  der  Grenzpunkte.  263 

gekehrt  ist  klar,  dass,  wenn  bei  einem  Paar  auf  einander  ab- 
wickelbarer Flächen  die  Entfernung  der  entsprechenden 
Punkte  constant  ist,  die  Verbindungslinien  der  entsprechen- 
den Punkte  eine  isotrope  Congruenz  bilden. 

§  140.  Gleichung  zur  Bestimmung  der  Grenzpunkte. 
Wir  kehren  nun  zu  den  allgemeinen  Ergebnissen  in  §  138  zurück, 
die  wir  dadurch  erhalten  haben,  dass  wir  ein  besonderes  System  von 
Veränderlichen  einführten,  solche  nämlich,  die  gleich  Constanten  ge- 
setzt die  Hauptflächen  des  Strahlensystems  liefern.  Wir  wollen  mm 
die  Veränderlichen  u,  v  als  beliebig  gewählt  voraussetzen  und  die  grund- 
legende Gleichung  aufstellen,  welche  die  Abscissen  r^,  r^  der  Grenzpunkte 
giebt.  Die  Diiferentialgleichung  der  Hauptflächen  ergiebt  sich  (§  31, 
S.  57),  wenn  die  Jacobische  Covariante  der  beiden  Grundformen  (4) 
und  (5),  d.  h.  die  Determinante: 

I      Edu  +  Fdv  Fdu  +  Gdv 

\    edu-\-^dv      f^du-\-gdv 
gleich  Null  gesetzt  wird.     Sie  lautet  demnach: 
(^K){^^E—eF)du'-\-(gE-eG)dudv-\-[gF-^^^G)dv'  =  0. 

Für  diejenigen  Werte  von  ^,   welche  dieser  Gleichung  genügen, 
lässt  sich  die  Gleichung  (8),  nämlich: 

{edu  +  ^i^  dv)  du-\-  {^^^  du  +  gdv)  dv 

^^  {Edu  -flFdv)du  +  {Fdu  +  Gdv)dv^  ' 

wie  folgt  schreiben: 

edu  +  ^^dr  f±Ldu  +  gdv 

*""=  Edu  +  Fdv     ""  Fdu  -\-  Gdv 

Es  ist  daher: 

(Er  -^e)du+  [Fr  +  ^^)  dv  =  0, 

(Fr  +  ^)  du  +  {Gr  -{-g)dv  =  0. 

Durch    Elimination    von   du   und    dv    aus    diesen   beiden    Gleichungen 
ergiebt  sich  für  r  die  quadratische  Gleichung: 

(B)    {EG-F')r^-  +  [gE-(f+nF-\-  eG]r  +  eg  -  (f^)  =0, 
deren  Wurzeln  die  Abscissen  der  beiden  Grenzpunkte  sind. 


=  0 


264  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

§  141.    Abwickelbare  Flächen  und  Brennpunkte  des  Strahlensystems. 

Wir  untersuchen  nun,  ob  es  unter  den  Linienflächen  des  Strahlen- 
systems abwickelbare  Flächen  giebt.     Für  eine  solche  Fläche: 
(11)  cp{u,  v)  =  0 

muss  dp,  d.  h.  infolge  der  Grleichung  (7) 

I  Edu  +  Fdv      Fdu  -{-  Gdv 
I    edu  -f-  fdv       f  du  -\-  gdv 
oder  entwickelt: 
(C)  (f'F  --  eF)  du''  +  \(/F  +  (/•'—  /■)  F—eG]  dudv  + 

+  {gF  —  fG)dü'  =  0 

sein.  Also:  Die  Strahlen  des  Strahlensystems  können  in  zwei 
(reellen  oder  imaginären)  Scharen  von  abwickelbaren  Flächen 
angeordnet  werden. 

Zu  derselben  Differentialgleichung  (C)  der  abwickelbaren  Flächen 
des  Strahlensystems  gelangen  wir  auch  auf  die  folgende  Weise ,  die 
uns  ausserdem  noch  ein  anderes  wichtiges  Element  liefert:  Wir  nehmen 
an,  es  wäre  die  Gleichung  (11)  die  einer  abwickelbaren  Fläche  des 
Strahlensystems,  und  bezeichnen  mit  q  die  Abscisse  des  Punktes  F,  in 
dem  der  Strahl  {u,  v)  die  Rückkehrcurve  der  Fläche  (11)  berührt. 
Dann  sind  die  Coordinaten  von  F: 

,Xj  =x  •{-  qX,      y,  =  7/  +  p  r,      g^  =  3  -\-  qZ. 

Wenn  wir  diese  Gleichungen  differenzieren,  wobei  wir  u  und  v 
als  durch  die  Gleichung  (11)  verknüpft  voraussetzen,  so  sind  der  An- 
nahme zufolge  dx^,  dy^,  dz^  proportional  den  Grössen  X,  Y,  Z,  und 
wir  erhalten  demnach: 

dx-^  QdX=lX,     dy-\rQdY^XY,     dz  -{-  QdZ=  IZ, 

wenn  A  ein  (unendlich  kleiner)  Proportionalitätsfactor  ist. 

Multiplicieren  wir  diese  drei  Gleichungen  der  Reihe  nach  das  erste 

Mal  mit  ^  ,  ^  ,  o—  ,  das  zweite  Mal  mit  ,-,  ,  k  ,  ^  ,  und  addie- 
reu  wir  sie  jedesmal,  so  erhalten  wir: 

edu  -\-  fdv  +  Q(Edu  -\-  Fdv)  =  0, 
-      .  fdu  +  gdv  +  Q(Fdu  +  Gdv)  =  0. 

Durch  Elimination  von  q  ergiebt  sich  genau  die  Differential- 
gleichung (C)  der  abwickelbaren  Flächen  des  Strahlensystems.  Werden 
dagegen  du  und  dv  eliminiert,  so  ergiebt  sich  für  q  die  quadratische 
Gleichung: 


§  141.    Abwickelbare  Flächen  und  Brennpunkte  des  Strahlensystems.     265 

(D)  (EG-F')Q'-\-[gE-if+f)F-\-eG^Q-\rC'J-tr=^- 
Ihre  Wiu-zeln  q^,  q^  sind  offenbar  die  Abscissen  der  beiden  Punkte 
F^,  F^,  in  denen  der  Strahl  («,  v)  die  Rückkehrcurve  der  einen  oder 
der  andern  durch  ihn  hindurchgehenden  abwickelbaren  Fläche  der 
beiden  Scharen  berührt.  Diese  beiden  Punkte  werden  die  Brenn- 
punkte des  Strahles  («,  v)  genannt  und  können  auch  als  diejenigen 
beiden  Punkte  definiert  werden,  in  denen  der  Strahl  (u,  v)  von  den 
beiden  unendlich  benachbarten  Strahlen,  die  der  einen  bez.  der  andern 
abwickelbaren  Fläche  angehören,  geschnitten  wird*).  Sie  sind  reell 
oder  imaginär,  je  nachdem  die  abwickelbaren  Flächen  des  Strahlen- 
systems reeU  oder  imaginär  sind. 

Vergleicht  man  die  Gleichungen  (B)  und  (D),  so  folgt: 

d.  h.  der  Mittelpunkt  der  Grenzpunkte  fällt  mit  demjenigen 
der  Brennpunkte  zusammen.  Dieser  Punkt  wird  deshalb  der 
Mittelpunkt  des  Strahles  genannt,  und  der  Ort  der  Mittelpunkte  heisst 
die  Mittelfläche.     Aus  den  Gleichungen  (B)  und  (D)  folgt  femer: 

Also  ist: 

(n  —  »-a)'  —  (?i  —  9if  =  -Wg^F'-  ' 
Wird  demnach  mit  2(Z  die  Entfernung  der  Grenzpunkte  und  mit 
2d  diejenige  der  Brennpunkte  bezeichnet,  so  ist: 

(12)  'P-^'  =  i^ß^^- 

Wenn  also  die  beiden  Brennpunkte  reell  sind,  so  liegen  sie,   wie 
auch  aus  §  138,  S.  260,  folgt,  zwischen  den  Grenzpunkten. 

Der  Einfachheit  halber  wählen  wir  die  Mittelfläche  als  Ausgangs- 
fläche.    Dann  lautet,  wenn 

r^  =  d,      ^2  =  —  d 
gesetzt  ist,  die  Hamilton'sche  Gleichung  (§  138,  S.  261): 

r  =  d  cos  2  w , 
woraus  hervorgeht,    dass,    während  der  Fusspunkt    des    kleinsten   Ab- 
standes  zwischen  dem  Strahl  (u,  v)  und  einem  unendlich  benachbarten 
Strahl  die  Strecke  zwischen  den  Grenzpunkten  von  -{-  f?  bis  —  d  durch- 
läuft,  der  Winkel  o   von  0  bis  ^  wächst,   wobei  er  den  Wert  ^   im 


*)  Das  Schneiden  findet  nur  bis  auf  unendlich  kleine  Grössen  höherer  Ord- 
nung ."»tatt,  d.  h.  dp  ist  in  I\  und  F,  von  höherer  als  der  ersten  Ordnung  unend- 
lich klein. 


266  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

Mittelpunkt   des  Strahles  annimmt.     Bezeichnen  wir  mit   o^,  cog   seine 
Werte  in  den  Brennpunkten 


so  haben  wir: 


demnach  ist: 


cos  2  03^  =  -r  j      cos  2  OJg  =  - 


«1   +   «2   =     9 


) 


Als  Brennebenen  werden  diejenigen  Ebenen  bezeichnet,  welche  durch 
den  Strahl  und  durch  die  beiden  ihn  schneidenden  unendlich  benach- 
barten Strahlen  gelegt  werden.  Somit  folgt:  Die  Winkel  der  bei- 
den Brennebenen  werden  durch  dieselben  Ebenen  halbiert 
wie  die  Winkel  der  beiden  Hauptebenen. 

Bezeichnen  wir  den   Winkel  der  beiden  Brennebenen  mit 

r  =  «2  —  «1  =  2  —  2gJi, 
so  haben  wir  infolge  der  obigen  Gleichungen: 


(13)  smy==-^)      cosy 


d 


§  142.     Brennflächen  des  StraMensystems. 

In  Verbindung  mit  einem  gegebenen  Strahlensystem  sind  fünf 
Flächen  zu  betrachten,  nämlich  die  Mittel  fläche,  der  Ort  der  Mittel- 
punkte, die  beiden  Grenzflächen,  die  Orter  der  Grenzpunkte,  und 
endlich  die  beiden  Brenn  flächen,  die  Orter  der  Brennpunkte*).  Die 
ersten  drei  sind  stets  reell,  die  letzten  beiden  nur  für  Strahlensysteme 
mit  reellen  abwickelbaren  Flächen.  Das  Strahlensystem  wird  dann 
von  den  gemeinschaftlichen  Tangenten  der  beiden  Brennflächenmäntel 
S^  und  ;S^2  gebildet.  Da  die  beiden  Brennpunkte  F^,  F^  die  Berührungs- 
punkte des  Strahles  mit  den  Brennflächen  8^,  S^  sind,  so  sind  die 
Brennebenen  offenbar  die  Tangentialebenen  der  Brennflächen  in  JP\,i^2- 
Die  Strahlen  des  Systems  umhüllen  auf  S-^  eine  Schar  von  oo^  Curven, 
nämlich  die  Rückkehrkanten  JT^  der  abwickelbaren  Flächen  der  einen 
der  beiden  Scharen;  Ahnliches  gilt  für  S^.  Man  sieht  sofort,  dass 
die  Schmiegungsebene  der  Curve  F^  im  Punkte  F^,  durch  den  sie  hin- 


*)  Bei  vielen  Untersuchungen  ist  es  vorteilhaft,  noch  eine  sechste,  von 
Ribaucour  als  Mittelenveloppe  eingeführte  Fläche  zu  betrachten,  nämlich  die 
Enveloppe  derjenigen  Ebenen,  welche  auf  den  Strahlen  in  den  Mittelpunkten  senk- 
recht stehen  (Mittelebenen). 


§  142.    Brennflächen  des  Strahlensystems.  267 

durchgeht,  auch  Tangentialebene  von  S^  in  F.,  ist.  Die  beiden  Seharen 
von  abwickelbaren  Flächen  des  Strahlensystems  schneiden  jede  der 
Brennflächen  in  einem  conjugierten  Curvensystem.     (Nach  S.  107.) 

Können  die  Brennflächen  zusammenfallen?  Ist  dem  so, 
so  fallen  die  auf  der  Brennfläche  Von  den  Strahlen  umhüllten  Curven 
mit  ihrem  eigenen  conjugierten  System  zusammen,  d.  h.  sie  sind  die 
Haupttangent^ncurven  der  einen  Schar.  Femer  lässt  sich  leicht  nach- 
weisen, dass  dann  die  Entfernung  2d  der  Grenzpimkt«  durch 

gegeben  ist.  wo  K  das  Krümmungsmass  der  Brennfläche  ist. 

Man  wähle  nämlich  als  Ausgangsfläche  die  Brennfläche,  als  Para- 
meterliuien  die  in  Rede  stehenden  Haupttangentencurren  v  und  ihre 
orthogonalen  Trajectorien  u,  und  es  sei 

ds'  =  E'du--{-  G'dv^ 
das  Quadrat  des  Linienelements  der  Brennfläche.    Für  die  Coefficienten 
der  zweiten  Grundform  haben  wir  nach  (III),  S.  91: 

^  =  0.    #^  =  -^'- 

Wir  bilden  die  Richtungscosinus  der  Tangenten  der  Parameterlinien: 
V  1    ex         ^  1     cy         y  1     cz 

^     ywcu  Y^' cu  yWcu 

-rr  1     ex         V  1     dy         ^  l     dz 

^fW  cv  VG'  cv  yW  ev 

und  folgern  aus  den  Gleichungen  (I),  S.  89,  mit  Rücksicht  auf  (A),  S.  67: 

cu    ~       YG"     ev     ^'         cv         YW     du        -        YE' 
Da    nun    X^,    Y^,  Z^    gerade    die    Richtungscosinus    des    Strahles 
(m,  v)  sind,  so  finden  wir  für  die  Grundgrössen  (2),  (3),   S.  257: 

V]/G^     cv    /'  Y^'G'     dv       du 

\Ye'   du  J      e' 
_      .        ay^    ^    .,    ^    yWdY~G' 

demnach : 


268  Kap.  10,     Strahlensysteme  (Congruenzen). 

Die  Gleichung  (B),  S.  263,  giebt  also,  da  ihr  mittleres  Glied  gleich 
Null  ist: 


1  D'* 

ir^  ~~  W  G'  ""  ' 


was  zu  beweisen  war. 


§  143.     Normalensysteme.     Malus -Dupin's eher  Satz. 

Ein  Strahlensystem  heisse  ein  Normalen  System  oder  eine  Nor- 
malencongruenz,  wenn  es  eine  Fläche  und  folglich  (§  131,  S.  248) 
eine  Schar  von  oo^  Flächen  giebt,  die  zu  allen  Strahlen  normal  sind. 

Wenn  ein  Strahlensystem  eine  Normalencongruenz  ist,  so  muss  es 
möglich  sein,  in  den  Gleichungen  (1),  S.  257,  für  t  eine  solche  Function 
von  u  und  v  zu  wählen,  dass  die  Ortsfläche  des  Punktes  (|,  )j,  t,)  zu 
den  Strahlen  normal  wird.  Dann  müssen  die  Difi'erentiale  c?|,  r/ry,  dt, 
der  Bedingung: 

Xdl  +  Ydn  -{-  Zdi  ^  0 
genügen.     Nun  ist: 

di  =  dx-\-Xdt-{-tdX,     dri=dy+Ydt+tdY,     dt=dz--\-Zdt-\-tdZ, 
daher  lautet  die  gestellte  Bedingung: 

dt-{-^Xdx=0. 
Setzen  wir  noch: 

(14)  f^=2'x|^       ^"=2^1^' 
so  haben  wir  zur  Bestimmung  von  t  die  Gleichung: 

cU^  —  (Udu+Vdv), 
derzufolge  die  gestellte  Bedingung  die  Forderung: 

(15)  1-  =  '/ 

liefert,  die  wegen  der  Gleichungen  (3)  auch  in  der  Form: 
(15*)  /  =  /•' 

geschrieben  werden  kann. 

Unter  der  Voraussetzung  also,  dass  die  Gleichung  (15)  oder  (15*) 
erfüllt  ist,  giebt  es  eine  Schar  von  (parallelen)  zum  Strahlensystem 
orthogonalen  Flächen,  die  durch  die  Gleichung: 

(16)  t  =  Const.  ~-f(Udu  +  Vdv) 
bestimmt  sind. 

Wenn  f  gleich  /"  ist,  so  ist  nach  (12)  und  (13): 

d  =  d,     >  =  Y  ' 


§  143.    NormalensTsteme.     Malus -Dupin'scher  Satz.  269 

und  umgekehrt  folgt  aus  der  einen  oder  der  anderen  von  letzteren  Glei- 
chungen: f=f.     Also: 

Dafür,  dass  ein  Strahlensystem  eine  Xormalencongruenz 
sei,  ist  die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung,  dass 
die  Brennpunkte  mit  den  Grenzpunkten  zusammenfallen  oder 
anders  ausgedrückt,  dass  die  Brennebenen  auf  einander  senk- 
recht stehen  *j. 

Die  beiden  Brennflächen  eines  Xormalensystems  fallen  offenbar 
mit  den  beiden  Mänteln  der  Evolutenfläche  der  zu  den  Strahlen  ortho- 
gonalen Flächen  zusammen. 

Die  Gleichung  (15)  bringen  wir  auf  eine  andere  Form,  indem  wir 
die  Winkel  a,  ß  einführen,  die  der  Strahl  («,  v)  mit  den  Parameter- 
linien V,  u  der  Ausgangsfläche  S  bildet.     Ist 

ds-  =  E'diC-  -f  2F'dudv  -f  G'dv- 

das  Quadrat  des  Linienelements  dieser  Fläche,  so  haben  wir: 


cos 


X    ex  U  j        "v:!    i     ca:  V 


a  =  ^  ^=  ^  =  -==  >      cos  /3  =  ^ 


Daher  lässt  sich  Gleichung  (15)  so  schreiben: 
...„V  ciVWcoio)        ciVW' cosö) 

Wird  diese  Gleichung  als  erfüllt  angenommen,  so  giebt  die  Gleichung  (16): 
(18)  t  =  Const.  —  fW'E'  cos  u  du  +  YG'  cos  ßdv). 

In  diesen  Gleichungen  treten  nur  die  Winkel  er,  ß  und  die  Coeffi- 
cienten  des  Linienelement -Quadrats  der  Ausgangsfläche  auf  Beltrami 
hat  daraus  die  folgenden  interessanten  Schlüsse  gezogen:  Indem  wir 
die  Bedingung  (17)  als  erfüllt  annehmen,  denken  wir  uns  die  Fläche 
S  verbogen,  wobei  das  Strahlensystem  mit  der  Fläche  fest  verbunden 
ebenfalls  imd  zwar  so  verändert  wird,  dass  sich  die  Winkel  a,  ß  nicht 
ändern.  Die  Bedingung  (17)  bleibt  dann  stets  erfüllt,  und  der  Wert 
(18)  für  t  ändert  sich  bei  der  Verbiegimg  nicht.  Somit  ergiebt  sich 
der  Beltrami  sehe  Satz: 

Wenn  die  von  den  Funkten  einer  Fläche  S  ausgehenden 
Strahlen  eines  Normalensystems  von  einer  der  Orthogonal- 
flächen 27  begrenzt  gedacht  werden,  so  ist  bei  jeder  Yerbie- 
gung  der  Fläche  S.  bei  der  die  mit  der  Fläche  fest  verbunden 


*)  Dieser  Satz  ergiebt  sich  auch  unmittelbar  aus  den  geometrischen  Betrach- 
tungen in  §  131. 


270  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

gedachten  Strahlen  ebenfalls  ihre  Lage  ändern,  der  Ort  der 
Endpunkte  der  Strahlen  stets  eine  zu  den  Strahlen  ortho- 
gonale Fläche*). 

Aus  der  Gleichung  (17)  lässt  sich  ferner  leicht  der  Malus-Du- 
p in 'sehe  Satz  ableiten: 

Wenn  ein  von  Lichtstrahlen  gebildetes  Normalensystem 
eine  beliebige  Anzahl  von  Reflexionen  oder  Refractionen  er- 
fährt, so  bleibt  es  immer  ein  Normalensystem. 

Wir  nehmen  nämlich  als  Ausgangsfläche  S  die  reflectierende  oder 
brechende  Fläche,  als  Parameterlinien  u  auf  S  diejenigen  Curven,  welche 
von  den  orthogonalen  Projectionen  der  Strahlen  auf  die  Tangentialebenen 
von  S  umhüllt  werden,  und  als  Curven  v  ihre  orthogonalen  Trajec- 
torien.     Dann  haben  wir: 

TT  ^  TT 

wenn  y  der  Winkel  des  Strahles  mit  der  Normale  von  S  ist.  Die  Glei- 
chung (17)  wird  nun: 

g(]/^siny)   _ 

du       ~~   ' 

und  wenn  sie  erfüllt  ist,  so  ist  sie  es  auch  noch  dann,  wenn  mittels 
der  Bedingung: 

sin  ;/'=  n  sin  y    (n  =  Const.) 

y  durch  y'  ersetzt  wird,  wodurch  der  Satz  bewiesen  ist. 

§  145.     Strahlensy steine  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der 

Hauptflächen. 

Wir  kehren  nun  zu  den  allgemeinen  Strahlensystemen  zurück,  um 
nach  einander  zwei  Aufgaben  zu  behandeln,  die  als  die  Verallgemeine- 
rung der  folgenden  betrachtet  werden  können:  die  Flächen  mit  gege- 
benem Bilde  der  Krümmungslinien,  d.  h.  die  Normalensysteme  mit 
gegebenem  sphärischen  Bilde  der  abwickelbaren  Flächen  (§  74,  Kap.  V) 
zu  bestimmen.  Für  ein  Normalensystem  fallen  die  abwickelbaren 
Flächen  mit  den  Hauptflächen  (S.  262)  zusammen,  während  im  Falle 
eines    allgemeinen    Strahlensystems    die    beiden    Scharen    von    einander 


*)  Es  mag  bemerkt  werden,  dass,  da  in  den  Gleichungen  (17)  und  (18)  nur 
E'  und  G'  auftreten,  die  biegsame  Fläche  S  auch  als  nur  teilweise  undehn- 
bar, d.  h.  nur  längs  der  Curven  u,  v  als  undehnbar  angenommen  zu  werden 
braucht.  Auch  bei  diesen  allgemeineren  Verbiegungen  behält  der  Beltrami'sche 
Satz  seine  Giltigkeit. 


§  145.    StrahlensTsteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  Hauptfläohen.     271 

verschieden  sind.  Wir  müssen  uns  daher  nach  einander  mit  folgenden 
beiden  Aufgaben  beschäftigen: 

1)  die  Strahlensvsteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde 
•  der  Hauptflächen, 

2)  die  Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde 
der  abwickelbaren  Flächen  zu  bestimmen. 

Zunächst  wollen  yrir  uns  mit  der  ersten  Aufgabe  beschäftigen,  die 
stets  eine  reelle  Bedeutung  hat,  mögen  nun  die  abwickelbaren  Flächen 
reell  oder  imaginär  sein. 

Das  System  (m,  v)  auf  der  Kugel,  das  Bild  der  Hauptflächen, 
muss  ein  orthogonales  sein  (§  138,  S.  261).     Es  sei  also 

ds-  =  Edu^  +  Gdv^ 

das  Quadrat  des  Linienelements  des  sphärischen  Bildes.  Als  Ausgangs- 
fläche nehmen  wir  die  Mittelfläche  (S.  265),  so  dass  die  Unbekannten 
unserer  Aufgabe  die  Coordinaten  x,  y,  z  des  Mittelpunktes  des  Strahles 
(m,  V)  sind.     Nach  Voraussetzung  müssen  wir 

F=0,     /-ff=0,    eG  +  gE  =  0 

haben,  und  wenn  mit  '2r  die  Entferaung  der  Grenzpunkte  bezeichnet 
wird,  ist  also  wegen  der  auf  S.  '2^()  für  )\  und  r^  gefundenen  Werte: 

(19)  >  ^—  -rr-  =  rE,      x,^^-^^  =  —  r(jr, 

^        ^  .^_/    CV,     ext  ^         ^mi   CV     CV  ' 

^7  CX  cX    .     ^icx  cX ^ 

^^  CV    CM  .^i   du    CV 

Wir  fuhren  nun  eine  neue  unbekannte  Function  (p  ein,  indem  wir 

(20)     f  =  '2U''^  =  -pV^'   r^-^rJ^ä^-fV^ 

setzen.  Die  geometrische  Bedeutung  von  (p  ergiebt  sich  unmittelbar 
aus  der  Gleichung  (D)  in  §  141  (S.  265),  da,  wenn  mit  2q  die  Entfer- 
nimg der  Brennpunkte  bezeichnet  wird, 

(21)  cp^  =  n  -  Q'^ 

folgt. 

§  146.     Lösung  der  gestellten  Aufgabe. 

Aus   der  ersten   der   Gleichungen   (20)    berechnen   wir    -   S -, 

indem  wir  beachten,  dass  infolge  der  Gleichungen  (4),  S.  122, 

c^  _  \ll\cX        ill\cX        ^,. 
dtt*  ~   \  1   \   du  ~T~   \  2  \    CV         ^^ 


272  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

und  ferner  infolge  der  ersten  der  Gleichungen  (19) 

ji-J  dudv  du  cv  .^J  duW  1  j  du     '     \  2   j   dv) 

ist.     Daraus  ergiebt  sich  mit  Berücksichtigung  wieder  der  Gleichungen  • 

(19)  und  (20): 

'  cv  .^mJ  cv 

In  unserem  Falle  ist  aber  nach  (A),  S.  67 : 

(I2l  jlll  dlogVEG         im     ,     (I2l. 

Daher  folgt: 

/x  ^  y.cx  _   1  c{rl!)        -\/(?  dcp 

^^^  ^  ^dv  ~  E  "c'v     ~   V  Ed^' 

Ebenso  ergiebt  sich  durch  Differentiation  der  zweiten  der  Gleichungen 

(20)  nach  v: 

(b)  yx'.^=-y^^:^^+y^-l^. 

^  ^  .^^       cu  G     du      ^     f    G  cv 


Nun  brauchen  wir  nur  die  Gleichungen  (a),  (b)  mit  (19),  (20)  zu  com- 

1  •    •  j        ■,    ex     dy      cz      ex     cy      dz       n    -...  ,    ,, 

Dimeren  und  nach  7^ ,  ^-,  t^— t  t^-,   ^    ,   ^     auizulosen,  um  zu  erhalten: 

cu^    du^   du^   dv^   öv^   cv  ' 

i  ex  cX  _  -i/E      ^X        r     t/E  dcp  _  1  dJjG) 

^Ju         V  G   ^  cv  ^  i      V  G  cv         G     du  _ 


,  du 

(22) 


X, 


\dx__     cX        -i/G_      S^        \'_^/G_d_^_.l_dirE) 
[  dv  ^  Jv  ~^  V  ~E  ^cu  ^  [_      V  E  cu'T~  E     dv  \ 


X: 


dazu  analoge  Gleichungen  in  y  und  0. 

Umgekehrt,  sind  r,  (p  zwei  solche  Functionen  von  u  und  v, 
dass  die  Integrabilitätsbedingungen  für  die  Gleichungen  (22)  erfüllt 
sind,  so  bestimmen  diese  Gleichungen  mittels  Quadraturen  ein  Strahlen- 
system mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  Hauptflächen.  Entwickeln 
wir  nun  wirklich  die  Integrabilitätsbedingungen  für  die  Gleichungen 
{^2\  indem  wir  dabei  die  Grundgleichungen  (4),  S.  122,  welche  die 
zweiten  Differentialquotienten  von  X,  F,  Z  geben,  sowie  die  Gleichungen 
(A),  S.  67,  berücksichtigen,  so  finden  wir,  dass  sie  sich  auf  folgende 
einzige  Bedingung  zwischen  r  und  cp  reducieren: 

C23)        2  ™----  -I-  —  ^^—  -\-  —  ^^"g^   I   y  g'log(-£^G^)  ^ 
^     ^  dudv    '^  du      dv        '    dv      du        '  dudv 

=  yEGiA,<p^2cp), 


§  146.  Lösung  d.  gestellten  Aufgabe.  §  147.  Anwend.  auf  isotrope  Strahlensyst.  273 
wo  As,  9  der  zweite  Differeutialparameter  von  93: 

^^^  =  1  r±  (1/« «?) + A  (yi  £?)] 

-^        yEGlcu\r    E  cuJ        cv\r    Gcv/J 

ist.  Man  sieht  also,  dass  die  gestellte  Aufgabe  hinsichtlich  ihrer  Lö- 
sung eine  grosse  Willkür  gestattet  insofern,  als  ;•  oder  (p  willkürlich 
gewählt  und  dann  qp  bez.  r  aus  der  partiellen  Diflferentialgleichuncr 
(23)  bestimmt  werden  kann. 

Soll  das  StrahlensTstem  insbesondere  eine  Normalencongnienz  sein 
so  haben  wir  qp  =  0,  und  die  Gleichung  für  r  wird: 

C24)  ^'j      1    c  log  VE  cr^    .    clog^G  cr^    ,   ^.  c^logVEG  ^ 

^      '         cucv'         cv       eil    '         cu        cv  ~^  cudv 

Dies  ist  genau  die  adjungierte*)  Gleichung  der  Gleichung: 

(25)  ^-!_^-  _  ^^QgV'^  ^TT  _  aogj^^^  ^—  =  0 

^     ^  ducv  cv         cu  cu         er  ' 

von  deren  Lösimg,  wie  wir  in  §  73  gesehen  haben,  dieselbe  Aufgabe 
abhängt.  Bekanntlich  sind  die  Integrationen  der  Gleichung  (24)  und 
ihrer  adjungierten  (25)  analytisch  äquivalent. 

§  147.     Anwendung  auf  isotrope  Strahlensysteme. 

Hinsichtlich  der  Anwendung  der  Gleichung  (23)  beschränken  wir 
uns  hier  auf  den  Fall  eines  isotropen  Strahlensystems  (§  139),  wo  r  =  0 
ist.  Die  Bestimmung  der  isotropen  Strahlensysteme  hängt  infolge  (23) 
von  der  Lösung  der  Gleichung: 

A,(y)  + 295  =  0 

ab,  die  nach  den  Weingarten'schen  Gleichungen  für  Ebenencoordinaten 
(vgl.  (36),  §  72,  S.  141)  auch  als  die  Differentialgleichung  der  Minimal 
flächen  in  Ebenencoordinaten  gedeutet  werden  kann. 

Nun  hat  Ribaucourin  der  That  die  Theorie  der  isotropen  Strahlen- 
systeme vermittelst  des  folgenden  grundlegenden  Satzes  zu  derjenigen 
der  Minimalflächen  in  Beziehung  gebracht: 

Die  Mittelenveloppe**)  eines  isotropen  Strahlensystems 
ist  eine  Minimalfläche. 

Dieser  Satz  folgt  mit  Leichtigkeit  aus  unseren  allgemeinen  Glei- 
chungen (22),  in  denen  wir,  da  es  sich  jetzt  um  ein  isotropes  Strahlen- 
system handelt,  für  das  die  Hauptflächen  unbestimmt  sind,   die  Ortho- 


*)  S.  Darboux,  2.  Bd.,  S.  71  u.  f. 
**)  Vgl.  die  Anmerkung  zu  §  142  (S.  266). 

B  i  a  D  c  h  i ,  Uifferentialgeometrie.  lg 


274  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 


gonalcurven  u,  v  auf  der  Bildkugel  willkürlich  wählen  können;  wir 
nehmen  sie  als  isotherm  an,  indem  wir  nach  S.  72 

E=a  =  X,     r  =  0 
setzen. 

Alsdann  werden  die  Grleichungen  (22): 

dx  -V  <?9  cX 

•K—  ==         A.  ^—  —  op  -rj—  j 
cn  cv         ^   cv 

dx  -xr  dcp     ,         dX 

cv  cu    *    ^  du 

Wenn  wir  mit  W  den  Abstand  der  Mittelebene  vom  Coordinatenanfangs- 
punkt  bezeichnen,  so  ist  ferner: 

also: 

dW  _        c^    1    V     ^ 
du  dv  '^ .^Lu       du  ' 

dW  _       d(p    .^     dX 

CV  du    '  .^mJ       cv 

Daraus  folgt: 

a-r      gnr  __  y    p^      d^x\  _  __  ^a  yxX 

du^   +   dv^   ~Zj^'\du^  ^  dv'J~~        ^^^x^, 

d.  h. 

du-     '     dv^     '  ' 

wodurch  der  Ribaucour'sche  Satz  bewiesen  ist. 

§  148.     Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der 
abwickelbaren  Flächen. 

Wir  kommen  nun  zu  der  zweiten  in  §  145  gestellten  Aufgabe,  die, 
wie  wir  sogleich  sehen  werden,  eine  weit  geringere  Willkür  bei  ihrer 
Lösung  gestattet.  Die  wichtigen  Ergebnisse,  die  wir  jetzt  ableiten 
wollen,  verdanken  wir  Guichard,  der  auf  folgende  Weise  zu  ihnen 
gelangt  ist*): 

Es  sei 

ds'^  =  Edu^  +  2Fdudv  +  Gdv^ 

das  gegebene  Quadrat  des  Linienelements  auf  der  Kugel,  wo  die  Curven 
?i,  V  die  Bilder  der  abwickelbaren  Flächen  des  Strahlensystems  sind. 
Wir  nehmen  auch  hier  als  Ausgangslläche  die  Mittelfläche  des  Systems, 
indem   wir  als  Unbekannte    die   Coordinaten   x,  y,  s,   des   Strahlmittel- 


*)  Surfaces  rapportees  ä  leurs  lignes  asymptotiques  et  congruences  rappor- 
tees  a  leurs  developpables  (Annales  Scientiflques  de  l'ficole  Normale  Superieure, 
t.  VI,  3e  Serie). 


§  148.  Strahlensysteme  m.  gegeb.  sphärischen  Bild  d.  abwickelbaren  Flächen.     275 

punkts  wählen.  Bezeichnen  wir  mit  2q  die  Entfernung  der  Brenn- 
punkte von  einander,  so  sind 

X  -f  qX,    ij  +  Q  r,    Z  -\-  qZ 

die  Coordinaten  des  einen  und 

x  —  qX,    v  —  qY,     z  —  qZ 

die  des  anderen  Brennpunkts.  Wir  nehmen  an.  dass  der  erste  den 
Curven  v  =  Const.,  der  zweite  den  Curren  u  =  Const.  entspreche.  Dann 
müssen  wir  haben: 

cu  '  cu  '  cu  ' 

er  'er  'er  ' 

wo  h,  I  geeignete  Proportionalitätsfactoren  sind.  Schreiben  wir  diese 
Gleichungen  wie  folgt: 

ex        /■  c Q\  -^  cX 

cu        \  cu/  ^  cu 


(26) 


V         \      'er'  '    ^  cv 


dazu   die   analogen  in  y,  z,   und    stellen   wir   dann   die  Integrabilitäts 
bedingungen  auf: 

c  (cx\         c  /cx\ 
-=—  \^=r-\  =  7=—  („—;  u.  s.  w., 
er  \cu/        cu  \cv/  ' 

wobei  wir  berücksichtigen,  dass  nach  (4),  S.  122, 

c*X  \i2\cX    .     (l2\cX        j^^ 

euer         [  1  }  cu     '     [  2  )  er 

ist,  so  erhalten  wir: 

(a)  t-  -1^-2  Ä  +  2pF=  0, 

^  ''  er         cu  euer    '       ^  ' 

Demnach  werden  die  Gleichungen  (26): 

(27)  j  <""  Icu^      l  2  j  «^ J  ^  cu 

I  CX  [cQ     .    .-,  fl2\    1  „     .        eX 

und  die  Gleichung  (c)  giebt,  wenn  in  ihr  für  /,  h   die  Werte  (/3)  ein- 
gesetzt werden,  für  q  die  Gleichung: 

18* 


276  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

^"^^hudv^   \  1   ]  du^    [2   l  dv   ^ldu\   1  l    ^  cv\2  l  +^J(>  — '!• 

Umgekehrt j  ist  p  eine  Lösung  dieser  Gleichung,  so  liefern  die  Glei- 
chungen (27)  mittels  Quadraturen  ein  entsprechendes  Strahlensystem, 
für  welches  das  Bild  der  abwickelbaren  Flächen  das  gegebene  ist. 

Wie  man  sieht,  ist  die  Laplace'sche  Gleichung  (28),  von  deren 
Lösung  die  Aufgabe  abhängig  ist,  die  adjungierte  der  Gleichung: 

ducv         {  1  ]    cu  (  2  J    cv     '  '         •    . 

von  deren  Lösung,  wir  in  §  73,  S.  141,  gesehen  haben,  die  Bestimmung 
derjenigen  Flächen  abhängt,  welche  das  System  {u,  v)  zum  sphärischen 
Bilde  eines  conjugierten  Systems  haben.  Diese  beiden  Aufgaben  sind 
also  gleichbedeutend. 

§  149.     Formeln  für  die  beiden  Brennflächen. 

Wir  wollen  nun  die  Grössen  berechnen,  die  sich  auf  die  beiden 
Mäntel  der  Brennfläche  beziehen,  und  müssen  dazu  ein  Gleichungen,- 
system  ableiten,  das  uns  später  bei  anderen  Untersuchungen  von  Nutzen 
sein  wird. 

In  jedem  Punkte  (w,  v)  der  Kugel  betrachten  wir  das  recht- 
winklige Trieder,  das  von  der  Kugelnormale  und  den  beiden  Rich- 
tungen, welche  die  Winkel  der  Parameterlinien  w,  v  halbieren,  gebildet 
wird.     Die  Cosinus  der  letzteren  beiden  Richtungen  mögen  mit 

-^17  ^17         ^IJ 

bezeichnet  werden.  Bedeutet  noch  ß  den  Winkel  dei-  Kugelcurven 
M,  V,  der  durch  die  Gleichungen  (vgl.  S.  63): 


COS  Sl  =       ,-Zi^  7  Sm  il   =    ' -r~-T-r 

Yeg  Yeg 


bestimmt  ist,  so  erhalten  wir  sofort: 


(29) 


'~  27in^  W^^  y^    ^^' 

2 

X—     ^     /  1  gx  ■     1   dx 


^2  —  Sl 

2  cos 

2 


nebst  analogen  Gleichungen  in   Y  und  Z. 

Die   Gleichungen,   die   wir  ableiten  sollen,   drücken   die  partiellen 
DiÖ'erentialquotienten  der  neun  Richtungscosinus: 


§  149.  -Formeln  für  die  1>eiden  Brennflächen.  277 

linear  durch  die  Cosinus  selbst  und  durch  die  Coefficienten  des  Qua- 
drats des  Linienelements  auf  der  Kugel  aus.  Aus  den  Gleichungen 
(29)  ergiebt  sich  sofort: 

i^=       yEsm^X,-\-YE  cos^  X,. 

cX 

Demnach  ist: 


.^         -yGsm^X.+  VGcos^X,. 


Sm   -rr- 


Nun  berechnen  wir  die  beiden  Summen: 

Infolge  der  Gleichungen  (29)  und  der  soeben  aufgestellten  ist: 

^     -    r«         2sinSl^\_yG  dv  cu\yE  cu)        ys  cu  cu\yG  cv/J 

Dia  nach  (b),  S.  63, 

^    1    cX      1    cX 

cos  Sl  =  y  ^=  -—  •  -7=  -^r- 

^  ys  cu  yo  cv 

ist,  so  ergiebt  sich  hieraus  mittels  Differentiation  nach  u\ 

^  y^^  cu\^/E  cu)  cu        ^  yjE  cu  cu\yG   ccj' 

so  dass  sich  die  vorherige  Gleichung  auch  so  schreiben  lässt: 

V  X  ^  =  —      ^      [sin  Ä  -^  +  —  V  —  —  /^  —\] 
^  ^   cu  -isinSll  CH         YE  ^  cu  duKyG    cc/j' 

Wird  mit  Berücksichtigung  der  Gleichung  (S.  275): 

c'X   _  \l'l\  cX         (12|£X_  ^^ 

duicv  ~  \  1  i  du  ^  \  2  l  dv 

entwickelt,  so  ergiebt  sich: 


278  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 


l 

2  sin  (ß 


'sinß  ^:^  +     4.  j^  f  1  21    ,    ^  f  1  2\  _  _F   r2^1 
die         YEG  \       1  1   I  1  2  j  2G  du\ 

Nun  ist  nach  (A),  S.  67: 

ai. -^LsJ-"'^  1  1  i  +  ^^1 2  r 

also : 

rWl2\  fl2|  1*^    ^G^  J^^G=-FMl2l  r^.2ofl2l 

Daher  erhalten  wir: 

S;i^  dX,  ^^dX,  1   dSl      -,/E  ii2\    .    ^ 

Entsprechend  ist: 

Diese  beiden  Gleichungen  geben,  mit  den  Gleichungen  auf  S.  277,  oben, 
und  den  Identitäten: 

combiniert,  sofort  das  gesuchte  Gleichungensystem: 


(30) 


11=       VEsm^_.X,+yE,o.^.X,, 


Ä^-=     AX,-VE,os'i_.X,  ^^  =  -i^x,-v'G».^x, 

wo  zur  Abkürzung 

gesetzt  worden  ist. 

Es  mag  bemerkt  werden,  dass  sich  infolge  der  in  §  77  (S.  150) 
entwickelten  Gleichungen  Ä  und  B  auch  durch  die  geodätischen  Krüm- 
mungen —  ,    -  der  Parameterlinien  folgen dermassen  ausdrücken: 

Die  Gleichungen  (30)  geben,  wenn  das  Linienelement  der  Kugel 
gegeben    ist,    für    X,  X^,  X.^    das    bereits    in    §  50,   S.  96,    erwähnte 


§  149.    Formeln  für  die  beiden  Brennflächen.     §  150.   Fortsetzung.        279 

System  von  totalen  Differentialgleichungen,  das  unbeschränkt  iut^grierbar 
ist;  seine  Integration  hängt  von  der  Integi-atiou  einer  Riccati 'sehen 
Gleichung  ab. 

§  150.     Fortsetzung. 

Wir  kehren  nun  zu  der  Guichard'schen  Aufgabe  und  den  Guichard 
sehen  Gleichungen  zurück,  in  denen  der  Winkel  Sl  der  Kugelcurven 
«,  c  auch  denjenigen  der  Brennebenen  darstellt  *).  Die  Gleichungen 
(27)  lauten  nach  (30): 


(32) 


Wir  bezeichnen  mit  S^  S^  die  beiden  Brennflächen,  mit  Xi,  Pi,  z^, 
bez.  X,,  y^,  z^  die  Coordinaten  der  Brennpunkte  F^,  F^,  sodass 

x^=x-\-QXy      y^  =  y-i-QY,      z^=z-\-qZ- 
x^=  X  —  qX,     y^  =  y  —  qY,      z^  =  z  —  qZ 
ist;  femer  bezeichnen  wir  mit 

Ex,    Fl,     Gl,      Z>i,    Di,    Dl", 

J^,       -^2}       ^i'i  J^if       JJ^  7       ■*-^i 

die  Coefficienten  der  beiden  Grundformen  von  S^  bez.  S^.     Infolge  der 
Gleichungen  (30),  (31)  finden  wir: 


f 

o  . 

du 


^  =  -  2  {Yl  pX-21/Gsin  J    (»X,  +  2  j/G  cos|   (,X„ 


^^  ==       2  {\/}  QX—2yE sin  y  •  qXi  -  2 ^Ecos^  ■  qX„ 


'^=-2[ii+{?}.]x. 


*)  Die  Kugelcurven  m,  c  sind  die  Bilder  der  Tangenten  der  Rückkehrcurven 
der  im  Strahlensystem  enthaltenen  abwickelbaren  Flächen,  woraus  sich  die 
Richtigkeit  unserer  Behauptung  sofort  ergiebt.  Analytisch  gelangt  man  zu  dem- 
selben Ergebnis,  wenn  man  beachtet,  dass 

e  =  — p£,     f=QF,     f=—QF,     g  =  QG 
ist  und  also  Gleichung  (B),  S.  263. 

Q*     EG  —  r 


r»  EG 

giebt. 


=  sin'ß 


280  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

Daraus  ergeben  sich  sofort  die  Gleichungen: 


(33) 


und  analog: 


du 


+  {^M^  ^^— MVK[I:+IV} 


{V}+(^J,    E,G,~F,^=16G^f^^  +  [ 


(33*), 


K 


4p2 


.1   2   j    +^: 


,  ^;= 


4  1^'^, 


CP    ,     (12 

ä^+  1  1  f^ 


G^„  =  4 


dv  "t" 


{V^j.J,  ^;«,-F/=i6£,=[||+{V} 


"1  2 


9 


Wir  bezeichnen  nun  mit  1^,  -f^i,  ^^  die  Richtungscosinus  der  Nor- 
male von  S^,  mit  ^^,  tj^,  l^  diejenigen  der  Normale  von  S^.  Dann 
haben  wir: 

li  =  cos  -~X^-\-  sin  —  X2 


^2  =  cos  ~  Xj  —  sin  —  X^ . 


2       2? 
2" 


Wir  berechnen  alsdann: 

i>2=-y.^^P>    D:=~yiki^,    n"___y_^i,^ 

und  finden: 

A  =  2yEsin^[||+{-}p], 


(34) 


A'=0,    D,"=—2yGsmSl 


aV  +        1    ^  P 


•*) 


Die  Krümmungsmasse  K^,  K^  der  beiden  Mäntel  sind  nach  Formel 
(in),  S.  91,  durch  die  Ausdrücke  gegeben: 


*)  Die  Gleichungen  !>/=  0,  Z>/=  0  sind  der  analytische  Ausdruck  der  be- 
kannten Eigenschaft  der  Curven  m,  v,  auf  beiden  Brennflächen  ein  conjugiertes 
System  zu  bilden.     Die  Werte  von  D^"  -wmX  I),  lassen  sich  auch  in  der  Form: 


!>/'= 


2Gt 


D,  =  - 


2£:q 


schreiben. 


(35) 


K,=- 


K, 


%  150.    Fortsetzung.  281 

1 1 -411 +yl  {?)•-] 


iQ 


fö+{vM 


Wir  führen  hier  zwei  Sätze  an,  die  sich  unmittelbar  aus  unseren 
Gleichungen  ergeben  und  die  sich  auf  zwei  bemerkenswerte  Klassen 
von  Strahlensystemen  beziehen.  Die  Systeme  der  ersten  Klasse,  denen 
wir  eins  der  nächsten  Kapitel  (Kap.  12)  widmen  werden,  sind  diejenigen, 
bei  welchen  auf  den  beiden  Mänteln  der  Brennfläche  die  Haupttangenten- 
curven  einander  entsprechen:  die  Systeme  der  zweiten  Klasse  sind  die 
jenigen,  bei  welchen  den  Haupttangeutencui-ven  auf  dem  einen  Mantel 
ein  conjiigiertes  System  auf  dem  anderen  Mantel  entspricht.  Im  ersten 
Falle  muss  nach  S.  109  die  Proportion: 

A:  A':  A"=  A:  A':  A", 
im  zweiten  nach  S.  108  die  Gleichung: 

A  A"+  A  Di"-'^  A' A'  =  0 
bestehen.     Mit  Rücksicht  auf  die   Gleichungen  (34),  (35)  ergiebt  sich 
in  diesen  Fällen  für  das  Product  KiK^  der  Ausdruck: 

K^K^^  +  i^)'' 
WO  das  obere  Vorzeichen  im  ersten,  das  untere  Vorzeichen  im  zweiten 
Falle  gilt.     Da  nun  ^-^  die  Entfernung  der   Grenzpunkte   von  einan- 
der ist,  können  wir  folgenden  Satz  aufstellen: 

Bei  den  Strahlensystemen  der  ersten  Klasse  ist  das  Pro- 
duct der  Krümmungsmasse  der  beiden  Brennflächenmäntel 
in  zwei  entsprechenden  Punkten  gleich  dem  reciproken  Werte 
der  vierten  Potenz  der  Entfernung  der  Grenzpunkte,  bei  den 
Strahlensystemen  der  zweiten  Klasse  ist  es  derselbe  Ausdruck 
mit  entgegengesetztem  Vorzeichen. 

Man  sieht,  dass  für  die  Systeme  der  ersten  Klasse  der  in  diesem 
Falle  von  Ribaueour  herrührende  Satz  nur  eine  Verallgemeinenmg 
des  Halphen'schen  ('S.  243,  Gleichung  .17))  für  die  beiden  Mäntel  der 
Evolutenfläche  einer  Tf''- Fläche  ist.  Für  die  Strahlensysteme  der  zweiten 
Classe  hat  zuerst  Waelsch  den  betreffenden  Satz  angegeben*). 


*)  Comptes  Rendus  de  rAcademie  118.  Bd.,  S.  736. 


282  Kap.  10.    Strahlenyysteme  (Congruenzen). 

§  151.    Pseudosphärische  Strahlensysteme. 

Wir  wenden  die  allgemeinen  Gleichungen  des  voraufgehenden  Para- 
graphen noch  auf  zwei  besondere  Fälle  an.  Zunächst  stellen  wir  uns 
die  Frage:  Giebt  es  Strahlensysteme,  bei  denen  die  Entfernung 
der  Brennpunkte  und  die  Entfernung  der  Grenzpunkte  gleich- 
zeitig constant  ist?  Aus  §  128,  S.  244,  wissen  wir,  dass  es  Nor- 
malensysteme dieser  Art  in  der  That  giebt,  nämlich  diejenigen,  welche 
von  den  Normalen  einer  T^- Fläche  gebildet  werden,  deren  Haupt- 
krümmungsradien Ti,  r^  durch  die  Gleichung: 

r^  —  ^2  =  Const. 
verbunden  sind. 

Jetzt,  bei  der  Behandlung  der  allgemeinen  Frage,  müssen  wir  in 
den  Gleichungen  des  voraufgehenden  Paragraphen 

Q  =  Const.,     iß  =  Const. 
annehmen.     Dann  werden  die  Gleichungen  (35): 

TT  —  TT  —  _  ii^^  . 

^1   ^2   4p2      ? 

und  da  eben 

sin  Sl 
die  Entfernung  der  Grenzpunkte  ist,  so  haben  wir  den  Satz:  Wenn 
in  einem  Strahlensystem  die  Entfernung  der  Brennpunkte 
sowohl  als  auch  diejenige  der  Grenzpunkte  constant  ist,  so 
sind  die  beiden  Brennflächen  pseudosphärische  Flächen,  deren 
Radien  gleich  der  Entfernung  der  Grenzpunkte  sind. 

Die  Strahlensysteme  dieser  Art,  deren  Vorhandensein  für  alle  Werte 
von  Q  und  Sl  wir  später  nachweisen  werden,  heissen  pseudosphä- 
rische Strahlensysteme.  Hier  wollen  wir  unter  der  Voraussetzung, 
dass  es  solche  wirklich  giebt,  noch  einige  Eigenschaften  bezüglich  des 
Entsprechens  der  Punkte  auf  den  beiden  Mänteln  der  Brennfläche  ab- 
leiten. Als  Differentialgleichung  der  Haupttang  entencurven  finden  wir 
auf  beiden  Mänteln  aus  den  Gleichungen  (34): 

Edu'  —  Gdv'  =  0, 
sodass  die  Haupttangentencurven  auf  den  beiden  Mänteln  einander  ent- 
sprechen.    Ferner   ergeben   sich    für    die   Quadrate    der  Linienelemente 
ds^,  ds^  nach  (33)  und  (33*)  die  Ausdrücke: 

ds^^  ==  4^^    ( I  2  I  ^^  —  1  1  I  ^^/   "^  (^(^v^ 


ds^^  ==  4  p 


( { V }  du  —  }  Y^  \dvy  ^  Edu' 


§  151.    Pseudosphärische  Stxahlensjst«me.  283 

und  daraus  folgt,  dass  die  Bogen  entsprechender  Haupttaugenteucurven 
einander  gleich  sind.  Aus  den  Gleichungen  (33)  und  (34)  erhalten 
wir  als  Differentialgleichung  der  Krümmungslinien  auf  beiden  Mänteln: 

Wir  haben  somit  den  Satz:  Auf  den  beiden  Mänteln  der  Brenn- 
fläche eines  pseudosphärischen  Strahlensystems  entsprechen 
die  Krümmungslinien  einander,  ebenso  die  Haupttangenten- 
curven,  und  es  sind  überdies  entsprechende  Bogen  der 
letzteren  einander  gleich*). 


*)  Erwähnenswert  sind  die  Folgerungen,  die  sich  aus  den  Gleichungen  in 
§  146  für  die  sphärischen  Bilder  u,  v  der  Hauptflächen  eines  pseudosphärischen 
Strahlensystems  ergeben.  Da  r  und  q,  also  auch  qp  =  }/r* — 9'  constant  sind,  so 
geht  Gleichung  (23),  S.  272,  über  in  : 


cHogVEG  =  9  y^  _  cosaVEG. 


cucc  r 

Also:  Das  Quadrat  des  Linienelements  der  Kugel,  bezogen  auf  die 
Bildcurven  m,  v  der  Hauptflächen  eines  pseudosphärischen  Strah- 
lensystems, nimmt  die  Form: 

(a)  ds'^  =  Edu^  -\-  Gdc'- 

an,  wo  das  Product  YEG  eine  Lösung  der  Liouville'schen  Gleichung: 

(b)  ^lM^  =  cosßl/^G    (a  =  Const.) 

cucv 

ist. 

Umgekehrt  ist  gemäss  §  146  klar,  dass,   wenn  das  Linienelement  der  Kugel 

auf  die  Form  (a)  gebracht  und  dabei  Gleichung  (b)  erfüllt  ist,  es  ein  entspre- 
chendes pseudosphärisches  Strahlensystem  giebt. 

Ist  insbesondere  das  pseudosphärische   System  ein  Normalensystem,   so  ist 

fl  =  -—  ,     — ß-K — —  ==  0,  und  VEG  kann  ohne  weiteres  gleich  Eins  gesetzt  wer- 
2  cucv  '  ^  SB 

den.     Werden  dann  u,  v  als  rechtwinklige  Cartesische  Coordinaten  eines  Punktes 

in  einer  Bildebene  aufgefasst,  so  liegt  hier  eine  flächentreue  Abbildung  der  Kugel 

auf  die  Ebene  vor,  bei  der  dem  Orthogonalsyst^m  der  Parallelen  zu  den  Coordi- 

natenaxen  in  der  Bildebene  ein  Orthogonalsystem  auf  der  Kugel  entspricht. 

Zu  diesen  Ergebnissen  würde  man  direct  in  der  Weise  gelangen,  dass  man 
nach  Satz  (C),  S.  250,  die  sphärischen  Bilder  der  Krümmungslinien  derjenigen 
TT- Flächen  zu  bestimmen  suchte,  bei  welchen  die  Diß"erenz  der  Hauptkrümmungs- 
radien constant  ist. 

Bemerkenswert  ist  noch  der  Fall  ß  =  0;  dann  wird  das  Strahlensystem  von 
den  Tangenten  der  einen  Schar  Haupttangentencurven  einer  pseudosphärischeu 
Fläche  gebildet  (vgl.  §  142,  S.  267). 


284  Kap.  10.    Strahlensysteme  (Congruenzen). 

§  152.    GuiChard'sche  Strahlensysteme.    Guichard'sche  und  Voss'sche 

Flächen. 

Die  zweite  Frage,  die  wir  uns  vorlegen,  ist  die  folgende*): 
Bei  welchen  Strahlensystemen  schneiden  die  abwickelbaren 
Flächen  die  Brennflächen  in  Krümmungslinien? 

Für  diesen  Fall  müssen  wir 

F,  =  0,     F,  =  0 
haben,  und  es  ergeben   sich  also    infolge   von   (33)  und  (33*)   (unter 
der  Voraussetzung,  dass  sich  die  Brennflächen   nicht  auf  Curven  redu- 
cieren)  als  notwendige  und  hinreichende  Bedingungen: 

fl2i  __  (l2l  __ 

-  Nun  besagen  diese  (§67,  S.  130),  dass  die  sphärischen  Curven 
ti,  V  die  Bilder  der  Haupttangentencurven  einer  pseudosphärischen 
Fläche  sind,  und  somit  haben  wir  das  Ergebnis:  Die  gesuchten 
Strahlensysteme  sind  sämtlich  und  ausschliesslich  diejenigen, 
welche  zum  Bilde  der  abwickelbaren  Flächen  die  Bildcurven 
der  Haupttangentencurven  einer  pseudosphärischen  Fläche 
'haben. 

^     Da  dann  (§  67) 

E  =  G  =\,     also     F  =  cos  5i 
gesetzt   werden  kann,   so   lautet   die  Laplace'sche  Gleichung,   die  q  be- 
stimmt, nach  (28),  S.  276: 

Jeder    Lösung  q   dieser   Gleichung    entspricht   ein   Strahlensystem 

der  eben  betrachteten  Art;  wir  wollen  diese  Systeme  Guichard'sche 
Strahlensysteme  nennen. 

Für  die  Quadrate  der  Linienelemente  der  beiden  Mäntel  der  Brenn- 
fläche eines  Guichard'schen  Systems  ergeben  sich  aus  den  Gleichungen 
(33)  und  (33*)  die  einfachen  Ausdrücke: 


ds^^  =  4Q^^du^  -\-  4  iJ-j  dv'\ 


In   der  Gleichung  (36)  bedeutet  Sl  nach  §  67,   S.  131,   eine   beliebige 
Lösung  der  Gleichung: 


'^ — ^~  ==  —  sm  Sl. 


*)  Vgl.  Guichard  a.  a.  0. 


§  152.    Guichard'sche  Strahlensysteme.    Guichard'sche  u.  Voss'sche  Flächen.     285 

und   mit   Guichard   maff   bemerkt   werden,   dass    ;= — ,  -7^  particuläre 

Lösungen  der  Gleichung  (36)  sind;  einer  der  beiden  Brennflächen- 
mäntel  ist  für  diese  Lösungen  eine  Kugel. 

Auf  der  Guichard'schen  Fläche  S^  haben  die  Krümmungslinien 
r  =  Const.  die  Strahlen  des  Systems  zu  Tangenten.     Es  möge  nun  F, 

»  O  Ol 

die  Evolutenfläche  von  S^  bezüglich  der  Curven  v  =  Const.  sein.  Die 
Normale  in  einem  Punkte  von  J\  ist  dann  dem  entsprechenden  Strahl 
des  Guichard'schen  Systems  parallel;  und  da  nun  die  Curven  Hj  r  auf 
r^  conjugiert  sind,  so  besitzt  die  Fläche  F^  die  Eigenschaft,  dass  bei 
ihrer  Gaussischen  Abbildung  auf  die  Kugel  das  Bild  ihres  conjugierten 
Systems  11,  r  mit  demjenigen  der  Haupttangentencurven  einer  pseudo- 
sphärischen Fläche  zusammenfällt.  Xun  braucht  man  nur  auf  die  Glei- 
chungen (25),  §  69,  S.  135,  zui-üokzugreifen,  um  zu  sehen,  dass,  wenn 

.      (rsl 
mit   I    .  [    die   für   die  Fläche  F^  gebildeten  Christofferschen  Symbole 

bezeichnet  werden, 

nir«'  {Vir« 

ist,  d.  h.  dass  die  Curven  u,  v  auf  der  Fläche  F^  geodätische  Linien  sind. 
Die  Flächen  dieser  Art,  auf  denen  es  ein  von  geodätischen  Linien  ge- 
bildetes conjugiertes  System  giebt,  sind  zuerst  von  Voss*)  untersucht 
worden  und  sollen  als  Voss'sche  Flächen  bezeichnet  werden.  Also: 
Jede  Guichard'sche  Fläche  hat  als  einen  Mantel  der  Evo- 
lutenfläche eine  Voss'sche  Fläche. 

Umgekehrt  sieht  man  sofort:  Die  Evölventenflachen  einer 
Vöss'schenFläche  bezüglich  der  einen  öder  der  andereif  Schar 
geodätischer,  ein  conjugiertes  System  l)ildender  Linien  sind 
Guichard'sche  Flächen. 

Wir  werden  später  auf  die  Eigenschaften  der  in  diesem  Paragra- 
phen betrachteten  Flächen  und  auf  ihre  Beziehungen  zu  den  pseudo- 
sphärischen Flächen  zurückkommen. 


*)  Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  der  Wissenschaften,  März  1888. 


Kapitel  XI. 

Unendlicli  kleine  Verbiegnngen  der  Flächen  und  Entsprechen 
durch  Orthogonalität  der  Elemente. 

Zusammenhang  der  Aufgabe  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  mit  der  Frage 
nach  Paaren  von  Flächen,  die  sich  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entsprechen, 
sowie  nach  Paaren  von  auf  einander  abwickelbaren  Flächen.  —  Grundlegende 
Gleichungen  von  Weingarten.  —  Die  charakteristische  Function  qp  und  die  charak- 
teristische Gleichung.  —  Die  bei  einer  unendlich  kleinen  Verbiegung  associierten 
Flächen.  —  Zurückführung  der  charakteristischen  Gleichung  auf  die  beiden  Nor- 
malformen: -^ — ^— =  Md-,  -„— ^  +  -K— s-  =  M&.  —  Das  coniugierte  System,  das 
cucv  cu^        cv^  ''  ° 

bei  einer  unendlich  kleinen  Verbiegung   conjugiert  bleibt.   —  Eigenschaften  der 

Flächen,   die  einander   durch   Orthogonalität   der  Elemente    entsprechen.   —  Die 

Ribaucour'schen  Strahlensysteme.   —  Kurze  Angabe  einer  zweiten  Methode,  die 

Aufgabe  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  zu  behandeln. 


§  153.     Zusammenliang  der  Aufgabe  der  unendlich  kleinen 

Verbiegungen    mit  der  Frage    nach   Paaren  von  Flächen,    die    sich 

durch  Orthogonalität  der  Elemente  entsprechen,  sowie  nach  Paaren 

auf  einander  abwickelbarer  Flächen. 

In  dem  vorliegenden  Kapitel  wollen  wir  die  Untersuchung  der 
Deformationen  biegsamer  und  nicht  dehnbarer  Flächen  wieder  auf- 
nehmen und  zwar  die  unendlich  kleinen  Verbiegungen  derselben 
betrachten.  Die  vielfachen  Beziehungen  dieser  Theorie  zu  der  allge- 
meinen Flächentheorie j  insbesondere  zu  der  Theorie  der  Strahlensysteme, 
sowie  andrerseits  ihr  enger  Zusammenhang  mit  den  partiellen  Diffe- 
rentialgleichungen von  der  Laplace'schen  Form  verleihen  diesen  Unter- 
suchungen ein  ungemein  hohes  Interesse. 

Wir  entwickeln  zunächst  die  Grundformeln  unter  Anlehnung  an 
die  Abhandlung  von  Weingarten  im  100.  Bande  von  Grelles  Journal. 

Für  die  Fläche  S,  deren  unendlich  kleine  Verbiegungen  wir  unter- 
suchen wollen,  behalten  wir  unsere  alten  Bezeichnungen  bei.  Der 
Punkt  P  oder  (pc,  y,  z)  von  S   erfahre  bei  der  betreffenden  unendlich 


§  163.  Zwei  endliche  Fassungen  d.  Aufg.  d.  unendlich  kleinen  Verbiegungen.      287 

kleinen  Verbiegiing  eine  Verschiebung,  deren  Componenten  nach  den 
Coordinatenaxen  die  Grössen 

ex,     sy,     b1 

sein  mögen,  wo  x,  y,  z  bestimmte  Functionen  von  u,  v  sind  und  £ 
eine  unendlich  kleine  Oonstante  ist,  deren  Potenzen  von  der 
zweiten  an  vernachlässigt  werden  können.  Nach  der  Verbie- 
giing ist  der  Punkt  P  in  den  Punkt  P'  gerückt,   der  die  Coordinaten 

A"'=  X  -f-  *ä"?      y'=  y  -\-  aij y      z'=  z  -\-  ss 

hat,  und  da  nach  Voraussetzung 

dx'  -h  dy'-  +  dz'-  =  dx'-  -\-  dy-  -f  dz- 

sein  muss,  so  ergiebt  sich: 

(1)  dxdx  -f-  dydy-{-dzdz  =  0. 

Dieser  Gleichung  hat  Moutard  die  folgende  einfache  und  wichtige 
geometrische  Deutung  gegeben: 

Man  betrachte  x,  y,  z  als  Coordinaten  eines  Raumpunktes  P;  wäh- 
rend P  die  Fläche  S  beschreibt,  beschreibt  dann  P  eine  Fläche  S,  die 
Punkt  für  Punkt  der  Fläche  >S  entspricht,  und  zwar  ist  zufolge  der 
Gleichung  (1)  das  Entsprechen  ein  derartiges,  dass  zwei  entsprechende 
Linienelemente  von  S  und  S  auf  einander  senkrecht  stehen.  Umgekehrt, 
ist  S  eine  Fläche,  die  durch  Orthogonalität  der  Elemente  der  Fläche 
S  punktweise  entspricht,  so  ergiebt  sich  daraus  eine  unendlich  kleine 
Verbiegung  der  Fläche  S. 

Man  kann  also  der  Aufgabe  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen 
einer  Fläche  S  folgende  endliche  Fassung  geben:  Die  Flächen  S  zu 
bestimmen,  die  der  Fläche  S  durch  Orthogonalität  der  Ele- 
mente entsprechen*). 


*)  Es  mag  gleich  hier  bemerkt  werden,  dass  jeder  Fläche  S  stets  eine  Ebene 
S  zugeordnet  werden  kann,  die  ihr  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entspricht. 
Hierzu  braucht  man  nur  die  Pimkte  der  Fläche  S  auf  die  Ebene  orthogonal  zu 
projicieren  und  das  Bild  in  der  Ebene  um  einen  rechten  Winkel  um  einen  festen 
Mittelpunkt  zu  drehen.  Wählen  wir  als  diese  Ebene  die  ^ -Ebene  und  als 
Drehungsmittelpunkt  den  Coordinatenanfangspunkt ,  so  haben  wir: 

^  =  +  y,    y  =  —  '^,    J  =  o, 

wodurch    die   Gleichung  (1)    in    der  That  erfüllt  wird.     Der  Punkt  (x,  y,  z)  ist 
nach  der  Verbiegung  in  den  Punkt 

X  -\-  ty,     y  —  sx,    z 
gerückt,    d.  h.    die   unendlich  kleine  Verbiegung  ist  in    diesem  Falle  bloss   eine 
Drehung  um  die  ;e-Axe.    Wir  fügen  noch  hinzu,  dass,  wie  sich  leicht  nachweisen 


^88     Kap.  11.    Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 

Eine  zweite  endliche  Fassung  derselben  Aufgabe  ergiebt  sich  aus 
den  folgenden  Ueberlegungen :  es  werde 

gesetzt,  wo  t  eine  Constante  ist.  Werden  |,  ?j,  t,  als  Coordinaten  eines 
bewegliehen  Punktes  einer  Fläche  H  aufgefasst,  so  erhalten  wii-  für 
das  Quadrat  des  Linienelements  dieser  Fläche  nach  (1): 

f7|^  +  dri^  +  dt^  =  dx'  +  dp'^  +  d^'  +  f  {dx"  +  df  +  dz'') , 

d.  h.  einen  Wert,  der  sich  nicht  ändert,  wenn  t  durch  —  t  ersetzt 
wird.     Betrachten  wir  also  die  Ortsfläche  H'  des  Punktes 

^'=x—tx,      Yi'=y  —  ty,      t;=y  —  rz, 

so  sind  H  und  Z"  auf  einander  abwickelbar,  wobei  sich  die  Punkte  (|,  ^,  ^), 
(I',  ^',  t,')  entsprechen.  Der  Mittelpunkt  der  Strecke,  die  zwei  ent- 
sprechende Punkte  von  E,  U'  verbindet,  ist  der  Punkt  P  oder  [x,  y,  z) 
von  S,  während  die  Richtung  dieser  Strecke  die  Richtung  der  Ver- 
schiebung angiebt,  die  P  erfährt. 

Umgekehrt  seien  2^,  2J'  zwei  auf  einander  abwickelbare  Flächen, 
und  I,  Tj,  ^5  I',  rj',  t,'  die  Coordinaten  zweier  entsprechender  Punkte. 
Setzt  man  dann : 

so  ist: 

dx d'x  -j-  dy  dy  -\-  dz  dz  =  0. 

Also:  Sind  zwei  Flächen  2;,  2J'  auf  einander  abwickelbar,  so 
ist  die  Ortsfläche  S  des  Mittelpunktes  der  Verbindungslinie 
zweier  entsprechender  Punkte  einer  unendlich  kleinen  Ver- 
biegung  fähig,  bei  der  jeder  Punkt  von  S  in  der  Richtung 
dieser  Verbindungslinie  verschoben  wird. 

§  154.     Die   charakteristische   Function  q)   und   die   charakteristische 

Gleichung. 

Wir  kommen  nun  zu  der  analytischen  Behandlung  unserer  Auf- 
gabe, die  in  der  Bestimmung  dreier  solcher  unbekannter  Functionen 
X,  y,  z  von  u,  v  besteht,  dass  die  Gleichung  (1)  oder  die  drei  Glei- 
chungen: 


lässt,  die  angegebene  Con^truction  die  allgemeinste  ist,   die  einer  Fläche  S  eine 
Ebene  zuordnet,  welche  ihr  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entspricht. 


§  154.   Die  charakteristische  Function  qp  u.  die  charakteristische  Gleichung.     289 

yrra-rS_.         V^j^^^O         ^  ^1^  £^  +  V  ^  £^  =  0 

erfallt  werden. 

Um    dieses   Gleichungensystein    srinmetrisch    zu    behandeln,    führt 
Weingarten  die  Invariante  des  Differentialausdrucks 

bezüglich  der  ersten  Grundform  der  Fläche  S, 

ds-  =  Edu-  +  2Fdu  dv  +  Gdv^, 
als  Hilfsfiinction  tp  ein,  indem  er  nämlich 

_— =L=/—  V^— —  —    V^^^ 
^  ^  iySG—  F'Xcv  ^      du        cu  ^      ^^J 

1  /  <^  ££  £X  -^  ££  CX\ 

2>/i:(?  —  F*\^  cv  cu  ^  cudv) 
setzt.  Diese  Function  (p,  die  Weingarten  die  Verschiebungs- 
function  nennt,  wollen  wir  als  die  charakteristische  Function 
bezeichnen.  Wie  Volterra  bemerkt  hat*),  besitzt  sie  eine  einfache 
kinematische  Bedeutung:  sie  giebt  nämlich  die  nach  der  Normale  ge- 
nommene Componente  der  Drehung  au,  die  ein  Obei-flächenelement  von 
S  bei  der  Verbiegung  erfährt. 

Die  letzte  der  Gleichungen  (2)  lässt  sich  durch  die  beiden  ersetzen: 

Bilden  wir  mit  Hufe  der  ersten  den  Ausdruck 

ciffVEG  —  F*) 
cu 

indem  wir  berücksichtigen,  dass  infolge  der  ersten  Gleichimg  (2) 
"^dx    c'x 'S^gx    c^x 

j^  duCUCV  ^   CK   cucv 

ist,  und   indem   wir  unter  Beachtung   der    früher   (S.  92)    gefundenen 
Gleichung: 

die  Fundamentalgleichungen  (I),  §  47,  S.  89,  benutzen,  so  finden  wir: 


(4)  £qp 


CU  yEG  —  F- 


*)   Sulla  deformazione  delle  superficie  flessihili  ed  inestendibili.     Rendiconti 
della  Reale  Accad.  dei  Lincei,  Sitzung  vom  6.  April  1884. 

Bianchi,  Differentialfteometrie.  19 


290     Kap.  11.    Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 
Bilden  wir  analog  aus  der  zweiten  Gleichung  (3) 

dv 
so  ergiebt  sich: 

Wird  der  kein  Interesse  bietende  Fall,  dass  die  Fläche  8  abwickelbar 
ist,   ausgeschlossen,  d.  h. 

BJ)"—  D'2  4=  0 
vorausgesetzt,  so  geben  die  Gleichungen  (4)  und  (4*)  nach 


aufgelöst ; 


2' 


D^i^-D't^  D"|?_D'^9' 


/rx       'VT  -Y^^  ^^  ^'^  'VT  T^^aj  ^it  dv 

^  ^    ^       du~~         KyEG  —  F^  '        ^       dv  ~~    k^EgZTW 


wo  wie  gewöhnlich  K  das  Krümmungsmass  der  Fläche  S  bedeutet. 

Nun  brauchen   die   Gleichungen   (2),  (3)  und   (5)   nur  combiniert 
zu  werden,  damit  sich  durch  Auflösung  die  folgenden  ergeben: 

( 


(6) 


\     cv  cvl  \     du  du! 

^^  ~  KyiEG  —  F^ 

D'L  i?  -  X  f*^)  -  D"  L  1^  -  X  p) 
ex  \     ov  cvl  \     du  oul 


cv  KYEG—F^ 

dazu  analoge  für  y  und  z.  Hieraus  erhellt,  dass  sich,  sobald  die 
charakteristische  Function  g)  bekannt  ist,  die  Fläche  S,  die  der  Fläche 
S  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entspricht,  mittels  Quadraturen 
ergiebt. 

Nun  folgt  aus  den  Gleichungen  (5)  weiter: 

_a^(      du        dv  )  I  AI     g^         g^  \  _^dxdx _^dxdx 

du  V  KyEG  —  F^  J        dv  \kYKG^F^  J  ~~ ^  dv  du       jLJ  du  W 

und  wenn  rechts  für  -^5— ?  -^—   die  Werte    eingesetzt  werden,    die  sich 

du      dv  °  ' 

aus  den  Fundamentalgleichungen  (II),  §  47,  S.  90,  ergeben,  so  folgt: 

Die  charakteristische  Function  q)  muss  der  folgenden 
partiellen  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung,  die  wir 
als  die  charakteristische  Gleichung  bezeichnen  wollen,  ge- 
nüsren: 


(7) 


YEG—F* 


§  155.    ümformttng  der  charakteristischen  Gleichung.  291 

d  I         gtt cv_  I    1    ^1       cv cu 

)u\  KVEG  —  F*  J        dv  \Ki/EG  —  F* 


a 
L^u  V  kYeg  —  f'  J   '  ao  VÄ:yFö— 

2FD'—  ED"—  GD 
EG—  F* 


9'.*) 


§  155.     Umformung  der  charakteristischen  Gleichung. 

Wir  wollen  nun  beweisen,  dass  jedem  Integral  q)  dieser  Gleichung 
eine  Lösung  der  Aufgabe  entspricht.  Hierzu  bemerken  wir,  wie  in 
der  Anmerkung  zu  S.  287,  dass,  wenn 

'^  =  +  y,    y  =  —  x,    z  =  o 

gesetzt  wird,    die   Gnmdgleichung  (1)   erfüllt  ist.     Der   entsprechende 
Wert  der  charakteristischen  Function  q>  ist 

daher  besitzt  die  Gleichung  (7)  die  particulären  Lösungen 

X,    F,   Z. 

Hierauf  lässt  sich  sofort  nachweisen,  dass,  wenn  tp  eine  Lösung 
der  Gleichung  (7)  ist,  die  Gleichungen  (6)  den  Integrabilitätsbedingungen 
genügen  und  mittels  Quadratui-en  eine  Fläche  S  ergeben,  die  der  Fläche 
>S  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entspricht. 

Aus  dem  soeben  Bemerkten  folgt  weiter,  dass  diejenigen  unend- 
lich kleinen  Yerbiegungen  der  Fläche  S,  die  nur  in  einer  Bewegung 
bestehen,  den  Lösungen 

^  =  aX  -\-bY  -\-  cZ    (a,  h,  c  =  Const.) 

der  charakteristischen  Gleichung  (7)  entsprechen. 

Wir  bringen  nun  die  Gleichung  (7)  auf  eine  für  die  Anwendungen 
sehr  wichtige  Form.     Dieselbe  ergiebt  sich,  wenn  die  Coefficienten 

e,  f,  9, 
die  bei  der  sphärischen  Abbildung  von  S  auftreten,  eingeführt  werden. 
Wird  die  Gleichung  {!)  mit  YWG^ F^  .  ^eg—f  multipliciert  und 
wird  dabei  berücksichtigt,  dass  nach  S.  121 


K^EG  —  F'  =  ±  Veg—p 
ist,  so  folgt: 


^    no  .                   iFD—  ED"—  GD      ..^,.       ...,       ^  .. 
*)  Der  Coefficient  von  w,  =^ s^i ,  giebt  die  mittlere  Krümmung 

H  von  S  an. 

19* 


292       Kap.  11.    Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  d.  Orthog.  d.  El. 


JD' 


du\yeg—  f^du        j/Vg 

B'     dcp 


dv  [yeg  —  p  dv 


—  Pdv)  ~^ 

-^{eD"+gI) 


2fl)')cp  =  0. 


Werden    die    Christofferschen   Symbole    V ^  \   für    das  sphärisclie  Bild 

mit    Strichen    versehen    und    die   Gleichungen   (6*),  §  63,  S.  124,    be- 
rücksichtigt, so  geht  obige  Gleichung  über  in: 

B' 


du- 


dcp 

du 


2D' 


du  dv 


oder  nach  S.  46,  (22): 
0*)        D"l9>n+e<p] 


d^  +  '^_ 

d(p 

du 

22'  ' 
1 


dcp 


dv 


dcp 
dv 


|12 

\22Ydcp 

I2    I    dv+^'P 


+  f<P 


+ 


2-D'  [9>i;  +  M  +  ^  [9^22'+  y<p]  =  0, 


wo  die  Symbole  gp^/,  qo^^',  9^22'  ^^^  covarianten  zweiten  Diffe- 
rentialquotienten der  charakteristischen  Function  (p  bezüg- 
lich des  Linienelements  der  Kugel  bedeuten.  Wird  die  charak- 
teristische Gleichung  in  dieser  Form  geschrieben,  so  ist  gemäss  den 
Gleichungen  (4),  §  63,  S.  122,  klar,  dass,  wie  vorhin  bemerkt,  X,  Y,  Z 
particuläre  Lösungen  von  ihr  sind. 

Wir  bemerken   nun,   dass,   wenn  wir  die  Fläche  S^   wie  in  §  72, 
Kap.  V,  durch  die  Ebenencoordinaten 

X,    Y,   Z,    W 

bestimmen,  d.  h.  mit  W  den  Abstand  der  Tangentialebene  vom  Coor- 
dinatenanfangspunkt  bezeichnen,  infolge  der  Gleichungen  (35)  des  an- 
geführten Paragraphen  die  charakteristische  Gleichung  (7*)  wie  folgt 
lautet: 

(8)         (Tr,/+  g  Tr)(^,/+  ecp)  -  2(W,,'+  fW){cp,,'-i-  fcp)  + 

Da  sie  in  W  und  q)  symmetrisch  ist,  so  lehrt  sie  uns,  dass,  wenn 
mit  Sq  die  Enveloppe  der  Ebenen: 

xX-i-yY-\-0Z=<p 

bezeichnet  wird,  ebenso,  wie  cp  die  charakteristische  Function  für  eine 
unendlich  kleine  Verbiegung  der  Fläche  ;S'  ist,  W  die  charakteristische 
Function  für  eine  unendlich  kleine  Verbiegung  von  S^  ist. 


V*)  I  n  ;i,.i    j    o  n  '^7,.  ^.,  j^  7^  "  /7«2 


§  156.    Die  bei  unendlich  kleinen  Yerbiegxingen  assocüerten  Flächen.      293 

§  156.     Die   bei   einer   unendlich   kleinen  Verbiegung   assocüerten 

Flächen. 

Um  die  charakteristische  geometrische  Beziehung  zwischen  zwei 
solchen  Flächen  S  und  Sq  zu  erkennen,  bemerken  wir,  dass,  wenn 
wir  dieselben  einander  Punkt  für  Punkt  durch  Parallelismus  der  Nor- 
malen entsprechen  lassen,  und  wenn  wir  mit 

Ddu-    +  2D'dudv  +  D"  dv\ 

D^du-  +  2DQ'dudv  +  D«"  dv^ 

bezüglich  die  beiden  zweiten  Grundformen  von  S  und  S^  bezeichnen 
und  dabei  berücksichtigen,  dass 

—  Do  =  <pu'+  e(p,     —  Dq=  9)12'+  f9,     —  A"=  ^'22'+  9^ 

ist,  die  Gleichung  (8)  in  die  folgende  übergeht: 

(8*)  D"Do  +  DDo"—  2D'2)o'=  0. 

Dieselbe  besagt,  dass  die  simultane  Invariante  dieser  beiden  Differential- 
formen gleich  Null  ist.  Geometrisch  ausgedi-ückt  heisst  dieses,  dass 
den  Haupttangentencurven  auf  der  einen  Fläche  ein  conjugiertes  System 
auf  der  anderen  entspricht,  wie  mau  auf  Grund  der  Invariant^neigen- 
schaft  der  Gleichung  (8*)  sofort  daraus  ersieht,  dass,  wenn  J)  =  D"=0 
ist,  Do=  0  folgt. 

Wenn  sich  umgekehrt  die  beiden  Flächen  S  und  Sq  durch  Paralle- 
lismus der  Normalen  in  der  Weise  entsprechen,  dass  den  Haupttan- 
gentencurven auf  der  einen  ein  conjugiertes  System  auf  der  anderen 
entspricht,  so  ist  infolge  der  Gleichung  (8)  oder  der  äquivalenten  (7*) 
sofort  klar,  dass  der  Abstand  eines  festen  Raumpunkts  von  der  Tan- 
gentialebene der  einen  die  charakteristische  Function  für  eine  unend- 
lich kleine  Verbiegung  der  anderen  ist.  Wir  sagen  dann,  dass  die 
Flächen  S,  Sq  ein  Paar  associierte  Flächen  sind. 

Wir  sehen  nun,  dass,  wenn  von  zwei  assocüerten  Flächen  die  eine 
ein  positives  Krümmungsmass  besitzt,  die  andere  sicherlich  ein  nega- 
tives hat,  wie  aus  der  Gleichung  (8)  hervorgeht,  denn  wird  darin  z.  B. 
i)'=  0  angenommen  und  D,  D"  dasselbe  Vorzeichen  beigelegt,  so 
folgt  daraus,  dass  Dq  und  Bq"  entgegengesetzte  Vorzeichen  haben. 
Dagegen  kann  einer  Fläche  mit  negativem  Krümmungsmass  sowohl 
eine  solche  mit  negativem  wie  mit  positivem  Krümmungsmass  associiert 
sein.  Eine  der  beiden  assocüerten  Flächen  S,  Sq  wenigstens  besitzt 
demnach  reelle  Haupttangentencurven,  nehmen  wir  z.  B.  an,  die  Fläche 
Sq.  Wir  wählen  dann  als  Parameterlinien  ?/,  v  auf  Sq  die  Haupttan- 
gentencurven,  denen  auf  S   ein  conjugiertes   System  entspricht.     Aus 


294     Kap.  11.   Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 

den  Formeln  für  die  sphärische  Abbildung,  Kap.  V,  insbesondere  den 
Gleichungen  (13)  und  (22),  S.  126  und  134,  erkennt  man  sofort,  dass 
die  Beziehungen  zwischen  den  Coordinaten  x,  y,  z-^  ^o?  ^o;  ^o  zweier 
entsprechender  Punkte  auf  S  und  S^  wie  folgt  lauten: 


(9) 


'  dx ,  dXf^  dy  ,  dy^  dz  ,  dz^ 

GU                   OV  ÖU  ÖV  CU  GV 

dx            dxr.  dy  dy^  dz  dz^ 

OV                  CU  OV  CU  OV  ou 


wo  l,  m  passende  Functionen  von  u,  v  sind. 

Wir  betrachten  ferner  dasjenige  conjugierte  System  (a,  ß)  auf  S, 
dem  auf  Sq  ebenfalls  ein  conjugiertes  entspricht,  indem  wir  nämlich 
als  Veränderliche  a,  ß  diejenigen  einführen,  durch  die  sich  die  beiden 
simultanen  Formen  (a)  als  Summen  von  Quadraten  darstellen  lassen. 
Dieses  System  ist  sicher  stets  reell,  wenn  eine  der  beiden  Flächen 
elliptische  Punkte  hat,  d.  h.  wenn  eine  der  beiden  Formen  (a)  definit 
ist.     In  diesen  Veränderlichen  cc,  ß  gelten  nach  §  69  die  Gleichungen: 

!dX(,                dx        dyo                dy        dz^  dz 

da        ■            dcc          dcc                    dcc          da  da 

,  dx^  dx        dy^  cy        dz^  dz 

[  dj  ""  ~  ^  a  ß '     dß  ~  '^^  d^ '     dj  ~~'^dß' 

Hierin  ist  r  eine  Function  von  a,  ß,  die  durch  die  Gleichungen: 
Q ^x  8JLogr  _^  _  2  1 1  2 1         0  log  r  9  1 1  2  \ 


da  l  2   J  '  dß  l  1   ) 

bestimmt  ist,  wo  die  Symbole  rechts  für  das  Linienelement  von  S  in 
den  Parametern  a,  ß  berechnet  sind. 

Wir  sehen  demnach,  dass  die  an  den  Curven  a,  ß  auf  S  und  S^ 
in  zwei  entsprechenden  Punkten  gezogenen  Tangenten  einander  parallel 
sind  und  dass  die  Laplace'sche  Gleichung  für  die  beiden  conjugierten 
Systeme  (a,  ß)  auf  S  und  S^^  gleiche  Invarianten  besitzt. 

Die  Gleichungen  (10)  können  auch  in  der  folgenden  Form  ge- 
schrieben werden: 


e 


(V+^)  =  K^o  -  ^l 


dß 

wo  A  und  ^  Proportionalitätsfactoren  sind.    Sie  lehren  uns,  dass,  wenn 
wir  das  von  den  Verbindungslinien  entsprechender  Punkte  P,  Pq  zweier 


§  157.    Zilrückfiihrung  d.  Charakter.  Gleich,  auf  ihre  beiden  Normalformen.      295 

associierfcer  Flächen  gebildete  Strahlensystem  betrachten,  die  abwickel- 
baren Flächen  desselben  die  Flächen  a  =  Const.  und  /3  =  Const.  sind 
und  dass  die  Brennpunkte  J\,  T^^  deren  Coordinaten 


—  r  1  — r 

bez.  ,  ,  , 

a?o  -\-rx        yo  +  ry        z^  -f  rz 

1  +  r  '  1  +  r  '  1  +  r 
sind,  die  Strecke  P Pq  harmonisch  teilen.  Also:  Die  abwickelbaren 
Flächen  des  von  den  Verbindungslinien  entsprechender  Punkte 
P,  Pq  zweier  associierter  Flächen  S,  Sq  gebildeten  Strahlen- 
systems schneiden  jede  dieser  Flächen  in  einem  conjugierten 
System  mit  gleichen  Invarianten;  auf  jedem  Strahl  teilen  die 
Brennpunkte  die  Strecke  PPq  harmonisch. 

§  157.     Zurückfülirung  der  charakteristischen  Gleichung  auf  ihre 
beiden  Normalformen. 

Wir  kehren  mm  im  Falle  einer  gegebenen  Fläche  S  zu  der 
charakteristischen  Gleichung  (7*)  für  die  unendlich  kleinen  Verbie- 
gungen  zurück  und  wollen  dieselbe  durch  zweckmässige  Wahl  der  Para- 
meterlinien u,  V  in  eine  Form  bringen,  die  wir  als  die  Normalform 
bezeichnen. 

1.  Wir  setzen  zunächst  voraus,  dass  die  Fläche  S  entgegengesetzt 
gerichtete  Hauptkrümmungsradien  besitze,  und  wählen  als  Parameter- 
linien die  Haupttangentencurven  u,  v.  Da  dann  D  =  0,  D"=  0  ist, 
so  lautet  die  Gleichung  (7*): 

oder,  wenn  wir  mit  Hilfe  der  Gleichungen  in  §  64,  S.  125,  entwickeln: 

/19\  g'y        1       1   clogQ  Ctp     .      1    C  logg  aqp     1      .•      _  rv 

Ist  (p  eine  Losung  der  Gleichung,  so  lauten  die  allgemeinen  Glei- 
chungen (6),  welche  die  der  Fläche  S  durch  Orthogonalität  der  Ele- 
mente entsprechende  Fläche  S  bestimmen: 

cu  ^  \     cu        ^    cu/ 

ex (ir^ 0^ 

cv  "\     cv         ^    dv) 


(13) 


Nun  wenden  wir  die  Transfonnation  an,  deren  wir  uns  in  §  68,  S.  132, 
zur  Ableitimg  der  Lelieuvre'schen  Formeln  bedient  haben,  d.  h.  wir 
ersetzen  die  unbekannt«  Function  tp  durch 


296     Kap.  11.   Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 


Die  Gleichung  (12)  geht  dann  über  in: 


(14) 


d''& 


M&,     M  = 


1  ayp 


dudv  '  "j/p  du  dv 

und  die  Gleichungen  (13)  lauten  dementsprechend: 


/, 


(15) 


dx 

du 


l 

%• 

di 

d& 

du 

du 

dx 

dv 


1 

-9- 

ai 

dO- 

dv 

dv 

analog  in  y  und  z,  und  zwar  ergeben  sich  diese  letzteren,  wenn  |  der 
Reihe  nach  durch  ri  und  t,  ersetzt  wird.  Erinnern  wir  uns  nun  daran, 
dass  l,  rj,  t,  selbst  in  den  Lelieuvre'schen  Formeln  (18),  S.  132,  drei 
particuläre  Lösungen  der  Gleichung  (14)  sind.  Jede  andere  von  ^,  rj,  t 
linear  unabhängige  Lösung  -O-  giebt  eine  wirkliche  unendlich  kleine 
Verbiegung  der  Fläche,  während  sich  entgegengesetzten  Falls,  wenn 
sich  &  linear  aus  i,  yj,  t,  zusammensetzt,  nur  eine  Bewegung  ergiebt. 

2.  Es  sei  nun  S  eine  Fläche  mit  positivem  Krümmungsmass.  Wie 
in  §  70  führen  wir  als  Parametersystem  (m,  v)  ein  isotherm-con- 
ju  giert  es  System  ein.     Die  charakteristische  Gleichung  wird  dann: 

d.  h.  (§71,  S.  138): 

(16)        p,  +  ^-^  +  ^-^  1^  +  ^  l^  +  {e-}-g)cp  =  0, 

^     ^         du^    '    cv^    '       du,     du    ^       dv     dv    '    ^     '    "^^  ^  ' 

und  aus  den  Gleichungen  (6)  ergiebt  sich; 

dx 

(17) 


(  dx  /    dJi 


dv/ 


dX 
du 


X 


du) 


Durch  die  Transformation: 

geht  die  charakteristische  Gleichung  (16)  über  in; 


(18)      0  +  IV^  =  ^^^      ^  = 


Y^  V  ?«*  dv'^ 


(e+^r), 


und  als  die  Gleichungen,  welche  die  Fläche  S  bestimmen,  ergeben  sich: 


^9) 


dx 

du 


# 

l 

d%' 

dl 

dv 

dv 

dx 

dv 


d^  a|_ 

du    du 


nebst  analogen,  in  denen  x^  %  bezüglich  durch  ^,  -rj;  z,  t,  ersetzt  sind. 
Wir  können  also  dieses  Ergebnis  folgendermassen  aussprechen: 
Die  Gleichung,  von  der  die  Aufgabe  der  Bestimmung  der 


§  158.   Conjug.  System,  das  bei  unendl.  kleinen  Verbiegungen  conjug.  bleibt.     297 

unendlich    kleinen    Yerbiegungen    einer    Fläche    S    abhängt, 
lässt  sieh  auf  die  Normalform: 

1*1-  =  2f»  be.w.  r^  +  Üt  =  M9 

bringen,   je    nachdem    die    Fläche    S    ein   negatives    oder    ein 
positives  Krümmungsmass  besitzt. 

So  können  wir  z.  B.  für  alle  Flächen,  die  den  Gleichungen: 


cucv  '      cu^    '     cv 

entsprechen,  die  Aufgabe,  ihre  unendlich  kleinen  Yerbiegungen  zu  be- 
stimmen, vollständig  lösen,  insbesondere  für  die  geraden  Conoide  (§68) 
und  für  das  Rotationsparaboloid  (§  71). 

§  158.     Das  conjugierte  System,   das   bei  einer  unendlich  kleinen 
Verbiegung  conjugiert  bleibt. 

Wir  betrachten  zwei  associierte  Flächen  S,  Sq  und  wählen  als 
Parameterünien  auf  Sq  die  als  reell  vorausgesetzten  Haupttangenten- 
curven  u,  »;  die  ihnen  entsprechenden  Curven  auf  S  bilden  ein  con- 
jugiertes  System.  Die  charakteristische  Function  (p  für  die  entsprechende 
imendlich  kleine  Verbiegung  der  Fläche  S  genügt  (da  J)  =  0,  D"=0 
ist)  den  beiden  Gleichungen  (§  156.  S.  293): 

C'q>  (lll'rqp     ,      (lll'cqp 

Nun  sei  S  die  bei  derselben  unendlich  kleinen  Verbiegung  der  Fläche 
S  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entsprechende  Fläche.  Dann  er- 
halten wir  infolge   der  Gleichungen  (6)  die  Beziehungen: 

du        Veg  —  f*\      cv  ov  ) 

dx  D"         /-trCCp  cX^ 


cv         Yeg  ^  f*\      cu 

Bilden  wir 

c-x 
dudv 


\     cu  cu) 


unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen  (6*),  §  63,  S.  124 

c  (B    \    _|22r    -p    _|iir_^:i 

cv  \^eg  -  r-J  [2]  Veg-r        \  2  j  Veg - 

c  /  B"  \        f-22r    -p        (iiT    -p" 


298     Kap.  11.   Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 

SO  ergiebt  sich: 

a^^    ^  _  (11]'!)"  a^  _  (2  2|'  1)   dx_ 

dudv~~         1  2  I     Bdu         \  1  I   B"  dv  ' 

Aber  nach  den  Gleichungen  (25),  §  69,  S.  135: 

/i2l  /ll\'j>"        /12\  f22VD 

\l]=-~\^]    B^       l2l=-lli^ 

kann  diese  Gleichung  wie  folgt  geschrieben  werden: 


d'^x    ^   1 1  2  j  dx     .     1 1  2  \  a« 

dudv~~  \  1  \  'dii  '^   [  2  \   dv 


Daraus  ergiebt  sich,  dass  auch  auf  S  das  System  (u,  v)   conjugiert  ist, 
und  ferner,  dass  die  Laplace'sche   Gleichung  auf  S  dieselbe  ist  wie  auf 
S.     Des  weiteren  sehen  wir,  dass  derselben  Laplace'schen  Gleichung: 
d^&         fl2l  d»    ,    fl2l  a«- 


={?m+f 


wegen  der  Identität   (S.  289): 

'V"'  dx  ?^  _|_  "^V^  dx  dx ^ 

^L:  du  dv    '  .^J  dv  du 
auch  der  Ausdruck 

xx  -}-  yy  -\-  2z 

genügt.  Wenn  wir  nun  zu  der  auf  S.  288  gegebenen  zweiten  endlichen 
Fassung  der  Aufgabe  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  zurückkehren 
und  die  beiden  auf  einander  abwickelbaren  Flächen  2^,  2J'  betrachten, 
welche  die  Ortsflächen  der  Punkte: 

^=^x-^tx,     n  =  y-^ty,      ^  =  z-{-tz\ 
bezgl.  ^  \  (i=  Const.) 

i,'=^x  —  tx,      rj'=  y  —  ty ,      ^'=  0  —  t0] 

sind,  so  sehen  wir,  dass  auch  auf  U  und  2J'  das  System  (u,  v)  con- 
jugiert ist  und  dass  die  Laplace'sche  Gleichung  immer  dieselbe  bleibt. 
Von  dieser  ist  ausser  |,  rj,  ^;  |',  n]',  ^'  auch  der  Ausdruck 

(r  +  v'  +  l')  -  {l"  +  n"  +  n  =  ^Kxx  +  ^^  +  ^^) 

eine  Lösung*). 


*)  Vgl.  Koenigs,  Comptes  Rendus  de  l'Acad.  des  Sciences,  Bd.  CXVI,  S.  569 
(1893).  Der  Satz  von  Koenigs  ergiebt  sich  übrigens  sofort  daraus,  dass  auf  den 
zwei  auf  das  gemeinsame  conjugierte  System  bezogenen  und  auf  einander  ab- 
wickelbaren Flächen  die  Laplace'sche  Gleichung  dieselbe  ist.     Wenn 

9  =  W  +  ri'  +  t').    Q'=m''  +  n''  +  i'') 

gesetzt  wird,  so  folgt  (§  60,  S.  116): 

Qu  =  F,      912'=  F. 
Hieraus  könnten  wir  umgekehrt  die  Ergebnisse  des  Textes  folgern. 


§  158.    Conjug.  System,  das  bei  unendl.  kleinen  Verbiegungen  conjug.  bleibt.     299 

Insbesondere  gilt  dieses  für  einen  unendlich  kleinen  Wert  e  von  t, 
woraus  sich  der  Satz  ergiebt: 

Das  conjugierte  System  auf  einer  Fläche  S,  das  den  Haupt- 
tangentencurven  der  einer  Fläche  S  bei  einer  unendlich  klei- 
nen Verbiegung  associierten  Fläche  Sq  entspricht,  bleibt  bei 
dieser  Verbiegung  conjugiert.  Auf  der  Fläche  5,  die  der 
Fläche  S  durch  Orthogonalität  der  Elemente  entspricht,  ent- 
spricht diesemSystemwiederdas  homologe  conjugierte  System. 

Betrachten  wir  umgekehrt  bei  einer  unendlich  kleinen  Verbiegung 
einer  Fläche  S  dasjenige  conjugierte  System,  welches  bei  der  Verbie- 
gung conjugiert  bleibt*).  Ihm  entspricht  auf  der  associierten  Fläche 
Sq  das  System  der  Haupttangentencurven.  Wir  können  also  das  Er- 
gebnis so  aussprechen: 

Damit  ein  conjugiertes  System  auf  S  bei  einer  unendlich 
kleinen  Verbiegung  von  5  conjugiert  bleibe,  ist  es  notwendig 
und  hinreichend,  dass  sein  Gaussisches  sphärisches  Bild  auch 
dasjenige  der  Haupttangentencurven  einer  Fläche  Sq  ist.  Die 
Flächen  S,  Sq  sind  dann  bei  dieser  Verbiegung  associiert. 

Ist  insbesondere  das  conjugierte  System  das  der  KrümmungsKnien, 
so  geht  die  soeben  aufgestellte  Bedingung  in  die  über,  dass  das  sphä- 
rische Bild  der  Krümmungslinien  ein  Isothennensystem  sein  muss. 
Die  associierte  Fläche  Sq  ist  dann  eine  Minimalfläche**). 

§  159.     Eigenschaften    von   Flächen ,    die   einander    durch   Orthogo- 
nalität der  Elemente  entsprechen. 

Wir  wollen  nun  einige  Eigenschaften  von  Paaren  einander  durch 
Orthogonalität  der  Elemente  entsprechender  Flächen  S,  S    entwickeln. 


*)  In  jedem  Falle,  ausser  in  demjenigen  einer  blossen  Bewegung  (bei  der 
offenbar  jedes  conjugierte  System  conjugiert  bleibt),  ist  dieses  System  eindeutig 
bestimmt  und  sicher  reell,  wenn  die  Fläche,  die  verbogen  wird,  ein  positives 
Kriimmungsmass  hat.  Bezeichnen  wir  nämlich  mit  8D,  8D\  SD"  die  Varia- 
tionen von  D,  D',  D"  bei  der  Verbiegung,  indem  wir  das  gemeinsame  conju- 
gierte System  als  nicht  eindeutig  bestimmt  voraussetzen,  so  muss  die  Proportion: 

SB  :  SD':  SD'=  D  :  D' :  D" 
bestehen,  und  da  femer 

8J)D"—  D'^)  =  D8D"-\-  D"8D  —  2D'SD'=  0 
ist,  während  DD"—  D'-  nicht  gleich  Null  ist,  so  folgt  daraus: 

SD  =  8D'=  SD"=0. 

**)  S.  Weingarten,  Sitzungsber.  der  Königl.  Akad.  d.  Wissenscb.  zu  Berlin, 
28.  Jan.  1886. 


300     Kap.  11.  Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 

Wir  setzen  zunächst  voraus,  dass  die  Fläche  S  ein  positives  Krüm- 
mungsmass  besitze,  und  wählen  wie  in  §  157  als  Parameterlinien  u^  v 
auf  S  ein  isotherm- conjugiertes  System.  Die  Gleichungen  (19) 
können  nun  so  geschrieben  werden: 

«^'^  du       dv  \9/'       »  dv  ~~       du  \>/  ■ 


Daraus  folgt: 

d  ( 1  dx\    .     d  / 1  dx\       ^ 

a«  W^  diJ  "^  dv  W*  dv/  ~  ^ 

oder: 

d-x    .    d^x        fj^log^O-^S     ,    iy  dlog&  dx 

du^~^cv^               du     du     '    "      dv     dv 

nebst  analogen  Grleichungen  in  y  und  s.  Bezeichnen  wir  andrerseits 
mit    I      I   die  Christoffel'schen  Symbole  für  die   Fläche  S  und  analog 

mit  D,  D',  Z)";  X,  Y ,  Z  die  Coefficienten  der  zweiten  Grundform 
und  die  Richtungscosinus  der  Normale  von  S,  so  haben  wir  infolge 
der  Grundgleichungen  (I),  §  47,  S.  89: 

dazu  analoge  Gleichungen  in  y  und  z.  Durch  Vergleich  dieser  mit 
der  obigen  Gleichung  ergiebt  sich: 

jTll     ,    \¥i\        aiog^**         (iil     ,     (2^1        aiog^^ 
1  1  1  +  1  1  J  =  -du''       1  2  (  +  \  2  1  =  —d~^' 

B  4-  B"=  0. 

Die  letzte  dieser  Gleichungen  sagt  uns,  dass  JD  und  D"  einander  gleich, 
aber  dem  Vorzeichen  nach  entgegengesetzt  sind,  woraus  folgt:  Einer 
Fläche  S  mit  positivem  Krümmungsmass  entsprechen  durch 
Orthogonalität  der  Elemente  nur  Flächen  S  mit  negativem 
Krümmungsmass*). 

Wie  im  Falle  von  Paaren  associierter  Flächen  (§  156),  so  ist  auch 
hier  leicht  einzusehen,  dass  einer  Fläche  S  mit  negativem  Krümmungs- 
mass durch  Orthogonalität  der  Elemente  Flächen  sowohl  mit  positivem 
wie  mit  negativem  Krümmungsmass  entsprechen. 

Zweitens  setzen  wir  voraus,  dass  die  Fläche  S  ein  negatives  Krüm- 
mungsmass besitze,  und  wählen  die  Haupttangentencurven  als  Parameter- 
linien u,  V.  Die  Gleichungen  (15),  §  157,  S.  296,  können  dann  folgen- 
dermassen  geschrieben  werden: 


*)  Die  Fläche  ~S  kann  nur  dann  die  Krümmung  Null  besitzen,  wenn  D  =  0, 
Z>'==0,  D"=  0  ist,  und  geht  dann  in  eine  Ebene  über  (vgl.  §  153). 


§  159.   Eigensch.  v.  Fln.,  die  einander  durch  Orthog.    d.  Elem.  entsprechen.     301 
1  dx d_  /  I  \  1  ex c_  /J^\ 


Daraus  folgt: 
oder: 


d^x    dlog^dx    I    d\og&^  ex 

dudv  dv     du  du     dv 


Also:  Den  Haupttangentencurven  einer  Fläche  S  mit  negati- 
vem Krümmungsmass  entspricht  auf  jeder  Fläche  S,  die  S 
durch  Orthogonalität  der  Elemente  entspricht,  ein  conju- 
giertes  System  mit  denselben  Invarianten. 

Umgekehrt  setzen  wir  nun  voraus,  dass  es  auf  einer  Fläche  S  ein 
conjugiertes  System  mit  denselben  Invarianten  gebe,  für  das  also 


j  1  2  \  clog»        Tl  2 1  dlog- 

\  1  J  ~"     cv     '      1  2  J  ~     du 


ist,  wo  &  eine  passend  gewählte  Function  von  m,  v  ist. 

Werden  ^,  ^/,  ^  mittels  Quadraturen  aus  den  Gleichungen  bestimmt: 


a^ /j^\     _  j_  ax  A_(3\  ^  i  ^ 

du\9/              9*cu'  dv\9/        9^cv' 

A  (l.\  =  ^l£l  A  (A\  =  i-  ^ 

du\9/             »*du'  cv\9/        9'dv' 

so  sind  diese  Grössen  Lösungen  der  nachstehenden  Gleichung  für  &: 

d'e  ^  /dnog»  ,    J_  ^  ^\  0 

dudv        \  dudv  'd-^dudv/ 


Folglich  (§  68,  S.  133)  bestimmen  die  Lelieu vre' sehen  Formeln: 


ox  I  ^        „  ex        I  „       „ 

d-u  =  -\in.     ^1'        ^^1^     1^ 
\  cu     cu  \  \  dv     dv 


u.  s.  w. 


eine  Fläche  S,  auf  der  die  Curven  u,  v  die  Haupttangentencurven 
sind  und  die  durch  Orthogonalität  der  Elemente  der  Fläche  S  ent- 
spricht. Wir  sehen  also,  dass  die  Frage  nach  den  unendlich 
kleinen  Yerbiegungen  einer  Fläche  S  gleichbedeutend  ist  mit 
der  Bestimmung  der  conjugierten  Systeme  mit  gleichen  In- 
varianten auf  S. 


302     Kap.  11.    Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 

§  160.     Die  Ribaucour'schen  Strahlensysteme. 

Ribaucour  hat  zuerst  eine  wichtige  Klasse  von  Strahlensystemen 
betrachtet,  zu  denen  wir  in  der  folgenden  Weise  gelangen: 

Es  seien  S,  S  zwei  Flächen,  die  einander  durch  Orthogonalität  der 
Elemente  entsprechen.  Ziehen  wir  durch  die  Punkte  der  einen  von 
ihnen,  sagen  wir  S,  Strahlen  parallel  den  Normalen  in  den  entsprechen- 
den Punkten  von  S,  so  erhalten  wir  ein  Strahlensystem  der  erwähn- 
ten Art. 

Diese  Strahlensysteme  bezeichnen  wir  als  Ribaucour'sche  Strah- 
lensysteme und  die  Fläche  S,  deren  Normalen  den  Strahlen  parallel 
sind,  als  erzeugende  Fläche. 

Wir  wenden  nun  die  allgemeinen  Gleich ungen  des  Kap.  X  auf  die 
in  Rede  stehenden  Ribaucour'schen  Systeme  an.  Berücksichtigen  wir 
zu  diesem  Zwecke  die  Gleichungen  (6),  §  154,  S.  290: 


\       dv  du/  ^    '    \       ^u  dvJ 


dx 

du  ~~  ~Ye^^~p 


dx 


\       dv  du!  ^    '    \       dv  du/ 


dv  Veg-r 

und  setzen  wir  in  den  Kummer'schen  Bezeichnungen  (Kap.  X,  S.  257): 

_  _^d^dX        7-__'^dxdX       f'__^^^^       -  __^dx_dX 
■^J  du  du  '      '       ^J  dv  du'      '       j^J  du  dv'      ^      j^  dv  dv 

so  finden  wir: 

fD  —  eD'  TT       fD'—  eD"  ^       gD  —  fD' 

yeg  —  f  yeg  —  f  yeg  —  P 

gB'—fD" 

yeg  —  r 

Die  Gleichungen  (B),  S.  263,  und  (D),  S.  265,   die  bezüglich  die 
Abscissen  der  Grenz-  und  Brennpunkte  bestimmen,  lauten  hier*): 


(20)  4        "^  ' 


'*)  Beim  Einsetzen  in  die  angeführten  Gleichungen  (B),  (D)  müssen  die  in 
denselben  mit  E,  F,  G;  e,  /",  f,  g  bezeichneten  Grössen  bezüglich  durch  e,  /',  g: 
^1  fi  /',  g   ersetzt  werden. 


§  160.  Ribaucour'sche  Strahlensyst.  §161.  Sätze  üb.  Ribaucour' sehe  Strahlens.     303 

wenn  mit  )\.  ;%  die  Hauptkrümmungsradien  der  erzeugenden  Fläche  S 
bezeichnet  werden*). 

Die  Gleichung  (C),  §  141,  S.  264,  welche  die  abwickelbaren 
Flächen  des  Strahlensystems  bestimmt,  wird  hier: 

(21)  Ddu\-{-  2D'du  dv  +  D"dv^-  =  0. 

Wir  haben  also  das  Ergebnis: 

Bei  jedem  ßibaucour'schen  Strahlensystem  ist  die  Aus- 
gangsfläche Ä,  welche  durch  Orthogonalität  der  Elemente 
der  erzeugenden  Fläche  >S^  entspricht,  die  Mittelfläche  des 
Strahlensystems.  Die  abwickelbaren  Flächen  des  Strahlen- 
systems entsprechen  den  Haupttangentencurven  der  erzeu- 
genden Fläche  S  und  schneiden  folglich  (§  159)  die  Mittel- 
fläche S  in  einem  conjugierten  System  mit  gleichen  Inva- 
rianten. 

§  161.     Satze  über  Eibaucour'sche  Strahlensysteme. 

Die  eben  erwähnte  Eigenschaft  der  Ribaucour' sehen  Strahlensysteme, 
dass  nämlich  ihre  abwickelbaren  Flächen  die  Mittelfläche  in  einem  con- 
jugierten System  schneiden,  ist  für  diese  Strahlensysteme  charakteris- 
tisch, denn  es  besteht  der  Satz: 

Jedes  Strahlensystem,  dessen  abwickelbare  Flächen  die 
Mittelfläche  in  einem  conjugierten  System  schneiden,  ist  ein 
ßibaucour'sches  Strahlensystem. 

Zum  Beweise  stellen  wir  die  folgenden  von  Guichard  herrühren- 
den Betrachtungen  au:  Wir  gehen  zu  den  Gleichungen  (27),  §  148, 
S.  275,  zurück,  aus  denen  sich  die  Coordinaten  x,  y,  z  des  Mittel- 
punkts ergeben: 


X  Q   ^^ 

(22)  -  --  ■-- 


worin  q  eine  Lösung  der  Gleichung  (28),  S.  276: 

(2«)a+{?m+{VHl+[Ä{?}+ÄM+/; 


p  =  0 


*)  Um  die  Richtigkeit  der  Gleichungen  des  Textes  nachzuweisen,  berücksich- 
tige man  die  folgenden  (S.  124,  (8)): 

2fI)'—eD'—gD  BD"— D* 

^1    I     ''s ZZ i« ^        '"i  '"s  ^ 


eg-r  '      "~      eg-r 


304      K.ap.  11.  Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 


bedeutet.  Wir  bringen  nun  die  Eigenschaft  zum  Ausdruck,  dass  auf 
der  Mittelfläche  S  die  Spuren  u,  v  der  abwickelbaren  Flächen  des 
Strahlensystems  ein  conjugiertes  System  bilden.  Hierzu  ist  notwendig 
und  hinreichend,  dass  es  zwei  solche  Functionen  P,  Q  von  m,  v  gebe, 
dass  X,  y,  2  Lösungen  derselben  Laplace'schen  Gleichung: 

'öudv  du~^  ^  dv 


(24) 


sind.     Bilden   wir  nun  wirklich  -^ — ^^     aus  einer  der  Gleichungen  (22), 
wobei  wir  (23)  und  die  Gleichung  (S.  122,  (4)): 

duov         \  1  )  cu     '     {  "i  )    cv        ' 
berücksichtigen,  so  erhalten  wir: 

dx 


ex 

ducv 


8v  "1" 


12 
1    \^ 


+ 


\dv  \  2 


du 

0 

du 


+ 


Li  + 


du 


dX 


+ 


Q  + 


i2\  a_p 

2   1  dv 


du 


X-. 


analoge  Gleichungen  bestehen  für  y  und  iz. 
sind  also  durch  die  Gleichungen: 


Die  Functionen  P  und  Q 


(25) 


P  = 


{?}  + 


1  dg 


Q 


in  +  i 

2  j    ^    ? 


dQ 


Q  cv  "         12  j     '     q  du 

bestimmt  und  müssen  noch  der  weiteren  Bedingung: 


dv 


_A!i2n  _,  ii2|ae_ 

a^  1  1  jj^  "I    1  2  j  a« 


1 2  \  a  e 

1  I  du 


genügen,  die  sich  für  die  Werte  (25)  von  P  und  Q  auf 

redu eiert.  Diese  Gleichung  besagt,  dass  die  sphärischen  Bilder  der 
Developpabeln  des  Strahlensystems  auch  die  Bilder  der  Haupttangenten- 
curven  einer  Fläche  sind  (§  64,  S.  125).  Auf  diese  Weise  ist  eben 
Guichard  zu  dem  Satz  gelangt: 

Damit  die  Developpabeln  eines  Strahlensystems  dieMittel- 
fläche  S  in  einem  conjugierten  System  schneiden,  ist  es  not- 
wendig und  hinreichend,  dass  ihre  sphärischen  Bilder  auch 
die  Bilder  der  Haupttangentencurven  einer  Fläche  S  sind. 

Nun  ist  ferner  leicht  einzusehen,  dass  diese  Fläche  S  durch  Ortho- 
gonalität    der  Elemente    der   Mittelfläche    S   des    Strahlensystems    ent- 


§  162.    Besondere  Klassen  von  Ribaucour' sehen  Strahlensystemen.         305 

spricht,    das    demnach  ein  Ribaucour'sches  ist.     Bezeichnen   wir  näm- 
lich mit 

das  Krümmungsmass  von  S,  so  gelten  die  Gleichungen  (§64,  S.  125,(10)): 

^  log  i?  o  1 1  2  \       c  log  i?  o  1 1  2 1 

"ä^^  =  —  -  1  2  J  '     -TfT  =  ~  '^  1  1  j  ' 

und  für  die  Coordinaten  x,  y,  'z  eines  Punktes  von  S  ist  (S.  126,  (13)): 

du        Yeg  —  /*\    du  dvj 

ex  B         /j.dX  dX\ 

TT-  =    ,-  If g   ~    ]n.  s.  w. 

cv         yeg  —  p\    cv  du/ 

Diese  Gleichungen  geben,  mit  den  Gleichungen  (22)  combiniert: 

"^cjcd^ ^        '^  oxdx^ ^        ^^  dxdx    ."^  ex  c  X ^ 

.^J  cu  cti  '      .^J  dv  cv  '      .^J  du  cv    'j^  cv  c  ii 

und  beweisen  dadurch  eben,  dass  S  und  S  einander   durch  Orthogona- 
lität  der  Elemente  entsprechen*). 

§  162.     Besondere   Klassen    von    Ribaucour'schen   Strahlensystemen. 

Wir  wollen  nun  einige  besondere  Klassen  von  Ribaucour'schen 
Strahlensystemen  betrachten. 

Es  gehören  hierher  die  isotropen  Congruenzen  (§  139,  S.  261). 
Man  sieht  nämlich  sofort  ein,  dass  die  isotropen  Congruenzen 
diejenigen  speciellen  Ribaucour'schen  Congruenzen  sind, 
deren  erzeugende  Fläche  eine  Kugel  ist. 

Ihre  analytische  Darstellung  ergiebt  sich  am  einfachsten,  wenn 
man  berücksichtigt,  dass  die  Haupttangent encurven  der  Mittelfläche 
einer  isotropen  Congruenz  reell  sind  (§  159)  und  einem  conjugierten 
System  mit  gleichen  Invarianten,  d.  h.  einem  Isothermensystem  auf 
der  Kugel  entsprechen.  Gehen  wir  umgekehrt  von  einem  beliebigen 
Isothermensystem  auf  der  Kugel  aus,  so  finden  wir  aus  den  Gleichungen 
zum  Schlüsse  des  §  159,  S.  301,  mittels  Quadi-aturen  die  allgemeinste 
isotrope  Congruenz  oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt,  die  allgemeinste 
unendKch  kleine  Verbiegung  der  Kugel. 


*)  Wir  sehen,  dass  die  am  Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen  angefühi-te 
Eigenschaft,  dass  das  conjiigierte  System  (w,  r)  auf  der  Mittelfläche  eines  Ribau- 
cour'schen Strahlensyst^ms  gleiche  Invarianten  besitzt,  auch  sofort  aus  der 

Gleichung  (25)  folgt,  da   ?^  =  ?^  ist. 
cv        cu 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  20 


i)OQ     Kap.  11.   Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  EL 

Die  Guichard'schen  Strahlensysteme  (§  152,  S.  284),  deren  ab- 
wickelbare Flächen  dieselben  sphärischen  Bilder  wie  die  Haupttangen- 
tencurven  einer  pseudosphärischen  Fläche  haben,  können  nun  offenbar 
als  Ribaucour'sche  Strahlensysteme  mit  pseudosphärischer 
Erzeugungsfläche  definiert  werden. 

Wir  wollen  nun  untersuchen,  ob  es  Ribaucour'sche  Normalen- 
systeme giebt.  Die  sphärischen  Bilder  ihrer  abwickelbaren  Flächen 
bilden  in  diesem  Falle  ein  Orthogonalsystem,  und  da  dasselbe  auch  das 
Bild  der  Haupttangentencurven  der  erzeugenden  Fläche  sein  muss,  so 
ist  folglich  diese  eine  Minimalfläche.  Die  Bilder  der  Krümmungslinien 
der  zu  den  Congruenzstrahlen  normalen  Flächen  bilden  ein  Isothermen- 
system. Umgekehrt  bilden  die  Normalen  einer  Fläche,  bei  der  die 
Bilder  der  Krümmungslinien  ein  Isothermensystem  sind,  ein  Ribaucour- 
sches  Strahlensystem. 

Endlich  bemerken  wir,  dass  es  unter  denjenigen  Ribaucour- 
schen  Strahlensystemen,  die  eine  gegebene  Fläche  8  zur  Er- 
zeugenden haben,  unendlich  viele  giebt,  deren  Mittelfläche 
eine  Ebene  ist. 

Um  sie  alle  zu  erhalten,  brauchen  wir  nur  wie  folgt  zu  verfahren 
(§  153,  S.  287,  Anmerkung):  Wir  projicieren  alle  Punkte  von  S  ortho- 
gonal auf  eine  Ebene  n,  drehen  das  ebene  Bild  der  Fläche  um  einen 
rechten  Winkel  um  einen  festen  Punkt  der  Ebene  und  ziehen  durch  die 
Punkte  des  neuen  Bildes  Parallele  zu  den  Normalen  von  S.  Ist  ins- 
besondere die  Fläche  S  eine  Minimalfläche,  so  ist  das  auf  diese  Weise 
erhaltene  Strahlensystem  nach  dem  soeben  Gesagten  ein  Normalen- 
system; die  zu  den  Strahlen  normalen  Flächen  sind  in  diesem  Falle 
die  Bonnet'schen  Flächen,  bei  denen  die  zwischen  den  beiden 
Krümmungsmittelpvmkten  in  der  Mitte  gelegenen  Punkte  in  einer  Ebene 
liegen. 

Aus  diesen  Betrachtungen  folgt,  dass  bei  einer  orthogonalen  Projec- 
tion  der  Haupttangentencurven  einer  beliebigen  Fläche  auf  eine  Ebene 
ein  ebenes  System  mit  gleichen  Invarianten  entsteht  und  dass  umge- 
kehrt jedes  derartige  ebene  System  die  Orthogonalprojection  der  Haupt- 
tangentencurven einer  gewissen  Fläche  ist*).  * 


*)  Koenigs,  Comptes  Rend.  de  l'Acad.  d.  Sciences,  Bd.  CXIV,  S.  55.  Der 
von  Koenigs  gegebene  Satz  ist  insofern  allgemeiner,  als  er  sich  auf  eine  belie- 
bige Centralprojection  der  Haupttangentencurven  bezieht.  Derselbe  folgt  sofort 
aus  dem  im  Texte  betrachteten  Specialfall,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  bei 
projectiven  Transformationen  die  Haupttangentencurven  und  die  conjugierten 
Systeme  mit  gleichen  Invarianten  in  ebensolche  Curven  bezw.  Systeme  übergehen. 


§  163.    Zweite  Meth.  zur  Behandig.  d.  Aufgabe  d.  unendl.  kl.  Verbiegungen.     307 

§  163.     Kurze  Angabe   einer  zweiten  Methode,   die  Aufgabe   der 
unendlich  kleinen  Verbiegungen  zu  behandeln. 

Wir  schliessen  dieses  erste  Kapitel  über  die  unendlich  kleinen 
Verbiegungen  mit  der  kurzen  Entwicklung  einer  zweiten  Methode, 
diese  Aufgabe  zu  behandeln,  welche  sich  unmittelbar  aus  den  allgemei- 
nen Sätzen  in  Kap.  IV  ergebt.  Die  Flache  S,  deren  unendlich  kleine 
Verbiecningen  wir  bestimmen  wollen,  denken  wir  uns  durch  die  beiden 
Gmndformen  (§  48,  Kap.  IV) 

Edu-  +  2Fdudv  +  Gdv^, 
Bdu^  -f  2D'dudv  +  D"dv^ 

definiert.  Bei  jeder  unendlich  kleinen  Verbiegung  von  S  bleibt  die 
erste  Fonn  ungeändert*,  die  Coefficienten  der  zweiten  erfahren  unend- 
lich kleine  Aenderungen,  die  wir  mit 

ÖD  =  ed,     dD  =  sd',     dD"=  ad" 

bezeichnen  wollen,  wo  f  eine  unendlich  kleine  Constante  ist  und 
d,  d'j  d"  drei  näher  zu  bestimmende  Functionen  von  u  und  v  sind. 
Sobald  d,  d\  d"  bekannt  sind,  erfordert  die  Bestimmung  der  ent- 
sprechenden unendlich  kleinen  Verbiegung  nur  noch  Quadraturen.  Nun 
ergeben  sich  die  notwendigen  und  hinreichenden  Bedingimgen,  denen 
die  Unbekannten  d,  d\  d"  genügen  müssen,  unmittelbar  durch  Variation 
der  Gaussischen  Gleichung  (DI)  und  der  Codazzi'schen  Gleichungen  (IV) 
(§  48,  S.  91).     Sie  lauten: 

(27)  l)"d  —  2D'd'-\-  Dd"=  0, 


(28)   - 


i^-l^-{?}^+[{V}-{^^}]^'+{VW"=o, 

K+{vw+[m-{v}]^'-{v^"=o*). 


cd  c 

cu         c 


Die   Gleichungen   (2'^^    lassen   sich   auch  in   die   zweite  Form  der  Co- 
dazzi'schen Gleichungen  (IV*),  §  48,  S.  92,  bringen: 


*)  Hieraus  folgt  sofort  wieder,  dass  die  Frage  nach  den  unendlich  kleinen 
Verbiegimgen  der  Kugel  mit  der  Bestimmung  der  Minimalflächen  gleichbedeutend 
ist.  Ist  nämlich  S  eine  Kugel,  so  sind  D,  D',  D"  proportional  E,  F,  G,  und 
jedes  Wertsystem,  welches  den  Gleichungen  (27)  und  (28)  genügt,  giebt  die  Coef- 
ficienten der  zweiten  Grundform  einer  Minimalfläche. 

20* 


308      Kap.  11.   Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 


d 


(28*)    • 


L  /      ^      \ ^  / 


—  2 


Weg 

12l  ^ 

2  J  ywg~- 


—  FV      1  2  I  y^G^  — i^2 
iil       <^" 


+ 


F^  ^  1 2  )  y^t?— F^ 


0, 


a 


d" 


du\yWG  —  F' 


\  g    /       J'_      \     [      (221  ^  _ 

7     at?  V|/-E^ö^— i^v      1  1  J  V^G  —  F^ 


~2l'H 


d' 


+  {V} 


d" 


=  0. 


1  j  yeg  —  f'  '  1 1  j  y.£;(?— F* 

Bezeichnen  wir  mit  x,  y,  's  die  Coordinaten  eines  Punktes  der 
associierten  Fläche  S,  so  lässt  sich  leicht  beweisen,  dass  x,  y,  's  durch 
Quadraturen  aus  den  Formeln 

idx d'  dx  d  ex 

du~~  yEG^^^^  du       yEG—  F^  dv  ' 

dx d"         dx  d'  dx 

\dv  ~  YEG—F^  'du  ~  yWG^^F^^' 
sowie   den  analogen  für  y^  z  zu  berechnen  sind.     Hieraus  findet  man 


(29) 


yEG—F^du 
r  y 
die  Verschiebungsfunction 


und  die  unendlich  kleine  Verbiegung  selbst   allein  durch  Quadraturen, 
wie  oben  (S.  307)  behauptet  wurde. 

Diese  allgemeinen  Entwicklungen  wollen  wir  nun  auf  einige  Bei- 
spiele anwenden. 

Erstens  behandeln  wir  nach  dieser  Methode  wiederum  die  schon 
in  §  158  beantwortete  Frage:  Ist  es  möglich,  eine  Fläche  S  einer 
solchen  unendlich  kleinen  Verbiegung  zu  unterwerfen,  dass 
ein  ursprünglich  conjugiertes  System  {u,v)  conjugiert  bleibt? 

Wählen  wir  dieses  System  (ii,  v)  als  Parametersystem,  so  haben 
wir  der  Voraussetzung  zufolge: 

i)'  =  0,     d'=0. 
Also  giebt  Gleichung  (27): 

d=^XD,     d"==  —  ?.D", 
wo   X  einen  geeigneten  Factor  bedeutet.     Werden   diese  Werte  in   die 
Grleichungen  (28)  eingesetzt  und  wird  dabei  berücksichtigt,  dass  D  und 
D"  den  Gleichungen  (S.  134,  (21)): 

dP"  __   |l2l    ^„_   |22\ 

du  ~  [2  \  -^       1  1 
genügen,  so  ergiebt  sich: 


D 


§  164.    Anwendungen  der  zweiten  Methode.  309 

clogl  _  2D  J2  2|        clogX  ^  2D"  (lll 
"TjT  ""  I>"  1  1  r        c'v  D     i  2  J 

oder  infolge  der  Gleichungen  (25),  §  69,  S.  135: 

cu  l  2  j  cv  {  1  ] 

wo  die  Symbole     ^^\  ,    \ \  1   f^  das  Linienelement  der  Kugel  berech- 
net sind. 

Die  fragliche  Verbiegung  ist  demnach  möglich,  wenn 

öu  l  1  j        et?  (  2  j 

ist,  was  wieder  den  Satz  in  §  158  liefert. 

§  164.    Anwendungen  der  zweiten  Methode. 

Zweitens  untersuchen  wir,  ob  es  möglich  ist,  eine  Fläche  unend- 
lich wenig  so  zu  verbiegen,  dass  ihre  Hauptkrümmungsradien  sich 
nicht  ändern.  Da  sich  ja  bei  jeder  Verbiegung  die  Totalkrümmung 
nicht  ändert,  so  braucht  nur  die  Bedingimg,  dass  sich  auch  die  mittlere 
Krümmung  nicht  ändern  soll,  hinzugefügt  zu  werden.  Werden  die 
Krümmungslinien  als  Parameterlinien  gewählt,  so  lautet  die  soeben  an- 
gegebene Bedingung  (nach  S.  105,  .18  ): 

Sie  Uefert,  mit  (27)  (vgl.  S.  102): 

combiniert,  und  unter  Ausschluss  des  Falles  der  Kugel  die  Gleichungen: 

d  =  d"=  0. 
Aus  den  Gleichungen  (28*)  ergiebt  sich  dann: 

und  als  notwendige  imd  hinreichende  Bedingung  für  die  gesuchte  Ver- 
biegung erhalten  wir: 

gu  1  1  j        cv  \  2  \ 
oder  mit  Rücksicht  darauf,  dass  i^^  ==  0  ist: 

cucv 


310     Kap.  11.  Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  Flächen  u.  Entspr.  durch  Orthog.  d.  El. 

Dieses  besagt  nacli  S.  129,  dass  die  Krümmimgslinien  u,  v  ein  Isother- 
mensystem  bilden.  Wir  baben  also  den  von  Weingarten  angegebenen 
Satz:  Damit  eine  Fläche  einer  unendlich  kleinen  Verbiegung 
unterworfen  werden  kann,  bei  der  sich  ihre  Hauptkrümmungs- 
radien  nicht  ändern,  ist  es  notwendig  und  hinreichend,  dass 
ihre  Krümmungslinien  ein  Isothermensystem  bilden. 

Schliesslich  wollen  wir  noch  die  Frage  nach  den  unendlich  kleinen 
Verbiegungen  einer  beliebigen  Linienfläche  S  nach  dieser  Methode 
behandeln. 

Als  Parameterlinien  auf  S  wählen  wir  die  Erzeugenden  v  und  die 
Haupttangentencurven  u  des  zweiten  Systems  und  haben  dann: 

Gleichung  (27)  giebt:  d'=  0,  und  die  Gleichungen  (28)  gehen  über  in: 
dd         fl2" 


dv    ~  {  1  )^' 

Dieses  System  lässt  sich  offenbar  durch  Quadraturen  integrieren.  Da 
aber  die  Bestimmung  der  Haupttangentencurven  des  zweiten  Systems 
einer  Linienfläche  im  Allgemeinen  die  Integration  einer  Riccati'schen 
Differentialgleichung  (nach  §  116,  S.  221)  erfordert,  so  haben  wir: 
Die  Bestimmung  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  einer 
beliebigen  Linienfläche  lässt  sich  auf  die  Integration  der 
Riccati'schen  Differentialgleichung  ihrer  Haupttangenten- 
curven und  darauf  folgende   Quadraturen  zurückführen. 

Sind  insbesondere  die  Haupttangentencurven  der  Linienfläche  be- 
kannt, so  werden  also  aUe  unendlich  kleinen  Verbiegungen  der  Fläche 
durch  Quadraturen  bestimmt. 


Kapitel  XII. 
W-  StraWensysteme. 


0*9 
Moutard's  Satz  über  die  Laplace'schen  Gleichungen  von  der  Form:  - — ?r—  =  3f0- . 
^  cucv 

—  TT'- Strahlensysteme,  d.  h.   Strahlensysteme,  auf  deren  Brennflächenmänteln  die 

Haupttangentencurven  einander  entsprechen.  —  Ihre  Ableitung  aus  den  unendlich 

kleinen  Verbiegungen   der  Brennfläche.  —   Verallgemeinerung  des  Halphen"schen 

Satzes.  —  TF- Normalensysteme,  die  der  Gleichung:  - — :-—  =  0  oder:  - — ^  +  -7^—^  =  0 

cucv  cu        cv^ 

entsprechen.  —  Sätze  von  Darboux  über  diejenigen  TT'- Flächen,  deren  Hauptkrüm- 
mungsradien  durch  die  Gleichung:  r,  —  '"i  =   jT  ^"^  [^"(*'i"l'*'j)]  verbunden  sind.  — 

Bestimmung  aller  auf  das  Rotationsparaboloid  abwickelbaren  Flächen.  —  Tr-Strahlen- 
sjsteme,  deren  Brennflächenmäntel  in  entsprechenden  Punkten  gleiches  Krümmungs- 
mass  haben. —  Sätze  von  Cosserat  über  die  assocüerten  Flächen  dieser  Brennflächen. 


§  165.    Moutard's  Satz  über  die  Laplace'sch.en  Gleichungen  von 

der  Form :     ^—^  =  MQ^ . 
cu  c  V 

In  diesem  zweiten  den  unendlich  kleinen  Verbiegungen  gewidmeten 
Kapitel  werden  wir  uns  speeieU  mit  einer  neuen  Klasse  von  Strahlen- 
systemen beschäftigen,  die  mit  diesen  Verbiegungen  in  engem  Zusam- 
menhange stehen.  Dieselben  ergeben  sich  am  einfachsten  aus  der  geo- 
metrischen Deutung  des  Moutard'schen  Satzes  über  Differential- 
gleichungen von  der  Form: 

cucv  '     cu*    '    cv*  ' 

von    denen  ja,   wie    wir   gesehen    haben,   die    Aufgabe    der   unendlich 
kleinen  Verbiegungen  abhängt. 

Zu  diesem  Zwecke  leiten  wir  zunächst  kurz  das  schöne  Ergebnis 
Moutard's  ab. 

Ist  0-  eine  beliebige  Lösung  der  Gleichung: 

(1)  ^  =  ^^ 


312 


Kap.  12.     TT- Strahlensysteme. 


und  R  eine  bestimmte  particiiläre  Lösung  derselben,  sodass 
(2)  #^  =  MB 

ist,  so  ergiebt  sich  infolge  von  (1)  und  (2): 


d__ 
dv 


%•     R 

^  du 

d-      R 

d&    dB 

d&    dB 

du    du 

dv     dv 

0. 


Bezeicbnen  wir  daher  mit  i^  eine  geeignete  Function  von  u  und  v,  so 
können  wir  setzen: 

^      R 

dij)  dtp 

K—  ==     dO"    dB    7        Q—  ^^ 

du  -; —     _ — .  ov 


(3) 


^ 

R 

dd' 

dB 

dv 

dv 

Schreiben  wir  diese  Gleichungen  in  der  Form: 

J_  ^  _  _  A  (^\       Jl.^  —  Ä.(?\ 
B^du~       duXBJ'      B^  dv  ~  dv\BJ^ 

so  sehen  wir,  dass  ^  seinerseits  der  Laplace'schen  Gleichung: 

du  \B^  dv)  "•    dv  \B^  du) 

genügt.     Führen  wir  statt  der  unbekannten  Function   ip   eine  andere, 

O-^,  ein,  indem  wir 

^  =  R^^ 

setzen,  so  nimmt  obige  Gleichung  wieder  die  Moutard'sche  Form  (1) 
an;  sie  wird  nämlich: 


du  dv 


M,  =  R 


dudv \B/ 


(1*) 
WO 

ist. 

Wir  bezeichnen  nun  die  Gleichung  (1*)  als  die  mittels  der 
particulären  Lösung  R  gebildete  Moutard'sche  Transformierte 
der  Gleichung  (1).  Infolge  der  Gleichung  (4)  ist  klar,  dass  der 
reciproke  Wert  von  R  eine  particuläre  Lösung  der  Gleichung  (1*)  ist, 
sodass   die   Gleichung  (1)   wieder  die  mittels    der  particulären  Lösung 

"7?  gebildete  Moutard'sche  Transformierte  der  Gleichung  (1*)  ist.     Die 

beiden  Aufgaben,  die  Gleichungen  (1)  und  (1*)  zu  integrieren,  sind 
äquivalent,  da  nach  dem  Vorstehenden  zwischen  ihren  allgemeinen 
Lösungen  d'  und  d'^^  die  Beziehungen: 

^^)  "J^T'  —  —  ^  dl,\'B)'     ~dr~  —  ^  d^ \B) 


§  165.    Moutard's  Satz  über  gewisse  Laplace'sche  Gleichungen.  313 


bestehen,  aus  denen  sich,  wenn  ■9-  bekannt  ist,  mittels  Quadraturen  O-^ 
ergiebt,  und  umgekehrt. 

Wir  wollen  auch  die  entsprechenden  Gleichungen  für  die  Gleichung: 


(6) 


n+i;s=iif» 


du 


dv' 


entwickeln,  die  übrigens  in  die  Gleichung  (1)  übergeht,  wenn  u  +  iv 
und  u  —  iü  als  unabhängige  Veränderliche  gewählt  werden.  Ist  R  eine 
particuläre  Lösung  von  (6),  und  setzen  wir: 


0) 


^.=4m)+&M 


so  ist  die  Integration  der  Gleichung  (6)  äquivalent  mit  der  Integration 
der  nachstehenden  Transformierten: 


cu-     '     cv-  ^    ^' 


(6*) 

in  Anbetracht  der  Gleichungen: 


§  166.    Geometrische  Deutung  des  Moutard'schen  Satzes. 

Mit  Hilfe  der  Lelieuvre'schen  Formeln  und  der  Formeln  für  un- 
endlich kleine  Yerbiegimgen  können  wir  dem  Moutard'schen  Satze  eine 
bemerkenswerte  geometrische  Deutung  geben.  Es  seien  |,  »j,  ^  di-ei 
particuläre  Lösungen  der  Gleichung  (1),  E  eine  vierte  Lösung.  Wir 
betrachten  nun  die  Fläche  S,  die  durch  die  Lelieuvre'schen  Formeln: 


(9) 


dx 
cu 


n 

t 

[du 

du 

dx 


n 

t 

dv 

*-* 

cv 

etc. 


definiert  ist,  und  die  von  ihr  unendlich  wenig  verschiedene  Biegungs- 
fläche, die  der  neuen  Lösung  entspricht.  Sie  ist  durch  die  Gleichungen 
(15),  §  157,  S.  296: 


dx 

dii 


n  cB.    ^  =  - 

du     du 


1 

B 

dv 

cB 

dv 

etc. 


definiert,    welche   die    Coordinaten   x,  y,  z   eines  Punktes    der   Fläche 

S  geben,  die  der  Fläche  S  durch  OrthogonaUtät  der  Elemente  entspricht. 

Wird 

(10)  x  =  R^„     y  =  Rvi,     ~^  =  ^ix 


ai4 


Kap.  12.     TT- Strahlensysteme. 


gesetzt,  so  sind  1^,  rj^,  2;^  zufolge  (5)  drei  durch  Moutard'sche  Trans- 
formation aus  I,  7j,  2;  hervorgegangene  particuläre  Lösungen  der  Glei- 
chung (1*).  Wir  construieren  nun  wieder  mittels  der  Lelieuvre'schen 
Formeln  eine  auf  ihre  Haupttangentencurven  u,  v  bezogene  Fläche  S^, 
die  bis  auf  eine  Translation  durch  die  Gleichungen: 


(11) 


du 


Vi 

^1 

du 

du 

dx^ 

dv 


Vi 

ti 

drii 

dt. 

dv 

dv 

und  analoge  in  ^/i  und  z^  definiert  ist. 

Verfügen  wir  über  die  additiven  Constanten  in  x^,  y^,  z^  in  geeig- 
neter Weise,  so  können  wir  beweisen,  dass  die  Fläche  S^  in  eine  solche 
Lage  im  Räume  gebracht  werden  kann,  dass  sie  und  S  zusammen  die 
beiden  Mäntel  der  Brennfiäche  eines  Strahlensystems  sind,  dessen 
Strahlen  die  beiden  Flächen  in  entsprechenden  Punkten  berühren. 

Aus  den  Gleichungen  (9)  und  (11)  folgern  wir  nämlich: 


(12) 


(12*) 


d{x^  — 

X) 

cu 

d{x^  — 

X) 

du 


V 

l 

^1 

^1 

dri 

du 

dt 

du 

du 

du 

Vi 

ti 

V 

e 

drii 
dv 

dk 
dv 

— 

dv 
cv 

dt 

dv 

Nun  ergeben  sich  aus  den  Gleichungen  (5)  die  folgenden 


(13) 


du 


R 


=  —  (i  +  ii)  g^ 


cv 


R 


R 


du 

d{t,+  t) 
du 

d  (t?i  —  Tj) 


dv 
dv 


=  -(v  +  Vi)j^' 
dB 


=  -(t+  Q 


dv 


Daraus  folgt: 


V  —  Vi  t—ti 

dv    idrji       dt_    .    dti 
du    '~  du      du  ~'~  du 


0, 


V  +  Vi 

S  +  ^i 

drji         dri 

dtr         dt 

dv         dv 

dv        dv 

=  0 


nebst  analogen  Gleichungen,  die  sich  durch  cyclische  Vertauschung 
ableiten  lassen.  Subtrahieren  wir  die  letzten  Gleichungen  bezüglich 
von  den  Gleichungen  (12)  und  (12*),  so  erhalten  wir: 


§166.    Geom.  Deutung  d.Moutard'schen  Satzes.     §167.  TT- Strahlensysteme.     315 


c  (  Ji  —  x)  d_ 

cu  du 


d{x^  —  a;)  o    1  *Ji     ^i 


cv 


IL  a. 


Bei  passender  Verfugung  über  die  additiven  Constanten  in  ^Cj,  y^,  r^ 
können  wir  also  sofort  setzen: 

(14t)   x,=x+\^     ^   |,     y,  =  y+|^     ^    |,     ^1  =  ^+    ^     ^ 

Betrachten  wir  nun  die  durch  diese  Gleichungen  bestimmte  Fläche  S^ 
in  ihrer  Beziehung  zur  Fläche  S,  so  beweisen  uns  die  Gleichungen: 

i{x^  —  x)  +  ri  (yi  — y)  +  e(^i— •?)  =  0, 

ii(^i  —  x)  +  Vi(yi  —  y)  +  ^i(^i  —  ~"^  =  0; 
da  I,  7?,  ^  den  Richtungscosinus  der  Normale  von  S,  ^i,  r]i,  ^i  den- 
jenigen der  Xoi-male  von  S^  proportional  sind,  dass  die  Gerade,  die 
zwei  entsprechende  Punkte  F  und  iv,,  (x,  y,  z)  und  {x^j  y^  z^y 
Ton  S  und  S^  verbindet,  in  F  die  Fläche  S  und  in  F^  die  Fläche  S^ 
berührt.  Femer  gilt  der  wichtige  Satz:  Auf  den  beiden  Mänteln 
S,  Si  der  Brennfläche  dieses  Strahlensystems  entsprechen 
einander  die  Haupttangentencurven  oder,  was  auf  dasselbe 
hinauskommt,  die  conjugierten  Systeme. 


§  167.     TF- Strahlensysteme. 

Diejenigen  Strahlensysteme,  auf  deren  Brennflächenmänt^ln  die 
Haupttangentencurven  (oder  die  conjugierten  Systeme)  einander  ent- 
sprechen, mögen  TT'- Strahlensysteme  heissen,  in  Analogie  mit  dem 
Falle  der  Xormalensysteme  dieser  Art,  wo  die  zu  den  Strahlen 
normalen  Flächen  eben  die  in  Kap.  IX  als  TF- Flächen  bezeichneten 
Flächen  sind. 

Für  eine  Fläche  >S  mit  positivem  Krümmun^mass  können  wir 
ohne  Einführung  imasfinärer  Grössen  Gleichungen  ableiten,  die  den 
obigen  vollkommen  analog  sind,  wenn  wir  die  Fläche  auf  ein  isotherm- 
conjugiertes  System  beziehen  (vgl.  §  70,  71,  S.  135 — 139). 

Sind  §,  Vi,  ^  drei  Lösungen  der  Differentialgleichung: 

(15)  i^  +  C^  =  Jtf*, 

so  ist  die  Fläche  S  durch  die  Gleichungen: 


(16) 


dx 


n 

% 

dn 

dt 

dv 

dv 

dx 

cv 


V 

t 

du 

du 

und  die  analogen  in  y  und  z  bestimmt.    Bedeutet  R  eine  vierte  Lösung 
von  (15),  so  definieren  die  Gleichungen  (§  157,  S.  296,  (19)): 


316 


Kap.  12.     W- Strahlensysteme. 


dx 

du 


R 

i 

dB 

ai 

dv 

dv   1 

dx 
dv 


B 

1 

dB 

du 

du 

etc. 


eine  unendlich  kleine  Verbiegung  der  Fläche  8.     Wird  wieder 

X  =  Bl^,     y  =  Rrj^,     S  =  Rti, 
gesetzt,  so  ist: 

(17) 


jLl  ^ C  -^5 ) 


dv 


Es   erhellt    sofort,   dass    die  Gleichungen  (14)   wieder   ein    "PT- System 
ergeben,  denn  da  ja  hier  nach  dem  obigen 


du 


% 

ex 

dril 

a^i 

dv 

dv 

dx^ 
dv 


Vi 

^1 

die 

du 

etc. 


ist,  so  entsprechen  einander  auf  den  beiden  Brennflächenmänteln  S  und 
S^  die  conjugierten  Systeme. 

Beachten  wir  nun,  dass  infolge  der  Gleichungen  (10)  |,  ij,  t  den 
Componenten  x,  y,  z  der  Verschiebung,  die  der  Punkt  F(x,  y,  z)  bei 
der  betreifenden  unendlich  kleinen  Verbiegung  von  S  erfährt,  propor- 
tional sind,  so  können  wir  unser  Ergebnis  in  dem  folgenden  Satze 
aussprechen:  Man  betrachte  eine  beliebige  unendlich  kleine 
Verbiegung  einer  Fläche  S  und  ziehe  durch  jeden  Punkt  von 
8  in  der  Tangentialebene  denjenigen  Strahl,  welcher  auf  der 
Richtung  der  Verschiebung,  die  der  Punkt  erfährt,  senk- 
recht steht;  dann  ist  das  so  construierte  Strahlensystem  ein 
W^System. 

Dieser  Satz  erleidet  natürlicherweise  in  einem  Falle  eine  Aus- 
nahme, wenn  nämlich  die  angegebene  Construction  anstatt  eines  Systems 
von  oü^  Strahlen  ein  System  von  nur  oo^  Strahlen  liefert.  Dieses  tritt 
nur  dann  ein,  wenn  die  Fläche  8  eine  Linienfläche  ist  und  die  Rich- 
tung der  Verschiebung  eines  jeden  Punktes  bei  der  betreffenden  Ver- 
biegung auf  der  durch  den  Punkt  gehenden  Erzeugenden  senkrecht 
steht.  Es  Hesse  sich  leicht  nachweisen,  dass  jede  Linienfläche  unend- 
lich kleine  Verbiegungen  dieser  Art  gestattet. 

§  168.     Ableitung  aller    TT- Strahlensysteme   aus   unendlicli    kleinen 
Verbiegungen  der  Brennfläcken. 

Guichard,  von  dem  die  obigen  Formeln  für  die  TT- Systeme 
herrühren^  hat  auch  bemerkt,  dass  sie   die   allgemeinsten    TF- Systeme 


§  168.  T?^- Strahlensysteme  bei  unendl.  kleinen  Verbiegungen  d.  Brennflächen.     317 

liefern.  Wir  wollen  jetzt  dieses  wichtige  Ergebnis  beweisen,  das 
wir  auf  Grund  des  obigen  Satzes  auch  folgendermassen  aussprechen 
können : 

Jeder  Brennflächenmantel  eines  TF-Strahlensystems  ist 
einer  unendlich  kleinen  Verbieguug  fähig,  bei  der  die  Ver- 
schiebung eines  jeden  Punktes  parallel  zur  Normale  in  dem 
entsprechenden  Punkte  des  anderen  Mantels  erfolgt. 

Beim  Beweise  fassen  wir  den  FaU  ins  Auge,  in  dem  die  Haupt- 
tangentencurven  ii,  v  auf  beiden  Mänteln  S,  S^  reell  sind,  da  sich 
der  andere  Fall  ganz  analog  erledigt.  Sind  (a;,  i/,  z),  (iCi,  ^j,  z^)  zwei 
entsprechende  Punkte  von  S,  S^,  so  definieren  wir  die  beiden  Flächen 
durch  die  Lelieuvre'schen  Formeln: 


(18)  S  =  - 


dx 


(19)  '^  = 


V 

t 

dn 

dt 

du 

du 

Vi 

?i 

du 

du 

dx 

~dv 


=  + 


CT]        et 

dv     dv 

!  ^1    ^x 


T^  =  'T  \cni    cti  \> 
\   cv     cv    \ 


wo  I,  rj,  t'i  ^i,  Vi)  ^1  ^^^  Richtungscosinus   der  Normalen   von  S  und 
Si  in  den  beiden  entsprechenden  Punkten  bezüglich   proportional  sind. 
Wird 

^'-hv'+i'-  P,      ^i'  +  Vi'  +  ti'  =  Qi 


gesetzt,  so  sind 
(20) 


Q  ^  er 


die  Krümmungsmasse  von  S  und  S^  (nach  S.  133). 
Nach  Voraussetzung  ist: 

I  {x,  —  x)  +  ri  {y,  —  y)-\rt(3i  —  z)  =  0, 
^^(x,—  x)-\-r}i{yi  —  y)-\-ti(^i  —  ^)  =  0; 

wir  können  demnach,  wenn  wir  mit  m  einen  geeigneten  Proportiona- 
litätsfactor  bezeichnen. 


(21)  x^ — x^m 


I  "^1   ^1 


yi  —  y^fn 


z-,  —  z  =  m 


li  Vi 


setzen.  Werden  diese  Gleichungen  nach  u  diiferenziei-t,  die  so  entstan- 
denen Gleichungen  der  Reihe  nach  mit  |,  ?;,  t,,  sodann  mit  ^j,  ly^,  tx 
multipliciei-t  und  addiert,  so  ergiebt  sich: 


318 


Kap.  12.     TF"- Strahlensysteme. 


(a) 


1 

n     l 

du 

Vi      ti 

du    du 

=  m 

1 

V 

t 

^1 

Vi 

ti 

du 

dr] 
du 

du 

^ 

V 

e 

li 

Vi 

ti 

=  m 

^ 

drj 

K 

du 

du 

du 

1 

^ 

e 

5i 

Vi 

e^ 

2m 

dr\^ 
du 

du 

(b) 


Wird  bezüglich  v  ebenso  verfahren,  so  folgt: 

il  '?!  tl 

H  dn  dt 

dv  dv  dv 

I       V  ^ 

ii      Vi  ti 

^ll.  ^  ^ 

2«?      dv  dv 


V 

t 

Vi 

ti 

=  m 

dvi 

dv 

dv 

1 

^1    ^1    ?1 

dj_  d_n    dj_ 

dv     dv     dv 


V 
Vi 


=  m 


Nun  können  die  beiden  Determinanten: 


1  ^ 

l 

il   % 

li 

> 

2m    du 

du 

1 

V     i 

ii 

Vi     ^1 

^ 

dn    H 

2«J 

dv     dv 

nicht  gleichzeitig  gleich  Null  sein,  denn  sonst  wäre: 

es  bestände  demnach  die  Proportion: 

^i'Vi'^i=^'V't, 
und  weil  die  Normalen  in  entsprechenden  Punkten  von  S,  S^  parallel 
sind,    so    würden    die    beiden  Flächen    zusammenfallen,    was    wir    aus- 
schliessen.     Die  Gleichungen  (a)  und  (b)  ergeben  folglich: 

m^  =  1 , 
und  wir  können  ohne  weiteres' 

m  =  1 
setzen,  indem  wir  entgegengesetzten  Falls  die  Zeichen  von   Ij,  t^j,  ^^ 
ändern. 


§  168.    TT'- Strahlens jsteme  bei  unendl.  kleinen  Verbiegtmgen  d.  Brennflächen.     319 
Wir  erhalten  demnach  die  Gleichungen: 

die  nach  u  und  v  differenziert  und  unter  Berücksichtigung  der   Glei- 
chungen (18)  und  (19)  die  folgenden  Proportionen  liefern: 

du       '        du        '       du       ~^        ^1  •  '        ^'1  •  ^        ^1' 

Bezeichnen  wir  also  mit  a,  ß  zwei  geeignete  Functionen  von  u  und  r, 
so  können  wir  setzen: 


Wenn  wir  die  ersten  drei  Gleichungen  nach  v,  die  drei  letzten  nach  u 
differenzieren,  darauf  entsprechende  Gleichungen  addieren  und  uns  er- 
innern, dass  I,  rjj  ^  Losungen  ein  imd  derselben  Laplace'schen  Gleichung: 

(24)  XS-  =  3Id- 

^     ^  cucv 

sind,  so  erhalten  wir: 

\  '^        cv         c  u/  '        \cv        cu/^'^' 

\  ^         cv         cu/    '        \cv         cur  "' 

(2M-  2aß  -i^-^t  =  ß^-m  e,. 

\  ^        cc         c  11/  \cv         cu/  '1 

Da  die  Proportion: 

unmöglich  ist,  so  folgt: 

1^  — ^  =  0 
cv         cu,  ' 

2M=2aß  +  y^-\-'J^- 
'^    '    cv    'du 

Bezeichnen  wir  also  mit  R  eine  neue  Function  von  u  und  v,  so 
können  wir 

c  log-R       a ^  log-R 

cu  "  cv 

setzen.     Weil  nun  die  zweite  der  obigen  Gleichunofen  in 

cucv 


320  Kap.  12.     TF- Strahlensysteme. 

übergeht,  so  ist  hiermit  bewiesen,  dass  JR  eine  Lösung  der  Gleichung 
(24)  ist.  Nun  lassen  sich  die  Gleichungen  (23)  auf  die  Gleichungen 
(13)  des  vorigen  Paragraphen  zurückführen,  und  der  Satz  ist  somit 
bewiesen. 

§  169.     Verallgemeinening  des  Halphen'sclien  Satsses. 

Die  obigen  Gleichungen  führen  sofort  zum  Beweise  des  bereits  in 
§  150,  S.  281,  erhaltenen  Satzes,  der  die  von  Halphen  für  die  TF-Nor- 
malensysteme  nachgewiesene  Eigenschaft  (§  127,  S.  243,  Gleichung  (17)) 
auf  alle   TF- Systeme  ausdehnt. 

Bezeichnen  wir  nämlich  mit  6  den  Winkel  der  beiden  Brenn- 
ebenen in  einem  TT- System,  dessen  Brennilächenmäntel  S  und  S^  seien, 
so  haben  wir: 

^^1  +  VVi  +  Ui  =VQii  cosö, 
wo  Q,  pi  die  durch   die  Gleichungen  (20)  gegebene  Bedeutung  haben. 
Daraus  folgt  wegen  der  Gleichungen  (14): 

(x^  —  xf  +  («/i  —  yf  +  (^1  —  gf  =  QQ,  sin2 ö, 
und  da  nun 


d=y(x,-xy  +  (y,-yy  +  (^^-^y 

die  Entfernung  der  beiden  Brennpunkte  und  folglich 

~. —  =  Vq  p, 

sm  6  r  «r  s  1 

die  Entfernung  der  Grenzpunkte  angiebt,  so  ergiebt  sich  aus  (20)  die 
Gleichung: 

(24)  KK.^i'^y 

und  hieraus  der  erwähnte  Satz: 

Bei  jedem  Tf-Strahlensystem  ist  das  Product  der  Krüm- 
mungsmasse der  beiden  Brennflächenmäntel  in  zwei  ent- 
sprechenden Punkten  gleich  dem  reciproken  Wert  der  vierten 
Potenz  der  Entfernung  der  Grenzpunkte. 

Die  Ergebnisse  der  voraufgehenden  Paragraphen  liefern  eine  einfache 
o-eometrische  Deutung  für  den  Moutard'schen  Satz  (S.  312,  813).  Man 
lege  nämlich  eine  Moutard'sche  Gleichung  (1)  vor,  von  der  B  eine  par- 
ticuläre  Lösung  sei,  mittels  deren  (1)  nach  dem  angegebenen  Verfahren 
in  die  neue  Gleichung  (1*)  transformiert  wird.  Bezeichnen  wir  mit 
l,  ri,  t,  drei  particuläre  Lösungen  der  Gleichung  (1),  so  können  wir 
nach  den  Lelieuvre'schen  Formeln  (9)  eine  zugehörige,  auf  ihre  Haupt- 
tangentencurven  u,  v  bezogene  Fläche  5^  construieren,  für  die  Gleichung  (1) 


§  169.   Verallgemeinerung  des  Halphen' sehen  Satzes.  321 

die  Gleicliimg  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  ist.  Entsprechend 
der  gewählten  Losung  R  haben  wir,  um  von  (1)  zu  (1*)  zu  gelangen, 
eine  unendlich  kleine  Verbiegung  der  Fläche  5,  für  die  wir  nach 
dem  Satze  auf  S.  316  ein  zugehöriges  TF- Strahlensystem  construieren. 
Für  den  zweiten  Brennflächenmantel  S^  ist  die  Gleichimg  der  unendlich 
kleinen  Verbiegungen  gerade  die  nach  der  Moutard'schen  Methode 
Transfonnierte  (1*).  Hieraus  folgt:  Für  die  beiden  Brennflächen- 
mäntel eines  TF-Strahlensystems  sind  die  Aufgaben,  ihre 
unendlich  kleinen  Verbiegungen  zu  bestimmen,  äquivalent. 

Wir  bemerken  nun,  dass  jede  projective  Raumtransformation  ein 
TF- System  offenbar  wieder  in  ein  solches  überführt,  und  da  nun  eben 
die  Frage  nach  den  unendlich  kleinen  Verbiegungen  einer  Fläche  S 
mit  der  Bestimmung  derjenigen  TF- Systeme,  für  welche  S  ein  Brenn- 
flächenmantel ist,  zusammenfällt,  so  ergiebt  sich,  dass,  wenn  alle 
unendlich  kleinen  Verbiegungen  einer  Fläche  S  bekannt 
sind,  das  nämliche  für  alle  durch  projective  Transformation 
aus  S  hervorgehenden  Flächen  gilt.  Dieses  folgt  auch  aus  der 
Bemerkung  in  §  159,  S.  301,  unten,  nach  der  die  genannte  Aufgabe 
mit  der  Bestimmung  der  conjugierten  Systeme  mit  gleichen  Invarianten 
auf  S  zusammenfällt  5  es  bleiben  nämlich  die  conjugierten  Systeme  mit 
gleichen  Invarianten  bei  projectiven  Transformationen  erhalten. 

§  170.     Neuer  Beweis  des  'Weingarten'sclien  Satzes. 

Wir  wollen  nun  zeigen,  wie  auch  der  Weingarten'sche  Satz  über 
die  Evolutenflächen  der  TF- Flächen  und  seine  Umkehruns  aus  dem 
Ribaucour'schen  Satze  (§  127,  S.  243)  und  aus  der  allgemeinen,  in  den 
vorhergehenden  Paragraphen  für  die  TF- Strahlensysteme  angegebenen 
Constiniction  folgen.  Hierzu  schicken  wir  zunächst  eine  Untersuchung 
voraus,  deren  Ergebnisse  uns  sehr  bald  von  Nutzen  sein  werden,  indem 
wir  uns  die  Frage  stellen:  Welche  Flächen  S  gestatten  eine  un- 
endlich kleine  Verbiegung  in  sich? 

Da  die  Verschiebung  eines  jeden  Punktes  von  S  tangential  längs 
der  Fläche  erfolgt,  so  wählen  wir  als  Curven  u  diejenigen,  welche  auf 
S  von  diesen  Richtungen  umhüllt  werden,  und  als  Curven  v  ihre 
Orthogonaltrajectorien,  sodass  das  Quadrat  des  Linienelements  von  S 
durch 

ds-  =  Edu^  +  Gdv^ 

gegeben  ist.     Bezeichnen  wir,  wie  in  §  153,  S.  287,  mit 

ex,    sy,    sz 
die  Componenten  der  Verschiebung,  so  haben  wir  nach  Voraussetzung: 

Bian Chi,  Differentialgeometrie.  21 


322  Kap.  12.     F"- Strahlensysteme. 

-  l    dx       _  ^    cy        - l     dz 

worin  A  ein  geeigneter  Proportionalitätsfactor  ist.  Nun  liefern  die 
Bedingungen  (S.  289): 

"^dxdx ^        ^7  dx  dx ^        >yT  /dx  dx    .    ex  dx\  ^ 

die  Grleichungen : 

^_o     —==0      1  g^  ^  1  dya  ^ 

dv~~     '      dv~     ''       X  8u~~  ya     du 

Aus  ihnen  ergiebt  sich,  dass 

;  E=l,     k  =  yG  =  r 

gesetzt  werden  kann,  wo  r  eine  Function  von  u  allein  ist.  Daraus 
folgt:  Die  gesuchten  Flächen  sind  ausschliesslich  die  auf  Ro- 
tationsflächen abwickelbaren  Flächen. 

Wird  ferner  der  Wert  der  charakteristischen  Weingarten'schen 
Function  (S.  289) 

1  /  "VT  dx  dx        'VT  dxdoc\ 

^        2r\.^^dvdu       jLJducvJ- 

berechnet,  so  ergiebt  sich  sofort  fp  =  —  ^~*)-  Also:  Für  jede  Fläche 
S,  die  auf  eine  Rotationsfläche  mit  dem  Linienelement-Quadrat 

abwickelbar  ist,  ist  der  Wert  der  charakteristischen  Func- 
tion gp,  welche  die  Verschiebung  der  Fläche  in  sich  angiebt, 

,.         ,     dr 
proportional    -r-  ■ 

Nach  dieser  Vorbemerkung  nehmen  wir  an,  es  liege  eine  TF- Fläche 
vor,  deren  Normalen  also  ein  TF- System  bilden.  Nach  dem  Satze 
in  §  168,  S.  317,  gestattet  jeder  Mantel  der  Evolutenfläche  eine  unend- 
lich kleine  Verbiegung  in  sich  und  ist  deshalb  auf  eine  Rotationsfläche 
abwickelbar  (Weingarten'scher  Satz). 

Umgekehrt,  ist  S  eine  auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbare  Fläche, 
so  bilden  die  Tangenten  der  Biegungscurven  der  Meridiane  nach  dem 
Satze  in  §  167  ein  TF"-(Normalen-)System,  woraus  die  Umkehrung  des 
Weingarten'schen  Satzes  folgt. 


1  '"vi   d'^x    dx 

*)  Es  erffiebt  sich  nämlich  qp  = >  -^— ^-  -,^-  und   durch    Differentia- 

^  °  r  jmmJ  ducv  Vit 

n         ^\^  Idxy        „        ,  "V  d'^x    ex  dr 

tion  von:     G  =      >    1^.— I  =  r^  nach  it:     7   ^ — ö- >^      =  '  T~  ' 
j^  \cv/  ^^-"i  oudvcv  du 


§171.     TT'-Strahlensysteme,  die  der  Gleichung:  9^^^  =  0  entsprechen.      323 


§  171.    TF- Strahlensysteme,  die  der  Gleichung: 


cuct 


=  0  entsprechen. 


Wir  geben  nun  einige  bemerkenswerte  Beispiele  von  TF- Strahlen- 
systemen an,  die  uns  zu  wichtigen  von  Darboux*)  herrührenden  Er- 
gebnissen führen. 

Als  Moutard'sche  Fundamentalgleichung  wählen  wir  die  Gleichung: 


=^  =  0 


ex 
Fi 

ex 

cv 


und  construieren  mittels  dreier  particulärer  Lösungen: 

(26)     l=ü{^)  +  <p,{v),    V=fM  +  <P,iv),     t=f,iu)  +  <PM 

nach  den  Lelieuvre'schen  Formeln: 

fM  +  <pM    fM  +  vM 

die  entsprechende  Fläche  S,  deren  Haupttangentencurren  die  Curven 
u,  V  sind.  Auf  die  Gleichung  (25)  wenden  wir  die  Moutard'sche  Trans- 
formation mittels  der  particulären  Lösung:  i?  =  1  an,  sodass  die  trans- 
formierte Gleichung  mit  (25)  selbst  übereinstimmt.  Construieren  wir 
nun  nach  den  Gleichungen  in  §  166,  S.  314,  das  entsprechende  TF-Sjstem, 
für  das  S  der  eine  Brennflächenmantel  ist,  so  ergiebt  sich  aus  den  Glei- 
chungen (13)  (S.  314)  für  den  zweiten  Mantel  S^i 

(26  *)   ii  =  (f^  (v) — /i  («) ,   ni  =  <P2  (^0 — A  («) ;   ti  =  <P3  (^0 — fz  (w) , 

und  es  ist  folglich  nach  S.  315,  (14): 

9'2  (v)  —  fi  («)      <P3  i^)  —  Ü  («) 

9z{^)  —  fM    vM  — /i(w) 
«PsC»)  +  fM    9>M  +  /i(w) 

9i  (v)  +  fi  (m)     <P2  («')  +  A  («♦) 


1=^  +  2 


l<p,{v) 

^c^o 

JM 

fM 

9>M 

9i(^) 

/"sOO 

/iCt*) 

9>i(v) 

<pM 

/;(«) 

fM 

Wir  bezeichnen  nun  mit  Sq  die  Mittelfläche  dieses  TF- Systems  imd  mit 
Xqj  yQ,  Zq  die  Coordinaten  jedes  Strahlenmittelpunkts.  Aus  den  Glei- 
chungen: 


—  5l±_?     «  _  yi  +  y 


^0 


Za  = 


z^-\-z 


*)  Le9ons,  3.  Bd.,  S.  372  u.  f. 


2V 


324  Kap   12.     TF- Strahlensysteme. 


d  aus  den  vorstehenden  folgt: 

7)           ^q  ^  _ 

^             du 

dv 

92  (^)        93 (V) 

^X^)      9äXf^) 

nebst  analogen  Gleichungen  für  Pq  und  Zq.  Wie  wir  sehen,  ist  die  Mittel- 
fläche Sq  dieses  TF- Systems  eine  Translationsfläche,  deren  erzeugende 
Curven  die  Curven  u,  v  sind  (§  59,  S.  113).  Ferner  erhellt  sofort, 
dass  fj^j  f^,  f^  den  Richtungscosinus  der  Binormale  der  Curve  v  auf  Sq 
und  cp^,  (p2,  (p^  denjenigen  der  Binormale  der  Curve  u  proportional 
sind,  woraus  folgt,  dass  jeder  durch  einen  Punkt  P  von  Sq  gehende 
Strahl  des  TF- Systems  die  Schnittlinie  der  beiden  Schmiegungsebenen 
der  durch  P  gehenden  Curven  m,  v  ist. 

Umgekehrt  legen  wir  nun  eine  beliebige  Translationsfläche  Sq 
vor,  die  durch  die  Gleichungen: 

(28)     x,  =  F,{u)  +  ^M,    y,=  F,{u)  +  ^,{v),    ,,=  F,(u)+0,{v) 

bestimmt  sei,  und  wollen  beweisen,  dass  durch  passende  Wahl  der 
Functionen  fi,  f^,  fVi  9i}  92)  9z  ^i^  Gleichungen  (27)  in  die  Glei- 
chungen (28)  übergeführt  werden  können.  Der  Einfachheit  halber 
wählen  wir  als  Parameter  w,  v  auf  Sq  die  Bogen  der  Parameterlinien, 
d.  h.  wir  setzen: 

^i»+^2»+^3''(^)=l. 

Indem  wir  für  die  Curven  u,  v  auf  Sq  die  üblichen  Bezeichnungen 
aus  der  Curvenlehre  beibehalten  und  den  betreffenden  Ausdrücken  den 
Index  u  oder  v  beifügen,  je  nachdem  sie  sich  auf  die  Curven  u  =  Const. 
oder  V  =  Const.  beziehen,  brauchen  wir  in  der  That  nur 

/i  ==  ]/!'»  cos  Xe,  f2  =  YT^   cos  ft„,  /"g  =  YT'^   cos  Vrf 


(29)  ,  . . . 

(Pi  =  y —  Tu  cos  Xu,     9^2  =  y—  Tu  cos  ^u,     9^3  =  y~  Tu  cos  Vu 

zu  setzen,  damit  die  Gleichungen  (28)  und  (29)  zusammenfallen. 

Wir  haben  demnach  den  Satz  von  Darboux:  Wird  durch 
jeden  Punkt  einer  Translationsfläche  Sq  die  Schnittgerade 
der  beiden  Schmiegungsebenen  der  durch  diesen  Punkt  hin- 
durchgehenden erzeugenden  Curven  gezogen,  so  entsteht  ein 
TT^-Strahlensystem,  auf  dessen  Brennflächenmänteln  die  Haupt- 
tangentencurven  den  erzeugenden  Curven  von  Sq  entsprechen. 

Uebrigens  sehen  wir,  dass,  wenn  diese  Construction  reell  sein  soll, 
die  Torsionen  der  beiden  erzeugenden  Curven  dem  Zeichen  nach  ent- 
gegengesetzt sein  müssen. 


§  172.     TT- Normalensysteme  besonderer  Art.  325 

§  172.     TF-Nonnalensysteme,   die  der  Gleichung:   ö — ^r-  =  0 

entsprechen. 

Wir  imtereuchen  nun,  ob  es  unter  den  im  Anschluss  an  den  obigen 
Satz  construierbaren  TF- Systemen  Xormalensysteme  giebt.  Hierzu  ist 
nach  S.  320  notwendig  und  hinreichend,  dass 

oder  nach  S.  323,  dass 

ist.     Daraus  ergiebt  sieh  infolge  der  Gleichungen  (29): 

T  = T 

und  da  T^  eine  Function  von  u  allein,  Tu  eine  solche  von  v  allein 
ist,  so  haben  wir  das  Ergebnis:  Die  gesuchten  Translationsflächen 
sind  diejenigen,  deren  erzeugende  Curven  gleiche  und  dem 
Zeichen  nach  entgegengesetzte  constante  Torsionen  haben. 

Wir  wollen  nun  beweisen,  dass  die  zu  den  Systemstrahlen  ortho- 
gonalen   Flächen    diejenigen  Weingarten'schen  Flächen  (§  134,  S.  252) 
sind,  deren  Hauptkrümmungsradien  durch  die  Relation: 
A-  {r^  —  r^  =  sin  [Je  {r^  -{-  rj]     (J:  =  Const.) 

verbunden  sind.  Hierzu  bemerken  wir,  dass  die  beiden  Mäntel  der 
Brennfläche  der  Moutard'schen  Gleichung: 

cu  cv 

entsprechen  und  dass  R  =  1  diejenige  Lösung  derselben  ist,  welche 
die  Verschiebung  der  Fläche  in  sich  ergiebt.  Demnach  ist  der  zuge- 
hörige Wert  der  charakteristischen  Weingarten'schen  Function  infolge 
der  Gleichungen  in  §  157,  S.  296,  durch 

gegeben,  wenn  K  = 5  das  Krümmungsmass  des  in  Rede  stehenden 

Mantels  S  ist.     Bezeichnen  wir  andrerseits  mit 

das  Quadrat  des  auf  die  Biegungscurven  der  Meridiane  und  Parallel- 
kreise bezogenen  Linienelement-s  von  S,  so  ist  infolge  der  Bemerkung 
in  §  170,  S.  322: 


7  ^^ 

CD  =  k  -j-> 

^  da 


und  da  nach  S.  159,  (13), 


326 

Kap.  12. 

W-  Strahlensysteme. 

1    _         1    d-'r 
Q^                r    da^ 

ist,   so   folgt 

daraus 

zur  Bestimmung  von   r  als 

Function 

von 

a   die 

Gleichung: 

7  4       M^V 

\da/ 

oder: 

demnach : 

Wir  haben  also; 
Setzen  wir: 


d 
da 

fe)0~ 

--  —  2k'i 

dr 
da 

\dJ  '' 

1 

(a  = 

rinnof  ^ 

—  «2  —  Vr^ 

v^ionsi.^ . 

ds^= 

=  (a^  --  h^r 

')dr^-\- 

rhlß\ 

72  .        (O 

Ic^r  ==  a  sm  —  j 


so  folgt  hieraus: 

ds'  =  ^  (cos*  f  dco^  +  ^,  sin^  I  dß^)  *), 

und  dieses  ist  gerade  der  Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linienelements, 
den  wir  in  §  134  (S.  253)  für  den  einen  Mantel  der  Evolutenflächen 
der  angeführten   TF- Flächen  gefunden  haben. 

Umgekehrt  besitzt  jede  Fläche,  auf  der  das  Quadrat  des  Linien- 
elements in  die  obige  Form  gebracht  werden  kann,  als  charakteristi- 
sche Function  für  ihre  Verschiebung  in  sich  den  Ausdruck 

Demnach  ist  B  =  1  eine  Lösung  der  entsprechenden  Moutard'schen 
Gleichung,  die  folglich  die  Form: 

dudv 
hat.     Daraus  schliessen  wir,   dass   die  vorhin  angegebene   Construction 
alle  diejenigen   TT- Flächen   liefert,    für  welche   die   sphärischen  Bilder 
der  Krümmungslinien    confocale    Ellipsen    und    Hyperbeln   sind.      Wir 
haben  somit  den  schönen  Satz  von  Darboux  abgeleitet: 

Um  alle  diejenigen  TF-Flächen  zu  construieren,  deren 
Hauptkrümmungsradien  durch  die  Relation: 

^(»"2  —  *"i)  =  sin  UK'^2  +  **l)] 

*)  Die  directe  Ausrechnung  dieser  Gleichung  bietet  keine  Schwierigkeit;  wir 
verweisen  jedoch  hier  in  Betreff  des  directen  Nachweises   auf  Darboux,  a.  a.  0. 


§  173.    TF-Strahlensjsteme,  die  der  Gleichung:  9,^  ,  +  »,,  =  ^  entsprechen.    327 

verbunden  sind,  betrachte  man  eine  Translationsfläche  Sq, 
deren  erzeugende  Curven  gleiche  und  entgegengesetzte  con- 
stante  Torsionen  haben.  Durch  jeden  Punkt  P  von  5«  ziehe 
man  die  Schnittgerade  der  beiden  Schmiegungsebenen  der 
durch  Pgehenden  erzeugenden  Curven.  Dieses  Strahlensystem 
ist  ein  Normalensystem,  und  seine  Orthogonalflächen  sind 
die  allgemeinsten   TF-Flächen  der  obigen  Art. 

§  173.     TT- Normalensysteme,  die  der  Gleichung:    ^^  +  '^— '^ 

entsprechen. 

Wir  setzen  zweitens  die  Gleichung: 

(A)  1^«  +  ?^  =  ^ 

an.     Es  seien  |,  ??,  ^  drei  particuläre  Integrale,  mit  denen  wir  vermöge 

der  Gleichungen: 


dx 


dx 


V 

g 

du 

dt 

du 

dv     dv 

und  der  analogen  in  y  imd  z  eine  Fläche  S  constniieren,  auf  der  das 
System  u,  v  irothenn-conjugiert  ist.  Wir  betrachten  diejenige  unend- 
lich kleine  Verbiegung  dieser  Fläche  5,  welche  der  Lösung  -R  =  1  der 
Gleichung  (A)  entspricht,  und  constniieren  das  zugehörige  TF- Strahlen- 
system.    Der  zweite  Brennflächenmantel  S,   ist  durch  die  Gleichungen 


(31)     Xi  =  x-\- 


Vi    ti  i 


yi  =  y+i 


Zl=  2  -\- 


li    Vi 


^1  ^1 
,n    IV   "'     -'Sei 

definiert,  wo  §„  tj,,  t,  die  zu  l,  i],  t,  conjugierten  Lösungen  von  (A) 
sind,  die  den  Gleichungen  (17),  §  167,  S.  316: 

Mi=^,     £lL  =  _|ietc. 


cv 


cu 


genügen.     Die  Coordinaten  x^,  y^,  ^o    des  Mitt^lpimkts    eines    Strahls 
dieses   TT- Systems  genügen  ebenfalls  der  Gleichung  (A). 

Um   17-Normalensysteme  dieser  Art   zu  erhalten,  brauchen  wir 
nur  die  Bedingung: 

lli  +  '.>a  +  ^^i  =  Ö 
aufzusteUen,    d.  h.:    Das    durch    die    Gleichungen    (30)    und    (31) 
definierte   TT-Strahlensystem  ist    ein   Normalensystem,  wenn 
die  Summe   der  Quadrate  der  drei  Functionen  der  complexen 
Yariabeln  u  -\-  iv: 


328  Kap.  12.     TT- Strahlensysteme. 

ii  +  «I,     Vi  +  iv,     ^i  +  it 
gleich  einer  reellen  Constanten^  also 

(32)  (1,  +  Üf  +  (Vi  +  ivf  +  (ti  +  iO'  =  « 

ist. 

Ist  insbesondere  a  =  0,  so  ergiebt  sich: 

ii'  +  %'  +  Ci'  =  r  +  ^^  +  ^^ 

d.  h.: 

wenn  JST,  Ä^  die  Krümmungsmasse  der  beiden  Brennflächenmäntel  S,  S^ 
sind.  Diese  Thatsache,  verbunden  mit  der  Anmerkung  zu  §  128, 
S.  244,  genügt  bereits,  um  nachzuweisen ,  dass  im  Falle  a  =  0  das 
W^- System  von  den  Normalen  einer  Minimalfläche  gebildet  wird,  welche 
die  Mittelfläche  Sq  des  Systems  ist,  und  dass  die  Flächen  S,  S^  nichts 
anderes  sind,  als  die  Mäntel  der  Evolutenfläche  der  Minimalfläche  Sq**)- 
Um  für  einen  beliebigen  Wert  der  Constanten  a  auf  der  rechten 
Seite  der  Gleichung  (32)  zu  untersuchen,  auf  welche  Rotationsfläche 
S  und  analog  S^  abwickelbar  ist,  brauchen  wir  nur  wie  im  vorigen 
Paragraphen  zu  verfahren,  indem  wir  berücksichtigen,  dass  für  unsere 
Fläche  S  der  Wert  der  charakteristischen  Function,  welche  die  Ver- 
schiebung der  Fläche  in  sich  angiebt, 

ist ,  wenn  K  =  -  j  das  Krümmungsmass  ist.     Zur  Bestimmung   von  r 
als  Function  von  a  (§  172,  S.  326)  haben  wir  also  hier  die  Gleichung: 


l^.  =  -*'''(iiy     (7.  =  Co„st.), 


dl 
demnach : 

=  h  +  Jc^r'     (b  =  Const.), 


IdrV 
\dal 


*)  Wir  sehen  übrigens,  dass,  wenn  wir,  anstatt  die  Constante  a  auf  der 
rechten  Seite  der  Gleichung  (32)  gleich  Null  zu  setzen,  sie  in  dem  entsprechenden 
TT- System  rein  imaginär  annähmen,  die  Mäntel  der  Brennüäche  immer  noch 
gleiches  Krümmungsmass  haben  würden. 

**)  Bei  dieser  Gelegenheit  dürfte  die  Bemerkung  am  Platze  sein,  dass  jedem 
Orthogonalsystem  auf  der  Evolventenfläche  ä^  auf  den  Mänteln  S,  S^  der  Evo- 
lutenfläche ein  conjugiertes  System,  insbesondere  jedem  Isothermensystem  auf  8^ 
ein  isotherm -conjugiertes  System  auf  S,  S^  entspricht.  Diese  Eigenschaft  kommt, 
wie  aus  den  Gleichungen  in  §  127  leicht  ersichtlich  ist,  allen  Flächen  mit  con- 
stanter  mittlerer  Krümmung  zu. 


§  174.    Auf  das  Rotationsparaboloitl  abwickelbare  Flächen.  329 

und  somit  für  das  Quadrat  des  Linienelements  von  S: 
(33)  ds^  =  (&-!-  l''r^)df"  +  r^dßK 

Umgekehrt  ist  för  jede  Fläche  S,  auf  der  das  Quadrat  des  Linien- 
elements   in    diese    Form   gebracht    werden    kann,    der    entsprechende 

Wert  der  charakteristischen  Function  tp  gleich  — ,  und  da  die  zugehörige 

Moutard'sche  Gleichung  die  Losung  R  =  1  besitzt,  so  lautet  sie: 

^  4-  £!^  =  0 

Wir  sehen  somit,  dass  unsere  TF- Strahlensysteme  in  ihren  Brennflächen 
aUe  Flächen  mit  dem  gegebenen  Linienelement  (33)  liefern. 


§  174.    Bestimmung  aller  auf  das  Eotationsparaboloid  abwickelbarer 

Flächen, 

Um  nun  über  die  Gestalt  der  Rotationsfläche,  auf  die  S  abwickel- 
bar ist,  klar  zu  werden,  müssen  wir,  je  nach  dem  Vorzeichen  ron  h  in 
der  Gleichung  1^33),  das,  was  wir  sofort,  sehen  werden,  dem  von  — a 
in  der  Gleichung  (32)  entspricht,  verschiedene  Fälle  unterscheiden. 

1)  Ist  6  =  0,  so  wird  das  Quadrat  des  Linien elements  (33) 

ds'  =  du^  +  udß^ 

und  gehört  zu  den  Evolutenflächen  der  Minimalflächen  (§  134,  S.  252, 
Anmerkung).  Es  ist  dieses  derjenige  Fall,  welcher,  wie  wir  bereits 
vorhin  gesehen  haben,  durch  den  Wert  a  =  0  der  Constanten  in  der 
Gleichung  (32)  charakterisiert  wird. 

2)  Sei  5  >  0.     Dann  können  wir  imbeschadet  der  Allgemeinheit 

&  =  1 ,     ds' =  (!-{-  l-^r')dr''  -f  r-dß' 

setzen,  und  die  zugehörige  Rotationsfläche  ist  das  Rotationspara- 
boloid  (vgl.  S.  78): 

Setzen  wir  femer  unter  Einführung  einer  Hüfsfunction  a 

Jc'r  =  sinh  —  > 
SO  folgt: 

(34)  ds'  =  c'  (cosh*  ~  da'  -\-  sinh^  ^  dv')     {c=^)- 

Berechnen  wir  nun  die  Hauptkrümmungsradien  r^,  r^  der  Evol- 
ventenfläche, so  finden  wir  nach  den  Formeln  in  §  133,  S.  251,  ohne 
Schwierigkeit: 


) 


330  Kap.  12.     Tr-Strahlensysteme. 

/,^r\  CO  —  sinh  CO  (o  4-  sinh  co 

(35)  r^  =  c ,     r^  =  c ~ 

demnacli  (vgl.  S.  247)  für  den  zweiten  Mantel  Sj^  den  Ausdruck: 

(34*)  ds,^  =  c^  (sinh*  I  dco'  +  cosh^  |-  dv^)  , 

der,  wie   sofort   einleuchtet,   dem  Ausdruck  (33)   für  das  Quadrat   des 
Linienelements  mit  negativem  h  entspricht. 

Ferner  ergeben  sich  für  die  zu  (34),  (34*)  gehörigen  Krümmungen 
K,  K^  nach  S.  243,  (16),  die  Ausdrücke: 


K= " ,     K,= 


4c^  cosh*  -—  4c^  sinli*  — 

2  2 


Es  ist  also: 


p  =  2  c  cosh^  —  7      pi  =  2  c  sinh^  — ; 

Q  —  pi  =  2c  >  0. 
Daher  hat  die  Constante  in  der  Gleichung  (32),  nämlich 

«  =  ik'  +  V^'  +  k')  -  (1^  +  ri^  +  a  ==Q,-Q, 

einen  negativen  Wert. 

Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  der  Fall  &  <  0,  welcher  der  Wahl 
eines  positiven  a  in  der  Gleichung  (32)  entspricht,  nicht  betrachtet  zu 
werden  braucht,  und  wir  können  das  Ergebnis  von  Darboux  in  der 
folgenden  Fassung  aussprechen: 

Sind  li  4~  *i;  %  4~  '^'^j  ^1  +  *^  d^ßi  solche  beliebige  Func- 
tionen der  complexen  Veränderlichen  u  -j-  iv,  die  durch  die 
Gleichung: 

(B)  (i,  +  ilf  +  (^,  +  irif  +  {k  +  Hf  ==  Const. 

verbunden  sind,  so  liefern  die  Gleichungen  (30)  mittels  Qua- 
draturen die  allgemeinsten  auf  das  Rotationsparaboloid  ab- 
wickelbaren Flächen,  wenn  die  reelle  Constante  auf  der  rech- 
ten Seite  von  (B)  negativ  ist,  andernfalls  ihre  Ergänzungs- 
flächen. Ist  ferner  diese  Constante  gleich  Null,  so  ergeben 
sich  aus  den  Gleichungen  (30)  alle  Evolutenflächen  der  Mini- 
malflächen. 

Schliesslich  bemerken  wir,  dass  das  Quadrat  des  Linienelements 
der  Kugel,  bezogen  a-uf  die  sphärischen  Bilder  der  Krümmungslinien 
der  Evolventenfläche,  die  charakteristische  Form  (§  133,  S.  250): 

(36)  ^,'2__^!^+     ^^^ 


sinh*  ^  cosh^ 

2 


§  175.     TT- Syst.  mit  gleicher  Krümm,  in  entspr.  Punkten  d.  Brennflächen.      331 

annimmt.  Wir  sehen  also,  dass  sich  die  Aufgabe,  das  Quadrat  des 
Linienelements  der  Kugel  auf  diese  Form  zu  bringen,  mittels  Quadra- 
turen lösen  lässt. 

§  175.     TF- Strahlensysteme,  deren  Brennflächen  in  entsprechenden 
Funkten  gleiche  Krümmung  haben. 

Wir  betrachten  noch  eine  zweite  Klasse  von  TF- Strahlensystemen, 
von  denen  die  pseudosphärischen  (§  151,  S.  282)  ein  besonderer  Fall 
sind.  Zu  diesem  Zwecke  stellen  wir  uns  die  Aufgabe,  diejenigen 
TF- Systeme  zu  bestimmen,  deren  Brennflächenmäntel  in  entsprechenden 
Punkten  gleiches  Krümmungsmass  besitzen,  wobei  wir  uns  übrigens 
auf  den  Fall  beschränken,  in  dem  die  Haupttangentencurven 
auf  der  Brennfläche  reell  sind- 

Wir  wählen  die  Haupttangentencurven  als  Parameterlinien  «,  v 
und  bedienen  uns  bei  der  Untersuchung  der  Gleichungen  in  §  166, 
S.  314.     Da  nach  Voraussetzung 

ist,  so  ist    nach  S.  317: 

(37)  ^'  +  ri'  +  t'  =  Ir'  +  %'  +  t,'  =  Q, 

femer,  wenn  6  den  Winkel  zwischen  den  Brennebenen  bedeutet,  nach 
S.  320: 

(38)  |§, +  »,,;, +  eei  =  9  cos tf. 

Nun  multiplicieren   wir  die  drei  ersten  Gleichungen  (13),  S.  314,  der 

Reihe  nach  mit  |,  r,,  t,  ebenso  mit  1^,  j;,,  t^  imd  addieren  sie  jedes 
Mal.   So  erhalten  wir  unter  Beinicksichtigung  der  Gleichungen  (37),  (38): 

,(l-cos«)|?=iä[i|^+2l||], 

und  hieraus  durch  Addition: 

(39^  £4«^^  =  _a  +  cos5)^i^- 

Verfahren   wir  ebenso   mit   den   drei  letzten  Gleichungen  (13),  S.  314, 

so   erhalten  wir: 

(39*)  '-^^  =  (1  -  cos  6)  y^  *). 


*)  Werden  ^^  '   ^^  durch  die  Symbole  |  ^  i ''    I  V 1  \  ^^  sich  auf 

das  Quadrat  des  Linienelement«  der  Kugel  beziehen,  ausgedrückt,  so  lauten  diese 
Gleichungen  (vgl.  S.  125): 


332 


Kap.  12.    TT- Strahlensysteme. 


Aus  diesen  Gleichungen  folgt: 


lr[(i  + 


A  d  log  9 

cos  (?)  — >r^-^ 


+ 


du 


1 


cos  (5)  — ö 


=  0 


oder  wegen  der  Gleichungen  (39),  (39*)  selbst: 


demnach : 
(40) 


dudv 


0, 


K^  — 


[qp(w)  +  ^{V)y 

wenn  mit  q){u)  eine  Function  von  u  allein,  mit  V(^)  eine  Function 
von  V  allein  bezeichnet  wird.  Also:  Wenn  bei  einem  TT-System 
die  beiden  Brennflächenmäntel  in  entsprechenden  Punkten 
gleiches  Krümmungsmass  besitzen,  so  nimmt  dieses  Krüm- 
mungsmass,  durch  die  Parameter  u,  v  der  Haupttangenten- 
curven  ausgedrückt,  die  charakteristische  Form  (40)  an. 

Im  nächsten  Paragraphen  werden  wir  beweisen,  dass  die  hier  als 
notwendig  nachgewiesene  Bedingung  auch  hinreichend  ist,  genauer  aus- 
gedrückt, dass  jede  Fläche  der  Klasse  (40)  als  erster  Brenn- 
flächenmantel zu  oo^  TF-Systemen  der  gesuchten  Art  gehört, 
deren  Bestimmung  von  der  Integration  einer  Riccati'schen 
Gleichung  abhängt. 

Wir  bemerken  hier  noch,  dass  die  durch  die  Gleichung  (40) 
charakterisierten  Flächen  als  besonderen  Fall  die  pseudosphärischen 
Flächen  umfassen,  die  in  dem  Falle,  dass  (p(u)  und  ^(v)  beide  constant 
sind,  hervorgehen. 

Ist  nur  eine  der  beiden  Functionen  (p(u),  ^(^),  z.  B.  ip(v)f  con- 
stant, so  sind  die  Curven  gleicher  Krümmung  Ä'=  Const.  die 
Haupttangentencurven  m,  von  denen  also  jede  (nach  dem  Enneper'schen 
Satze,  S.  121)  eine  Curve  constanter  Torsion  ist.  Umgekehrt  gehören 
alle  Flächen,  deren  Haupttangentencurven  des  einen  Systems  Curven 
constanter  Torsion  sind,  zu  dieser  Klasse.  Das  einfachste  Beispiel 
einer  solchen  Fläche  ist  die  Minimal- Schraubenfläche. 


(a) 


' 3  cos  ff 

du 
d  cos  6 

dv 


=        2(l  +  cosff){y}', 

=  -2(1—008(7)   [^^]   , 


{121'      f  1  2  1 ' 
,    Inf   besteht  die  Identität: 

(b) 


_a_  ji2i' 

du  i  1 


_a_  jl2 

cv   l  2 


i2i'fi2r 


§  176.    Zurückfölirung  der  Bestimmung  auf  eine  Riccatrsche  Gleichung.     333 

Endlich  bemerken  wir,  dass  zu  der  allgemeinen  Klasse  (40)  alle 
geraden  Conoidflächen  (§  68,  S.  134)  gehören. 

§  176.    Zurückführong  ihrer  Bestimmung  auf  eine  Eieeati'sche 

Gleichung. 

Zum  Beweise  des  angeführten  Satzes  nehmen  wir  eine  Fläche  S 
der  Klasse  (40)  und  bestimmen  den  Winkel  ö  durch  die  Gleichungen 
(39),  (39*),  die  integriert 

(41)  tangl'l/H?!' 

WO  Je  eine  willkürliche  Constante  ist,  geben.  Wir  erteilen  in  dieser 
Gleichung  Ä;  einen  festen  Wert  und  wollen  dann  beweisen,  dass  oc^ 
solche  TT"- Systeme  construiert  werden  können,  deren  einer  Brennflächen- 
mantel S  ist  und  deren  zweiter  Brennflächenmantel  S  in  jedem  ent- 
sprechenden Punkte   dasselbe  Ki-ümmimgsmass  wie  S  hat. 

Bei  diesen  Strahlensystemen  ist  infolge  der  Gleichung  (24),  S.  320, 
die  Entfernung  der  Brennpunkte 

ö  =  Q  sin6 . 

Wir  betrachten  nun  in  jedem  Punkte  von  S  die  Richtungen  der  Krüm- 
mungslinien, deren  Richtungscosinus  wir  mit  X^,  y\,  Z^x  X,,  Y.^,  Z^ 
bezeichnen.  Auf  der  Bildkugel  sind  nach  S.  120  diese  beiden  Richtungen 
die  Halbierungslinien  der  Winkel  zwischen  den  Parameterlinien  u,  r; 
es  gelten  daher  die  in  §  149  (S.  278)  abgeleiteten  Formeln,  die  wir 
der  grösseren  Klarheit  halber  hier  nochmals  zusammenstellen*): 


(42) 


If  =  l/.-(sin  I  2.  +  cos  f  :X,)  41  =  V5  (-  Bin  f  X,  +  cos  ^  JE,), 
^  =  -AX-Vesm|x,        ^=       BX^  +  l^smfx, 
[^3=       4X.-1/Jc«sfx,        ^  =  -BX,-y^cos-fX; 


*)  Die  obigen  und  die  umstehenden  Formeln  beziehen  sich  auf  das  Quadrat 
des  Linienelements  der  Büdkugel 

ds*  =  edtt'-f  2cosflye5f  dudv  +  gdv*^ 

und  mit  — »  —  sind  die  geodätischen  Krümmungen  der  sphärischen  Curven  w ,  v 

Qu    ?t. 
bezeichnet. 


334 


Kap.  12.     TF- Strahlensysteme. 


(48) 


Ä  = 


1  dSl^ 

~2  'du 


Für  die  Coordinaten  x,  y,  z  eines  Punktes  F  von  /S  geben  dann 
die  Gleichungen  (13),  §  64,  S.  126 : 


(44) 


'  dx 
8u 
dx 


cos  —  Xi 


sm 


Xi  -j-  sin 


Xgj    u.  s. 


w. 


Bezeichnen  wir  mit  cp  den  unbekannten  Neigungswinkel  des  Focal- 
abstands  FF'  gegen  die  von  F  auf  S  ausgehende  Richtung  (X^,  Y-^^,  ZJ, 
so  erhalten  wir  für  die  Coordinaten  x\  y',  z  von  F'  offenbar  die  Aus- 
drücke: 

X  =  X -{-  q  ■&\n  6  (cos  ^  X^  -f-  sin  9  Xg) , 
(45)  I «/'  =  2/  -j-  9  sin  ö  (cos  g)  F^  +  sin  9)  Fg) , 

0'  =  ^  -f~  ?  sin  (?  (cos  g)  ^1  -j-  sin  9?  ^2)  • 

Nun  müssen  wir  ff  den  Bedingungen  unserer  Aufgabe  unterwerfen. 
Hierzu  beweisen  wir  zunächst,  dass  9?  so  bestimmt  werden  kann,  dass 
die  in  F'  zur  Fläche  S' ,  der  Ortsfläche  des  durch  die  Gleichungen 
(45)  bestimmten  Punktes  F'{x'y  y\  z'),  gezogene  Normale  die  Rich- 
tungscosinus 

(X'=  cosöX  -f-  sin  (J (cos  gp Xg  —  sin^jX^), 
Y'  =  co^ßY  -\-  sin  ö  (cos  cpY^  —  sin  cp  Y-^ , 
Z'  =  cos  6  Z  -\-  sin  ^  (cos  (p  Z^  —  sin  9p  Z^ 

hat;  ist  dieses  bewiesen,  so  ist  die  Fläche  8'  offenbar  der  zweite  Brenn- 
flächenmantel des  so  construierten  Strahlensystems.  Bilden  wir  nun  die 
beiden  Gleichungen: 


J 


X' 


ex 
du 
ex' 


0, 


^^         cv  ' 

die  eben  besagen,   dass  die  Richtung  (X',   Y,  Z')  zur  Fläche  S'  nor- 
mal ist,  so  finden  wir  unter  Benutzung  der  früheren  Gleichungen: 


(47) 


du  '    ' 

dcp  ^        ,/-l 


sin  6 

—  cos  6 


sin 


sm 


§  176.    Zuruckführung  der  Bestimmung  auf  eine  Riecati'sche  Gleichung.      335 
Wird  nun  die  Identität: 

+  ^  =  —  ye^  sin  ß 


cA  _,    cB 
cv     'du 


berücksiclitigt,  die  aus  der  Liouville'schen  Formel  für  das  Krümmungs- 
mass  (§  77,  S.  151),  sowie  aueli  die  beiden  Gleichungen: 


;   /t/- 1  —  cose\        t/-         _.  1  —  cos  ff  fl2l        -,/-l  +  cose   (l2l 
V  sin  ff      /  '  ^  sin  ff        [  2  }         '  sin  ff       l  1   I 


cv 

benutzt,  die  sich  ohne  Schwierigkeit  aus  den  Gleichungen  (a)  (S.  332) 
ergeben,  so  stellt  sich  heraus,  dass  die  Integrabilitätsbedingung  für  die 
Gleichungen  (47)  identisch  erfüllt  ist. 

Die  Gleichungen  (47),  die  durch  eine  totale  Differentialgleichung 

für  tangY  vom  Riccati'schen  Typus  ersetzt  werden  können,  besitzen 
also  eine  Lösung  q)  mit  einer  willkürlichen  Constanten. 

Es  erübrigt  nun  noch  nachzuweisen,  dass  für  einen  beliebigen  von 
den  Werten  qp,  die  diesen  Gleichungen  genügen,  das  construiei-te  Strahlen- 
sjstem  zur  TF- Klasse  gehört,  denn  dann  folgt  aus  dem  Satz  S.  320 
unmittelbar,  dass  das  Krümmungsmass  von  S'  gleich  demjenigen  vou 
S  ist.  Es  braucht  also  nur  nachgewiesen  zu  werden,  dass  auch  auf 
der  Fläche  S'  die  Gurren  ?(,  v  Haupttangentencurven  sind,  d.  h.  dass 
die  beiden  Gleichungen: 

^^    du    cti  '      -^-^    cv    cv 

bestehen.  Wird  die  Rechnung  ausgeführt,  so  ergiebt  sich,  dass  die 
Gleichungen  genau  in  die  beiden  Gleichungen  (a),  S.  332,  die  6  bestim- 
men, übergehen. 

Wir  bemerken  schliesslich,  dass  wir  wegen  der  bekannten  Eigen- 
schaften der  Riccati'schen  Differentialgleichung  nur  eine  pai-ticiüäre  Lösung 
der  Gleichungen  (47)  zu  kennen  brauchen,  um  die  allgemeine  Lösung 
mittels  Quadraturen  zu  finden.  Hiernach  gilt  für  die  neu  abgeleiteten 
Flächen  der  Klasse  (40)  dasselbe,  wie  für  die  Ausgangsfläche,  und  es 
sind  nur  Quadraturen  erforderlich,  um  das  Verfahren  unbegi-enzt  oft 
anzuwenden.  Können  wir  ferner  für  die  Ausgaugsfläche  alle  unendlich 
kleinen  Verbiegungen  bestimmen,  so  gilt  nach  dem  Satze  von  Moutard 
das  nämliche  für  alle  abgeleiteten  Flächen.  Dieses  ist  nun  eben  der 
Fall,  wenn  wir  als  Ausgangsfläche  S  die  Pseudosphäre,  die  Minimal- 
Schraubenregelfläche    oder    das   gleichseitig  -  hyperbolische    Paraboloid, 


336  Kap.  12.     TF- Strahlensysteme. 

die  Vertreter   der    drei    vorhin  betrachteten  Typen   von  Flächen  (40), 
wählen  *). 

§  177.     Sätze  von  Cosserat. 

Die  associierten  Flächen  der  in  den  beiden  voraufgehenden  Para- 
graphen betrachteten  Flächen  besitzen  eine  bemerkenswerte  charakte- 
ristische Eigenschaft,  die  von  Cosserat  entdeckt  worden  ist**).  Um 
dieselbe  zu  finden,  stellen  wir  uns  die  Frage:  Welche  Flächen  kön- 
nen so  verbogen  werden,  dass  ein  ursprünglich  conjugiertes 
System  {u,  v)  conjugiert  bleibt?  Als  Parameterlinien  auf  der  ge- 
suchten Fläche  S  wählen  wir  das  conjugierte  System  (ii,  v).  Da  D'=  0 
ist,  lauten  die  Codazzi'schen  Grleichungen  (S.  91,  (IV)): 

'l^+{V|^"-{?}^=o, 


(48) 


'''■■+ I?l^-(?li5"=0. 


Nach  der  Verbiegung  ist  D'  immer  noch  gleich  Null,  und  da  das 
Product  DD"  ungeändert  bleiben  soll,  so  können  wir  die  neuen  Werte 
von  D  und  D"  mit 

bezeichnen.  Setzen  wir  sie  in  die  Gleichungen  (48)  ein  und  berück- 
sichtigen wir  diese  mit,  so  finden  wir  für  die  unbekannte  Function  A 
die  beiden  Gleichungen: 


du 


(i)={v}#.(i-^)'  i^-{\'m-^) 


statt  A   führen  wir  mittels  der  Substitution:  A^  =  1  H eine  andere 

unbekannte  Function  v    ein.      Wenn  wir   uns    dabei    der   Gleichungen 
(25),  S.  135: 

[22\   D  /12\'        [lll  D"  (12\' 

\il^  =  -i2r    121  n  =  - 1  1  j ' 

in  denen   die  Symbole   rechts  für  das  Quadrat  des  Linienelements  der 
Kugel  gebildet  sind,  erinnern,  so  erhalten  wir: 

*)  Hinsichtlich  der  weiteren  Ausführung    vergleiche    man  die  Abhandlung 
des  Verfassers  in  den  Annali  di  Matematica,  2.  Serie,  18.  Bd.  (1890). 
**)  Comptes  Rendus  de  l'Acad.  des  Sciences,  12.  u.  19.  October  1891. 


§  177.    Sätze  von  Cosserat.     §  178.    Beispiele.  337 

Jede  Losung  v  dieser  Gleichungen  liefert  eine  Lösung  der  Auf- 
gabe; da  nun  aber  diese  Gleichungen  in  v  linear  sind,  so  können  sie 
nicht  mehr  als  eine  Lösung  haben,  wofern  sie  nicht  unbeschrankt  in- 
tegrierbar sind  und  dann  unendlich  viele  Lösungen  haben.  Damit  letz- 
terer Fall  zutrifft,  ist  es  notwendig  und  hinreichend,  dass 

ist,  d.  h.  die  Fläche  S  muss  nach  S.  332  die  Associierte  einer  Flache  der  im 
vorigen  Paragi-aphen  betrachteten  Klasse  sein.  Wir  haben  also  gefunden : 
Wenn  eine  Fläche  S  mehr  als  eine  solche  Verbiegung 
gestattet,  bei  der  ein  ursprünglich  conjugiertes  System  con- 
jugiert  bleibt,  so  gestattet  sie  eine  stetige  Aufeinanderfolge 
solcher  Yerbiegungen.  Diese  Flächen  S  sind  sämtlich  und 
ausschliesslich  die  Associierten  derjenigen  Flächen,  deren 
Krümmungsmass  K,  ausgedrückt  durch  die  Parameter  der 
Haupttangentencurven,  die  Form  (40) 

[9(«)  +  ^{v)y 

hat. 

Nach  den  Entwickelungen  der  voraufgehenden  Paragraphen  sind 
wir  im  Stande,  lediglich  durch  Quadraturen  beliebig  viele  Flächen  zu 
finden,  die  der  hier  betrachteten  Yerbiegungen  fähig  sind. 

§  178.    Beispiele. 

Diese  allgemeinen  Ergebnisse  wollen  wir  auf  drei  Beispiele  anwenden. 

1)  Das  auf  der  Kugel  von  den  Meridianen  und  den  Parallelkrei- 
sen gebildete  System  genügt  den  Bedingungen  (50).  Daher  gestatten 
alle  Gesimsflächen  mit  eylindrischer  Abwickelung  (§  74,  S.  144)  eine 
stetige  Aufeinanderfolge  von  Yerbiegungen,  bei  denen  ihre  KJrümmungs- 
linien  beständig  Krümmungslinien  bleiben.  Umgekehrt  lässt  sich  unter 
Benutzung  der  Gleichungen  (50)  leicht  nachweisen,  dass  dieses  die 
einzigen  Flächen  sind,  die  solcher  Yerbiegungen  fähig  sind.  Diejenige 
Fläche,  der  sie  associiert  sind,  ist  die  Rotationsminimalfläche,  d.  h.  das 
Catenoid. 

2)  Wir  betrachten  das  gleichseitige  hyperbolische  Paraboloid,  das 
zur  Klasse  (40)  gehört. 

Da  die  sphärischen  Bilder  seiner  Erzeugenden  grösste  (geodätische) 
Kreise  sind,  so  ist 


{V)  =  o, 


1  1   I  -  ^' 


B  i  a  n  c  h  i ,  Differentialgeometrie. 


338  Kap.  12.     TT- Strahlensysteme. 

demnach   für    die   dem  Paraboloid  associierten   Flächen   (§  G9,  S.  135, 
Formeln  (25)): 

fl2l        ^       (12\_^ 

Dieselben  sind  also  nach  S.  137,  oben,  Translationsflächen,  deren 
erzeugende  Curven,  wie  leicht  ersichtlich,  eben  sind  und  in  lotrechten 
Ebenen  liegen.  Umgekehrt  ist  jede  Translationsfläche  dieser  Art  eine 
Associierte  des  gleichseitigen  hyperbolischen  Paraboloids.  Es  gehört 
demnach  zu  jeder  solchen  Translationsfläche  eine  einfach  unendliclie 
Schar  von  Flächen  derselben  Klasse,  die  auf  einander  abwickelbar  sind. 

3)  Schliesslich  betrachten  wir  eine  beliebige  pseudosphärische 
Fläche  8.  Ihre  Associierten  sind  Voss'sche  Flächen,  auf  denen  die 
Bilder  der  Haupttangentencurven  von  S  ein  conjngiertes  System  geo- 
dätischer Linien  bilden.  Jede  Voss'sche  Fläche  kann  somit  in  stetiger 
Weise  so  verbogen  werden,  dass  das  conjugierte  geodätische  System 
conjugiert  bleibt.  In  diesem  Falle  ist  die  im  voraufgehenden  Para- 
graphen mit  A  bezeichnete  Function  eine  Constante,  woraus  erhellt, 
dass  sich  bei  der  Verbiegung  die  erste  und  die  zweite  Krümmung  der 
geodätischen  Linien  bei  dem  einen  System  mit  einer  Constanten,  bei 
dem  anderen  mit  dem  reciproken  Wert  derselben  multiplicieren. 


Kapitel  XIII. 
Die  normalen  Kreissysteme. 

Bedingung  dafür,  dass  eine  Schar  von  oc*  Curven  eine  Schar  Orthogonalflächen 
hat.  —  Normale  Kreissysteme  oder  Cykelsysteme.  —  Grundlegende  Sätze  von 
Rihaucour.  —  Dreifaches  örthogonalsystem  von  Flächen,  das  zu  einem  normalen 
Kreissystem  gehört.  —  Cyklische  Strahlensysteme,  die  von  den  Axen  eines  nor- 
malen Kreissystems  gebildet  werden.  —  Bedingungen  dafür,  dass  ein  Stnihlen- 
8yst«m  cyklisch  ist.  —  Strahlensysteme,  die  auf  unendlich  viele  Weisen  cyklisch 
sind.  —  Das  Cykelsystem,  in  dem  alle  Kreise  gleich  gross  sind.  —  Ausdruck  für 
das  Linienelement  des  Baumes,  bezogen  auf  ein  normales  Kreissystem.  —  Be- 
stimmung der  sphärischen  Bilder  der  Abwickelbaren  eines   cyklischen  Strahlen- 

svstems. 


§  179.     Bedingung  dafür,    dass  eine  Schar  von   cc-  Curven  eine 
Schar  Orthogonalflächen  hat. 

In  engem  Zusammenhange  mit  der  Lehre  von  den  geradlinigen 
Strahlensystemeu  und  den  unendlich  kleinen  Verbiegungen  der  Flächen 
steht  die  Theorie,  die  wir  in  dem  vorliegenden  Kapitel  behandeln 
wollen  und  die  sich  auf  Scharen  von  oc-  Kreisen  bezieht,  die 
eine  Schar  Orthogonalflächen  besitzen. 

Eine  solche  Kreisschar  werde  kurz  ein  normales  Kreissystem 
oder  auch  nach  der  Bezeichnung  Ribaucours,  von  dem  diese  Theorie 
entwickelt  worden  ist,  ein  Cykelsystem  genannt. 

Wir  schicken  unserer  Untersuchung  die  Ableitung  der  Bedingung 
voraus,  der  eine  Schar  von  oo-  Curven  im  Räume,  eine  sogenannt« 
Curvencongruenz,  genügen  muss,  damit  es  eine  Schar  von  Flächen 
gebe,  die  zu  diesen  Curven  orthogonal  sind*).  Wir  schreiben  die  Glei- 
chungen der  Congruenzcurven  in  der  Form: 

(1)  I  =  |(m,  »,  t),     n  =  i?(w,  V,  t),     l  =  S(m,  f ,  t), 


*)  Vgl.  Beltrami,  Ricerche   di   analisi  appUcata  alla  geometria.     Giomale 
di  Mat^matiche,  2.  Bd. 

22* 


340  Kap.  13.    Die  normalen  Kreissysteme. 

WO  II,  V  zwei  willkürliclie  Parameter  sind,  deren  einzelne  Werte  Uq,  Vq 
eine  Curve  6^  der  Schar  eindeutig  bestimmen,  während  die  Variable  t 
dann  die  Punkte  der  Curve  festlegt. 

Wir  wollen  nun  annehmen,  dass  es  eine  zu  den  Curven  orthogo- 
nale  Fläche  U  gebe,  und  es  sei 

(2)  t=t(u,  v) 

diejenige  Function  von  u,  v,  die  wir,  um  E  zu  erhalten,  in  die  Glei- 
chungen (1)  einsetzen  müssen.  Durch  einen  Punkt  (|,  i^,  ^)  dieser 
Fläche,  der  den  Werten  u  =  Uq,  v  =  Vq  entspricht,  geht  die  Curve  der 
Schar 

I  =  IK,  v^,  t),     ri  =  ri{uQ,  VQ,t),     t  =  t  (mo,  v^,  t)  , 

und  die  Richtungscosinus  ihrer  Tangente  sind  proportional 

c^     dn     dj 
dt'    dt'    dt' 

Nach  der  Voraussetzung  muss  also 

(3)  ^äl+^ä,  +  ^äi^O 

*ein,  worin  di,,  drj,  dt,  aus  den  Gleichungen  (1)  zu  berechnen  sind  und 
für  t  der  Wert  (2)  einzusetzen  ist.     Nun  setzen  wir: 

^-2(Mf'  ^-2^'  y-2lt2- 

Dann  nimmt  die  Gleichung  (3)  die  Gestalt  an: 

(4)  .  Tdt  +  Udu  +  Väv  =  0. 

Der  gesuchte  Wert  t  muss  als  Function  von  u,  v  dieser  totalen  Diffe- 
rentialgleichung genügen.  Damit  es  also  eine  Schar  von  Flächen  27 
gebe,  die  zu  den  Curven  orthogonal  sind,  ist  es  notwendig  und  hin- 
reichend, dass  die  Gleichung  (4)  unbeschränkt  integrierbar  sei,  d.  h. 
dass  für  alle  Werte  von  t,  u,  v  ihre  Integrabilitätsbedingung : 

(5)     T  P-F-  -  m  +  u{%  -  m  +  rm-  m = o 

^    ''  \CV  du/      '  \0t  CVl      '  \du  dt  1 

erfüllt  sei.  Wird  diese  Bedingung  nicht  erfüllt,  so  kann  es  nur  ein- 
zelne Flächen  geben,  die  zu  den  Curven  orthogonal  sind;  dieses  ist 
dann  der  Fall,  wenn  die  Gleichung  (5)  für  t  einen  oder  mehrei-e 
Werte   liefert,  die  der  Differentialgleichung  (4)  genügen. 

§  180.    Normale  Kreissysteme  und  Sätze  von  Ribaucour. 

Wir  nehmen  nun  an,  die  Congruenz  (1)  werde  von  Kreisen  ge- 
bildet. Um  sie  analytisch  zu  definieren,  brauchen  wir  nur  die  Coor- 
dinaten    a\,  y^,  z^    des    Kreismittelpunkts,    den    Radius    H    und    die 


§  180.    Normale  Kreissysteme  und  Sätze  von  Ribaucour.  341 

Lage  der  Kreisebeue,  d.  h.  die  Richtimgscosinus  des  auf  sie  errichteten 
Lotes,  die  wir  mit  a,  ß,  y  bezeichnen  wollen,  als  Functionen  von  «,  v 
anzugeben.  Wird  dieses  Lot  im  Mittelpunkt  des  Kreises  errichtet,  so 
nennen  wir  es  die  Axe  des  Kreises,  und  wie  sich  bald  herausstellen 
wird,  müssen  wir  mit  der  Betrachtung  des  normalen  Kreissystems  die- 
jenige des  von  den  Kreisaxen  gebildeten  Strahlensystems  verbinden. 

In  der  Ebene  des  Kreises  (u,  i)  ziehen  wir  zwei  auf  einander 
senkrechte,  im  übrigen  willküi-liche  Durchmesser  und  bezeichnen  ihre 
Richtungscosinus  bezüglich  mit  «j,  ß^,  y^^  «g,  ^,  y^  Bezeichnen  wir 
noch  mit  t  den  Winkel  zwischen  einem  Radius  des  Kreises  («,  v)  und 
der  Richtung  («j,  /3i,  yj,  so  lauten  die  Gleichungen  (1)  in  unserem 
Falle: 

[I  =  rTi  +  'R{a^  cosf  +  ttj  sinO, 


(6)  U  =  !/i  +  -R(/5i  cos«  +  /32  sinO, 

l^  =  -^1  +  ß(yi  cos^  +  Vi  sin 0- 
Unter  Berücksichtigimg  der  Relationen: 

erhalten  wir  als  totale  Differentialgleichung  (4): 

Die  Integrabilitatsbedingung  nimmt  hier  die  Gestalt: 
(8)  .4  +  J5  sin  i  +  C  cos  <  =  0 

an,  wo  ^,  -B,  O  Functionen  von  «  und  v  allein  sind.  Es  giebt  also 
nur  dann  eine  Schar  von  cc^  Flächen,  die  zu  den  Kreisen  orthogonal 
sind,  wenn  identisch 

^  =  0,     5  =  0,     C=0 
ist.     Entwickelt  liefern  diese  Bedingimgen  die  folgenden   di-ei   Grund- 
gleich  ungen: 

(U)  i^[2'-s  -2  "4^  -^-^^  --^«»Ä + Ä^«.!^  - 


342  Kaj).  13.    Uic  normalen  Kreissysteme. 


(III)    ll[ 


"VI       dcc^      "VT      ^iCj  "V7      ^oTj      "VI      dXi  _,      ^     "VT      ^ajj 

8    "VT     ^iCi"!        "VT     dx^  dB    .    "VT     ciCi  dB ,.  ^s 

Wenn  sie  nicM  identisch  erfüllt  sind,  so  liefert  die  Gleichung  (8) 
höchstens  zwei  Flächen,  die  zu  den  Kreisen  orthogonal  sind,  woraus 
sich  der  Satz  von  Ribaucour  ergiebt: 

Sind  die  Kreise  einer  Schar  von  cx)^  Kreisen  zu  drei  ver- 
schiedenen Flächen  normal,  so  sind  sie  es  zu  einer  ganzen 
Schar  von  oo^  Flächen. 

Es  dürfte  femer  hervorzuheben  sein,  dass  die  Grleichung  (7),  wenn 

A  =  tang  -^ 

als  Unbekannte  eingeführt  wird,  die  Riccati'sche  Form: 

dA  =  (aÄ'  +  ö^  +  c)du  +  {a  A""  +  l' A  +  c')dv 
annimmt,    wo    a,  h,  c;  «',  h',  c'  bekannte  Functionen    von  u,  v    sind. 
Man  braucht  also  nur  eine  der  zu  den  Kreisen   orthogonalen  Flächen 
zu  kennen,  um  alle  übrigen  mittels  Quadraturen  zu  finden. 

Die  Eigenschaft  der  Riccati'schen  Gleichung,  dass  das  Doppel- 
verhältnis von  vier  particulären  Lösungen  A^,  A^,  A.^,  A^  constant 
(unabhängig  von  u,  v)  ist,  findet  hier  die  entsprechende  geometrische 
Deutung  in  dem  Satz  von  Ribaucour: 

Vier  Flächen  aus  der  zu  einem  Kreissystem  orthogonalen 
Schar  bestimmen  auf  allen  Kreisen  des  Systems  je  vier  Punkte, 
deren  Doppelverhältnis  constant  ist**). 

§  181.     Formeln  für  normale  Kreissysteme. 

Wir  betrachten  ein  normales  Kreissystem  und  wählen  als  Aus- 
gangsfläche S  eine  der  Orthogonalflächen.  Diese  Fläche  S  beziehen 
wir  auf  ihre  Krümmungslinien,  indem  wir  unter  Beibehaltung  unserer 
üblichen  Bezeichnungen  (§  49,  S.  94) 

^  1    dx        ^  1    dx 

X-,    =   —=L  ■ 7         -A-o  =   — — ^  ---     U.    S.    W. 

^     Yb  du       ^     ya  dv 

P  7?  r\   ff 

*)   Durch    Auilösunsr    der  letzten    beiden  Gleichunaren    nach    ^-^ —    und  -^^— 
'  du  dv 

könnten  diese  drei  Gleichungen  leicht  in  eine  Form  gebracht  werden,  in  der  nur 
die  Kichtungscosinus  o; ,  ß ,  y  der  Kreisaxe  anstatt  «i ,  ßi  ,  yj ;  «2 ,  ßg ,  y^  auftreten 
würden. 

**)  Es  ist  nämlich  A=  tang  -.^    der  Parameter  des  Büschels,  das  vom  Endpunkt 

des  Radius  {a^,  ßj,  y^)  aus  die  Punkte  des  Kreises  projiciert. 


§  181.    Formeln  für  normale  Kreissysteme.  343 

setzen.  Wir  haben  dann  nach  (4),  S.  95,  und  (14),  S.  102,  die  Gleichungen: 

cu 


du  »•*        " 


(p) 


cu 


1   cYe 
ya   cv 


Xr, 


cX       Vg  ^ 


YE    cu       - 


cv 


cX,  ^ 1    cVG  -^ 

?e  VE     "=■■        ' 


VG 


cu 


Durch  jeden  Pimkt  P  von  S  geht  ein  Kreis  («,  v)  des  Systems 
normal  zu  S  hindurch.  Um  ihn  zu  bestimmen,  brauchen  wir  nur 
seinen  RadiiLS  R  und  den  Winkel  cp  anzugeben,  den  die  Spur  seiner 
Ebene  in  der  Tangentialebene  mit  der  Richtung  (Xi,  Yj,  Z^)  bildet. 

Für  die  Coordinaten  x^,  y^,  s^  des  Mittelpunktes  haben  wir  dann: 
Xi  =  X  -\-  B{cos(pXj^  +  sin 9X2) , 

(10)  yi  =  y  +  R{cos(pY^  +  sm(pY^), 
.Zi  =  3  -\-  B{cos(pZi  +  sin cp  Z^) . 

Als  die  oben  benutzte  Richtung  (a^,  ß^,  yj  wählen  wir  die  der  erwähn- 
ten Spur  imd  demnach  als  Richtimg  (a^,  ß^,  y.)  die  der  Normale  (X,  Y,  Z) 
von  S.     Dann  haben  wir: 

(11)  «^  =  cosgjXi  +  sinqpXg,     cc,  =  X. 

Berechnen  wir  mittels  (11)  und  (9)  die  Summen  in  der  totalen  Diffe- 
rentialgleichung (7),  so  finden  wir  wegen  (13),  S.  102: 

cB 


2«^W  =  — ^cosqp,    z^cv- — vr 


cv 


aimp, 


2"^"^ 


YE  cos  cp 

YG  SUKp 


Also  lautet  die  totale  Differentialgleichung  (7)  wie  folgt: 

(12)      .*=[sin*(A|f  +  l^^)+i^^(l+cosO]<*«  + 

und  die  Integrabilitätsbedingungen  (I),  (H),  (III)  reducieren  sich  auf 
die  beiden  folgenden: 


344 


(IV) 


Kap.  13.    Die  nornuilcn  Kreissysteme. 

■  d   fyo  sinqpX  d   /^/E  cos  qp\  , 

du  \       ~B        /  ~  ov  \       R      7  ~~     ' 

d   /|/6^  sinqp      l\  c   /yiE  cos  cp      1  \    i 

du  \       Ä  TJ  ~  'dv  \       B  üj    •" 


+  i^^  sm  9  cos  9?  (  ^ 


§  182.     Laplace'sche  Gleichung,  von  der  die  normalen  Kreissysteme 

abhängen. 

Ist  die  Fläche  S  eine  Kugel,  so  sind  die  beiden  Gleichungen  (IV) 
genau  dieselben,  und  die  entsprechenden  Kreissysteme  ergeben  sich 
leicht  auf  Grund  des  Satzes  in  §  180,  wenn  noch  eine  Fläche  S'  will- 
kürlich angenommen  und  diejenige  Schar  von  oo^  Kreisen  construiert 
wird,  die  gleichzeitig  zur  Kugel  S  und  zur  Fläche  S'  normal  sind. 
Denn  da  die  Kugel  zweimal  als  zu  den  Kreisen  normale  Fläche  zählt, 
so  besitzt  dieses  System  drei  Orthogonalflächen  und  ist  daher  nach 
S.  342  stets  ein  normales  System.  Dieselbe  Betrachtung  gilt  insbe- 
sondere auch  für  den  Fall,  dass  an  Stelle  der  Kugel  S  eine  Ebene 
tritt,  wie  sich  auch  aus  der  Anwendung  einer  Transformation  mittels 
reciproker  Radienvectoren  ergiebt. 

Wir  setzen  nun  voraus,  dass  die  Fläche  B  keine  Kugel  sei,  und 
lösen  unter  Zuhilfenahme  der  Gleichungen  (§  123,  S.  234,  (1)): 

du\  r,  J         r«     du  ov  \  i\  J         r,     dv 


(a) 


die  Gleichungen  (IV)  nach  ^^-~  und  — -  auf. 


du 


dv 


Dann  erhalten  wir: 


(IV*) 


dB  ü      .        {dq>  1     dyE\        t/„ 

-:r-=       B  cot  cp    l^^—y^j—YEcoscp, 

CU  \CU  yCr       CV    / 

o     ==  —  U  tang  cp\~  -\ — ; —  I  —  y  6r  sm  ro . 

CV  ^^  \cv    ^    yE     du  /  ^ 

Infolge  der  ersten  der  Gleichungen  (IV)  muss  der  Ausdruck 

ein  vollständiges  Differential  sein.  Wenn  wir  noch  mit  ip  eine  unbe- 
kannte Hilfsfunction  bezeichnen,  können  wir  demnach 

yE  cos  qp  1   ^ T/>         yO  sin  9  1   dtp 

B  ip  du  B  ip  dv 

setzen.  Dann  liefert  die  zweite  der  Gleichungen  (IV)  unter  Berück- 
sichtigung der  eben  angeführten  Gleichungen  (a)  für  ip  die  Laplace'sche 
Gleichung: 


§  182.    Laplace'sche  Gleichung  der  normalen  Kreissysteme. '  345 

/yx  c-rp    ^^  c  log  yE  cjp    .    c  log|/g  r^ 

'  cuct  cv         ftt'  cu        cv 

Ist  umgekehrt  ^  eine  Lösung  dieser  Gleichung,  so  ergiebt  sich  ein 
entsprechendes  Cykelsystem  aus  den  folgenden  Gleichungen: 

{  1  1    (C  log  t/>\2     ,       1    (c  log  1*\2  .     , 

\         ^  YE      cu  YG      cv 

Wird  die  Function  if;  eingesetzt  und  tang  wie  oben  gleich  A  gesetzt, 
so  geht  die  totale  Differentialgleichung  (12)  in: 

dA^lA  llog  (I)  -  "  Ü?l*)  rf„  +hl  i„    1^)  _  1  lj?^)j„ 
\      CU      °\tb/         Tj      cu    /  '     \     cv      ^\ip/         Ti       cv    I 

über  und  ergiebt  mittels  einer  Quadratur: 

(VI)  tang  \=^\c-  r(A  i±  du  +  "^^  ^  dv) } 

{C  eine  willkürliche  Constante). 

Von  der  Laplace'schen  Gleichung  (V)  hängt  auch  die  Bestimmung 
derjenigen  Flächen  ab,  welche  dieselben  sphärischen  Bilder  der  Krüm- 
mungslinien haben,  wie  die  Fläche  S.  Daraus  geht  hervor,  dass  die 
Aufgabe,  die  zu  einer  bestimmten  Fläche  S  normalen  Kreis- 
systeme zu  finden,  mit  der  Bestimmung  derjenigen  Flächen 
gleichbedeutend  ist,  welche  mit  S  die  sphärischen  Bilder  der 
Krümmungslinien  gemein  haben*).     Offenbar  sind 

^,  y,  ^,   a^  +  r  +  z-  +  c 

particuläre  Lösungen  der  Gleichung  (V);  die  entsprechenden  Kreisysteme 
sind  die  vorhin  betrachteten,  die  von  den  zur  Fläche  S  und  einer  festen 
Ebene  (Coordinatenebene)  oder  einer  Kugel  normalen  Kreisen  gebildet 
werden.  Die  Kugel  selbst  wird  reell  oder  imaginär,  je  nachdem  die 
Constante  c  <  0  oder  >  0  ist.  Ist  c  =  0,  so  gehen  alle  Kreise  durch 
einen  Funkt. 

*)  Die  Gleichung,  auf  deren  Integration  wir  die  Aufgabe,  die  Flächen  mit 
gegebenen  sphärischen  Bildern  der  Knunmungslinien  zu  bestimmen,  zurückgeführt 
haben,   ist  eigentlich  die  folgende  (s.  S.  141,  unten): 

g'TT  ^  c  \ogyK  cW       c  log ^G'  cW 
ducv  cv        cu  CU         cv  ^ 

worin  E',  G'  die  CoefBcienten  beim  Linienelement  der  Kugel  sind;  aber  die  Lö- 
sungen dieser  Gleichung  sind  mit  denjenigen  der  Gleichung  (V)  des  Textes  durch 
die  einfachen  Beziehungen  verbunden: 

cW  _   1   r^        cW^        l^d-tl} 
cu         r,  ctt'        cv         r,  cv 


346  Kd\>.  IH.    Die  normalen  Kreissysteme. 

§  18o.     Dreifaches  Ortho gonalsystem  von  Flächen,  das  zu  einem 
normalen  Kreissystem  gehört. 

Ist  P  ein  Punkt  einer  Fläche  S,  die  zu  einem  normalen  Kreis- 
system orthogonal  ist,  so  ziehen  wir  an  die  Krümmungslinien  v  =  Const., 
u  =  Const.  die  Tangenten  PÄ  und  PB.  Es  seien  dabei  Ä  und  B 
die  Punkte,  in  denen  die  Tangenten  die  Axe  des  durch  P  gehenden 
Kreises  C  schneiden.  Bezeichnen  wir  mit  1^,  7]^^  ^^^  Ig?  %?  tu  die 
Coordinaten  von  Ä  bez.  B,  so  finden  wir  unmittelbar: 

'1  '     cos  qp       1  '         "  -^     '     cos  q3      1  '        '1  '     cos  qp      ^  ' 

'■^  '     sm  qp      ^ '        '^         -^     '     sm  qp      -  '       ^■^  '     sin  qp     ^ 

Durch  Differentiation  der  ersten  Gleichungen  nach  v,  der  zweiten  nach 
II  und  unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen  (9)  und  (IV*)  er- 
giebt  sich: 

-Q     :  -^-    :  -o---  =0     :  ^-^  :  o     =  (cos  cpA,  —  sm  odA,  )  : 
üv      ov      ov         du     du     du         v       "r     j  f     1/ 

:  (cos  (pY,^  —  sin  (p  Y■^)  : 
:  (cos  cpZ^  —  sin  q)Z^)  . 

Da  die  drei  letzten  Ausdrücke  die  Uichtungscosinus  der  Kreisaxe 
sind,  so  erhellt  nach  S.  264,  dass  die  beiden  Punkte  Ä,  B  die  Brenn- 
punkte dieser  Axe  in  dem  von  den  Kreisaxen  gebildeten  Strahlensystem 
sind;  die  Developpabeln  des  Strahlensystems  sind  folglich  reell  und  ge- 
hören zu  den  Krümmungslinien  der  Fläche  S. 

Wir  betrachten  nun  alle  Flächen  Z",  die  zu  den  Kreisen  ortho- 
gonal sind,  und  die  beiden  Scharen  von  Ortsflächen  der  Kreise  • 

u  =^  Const.     und     v  =  Const., 
welche  wir  mit  E^,  U^  bezeichnen.    Dann  können  wir  leicht  den  Satz 
von   Ribaucour    beweisen:    Die    drei    Flächenscharen    27,   27^,  21, 
bilden  ein  dreifaches  Orthogonalsystem. 

In  der  That,  betrachten  wir  eine  Fläche  U^  (11  =  Const.).  Sie 
schneidet  alle  Flächen  2J  orthogonal  längs  Krümmungslinien  von  U,  die 
folglich  nach  S.  97  auch  für  U^  Krümmungslinien  sind.  Daraus  folgt, 
dass  auf  2J^  die  Krümmungslinien  die  Kreise  C  und  deren  Orthogo- 
naltrajectorien  sind.  Die  Normale  der  Fläche  2J^  in  P  ist  also  die  Tan- 
gente PA  der  Krümmungslinie  v  von  2J,  und  ebenso  ist  die  Normale 
von  2^2  die  Tangente  PB  der  Curve  u  auf  27,  woraus  sich  die  Rich- 
tigkeit des  Satzes  ergiebt. 

Ferner  sehen  wir,  dass,  wenn  wir  mit  2  9  die  Entfernung  AB  der 


§  184.    Cyklische  Strahlensysteme.  347 

Brenupuukte  bezeichnen,  zwischen  dem  Abstand  d  des  Kreismittelpunkts 
vom  Mittelpunkt  der  Axe  und  dem  Kreisradius  II  die  Beziehung: 

R^  -1-  d'  =  Q- 

besteht,  sodass  wir,  unter  6  einen  reellen  Winkel  verstehend, 

d  =  Q  cos  6 ,     R  =  Q  sine 


setzen  können. 


§  184.     Cyklische  Strahlensysteme. 


Nach  dem  Obigen  besitzt  das  von  den  Axen  eines  normalen  Kreis- 
systems gebildete  Strahlensjstem  stets  reelle  Developpabeln,  und  es 
gehören  zu  diesen  die  Krümmungslinien  der  zu  den  Kreisen  orthogo- 
nalen Flächen.  Wir  bezeichnen  ein  Strahlensjstem  als  cyklisch, 
wenn  es  ein  normales  Ki-eissystem  giebt,  dessen  Axen  die  Strahlen  des 
Strahlensystems  sind.  Wir  wollen  nun  die  Bedingung  dafür  aufstellen, 
dass  ein  gegebenes  Strahlen  System  cyklisch  ist.  Wie  wir  sehen  werden, 
hängt  diese  Bedingung  nur  von  den  sphärischen  Bildern  der  Develop- 
pabeln des  Strahlensystems  ab,  und  wir  woUen  hier,  wo  wir  nur  den 
allgemeinen  Fall  betrachten,  annehmen,  dass  diese  Bilder  zwei  ver- 
schiedene Scharen  von  Curven  u,  v  seien. 

Indem  wir  auf  die  Guichard'schen  Gleichimgen  (§  148  if.,  S.  274) 
zurückgehen,  aus  denen  sich  die  Strahlensysteme  mit  gegebenen  sphä- 
rischen Bildern  der  Developpabeln: 

(14)  ds'^  =  Edu^  -\-  2Fdu  dv  +  Gdv"" 

ergeben,  erinnern  wir  daran,  dass  q,  die  halbe  Entfernung  der  Brenn- 
punkte, der  Laplace'schen  Gleichung  (S.  276): 

a^)a^l»+ {?}!!+ {ym  +  [Ä{M+Ä{V}+^]^-o 

genügt,  imd  dass  umgekehrt  jeder  Lösung  q  dieser  Gleichung  ein 
Strahlensystem  der  verlangten  Art  entspricht,  für  das  die  Coordinaten 
X,  y,  3  des  Mittelpunkts  eines  Sti^ahls  mittels  Quadraturen  durch  die 
Gleichungen  (32),  S.  279: 


(16) 


dx 
du 

dx 


gegeben  sind.     Bezeichnen  wir,  wie  vorhin,  mit 
d  =  Q  cos  6,     II  =  o  sin  6 


348 


Kap.  13.    Die  normalen  Kreissysteme. 


die  Entfernung  des  KreLsmittelpiinkts  {x^,  ijy,  z^  vom  Strahlmittel- 
punkt {x,  y,  z)  und  den  Radius,  so  müssen  wir  in  unseren  allgemeinen 
Gleichungen  (S.  341) 

Xy^  ==  X  -\-  qX  cos  6 ,     yy=y-\-QY  cos  6 ,     ^i  =  -^  +  qZ  coh  6 
setzen,  können  also  ohne  weiteres 


cu 


Xo 


annehmen.      Unter  Benutzung  der   Gleichungen  (30),  S.  278,    erhalten 
wir  nun   zunächst: 


(17) 


A{(,(l  +  cos^)}+2{'/}(,]x- 
—  yE  sin    -  q{\  —  cos  6)Xy  —  yi^  cos  i;^  4)  (1  —  cos  (f)X,^ , 


dv 


1  2 


_g^{9(l-cos(?)}  +  2|7)^JX- 
—  YG-  sin     ^(1  -f-  cos  ö)Xi  -|-  ]/Z?cos  ^,  p  (1  +  cos  0)X^ , 
demnach  als  totale  Differentialgleichung  (7),  S.  341,  die  folgende: 


(18) 


dt  = 


yj5;tang^  cosl^  +    .  )  +  Ä 


ß 


du  — 


yCr  cot    ,^    cos  (  t 

worin  nach  (31)  und  (31*)  auf  S.  278 
1  dSl 


1)  +  ^ 


dv. 


^  = 


2  du 


,    -i/E  /12I     .     „  y'E  1   fSl 

2   dv     ^    V  E  [  2  ]  Q^  2   dv 

ist.  Diese  totale  Differentialgleichung  besitzt  die  bemerkenswerte  Eigen- 
tümlichkeit, dass  sie  lediglich  von  den  sphärischen  Bildern  der  Deve- 
loppabeln  des  Strahlensystems  abhängt.  Daraus  folgt:  Alle  Strah- 
lensysteme, die  mit  einem  cyklischen  Strahlensystem  die 
sphärischen  Bilder  der  Developpabeln  gemein  haben,  sind 
gleichfalls  cyklisch. 

Wenn  wir  nun   die  Integrabilitätsbedingungen    für  die  Gleichung 
(18)  ansetzen  und   dabei  berücksichtigen,  dass 

^  +  |-^-  =  -yj^sinß 
ov     '    ou  ' 

ist  (vgl.  S.  335),  so  finden  wir  als  Bedingungen: 


§  185.  Strahlensysteme,  die  auf  unendl.  viele  Weisen  cyklisch  sind.     349 
A(l/G  cotf )  =  VE  {Vj  cot-  cos  ß  -  ]/G  {V}  tg  •  , 

Wenn  die  Differentialquotienten  der  Coefficienten  durch  die  Christoffel'- 
schen  Symbole  ausgedrückt  werden,  so  lauten  diese  Bedingungen  so: 

fc  COSff  c\/  i\   f  1  ^l 

-^  =  2(cos^-l)     .^     , 

(19)  . 

\d  C0S6        .-.,  ...     1 -21 

Aus  diesen  Bedinomncfen  folcrt  weiterhin  die  Gleichung: 

(.(1-21  .   f  1  2 1  \  (12)  -  1 1  2 1 

<;t7  CU     J  CU        *         CV  11112) 

aus  der  wir  (wofern  sie  keine  Identität  ist)  für  cos  6  einen  eindeutig 
bestimmten  Wert  erhalten:  und  die  Congnienz  ist  cyklisch  (reell),  wenn 
dieser  Wert  für  cos  6  dem  absoluten  Betrage  nach  kleiner  als  Eins 
ist  und  den  Gleichungen  (19)  genügt.  Also:  Einem  cyklischen 
Strahlensvstem  kann  im  alloremeinen  nur  ein  normales  Kreis- 
System  zugeordnet  werden,  dessen  Axen  die  Strahlen  sind. 


§  185.     Strahlensysteme,  die   auf   unendlich    viele  "Weisen  cyklisch 

sind. 

Das  soeben  gewonnene  Ergebnis  erleidet  eine  sehr  bemerkenswerte 
Ausnahme,  wenn  die  Gleichung  (20)  eine  Identität  ist,  d.  h.  wenn 


C    fl2l_    c    (12)  _        fl2\|l2\ 

äii  1  1  j  -  a7  \  2 1  -  ^  1 1  j  1 2  j 


ist.  Diese  Bedingungen  charakterisieren  die  sphärischen  Curven  m,  v 
als  Bilder  der  in  den  §§  175  ff.,  Kap.  XTT,  untersuchten  Flächen,  deren 
Krümmungsmass  durch  den  Ausdruck 

(A)  K=- 


gegeben  ist.  Wir  sehen  also,  dass  die  einzigen  Strahlensysteme, 
die  in  mehr  als  einer  Weise  und  daher  auf  unendlich  viele 
Weisen  cyklisch  sind,  diejenigen  Ribaucour'schen  Congruen- 
zen  sind,  deren  erzeugende  Flächen  Flächen  der  Klasse  (A^ 
sind. 


350  Kap.  13.    Die  normalen  Kreissysteme. 

Aus  der  Gleichung  (20)  folgt  ferner,  dass  dieses  die  einzigen 
cykli sehen  Ribaucour'schen  Strahlensysteme  sind.  Unter  diesen  cyk- 
lischen  Strahlensystemen  sind  die  bemerkenswertesten  die  Guichard'- 
schen,  deren  erzeugende  Flächen  pseudosphärische  Flächen  sind  und 
deren  Developpabeln  folglich  die  beiden  Brennflächen  längs  Krümraungs- 

linien  schneiden  (§  152,  S.  284).     Da  für   diese  Strahlensysteme   \'^\ 
und   I  ^  \   gleich  Null  ist,   so   kann  der  Winkel  6   eine  beliebige  con- 

stante  Grösse  haben*).   Wird  insbesondere   ö  gleich        gesetzt,  so  liegt 

der  Mittelpunkt  jedes   Kreises   des   Systems    im   Mittelpunkt    der  Axe, 
und  sein  Radius  ist  gleich  der  halben  Entfernung  der  Brennpunkte. 

»     Eine   weitere   Eigenschaft    dieser    Strahlensysteme    folgt    aus   dem 
allgemeinen  Satze  von  Ribaucour: 

Auf  der  Fläche,  welche  die  Ebenen  der  Kreise  eines  nor- 
malen Kreissystems  umhüllt,  entspricht  den  Developpabeln 
des  Strahlensystems  der  Axen  ein  conjugiertes  System. 

Mit  Hilfe  der  allgemeinen  Gleichungen  der  voraufgehenden  Para- 
graphen ist  dieser  Satz  leicht  zu  beweisen.  Bezeichnen  wir  nämlich 
mit  W  den  Abstand  der  Ebenen  des  Kreises  (u,  v)  vom  Anfangspunkt, 
so  haben  wir: 

W  =  ^  Xx-\-  p  cos(?, 

und  wenn  wir  die  angeführten  Gleichungen  berücksichtigen,  so  bestä- 
tigt es  sich  in   der  That,   dass   W  der  Laplace'schen  Gleichung: 

cucv         [  1  ]   du     '     [  2  ]   dv 

genügt,  woraus  nach  §  73,  S.  141,   die  vorhin  angegebene  Eigenschaft 
folgt. 

Insbesondere  sind  bei  den  unendlich  vielen  normalen  Kreissystemen, 
die  sich  aus  einem  Ribaucour'schen  Strahlensystem,  dessen  erzeugende 
Flächen  zur  Klasse  (A)  gehören,  ableiten  lassen,  die  Enveloppen  der 
Kreisebenen  die  Associierten  der  in  §  177  betrachteten  Flächen  S.  Ist 
noch  specieller  die  Fläche  S  pseudosphärisch,  so  sind  die  entsprechen- 
den Enveloppen  Voss'sche  Flächen. 


*)  In  Betreff  der  Eigenschaften  der  zu  den  Kreisen  orthogonalen  Flächen 
vergleiche  man  die  Abhandlung  des  Verfassers  in  den  Annali  di  Matematica, 
2.  Serie,  18.  Bd. 


§  186.    Die  normalen  Kreissysteme  gleich  grosser  Kreise.  351 

§  186.     Die  normalen  Kxeissysteme  gleich  grosser  Kreise. 

Eine  andere  sehi-  bemerkenswerte  Klasse  von  normalen  Kreis- 
systemen ist  die  von  Ribaucour  entdeckte,  bei  der  die  Radien  der 
Kreise  aUe  einander  gleich  sind.  Um  solche  Systeme  zu  construieren, 
nehmen  wir  eine  pseudosphärische  Fläche  S  vom  Radius  R  und  be- 
schreiben in  jeder  ihrer  Tangentialebenen  um  den  Berührungspunkt  als 
Mittelpunkt  einen  Kreis  mit  dem  Radius  II .  Aus  den  Eigenschaften 
der  Evolutenflächen  folgt,  dass  die  cc^  pseudosphärischen  Flächen, 
welche  die  Ortsflächen  der  Mittelpunkte  der  geodätischen  Krümmung 
für  die  Scharen  von  parallelen  Grenzkreiseu  auf  S  sind  (vgl.  §  135, 
S.  254),  in  der  That  Orthogonaltrajectorien  dieser  Kreise  sind,  sodass 
die  Kreise  ein  Cykelsystem  bilden. 

Wollen  wir  umgekehrt  untersuchen,  ob  dieses  die  allgemeinsten 
normalen  Kj-eissysteme  mit  constantem  Radius  sind,  so  brauchen  wir 
nur  auf  die  Gleichungen  (IV*),  S.  344,  zurückzugehen  und  dabei  in 
ihnen  B  gleich  Const.  zu  setzen.  Lassen  wir  den  Fall,  dass  (p  gleich  0 
oder    '    ist*),  unberücksichtigt,  so  ergiebt  sich  aus  ihnen: 

aqp y^sinqp 1    cYE 

cu~  R  }/G     dv    ^ 

gqp  yO  cos  (f 1_  O  yö 

cv  B  YE     cu 

und  als  Integrabilitatsbedingung  erhalten  wir: 

R*  y/EG  \diAyE    cu  /  "■    cv  \YG     cv  /  \  ' 

woraus  wir  nach  (V),  S.  94,  folgern,  dass  die  zu  den  Kreisen  nonnalen 
Flächen  pseudosphärische  Flächen  mit  dem  Radius  R  sind.  Die  Un- 
tersuchung lässt  sich  nun  leicht  zu  Ende  führen  durch  den  Nachweis, 
dass  die  Enveloppe  der  Kreisebenen  wieder  eine  pseudosphärische  Fläche 
ist  und  dass  die  Kreismittelpunkte  die  Berührungspimkte  sind.  In  der 
That  folgen  aus  diesen  Gleichungen  und  den  Gleichungen  (9),  (10), 
(S.  343),  sofort  die  Beziehungen: 


*)  Die  Cykelsysteme  mit  constantem  Radius,  die  diesem  Falle,  dessen  Er- 
örterung wir  hier  übergehen,  entsprechen,  ergeben  sich  folgendermassen:  In  einer 
Ebene  zeichne  man  eine  Schar  von  cc*  congruenten  Kreisen  und  lasse  dann  die 
Ebene  auf  einer  abwickelbaren  Fläche  roUen'  Das  entstehende  Kreissystem  ist 
das  gesuchte.  (Vgl.  die  beiden  Bemerkungen  des  Verfassers  über  Cykelsysteme 
im  Giomale  di  Matematiche,  21.  u.  22.  Bd.) 


352  Kap.  13.    Dio  normalen  Kreissysteme. 

^{co,cpX,  -  sincpX,)  1^-  =  0,      ^  (cos (pX  -  sin  q>X,)  'f^  =  0 . 

Demnach  hat  die  Ortsfläche  der  Kreismittelpunkte  die  Kreisaxe  zur 
Normale  und  stellt  somit  mit  jeder  pseudosphärischen  Fläche  des 
Orthogonalsystems  die  vollständige  Evolutenfläche  einer  Normalencon- 
gruenz  vor,  bei  der  die  Entfernung  der  Brennpunkte  constant,  gleich 
R^  ist.  Daher  ist  sie  selbst  eine  pseudosphärische  Fläche  mit  dem 
Radius  R  (vgl.  S.  244).  Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich  nun,  dass  die 
Normalen  einer  pseudosphärischen  Fläche  ein  cyklisches  Strahlensystem 
bilden.  Hieraus  folgt  nach  dem  allgemeinen  Satze  in  §  184,  S.  348, 
dass  bei  jeder  Fläche,  die  dieselben  sphärischen  Bilder  der  Krümmungs- 
linien hat  wie  eine  pseudosphärische  Fläche,  das  von  den  Normalen 
gebildete  Strahlensystem  cyklisch  ist.  Es  ist  leicht  einzusehen,  dass 
dieses  die  einzigen  cyklischen  Normalencongruenzen  sind.  Setzen  wir 
nämlich  in  den  allgemeinen  Gleichungen  für  A  und  5,  S.  348, 

Si  =  "^ 

2   ' 

so  ergiebt  sich  wegen  (1)  und  (1*),  S.  148: 

1 2 1  _  ^  Jpg  Ve     1 1 2 1  _  g  log  yo 

1  j   ~~      ^8  V       '      1  2  j   "■         du 
Daher  lauten  die  Gleichungen  (19): 

c  log  sm  —         ^  ,         ,^ 
°  2    c  log  YG 

du  du 

d  log  cos  -  Ol        /,, 

" 2_ d  log  YE 

dv  cv 

Es  kann  also  durch  Einführung  neuer  Parameter  m,  v  ohne  weiteres 

]/^  =  cos  ^  7      "j/G^  =  sin  Y 

gesetzt  werden.  Nun  sind  die  Curven  *t,  ?;,  für  die  das  Quadrat  des 
Linienelements  der  Kugel  die  Form: 

ds'^  ==  cos^      'dn^-\-  sin^  ^^  dv^ 

annimmt,  gerade  die  Bilder  der  Krümmungslinien  einer  pseudosphäri- 
schen Fläche,  wie  sich  aus  dem  Satze  C),  §  133,  S.  250,  ergiebt.  Also: 
Die  Flächen,  deren  Normalen  eine  cyklische  Congruenz  bil- 
den, sind  sämtlich  und  ausschliesslich  diejenigen,  welche 
mit  den  pseudosphärisclien  Flächen  die  Bilder  der  Krüm- 
mungslinien gemein  haben. 

Wir  sehen  ferner,   dass   sowohl   die  zu  den  Kreisen  orthogonalen 


§  187.    Linienelement  des  Raumes  bezogen  auf  ein  Kreissystem. 


353 


Flächen  als  auch  die  Enveloppe  der  Ebenen  dieser  Kreise  wieder  zu 
derselben  Klasse  gehören. 

§  187.     Ausdruck  für   das  Linienelement   des  Raumes,  bezogen   auf 
ein  normales  Kreissystem. 

Wir  kehren  nun  zu  den  allgemeinen  normalen  Kreissystemen  (§  183) 
zurück.  Ist  t  eine  beliebige  Lösung  der  Gleichung  (18),  so  ergeben 
sich  die  zu  den  Kreisen  orthogonalen  Flächen  aus  den  Gleichungen: 

I  =  x-{-  qXcos  6  -{-  q  sintf(Xi  cos^-f"  ^  sin^), 

(21)  V=  y  -\~  9  5^ cos  6  -{-  p  sin <?( Fl  cos <  +  Y^  sin <), 

^  =  z  -^  qZ  cos  0  -\-  Q  sin  tf(Zi  cos  t  -{-  Z^  sin  t) . 

Nun  bezeichnen  wir  mit  w  die  in  f  enthaltene  willkürliche  Constante 
Qud  betrachten  die  Coordinaten  |,  ?/,  ^  eines  Raumpunkts  als  Func- 
tionen der  drei  Veränderlichen  m,  v,  w.  Durch  Differentiation  der 
Gleichungen  (21)  und  unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen  auf 
S,  278   finden  wir  Gleichungen  von  der  Form: 


ic^ 


(21*) 


Wird 


If  =  .4X+^X,  -f  CX,, 


di 


^  =  A'X-\-B'X^-\-  C'X,_, 


ci 


^-  =  ccX,  +  ßX^  . 


(22) 


L  = 


^? 


-,/wi.          <^      •     //    I     •^\  I        2cosff      fl2\ 

Icp     ,     ,/^        ,<?•/.          ß\  2cos<f       fl2l 

gesetzt,  so  ist  dabei: 

A  =  (cos6 -{- 1)L,      B=costsin6L,  C  =  sintsinöL, 

A'=  (cos  6  —  1) -3f ,     B'=  cos  t  sin  6M,  C'=  sin  t  sin  öM, 


.    ^    .        et 
a  =  —  p  sm  t  sm  6  ^ —  > 


ß  =  Q  cos  t  sin  6 


et 


Aus  diesen  Gleichungen  ergeben  sich  die  weiteren: 


2(11)^=41.' cos' 


2m- 


4jtf^sin^ 


.^  du  CV  '        ^J  CV  CMC  '        .^  cw  cu 


B  i  a  D  c  b  i ,  DifFerentialgeometrie. 


23 


354  i    '■■  Kap.  13.    Die  normalen  Kreissysteme. 

Daraus  folgt  wieder  der  Satz  von  Ribaucour: 

Die  Flächen  M==Const.,  ^  =  Const.,  «<;  =  Const.  bilden 
ein  dreifaches  Orthogonalsystem. 

Ferner  erhalten  wir  für  das  Quadrat  des  Linienelements  des  Rau- 
mes, ds^  =  d^^  -\-  dri^  -f-  d^^,  den  Ausdruck 


(23)      ds^  =  4cos'''  y  i^ du^  +  4sin2  -^^  M'  dv^  +  q'  sin^  0  (!^)'  d 


dw'' 


§  188.    Bestimmung  der  sphärischen  Bilder  der  Abwickelbaren 
eines  cyklischen  Strahlensystems. 

Die  Aufgabe,  die  Cykelsysteme  zu  bestimmen,  lässt  sich  in  zwei 
nach  einander  zu  lösende  Aufgaben  zerlegen,  nämlich: 

1)  alle  Systeme  von  sphärischen  Curven  u,  v  zu  bestimmen,  welche 
die  Bilder  der  Developpabeln  eines  cyklischen  Strahlensystems  sind; 

2)  die  Strahlensysteme  mit  gegebenen  sphärischen  Bildern  der 
Developpabeln  zu  construieren. 

Die  zweite  Aufgabe  ist  bereits  in  §  148,  Kap.  X,  behandelt  wor- 
den; sie  kommt,  wie  wir  gesehen  haben,  auf  die  Integration  der  La- 
place'schen  Gleichung  (15)  auf  S.  347  hinaus. 

Was  die  erste  Aufgabe  anbetrifft,  so  können  wir  sie  vollständig 
lösen,  wenn  wir  den  folgenden  Satz  benutzen: 

Untf-r  den  cyklischen  Strahlensystemen,  die  ein  und  die- 
selben sphärischen  Bilder  der  Developpabeln  haben,  können 
stets  unendlich  viele  von  der  Beschaffenheit  ausgewählt  wer- 
den, dass  die  ihnen  entsprechenden  Kreise  durch  einen  festen 
Punkt  des  Raumes  gehen. 

Sind  nämlich  die  sphärischen  Curven  u,  v  fest  bestimmt,  so  be- 
zeichnen wir  mit  t^  eine  beliebige  particuläre  Lösung  der  Gleichung 
(18),  die  dem  Werte  w  =  Wq  zugehöre.  Wir  bestimmen  q  aus  den 
beiden  simultanen  Gleichungen: 

Z  =  0,     Jf=0, 
d.  h.  aus  den  Gleichungen: 

dlosQ  t/77        ,    ß     •     (.  ß\     I        2COS0      /12\ 

-^^  =  -YG  cot-sm(^o- y)  +  iZZ-^a  |  l  j' 

die  infolge  der  Gleichungen  in  §  184  (S.  349)  der  Integrabilitäts- 
bedingung  Genüge  leisten  und  eine  Lösung  q  der  Gleichung  (15) 
liefern.  In  dem  entsprechenden  Cykelsystem  haben  wir  wegen  der 
Gleichungen  (21*): 


§  188.    Sphärische  Bilder  der  Devel.  eines  cyklischen  Strahlensystems.     355 


|i  =  0,    1^  =  0,  t^  =  0, 

cu  'eil  '  cu  ' 

^-  =  0,     t^  =  0,  'X  =  0 

cv  '     cv  '  cv 


for  t€  =  iCq 


Demnach  reduciert  sich  die  Fläche  tc  =  tr^  auf  einen  Punkt  (^,  i^^,  t^), 
durch  den  alle  Kreise  des  CykelsYstems  hindurchgehen. 

Für  die  sphärischen  Bilder  der  Developpabeln  aller  cykKschen 
StrahlensTsteme  erhalten  wir  also  die  folgende  Gonstruction: 

Man  nehme  eine  beliebige  Fläche  S  und  ziehe  durch 
einen  festen  Raumpunkt  0  die  zu  S  normalen  Kreise.  Die- 
selben bilden  ein  normales  Kreissystem*),  und  die  sphärischen 
Bilder  der  Dereloppabeln  des  von  ihren  Axen  gebildeten 
Strahlensystems  sind  die  allgemeinsten  Curven  von  der  ver- 
lansrten  Art. 


*)  Durch  eine  Transformation  mittels  reciproker  Radienvectoren  bezüglich 
des  festen  Punktes  O  geht  dieses  Kreissystem  in  das  Normalensystem  der  transfor- 
mierten Fläche  über. 


n* 


Kapitel  XIY. 
Die  Minimalflächen. 

Greschichtlicher  Überblick.  —  Formeln  von  Weierstrass.  —  Algebraische  Mini- 
malflächen.  —  Doppelflächen.  —  Verbiegungen  der  Minimalflächen,  wobei  sie  Mini- 
malflächen bleiben.  —  Associierte  Minimalflächen.  —  Auf  einander  abwickelbare 
conjugierte  Flächen.  —  Minimalflächen  mit  ebenen  Krümmungslinien.  —  Minimal- 
flächen, die  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind.  —  Minimal-Schraubenflächen. 
—  Formeln  von  Schwarz.  —  Lösung  der  Aufgabe,  eine  Minimalfläche  zu  con- 
struieren,  von  der  ein  Streifen  gegeben  ist.  —  Besondere  Fälle.  —  Kennzeichen, 
ob  eine  Fläche  durch  Verbiegung  in  eine  Minimalfläche  übergeführt  werden  kann. 


§  189.     Geschichtlicher  Überblick  bis  auf  Meusnier. 

Die  Theorie  der  Minimalflächen  ist  heute  eins  der  vollständigsten 
und  ausgedehntesten  Kapitel  der  Differentialgeometrie.  Ihre  vielfachen 
Beziehungen  zur  Theorie  der  Functionen  einer  complexen  Veränder- 
lichen und  zur  Variationsrechnung  verleihen  den  Untersuchungen  auf 
diesem  Gebiet  ein  hohes  Interesse.  Die  dem  vorliegenden  Buche  ge- 
steckten Grenzen  gestatten  uns  nur,  die  Hauptergebnisse  dieser  Theorie 
zu  entwickeln;  Leser,  die  sich  in  den  Gegenstand  weiter  zu  vertiefen 
wünschen,  finden  eine  erschöpfende  Behandlung  in  den  schönen  Vor- 
lesungen von  Darboux.  Daselbst  sowie  in  der  Abhandlung  von  Bel- 
trami*)  finden  sie  auch  geschichtliche  Angaben  bezüglich  der  allmäh- 
lichen Entwickelung  dieser  Theorie.  Für  unseren  Zweck  schliessen  wir 
uns  speciell  an  die  kurze  Darstellung  an,  die  Schwarz  in  seinen 
„Miscellen  aus   dem  Gebiete  der  Minimalflächen"   gegeben  hat. 

Die  Anfänge  der  Theorie  der  Minimalflächen  reichen  bis  auf  die 
berühmte  Abhandlung  von  Lagrange  zurück,  in  der  die  Grundlagen 
der  Variationsrechnung**)    entwickelt    worden    sind.     Wir    betrachten 


*)  Sülle  proprietä  generali  delle  superficie  ad  area  minima.     Memoria  dell' 
Accademia  di  Bologna,  7.  Bd.,  1868. 

**)  Miscellanea  Taurinensia,  2.  Bd.,  1760—61. 


§  189.    Geschichtlicher  Überblick  bis  auf  Meusnier.  357 

eine  geschlossene  Curve  C  und  eine  von  dieser  Curve  begrenzte  Fläche  S. 
Diese  Fläche  wird  eine  Minimal  fläche  genannt,  vrenn  sie  im  Ver- 
gleich zu  allen  unendlich  benachbarten,  von  der  Curve  C  begrenzten 
Flächen  den  kleinsten  Flächeninhalt  hat. 

Ist  die  Gleichung  der  Fläche  S  in  der  gewöhnlichen  Form: 

z  =  z{x,  y), 
gegeben,  so  ist  der  Flächeninhalt  von  S  durch  das  Doppelintegral 


ffVT+V+J'dxdy 


dargestellt,  und  man  braucht  nur  die  Principien  der  Variationsrechnung 
anzuwenden,  um  für  z  die  partielle  Differentialgleichung: 

-^( ,     p       )  +  -(       '       Wo 
cxKVTTVTYV      dy\Vi  +  p'  +  q.*J 

oder: 

(1)  (1  +  q')r  -  2pqs  -^  (1 -\- p^  =  0 

zu  erhalten. 

Die  geometrische  Deutung  der  Gleichung  (1)  ist  1776  von  Meus- 
nier gegeben  worden,  der  bemerkte,  dass  sie  der  Ausdruck  der  Eigen- 
schaft der  Fläche  S  ist,  in  jedem  Punkte  gleiche,  aber  entgegen- 
gesetzte Hauptkrümmungsradien  zu  haben  i  vgl.  (d),  S.  114).  Alle 
Flächen  nun,  die  dieser  letzteren  Bedingung  genügen,  werden  Mini- 
malflächen genannt.  Diese  Bezeichnung  ist  in  der  That  dadurch  ge- 
rechtfertigt, dass  jeder  solchen  Fläche  bei  passend  gewählter  Begren- 
zung die  Eigenschaft  des  Minimums,  von  der  wir  ausgegangen  sind, 
zukommt. 

Von  Meusnier  rührt  auch  die  Entdeckung  der  beiden  zuerst  be- 
kannt gewordenen  Minimalflächen  her,  nämlich  des  Catenoids  und  der 
Schraubenregelfläche.  Diese  ergeben  sich  unmittelbar,  wenn  man  Lo- 
sungen der  Gleichung  (1)  von  der  Form: 

^  =  /"(^  +  y^)     oder     2  =  f{^) 
sucht. 


§  190.    Neuere  Untersuchungen  über  Minimalfläclien. 

Monge  war  der  erste,  der  (1784)  die  vollständige  Lösung  der 
Gleichung  (1)  angab;  aber  die  für  die  Anwendungen  wenig  geeignete 
Form,  in  der  die  Integralgleichungen  angegeben  waren,  liess  es  lange 
Zeit   zur  Entdeckung    anderer    reeller  Minimalflächeu    als    der   beiden 


358  Kap.  14.    Die  Minimalfläclien. 

angeführten,  von  Meusnier  gefundenen,  nicht  kommen.  1834  fand 
Scherk  die  Minimal-Schraubenflächen  und  die   Translationsfläche*): 

^  =  "  -  [log  cos(a:r)  —  log  cos  (a^)] . 

Die  wichtigsten  Fortschritte  unserer  Theorie  beginnen  mit  dem  Er- 
scheinen der  Arbeiten  von  Ossian  Bonnet  (1853 — 60),  der  eine  fun- 
damentale Eigenschaft  der  Minimalflächen,  nämlich  die,  dass  ihre  sphä- 
rische Abbildung  conform  ist,  erkannte  und  die  Integralgleichungen  in 
eine  Form  brachte,  die  alle  reellen  und  unendlich  viele  algebraische 
Minimalflächen  abzuleiten  gestattete. 

18G6  erschienen  die  wichtigen  Arbeiten  von  Weierstrass,  in 
denen  die  Monge'schen  Formeln  in  eine  einfache  und  elegante  Form 
gebracht  sind,  welche  die  Lösung  verschiedener  grundlegender  Fragen 
gestattet.  In  diesen  Abhandlungen  sind  auch  wichtige  Ergebnisse  be- 
züglich des  sogenannten  Plateau'schen  Problems  (s.  nächstes  Ka- 
pitel) angegeben.  Dieses  berühmte  Problem  ist  auch  in  einer  nach- 
gelassenen Abhandlung  Riemanns  und  in  einer  Reihe  sehr  wichtiger 
Arbeiten  von  Schwarz  behandelt,  die  nun  im  ersten  Bande  der  Werke 
dieses  Mathematikers  gesammelt  sind. 

Von  Untersuchungen  nach  einer  anderen  Richtung  sind  von  uns 
noch  unter  den  wichtigsten  Veröffentlichungen  über  diesen  Gegenstand 
diejenigen  von  Lie**)  (1877 — 78)  zu  erwähnen,  der  sich  besonders  mit 
den  algebraischen  Minimalflächen  beschäftigt  hat. 

§  191.     Formeln  von  Weierstrass. 

Wir  leiten  zunächst  die  Weierstrass'schen  Formeln  ab,  indem  wir 
uns  auf  das  Ergebnis  in  §  184,  S.  252,  stützen,  nach  dem  jeder  iso- 
thermen Form  des  Linienelements  der  Kugel  eine  Minimalfläche  ent- 
spricht,  die  sich  mittels  Quadraturen  ergiebt. 

Es  sei  u,  V  ein  Isothermensystem  auf  der  Kugel,  und  wir  bezeich- 
nen mit 
(2)  ds'^  =  y  {du^  +  dv") 

den  Ausdruck  für  das   Quadrat  des  Linienelements.     Sind   die   Coordi- 


*)  Diese  merkwürdige  Minimalfläche  ergiebt  sich  sofort,  wenn  man  Lösungen 
der  Gleichung  (1)  von  der  Form: 

sucht. 

**)  Archiv  for  Mathematik   og  Naturvidenskab ,  2.  u.  3.  Bd.     Mathematische 
Annalen,  14.  Bd. 


§  191.    Formeln  von  Weierstrass.  .  359 

naten  X,  Y,  Z  eines  Punktes  der  Kugel  als  Functionen  von  u,  v  be- 
kannt, so  ergeben  sich  die  Coordinaten  Xj  y,  z  des  entsprechenden 
Punktes  der  Minimalfläche  S  nach  S.  251  und  102,  (13),  mittels  Quadi-a- 
tureu  aus  den  Gleichungen: 

(3)  ^y='-s(|¥^"-|7'^*')' 

Also  ist  für  das  Linienelement  Ton  8'- 

(4)  d^  =  r^{du^  +  dv\ 

und  die  Hauptkrümmungsradien  von  5  sind 

»-27     ^i  =  — »"ä- 
Wir  beziehen  nun  die  Kugel  in  der  üblichen  Weise  auf  die  Meridiane 
und  Parallelkreise,  indem  wir 

X  =  sin  ■&  cos  o,     r=sin^sin(D,     Z=cosO- 
setzen,  imd  führen  die  complexe  Veränderliche  x  auf  der  Kugel  (oder 
in  der  Ebene  des  Aequators): 


samt  ihrer  Conjugierten 


X  =  cot  %  C« 


r„  =  cot  y  ß-  '■" 


ein  (vgl.  §  43,  S.  80).     Drücken  wir  X,    T,  Z  durch  x  und  t^  aus, 
so  erhalten  wir: 

(5)  A  =  ^^^^^,        J^—    ,„^_|.l  ^         rr,  +  1 

und  für  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Kugel  ds'. 

(6)  <?>■-' =  (T.;+1)-.- 

Nach  §  41,  S.  77,  ist  nun  die  complexe  Veränderliche 

ö  =  M  +  ii' 
eine  Function  von  x  oder  der  Conjugierten  t^:  doch  ist  der  eine  Fall 
von  dem  andern  nicht  wesentlich  verschieden,  und   wir  können  also  6 
als  Function  von  r,  demnach   6^  als  Function  von  t^  annehmen.     Die 
Gleichung  (2)  oder: 

ds  -  =  —  ^  -j-"  dx  dxQ 

giebt  demnach,  mit  der  Gleichung  (6)  verglichen: 


360  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

2  A  dr  dtf, 

und  die  Gleichung  (4)  wird: 

Nun  führen  wir  in  den  Gleichungen  (3)  t  und  Tq  ein,  wobei  wir  be- 
rücksichtigen, dass  für  eine  beliebige,  als  Function  von  t  und  r^  auf- 
gefasste  Function  ^{u,  v)  die  folgenden  Gleichungen  gelten: 

dcda^/l  d^    ^^   i   c^\  da  c^ 

dt  dr^  \2  du  ~^  2    dv/        ^t  dtf,' 

dadc^/l  d^         i   d^\  dc^d^ 

dt  dtQ  \2  cu  2  cv  /         dtQ  dt  ' 

und  erhalten: 

dx  =  A  (1  -  .^)  {^ydr  +  i  (1  -  V)  {^J  är„, 
dy  =  i  (1  +  r')  (f^)'  dr  -  A  (1  +  V)  i^0  dr„ , 

Setzen  wir  nun 


(6*) 


1  /do\ 

2  \dt) 


doV       ^^^^ 


und    führen   wir  zur  Bezeichnung    des    reellen   Teils    einer    complexen 
Grösse  i/>  das  Zeichen  'Sii>  ein,  so  erhalten  wir  die  Formeln: 

(7)  x=^m  f{l  —  T^)  F{t)  dt,     y  =  ^fi  (1  +  t^)  F{x)  dt, 

0==m  f2tF(t)dt, 

in   denen   die  Integrale    rechts  längs   ein  und   desselben  krummlinigen 
Weges  in  der  complexen  r- Ebene  erstreckt  zu  denken  sind. 

Dieses  sind  die  Formeln  von  Wei erstras s.  Umgekehrt  leuchtet 
sofort  ein,  dass,  wenn  für  F(t)  irgend  eine  Function  der  complexen 
Variabein  t  genommen  wird,  die  Formeln  (7)  mittels  Quadraturen  eine 
zugehörige  Minimalfläche  S  liefern.  Das  Linienelement  und  der  (posi- 
tive) Hauptkrümmungsradius  von  S  sind  durch  die  Gleichungen: 

(8)  ds^  =  (rro  +  iyF(t)F^(tQ)  dt  dt, 
und 

(9)  ,^  =  (l!L±i)!yi.(^)F„(r„) 

gegeben.      Die   Krümmungslinien   u,  v   ergeben    sich,    wenn   von    dem 
Integral 

ö=ry2¥(tjdt 


§  192.    Algebraische  Minimalflächen.  361 

der  reelle  Teil  und  der  Coefficient  des  imaginären  Teils  gleich  Con- 
stanten gesetzt  werden;  ihre  Gleichungen  sind  demnach: 

(10)  '3ifY2F{z)  dt  =  Const.,      mfi  V2F(t)  dt  =  Const. 

§  192.     Algebraische  Minimalflächen. 

Die  TVeierstrass' sehen  Formeln  (7)  lassen  sich  in  eine  besonders 
für  die  Bestimmung  der  algebraischen  Minimalflächen  sehr  voi-teil- 
haft«  Form  bringen.  Wir  betrachten  zu  diesem  Zwecke  JF{t)  als  den 
dritten  Differentialquotienten  (p"'(t:)  einer  Function  (p(r),  die  selbst  will- 
kürlich bleibt.  Werden  dann  aus  den  Gleichungen  (7)  die  Integral- 
zeichen weggeschafft,  so  lauten  sie: 

X  =  9l[(l  -  xW(r)  +  2r9'W  -  29 W], 

(11)  ly  =  gi[t(l  +  rW(r)  -  2it<p'(r)  +  2i<p{r)], 
\z='Si[2vg>"{t)-2<p'(x)]. 

Wird  nun  vorausgesetzt,  dass  (p(r)  eine  algebraische  Function  Ton  r 
sei,  so  ist  klar,  dass  uns  diese  Formeln  eine  algebraische  Minimal- 
fläche definieren.  Es  ist  aber  wichtig,  dass  sich  umgekehrt  jede  alge- 
braische Minimalfläche  auf  diese  Weise  ergiebt.  Weierstrass  beweist 
dieses  wie  folgt:    Es  sei 

ic  =  II  -\-  iv  =  /'(./■  -|-  iy) 
eine  Function  der  complexen  Veränderlichen  x  -\-  iy,   wenn  dann  in 
einem  bestimmten  Gebiet  zwischen  x,  y  und  dem  reellen  Teil 
H  von  w  eine  algebraische  Beziehung  besteht,  so   ist   w   eine 
algebraische  Function  von  x -\- iy. 

In  der  Umgebung  eines  Punktes,  den  wir  der  Einfachheit  halber 
in  den  Punkt  .r  =  0,  y  =  0  verlegen,  sei  nämlich  ic  in  eine  Taylor- 
sche  Reihe: 

w  =  «0  +  '^u  +  («1  +  ''^i)(^  +  ^y)  +  («2  +  ^h){^  +  iy)'  4-  •  •  • 

entwickelt,  worin  die  a  und  6  reeUe  Constanten  sind,  und  es  sei  r  der 
Radius  des  Convergenzkreises.  Dann  gilt  für  u  folgende  Entwickelung 
nach  Potenzen  von  x  und  y: 

(12)  «  =  «0  +  iK  +  *'&i)(^  +  iy)  +  U<h  +  ih)(^  +  iyf  +  •  •  • 
+  y(«i  —  i\){^  —  iy)  +  t(«2  —  *M(^  —  *yy-\ —  • 

Nach  der  Voraussetzung  ist 

(13)  G(u,x,y)^0, 

wo  G  eine  ganze  rationale  Fimction  von  u,  x^y  ist.    Setzen  wir  hierin 

für  u  die  Reihe  (12)  ein  und  entwickeln  wir  dann  nach  Potenzen  von 


362  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

X  un,d  y,  so  sind  die  Coefficienten  jedes  einzelnen  Gliedes  identisch  gleicli 
Null  und  bleiben  aucb  gleicli  Null,  wenn  wir  an  Stelle  von  x,  y  complexe 
Grössen  x,  y  setzen,  wofern  nur  die  Entwickelung  auch  nach  dem 
Einsetzen  convergent  bleibt.  Nun  ist  dieses  zufolge  der  Art  der  Con- 
vergenz  der  Potenzreihen  sicher  mit  der  aus  (12)  hervorgehenden  Reihe 
für  M  der  Fall,   wenn  die   absoluten  Beträge  von  x   und  y  kleiner  als 

-    bleiben.     Setzen  wir  also 

-_x-^iy        -  _x  +  iy 

SO  giebt  Gleichung  (12): 

^  =  %-\-^{^  —  «^o); 

wobei  Wq  =  «0  -|"  ^^o  ^^^j  ^^^  Gleichung  (13)  geht  in  eine  algebraische 

Relation  zwischen  tv  und  x  -f-  iy  über,  w.  z.  b.  w. 

Wird  nunmehr  angenommen,  dass  die  durch  die  Gleichungen  (11) 

definierte    Minimalfläche    algebraisch    sei,    so    bestehen    zwischen    den 

Grössen 

X  r  -)-  Tg  Y  T  —  Tf, 


1  —  Z  2  1  —  Z  2i 

und  jeder  der  Grössen  x,  y,  z   algebraische  Relationen.     Es  ist  daher 
nach  dem  soeben  bewiesenen  Satze  jede  der  drei  Functionen: 

i\{t)  =  (1  -  r^)^"{x)  +  2r9,'(t)  -  29^(r), 

also  auch 

eine  algebraische  Function  von  r. 

Wir  haben  somit  das  Ergebnis: 

Alle  algebraischen  Minimalflächen  ergeben  sich  aus  den 
Gleichungen  (11),  wenn  in  diesen  Gleichungen  für  (p(r)  eine 
algebraische  Function  von  t  eingesetzt  wird. 

§  193.    Minim.al- Doppelflächen. 

Die  Weierstrass'schen  Formeln  (7)  oder  (11)  bringen  in  der  ein- 
fachsten Weise  den  Zusammenhang  zwischen  den  Functionen  einer  com- 
plexen  Veränderlichen  und  den  Minimalflächen  zum  Ausdruck,  da  sie 
beweisen,  dass  zu  jeder  Function  F(r)  einer  complexen  Veränderlichen 
eine  bis  auf  eine  Translation  im  Räume  bestimmte  Minimalfläche  ge- 
hört.    Wie  wir  aber  sogleich  sehen  werden,   entsprechen  ein  und  der- 


§  193.    Minimal -Doppelflächen.  363 

selben  Minimalfläche  im  allgemeinen  zwei  rei-schiedene  Ausdrücke  for 
die  Function  F(t). 

Vorher  geben  wir  noch  einen  einfachen  Satz  an,  der  sich  unmittel- 
bar aus  der  linearen  Beschaffenheit  der  Gleichungen  (7)  bezüglich  -F(r) 
ergiebt.  In  den  Gleichungen  (7)  setzen  wir  für  F{r)  der  Reihe  nach 
zwei  Functionen  qPi(T),  9>2W  ^^*^  dann  die  Function 

^^^     — -^-^^^     (m,  n  constant) 

ein.     Dadurch  erhalten  wir  den  Ton  Weierstrass  bemerkten  Satz: 

Wenn  zwischen  den  Punkten  zweier  Minimalflächen  S,  S' 
eine  Correspondenz  nach  der  Gaussischen  Methode  mittels 
paralleler  Normalen  in  zwei  entsprechenden  Punkten  P,P'  her- 
gestellt und  auf  jeder  Strecke  PP'  ein  Punkt  M  so  gewählt 
wird,  dass  er  sie  in  dem  constanten  Verhältnis  m  :  ti  teilt,  so 
ist  der  Ort  des  Punktes  M  wieder  eine  Minimalfläche,  die 
den  Flächen  S,  S'  durch  Parallelismus  der  Normalen  ent- 
spricht. 

Wir  wollen  nun  die  oben  aufgeworfene  Frage  untei-suchen,  ob  ein 
und  dereelben  Minimalfläche  einer  oder  mehrere  Ausdrücke  für  die 
Function  F(t)  entsprechen.  Es  seien  F{t),  f{r)  zwei  Functionen  von 
r,  die  auf  ein  und  dieselbe  Minimalfläche  führen,  und  t,  t'  die  Wert« 
der  Argumente  für  F,  f,  die  ein  und  demselben  Flächenpunkt  ent- 
sprechen. Die  Richtung  der  r  entsprechenden  Normale  fäUt  entweder 
mit  derjenigen  der  r'  entsprechenden  Normale  oder  mit  der  entgegen- 
gesetzten Richtung  zusammen,  folglich  ist  im  ersten  Falle 

t'=  r 
und  im  zweiten  Falle 


wie  auch  sofort  daraus  hervorgeht,  dass  X,  Y,  Z  infolge  der  Gleichungen 

(5)  nur  dann  ihre  Zeichen  ändern,  wenn   r  durch ersetzt   wird. 

Unter  der  ersten  Voraussetzung  ergiebt  sich  aus  den  Weierstrass'schen 
Formeln  (7) 

/•(r)  =  F(r), 
unter  der  zweiten 

-fW  =  -^/-o(-|)*) 

*)  Ist  f(z)  eine  analytische  Function  von  r,  die  ursprünglich  durch  eine 
innerhalb  eines  gewissen  Kreises  convergente  Potenzreihe  definiert  ist,  so  bezeich- 
nen wir  mit  f^ft)  die  analytische  Fimction,  die  durch  diejenige  Reihe  definiert 
ist,  welche  sich  ergiebt,  wenn  in   der  ursprünglichen  die  Coefficienten  durch  ihre 


364  Kap.  14.    Die  Minimalfläclien. 

oder 

rw  =  -f.^.(-:)- 

Wir  sehen  also,  dass  die  beiden  im  allgemeinen  von  einander  ver- 
schiedenen Functionen 


F{r),     -|.F,(-|) 


in  den  Weierstrass'schen  Formeln  eingesetzt  ein  und  dieselbe  Minimal- 
fläche liefern,  da  die  Coordinatendifferentiale  in  beiden  Fällen  die- 
selben sind. 

Besonders  interessant  ist  der  Fall,  in  dem  die  beiden  Functionen 


F{r),    -vj,{-^) 


genau  dieselben  sind.  Dann  lässt  sich  nach  dem  Obigen  das  Gebiet  der 
Minimalfläche   in   der  Umgebung   des   Punktes entweder    durch 

Verschiebung  mit  demjenigen  um  r  zur  Deckung  bringen  oder  es  fällt 
mit  ihm  direct  zusammen.  Da  im  ersten  Falle  die  Fläche  eine  Ver- 
schiebung in  sich  gestattet,  so  ist  sie  mit  Notwendigkeit  periodisch, 
also  transcendent.  Dieses  ist  von  vornherein  ausgeschlossen,  wenn  z.  B. 
die  Fläche  algebraisch  ist.  Beschreiben  wir  im  zweiten  Falle  auf  der 
Bildkugel  einen  Weg,  der  vom  Punkte  t  nach  dem  diametral  gegen- 
überliegenden   führt ,   so    geht   der   entsprechende  Weg   auf  der 

Fläche  von  einem  Punkte  P  aus  und  kehrt  zu  demselben  wieder  zurück; 
aber  bei  der  Rückkehr  hat  sich  der  Sinn  der  Normale  stetig  in  den 
entgegengesetzten  verwandelt.  Man  kann  also  auf  der  Fläche  stetig 
von  ihrer  einen  Seite  auf  die  andere  gelangen;  die  Fläche  hat  demnach 
nur  eine  einzige  Seite  oder  sie  ist  nach  der  Bezeichnung  von  Lie  eine 
Minimal-Dopp  elf  lache. 

Als  Beispiel  führen  wir    die  Henneberg'sche   Minimalfläche    an, 
die  dem  Wert 

entspricht  und  ofi'enbar  eine  algebraische  Doppelfläche  ist. 

Es  ist  dieses  die  einfachste  Minimal-Doppelfläche;  sie  ist  von  der 
5.  Klasse  und  der  15.  Ordnung. 


conjugierten  Werte  ersetzt  werden,  und  die  also  denselben  Convergenzkreis  hat. 
Die  Beziehung  zwischen  f(x)  und  f^  (r)  ist  von  der  ursprünglich  gewählten  Reihe 
unabhängig. 


§  194.     Verbiegung  der  Minimalfl.,  wobei  sie  beständig  Minimalfl.  bleiben.     365 

§  194.     Verbiegung  der  Mini  mal  flächen,  wobei   sie  beständig 
Minimalflächen  bleiben. 

Jede  Minimalfläche  kann  einer  solchen  stetigen  Verbiegung  unter- 
worfen werden,  bei  der  sie  eine  Minimalfläche  bleibt.  Um  diese  inter- 
essanten Verbieguugen  zu  finden,  stellen  wir  die  folgenden  Überlegungen 
an:  Es  seien  S,  S'  zwei  auf  einander  abwickelbare  Minimalflächen;  in 
entsprechenden  Punkten  sind  die  Kriimmungsmasse  beider  Flächen  und 
also  auch  die  absoluten  Grössen  der  zugehörigen  Hauptkrümmungs- 
radien einander  gleich.  Daraus  folgt,  dass  die  beiden  sphärischen  Bilder 
von  S  und  S'  congruent  oder  symmetrisch  sind.  Der  zweite  Fall 
kommt  jedoch  auf  den  ersten  hinaus,  wenn  die  positive  Richtung  der 
Normale  einer  von  den  beiden  Flächen  geändert  wird,  und  ist  andrer- 
seits ausgeschlossen,  wenn  wir  auf  stetige  Weise  durch  Verbiegung  von 
der  Figur  S  zui-  Figur  S'  gelangen.  Wir  können  demnach  eine  der 
beiden  Flächen,  z.  B.  S',  in  eine  solche  neue  Lage  im  Räume  bringen, 
dass  sich  die  beiden  sphärischen  Bilder  decken  und  also  entsprechende 
Punkte  von  S  und  S'  durch  ein  und  denselben  Wert  von  t  bestimmt 
sind.  Nach  dieser  Vorbemerkung  seien  -F(r),  /"(r)  die  entsprechenden 
Wert«  der  Function  F  in  den  Weierstrass'schen  Fonneln.  Da  die 
Linienelemente  der  beiden  Flächen  einander  gleich  sein  müssen,  so 
folgt  aus  der  Gleichung  (8): 

F{x)Fo(ro)=fir)fo(ro), 
d.  h. 


F{x) 


=  1. 


Es  ist  daher  ~pr  eine  Constante,  deren  absoluter  Betrag  gleich  Eins 

ist.    Wir  haben  demnach: 

f(r)  =  e'^Fit), 

wo  a  eine  reelle  Constante  bedeutet.  Da  uns  femer  die  Gleichung  (8) 
umgekehrt  beweist,  dass  das  Linienelement  ungeändert  bleibt,  wenn 
Fix)  durch  e"F(x)  ersetzt  wird,  welcher  Wert  auch  der  reellen  Con- 
stanteu  a  erteilt  werden  mag,  so  haben  wir  das  Ergebnis: 

Die  allgemeinste  Verbiegung  einer  Minimalfläche,  bei 
der  sie  beständig  eine  Minimalfläche  bleibt,  ergiebt  sich, 
wenn  Fir)  in  den  Weierstrass'schen  Formeln  (7)  durch  &" F{t) 
ersetzt  wird,  wo  a  eine  beliebige  reelle  Constante  ist. 

Auf  diese  Weise  erhält  man  aus  einer  Minimalfläche  durch  stetige 
VerbieoTinsr  eine  Schar  von  oc^  Minimalflächen:  diese  Flächen  werden 
als  associierte  Miuimalflächeu  bezeichnet. 


366  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

§  195.     Associierte  Minimalflächen.     Conjugierte  Minimalfläclien. 

Wir  wollen  nun  die  Eigenschaften  dieser  Yerbiegungen  näher 
nntersuclien.    Die  Gleichungen  der  Krümmungslinien  der  Fläche  S  sind: 

u  =  Const.,     V  =  Const., 
wenn  man 

0  =  u-{-iv  =fy2F{x)dt 
setzt  (§191,  S.  360). 

Die  Krümmungslinien  der  dem  Werte  a,  des  Parameters  entsprechen- 
den associierten  Minimalfläche  Sa  haben  demnach  die  Gleichungen: 

9ft (e 2  (jj  =  Const.,     ^ Kie^ö)  =  Const. 
oder: 

u  cos  ~ V  sin  -  ~  =  Const.,     u  sin  -^-  -\-  v  cos   -  =  Const. 

Also  folgt:  Den  Krümmungslinien  der  8  associierten  Minimal- 
fläche Sa  entsprechen   auf  S  die   isogonalen  Trajectorien  der 

alten  Krümmungslinien  für  den  Winkel    „— 

Besonders  interessant  ist  der  Fall  a  =  5  dann  gehen  die  Krüm- 
mungslinien  von  S  in   die  Haupttangentencurven    von   S ^  und  umge- 

2 
kehrt   die  Haupttangentencurven  von   S  in   die  Krümmungslinien  von 
S     über.    Zwei  solche  associierte  Minimalflächen  werden  nach  Bonnet, 

Y 
der  sich  mit  diesen  Yerbiegungen  zuerst  beschäftigte,  als  conjugierte 
Minimalflächen  bezeichnet. 

Werden  die  Coordinaten  eines  Punktes  der  zu  S  conjugierten 
Fläche  mit  Xq,  y^,  Zq  bezeichnet,  so  erhalten  wir  aus  den  Gleichungen 
(7),  da  dann  F(r)  durch  iF{r)  ersetzt  wird: 

(14)  x^  =  Süfi  (1  —  T^)  F{t)  dt,     y^  =  —  ^f(l-^r^)  F{x)  dt, 

s^=       ny^itF{t)ät. 

Lassen  wir  a  sich  stetig  ändern,  so  verbiegt  sich  die  Fläche 
stetig.  Bezeichnen  wir  die  Coordinaten  des  Punktes  (x,  y,  z)  nach 
der  Verbiegung  mit  Xa,  ya,  ^a,  so  haben  wir   ofi'enbar: 

(15)  Xa  =  X  cos  a  -\-  Xq  sin  a,      ya  =  y  cos  «  -f~  2/o  ^"^  ^7 

Za  =  z  cos  a  -\-  Zq  sin  a . 
Werden  die  Integrale  in   den  Gleichungen  (7)  und  (14)   zwischen 
denselben   Grenzen  0  und  -    genommen,  so  bleiben  der  Flächenpunkt 


§  196.    Sätze  über  associierte  Minimalflächen.  367 

(0,  0,  0)  und  die  Tangentialebene  in  ilun  während  der  Yerbiegung 
fest;  jeder  Punkt  (x,  y,  z)  beschreibt  während  der  Yerbiegung  eine 
Ellipse,  deren  Mittelpunkt  der  feste  Punkt  ist. 

Bringen  wir  mittels  der  Gleichungen  (15)  die  Gleichheit  der  Linien- 
elemente  von  S  und  Sa  zum  Ausdruck,  so  erhalten  wir  die  Beziehung: 
(16)  dx  dxQ  +  dy  dy^  -\-  dz  dzQ  =  0 , 

die  sich  auch  leicht  direct  beweisen  lässt.  Sie  besagt,  dass  sich 
zwei  conjugierte  Minimalflächen  auch  durch  Orthogonalität 
der  Elemente  entsprechen  (S.  287). 

Gleichzeitig  sind  die  beiden  Flächen  associiert  im  Sinne  des  Kap.  XI 
(S.  293).  Wir  sehen,  dass  sich,  entsprechend  dieser  zweifachen  Be- 
ziehung, in  der  die  Minimalfläche  S  und  ihre  Conjugierte  zu  einander 
stehen,  für  S  zwei  unendlich  kleine  Yerbiegungen  ergeben:  bei  der 
ersten  derselben  bleiben  die  Hauptkriimmungsradien  und  bei  der  zweiten 
die  Krümmungslinien  ungeändert  (Kap.  XI,  S.  299). 

Endlich  sei  bemerkt,  dass  der  von  zwei  entsprechenden  Linien- 
elementen der  Minimalfläche  S  und  der  associierteu  Fläche  Sa  gebildete 
Winkel  constant,  gleich  a,  ist. 

§  196.     Satze  über  associierte  Minimalflächen. 

Zwei  associierte  Minimalflächen  sind  auf  einander  abwickelbar  und 
besitzen  femer  folgende  zwei  Eigenschaften:  ei*stens  haben  sie  in  ent- 
sprechenden Punkten  parallele  Xonnalen,  und  zweitens  bilden  zwei  ent- 
sprechende Linienelemente  einen  constanten  Winkel  mit  einander.  Wir 
wollen  nun  umgekehrt  beweisen,  dass,  wenn  für  zwei  auf  einander  ab- 
wickelbare Flächen  die  eine  oder  die  andere  der  genannten  Eigen- 
schaften zutrifft,  dieselben  notwendiger  Weise  associierte  Minimalflächen 
sind  *). 

Um  diesen  Satz  unter  der  ersten  Yoraussetzung  zu  beweisen,  gehen 
wir  auf  die  allgemeinen  Formeln  für  die  sphärische  Abbildung  (Kap.  Y) 
zurück.  Indem  wir  die  beiden  auf  einander  abwickelbaren  Flächen 
mit  S,  Sq  bezeichnen,  berücksichtigen  wir,  dass  zunächst  der  ersten 
Yoraussetzung  zufolge  S  und  Sq  dasselbe  sphärische  Bild  haben  sollen. 
Also  ist  wegen  der  Gleichung  (2),  S.  119: 

H{I)du'-  +  2D'dudv  +  D"dv^)  =EQ{PQdu^ -\-2B^dudv  -f  B^'dv^), 

wenn  durch  den  Index  0  die  auf  Sq  bezüglichen  Grössen  unterschieden 
werden.     Daraus  folgt  entweder  sofort,  dass 


*)  Darboux,  1.  Bd.,  S.  326  u.  f. 


368  >         ß^ap.  14.     Die  Minimalfiächen. 

ist,  d.  h.  dass  S^  Sq  associiei-te  Mimmalflächen  sind,  oder  aber  es  er- 
giebt  sich: 

D^^kD,     Dq=ID',    B^'^XD",     X  =  ^' 

-"o 

Die  Bedingung  K  =  Kq  jedoch  giebt  unmittelbar  (mit  Ausschluss  des 
Falles  der  auf  die  Ebene  abwickelbaren  Flächen,  der  sich  leicht  direct 
erledigen  lässt) : 

Daher  sind  S  und  Sq  congruent  oder  symmetrisch. 

Um  den  obigen  Satz  auch  unter  der  zweiten  Voraussetzung  zu 
beweisen,  zeigen  wir  vorerst,  dass  zwei  auf  einander  abwickelbare 
Flächen,  die  sich  auch  durch  Orthogonalität  der  Elemente 
entsprechen,  conjugierte  Minimalflächen  sind.  Hierzu  gehen 
wir  auf  die  Formeln  des  §  157  zurück.  Haben  S  und  Sq  negatives 
Krümmungsmass ,  so  beziehen  wir  sie  auf  ihre  Haupttangentencurven 
und  berücksichtigen  die  Gleichungen  (13),  S.  295.  Da  /Sund  Sq  das- 
selbe Linienelement  haben,  so  folgt  daraus: 

also  9  =  +  1;  demnach  ist  S  infolge  der  Gleichung  (12),  S.  295,  eine 
Minimalfläche,  also  Sq  ihre  Conjugierte.  Der  Fall,  dass  die  Flächen 
S  und  Sq  positives  Krümmungsmass  haben,  ist  durch  die  Gleichungen 
in  §  157,  S.  296,  von  vornherein  ausgeschlossen,  weil  daraus 

(p  =  ±l,     e-{-g  =  0 
folgen  würde. 

Nachdem  nun  der  Satz  für  diese  besonderen  Fälle  bewiesen  ist, 
ist  er  es  auch  für  den  allgemeinen  Fall.     Wird  nämlich 

(Ixq^  +  ^i/q^  +  d^Q^  =  dx^  +  dtf  -j-  dz^, 
dxQdx  +  dyQdy  -{-  dzQdz  =  eosa(dx^  -f-  dy'^  -\-  ds^)     (a  =  Const.) 

angenommen  und 

_         Xn  —  X  COS  a        -         y„  —  y  cos  oc        -        z^  —  z  cos  a 

oiTi  yv  ^  am  /v  «in  /v 


gesetzt,  so  ergeben  sich  hieraus  die  Gleichungen: 

dx''  -{-  dy^  -f-  dz^  =  dx^  -\-  dy^  +  dz-, 
dx  dx  -\-  dy  dy  -\-  dz  dz  =  0. 


§  197.    Minimalflächen  mit  ebenen  Krümmungslinien.  369 

§  197.     Minimalfläclien  mit  ebenen  Kriimmungslinien. 

Wir  wollen  nun  einige  besondere  Klassen  von  Minimalflächen 
untersuchen,  zunächst  solche  mit  ebenen  Krümmungslinien.  Wir 
gehen  davon  aus,  dass  jede  ebene  Krümmungslinie  einer  Fläche  zum 
sphärischen  Bude  einen  Kreis  hat,  und  umgekehrt  (nach  S.  97).  Um 
also  Minimalflächen  mit  einer  Schar  ebener  Krümmungslinien  zu 
finden,  haben  wir  also  nur  auf  der  Kugel  eine  Schar  von  oc^  Kreisen 
zu  wählen  und  diejenigen  Flächen  zu  bestimmen ,  welche  diese  Kreise 
und  ihre  Orthogonaltrajectorien  zu  sphärischen  Bildern  der  Krüm- 
mungslinien haben.  In  der  entsprechenden  Laplace'schen  Gleichung 
(37),  §  73,  S.  141,  ist  dann  eine  der  Invarianten  gleich  Null,  und  es 
lässt  sich  die  Gleichung  vollständig  iutegi'ieren.  Da  aber  in  dem  be- 
sonderen Falle  der  Minimalflächen  das  Curvensystem  auf  der  Bildkugel 
nach  §  61,  S.  120,  isotherm  sein  muss,  so  besteht  auch  die  zweite 
Schar  aus   Kreisen   (§  91,  S.  177). 

Daraus  folgt,  dass  auch  die  Krümmungslinien  der  zweiten  Schar 
notwendig  eben  sind.  Infolge  des  Ergebnisses  in  §  44,  S.  81,  er- 
hält man  die  doppelten  orthogonalen  Kreissysteme  auf  der  Kugel, 
wenn  die  Kugel  durch  zwei  Ebenenbüschel  geschnitten  wird,  die  zwei 
bezüglich  der  Kugel  reciproke  Polaren  zu  Axen  haben.  Wir  beschäf- 
tigen uns  vorerst  mit  dem  Grenzfall,  in  dem  diese  beiden  Geraden 
conjugierte  (auf  einander  senkrechte)  Taugenten  der  Kugel  sind.  Nehmen 
wir  wieder  unsere  Formeln  (5),  S.  359,  und  setzen  wir 

T  =  «4-  iß, 
also 

^~a*  +  ß»+l'  a»-fp»+l'        ^         a*  +  ß*  +  l' 

so  sehen  wir,  dass  die  Curven  c,  ß  gerade  die  Schnittkreise  der  Kugel 
mit  den  Ebenen  der  beiden  Büschel: 

x-\-a(z  —  l)  =  0, 
y  -f  ß(z  -  1)  =  0 

sind,  deren  Axen  die  durch  den  Punkt  (0,  0,  1)  parallel  zur  y-  und 
zur  iC-Axe  gezogenen  Kugeltangenten  sind.  Um  zu  der  entsprechenden 
Minimalfläche  zu  gelangen,  müssen  wir  also  F(r)  in  den  Weiei-strass'- 
schen  Fonneln  (7)  gleich  einer  reellen  Constanten  setzen.  Der  Wert 
dieser  Constanten  beeinflusst  nur  die  Grössenverhältnisse  der  Fläche. 
Wenn  wir  daher  etwa 

F(r)  =  3 

setzen,  so  erhalten  wir  für  die  entsprechende  Fläche: 

B  i  a  n  c  b  i ,  I>ifferentüdgeometrie.  24 


370  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

x  =  ^a  +  3aß^  —  a% 

(17)  y  =  ß^—    3ß   —2a'ß, 

Diese  merkwürdige  Fläche  ist  von  Enneper  gefunden  worden. 
Sie  ist  von  der  9.  Ordnung;  ihre  Krümmungslinien  sind  ebene  Curven 
vom  Geschlecht  Null,  und  ihre  Haupttangentencurven : 

a  -\-  ß  =  Const.,     a  —  ß  ==  Const. 
Kaumcurven  dritter  Ordnung. 

§  198.    Enneper'sche  Minimalfläche. 
Das  Quadrat  des  Linienelements  der  Enneper'schen  Fläche  ist  durch 

gegeben,  und  es  ergiebt  sich  sofort,  dass  die  Curven  constanter 
Krümmung: 

«2  _|_  ^2  _  Const. 

geodätisch  parallel  sind  und  constante  geodätische  Krümmung  besitzen, 
sodass  die  Fläche  auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbar  ist  (S.  195). 
Ferner  lässt  sich  nachweisen,  dass  alle  associierten  Flächen  der  Enne- 
per'schen Fläche  der  Gestalt  nach  mit  ihr  übereinstimmen  und  sich  aus 
ihr  ergeben,  wenn  sie  um  die  ^-Axe  gedreht  wird.  Diese  Eigenschaften 
ergeben  sich  übrigens  als  besondere  Fälle  allgemeinerer  Eigenschaften, 
die  im  folgenden  Paragraphen  entwickelt  werden. 

Darboux*)  hat  eine  merkwürdige  Erzeugung  der  Enneper'schen 
Fläche  als  Ebenenenveloppe  gefunden,  die  wir  kurz  angeben  wollen. 
Der  Abstand  der  Tangentialebene  der  Enneper'schen  Fläche  (17)  vom 
Anfangspunkt  ist  durch 

Tr=  Xx  -]-  Yy  -\-  Zz  = Jl^ß.^i 

gegeben,  und  es  lautet  demnach  die  Gleichung  dieser  Ebene: 

(18)  2ax  +  2ßy  +  (a^  +  ß' —  1)^  -\- S(ß^  —  «')  -\-  ß^  —  a^  =  0. 
Wir  betrachten  nun  die  beiden  durch  die  Gleichungen: 

X  =  4a,     y  =  0,  z  =  2u^ — 1, 

x  =  0,         y  =  —  4ß,      2  =  —  2ß^-\-l 

definierten  Parabeln,  von  denen  jede  die  Focalparabel  der  anderen  ist. 
Verbinden  wir  einen  beliebigen  Punkt  der  einen  mit  einem  beliebigen 


*)  Darboux,  1.  Bd.,  S.  318. 


§  199.    Bestimmung  aller  Minimalflächen  mit  ebenen  Krümmungslinien.     371 

Punkt«  der  anderen  und  legen  wir  durch  den  Mittelpunkt  der  Verbin- 
dungslinie die  zu  ihr  senkrechte  Ebene,  so  erhalten  wir  gerade  die 
Ebene  (18).     Daraus  folgt: 

Die  Enneper'sche  Fläche  ist  die  Enveloppe  der  Mittel- 
senkrechtenebenen  derjenigen  Sehnen,  welche  die  Punkte 
einer  Parabel  mit  den  Punkten   der  Foealparabel  verbinden. 

§  199.    Bestimmung  aller   Minimalfläclien  mit  ebenen  Krümmungs- 
linien. 

Wir  haben  nun  noch  die  Gleichungen  derjenigen  Minimalflächen 
mit  ebenen  Krümmungslinien  aufzustellen,  welche  zu  Bildern  dieser 
Curven  auf  der  Kugel  zwei  Kreisbüschel  haben,  deren  Axen  zwei  die 
Kugel  nicht  berührende  reciproke  Polaren  r,  r'  sind. 

Der  Einfachheit  halber  wählen  wir  diejenige  Gerade,  welche  gleich- 
zeitig auf  r  und  r'  senkrecht  steht,  zur  5-Axe  und  die  x-  und  y-Axe 
parallel  r  bezw.  r'.  Um  die  Ideen  zu  fixieren,  setzen  wir  noch  vor- 
aus, dass  r  ausserhalb  der  Kugel  liege,  r'  also  die  Kugel  schneide. 
Dann  sind  die  Coordinaten  derjenigen  Punkte,  in  denen  r  bezw.  r'  die 
^-Axe  schneiden, 

0,  0,  -^     bez.     0,  0,  a     (a  =  Const.  <  1). 

Die  Gleichungen  der  beiden  Kreisbüschel  lauten  dann: 

X  =  X(0  —  a), 

wenn  A,  /*  die  Parameter  der  beiden  Büschel  sind.     Nun  führen  wir 
mittels  der  Gleichungen: 

zwei  neue  Parameter  ein  und  erhalten  so  für  Xy  Y,  Z  a\a  Functionen 
von  ti,  V  die  Ausdrücke: 


,^  Q,.  -y. Vi  —  o-  sin  n  ^^ }/!  —  a-  siuh  v 

^      '  cosh  r  +  a  cos  ti '  cosh  v  -\-  a  cos  u 

y cos  tt  -|-  o  cosh  V 

cosh  V  ^  a  cos  t« 

Das  Quadrat  des  Linienelements  der  Kugel, 

ds^  =  dX'-\-dr--\-dZ% 
nimmt,  durch  die  Parameter  «,  v  ausgedrückt,  die  Form: 

7   ,o  du-  4-  dv- 

ds  -  = 


(cosh  f  -j-  a  cos  u)* 

24* 


372  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

an.  Wenn  wir  nun  aus  den  Gleichungen  (3),  §  191,  S.  359,  mittels 
Quadraturen  die  zugehörige  Minimalfläche  berechnen,  so  erhalten  wir 
die  Gleichungen: 

(x==au-\-  sinu  cosh  v, 

(21)  ly  =  f^   -j- a  cos w  cosh  «;, 

ys  =  j/l  —  a^  cos  u  cosh  v . 

Ist  a  gleich  Null,  so  ergiebt  sich  das  Catenoid;  ist  a  verschieden 
von  Null,  so  besteht  der  Schnitt  der  Fläche  mit  den  zur  xy-^hene 
parallelen  Ebenen  aus  unendlich  vielen  congruenten  Kettenlinien,  deren 
Leitlinien  der  y-Axe  parallel  sind. 

§  200.    Die  auf  Botationsflächen  abwickelbaren  Minimalflächen. 

Wir  lösen  nun  die  Aufgabe,  alle  Minimalflächen  zu  bestimmen, 
die  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind.  Dazu  stellen  wir  die  fol- 
genden von  Schwarz  herrührenden  Überlegungen  an:  Es  sei  S  eine 
auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbare  Minimalfläche.  Sie  gestattet  eine 
stetige  Verbiegung  in  sich,  insbesondere  eine  unendlich  kleine  Verbie- 
gung,  bei  der  sich  die  Biegungscurven  L  der  Parallelkreise  in  sich  ver- 
schieben. Das  sphärische  Bild  von  ;S^  bleibt  bei  der  Verbiegung  sich  selbst 
congruent  (S.  365)  und  erfährt  nur  eine  unendlich  kleine  Drehung  um  einen 
Kugeldurchmesser.  Daraus  schliessen  wir,  dass  die  sphärischen  Bilder 
der  Curven  L  die  Kreise  in  den  zur  Rotationsaxe  senkrechten  Ebenen  sind 
und  dass  auch  bei  einer  endlichen  Verbiegung  der  Fläche  S  in  sich 
ihr  sphärisches  Bild  um  dieselbe  Axe  gedreht  wird*).  Diese  Axe 
nehmen  wir  zur  5-Axe.  Eine  Drehung  um  diese  Axe  ist  gleichbedeu- 
tend damit,  dass  t  durch  e^t  ersetzt  wird,  wenn  a  die  Amplitude  der 
Drehung  ist.     Da  sich  nun 

ds'  =  (tto  +  lfF(t)FQ(tQ)dTdTo 
bei  dieser  Substitution  nicht  ändern  darf,  so  ergiebt  sich: 


*)  Sollte  noch  irgend  ein  Zweifel  an  der  Richtigkeit  dieser  Folgerung  be- 
stehen, so  betrachte  man  eine  endliche  Verbiegung  von  S  in  sich,  und  es  sei  cc 
die  Amplitude  der  entsprechenden  Drehung  auf  der  Kugel.  Die  Amplitude  cc 
ändert  sich  stetig,  wenn  die  Verbiegung  stetig  erfolgt,  und  wir  können  daher  eine 
solche  Verbiegung  wählen,  dass  a  und  2«  incommensurabel  sind.  Man  ver- 
fahre dann  wie  im  Texte.  Dann  ergiebt  sich  die  Gleichung  (b),  S.  373,  in  der  o:  eine 
bestimmte  ,    zu   2  tt  in  keinem  rationalen  Verhältnis   stehende  Grösse  hat.     Wäre 

die  Function  r  -^y  ^i^^t  constant ,  so  würde  sie  demnach  in  der  Umgebung  jedes 

Punktes  der  Ebene  unendlich  oft  denselben  Wert  annehmen,  was  keinen  Sinn  hat. 


§  201.    Die  Minimal -Schraubenflächen.  373 

!F(r)|  =  |J'(re'-)|, 

d.  h. 

(a)  F{te")  =  e'fiF(t), 

wo  ß  eine  reelle  Constante  bedeutet.     Durch  logarithmische  Differen- 
tiation folgt: 

(b)  ^^"4^^=-^'- 

^  ^  Fite'")  F(r) 

F'  (t) 
Da  also  die  Function  t  -^^  längs  jedes  Kreises  in  der  complexen  r-Ebene, 

dessen   Mittelpunkt  in   r  =  0  liegt,   constant   ist,   so   ist  sie  mit  Not- 
wendigkeit überhaupt  eine  Constante. 
Es  ist  also: 

wo  C  und  Je  zwei  Constanten   sind,    von  denen  die   zweite  wegen  der 
Gleichung  (a)  reell  ist.     Daraus  schliessen  wir: 

Die  auf  Rotationsflächen  abwickelbaren  Minimalflächen 
ergeben  sich  aus  den  Weierstrass'schen  Formeln  (7j,  wenn 
darin 

F{t)  =  Cr* 

gesetzt  wird,  wo  Ar  eine  beliebige  reelle  und  C  eine  beliebige 
complexe  Constante  ist. 

§  201.    Die  Minimal- Schraubenflächen. 
Daraus,  dass  nach  S.  360  für  die  soeben  gefundenen  Flächen 

6=Y2CJ  r^  dr 
ist,  ergiebt  sich,  dass  mit  Ausnahme  des  Falles  l'  =  —  2 

±-f  1 

/—  r^ 

also  das  Quadrat  des  Linienelements 

(b)  ds^  =  t\u-  +  ü»)  (efM»  +  rf»') 
ist.     Erwägen  wir  nun,  dass 

M  cos  -    —  t?  sin   -  =  Const., 

M  sin  —  -}-  v  cos  -  =  Const. 


374  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

die  Krüinmungslinien  der  associierten  Flächen  sind,  während  sich  bei 
den  Substitutionen: 

u'==  u  cos      —  V  sin  „  , 

V  =  V  Hin  -  -\-  V  cos  ^- 

das  Quadrat  des  Linienelements  (b)  nicht  ändert,  so  sehen  wir,  dass 
die  betreffenden  Flächen  der  Gestalt  nach  mit  ihren  associierten  Flächen 
identisch  sind.  Wie  leicht  ersichtlich,  ergeben  sich  diese,  wenn  die 
ursprüngliche  Fläche  um  die  Axe  gedreht  wird. 

In  dem  Ausnahmefall  Ä  =  —  2  ergiebt  sich  nach  (7),  S.  360: 

^  =  9t[0(|  +  r)],      y  =  ^[iG[\-r)],      ^  =  -9t[201ogr], 

und  da,  wenn  t  durch  re'"  ersetzt  wird,  s  um  eine  Constante  wächst 
und  X,  y  m 

X  cos  a  —  ?/  sin  o; ,     x  Bin  a  -\-  y  cos  a 

übergehen,  so  erhellt,  dass  diese  Flächen  Schraubenflächen  sind,  deren 
Axe  die  .s;- Richtung  ist.  Aus  unseren  Betrachtungen  folgt  auch,  dass 
dieses  die  einzigen  Minimal-Schraubenflächen  sind,  da  eine  solche  Fläche 
auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbar  ist  und  der  Gestalt  nach  mit 
ihren  associierten  Flächen  nicht  übereinstimmt*).  Also:  Die  Mini- 
mal-Schraubenflächen ergeben  sich,  wenn  in  den  Weierstrass'- 
schen  Formeln 

nr)  =  °, 

gesetzt  wird. 

Um  die   Gleichungen  für  die  Minimal-Schraubenflächen    in    expli- 
citer  Form  anzugeben,  setzen  wir: 


m 


C=  -r-«'V,      t  =  e-'^  +  to>. 


m 


indem  wir  mit  ~ ,  e~"  die  absoluten  Beträge  und  mit  ß,  «  die  Ampli- 
tuden von  C  und  r  bezeichnen,  und  erhalten  so: 

IX  =  m(cos  ß  cosh  v  cos  o  -}-  sin  ß  sinh  v  sin  co) , 
y  =  w(cos  ß  cosh  V  sin  a  —  sin  ß  sinh  v  cos  co) , 
0  =  m(v  cos  ß  -\-  CO  sin. ß) . 

Die   ß  =  0    entsprechende  Fläche    ist    das   C ateno id,    und    seine 


*)  Andernfalls  würden  bei  einer  Verbiegung  der  Fläche  die  Krümmungslinien 
ungeändert  bleiben. 


§  202.    Andere  Grestalt  der  Formeln  von  Weierstrass.  375 

Conjugiert«,    welche    /3  =  —    entspricht,    die  Minimal-Schrauben- 
regelf lache  (vgl.  §  105,  S.  201): 

z  =  m  aretg  —  • 

Endlich  fügen  wir  noch  hinzu,  dass  die  einzige  Linienfläche, 
die  zugleich  Minimalfläche  ist,  diese  Schraubenfläche  ist 
(Satz  von  Catalan).  Bei  einer  Linienfläche  nämlich  sind  die  ortho- 
gonalen Trajectorien  der  Erzeugenden  Haupttangentencurven,  und  es 
fallen  demnach  ihre  Hauptnormalen  mit  den  Erzeugenden  selbst  zusam- 
men. Diese  Eigenschaft  ist  nun,  wie  wir  in  §  19,  S.  32,  gesehen 
haben,  eben  für  die  von  den  Hauptnormalen  der  gewöhnlichen  Schrau- 
benlinie gebildete  Fläche  charakteristisch. 

§  202.    Andere  Grestalt  der  Formeln  von  "Weierstrass. 

Die  Weierstrass'schen  Formeln  (7)  (S.  360)  können  in  eine  andere 
bemerkenswerte  Form  gebracht  werden.     Setzen  wir: 

u  =f(l  —  x')F{r) dt,     V  =  ißl  4-  t')F(t) (1t,    ic  =f2tF(t)dt 

und  führen  wir  statt  der  complexen  Veränderlichen  t  mittels  der  Glei- 
chung: t  =  cp(t)  eine  neue  Veränderliche  t  ein,  so  sind  u,  f,  w  Func- 
tionen von  tj  die  durch  die  Relation: 

(^)  (^)V(|f)  +  a  =  o 

verbunden  sind,  und  die  Weierstrass'schen  Formeln  gehen  über  in: 
(24)  x  =  m{u),     y  =  ^(v),     z  =  m(tv). 

Umgekehrt:  Sind  u,  v,  w  solche  Functionen  der  complexen 
Veränderlichen  t,  die  durch  die  Relation  (23)  verbunden  sind, 
so  ergiebt  sich  aus  den  Gleichungen  (24)  eine  Minimalfläche*). 

Durch  eine  passend  gewählte  Transformation  der  Veränderlichen  t 
kommen  wir  nämlich  wieder  zu  den  Weierstrass'schen  Formeln  zurück 

Dieses  geht  übrigens  sofort  aus   den  folgenden  tJberlegungen  her- 


*)  Diese  Gleichungen  können  wie  folgt  geschrieben  werden: 

^  — ^~  ^     y  ^  ~~2 — '  2 ' 

und  die  Minimalfläche  kann  daher  als   eine  Translationsfläche  angesehen  werden 
welche  die  imaginäre  Curve : 

und  deren  Conjugiert«  zu  erzeugenden  Curven  hat.     Dieses  ist  die  Eigenschaft, 
die  den  auf  S  358  angeführten  Arbeiten  von  Lie  als  Grundlage  dient. 


376  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

vor,  die  umgekehrt  zu  einer  directen  Ableitung  der  obigen  Gleichungen 
dienen  können: 

Zerlegen  wir  t,  u,  v,  w  in  ihre  reellen  und  imaginären  Bestand- 
teile, indem  wir 

t=a-\-iß,     u  ==  X  -{-  ix^,     V  ==  y  -\-  iy^,     w  =  z  -\-  iz^ 

setzen,  und  berücksichtigen  wir  die  Gleichungen: 

dx  dx.^        dx  dx^ 

aus  denen  sich  infolge  der  Gleichungen  (23)  die  Beziehungen: 
'S^  (cxY_^  (dxy        V^£^_n 

^  \dcc)  ~~^  \dßh     ^dacß~^ 

ergeben,  so  folgt: 

ds'  =  dx^  +  dy'  -\-dz'=l  {da'  +  dß'),     X  =^  (^~)'  • 

.Die  Beltrami'sche  Gleichung  (A),  §  60,  S.  116,  zeigt  dann,  dass  die 
Fläche  (24)  eine  Minimalfläche  ist. 

Wir  bemerken,  dass  sich  die  für  die  Minimalflächen  charakte- 
ristische Eigenschaft,  die  durch  die  eben  genannte  Gleichung  aus- 
gedrückt wird,  folgendermassen  aussprechen  lässt:  Bei  jeder  Mini- 
malfläche gehören  ihre  Schnitte  mit  einer  Schar  paralleler 
Ebenen  einem  Isothermensystem  an;  der  Abstand  einer  ver- 
änderlichen Ebene  der  Schar  von  einer  festen  Ebene  ist  der 
Parameter  der  Isometrie. 

In  jeder  der  complexen  Ebenen  ii,  v,  iv  haben  wir  eine  conforme 
Abbildung  der  Minimalfläche  (24),  und  da  nun 

ds'  =  \(duduQ  -{-  dvdvQ  -f-  dwdw^ 

ist,  wenn  Uq,  Vq,  Wq  die  im  u,  v,  w  conjugierten  Functionen  sind,  so  ist 
klar,  dass  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche  gleich  der  halben 
Summe  der  Quadrate  der  entsprechenden  Linienelemente  in  den  Ebenen 
u,v,w  ist.  Riemann  hat  daraus  eine  interessante  Folgerung  gezogen, 
indem  er  in  Betracht  zog,  dass  sich  bei  einer  conformen  Abbildung 
die  Flächenelemente  wie  die  Quadrate  der  Linienelemente  verhalten. 
Daraus  ergiebt  sich  nämlich  der  Satz: 

Der  Flächeninhalt  eines  Minimalflächenstücks  (24)  ist 
gleich  der  halben  Summe  der  entsprechenden  Flächenräume 
in  den  complexen  Ebenen  u,  v,  w. 


§  203.    Formeln  von  Schwarz.  377 

§  203.    Formeln  von  Schwarz. 

Aus  den  Gleichungen  des  vorstehenden  Paragraphen  hat  Schwarz 
in  der  nachstehend  angegebenen  Weise  andere  wichtige  Gleichungen 
abgeleitet.     Wird  wie  vorhin  ' 

u  =  a:  -f  ix^,     V  =  y  -\-  iy^^     tc  =  z  -{-  iz^ 

gesetzt,  so  ist: 

dx  di\  -\-  dy  dy^  -\-  dz  dz^  =  0, 
femer: 

Xdx^  +  Ydy^  +  Zdz^  =  0, 
demnach : 

dx^ :  dy^ :  dz^  =  {Zdy  —  Tdz)  :  {Xdz  —  Zdx)  :  {Ydx  —  Xdy). 

Da  femer 

dx^^  +  dy^^  +  dz^^  =  dx^  +  dy^  -f  dz- 

ist,  so  folgt  daraus: 

dx^  =  ±  {Zdy  -  Ydz),    dy^  =  ±  {Xdz  —  Zdx), 

dZi  =  ±{Ydx  —  Xdy). 

Die  Zweideutigkeit  des  Vorzeichens   fällt  fort,   wenn  wir  auf  die 
Ausdrücke  für  u,  v,  w  als  Functionen  von  r  und  auf  die  Gleichungen 
(5)  in  §  191  zurückgehen;   es  ist  nämlich: 
du  =  {\—  x')F{t)  dt,     dv  =  ?(1  +  r^)F{t)dv,    dw  =  2tF{T)dr, 

dx  =  Y  (rfuo  +  du),        dy  =   -  (rfvo  +  dv),  ^-^  =  y  ('^"^o  +  ^tc), 

dxt=  ~  (rf«o  —  du),       dy^  =  y  {dv^  —  dv),        dz^  =  y  {dw^—dw). 

Wenn  nun  z.  B.  der  Ausdruck   Ydx  —  Xdy  gebildet  wird,   so  ergiebt . 
sich,  dass  er  mit  dem  für  dz^  übereinstimmt.    Wir  haben  also  die  Glei- 
chungen: 

dx^  =  Zdy  —  Ydz,    dy^  =  Xdz  —  Zdx,     dz^  =  Ydx  —  Xdy  *), 
infolge  deren  wir  die  Werte  von  u,  v,  w  so  schreiben  können: 

u  =  x-^  if{Zdy  —  Ydz), 

(25)  v  =  V+  iJ{Xdz  —  Zdx), 

IC  =  z-\-  if{Ydx  —  Xdy). 

Dieses  sind   die  Schwarzsehen  Fonneln.    die  sich   in   der  elegantesten 
Weise  auf  die  Lösung  folgender  Aufgabe  anwenden  lassen:  Die  Minimal- 

*)  Stellen  vrir  die  Bedingung  dafür  auf,  dass  Ydx  —  Xdy  ein  vollständiges 
Differential  ist,  so  ergiebt  sich  wieder  die  partielle  Differentialgleichung  (1)  der 
Minimalflächen  (§  189). 


378  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

fläche  zu  construieren,  die  durcli  eine  gegebene  Curve  0  geht 
und  längs  der  Curve  gegebene  Normalen  hat. 

Beachten  wir,  dass  die  unendlich  kleinen  Teile  der  Tangential- 
ebenen längs  der  gegebenen  Curve  C  einen  Streifen  der  Fläche  bilden, 
so  können  wir  der  gestellten  Aufgabe  auch  die  folgende  Fassung  geben: 
Eine  Minimalfläche  zu  construieren,  von  der  ein  Streifen 
bekannt  ist.  Es  ist  dieses  nur  ein  specieller  Fall  der  Cauchy'schen 
Aufgabe  über  die  partiellen  Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung; 
in  dem  vorliegenden  Falle  lässt  sie  sich  unter  den  näher  anzugebenden 
Bedingungen  mittels  Quadraturen  lösen. 

§  204.    Lösung  der  Aufgabe,    durch,  einen   gegebenen  Streifen   eine 
Minimalfläche  hindurclizulegen. 

Wir  nehmen  an,  dass  der  gegebene  Streifen  ein  analytischer 
sei,  d.  h.  dass  längs  des  Streifens 

X,  y,  z;    X,  Y,  Z 

analytische  Functionen  der  reellen  Variabein  t,  d.  h.  auch  für 
complexe  Werte  von  t  gültige  Functionen  seien.  Wir  führen  nun  die 
Integration  in  den  Gleichungen  (25)  aus  und  setzen  die  Functionen 
u,  V,  tv  in  der  complexen  Ebene  analytisch  fort.  Sie  sind  immerfort 
durch  die  Relation: 


(duy  .    (dvY  ,    (dwY      ^ 
\dtl  +  Vdt)  +  l7?TJ  =  ^ 


verbunden,  die  längs  der  reellen  Axe  besteht.  Die  Gleichungen  (24) 
definieren  uns  dann  eine  Minimalfläche,  die,  wie  sofort  hervorgeht, 
durch  die  gegebene  Curve  geht  und  längs  der  Curve  die  vorgeschrie- 
benen Tangentialebenen  hat*). 

Nun  ist  hervorzuheben,  dass  die  durch  einen  Streifen  definierte 
Minimalfläche  eindeutig  bestimmt  ist.  Führen  wir  nämlich  wieder 
die  complexe  Veränderliche  (§  191,  S.  359) 

t  =  cot  --  e""  =       '    „ 

ein,  so  beschreibt,  während  der  bewegliche  Punkt  die  gegebene  Curve 
C  durchläuft,  sein  Bildpunkt  t  auf  der  complexen  Kugelfläche  eine 
Curve   C,   die    durch   die   vorgeschriebenen  Richtungen   der  Normalen 


*)  Es  reducieren  sich  nämlich  für  reelles  t  die  reellen  Teile  von  u,  v,  w  auf 
die  Coordinaten  der  Punkte  von  C,  und  die  Coefficienten  der  imaginären  Bestand- 
teile auf 

f(Zdy—Ydz),    fiXdz  —  Zdx),    J{Ydx—Xdy). 


§  "204.  Minimalfläche  durch  einen  gegeb.  Streifen.     §  205.  Besondere  Fällo.    379 

vollkommen  bestimmt  ist.  Längs  dieser  Curve  C  ergeben  sich  u.  v,  w 
aus  den  Gleichungen  (25)  bis  auf  additive  Constanten,  und  es  können 
daher  diese  Functionen  auf  der  complexen  Kugelfläche  nur  auf  eine 
einzige  Weise  fortgesetzt  werden.  Also:  Eine  Minimal  fläche  ist 
durch  einen  Streifen  eindeutig  bestimmt. 

Zwei  Specialfälle  dieses  Satzes  verdienen  besondere  Beachtung, 
nämlich: 

1)  Jede  auf  einer  Minimalfläche  gelegene  Gerade  ist  eine 
Symmetrieaxe  der  Fläche. 

Wird  die  Fläche  nämlich  um  diese  Gerade  um  180°  gedreht,  so 
hat  sie  bei  der  neuen  Lage  längs  dieser  Geraden  dieselben  Normalen, 
fäUt  demnach  mit  der  ursprünglichen  Fläche  zusammen. 

Dieser  interessante  Satz  ergiebt  sich  direct  aus  den  Gleichungen 
(25),  wenn  die  betreffende  Gerade  zur  jsr-Axe  genommen  und  also 
X  =  0,  y  =  0,  z  =  t 

X  =  cos  <y,      Y  =  sin  <?,     Z  =  0 

gesetzt  wird,  wobei  6  eine  (analytische)  Function  von  t  sein  soll. 
Dann  erhalten  wir  aus  den  Gleichungen  (25): 

II  =  —  /  /  sin 6 dt,      V  =  i  I  cos 6 dt,      tc  =  t. 

Da  nun  die  Functionen  «,  v  für  reelles  t  rein  imaginär  sind,  so  sind 
für  conjugiert«  Werte  von  t  ihre  imaginären  Teile  einander  gleich, 
ihre  reellen  Teile  ebenfalls  gleich,  aber  mit  entgegengesetztem  Vor- 
zeichen behaftet;  daraus  folgt,  dass  jedem  Flächenpuukt  (x,  y,  z)  ein 
anderer,  zur  ir- Axe  symmetrisch  gelegener  Flächenpimkt  ( —  x,  —  y,  s) 
entspricht. 

Die  zweite  wichtige  Folgerung  aus  dem  allgemeinen  Satze,  die 
wir  anführen  wollten,  ist  die  nachstehende: 

2)  Schneidet  eine  Ebene  eine  Minimalfläche  orthogonal, 
so  ist  sie  eine  Symmetrieebene  der  Fläche. 

§  205.    Besondere  Fälle. 

Wir  woUen  nun  die  allgemeinen  Schwarz'schen  Formeln  auf  einige 
specieUe  Fälle  anwenden. 

a)  Wir  nehmen  an,  es  wäre  von  einer  Minimalfläche  eine  geodätische 
Linie  C  gegeben.  Unter  Beibehaltung  der  üblichen  Bezeichnungen  des 
Kap.  I  für  diese  Curve  setzen  wir: 

t  =  s,     X=cos|,     l'=cosi/,     Z=cos5. 
Dann  geben  uns  die  Schwarz'schen  Formeln  (25): 


380  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

(26)     u  =  x  -{-  ij  cos  Xds,     v  =  y  -f-  i  j  cos  ^ids,     iü  =  s-\-  i  j  cos  v  ds. 

Betrachten  wir  die  entsprechende  Curve  C  der  conjugierten  Minimal- 
fläche, so  haben  wir: 

x'=  j  cos  Xds,     y'=  I  cos  fids,     0'=  j  cos  vds. 

Gemäss  den  Ergebnissen  des  §  20,  S.  33,  beweisen  diese  Glei- 
chungen, dass  in  jedem  Punkte  der  Curve  C  die  erste  und  die  zweite 
Krümmung  derselben  bezüglich  gleich  der  zweiten  und  der  ersten 
Krümmung  der  Curve  C  ist,  d.  h. : 

Wählt  man  auf  zwei  conjugierten  Minimalflächen  zwei 
einander  entsprechende  geodätische  Linien,  so  ist  die  erste 
Krümmung  der  einen  in  jedem  Punkte  gleich  der  zweiten 
Krümmung  der  anderen  im   entsprechenden  Punkte*). 

Allgemeiner,  bemerkt  man,   dass 

X  ==  f  cos  a  ds,     y  =  j  cos  ß  ds,     ^'  =  j  cos  y  ds 

ist,  so  ergiebt  sich,  dass  bei  jeder  Verbiegung  der  Minimalfläche,  bei 
der  die  Fläche  eine  Minimalfläche  bleibt,  die  beiden  Krümmungen 
homogene  lineare  Functionen  der  ursprünglichen  Krümmungen  bleiben 
(§  20,  S.  33). 

Ist  die  Curve  C  eben  und  wird  ihre  Ebene  zur  a;^- Ebene  genom- 
men, so  müssen  wir 

0  =  0,     cosA  =  0,     cosft  =  0,     cosv  =  l 

setzen.     Dann  lauten  die  Gleichungen  (26)  einfach: 

u  =  X,     V  =  y,     w  =  is. 

Für  conjugierte  Werte  von  s  behalten  die  reellen  Teile  von  u  und  v 
ein  und  denselben  Wert,  und  es  liegt  demnach  die  Fläche  zur  xy-Ehene 
symmetrisch,  wie  auch  am  Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen  bemerkt 
worden  ist. 

b)  Sollte  die  Curve  C  statt  geodätische  Linie  Haupttangentencurve 
sein,  so  hätten  wir: 

X=cosA,     Y=cos(i,     Z=cosv, 
und  es  würden  somit  die  Schwarz'schen  Formeln  lauten: 
u  =  x  —  i  f  cos  ^ds,     V  ==  y  —  i  j  cos rjds,     w  =  s — i  j  cos  t,ds. 

*)  Es  lässt  sich  leicht  nachweisen,  dass  die  Minimalflächen  die  einzigen 
Flächen  sind,  die  eine  Verbiegung  gestatten,  bei  der  sich  die  beiden  Krümmungen 
einer  jeden  geodätischen  Linie  vertauschen. 


§  206.    Kriterium  dafür,  dass  eine  Fläche  in  eine  Minimalfl.  verbiegbar  ist.     381 

§  206.     Kriterimn  dafür,   dass  eine  Fläclie  in  eine  Minimalfläclie 

verbiegbar  ist. 

Wir  schliessen  das  vorliegende  erste  Kapitel  über  die  Minimal- 
flachen  mit  der  Lösung  der  Aufgabe:  Zu  entscheiden,  ob  eine  ge- 
gebene Fläche  in  eine  Minimalfläche   verbogen  werden  kann. 

Die  Entscheiduncr  ergriebt  sich  sehr  einfach  daraus,  dass  das  Linien- 
dement  einer  auf  ihre  Krümmungslinien  bezogenen  Minimalfläche  durch 

ds'=X{dn-  +  dv-) 
gegeben  ist,  während  das  KJrümmungsmass  nach  S.  359 

ist  und  nach  S.  68  die  Differentialform: 


y^^^^ds^  =  du^-^dv- 
die  Krümmung  Null  besitzt.    Umgekehrt  nehmen  wir  nun  an,  dass  für 
eine    Fläche    (mit    entgegengesetzten    Hauptkrümmungsradien),     deren 
Linienelement 

ds  =  YEdu^  +  2Fdudv  +  Gdv^ 

ist,  die  Differentialform 


y—K(Edu^  +  21  du  dv  +  Gdv"^) 
die  Krümmung  Null  besitze,  sodass  für  passend  gewählte  Veränderliche 
a,  ß  (die  sich  nach  S.  171  mittels  Quadi-aturen  finden  lassen) 

y^^{Edu^  -f  2Fdudv  +  Gdv-)  =  da-  +  dß^ 
ist.     Setzen  wir  K=  —  y* ,  so  ergiebt  sich: 

(27)  Edu'-  +  2Fdudv  -\-  Gdv^  =  X{da^  -f  dß"), 

demnach  (§  35,  S.  68): 

j^_        ^ 1    /g'logX       c'logA 

d.h.: 

8'logX    ,    g'logZ  _  ^ 

ca*     •     a^»    ~  l' 

Das  Linienelement 


V 


\-  {da'  +  dß') 


gehört  folglich  zur  Kugel  vmd  also  das  Linienelement  (27)  zu  einer 
Minimalfläche,  die  sich  mittels  Quadraturen  ergiebt,  sobald  die  Coor- 
dinateu  X,  Y,  Z  eines  Punktes  der  Kugel  als  Functionen  von  a,  ß 
bekannt  sind.  Also:  Die  notwendige  und  hinreichende  Bedin- 
gung dafür,  dass  eine  Fläche  auf  eine  Minimalfläche  abwickel- 


382  Kap.  14.    Die  Minimalflächen. 

bar  ist,  lautet:  es  muss  die  Differentialform,  die  das  Quadrat 
des  Linienelements  der  Fläche  angiebt,  mit  der  Quadrat- 
wurzel aus  dem  negativen  Wert  des  Krümmungsmasses  der 
Fläche  multipliciert,  eine  Form  von  der  Krümmung  Null 
ergeben. 

Dieselbe  Bedingung  können  wir  in  andrer  Form  durch  die  Gleichung: 

A,log(-^)  =  4ir 
nach  (15),  S.  67,  ausdrücken.     In  dieser  Fassung  wurde  sie  von  Ricci 
angegeben,   der  das  soeben  abgeleitete  Ergebnis  zuerst  fand. 

Beispielsweise  sehen  wir  zu,  ob  es  Linienflächen  giebt,  die  auf 
Minimalflächen  abwickelbar  sind.  Bringen  wir  das  Quadrat  des  Linien- 
elements der  Linienfläche  in  die  Form  (§  116,  S.  222): 

ds"^  =  du""  +  [(u  —  af  +  ß^  dv\ 
so  ergiebt  sich  wie  auf  S.  223 : 

und  die  obige  Bedingung  ist  nur  für  constantes  a  und  ß  erfüllt,  woraus 
hervorgeht,  dass  die  einzigen  Linienflächen  der  gesuchten  Art  diejenigen 
sind,  welche  auf  die  Minimal-Schraubenregelfläche  abwickelbar  sind, 
d.  h.  die  Ortsflächen  der  Binormalen  der  Curven  mit  constanter  Torsion 
(nach  S.  228). 


Kapitel  XT. 
Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

Wortlaut  des  Plateau"schen  Problems.  —  Gnindlegende  Betrachtungen  über  die 
beiden  conformen  Abbildungen  der  Minimalfläche  auf  die  Gaussische  Kugel  und 
auf  die  Ebene  der  complexen  Veränderlichen  c.  —  Fall  einer  aus  geradlinigen 
Strecken  bestehenden  Begrenzung  oder  allgemeiner  einer  Schwarz'schen  Begren- 
zung. —  FaU  des  von  zwei  Paar  Gegenkanten  eines  regulären  Tetraeders  gebil- 
deten Vierecks  (Schwarz'sche  Fläche).  —  Oktaedemetz  auf  der  Kugel.  —  Ana- 
lytische Darstellung  der  Gruppe  der  24  Drehungen  des  Oktaedemetzes.  —  Bestim- 
mung Ton  F(t)  für  die  Schwarz'sche  Fläche :  F(z)  =  ——===^  ■  —  Proben 

yi  — 14T*-f  T« 

bezüglich  der  Grenzcurve.  —  Untersuchung  derjenigen  Gruppe  von  Bewegungen 
des  Baumes,  welche  die  Schwarz'sche  Fläche  ungeändert  lässt.  —  Eigenschaften 
der  analytischen  Fortsetzung.  —  Die  conjugierte  Minimalfläche  und  die  ent- 
sprechende Gruppe  von  Bewegungen.  —  Sätze  von  Schwarz  über  die  zweite 
Variation  des  Flächeninhalts  eines  Minimalflächenstücks. 


§  207.    Das  Plateau'sche  Problem. 

Die  fundamentale  Aufgabe,  auf  die  sich  die  Theorie  der  Minimal- 
flachen  aufbaut,   sprechen  wir  in  der  folgenden  präcisen  Fassung  aus: 

Gegeben  ist  eine  geschlossene  Begrenzung;  es  soll  ein 
zusammenhängendes  Minimalflächenstück  construiert  wer- 
den, das  von  dieser  Begrenzung  umschlossen  ist  und  im  In- 
nern  keine  singulären  Punkte  besitzt. 

Berühmt  sind  die  Experimente  von  Plateau,  durch  die  dieser 
Physiker  die  Aufgabe  praktisch  in  der  Weise  löste,  dass  er  die  physisch 
dargestellte  Begrenzung  in  die  nach  ihm  benannte  Flüssigkeit  tauchte. 
Die  Flüssigkeitslamelle,  die  zwischen  der  Begi-enzung  ausgespannt 
bleibt,  weicht  in  der  That  gestaltlich  sehr  wenig  von  einer  Minimal- 
fläche ab. 

Die  Analysis  ist  weit  davon  entfernt,  das  Plateau'sche  Problem 
allgemein  lösen  zu  können;  jedoch  ist  in  dem  Falle,  dass  die  Begren- 
zung aus  geradlinigen  Strecken  besteht,   sowie  in  einem  andern  Falle, 


384     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

den  wir  bald  angeben  werden^  eine  Reihe  wichtiger  Sätze  bekannt,  die 
wir  Riemann,  Weierstrass  und  Schwarz  verdanken. 

Wir  beschränken  uns  hier  auf  die  Entwickelung  nur  einer  Methode, 
die  sich  bei  diesen  Untersuchungen  von  selbst  bietet  und  auf  der 
Theorie  der  conformen  Abbildungen  beruht.  Diese  Methode  reicht  in 
den  einfachsten  Fällen  aus,  insbesondere  für  die  Schwarz'sche  Minimal- 
fläche, die  von  einem  von  vier  paarweise  einander  gegenüberliegenden 
Kanten  eines  Tetraeders  gebildeten  windschiefen  Viereck  begrenzt  wird. 
Der  Behandlung  dieses  in  vielen  Beziehungen  so  interessanten  beson- 
deren Falles  ist  das  vorliegende  Kapitel  hauptsächlich  gewidmet. 

Die  Methode  der  conformen  Abbildungen  reicht,  wie  vorhin  be- 
merkt, nur  in  einigen  der  einfachsten  Fälle  aus.  Der  Leser  findet  in 
dem  Buche  von  Darboux  (1.  Bd.,  S.  453  u.  f.)  eine  zweite  allgemeinere 
und  weit  erfolgreichere  Methode  entwickelt,  auf  die  wir  hier  nur  kurz 
hinweisen  können. 

§  208.     Conforme  Abbildung  der  Minimalfläche   auf  die  Gaussische 
Kugel  und  auf  die  Ebene. 

Wir  betrachten  ein  von  einer  geschlossenen  Umrandung  C  be- 
gi-enztes  Minimalflächenstück  Ä  und  sein  sphärisches  Bild  J5,  das  in- 
folge der  fundamentalen  Eigenschaft  der  Minimalflächen  nach  S.  252  ein 
conformes  Abbild  des  Flächenstücks  Ä  ist.  Wir  nehmen  ferner  an, 
dass  dieses  Flächenstück  B  auf  der  Kugel  einblättrig  sei.  Indem  wir 
weiter  für  die  Minimalfläche  S  wieder  die  Bezeichnungen  des  vorigen 
Kapitels  wählen,  führen  wir  wieder  die  complexe  Veränderliche 

0  =fy2Fjt)  dt 

ein,  deren  reeller  Teil  u  und  deren  mit  dem  Factor  i  multiplicierter  Teil 
V,  gleich  Constanten  gesetzt,  die  Krümmungslien  von  S  geben  (S.  359). 
Ist,  wie  wir  voraussetzen  wollen,  die  Function  6  innerhalb  des 
Flächenstücks  Ä  endlich,  stetig  und  eindeutig,  so  erhalten  wir  durch 
Ausbreiten  der  Werte  von  6  in  einer  complexen  Ebene  von  dem  Stück 
Ä  ein  neues  conformes  Abbild  B'.  Es  sind  somit  das  Flächenstück  B 
auf  der  Kugel  und  das  Flächenstück  B'  in  der  Ebene  conform  auf 
einander  abgebildet.  Wenn  das  Gesetz  bekannt  ist,  nach  dem  die 
Punkte  beider  Stücke  einander  zugeordnet  sind,  so  ist  auch  die  Fläche 
S  vollständig  bekannt,  da  wir  dann,  weil  0  als  Function  von  r  gegeben 
ist,  die  Weierstrass'sche  Function 

kennen,  welche  die  Fläche  charakterisiert  (S.  360). 


§  209.    Fall  einer  aus  geradl.  Strecken  a.  aus  Ebenen  bestehenden  Begrenzung.     385 

Sobald  also  die  gegebene  Begrenzung  C  so  beschaffen  ist,  dass 
sich  sowohl  das  Flächenstück  B  auf  der  Kugel  als  auch  das  ebene 
Flachenstück  B'  bestimmen  lässt,  so  lässt  sich  das  Plateau'sche  Problem 
für  diese  Begi*enzung  auf  die  bekannte  Aufgabe  der  Analysis  zurück- 
fuhren: ein  gegebenes  Flächenstück  conform  auf  ein  anderes  abzubilden. 

Der  eben  erwähnte  Umstand  tritt  nun.  wenio^stens  mit  einer  se- 
wissen  Unbestimmtheit,  dann  ein,  wenn  die  Begrenzung  C  aus  gerad- 
linigen Strecken  besteht.  Was  nämlich  das  sphärische  Bild  B  an- 
betrifft, so  entspricht  jeder  geradlinigen  Strecke  r  der  Begi-enzung  C 
auf  der  Begrenzung  von  B  ein  Bogen  eines  grössten  Kreises  in  einer 
auf  r  senkrechten  Ebene;  das  Flächenstück  B  ist  also  ein  sphärisches 
Polygon,  dessen  Begrenzung  von  der  Lage  nach  völlig  b&stimmten 
Bogen  grösster  Kreise  gebildet  wird.  Betrachten  wir  zweitens  das 
ebene  Flächenstück  B',  so  ist,  da  jeder  geradlinige  Bestandteil  der 
Begrenzung  C  eine  Haupttangentencurre  der  Fläche  ist,  das  entsprechende 
Stück  der  Begrenzung  Ton  B'  ebenfalls  geradlinig  und  der  einen  oder 
der  anderen  Halbierungslinie  der  Axenwinkel  in  der  Ebene  B,  nämlich: 

u  —  f  =  0     oder     u  -}-  r  =  0, 
parallel.     Das    Plateau'sche    Problem   geht   also    in    dem    vorliegenden 
Falle  in  die  folgende  Aufgabe  über:  Das  sphärische  Polygon  B  auf 
das  ebene  Geradenpolygon  B'  conform  abzubilden. 

§  209.    Fall  einer  ans  geradlinigen  Strecken  und  ans  Ebenen 
bestehenden  Begrenzung. 

Dieselben  Überlegungen  gelten  auch  noch  in  einem  allgemeineren 
Falle,  der  von  Schwarz  in  seinen  „Fortgesetzten  Untersuchungen 
über  Minimal  flächen"*)  folgendermasseu  formuliert  worden  ist: 

Gegeben  sei  eine  zusammenhängende,  geschlossene  Kette 
von  geradlinigen  Strecken  und  Ebenen:  es  soll  ein  einfach 
zusammenhängendes,  von  den  geradlinigen  Strecken  und  den 
Ebenen  der  Kette  begrenztes  Minimalflächenstück  bestimmt 
werden  derart,  dass  die  Fläche  die  Ebenen  rechtwinklig 
schneidet. 

Die  geradlinigen  Teile  der  Begi'enzung  C  sind  Haupttangenten- 
curven,  und  die  krummlinigen  Teile  sind  Krümmungslinien  in  zur 
Fläche  senkrechten  Ebenen.  Die  sphärischen  Bilder  der  letzteren 
Teile  sind  also  ebenfalls  Bogen  grösster  Kreise  und  zwar  in  Ebenen, 
die  den  Ebenen  der  Kette  parallel  sind.     In  der  ö- Ebene  ist  also  das 


*)  Monateberichte  der  Berliner  Akademie,  1872.  (Werke,  1.  Bd.,  S.  126  u.  f.) 

Biancbi,  Diffarentialgeometrie.  25 


386     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

Bild  eines  solchen  Bogens  ein  der  einen  oder  der  anderen  Coordinaten- 
axe  paralleles  Geradenstück.  Auch  in  diesem  allgemeinen  Falle  hängt 
demnach  die  Lösung  des  Plateau'schen  Problems  von  den  Gleichungen 
ab^  welche  die  conforme  Abbildung  eines  sphärischen  Polygons  auf  ein 
ebenes  Geradenpolygon  geben. 

Betrachten  wir  z.  B.  den  einfachsten  Fall,  in  dem  die  Kette  von 
zwei  geradlinigen  Strecken  AB  und  ÄC  gebildet  wird,  die  in  B  und 
C  von  einer  Ebene  begrenzt  seien,  die  von  der  Fläche  senkrecht  ge- 
schnitten werden  soll.  Der  Minimalflächensector  ABC,  wie  ihn  das 
Experiment  liefert,  hat  zum  Bilde  auf  der  Kugel  ein  vollkommen  be- 
stimmtes sphärisches  Dreieck.  Sein  ebenes  Bild  B'  ist  ein  rechtwink- 
lig-gleichschenkliges Dreieck,  dessen  Hypotenuse  einer  der  Coordi- 
natenaxen  parallel  ist. 

Die  entsprechende  Abbildungsaufgabe  wird  bekanntlich  mittels 
hypergeometrischer  Reihen  gelöst. 

Wir  nehmen  nun  an,  es  wäre  uns  gelungen,  für  eine  gegebene 
Schwarz'sche  Begrenzung  das  Plateau'sche  Problem  zu  lösen.  Das  ge- 
suchte Minimalfiächenstück  2J  ergiebt  sich  aus  den  Weierstrass'schen 
Formeln,  indem  man  die  complexe  Veränderliche  r  innerhalb  des  sphä- 
rischen Polygons  B  wandern  lässt.  Wir  wollen  jedoch  unter  Benutzung 
der  am  Schlüsse  des  §  204  bewiesenen  Symmetriesätze  untersuchen, 
was  eintritt,  wenn  bei  der  analytischen  Fortsetzung  der  Function  F(t) 
die  analytische  Fortsetzung  dieses  Flächenstücks  betrachtet  wird.  Über- 
schreitet t  eine  Seite  l  des  Polygons  B,  der  ein  geradliniges  Stück  r 
der  Schwarz'schen  Begrenzung  entspricht,  so  kommen  wir  auf  der  Fläche 
aus  dem  Gebiet  2J  in  das  bezüglich  der  Strecke  r  zu  ihm  symmetrische 
Gebiet  und  bleiben  in  diesem,  solange  r  innerhalb  des  bezüglich  der 
Seite  l  zn  B  symmetrischen  sphärischen  Polygons  bleibt.  Entspricht 
der  Seite  l  von  B  ein  krummliniges  Stück  der  Schwarz'schen  Begren- 
zung in  einer  zu  ZI  senkrechten  Ebene  der  Kette,  so  ist  der  Schluss 
ein  ganz  ähnlicher;  wir  gelangen  dann  aus  U  in  ein  neues  zu  dieser 
Ebene  symmetrisches  Gebiet  Z".  Somit  finden  wir  bei  der  analyti- 
schen Fortsetzung  der  Minimalfläche  für  jede  Seite  ein  neues  zu  dem 
Flächenstück  Z  symmetrisches  und  an  dasselbe  angrenzendes  Gebiet. 

Auf  jedes  dieser  Gebiete  lässt  sich  dieselbe  Schlussweise  anwenden. 
Somit  besteht  die  analytische  Fortsetzung  unserer  Fläche  aus  unend- 
lich vielen,  abwechselnd  symmetrischen  und  congruenten  Teilen.  Im 
allgemeinen  enthält  ein  endliches  Gebiet  des  Raumes  unendlich  viele 
solcher  Teile.  Um  uns  davon  zu  überzeugen,  brauchen  wir  nur  den 
Fall  zu  betrachten,  dass  sich  zwei  geradlinige  Stücke  der  Begrenzung 
unter   einem   zu  jc   in  keinem  rationalen  Verhältnis  stehenden  Winkel 


§  210.  Fall  d.  y.  2  Paar  Gegenseiten  eines  regrnlären  Tetraed.  gebild.  Vierecks.    387 

schneiden.  Die  hier  berührte  Frage  hängt  mit  derjenigen  der  Be- 
wegungsgruppen zusammen  und  kann  ohne  die  wirkliche  Kenntnis 
des  von  der  gegebenen  Schwarz'schen  Begrenzung  eingeschlossenen 
Minimalflächenstücks  behandelt  werden.  Wir  brauchen  nämlich  nur 
zuzusehen,  ob  die  Spiegelungen  gegen  die  geradlinigen  Seiten  und 
gegen  die  Ebenen  der  Begrenzung  eine  stetige  oder  eine  unstetige 
Grruppe  erzeugen*). 

Der  einfachste  Fall,  in  dem  die  entsprechende  Minimalfläche  gleich- 
massig  den  Raum  durchsetzt,  ist  nun  eben  derjenige,  zu  dessen  Behand- 
luns  wir  nunmehr  übersehen  wollen  und  in  dem  die  Schwarz'sche 
Begrenzung  ein  von  zwei  Paar  Gegenkanten  eines  regelmässigen 
Tetraeders  gebildetes  windschiefes  Viereck  ist. 

§  210.     Fall  des  von  zwei  Paar  Gegenseiten  eines  regulären 
Tetraeders  gebildeten  Vierecks. 

Von  den  sechs  Kanten  eines  regelmässigen  Tetraeders  denken  wir 
uns  die  beiden  Gegenkanten  ÄD  und  BC  fortgenommen  und  betrach- 
ten das  Minimalflächenstück  Z",  das  von  dem  windschiefen  Viereck 
ABDC  begrenzt  wird. 

Wie  sich  bei  dem  entsprechenden  Plateau'schen  Experiment  her- 
ausstellt, ist  diese  Fläche  symmetrisch  zu  denjenigen  Ebenen,  welche 
durch  die  weggedachten  Kanten  AD  und  BC  senkrecht  zu  den  Gegen- 
kanten BC  bezw.  AD  gelegt  werden.  Sie  liegt  ganz  im  Innern  des 
Grundtetraeders  AB  CD.  Die  Tangentialebenen  in  den  vier  Ecken 
sind  gerade  die  Seitenflächen  des  Tetraeders,  und  ihre  positiven  Seiten 
sind  für  zwei  Gegenecken  die  inneren,  für  die  beiden  anderen  die 
äusseren. 

Daraus  folgt,  dass  das  sphärische  Bild  von  2J  ein  sphärisches 
Viereck  A'B'D'C  ist,  dessen  Winkel  120"  betragen.  Um  ein  solches 
Viereck  auf  der  Kugel  zu  erhalten,  brauchen  wir  in  dieselbe  nur  einen 
Würfel  einzubeschreiben.  Dann  sind  die  vier  Ecken  einer  Würfelfläche 
die  Ecken  des  gesuchten  Vierecks.  Nun  sehen  wir,  dass  die  Halbie- 
rungsebene des  Dieders  BC  die  Fläche  2J  senkrecht  schneidet  und 
daher  in  zwei  symmetrische  Sectoren  ABC  und  DBC  teilt.  Diese 
haben  die  beiden  sphärischen  Dreiecke  A' B'  C  und  DB'  C,  in  welche 
die  Diagonale  B'  C  das  vorhin  betrachtete  Viereck  teilt,  zu  sphärischen 
Bildern. 

Wir  können  demnach  an  Stelle  unserer  Aufgabe  die  folgende  ein- 


*)  S.  die  Entwickelongen  des  Textes.  §221 — 222,  über  die  Schwarz'sche  Fläche. 


388     Kap.  15.    Das  Plateau'sclie  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

fächere  setzen:  den  kleinsten  Sector  ABC  zu  bestimmen,  der  von  zwei 
geradlinigen  Strecken  AB,  AC  und  der  Curve  BC  in  einer  zur  Fläche 
senkrechten  Ebene  begrenzt  wird.  Das  sphärische  Bild  dieses  Sectors 
ist  das  sphärische  Dreieck  A'B'C,  in  welchem  Winkel  A'  120*^, 
JB'  60°  und  C  ebenfalls  60°  beträgt.  Nun  ist  das  ebene  Bild  des- 
selben Sectors  in  der  complexen  ö-Ebene  (S.  385)  ein  rechtwinklig- 
gleichschenkliges Dreieck  ahc,  dessen  Hypotenuse  hc  einer  der  Coordi- 
natenaxen  in  der  ö-Ebene  parallel  ist. 


Um  die  zu  unserer  Fläche  gehörige  Weierstrass'sche  Function 
F(t)  zu  finden,  müssen  wir  also  ö  als  Function  von  r  so  ausdrücken, 
dass  das  sphärische  Dreieck  A'B'C  conform  auf  das  ebene  Dreieck 
ahc  abgebildet  wird.  Nun  fällen  wir  von  A'  die  Höhe  A'H',  sodass 
wir  auf  diese  Weise  das  Dreieck  A'B'C  in  zwei  symmetrische  Drei- 
ecke, A' B' H'  und  A' C  H'  zerlegen,  und  teilen  wieder  jedes  dieser 
beiden  Dreiecke  durch  die  von  H'  gefällten  Höhen  H' F'  und  H' G' 
in  zwei  kleinere  symmetrische  Dreiecke. 

Nehmen  wir  mit  dem  ebenen  Dreieck  abc  eine  ganz  analoge  Zer- 
legung vor,  so  ist  klar,  dass  wir  nur  das  sphärische  Dreieck  B'  H'  F' 
mit  den  Winkeln  von  60°,  45°  und  90°  conform  so  auf  das  ebene 
Dreieck  hhf  mit  den  Winkeln  von  bezüglich  45°,  45°  und  90°  abzu- 
bilden brauchen,  dass  die  Ecken  einander  in  der  angegebenen  Reihen- 
folge entsprechen.  Die  Function  dir),  die  diese  Abbildung  leistet, 
bildet  auch,  auf  das  ganze  Dreieck  A'B'C  ausgedehnt,  dieses  Dreieck 
auf  ahc  ab. 

Um  diese  Abbildung  zu  bewerkstelligen,  bilden  wir  die  beiden 
Dreiecke  B'F'H'  und  bfh  conform  auf  die  Halbebene  einer  complexen 
Hilfsveränderlichen  z  so  ab,  dass  der  Begrenzung  jedes  Dreiecks  die 
reelle  Axe  entspricht.  Dabei  können  wir  noch  diejenigen  drei  Punkte 
der  reellen  Axe  in  der  ^-Ebene,  welche  den  Ecken  entsprechen,  will- 
kürlich annehmen.     Wir  wollen  sie  so  annehmen,  dass 


§  -211.    Oktaedernetz  auf  der  Kugel.  389 

in  B',  h     Z  =  0, 

in  r,f    z=l, 
in  JET,  //    ^  =  c» 


ist. 


§  211.    Oktaedemetz  auf  der  Kugel. 

Die  Function  z{x),  welche  die  Abbildung  des  sphärischen  Drei- 
ecks B'F'IT  auf  die  Halbebene  z  leistet,  ist  einfach  eine  rationale 
Function  von  r  vom  24.  Grade;  ihre  Umkehrung  r(^)  ist  die  sogenannte 
Oktaederirrationalität.  Wir  wollen  nun  diejenigen  auf  die  Oktaeder- 
irrationalität bezüglichen  fundamentalen  Gleichungen,  welche  für  unseren 
Zweck  in  Frage  kommen,  in  gedrängter  Kürze  entwickeln,  indem  wir 
in  betreif  eines  eingehenderen  Studiums  auf  das  Buch  von  Klein:  „Vor- 
lesungen über  das  Ikosaeder"  verweisen. 

In  die  complexe  Kugel  beschreiben  wir  ein  reguläres  Oktaeder 
und  projicieren  die  Seitenflächen  des  Oktaeders  vom  Mittelpunkt  aus 
auf  die  Kugel.  Dadurch  wird  die  Kugelfläche  in  acht  sphärische  Drei- 
ecke zerlegt,  deren  Winkel  sämtlich  Rechte  sind.  Jedes  dieser  Dreiecke 
zerlegen  wir  weiter  durch  die  drei  Mittellinien  in  sechs  Teildreiecke, 
die  wir  als  Elementardreiecke  bezeichnen. 

Die  Kugelfläche  ist  auf  diese  Weise  in  ein  Xetz  von  48  abwech- 
selnd symmetrischen  und  congi-uenten  Elementardreiecken  zerlegt.  In 
jedem  derselben  beti-agen,  wie  in  dem  Dreieck  B' IT F'  des  vorigen 
Paragraphen,  die  Winkel  60»,  45»  und  90«. 

Dieses  Netz  nennen  wir  das  Oktaedernetz.  Um  die  directe 
Congruenz  von  der  Symmetrie  zu  unterscheiden,  denken  wir  uns  die- 
jenigen 24  Dreiecke  des  Netzes,  welche  dem  Dreieck,  von  dem  wir  aus- 
gegangen sind,  congruent  sind,  schraffiert. 

Wir  müssen  nun  das  Oktaedemetz  auf  der  Kugel: 

in  einer  bestimmten  Weise  orientieren.  Wir  legen  zwei  Ecken  des 
Oktaeders  in  die  Pole  (0,  0,  + 1)  i^^^d  ^^^  '^on  den  vier  anderen  Ecken 
in  der  Äquatorebene  £[  =  0  gebildete  Quadrat  so,  dass  seine  Seiten  der 
|-  und  der  i;-Axe  parallel  sind.  Vom  Pol  t  =  x.  projicieren  wir  das 
Oktaedemetz  stereographisch  auf  die  Ebene  des  Äquators.  Wenn  wir 
dann  die  ebenen  Dreiecke,  welche  die  Bilder  der  schraffierten  Dreiecke 
des  Netzes  sind,  ebenfalls  schraffieren,  so  erhalten  wir  die  Figur  9. 

Die  schraffierten  Dreiecke  des  Oktaedemetzes  stossen  zu  je  vieren 
in  den  Oktaederecken,  zu  je  dreien  in  den  (auf  die  Kugel  projicierten) 
Mittelpunkten  der  Seitenflächen  und  zu  je  zweien  in  den  Mittelpunkten 


390     Kap.  15.     Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 


der  Kanten  zusammen.  Die  directe  Überlegung  oder  auch  schon  der 
blosse  Anblick  der  Figur  ergiebt  unmittelbar,  dass  die  Werte  der  com- 
plexen  Veränderlichen  t  in  diesen  Punkten  die  folgenden  sind: 


Fig.  9.    (Oktaedernetz.) 


a)  in  den  Oktaederecken:    t  =  oo,  0,  — =e~  ?    -~-  J"    : 

]/2        y2 


b)  in  den  Mittelpunkten  der  Seitenflächen:     r 


1+1/3      —  1  ±  |/3 
|/2  ")/2 


V2 


1/2 


c)  in  den  Mittelpunkten  der  Kanten:  T^==if:l?  i*;  (liV^)""^' 

]/2 


(l±>^2) 


1  —  i 


(i±y2)y^, -(i.+y2)^ 


>/2        "■  —'  '  y-2        "■  —'  '  Y'i  ) 

Nun  bilden  wir  drei  Polynome  in  t  vom  5.,  8.  und  12.  Grade, 
von  denen  das  erste,  ca,  in  den  Punkten  a),  ausser  in  tt  ==  oo,  das 
zweite,  w,  in  den  Punkten  b)  und  das  dritte,  x^  ^^  den  Punkten  c) 
von  der  ersten  Ordnung  verschwinden  soll.  Durch  wirkliche  Ausrech- 
nung finden  wir  sofort: 
(1)     a  =  T(l-j-t''),     iv=1  —  Ut'-\-t\     ;t  =  l  +  ^3T^  — 33r8— T^l 


§  212.    Conforme  Abbildung  des  Oktaedemetzes.  391 

§  212.     Conforme  Abbildung  des  Oktaedemetzes. 

Nach  dieser  Vorbereitung  nehmen  wir  an,  dass  die  Function  z(t) 
die  conforme  Abbildung  des  Fundamentaldreiecks  T  unseres  Xetzes, 
dessen  Ecken  in  den  Punkten  (&.  die  Figur  9): 

liegen  und  dessen  Winkel  bezüglich  45®,  60°  und  90®  betragen,  auf 
die  (positive)  halbe  ^-Ebene  in  der  Weise  leistet,  dass,  wenn  r  den  Um- 
fang des  Dreiecks  durchläuft,  z  die  reelle  Axe  durchläuft,  wobei  den 
angegebenen  Werten  von  t  in  den  Eckpunkten  der  Reihe  nach  die 
Werte  X 

entsprechen  sollen.  Wir  breiten  nun  z  nach  den  bekannten  Regeln 
der  analytischen  Fortsetzung  in  der  ganzen  complexen  r- Ebene  oder 
noch  besser  auf  der  ganzen  complexen  r-Kugelfläche  aus,  wobei  wir 
Nachstehendes  festsetzen:  Jeder  Punkt  r'  der  complexen  Kugelfläche 
gehört  einem  der  48  Dreiecke  des  Netzes  an.  Diesem  Punkt«  t'  ent- 
spricht in  dem  Fundamentaldreieck  ein  homologer  Punkt  t,  und  als  Wert 
von  z  in  t'  müssen  wir  entweder  denselben  Wert  wie  in  r  oder  den 
conjugierten  Wert  annehmen,  je  nachdem  das  Dreieck,  in  dem  z' 
liegt,  dem  Fundamentaldreieck  congnient  oder  zu  ihm  symmetrisch  ist. 
Die  Function  2(t)  ist  somit  auf  der  ganzen  complexen  Kugelfläche 
ausgebreitet:  sie  ist  auf  ihr  eindeutig  und  hat  zu  singulären  Punkten 
nur  die  Punkte  a),  die  Oktaederecken,  die  für  sie  Pole  vierter  Ordnung 
sind,  ^(t)  ist  demnach  eine  rationale  Function  von  t.  Da  ferner 
ihre  Nullpunkte  gerade  in  den  acht  Punkten  b)  liegen,  in  denen  tc 
verschwindet,  und  von  der  dritten  Ordnung  sind,  so  ergiebt  sich  sofort 

2==C'^„ 

wo  C  ein  constanter  Factor  ist.  Der  Wert  von  C  ergiebt  sich  un- 
mittelbar daraus,  dass  für  r  =  1 

^t=  — 12,     CO  =  2,     „-=1 

ist,  gleich  —  ^^^  oder  —    —  •     Also  lautet  die  gesuchte  Gleichung : 

fO\  .=  —  (1  -  Ut^  +  O^ ^ 

^^  -  108t*(1  +  r*)*  108  a)* 

Femer  sind  noch  die  folgenden  Gleichungen  einzufühi-en :  Die  Function 
z  —  1  wird  wie  z  unendlich  und  verschwindet  in  den  Punkten  c),  in 
denen  1  =  ^  ist,  von  der  zweiten  Ordnung.     Es  ist  demnach: 


392     Kap.  15.    Das  Plateau'ache  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

2—l  =  C'^,     (C'=  Const.). 

Aus  der  Combination  dieser  Gleichung  mit  der  Grleichung  (2)   ergiebt 
sich  die  Identität: 

108(a^  +  M.-='+  108  0'f  =  0, 

aus  der^  wenn  t  z.  B.  gleich  Null  gesetzt  wird, 

^  — ~"1Ö8 

folgt.     Demnach  besteht  zwischen  den  Polynomen  (1),  d.  h.  to,  w,  %, 

die  Identität: 

(3)  108a3*  +  w.'3_^2_o, 

die  sich  auch  unmittelbar  direct  bestätigen  lässt.     Wir  haben  also  die 

Gleichung : 

(1+  33t*— 33r8— T»2)2  ^^ 


(4)  z-\^ 


108r*(l  +  r*)*  108  cö* 


Aus  den  Gleichungen  (2)  und  (4)  geht  hervor,  dass  der  DiiBferential- 
quotient  ^-  in  den  Nullstellen  von  iv  von  der  zweiten  und  in  den- 
jenigen von  y^  von  der  ersten  Ordnung  unendlich  klein  wird.  Da  er 
ferner  in  den  Nullstellen  von  a  von  der  fünften  und  für  t  =  oo  von 
der  dritten  Ordnung  unendlich  gross  ist,  so  hat  er  keine  weiteren  Un- 
endlichkeitsstellen als  die  eben  angeführten.  Daraus  ergiebt  sich  bis 
auf  einen  constanten  Factor  A: 

dt  (o^ 

Behufs  Bestimmung  von  Ä  beachte  man,  dass  aus  der  Gleichung  (2) 
folgt.     Es  ist  also  J.  =  -_•     Folglich  besteht  die  Gleichung: 

/M  <^^  _   Xiv^ 

^^^  d^~27co'' 

die  sich  unter  Berücksichtigung  der  Identität: 

,       dco         n      dw  , 

dr  dt  '^ 

auch  direct  bestätigen  lässt, 

§  213.    Analytische  Darstellung  der  Gruppe  der  24  Drehungen  des 

Oktaedernetzes. 

Nachdem  wir  für  unsere  Abbildung  die  Gleichung  (2)  erhalten 
haben,  können  wir  leicht  nachweisen,  dass  dieselbe  die  gewünschte 
conforme  Abbildung  leistet. 


§  213.    Anal.  Darstellung  der  Gruppe  der  24  Drehungen  des  Oktaedemetzes.     393 

Hierzu  schicken  wir  zweckmässig  die  folgenden  Überlegungen 
voraus:  Das  Oktaedemetz  kann  mit  sich  selbst  dadurch  zur  Deckung 
gebracht  werden,  dass  ein  Elementardreieek  des  Netzes  auf  irgend  ein 
anderes  der  23  ihm  congruenten  Dreiecke  gelegt  wird.  Jede  dieser 
Drehungen  der  complexen  Kugel  in  sich  wird  analytisch  infolge  der 
Cavley'schen  Gleichung  (§  45,  S.  84)  durch  eine  lineare  Transfor- 
mation der  complexen  Veränderlichen  r  dargestellt.  Die  24  linearen 
Transformationen  oder  Substitutionen  (einschliesslich  der  identischen 
Substitution),  welche  den  das  Oktaedemetz  in  sich  überführenden 
Drehungen  entsprechen,  bilden  offenbar  eine  Gruppe.  Sie  wird  die 
Oktaedergruppe  (oder  Würfelgruppe)  genannt.  Wir  bestimmen 
zunächst  die  wirklichen  Ausdrücke  für  die  Substitutionen  der  Gruppe. 
In  erster  Linie  betrachten  wir  die  Drehung  des  Oktaeders  um  90°  um 
denjenigen  Durchmesser,  welcher  die  Punkte  r  ^  0  und  t  =  x:  rer- 
bindet  (Polaxe):  sie  wird  durch 

t'=  ir 
dargestellt   und  liefert,   wiederholt  angewandt,  die  vier  linearen   Sub- 
stitutionen (die  identische  Substitution  einbegrififen): 

T'=i^t,     (r  =  0,  1,  2,  3). 
Bei  einer  Spiegelung  des  Oktaeders  an  der  |-Axe  vertauschen  sich  die 
Punkte  r  =  0  und  r  =  oo,  während  die  beiden  Punkte  r  =  -f-  1  und 
T  =  —  1  fest  bleiben.     Die  Spiegelung  wird  durch  die  Substitution: 

, 1 

r 

dargestellt,  die,  mit  den  vier  vorhergehenden  combiniert,    weitere  vier 
Substitutionen  liefert,  so  dass  wir  bis  jetzt  acht,  nämlich: 


r  =  ft. 


:'=4      ('•^Ö,    1,2,3) 


haben,  die  in  der  Oktaedergruppe  eine  Untergruppe  (eineDiedergruppe) 
büden.  Femer  betrachten  wir  eine  Drehung  von  120°  um  die  Ver- 
bindungslinie der  Mitten  zweier  (paralleler)  gegenüberliegender  Oktaeder- 
flächen. Diese  Drehung  gehört  offenbar  mit  zur  Gruppe.  Als  Beispiel 
wählen  wir  diejenige  Drehung  dieser  Art,  bei  der  die  drei  Oktaederecken: 

also  auch  die  diametral  gegenüberliegenden  Ecken: 

in  der  angegebenen  Reihenfolge  unter  einander  cjklisch  vertauscht 
werden. 


394     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

Bilden  wir  für  diese  Drehung  den  analytischen  Ausdruck  nach  der 
Cayley 'sehen  Gleichung: 

-'=:zif^    (««„  +  ^/3„  =  1), 

SO  erhalten  wir  sofort: 

—  1  -f  i         „  i 

Also  ist: 

'  y2  r  —  (1  —  ^■) 

Aus  der  Combination  dieser  Gleichung  und  der  vorhergehenden  acht 
ergeben  sich  die  24  Substitutionen  der  Oktaedergruppe  in  der  folgenden 
Normalform : 


(6) 


^ '  y2  T  -  (1  —  i) '  1/2  T  —  (1  +  i)  ■ 

ir  1/2  r  -  (1  -  i)         ^,_  .^  y2r-(l+ j 

(1  +  i)T  -f-  -^2   '  (1  —  z)r  +  y2 

(r=0,  1,2,  3). 


§  214.     Nachweis  für  die   conforme  Abbildung  des  Oktaedernetzes 
vermöge  der  aufgestellten  Gleicliungen. 

Wir  wollen  nun  direct  nachweisen,  dass  uns  die  Gleichung  (2) 
die  gewünschte  Abbildung  giebt.  Hierbei  ist  zunächst  zu  beachten, 
dass  diese  Function  ^(t)  ungeändert  bleibt,  wenn  auf  das  Argument  r 
eine  beliebige  von  den  24  Substitutionen  (6)  der  Oktaedergruppe  an- 
gewandt wird*).  Jedem  Werte  von  ^  entsprechen  demnach  24  Werte 
von  T,  die  durch  die  Substitutionen  (6)  der  Gruppe  aus  einem  von  ihnen 
hervorgehen.  Die  algebraische  Function  t(^),  deren  24  Zweige  sich 
mittels  der  linearen  Substitutionen  (6)  aus  einem  bestimmten  Zweige 
ableiten  lassen,  wird  nach  Klein  als  Oktaederirrationalität  be- 
zeichnet. 

Auf  der  Begrenzung  eines  jeden  Elementardreiecks  ist  die  Function 
^(t)  reell,  was  nur  für  ein  bestimmtes  Dreieck  nachgewiesen  zu  werden 
braucht,  da  0(r)  auf  der  Begrenzung  jedes  anderen  Dreiecks  dieselben 


*)  Dieses  ergiebt  sich  auch  aus  der  directen  Rechnung,  da,  wie  sich  leicht 
nachweisen  lässt,  die  oben  ausgesprochene  Eigenschaft  für  die  ersten  acht  Sub- 
stitutionen  (6),   sowie  für  die  Substitution:  t'=   — ?^-^ — lL-t_    evident  ist.    Es 

y2-ii-i) 

folgt  aber  auch  einfach  daraus,  dass  sich  bei  diesen  Substitutionen  die  Oktaeder- 
ecken wie  auch  die  Mittelpunkte  der  Seitenflächen  unter  einander  vertauschen. 


§  214.     Nachweis  für  die  conforme  Abbildung  des  Oktaedemetzes.       395 

Werte  annimmt.  Nun  ist  ^'(t)  auf  den  beiden  geradlinigen  Seiten  des 
Fundamentaldreiecks  T,  dessen  Ecken  in  den  Punkten: 

(.)  .  =  0,  .  =  >i^,  .  =  ^y2-i)iii- 

liegen  (§212),  offenbar  reeU,  da  ja  t*  reell  ist.  Auf  der  dritten,  krumm- 
linigen Seite  nimmt  z{x)  dieselben  Werte  an   wie  auf  der  die  Punkte 

T  =  - — - —  und  T  ^  1  verbindenden  geradlinigen  Seite  des  homologen 

Dreiecks,  dessen  Ecken  in: 

V  3  —  1  .  1  +  » 

x  =  - — -=— ,     r=l,      r  =  — ~ 
}/2  y2 

liegen,  und  ist  demnach  ebenfaUs  reell.  Durchläuft  x  die  Begrenzung 
des  Dreiecks  T  in  positivem  Sinne,  so  durchläuft  z  die  reelle  Axe  von 
—  cx)  bis  -f- oo  stets  in  demselben  Sinne,  da  ja  sonst  einem  reellen 
Werte  von  z  mehr  als  24  Werte  von*  x  entsprechen  würden.  Xun 
lassen  wir  r  im  Innern  von  T  wandern;  s  wandert  dann  im  Innern 
einer  der  beiden  Halbebenen,  und  da  umgekehrt  jedem  Werte  von  z  ent- 
weder im  Dreieck  T  oder  in  dem  bezüglich  der  reellen  Axe  zu  ihm 
symmetrischen  Dreieck  ein  Wert  von  r  entspricht*),  so  ist  klar,  dass 
jedem  Punkte  z  in  dieser  Halbebene  E  ein  Punkt  t  im  Dreieck  T  ent- 

^     dz  . 
spricht.     Da  nun  femer  infolge  der  Gleichung  (5)  j-  innerhalb  T  nie 

XuU  oder  unendlich  wird,  ausser  in  den  Eckpunkten,  so  geht  daraus 
hervor,  dass  die  Abbildung  von  T  auf  E  in   der  That  conform  ist**). 

§  215.     Bestimmung   von  -F(t)   für   die   Schwarz'sche   Minimalfläche. 

Um  die  Schwarz'sche  Minimalfläche  zu  bestimmen,  haben  wir  nun 

noch    das    re^'htwinklig-gleichschenklige    Dreieck    hfh    (§  210)    in   der 

ö-Ebene,  dessen  Hypotenuse  hli  einer  der  Axen,  sagen  wir  der  reellen, 

parallel  ist,  conform  auf  die  positive  halbe  z-Ebene  so  abzubilden,  dass 

in6:    ^  =  0,      in/":    z=\,      inÄ:    z  =  oo 

wird.  Die  bekannte  Schwarz-Christoffel'sche  Formel  für  die  con- 
forme Abbildung  eines  Geradenpolygons  auf  eine  Halbebene  giebt: 


^dz'  z"Hz  —  1) 


*)  Von  den  24  Werten  r  nämlich,  die  einem  Werte  von  z  entsprechen,  liegt 
in  jedem  der  24  congruenten  Dreiecke  des  Oktaedemetzes  einer. 

**)  Die  Halbebene  E  ist  diejenige,  in  welcher  der  Coefficient  des  imaginären 
Teiles  von  z  positiv  ist,  da  sie.  wenn  die  reelle  Axe  von  — cc  bis  -|-cc  durch- 
laufen wird,  links  von  ihr  liegen  muss. 


396     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

Da  ijj    für  negativ  reelles  0  positiv  reell  sein  muss,  so  folgt: 

C  =  iÄ'  (Ä  reell), 
demnach: 

\dzl         //.(^  _  1)'  J  ^%(^  _  i)V.     ^ 

Die  Weierstrass'sche  Function  Fix)   für  die  Schwarz'sche  Minimal- 
Üäche   ergiebt  sich  aus  der  Gleichung: 

Fix)  =  -1  (^y = '^^ . ^ (^A"- 

Öetzen  wir  hierin  für  z,  z  —  1 ,  -j-  ihre  durch  die  Gleichungen  (2), 
(4),  (5)  (§  212)  als  Functionen  von  x  bestimmten  Werte  ein,  so  er- 
halten wir  bis  auf  einen  constanten  reellen  Factor**),  der  nur  die 
absoluten  Grössenverhältnisse  der  Fläche  beeinflusst: 


10  '^         yi  —  14t*  +  T» 

Die   Schwarz'sche    Minimalfläche   ist  demnach   durch  die 
folgenden  Gleichungen  definiert: 


(') 


J  yi  —  Ur*  +  T»       '      ^  J  y^  —  14t*  +  t«        ' 


Uz*  -f   T« 

Und  nun  wollen  wir  wirklich  nachweisen,  dass,  wenn  wir  die 
Werte  von  t  auf  der  complexen  Kugel  auf  das  Innere  eines  der  sechs 
sphärischen  Vierecke  mit  Winkeln  von  120"  beschränken,  die  den  Seiten- 
flächen des  eingeschriebenen  Würfels  entsprechen,  wir  ein  Minimal- 
flächenstück  erhalten,  das  von  vier  paarweise  einander  gegenüberliegen- 
den Kanten  eines  regelmässigen  Tetraeders  begrenzt  wird. 


*)  Wird  z  =  t^  gesetzt,  so  ergiebt  sich: 

dt 


2Ä 


^^/> 


yt^  —  t 

Die  Integration  führt  auf  Lemniscatenfunctionen ,    und    zwar  ist  in   den   Weier- 

strass'schen  Bezeichnungen 

/aa 

wo  a  eine  Constante   ist  und  die  Invarianten  g^ ,  g^   von  p  die  Werte  g^  =  4, 
g^  =  0  haben. 

**)  Es  ist  zu  beachten,  dass,  wenn  t  die  geradlinige  Strecke  von  r  =  0  bis 

T  =y-^~—  durchläuft,  soAvohl  (---)     als  auch    l/l  —  14 r*  -f  t*  reell  sind. 
yä  '  XdvJ  ^ 


§  216.    Analytische  Darstellung  der  Schwarz' sehen  Minimalfläche.        397 

§  216.     Analytisctie  Darstellung  der  Schwarz 'sehen  Minimalfläche. 

Das  dritte  Integral,  das  in  den  Gleichungen  (7)  auftritt,  geht  durch 
die  Substitution:  t-  =  t  unmittelbar  in  ein  elliptisches  erster  Grat- 
tung  über;  die  anderen  beiden  sind  scheinbar  hyperelliptisch,  lassen 
sich  aber,  wie  wir  sofort  sehen  werden,  mittels  geeigneter  Substi- 
tutionen ebenfalls  auf  elliptische  Integrale  zurückführen. 

Zu  diesem  Zwecke  müssen  wir  zunächst  die  Coordinatenaxen  um 


X  —  y 

|/2 


45"  um   die  ^-Axe  drehen.     Wir   thun  dieses,  indem    wir   füi- 
und  — pi--  wieder  x  bez.  y  setzen.     Dann  erhalten  wir: 

X  =  vi  I  — - —  =r  dx,     «  =  9t  /  -J^ ^        dt, 

J      ]/2     ]/l  —  14T*-f-r«       '      ^  J      V^     ]/l— 14r*  +  r»        ' 

J  y\  -  Ur*  +  T« 

Des  weiteren  treffen  wir  die  Verfügung,  dass  t  innerhalb  das- 
jenigen  sphärischen  Vierecks  mit  Winkeln  von  120*^  wandern  soll, 
dessen  Ecken  in  den  Punkten: 

a  =  ^ — ~ —  ,     6  =  ?  ' — - —  ,     c  =  —  ^- — ^—  ,     d  =       '  ^ 


y-2  |/2  1/2  |-2 

liegen ,   und   verlegen    femer    die    gemeinsame    untere    Grenze    der    In- 
tegrale in  den  Punkt: 

^  _     ^ V  3  —  1 

—        "—  -jö 

sodass    die    Definitionsgleichungen    des    Minimalflächenstücks ,    für    das 
wir  den  angegebenen  Nachweis  führen  sollen,  die  folgenden  sind: 

=  SR  f\^  ^^^'L_  dr,    V  =  3J  /%  ,    '  +  "'      dr, 

J      y2    yi  —  I4r«  +  T«        '      •  J      1/2    ]/l_l4r«+T»       ' 

— a  —a 

J  yi-i4T*  +  T« 


(8) 


Dabei  müssen  wii*  in  Betracht  ziehen,  dass  sich  infolge  der  Drehung 
um  45°  um  die  ^•-Axe  aus  den  Gleichungen  (5),  S.  359,  für  die  Rich- 
tnngscosinus  der  Flächennormale  die  Ausdrücke: 

CS*)    X  =  *  +  ^0  +  *^^  ~  ^o)       Y  =  ^  +  ^0  ~  ^^^  ~  '^o)      z  =  ^^o~  ^ 

>/2(Tro  +  l)        '  ]'2(rT,  +  1)        '  rr,  +  1 

ergeben.     Bei   der  wie   vorhin  vorgenommenen  Abgrenzung  des  Ande- 
rungsbereichs   von    r   schwindet  jede  Zweideutigkeit  aus   diesen   Aus- 


398     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

drücken,    wenn    wir   festsetzen,    welchen    Wert    die    Quadratwurzel   in 
einem  Punkte  haben  soll.     Wir  wollen,  indem  wir 


yi  —  14t*  -f-  T« 

setzen,  von  vorn  herein  die  Verfügung  treifen,  dass 

F(0)  =  +  1 
sein  soll.     Da  ferner  die   acht  Verzweigungspunkte  der  Quadratwurzel 
in  den  Würfelecken: 

±«,       +4,      +*■«;      ±i 

liegen,  so  sehen  wir,  dass  wir  nur  in  der  complexen  tr- Ebene  vier  Quer- 
schnitte, nämlich  von  a  bis  — ,  von  —  a  bis ,  von  ia  bis  —    und 


von  —  ia  bis ,  zu  führen  brauchen,  damit  F{x)  in  der  so  zer- 
schnittenen Ebene  eine  stetige,  eindeutige  und  überall,  ausser  in  den 
acht  genannten  Punkten,  endliche  Function  werde. 

§  217.     Besondere  Curven  auf  der  Schwarz'schen  Minimalfläche. 

Wir  beginnen  unseren  Nachweis  mit  der  Bestimmung  der  Curven, 
die  auf  dem  in  Rede  stehenden  Minimalflächenstück  der  reellen  und 
der  imaginären  Axe  der  t- Ebene,  sowie  den  Halbierungslinien  der 
zwischen  denselben  liegenden  Winkel  entsprechen. 

1.  Bezeichnen  wir  mit  q  eine  reelle  Veränderliche,  so  haben  wir 
längs  der  reellen  Axe: 

also:  _ 

(9)      X^^J{l-Q^F{Q)dQ,    y=-^^^ßl-Q^)F(Q)dQ,    Z=j2QF(Q)dQ, 
—  a  — a  — a 

demnach: 

X  —  ^  =  0. 

Ferner  ist  längs  dieser  Linie  infolge  der  Gleichungen  (8*) 

X—  Y=0, 
d.h.:  Die  Ebene:  x  =  y  schneidet   U  senkrecht,  ist   also   eine 
Symmetrieebene  von  2J. 

2.  Längs  der  imaginären  Axe  ist 

T  =  ig,     dt  =  idg. 

Wenn  wir  mit  Xq,  y^,  Zq  die  Werte  von  x,  y,  z  in  t  =  0  bezeichnen, 
so  haben  wir,  während  x  die  imaginäre  Axe  durchläuft: 


§  217.    Besondere  Curren  auf  der  Schwarz'schen  Minimalfläche.         399 

0 

1       /  _ 

(9*)      {y  -  y«  =  -  j-J  (1  -  Q')F(Q)dQ)         (-  a  <  p  ^a), 

0 

Z  —2o   =—f2QF(Q)dQ, 
0 

folglich : 

^-\-y  =  j-Q  +  Vo- 

Längs  dieser  Curve  von  2^  ist  infolge  der  Gleichungen  (8*)  X-f-  l'=0, 
d.  h.  die  Ebene:  x  -{-  y  ^  Xq  -\-  Pq  ist  eine  Symmetrieebene  von  Z". 

3.  Längs  der  Halbierungslinie    des   von   den   positiven  Axenrich- 
tungen  gebildeten  Winkels  ist 

T  =  l/t>,     dt  =  yidQj 
wo  unt^r  Y*  ^'^^  Wert: 

ZU  verstehen  ist.     Es  ergiebt  sich  somit: 

0 

Der    entsprechende  Punkt   auf  der  Fläche   durchläuft  eine  zur  a:-Axe 
parallele  Strecke. 

4.  Längs  der  zweiten  Winkelhalbierenden  ist 

T==}'^— -Ip,     und  wegen  )/ —  /= — ^- 
demnach: 


x  =  x^,     y  =  y^-^J-^ 


(1  +  p')de 


0 

Also  durchläuft  der  Punkt  (x,  y,  z)  eine  zur  y-Xxe  parallele  Strecke. 
Bis  jetzt  haben  wir  also  erkannt,  dass  das  Minimalflächenstück  27  die 
beiden  Symmetrieebenen: 

x~y  =  0,    X -{- y  =  Xq  +  yo, 

und  zwei  Symmetrieaxen .  nämlich  die  durch  (x^^,  y^,  z^  zu  den  Coor- 
dinatenaxen  gezogenen  Parallelen,  besitzt. 
Setzen  wir: 


400    Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

0  a 

—  a  ü 

0  a 

—  a  0 

SO  erhalten  wir: 

^0  =  ?/o  =  -^,  h  =  ^• 
Im  nächsten  Paragraphen  wird  sich  weiter  i?  ==  —  A  ergeben ;  für  jetzt 
bemerken  wir  nur,  dass  sich  aus  den  Gleichungen  (9)  und  (9*)  die 
Werte  von  a;,  ^^  ^  in  den  vier  Eckpunkten  a,  &,  c,  d  durch  A  und  B 
ausdrücken  lassen.  Bezeichnen  wir  diese  Werte  durch  Beisetzen  der 
Indices  a,  h^  c,  d,  so  finden  wir  nämlich: 

■Xa=^2A,      ya=2A,      Za=    0; 

Xo  =  2A,     y,,  =    0  ^     ^6  =  2  J5; 

Xc  =    0  ,     y^  =    0  ^     ^^  =    0  ; 

Xd=    0,     ya  =  2A,     Zd=2B. 


(10) 


§  218.     Einfachere  Form  der  Gleichungen  der  Schwarz'schen 

Minimalfläche . 

Wie  bereits  bemerkt,  lassen  sich  die  beiden  ersten  Integrale  in 
den  Gleichungen  (8)  ebenfalls  auf  elliptische  und  zwar,  wie  wir  sofort 
sehen  werden,  auf  solche  von  genau  derselben  Form  wie  das  dritte 
zurückführen.  Zu  diesem  Zwecke  bemerken  wir  zunächst  allgemein, 
dass,  wenn  auf  das  Differential: 

a  -\-  hx  -[-  cx^    j        f       r  n       i.\ 

-; —     - - dt     (a,  0,     c  =  üonst.) 

eine  der  24  Substitutionen  der  Oktaedergruppe  (S,  394): 
angewandt  wird,  dasselbe  in  das  homologe  Differential: 

yi^^iw*~-\-~'x''' 

übergeht,  wo  das  Polynom  a-\-  h'x'-\-  c't"^,  gleich  Null  gesetzt,  die- 
jenigen Werte  von  x'  zu  Wurzeln  hat,  welche  gemäss  der  angewandten 
Substitution  den  Wurzeln  von: 

a  -{-'bt  -\-  cx^  =  0 
entsprechen.     Nun  sind  in  jedem  der  beiden  Differentiale: 

,/ :  1  —  ix'  j  t/v  1  -f-  ix^  j 

y —  1    ,  dr,      yt  -^=!z=^^=  dt 

'^       yi  —  lix*  +  T«     '    ^    yi  —  i4r*  -f  T» 


§  218.    Einfachere  Form  der  Gleichangen  der  Schwarz'schen  Minimalfläche.     401 


die  Wurzeln  der  gleich  Null  ffesetzteu  Zähler  die  Indices  zweier  Gegen- 
ecken  des  Oktaeders,  die  wir  mittels  passend  gewählter  Substitu- 
tionen der  Oktaedergruppe  in  die  Punkte  0  und  oo  verlegen  können. 
Es  lassen  sich  also  das  erste  und  das  zweite  Integi-al  in  den  Gleichungren 
(8)  (abgesehen  von  einem  Factor)  auf  das  dritte  zurückführen.  Als  ei-ste 
Substitution  wählen  wir  diejenige,  welche  die  cyklischen  Vertauschungen : 

(0,  -vT,  -v^),  (oo,  yr,  v^)*) 

der  Oktaederecken  zur  Folge  hat,  und  als  zweite  die  umgekehrte  Sub- 
stitution.     Als  ei-ste  Substitution  erhalten  wir: 


(11) 

daher  als  zweite 

(11*) 


x'-V-i 


r-y7 


Für  diese  Substitutionen  ergiebt  die  Ausführung  der  Rechnung: 

(1—  IT^dT  'Ix'dx' 


V- 


|/i  —  ur«  +  T»     yi 

h' 


Ux'' 


d 

Fig.  10. 


*)  Unter  }/7  nnd  y — t  sind  st«ts  die  Werte: 


Vi' 


zu  verstehen. 

Bianchi.  Differentialgeometrie. 


yi 


.    V^i  = 


1  —  «• 

y2 


S6 


402    Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 
bezüglicli: 


Vi 


(1  4-  iT^)dr  2t" dr" 


(a) 


>/l  —  14t*  +  T»         "|/l  —  14r"* -f  t"8 
WO  nun  noch  festzusetzen  ist,  welcher  Zweig  der  Quadratwurzel  rechts 
gewählt  werden  soll. 

Bleibt    der   Index    von    r  wie    vorhin    in  dem  Viereck  ah  cd,   so 
werden    die  Indices    von  t'   und  r"  in    den   Nachbarvierecken  cdd'c 
bezw.  cbh'c'  (Fig.  10  auf  voriger  Seite)   liegen.     Da    nun    F(t')   und 
F(t")  genau  die  in  §  216  angegebene  Bedeutung  haben,  so  kommt  es 
darauf  an,   welches  Vorzeichen  in  den  Gleichungen: 

]/^(l  —  it^)F(r)dt  =  ±2t'F(T')dt', 

yi{l  +  iT^)F{t)dt  =  +  2T"F(t")dt" 

zu  wählen  ist.  Dazu  brauchen  wir  nur  zuzusehen,  welche  Werte  in 
der  Umgebung  des  Punktes  t  =  0  gelten,  wobei  wir  die  höheren 
Potenzen  von  t  vernachlässigen.     Wir  haben  hier: 

T  =  0,  t'==  ]/i, 

F(o)  =  +  i,  F{-yi)  =-{-'-% 

dr'=  —  2idx. 
Also  ergiebt  sich: 

y^^  (1  —  ix^)F(x)dt  =  Y^^idt, 

2r'F{r')dt'=  i^i  dt  =  — ]/—  idt. 
Ebenso  ist: 

r"==  —  yzri^      F(r")  =  -\-^,     dt"=2idt, 
yi(l  +  it^)F(r)dt  =  Yidt, 
2t"F(x")dt"=  —  Yidx. 
Es  gilt  daher  in  beiden  Gleichungen  das  untere  Vorzeichen.    Die  Glei- 
chungen (8),  die  E  definieren,  können  also  folgendermassen  geschrieben 
werden: 

«'  v" 

(12)         x  =  —  ^f2t'F(t')dr',     y  =  —  ^  ßx" F{x")dT", 


z=  —'Sif2xF(x)dx, 


wobei  dann  festzuhalten  ist,  dass  sich  x  vom  Punkte  c  aus  im  Innern 
des  Vierecks  ah  cd  bewegt  und  t',  x"  die  entsprechenden  Wege  in 
den  Nachbarvierecken  cc'd'd,  cc'h'h  beschreiben. 


*)  Es  ist  nämlich  F{x)  auf  der  Strecke  von  0  bis  —  |/i   stets  reell  und  von 
Null  verschieden. 


n 

}} 

/ 

0 

V 

n 

_// 

n 

n 

§  219.    Begrenzungscurven.  403 

§  219.    Begrenaungscurven. 

Indem  wir  mit  t,,',  t^"  die  zu  t',  t"  conjugierten  Grössen  bezeich- 
nen, schreiben  wir  die  Gleichungen  (12)  in  der  folgenden  Form: 

— a  — a 

(12*)  l  y  =  -fx"F{x':)dx"-ß^'F,(t-)dx^\ 

— a  — a 

z=      fxF{x)dx    +fx,I,{x,)dx,. 

— a  — a 

Xun  können  wir  leicht  erkennen,  welcher  Art  die  Begrenzung  von  Z 
ist,  die  der  Begrenzung  ah  cd  des  Vierecks,  in  dem  sich  r  bewegt, 
entspricht.     Durchläuft  nämlich  r   die   Strecke  c6,   so  durchläuft,  wie 

wir  sehen,  

Xq   die  Strecke     cd, 

x'     „  .,         cd, 

cb, 
cc, 

rr  7 

Tq      „  „  cc . 

Nun  ist  F(x)  längs  cc  rein  imaginär.  Es  folgt  demnach  aus  den  Glei- 
chungen (12*)  längs  cb: 

Ebenso  ergiebt  sich  längs  cd: 

j:  =  0,    y-\-z  =  0. 

Die  beiden  entsprechenden  Stücke  der  Begrenzung  von  Z"  sind 
also  zwei  geradlinige  Strecken  von  gleicher  Länge,  die  einen  Winkel 
von  60^  mit  einander  bilden. 

Nun  brauchen  wir  nur  auf  die  in  §  217  angeführten  Symmetrie- 
eigenschaften  zurückzugehen,  um  hieraus  zu  schliessen,  dass  die  Be- 
grenzung von  Z!  aus  vier  gleich  langen  geradlinigen  Strecken  besteht, 
von  denen  jede  mit  den  beiden  anstossenden  Winkel  von  60  *'  bildet. 
Femer  folgt  aus  demselben  Paragraphen,  dass  auf  Z"  noch  zwei  Gerade 
liegen,  nämlich  die  Verbindungslinien  der  Mitten  der  Gegenseiten.  Sie 
stehen  auf  einander  senkrecht  und  schneiden  sich  im  Mittelpunkt  des 
regulären  Tetraeders.     Da  nun  femer  infolge  des  Obigen 

a^6  +  ^6  =  0,     yä-h  Zä  =  0 
ist,  so  folgt  aus  den  Gleichungen  (10): 

B=  —  Ä, 

20* 


404    Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sehe  Minimalfläche, 
wie  behauptet  wurde.     Die  Länge  l   der  Tetraederkante  ist  also  durch 

i  =  2Ay2  ■ 

gegeben. 

§  220.     Die  Gruppe  von  Bewegungen,  welche  die  Schwarz'sehe 
riäche  ungeändert  lässt. 

t 
Das  Integral  j2xF(t)dt,  von  dem  die  Bestimmung  unserer  Fläche 

—  a 

abhängt,  geht  durch  die  Substitution  x'^  =  t  m  das  elliptische  Integral: 

t  ,  t 

/♦  dt /»  dt 

über,  das  t  als  elliptische  Function  von  u  mit  dem  Modul  Ä;  =  (2  — YWf 
definiert.     Es  ergiebt  sich  nämlich: 

t  =  (2  — ]/3)  sn  [(2  +]/3)  u  +  K]  . 

Führen  wir  so  in  den  Gleichungen  (12)  elliptische  Functionen  ein,  so 
können  wir  verschiedene  Fragen  behandeln,  die  auf  die  Schwarz'sehe 
Minimalfläche  Bezug  haben,  insbesondere  diejenigen,  welche  ihre  ana- 
lytische Fortsetzung  betreffen.  In  Betreff  dieser  Untersuchungen  ver- 
weisen wir  auf  die  Abhandlung  von  Schwarz,  der  wir  die  vorstehenden 
Entwickelungen  entnommen  haben*),  und  wollen  uns  hier  nur  auf  den 
Nachweis  beschränken,  dass  die  Symmetriesätze  über  Minimalflächen  in 
Verbindung  mit  elementaren  Betrachtungen  über  Bewegungsgruppen 
die  analytische  F'ortsetzung  der  Schwarz'schen  Fläche  zu  verfolgen  ge- 
statten und  insbesondere  auf  die  dreifache  Periodicität  derselben  in 
den  Richtungen  der  drei  Coordinatenaxen  führen. 

Die  analytische  Foi'tsetzung  von  H  ergiebt  sich,  wenn  H  nach  ein- 
ander an  jeder  ihrer  Seiten  gespiegelt  und  wenn  mit  den  angren- 
zenden Stücken  in  derselben  Weise  verfahren  wird. 

Indem  wir  uns  nun  die  Aufgabe  stellen,  diejenige  Gruppe  G  von 
Raumbeweirungen,  welche  die  Schwarz'sehe  Fläche  in  ihrer  Gesamtheit 
ungeändert  lässt,  auf  ihre  Beschaffenheit  zu  untersuchen,  bemerken 
wir,  dass  bei  jeder  solchen  Bewegung  das  Fundamentalstück  H  in  ein 
congruentes  E'  übergeht,  zu  dem  wir  auch  durch  successive  Spiege- 
lungen an  den  Seiten  der  E  congruenten,  nacheinander  an  Z  anstossen- 
den  Stücke  gelangen  können.  Daher  ergiebt  sich  die  allgemeinste  Be- 
wegung der  Gruppe  G,  welche  2^  in  Z"  überführt,  wenn  die  durch   die 


*)  Bestimmung  einer  speciellen  Minimalfläche.     Werke,  1.  Band,  S.  6  u.  f. 


§  220.  Gmppe  v.  Bewegungen,  welche  d.  Schwarz'sche  Fläche  nngeändert  lässt.    405 

angeführten  Spiegelungen  erhaltene  Bewegimg  mit  einer  solchen,  die 
27  in  sich  transformiert,  combiniert  wird.  Der  letzteren  Bewegimgen 
giebt  es  (ausser  der  Identität)  oflFenbar  nur  drei,  nämlich  die  Spiege- 
lungen an  den  drei  Verbindimgslinien  der  Mitten  der  Gegenkanten  des 
regelmässigen  Tetraeders,  von  dem  wir  ausgegangen  sind. 

Wir  erinnern  nun  daran,  dass  sich  zwei  Bewegimgen  des  Raumes, 
A    und    B,    zu    einer   dritten    Bewegimg    zusammensetzen   lassen,    die 

wir  mit 

BÄ 

bezeichnen,  wobei  wir  die  zuerst  ausgeführte  rechts  setzen.  Bezeichnen 
wir  mit  Ä~^  die  zu  Ä  inverse  Bewegung,  so  wird  die  Bewegung: 

B'=ÄBÄ~'^ 

als  die  mittels  A  transformierte  Bewegung  B  bezeichnet.  Nach 
einem  Satze  von  Jordan*)  ist  sie  nichts  anderes,  als  die  Bewegung 
B  um  diejenige  Axe,  in  welche  die  Mittelaxe  von  B  bei  der  Bewegung 
A  übergeht. 

Die  Gruppe  (t  wird  demnach  dadurch  erzeugt,  dass  die  Elementar- 
spiegelimgen  an  den  Seiten  des  Begrenzimgsvierecks  von  Z"  mit  den  drei 
vorhin  angeführten  Spiegelimgen  combiniert  werden.  Eine  wesentliche 
Eigenschaft  dieser  Gruppe,  die  wir  mm  nachweisen  wollen,  ist.  dass  sie 
unstetig  ist,  d.  h.  keine  unendlich  kleinen  Bewegimgen  enthält**).  Sie 
enthält  als  ausgezeichnete  Untergruppe  vom  Index  24  eine  Trans- 
lationsgruppe, welche  durch  drei  Elementartranslationen  von  gleichem 
Betrage  nach  drei   auf  einander  senkrechten  Richtungen  erzeugt  wird. 


*)  Jordan,  Sur  les  groapes  de  mouvements  (Annali  di  matematica ,  Ser.  2, 
Bd.  2,  S.  167.) 

Wir  geben  hier  einen  kurzen  Beweis  dieses  für  unsere  Zwecke  wichtigen 
Satzes.  —  Es  sei  r  die  Mittelaxe  von  A,  r'  diejenige  von  B,  und  r"  die  Lage, 
die  r'  nach  Ausführung  von  A  einnimmt.  Ist  P  ein  beliebiger  Punkt  des  Raumes, 
P'  die  neue  Lage  von  P  nach  Ausfühnmg  von  A,  und  Q  derjenige  Punkt,  in  den 
P  durch  die  Bewegimg  J5  übergeführt  wird,  so  untersuchen  wir  die  Wirkung  von 
ABA~^  auf  den  Punkt  P",  der  offenbar  ein  beliebiger  Raumpunkt  ist.  Durch 
die  Bewegung  BA~ '  geht  P'  in  ^  über.  Wenn  wir  die  beiden  Punkte  P  und  Q 
und  die  Axe  r'  betrachten,  so  sehen  wir,  dass  P  vermöge  A  in  P'.  r'  in  r"  und 
Q  in  einen  Punkt  Q'  übergeht,  der  zu  P'  und  r"  ebenso  liegt  wie  ^  zu  P  und 
r' .  Nun  gelangen  wir  von  P  zu  ^  durch  die  Schraubung  B  um  die  Mittelaxe  r', 
und  es  führt  demnach  dieselbe  BewegTing  um  r"  auch  P'  in  ^'  über. 

**)  Die  unstetigen  Bewegungsgruppen  sind  von  Schön  flies  behandelt  wor- 
den (Mathematische  Annalen,  Band  28,  29). 


406      Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 


§  221.    Ausgezeichnete  Untergruppe  von  Translationen. 

Wir  denken  uns  nun  das  Fundamentalviereck  ah  cd  ebenso  orien- 
tiert, wie  es  sich  §  217  und  218  ergab,  so  dass  wir,  wenn 

gesetzt  wird,  für  die  Coordinaten  der  Ecken  die  Werte: 

a  EEE  {li,  l,  0),     h  =  (li,  0,  —  li),     c  =  (0,  0,  0),     d  =  (0,  /.-,  —  li) 

erhalten.     Wir  bezeichnen  dann   die  Seiten  ah,   hc,  cd,   da   der  Reihe 
nach  mit    1,  2,  3,  4,  mit   S^^,  S^,  S^,  S^   diejenigen  Bewegungen   des 

Raumes,  welche  Spiegelungen  an  den 
Seiten  1,  2,  3,  4  sind,  ferner  be- 
züglich mit  S^,  Sg  die  Spiegelungen 
an  den  Verbindungslinien  der  Mitten 
der  Gegenseiten  ah,  cd  und  ad,  hc, 
endlich  mit  8^  diejenige  Spiegelung, 
die  sich  aus  der  Combination  von  S^ 
und  Sg  ergiebt  und  an  der  Verbin- 
dungslinie der  Mittelpunkte  der  bei- 
den weggedachten  Tetraederkanten 
ac  und  hd  erfolgt. 

Die  Elementarsubstitutionen  der 
Gruppe  G  sind  nun  eben: 

bi,     o^,     O3,     O4,     O5,     Og,     b-j, 

und  als  analytische  Ausdrücke  derselben  finden  wir: 


Fig.  11. 


Si)  x'=  2k  —  X, 
S^  x'=  Ic  +  z, 

Sr)    X'==  X, 

5^)  x'=  li  —  X, 


y'=  —  y,  z'=  —  X, 

y'=  —  ^,  ^'=  —  y, 

y'=  2/1;  —  y,       z'=  —  k-]rx, 

y'=  li  —  y^  s'=  —k-^z, 

y'==  y,  ^'=  —  k  —  2, 

y'=  k  —  y,  z'=  z, 

wo  jedesmal  x,  y,  s  die  Coordinaten  eines  beliebigen  Raumpunktes  P 
und  x  ,  y  ,  z'  die  Coordinaten  desjenigen  Punktes  P'  bedeuten,  in  den 
P  bei  der  betreffenden  Bewegung  übergeht. 

Nun  betrachten  wir  die  beiden  folgenden  Bewegungen  der  Gruppe  G: 

Als  ihre  analytischen  Ausdrücke  finden  wir: 


T'=  SqS^S^. 


§  221.    Ausgezeichnete  Untergruppe  von  Translationen.  407 

T  =  S,S,S,)  x'=  X  +  21c,      y'=  y,  z'=  z, 

r=  S,Sß^  x'==  X,  y '=  y  +  2Ä-,     z'=  z, 

woraus  erhellt,  dass  T,  T'  zwei  Translationen  Tom  Betrage  21:  parallel 
der  X-  bezw.  y-Axe  sind.  Wir  bilden  femer  die  Substitution  (mit  der 
Periode  3): 

Cr=  S^S^  x  =  k  —  y,    y'=  —  l—z,    z'=  x  —  2k, 
sowie  die  inverse  Substitution: 

r=S,S,)  x'=2k-\-z,     y'=k  —  x,     z'=-k  —  y, 
und  transformieren  T  mittels   U,  d.  h.  wir  betrachten  die  Bewegung: 

T"=  UTü-K 
Wie  wir  sehen,  hat  T"  den  Ausdruck: 

r')x'=x,    y'=y,    z'=z-^2k, 
d.  h.  T"  ist  eine  Translation  von    demselben  Betrage  2k  parallel   der 
^-Axe.      Die    drei    Translationen    T,    T',    T"    erzeugen    die    Trans- 
lationsgruppe,   die  wir  mit  F  bezeichnen  wollen   und  deren  Opera- 
tionen die  allgemeine  Form: 

x'=  X  -f  2wA-,  f/'=  y  -j-  2nk,  z'=  z  -f  2pk 
haben,  wo  m,  n,  p  beliebige  positive  oder  negative  ganze  Zahlen  sind. 
Die  Gruppe  F  ist  offenbar  eine  Untergruppe  von  G  und  zwar 
eine  ausgezeichnete,  d.  h.  sie  ist  mit  allen  Operationen  von  G  ver- 
tauschbar, wie  sofort  daraus  hervorgeht,  dass  jede  der  Elementar- 
operationen S^,  S^  .  .  .  S-j  von  G  eine  Translation  von  F  in  eine  andere 
Translation  von  F  überführt. 

§  222.     Nachweis  der  Unstetigkeit  der  Bewegungsgruppe  der 
Schwarz'sclien  Fläche. 

Wir  wollen  nun  beweisen,  dass  der  Index  von  F  bezüglich  G 
endlich  und  zwar  gleich  24  ist,  nachdem  wir  die  Unstetigkeit  von  F 
erkannt  haben  werden. 

Zu  diesem  Zwecke  führen  wir  der  Kürze  der  Ausdrucksweise 
halber  einige  Bezeichnungen  ein:  wir  sagen,  dass  zwei  Operationen  A 
und  B  von  G  bezüglich  F  äquivalent  sind,  wenn,  sobald  unter  t 
eine  in  F  enthaltene  Translation  verstanden  wird, 

A  =  fB, 

demnach 

B=t-K4. 

ist,  und  bringen  diese  Äquivalenz  in  der  Schreibweise: 

Ä  =  B 


408     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 


zum  Ausdruck.  Nun  bemerken  wir,  dass  sich,  wenn  zwischen  vier 
Bewegungen  von  G  die  Aquivalenzbeziehungen: 

Ä^B,     Ä'=B' 

bestehen,  infolge  der  Vertauschbarkeit  von  F  mit  jeder  Operation 
von  G 

AA'=BB' 

ergiebt.     Indem  wir  nun  wie  vorhin 

setzen,  betrachten  wir  die  folgenden  zwölf  Operationen  von  G: 

U    ,     US,     ,     US,    ,     us^    , 

u-\    u-'s„    u-'s„    u-h%, 

von  denen  zwei  beliebige  bezüglich  F  nicht  äquivalent  sind,  wovon 
wir  uns  überzeugen,  wenn  wir  ihre  wirklichen  analytischen  Ausdrücke 
bilden.     Es  sind  dies  die  folgenden: 


a) 


1)  x'=  X         , 

y 

=  y 

? 

z  =  z              5 

S^  x'=x         , 

V 

=  k- 

-y, 

z  =  —  k  —  z  5 

Äg)  x'=  k  —  X, 

V 

=  y 

} 

z  =  —  k  —  z  5 

S,)  x'=  k  —  X, 

y 

=  k- 

-y, 

/=  z              •, 

U)  x'=  k  —  //, 

y 

=  _ 

k  — 

^, 

z'=  —  2k  +  x; 

US,)  x'==  y 

y 

=  z 

} 

z'=  —  2k  +  X', 

US,)  x'^^k  —  tj, 

y 

=  z 

y 

z'=  —  k  —  X   ; 

\  US,)  x'=  y         , 

y 

=-  — 

k  — 

^■? 

z'==  —  k  —  X    ; 

,      U-')  x^  2k  +  z, 

y 

=  k- 

-X, 

z'=—     Jc  —  y- 

U-^S,)  x=    k  —  z, 

y 

'=k 

-X, 

/=  -  2k  +  1/; 

U-'S,)  x=^    k  —  z, 

y 

=  X 

J 

z'=  —    h  —  y] 

V 

"— 1 

S,)  x=  2k  +  z, 

y 

=  X 

7 

z'=  -  2k  +  y. 

Setzen  wir  dagegen  zwei  beliebige  von  den  zwölf  obigen  Opera- 
tionen zusammen,  so  ist  ihr  Product  einer  der  zwölf  Operationen  selbst 
äquivalent,  wie  sich  einfach  aus  den  Elementaräquivalenzen: 

S.UeteUS,     ,         S,U=US,     ,        S,U.i^^US,, 
S,  U-'  EEi  U-'S,,     s^,u-'  -_E  U-'S„    S,  U-'  ==  U-'S, 

ergiebt.  Nun  giebt  es  zu  der  Operation  S2  von  G  in  der  obigen  Zu- 
sammenstellung keine  äquivalente.  Bilden  wir  also  die  folgenden  zwölf 
Operationen  von  G: 


§  223.    Analytische  Fortsetzung  der  Schwarz'schen  Minimalfläche.        409 

s,u-\     S,U-'S,,     S,Ü-'S„     S,U-'S,, 

so  sind  dieselben  weder  unter  einander  noch  mit  den  Operationen 
12  u)  äquivalent,  während  das  Product  einer  Operation  «)  mit  einer 
Operation  ß)  einer  Operation  ß)  imd  das  Product  von  zwei  Operationen 
ß)  einer  Operation  a)  äquivalent  ist,  wie  aus  den  Elementaräquivalenzen: 

^5^2  ^  ^2^7?  ^6^2  ^  ^2^6}         ^^2  ^  ^2^~* 

hervorgeht.  Jede  Operation  von  G  ist  einer  (und  nur  einer)  der  24 
Operationen  a),  ß)  äquivalent.  Um  dieses  einzusehen,  brauchen  wir  es 
nur  für  die  Elemeutarsubstitutiouen  von  G  nachzuweisen.     Xun  ist: 

wonach  die  angeführte  Eigenschaft  bewiesen  ist. 

Jede  Substitution  von  G  ergiebt  sich  demnach,  wenn  eine  der 
24  Substitutionen  a),  ß)  genommen  wird  und  auf  den  rechten  Seiten 
ihres  analytischen  Ausdrucks  beliebige  ganze  Vielfache  von  2k  ad- 
diert werden.  Demnach  ist  also  der  vorhin  ausgesprochene  Satz  be- 
wiesen : 

Die  Bewegungsgruppe  G  ist  unstetig  und  enthält  als 
ausgezeichnete  Untergruppe  vom  Index  24  die  Translations- 
gruppe r. 

§  223.    Analytische  Fortsetzung  der  Schwarz'schen   Minimal  fläche. 

Nachdem  wir  auf  diese  Weise  die  Beschaffenheit  der  Gruppe  G, 
der  Gruppe  derjenigen  Bewegungen,  welche  die  Schwarz'sche  Fläche 
ungeändert  lassen,  erkannt  haben,  können  wir  uns  leicht  eine  Vorstel- 
lung von  der  Art  imd  Weise  machen,  in  der  sich  das  ursprüngliche 
Stück  Z  analytisch  fortsetzt  imd  so  die  ganze  Schwarz'sche  Fläche 
erzeugt.  Die  Fläche  gestattet,  wie  wir  gesehen  haben,  drei  Elementar- 
translationen in  sich  in  der  Richtung  der  drei  Linien,  welche  die  Mittel- 
punkte je  zweier  Gegenkanten  des  regelmässigen  Tetraeders,  von  dem 
wir  ausgegangen  sind,  verbinden,  imd  zwar  ist  ihr  Betrag  gleich  dem 
Doppelten  dieses  kleinsten  Abstandes  k  zwischen  zwei  Gegenkanten. 
Denken  wir  uns  den  Raum  in  unendlich  viele,  an  einander  stossende 
würfelformige  Zellen  mit  der  Kante  2k  geteilt,  so  brauchen  wir  von 
der  Schwarzsehen  Fläche  offenbar  nur  denjenigen  Teil  zu  kennen, 
welcher  innerhalb  eines  dieser  Würfel  liegt,  da  sich  in  jedem  anderen 
Würfel  ein  infolge  Translation  dem  erstbetrachteten  Teile  congrueuter 
Teil  befindet. 


410    Kap.  15.    Das  Plateau'eche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

Als  Ausgangswürfel  betrachten  wir  den  zwischen  den  sechs  Ebenen: 
X  =  ^k,     y  =  4-  k,     ^  =  +  /<^ 
gelegenen.    Von  den  vier  Ecken  des  regulären  Tetraeders  abcd  (§  221): 

c  ~  (0,  0,  0),  a  -  (k,  k,  0),  h  -j  {k,  0,  —k),  d  e=.  (0,  k,  -  k) 
liegen  drei,  a,  h,  d,  in  den  Mitten  der  in  der  Ecke  (/c,  /:,  — /.:)  zu- 
sammenstossenden  Würfelkaiiten,  und  die  vierte,  c,  im  Mittelpunkt 
des  Würfels  selbst.  Die  beiden  Tetraederkanten  ca  und  hd  denken 
wir  uns  weggenommen  und  betrachten  das  von  dem  Viereck  ah  cd  begrenzte 
Stück  H  der  Schwarz'schen  Fläche.  Wir  spiegeln  nun  2^  an  der  Seite  cd 
in  Z?i,  dann  H^  an  der  neuen  Lage  von  ca  in  E.^,,  dann  Zlj  an  der  neuen 
Lage  von  cd  u.  s.  f.  Auf  diese  Weise  erhalten  wir  im  Innern  des 
Würfels  sechs  Stücke  der  Schwarz'schen  Fläche  (Z  mit  einbegriffen), 
die  alle  einander  congruent  sind  und  in  der  gemeinsamen  Ecke  c,  in 
der  sie  ein  und  dieselbe  Tangentialebene  haben,  zusammenstossen,  wäh- 
rend ihre  anderen  Ecken  sämtlich  in  den  Mittelpunkten  der  Würfel- 
kanten liegen*).  Die  wirklichen  Werte  für  die  Coordinaten  der  Ecken 
dieser  sechs  Stücke  sind  die  folgenden: 


^)  (0,0,0), 

(       k,         0,-k),      (       /.:,         k, 

0), 

(    0, 

k,  —k)', 

^i)  (0,  0,  0), 

(-k,       k,       0),     {-k,      0, 

-Je), 

(    0, 

k,-k)- 

Z,)  (0,  0,  0), 

{-k,       k,       0),     (     0,       /,:, 

^), 

(.-k, 

0,      70; 

-^3)  (0,  0,  0), 

(     i),-k,       k),     i-k,-k, 

0), 

(r-k, 

0,      70; 

^4)  (0,  0,  0), 

(0,     -  k,       k),          (k,       0, 

k), 

iK- 

-/C,0); 

^5)  (0,  0,  0), 

(k,     0,-/0,       (0, -/., - 

-k), 

(k,- 

-/.,  0). 

Nehmen  wir  nun  ein  beliebiges  der  sechs  krummen  Vierecke  2Ji, 
so  ist  seine  analytische  Fortsetzung  längs  einer  von  c  ausgehenden 
Seite  offenbar  eins  der  2J  selbst;  die  analytische  Fortsetzung  von  2Ji 
längs  einer  von  dem  c  gegenüberliegenden  Eckpunkt  ausgehenden  Seite 
ergiebt  sich  dagegen  durch  eine  Translation  eines  der  übrigen  sechs 
Stücke  2Ji  vom  Betrage  2k.  Um  dieses  nachzuweisen,  brauchen  wir 
nur  das  ursprüngliche  Stück  U  zu  betrachten,  da  für  die  anderen 
fünf  das  nämliche  gilt.  Die  Spiegelung  von  2J  an  ab  liefert  in  der 
That  das  um  2k  in  der  Richtung  der  x-Axa  verschobene  Stück  Z'i, 
und  die  Spiegelung  von  2J  an  ad  ebenso  das  um  2k  parallel  der 
ij-Axe  verschobene  Stück  2Jr,. 


*)  Um  von  den  im  Texte  angegebenen  geometrischen  Verhältnissen  eine 
klare  Vorstellung  zu  erhalten,  mag  sich  der  Leser  zweckmässig  eines  festen 
Modells  der  Wiirfelkanten  bedienen,  in  das  mittels  Fäden  die  sechs  Vierecke, 
welche  die  betrachteten  Stücke  der  Schwarz'schen  Fläche  begrenzen,  eingeschrieben 
werden  können. 


§  224.' Die  zur  ßchwarz'schen  Fläche  conjugierte  Minimalfläche.  411 

Es  besteht  demnach  das  ganze  innerhalb  des  Würfels  gelegene 
Gebiet  der  Schwarz'schen  Flache  aus  sechs  Stücken  Z,;  die  Fläche 
reproduciert  sich  daher  in  den  übrigen  Würfeln  periodisch,  so  dass  sie 
den  ganzen  Raum  gleichmässig  durchsetzt. 

§  224.    Die  zur  Schwarz'schen  Fläche  conjugierte  Minimalfläche. 

Hinsichtlich  der  conjugierten  Fläche,  die  Schwarz  ebenfalls  unter- 
sucht, bemerken  wir  kurz,  dass  auch  sie  bemerkenswerte  Eigenschaften 
besitzt,  die  denjenigen  der  in  den  voraufgehenden  Paragraphen  behan- 
delten Fläche  ganz  analog  sind*).  Insbesondere  werden  wir  sehen, 
dass  auch  diese  neue  Minimalfläche  S'  in  unendlich  viele  congruente 
krumme  Vierecke  mit  geradliniger  Begrenzung  zerfällt,  und  dass  in 
jedem  endlichen  Gebiet  des  Raumes  nur  eine  endliche  Zahl  solcher 
Vierecke  liegt.  Betrachten  wir  auf  der  ursprünglichen  Fläche  S  zwei 
von  den  krummen  Vierecken,  die  längs  einer  Kante  AB  zusammen- 
stossen,  so  begrenzen  die  vier  Symmetrieebenen  der  beiden  Vierecke 
auf  dem  von  ihnen  gebildeten  Sechseck  ein  neues  Viereck,  dessen 
Seiten  gleich  lange  Bogen  ebener  geodätischer  Linien  sind  und  dessen 
Winkel  in  zwei  Gegenecken  je  00",  in  den  beiden  anderen  je  90''  be- 
tragen. Nun  geht  auf  der  conjugierten  Fläche  S'  dieses  Viereck  in  ein 
solches  mit  geradliniger  Begrenzung  Ober.  Daher  liegen  auf  der 
Minimalfläche  S'  unendlich  viele  krumme  Vierecke  mit  ge- 
radliniger Begrenzung,  deren  Seiten  gleiche  Länge  haben 
und  deren  Winkel  in  zwei  Gegenecken  je  ÖO*'  und  in  den 
beiden  anderen  je  90®  betragen**). 

Hiervon  ausgehend  können  wir,  ganz  analog  wie  in  den  vorauf- 
gehenden Paragraphen,  diejenige  Bewegungsgruppe  bestimmen,  welche 
die  Fläche  S'  reproduciert,  und  also  die  analytische  Fortsetzung  jedes 
krummen  Vierecks  von  S'  untersuchen. 

Es  sei  ABCD  ein  solches  Viereck,  dessen  Winkel  bei  A  und  C 
je  60",  bei  B  und  B  je  90"  betragen;  wir  wollen  dann  die  Seiten  AB, 
BC,  CD,  DA  mit  1,  2,  3,  4  und  die  Spiegelungen  an  diesen  Seiten 
bezüglich  mit  <S\,  -S'^,,  Äj,  S^  bezeichnen. 

Durch  Combination  dieser  Elementarbewegungen  können  wir  von 


*)  Ihre  Gleichungen  ergeben  sich  aus  den  Formeln  (8),  S.  397,  wenn  von  den 
Integralen  rechts  statt  der  reellen  Teile  die  Coefficienten  der  imaginären  Teile 
genommen  werden. 

•*)  Um  ein  solches  Viereck  zu  erhalten,  braucht  man  nur  zwei  SeitenflUchen 
eines  regelnulssigen  Oktaeders,  die  längs  einer  Kante  an  einander  stoesen,  zu 
combinieren  und  die  gemeinschaftliche  Kante  wegzudenken. 


412     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Mjnimalfläche. 

diesem  Viereck  zu  jedem  anderen  auf  der  Fläche  gelangen.  Wollen  wir 
also  die  Elementaroperationen  der  Gruppe  G,  welche  die  Fläche  un- 
geändert  lässt,  erhalten,  so  brauchen  wir  zu  den  vorhin  genannten 
Bewegungen  nur  noch  diejenigen  hinzuzufügen,  welche  das  Viereck 
AB  CD  ungeändert  lassen. 

Nun  ist  die  einzige  derartige  Bewegung  die  Spiegelung  an  der 
Verbindungslinie  der  Mittelpunkte  von  ÄC  und  BD,  die  wir  mit  S^ 
bezeichnen  wollen. 


§  225.    Die  Gruppe  der  conjugierten  Fläche. 

Bezeichnen  wir  mit  /c]/2  die  gemeinsame  Länge  der  vier  Kanten, 
so  ist  sofort  klar,  dass  sich  bei  passender  Orientierung  des  Vierecks 
AB  CD  gegen  die  Coordinatenaxen  für  die  Coordinaten  der  Eckpunkte 
die  folgenden  Ausdrücke  ergeben: 

A  EEE  (0,  0,  0),    B  EE  {h,  0,  h),     C  EE:  (0,  0,  2h),     D  =  (0,  h,  h). 

Daraus  folgt,  dass  die  Elementaroperationen  der  Gruppe  G  analytisch 
durch  nachstehende  Gleichungen  dargestellt  werden: 


^i)  x'=  Z              ,     %/==  —  1J       , 

z'=  X 

S^)  x'=  2h  —  z,    y'=  —  y      , 

z'=  2h  - 

-  X', 

S^)  x'=  —  X      ,    y'=  2h  —  z, 

z'=  2h  - 

-y-. 

S^)  x'=  —  X      ,    y'=  z           , 

z'=y 

S5)  ^'=      y     ,    y'=  -^         ; 

z'=2h- 

-  z . 

Werden  ferner  die  Beziehungen: 

^b^2^o  =  "^i}        ^0^3  ^5 

=  s, 

berücksichtigt,  so  ergiebt  sich,  dass  die  gesamte  Gruppe  G  durch 
die  drei  Elementarsubstitutionen  S^,  S.^,  S^  erzeugt  wird. 
Nun  betrachten  wir  die  beiden  in  G  enthaltenen  Substitutionen: 

M.  =  /Sj  O^ ,        K  ==  b>2  >J5  . 

Ihre  analytischen  Ausdrücke  sind: 

H)  x'=  2h  —  z,    ^'^=  —  X,     z'=y\ 
K)x'=z  ,     y'=  —  X,     z'=2h  —  y, 

und  ihre  dritten  Potenzen  die  Translationen: 

IP)  x'=-  2h  +  X,     y'=   -  2h  +  y,     z'=  —  2h  +  z; 
K')  x'=^  2h  4-  X,    ?/'=  ~2h-\-y,    z=       2h  +  z. 


§  225.     Die  Gruppe  der  conjugierten  Fläche.  413 

Die  mittels  5,  transformierte  Substitution  IP  ist  die  neue  Translation: 
S^mS^^)  x'=  2k  4-  X,     y'=  2A-  +  y,     s'=  —  2k  +  z. 

Aus  der  Combination  dieser  mit  den  vorhergehenden  folgt,  dass  in  G 
die  beiden  Translationen: 

a:'=  X  -f-  4Ä-,     f/'=  y  ,     z'=  z, 

x'=  X  j     y'=  y  -{-  4A-,     z'^  z 

enthalten  sind.  Da  femer  die  mittels  S^  transformierte  Substitution 
K^  diese: 

S^K^S^')  x'=2k  +  x,    y'=2k-\-y,     z'=2k-^z 

ist,  so  geht  daraus  hervor,  dass  auch  die  Translation: 

x'=  X,    y'=  y,    2'=z  -\-  4A- 
zu  G  gehört. 

Die  Gruppe  G  enthält  demnach  alle  Translationen  von  der  Form: 

a'=  X  -}-  2mk,     y'=  y  -\-  2nk,     z'=  z  -j-  2jik, 

wo  m,  n,  p  ganze  Zahlen  sind,  die  entweder  sämtlich  gerade  oder 
sämtlich  uncrerade.  d.  h.  der  Bedinguns: 

m  ^^n'z^p  (mod  2) 

unterworfen  sind.  Die  Translationen  von  der  obigen  Form  bilden 
offenbar  eine  Untergruppe  F  von  G^  und  wie  wir  sofort  sehen  werden, 
sind  keine  weiteren  Translationen  in  G  enthalten*).  Zunächst  können 
wir  leicht  nachweisen,  dass  F  eine  ausgezeichnete  Untergruppe  von  G 
ist,  da  die  Elementaroperatiouen  von  G,  nämlich  S^^  S^,  ^Sj,  die  Gruppe 
r  in  sich  überfuhren.  Wie  in  §  222  teilen  wir  dann  die  Operationen 
von  r  in  Klassen  von  bezüglich  F  äquivalenten  Operationen  ein. 
Setzen  wir: 

so  bilden  die  drei  Substitutionen  Sj,  S^,  S^  mit  der  identischen  eine 
Gruppe  (Vierergruppe).      Setzen  wir  ferner: 

und  bilden  wir  die  24  Operationen: 


*)  Als  Elementartranslationen    von  F  können    offenbar  die   folgenden 
drei  gewählt  werden: 

.r*=.T4-4A-,      y'=y  ,      s'=Z; 

x'=x  ,       j/'=  1/  -f  4Ä-,       z'=z; 

x'=x-\-'2l\       i/'=j/  +  2Ä-,  z'=z-\-'2l-. 


414     Kap.  15.    Das  Plateau'sche  Problem  und  die  Schwarz'sche  Minimalfläche. 


1     , 

s,       , 

^2                 7 

^6              J 

u    , 

US,     , 

US,     , 

US,     , 

u-\ 

u-^s,, 

u-'s„ 

u-^s„ 

s,    , 

Sr,S,          , 

s^s,    , 

Sr,^6     , 

s,u, 

s,us, , 

s,us,, 

s,us,, 

s,u, 

s,us, , 

S,  US, , 

S,  USq  , 

so  sehen  wir,  dass  dieselben  ein  vollständiges  System  von  bezüglich  F 
nicht  äquivalenten  Operationen  bilden.     Daraus  folgt: 

Die  Gruppe  G  enthält  als  ausgezeichnete  Untergruppe 
vom  Index  24  die  Translationsgruppe  F. 

Insbesondere  ergiebt  sich  hieraus  die  Unstetigkeit  der  Gruppe  G, 
also  die  Eigenschaft  der  Minimalfläche  5',  in  dreifach  periodischer 
Weise  den  Raum  gleichmässig  zu  durchsetzen. 

§  226.    Die  zweite  Variation  des  Flächeninlialts  einer  Minimalfläche. 

Am  Schlüsse  dieser  Betrachtungen  über  die  Minimalflächen  kehren 
wir  zurück  zu  der  Minimumaufgabe,  von  der  wir  ausgegangen  sind,  um 
die  wichtigen  Untersuchungen  von  Schwarz  über  die  zweite  Varia- 
tion des  Flächeninhalts  eines  Minimalflächenstücks  in  ihren  Grund- 
zügen mitzuteilen*).  Aus  denselben  folgt  insbesondere,  dass,  wenn  in 
jedem  Punkte  einer  Fläche  die  Summe  der  Hauptkrümmungsradien 
gleich  Null  ist,  jedes  in  geeigneter  Weise  umgrenzte  Stück  der  Fläche 
bezüglich  der  fest  gedachten  Begrenzung  die  Minimumeigenschaft,  die 
zu  seiner  Definition  benutzt  wurde,  wirklich  besitzt. 

Es  seien  S  eine  auf  ihre  Krümmungslinien  w,  v  bezogene  Minimal- 
fläche, 

das  Quadrat  ihres  Linienelements,  also 

ds'^  =  -|-  (du'-  +  dv^) 

dasjenige  des  Linienelements  der  Bildkugel  und 

r,  =  A,      r^  =  —  A 
die  Hauptkrümmungsradien  der  Minimalfläche. 

Wir  betrachten  ein  von  einer  Randlinie  C  begrenztes  Stück  von 
S  und  ein  S  unendlich  benachbartes  von  derselben  Randlinie  begrenztes 
Flächeustück  S\  Auf  jeder  Normale  von  S  schneidet  die  Fläche  S' 
ein  unendlich  kleines  Stück  ab,  das  wir  mit  £^  bezeichnen  wollen,  wo 


*)  Werke,  1.  Band,  S.  151  u.  f. 


§  225.     Die  zweite  Variation  des  Flächeninhalts  einer  Minimalfläche.      415 

£  eine  unendlich  kleine  Constante  und  t^  eine  Function  von  u  und  v 
ist,  die  wir  samt  ihren  ersten  partiellen  Differentialquotienten  in  dem 
ganzen  betreffenden  Gebiet  von  S  als  endlich  und  stetig  voraussetzen 
und  die  nur  längs  des  Randes  C  Null  werden  soU. 

Wir  vergleichen  nun  das  von  C  eingeschlossene  Flächenstück  von 
S  mit  dem  entsprechenden  von  S',  wobei  wir  nur  die  Glieder  berück- 
sichtigen, die  £  in  der  ersten  und  zweiten  Potenz  enthalten.  Für  die 
Coordinaten  des  Punktes  P'  von  S',  der  einem  Punkte  P  von  S  ent- 
spricht, haben  wir  offenbar  die  Ausdrücke: 

x'=  X  -f-  £xl}X,     y'=  y  -{-  ft^»  Y,     z'=  z  -\-  sil^Z. 

Berechnen  wir  die  Coefficienten  E',  F',  G'  des  Quadrats  des 
Linienelements    von  S\   so    erhalten   wir   unter   Berücksichtigung    der 

Gleichungen : 

cX        1  ex       cX  1  ex 

cu         X  du        ov  X   cv 

die  Werte: 

■r-/  .->C'<p  eil) 

±     =    £'    7^ 7=, ? 

cu  CV 

Demnach  ist: 

Die  Differenz  der  beiden  Flächenräume,  dS=S' — >S',  ist  daher  bis 
auf  unendlich  kleine  Grössen  von  höherer  als  der  zweiten  Ordnung 
durch 

2  t/)*" 


dudv 


(13)       ^«-y//I(^:)>(I-i)-^ 

gegeben,  wo  das  Doppelintegral  über  das  in  Rede  stehende  Gebiet  von 
S  oder,  was  dasselbe  ist,  über  das  entsprechende  Gebiet  auf  der  Kugel 
zu  erstrecken  ist.  Dieses  ist  der  von  Schwarz  für  die  zweite 
Variation  des  Flächeninhalts  eines  Minimalflächenstücks  abgeleitete 
Ausdruck,  aus  dem  sich  mittels  einiger  Hilfsbetrachtungen  die  bemer- 
kenswerten Folgerungen  ergeben,  zu  deren  Ableitung  wir  nun  übergehen. 

§  227.     Untersuchung  der  zweiten  Variation. 

Wir  betrachten  eine  beliebige  andere  Minimalfläche,  die  der  Fläche 
S  durch  Parallelismus  der  Normalen  zugeordnet  werden  möge,  und  es 
sei  E  dasjenige  Stück  dieser  neuen  Fläche,  welches  dem  betreffenden 
Stück  von  S  entspricht.     Dann  sind  die  beiden  Flächenstücke  auf  ein 


416     Kap.  15.    Das  Plateau'ache  Problem  und  dio  Schwarz'sche  Minimalfläche. 

und  dasselbe  Stück  der  Kugelfläche,  das  wir  mit  ö  bezeichnen  wollen, 
abgebildet.  Bedeutet  W  den  Abstand  der  Tangentialebene  des  Stückes 
U  vom  Coordinatenanfangpunkt,  so  ist  W  ein  Integral  der  Gleichung 
(S.  141,  (36)): 

(14)  ^^;w-\-2W=^o, 

wenn  ^2W  ^^^'  ^^^  ^^^  Linienelement  der  Kugel  berechnete  zweite 
Differentialparameter  von   W  ist. 

Nun  setzen   wir  voraus,    dass   dieses  Integral   der   Gleichung  (14) 
oder  auch  der  Gleichung: 

(14*)  £1E.^!Z.  ^  =  0 

in  keinem  Punkte  des  Kugelstückes  (J,  auch  nicht  auf  dem  Rande,  ver- 
schwinde, was  damit  gleichbedeutend  ist,  dass  in  keinem  Punkte  des 
Stückes  2J  die  Tangentialebene  durch  den  Anfangspunkt  geht.  Dann 
können  wir  den  Ausdruck  unter  dem  Integralzeichen  in  der  Gleichung 
(13)  in  die  Form: 

VcuJ  "T"  \dv)  '        X     ~~  \_\cu         W  du)  "^  \dv         W   8v/  ] 

'^  du\W  du)  '^  dv  \W  dv  } 

bringen,  so  dass  das  Integral  (13)  in  drei  Teile  zerfällt,  von  denen 
die  letzten  beiden  identisch  gleich  Null  sind,  wie  sich  ergiebt,  wenn 
man  partiell  integriert  und  berücksichtigt,  dass  ^  auf  dem  Rande  ver- 
schwindet.    Es  bleibt  also 


2jJ[_\du         W    duJ^Xdv         W   dv  J 


dudv 


übrig,  und  da,  wie  die  Function  i^  auch  gewählt  werden  mag,  das 
rechts  stehende  Integral  wesentlich  positiv  ausfällt*),  so  folgt  daraus, 
dass  jede  S  unendlich  benachbarte  und  von  derselben  Randlinie  be- 
grenzte Fläche  S'  in  der  That  einen  grösseren  Flächeninhalt  besitzt, 
als  S.  Dieses  Ergebnis  können  wir  in  der  folgenden  von  Schwarz 
gegebenen  Fassung  aussprechen: 

Ein  Stück  einer  Fläche  mit  der  mittleren  Krümmung  Null 
besitzt  unter  allen  ihm  unendlich  benachbarten  und  von  der- 
selben Randlinie  begrenzten  Flächenstücken  sicherlich  dann 
den  kleinsten  Inhalt,  wenn  es  ein  demselben  durch  Paralle- 
lismus   der    Normalen    entsprechendes    Flächenstück   M  der- 


*)  Das  Integral  könnte  nämlich  nur  für  tp  =  cW  {c  =  Const.)  verschwinden; 
dann  würde  aber  t/»  auf  dem  Rande  nicht  Null  werden. 


§  228.    Satz  von  Schwarz  über  die  zweite  Variation.  417 

selben  Art  und  von  der  Beschaffenheit  giebt,  dass  in  keinem 
Punkte  von  M  die  Tangentialebene  durch  einen  im  Räume 
fest  gegebenen  Punkt  geht. 

§  228.    Satz  von  Schwarz  über  die  zweite  Variation. 

Wählen  wir  speciell  als  neue  Minimalfläche  die  Fläche  selbst, 
so  sehen  wir,  dass  das  betreffende  Stück  von  S  die  Minimumeigen- 
schaft wirklich  dann  besitzt,  wenn  es,  von  einem  passend  gewählten 
Punkte  des  Raumes  aus  gesehen,  als  scheinbaren  Rand  eine  Linie  hat, 
die  ganz  ausserhalb  des  betrachteten  Gebietes  liegt. 

Hinsichtlich  des  sphärischen  Bildes  6  dagegen  können  wir  sagen, 
dass  die  Miuimumeigenschaft  sicher  dann  vorliegt,  wenn  es  ein  In- 
tegral W  der  Grleichung  (14  *j  giebt,  das  iu  dem  ganzen  Gebiet  6, 
einschliesslich  des  Randes,  positiv  ist.     Beachten  wir  nun,  dass  z.  B. 

X,  Y,  Z 
particidäre  Integrale  der  Gleichung  (14*)  sind,  so  sehen  wir  speciell, 
dass,  wenn  das  Gebiet  6  ganz  innerhalb  der  Fläche  einer  Halbkugel 
liegt,  die  obige  Bedingung  erfüllt  ist.  Folghch  besitzt  jedes  Stück  einer 
Fläche  mit  der  mittleren  Krümmung  NuU,  dessen  sphärisches  Bild 
innerhalb  einer  Halbkugelfläche  liegt,  die  Eigenschaft,  dass  sein  Inhalt 
ein  Minimum  ist. 

Schliesslich  bemerken  wir,  dass  wir  das  allgemeine  Integral  der 
Gleichung  (14*)  angeben  können,  indem  wir  die  complexe  Veränderliche 

X  =  a  -{-  iß 
auf  der  Kugel  einführen  (S.  359),  wonach  sie  die  Fonn: 

^      >'  ra*    "T~    cß»    "T  (a«  4- ß« -f-  1)»  ~~  ^ 

annimmt.  Da  nun  W  die  Entfernung  der  Tangentialebene  einer  Mini- 
malfläche vom  Anfangspunkt  ist,  so  finden  wir,  wenn  wir  die  Coordi- 
naten  des  Berührungspunktes  durch  die  Weierstrass'schen  Gleichimgen 
(11),  S.  361,  ausgedrückt  denken  und 

W  =  Xx  +Yy-\-Zz 

berechnen,  als  allgemeines  Integral  der  Gleichung  (15)  unter  Weglas- 
sung des  Zahlenfactors  2: 

WO  f(x)  eine  willkürliche  Function  der  complexen  Veränderlichen  t 
bedeutet. 


Bianchi,  BifferentUlgeometrie.  27 


Kapitel  XYI. 
Pseudosphärisclie  Greometrie. 

Conforme  Abbildung  der  pseudospbärischen  Flächen  auf  die  Halbebene.  —  Dar- 
stellung der  Bewegungen  (Verbiegungen)  der  Fläche  in  sich  durch  lineare  Sub- 
stitutionen der  complexen  Veränderlichen.  —  Andere  conforme  Abbildung.  — 
Geodätische  Parallelen  und  Parallelitätswinkel.  —  Pseudosphärische  Trigonometrie. 
•»—  Überblick  über  die  nichteuklidische  Geometrie.  —  Beltrami'sche  Abbildung. 
—  Flächen,  die  auf  die  Ebene  geodätisch  abbildbar  sind.  —  Für  eine  gegebene 
pseudosphärische  Fläche  lässt  sich  die  Integration  der  Differentialgleichung 
der   geodätischen  Linien   auf  Integration   einer  Riccati'schen  Dift'erentialgleichung 

zurückführen. 


§  229.  Zweidimensionale  Mannigfaltigkeit  von  constanter  Krümmung. 

Wir  wollen  uns  nun  mit  den  Flächen  von  constantem  Krümmungs- 
mass  beschäftigen  und  beginnen  unsere  Untersuchungen  mit  der  Ab- 
leitung der  Grundlagen  ihrer  Geometrie  in  dem  in  §  92,  S.  179,  fest- 
gesetzten Sinne. 

Die  Geometrie  der  Flächen  mit  verschwindender  oder  positiver 
constanter  Krümmung  fällt  mit  der  gewöhnlichen  ebenen  oder  sphä- 
rischen Geometrie  zusammen.  Wir  können  und  werden  uns  also  in  dem 
vorliegenden  Kapitel  auf  die  Behandlung  der  Geometrie  auf  den  pseudo- 
sphärischen Flächen,  oder,  wie  wir  sagen,  auf  die  der  pseudosphäri- 
schen Geometrie  beschränken. 

Zu  Grunde  legen  wir  unsern  Untersuchungen  eine  conforme  Ab- 
bildung der  pseudosphärischen  Flächen  auf  die  Halbebene,  die  sich  bei 
den  wichtigen  analytischen  Untersuchungen  von  Klein  und  Poin- 
care  über  die  automorphen  (Fuchs'schen)  Functionen  als  sehr  frucht- 
bringend erwiesen  hat. 

Wir  definieren  das  Linienelement  der  pseudosphärischen  Fläche 
^    durch  die  Gleichung  (S.  190): 

(1)  ds^  =  du'-  -f  e'^dv^ 


§  230.   Conforme  Abbildung  d.  pseudosphärischen  Flächen  auf  d.  Halbebene.     419 

worin  R  der  Radius  der  pseiidosphärischen  Fläche  ist.  Bei  diesen 
allgemeinen  Untersuchungen  müssen  wir  von  jeder  besonderen  Flächen- 
form, zu  der  das  obige  Linienelement  wirklich  gehört,  absehen,  insofern 
als  wir  diese  Untersuchungen  über  die  allgemeine  zweidimensio- 
nale Mannigfaltigkeit  mit  constantem  Krümmungsmass  anstellen, 
für  welche  die  Gleichung  (1)  das  Elemeutargesetz  für  das  Mass  des 
Abstandes  zweier  unendlich  naher  Punkte  angiebt  (vgl.  §  93,  S.  181). 
Für   alle    reellen    und    endlichen    Werte    von    u   bleibt    die    Function: 

u 

yO  =  e  endlich,  stetig  und  positiv,  weshalb  wir  jedem  Paare  reeller 
und  endlicher  Werte:  ?/  = '<07  *' = '*"o  ^i^en  reellen  und  im  Endlichen 
gelegenen  Punkt  der  Fläche  zuordnen,  und  umgekehrt:  imendliche 
Werte  von  u  und  v  liefern  unendlich  ferne  Flächenpunkte. 


§  230.     Conforme  Abbildung  der  pseudosphärischen  Flächen  auf  die 

Halbebene. 

Betrachten  wir  x,y  als  rechtwinklige  Cartesische  Coordinaten  eines 
Punktes  der  Bildebene,  so  geben  uns  die  Gleichungen: 

u 

(2)  x  =  i\      y  =  Re~^ 

die  conforme  Abbildung,  von  der  vorhin  die  Rede  war.  Die  reellen 
und  im  Endlichen  gelegenen  Flächenpunkte  entsprechen  eindeutig  den 
Punkten  der  Halbebene  y  >  0,  die  wir  die  positive  Halbebene  nennen 
wollen:  das  Bild  der  unendlich  fernen  Flächenpunkte  ist  die  x-Axe. 
Sie  heisse  die  Grenzgerade*). 

Zunächst  sehen  wir  zu,  was  fiir  Curven  in  der  Bildebene  den 
geodätischen  Linien  der  Fläche  entsprechen.  Da  der  Ausdruck  für  das 
Linienelement  durch  die  Gleichung  (1)  gegeben  ist,  so  ergiebt  sich  als 
Gleichung  der  geodätischen  Linien  in  endlicher  Form  (§  89,  S.  174, 
Gleichung  (26)): 


v  =  -hJc   I     \     ""     -f.6  =  +  4^r  1-A-^g     «+5, 


worin  Ä:,  6  zwei  willkürliche  Constanten  sind.    Infolge  der  Gleichungen 
(2)  hat  die  Bildcurve  in  der  Ebene  die  Gleichung: 


*)  Wir  müssen  die  Bildebene  als  die  Gaussische  complexe  Ebene,  mit  einem 
einzigen  unendlich  fernen  Punkt,  der  zugleich  unendlich  femer  Punkt  der  .r-Axe 
ist,  auffassen. 

•27* 


420  Kap.  16.    Pseudosphärische  Geometrie. 

(3)  (^-&)^+/  =  ^- 

Also:  Jede  geodätische  Linie  der  Fläche  wird  in  einen  die 
Grenzgerade  senkrecht  schneidenden  Kreis  abgebildet,  und 
umgekehrt.  Wir  sehen  dabei,  dass  auch  die  geodätischen  Linien: 
V  =  Const.  keine  Ausnahme  bilden,  da  sie  in  Senkrechten  zur  x-Axe 
(Kreise  mit  unendlich  fernem  Mittelpunkt)  abgebildet  werden. 

Da  nun  durch  zwei  Punkte  der  Halbebene  stets  ein  und  nur  ein 
Kreis  geht,  der  die  Grenzgerade  senkrecht  schneidet,  so  haben  wir  das 
wichtige  Ergebnis:  Zwei  beliebige  Punkte  M^  und  31^  der  pseu- 
dosphärischen Fläche  können  durch  eine  und  nur  eine  geo- 
dätische Linie  verbunden  werden. 

Wir  untersuchen  nun,  wie  sich  die  wahre  geodätische  Entfernung 
der  beiden  Punkte  M^  und  M^  in  der  Bildebene  ausdrückt.  Für  den 
Bogen  s  der  geodätischen  Linien  haben  wir  (nach  S.  174,  (27)): 


=  Blog 


also  wegen  (2): 


Slog[f  +  Y^-k')+C. 


Rechnen  wir  den  Bogen  s  von  dem  Punkte  aus,  dessen  Bild  der  höchste 
Punkt:  y  =  Y  ^®^  Bildkreises  ist,  so  müssen  wir  C  gleich  —  R  log  Je 
setzen.     Es  ist  dann: 


Mr^  +  Wf-^- 


Der  Ausdruck  hinter  dem  Logarithmenzeichen  ist,  wie  leicht  er- 
sichtlich, das  Doppel  Verhältnis  von  vier  Punkten,  nämlich  von  den 
beiden  Schnittpunkten  des  Bildkreises  mit  der  Grenzgeraden,  seinem 
höchsten    Punkte    und    dem    Bildpunkte    des    Endpunktes    des    Bogens. 

Daraus  folgt  allgemein:  Die  geodätische  Entfernung  der 
beiden  Punkte  M^,  M^  der  Fläche  ergiebt  sich,  wenn  der 
Logarithmus  des  Doppelverhältnisses,  das  die  beiden  Bild- 
punkte m^,  m^  auf  dem  Bildkreise  der  geodätischen  Linie 
M^M^  mit  den  beiden  Schnittpunkten  dieses  Kreises  und  der 
Grenzgeraden  bestimmen,  mit  H  multipliciert  wird. 

Bezeichnen  wir  mit  y^,  y^    die   Ordinaten  von    m^,  m^,   so    lautet 


§  231.  Bewegungen  tiargestellt  durch  lineare  Substitutionen.  421 

der  Ausdruck  für  die  geodätische  Entfernung  d    der  beiden  Flächen- 
punkte Ml,  M^: 


iE 
5  =  i2  log 


Vi        r   Vi 


V»  —   Y    V»* 


wo  im  Nenner  das  obere  oder  das  untere  Vorzeichen  zu  wählen  ist,  je 
nachdem  die  beiden  Punkte  m^ ,  m^  des  Bildkreises  auf  derselben  oder 
auf  vei-schiedenen  Seiten  des  höchsten  Punktes  dieses  Kreies  liegen. 

§  231.    Darstellung  der  Bewegungen  der  Fläche  in  sich  durch  lineare 
Substitutionen  der  complexen  Veränderlichen. 

Wir  setzen  nun: 

u 

(o  =  x-{-iy=v-\-  iRe    ^ 

und  denken  uns  die  Werte  der  complexen  Veränderlichen  a  auf  der 
pseudosphärischen  Fläche  ausgebreitet,  so  dass  jeder  Wert  von  oj  mit 
positiverOrdinate  einen  Flächenpunkt  liefert,  und  umgekehrt.  Dann 
können  wir  einen  Flächenpunkt  direct  mit  dem  zugehörigen  Wert  der 
complexen  Veränderlichen  w  bezeichnen.  Im  siebenten  Kapitel  haben 
wir  gesehen,  dass  jede  pseudosphärische  Fläche  dreifach  unendlich  viele 
Arten  von  Abwickelungen  auf  sich  selbst  oder  Bewegungen  (Verbiegungen) 
in  sich  gestattet  (S.  188),  und  nun  stellen  wir  eine  Frage,  wie  wir  sie 
bereits  für  die  Kugel  gestellt  hatten  (Kap.  III,  §  45),  nämlich  die  Frage, 
wie  sich  eine  solche  Bewegung  der  Fläche  in  sich,  bei  der  die  Punkte 
CO  in  die  Punkte  w'  übergehen  mögen,  analytisch  darstellen  wird.  Die 
Antwort  ist  der  finiher  für  die  Kugel  gefundenen  ganz  analog,  ja  in 
gewissem  Sinne  sogar  noch  einfacher,  wie  wir  sehen  werden. 

Da  die  von  o  und  a  beschriebenen  Figuren  einander  congnient 
sind,  so  ist  a  eine  Function  von  a.  Denn  der  Fall,  dass  ca  eine 
Function  der  conjugierten  Grösse  cOq  ist,  wird  ausgeschlossen,  wenn  wir 
annehmen,  dass  die  Verbiegung  stetig  erfolge  und  also  Winkeltreue 
ohne  Änderung  des  Sinnes  stattfinde.  Es  ist  also  co'  eine  Function 
von  0),  die  zwar  zunächst  nur  für  die  Werte  von  o  in  der  positiven 
Halbebene  definiert  ist;  da  aber  a'  für  reelles  co  auch  reell  ist,  denn 
die  unendlich  fernen  Punkte  der  Fläche  bleiben  bei  der  Bewegung 
unendlich  fern,  so  ist  co'  für  alle  Werte  von  co  in  der  negativen  Halb- 
ebene durch  die  Bestimmung  gegeben,  dass  gj'  für  den  zu  o  conjugier- 
ten Wert  COq  den  zu  ra'  conjugierten  Wert  coq  annehmen  soU.  Xun 
brauchen   wir  nur  noch    zu  beachten,   dass  jedem  Werte    von    co    ein 


422  Kap.  16.    Psendosphärische  Geometrie. 

einziger  von  co'  entspricht  und  umgekehrt,  um  daraus  schliessen  zu 
können,  dass  co'  eine  lineare  Function  von  co  ist: 

(5)  «'=^^f 

^    '  yco  -f-  0 

Da  ferner  für  reelles  co  auch  co'  reell  ist,  so  sind  a,  /3,  y,  d  reell  (ab- 
gesehen von  einem  gemeinsamen  Factor,  der  weggelassen  werden  kann). 
Da  weiterhin  die  Ordinate  von  co'  zugleich  mit  der  Ordinate  von  o 
positiv  ist,  so  ist  die  Determinante  ad  —  ßy  positiv  und  kann  ohne 
weiteres  gleich  -{-  1  angenommen  werden. 

Drücken  wir  nun  das  Quadrat  des  Linienelements  (1)  mittels  der 
complexen  Veränderlichen  03  und  der  dazu  conjugierten  Veränderlichen 
cOq  aus,  so  erhalten  wir: 

(5*)  ds^  =  —  ; — — Tä  da  dcor,. 

^       ^  (co — a^Y  " 

Auf  Grund  dieser  Gleichung  lässt  sich  sofort  nachweisen,  dass  die 
lineare  Substitution  (5)  mit  reellen  a,  ß,  y,  d  das  Linienelement  in  sich 
transformiert.     Demnach  haben  wir  das  Ergebnis: 

Die  Bewegungen  der  pseudosphärischen  Fläche  in  sich 
werden  durch  die  auf  die  complexe  Veränderliche  co  ange- 
wandte lineare  Substitution  mit  reellen  Coefficienten: 

(6)  "'=f^'     -S-ßy=l, 
dargestellt. 

§  232.     Bewegungen  erster  Art. 

Für  jede  Substitution  (6)  giebt  es  zwei  Werte  von  «,  die  fest 
bleiben;  es  sind  dieses  die  Wurzeln  der  quadratischen  Gleichung: 

(7)  y(o^-\-(d  —  a)G}  —  ß  =  0. 

Nun  können,  je  nach  dem  Vorzeichen  der  Discriminante 

(d  —  af  +  4.ßy  =  (a  +  öf  —  4, 
drei  verschiedene  Fälle  eintreten. 

1)  (a  -f-  d)^  <  4.  Die  Wurzeln  der  Gleichung  (7)  sind  conjugiert 
complex;  die  eine  liegt  in  der  positiven,  die  andere  in  der  negativen 
Halbebene.  Erstere  stellt  einen  reellen  und  im  Endlichen  gelegenen 
Punkt  P  der  Fläche  dar,  der  bei  der  Bewegung  fest  bleibt.  In  diesem 
Falle  besteht  die  Bewegung,  die  eine  elliptische  genannt  wird,  in 
einer  (mit  Verbiegung  verbimdenen)  Rotation  um  P. 

2)  {cc  -\-  dy  =  4.  Die  Wurzeln  der  Gleichung  (7)  sind  reell  und 
fallen  zusammen.  Dann  bleibt  ein  einziger  Flächenpunkt  im  Unend- 
lichen fest,  und  die  Bewegung  wird  eine  parabolische  genannt. 


§  232.    Bewegungen  erster  Art.    §  233.  Bewegungen  zweiter  Art.        423 

3)  (a  -|-  d)^  >  4.  Die  Wurzeln  der  Gleichung  (7)  sind  reell  und 
von  einander  verschieden.  Sind  A  und  B  die  zugehörigen  Bildpunkte 
(auf  der  Grenzgeraden)  in  der  Halbebene,  so  entspricht  dem  Kreise  über 
der  Strecke  AB  als  Durchmesser  auf  der  Fläche  eine  geodätische 
Linie,  die  sich  während  der  Bewegung  in  sich  verschiebt.  In  diesem 
Falle  wird  die  Bewegimg  eine  hyperbolische  genannt:  sie  besteht  in 
einem  (mit  Verbiegimg  verbundenen)  Schleifen  der  Fläche  auf  sich, 
bei  dem  sich  eine  bestimmte  geodätische  Linie  in  sich  verschiebt. 

Ein  ziemlich  klares  Bild  von  diesen  drei  Arten  von  Bewegungen 
erhalten  wir,  wenn  wir  die  Rotation  einer  pseudosphärischen  Rotations- 
fläche vom  elliptischen,  parabolischen  und  hyperbolischen  Typus  um 
ihre  Axe  betrachten  (§  99,  Kap.  VI). 

Es  dürfte  zweckmässig  sein,  die  erhaltenen  Ergebnisse  unter  Zu- 
grundelegung der  complexen  Kugelfläche  oder  der  complexen  Ebene  als 
typische  Fläche  mit  denjenigen  bezüglich  der  Bewegungen  einer  Fläche 
mit  constantem  positiven  oder  verschwindenden  Krümmungsmass  zu 
vergleichen. 

In  jedem  Falle  ist  der  analytische  Ausdruck  der  Bewegung  eine 
lineare  Substitution  der  complexen  Veränderlichen.  Für  die  Kugel 
haben  wir  die  Cayley'sche  Formel  (S.  84): 

Bei  der  Bewegimg  bleiben  zwei  diametral  einander  gegenüberliegende 
Punkte  der  Kugel  fest.  Es  giebt  also  nur  eine  Art  von  Bewegungen, 
die  stets  wirkliche  Drehungen  sind. 

Für  die  complexe  ^- Ebene  werden  die  Bewegungen  durch  die 
ganzen  linearen  Substitutionen: 

z'=  e'"z  -\-  C  {a  eine  reelle,   C  eine  complexe  Constant^) 
dargestellt.     Sie  zerfallen  in  zwei  Art^n,   je  nachdem  e'"   von  1    ver- 
schieden ist  oder  nicht;  erstere  sind  Drehungen  um  einen  im  Endlichen 
gelegenen  Mittelpunkt,  letztere  Translationen. 

§  233.     Bewegungen  zweiter  Art. 

Wir  betrachten  nun  diejenigen  Bewegungen  der  pseudosphärischen 
Fläche  in  sich,  bei  welchen  sich  die  beiden  Seiten  vertauschen.  Wir 
wollen  sie  Bewegungen  zweiter  Art  nennen,  während  wir  die 
vorhin  betrachteten  als  solche  erster  Art  bezeichnen*),  um  den 
analytischen    Ausdruck    für    die    Bewegungen    zweiter   Art    zu    finden, 

*)  Vgl.  Klein-Fricke,  Elliptische  Modulfunctionen.  Leipzig  1890,  1.  Bd., 
S.  196  ff. 


424  Kap.  16.     Pseudosphärische  Geometrie. 

brauchen  wir  nur  zu  beachten,  dass  die  Spiegelung  der  Fläche  an  der 
geodätischen  Linie  v  =  0  durch  die  einfache  Gleichung: 

dargestellt  wird.  Da  sich  nun  aus  der  Aufeinanderfolge  zweier  Be- 
wegungen zweiter  Art  eine  Bewegung  erster  Art  ergiebt,  so  erhalten 
wir  durch  Combination  der  obigen  Gleichung  mit  der  Gleichung  (6) 
sofort  das  Ergebnis:  Die  Bewegungen  zweiter  Art  der  pseudo- 
sphärischen Fläche  werden  durch  die  linearen  Substitutionen 
mit  reellen  Coefficienten  und  der  Determinante  —  1: 

(8)  (0="^^—^ 

dargestellt. 

Eine  Wiederholung  der  Bewegung  (8)  liefert  die  Bewegung  erster 
Art: 

(a' -  ßY)co  +  ßid  -  a) 


(8*) 


~y{d-u)co-\-(S'-ßy) 


die,  wenn  sie  nicht  bloss  die  Identität  ist,  notwendig  hyperbolisch 
ist,  da 

(a'  +  ^2  —  2ßyy  =  [(«  -  df  +  2]^  >  4 

ist.  Wollen  wir  prüfen,  ob  bei  der  Bewegung  (8)  Punkte  fest  bleiben, 
so  haben  wir  zunächst  zu  beachten,  dass  ein  solcher  Punkt  auch  bei 
der  Wiederholung  der  Bewegung  fest  bleibt  und  demnach  der  Wert 
von  G)  für  diesen  Punkt  reell  sein  muss. 

Da  nun  eben  die  beiden  Wurzeln  a  der  Gleichung: 

ya^  —  (d-\-ci)a-}-ß  =  0 

reell  und  verschieden  sind,  so  ist  klar,  dass  bei  der  Bewegung  (8)  zwei 
reelle,  getrennte  und  im  Unendlichen  gelegene  Punkte  der  Fläche  fest 
bleiben,  die  auch  die  festen  Punkte  im  Falle  der  hyperbolischen  Be- 
wegung (8*)  sind.  Die  geodätische  Linie,  die  bei  der  Wiederholung 
der  Bewegung  (8*)  fest  bleibt,  bleibt  es  auch  bei  der  Bewegung  (8)5 
alle  übrigen  geodätischen  Linien  dagegen  ändern  ihre  Lage. 

Wir  betrachten  nun  den  besonders  interessanten  Fall,  in  dem  die 
Wiederholung  der  Bewegung  (8)  die  Identität  liefert,  was  nur  dann 
eintritt,  wenn  d  =^  a  ist.  Dann  bleiben  infolge  der  Gleichung  (8)  in 
der  CO -Ebene  alle  Punkte  des  Kreises: 

y(x^  -{-y^)  —  2KX-\-  ß  =  0 
oder: 


(^-7)'+^'  =  ? 


§  233.  Bewegungen  zweiter  Art.    §  234.  Abänderung  d.  conformen  Abbildung.   425 

fest.  Dieser  Kreis  ist  reell  und  sehneidet  die  Grenzgerade  rechtwink- 
lig*). Also:  Eine  Bewegung  zweiter  Art  mit  der  Periode  2  ist 
nichts  anderes  als  eine  Spiegelung  der  Fläche  an  einer  reellen 
geodätischen  Linie,  deren  Punkte  sämtlich  fest  bleiben. 

Hieraus  folgt  dann  unmittelbar: 

Jede  andere  Bewegung  zweiter  Art  ergiebt  sich  als  Auf- 
einanderfolge einer  Spiegelung  der  Fläche  an  einer  geodä- 
tischen Linie  und  einer  Verschiebung  der  Fläche  in  sich 
längs  dieser  Linie  (einer  hyperbolischen  Bewegung). 

Wir  überlassen  es  dem  Leser,  diese  Ergebnisse  mit  denjenigen  für 
Bewegungen  der  Kugel  und  der  Ebene,  bei  denen  sich  die  beiden 
Seiten  vertauschen,  zu  vergleichen. 

§  234.     Abänderung  der  conformen  Abbildung. 

Auf  die  in  §  230  benutzte  Abbildung  der  Pimkte  der  pseudo- 
sphärischen Fläche  wenden  wir  nun  eine  Transformation  mittels  reci- 
proker  Radienvectoren  an,  wobei  wir  den  Pol  der  Transformation  in 
die  negative  Halbebene  verlegen.  Die  Grenzgerade  geht  dann  in 
einen  Grenzkreis  über;  die  reellen  und  im  Endlichen  gelegenen 
Flächenpunkte  werden  auf  das  Innere  des  Grenzkreises  abgebildet,  die 
Punkte  im  Unendlichen  auf  die  Peripherie,  während  den  äusseren 
Punkten  kein  reeller  Flächenpunkt  entspricht.  Die  geodätischen  Linien 
der  Flächen  werden  als  Kreise  abgebildet,  die  den  Grenzkreis  ortho- 
gonal schneiden,  und  die  wirkliche  geodätische  Entfernung  zweier 
Punkte  wird  nach  einem  Gesetz  gemessen,  das  dem  in  §  230,  S.  420, 
angegebenen  völlig  analog  ist. 

Unter  den  zum  Grenzkreise  orthogonalen  Kreisen  befinden  sich 
auch  die  Durchmesser  des  Grenzkreises:  die  ihnen  entsprechenden  geo- 
dätischen Linien  gehen  von  einem  reellen  imd  im  Endlichen  gelegenen 
Punkte  der  Fläche  aus.  Auf  Grund  dessen  können  wir  die  Formeln 
für  diese  Abbildung  ableiten,  indem  wir  von  dem  elliptischen  Ausdruck 
für  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche  (vgl.  S.  190): 

ausgehen  und  dasselbe  mit  dem  Quadrat  des  Linienelements  der  Ebene 

in  Polarcoordinaten: 

ds^  =  dg'  +  Q-dr- 

vergleichen.     Xach    Einführung    der   isometrischen    Parameter    ergiebt 

sich  die  Abbildungsformel: 

ß 

*;  Ist  y  =  0,  so  tritt  natürlich  an  Stelle  des  Kreises  die  (Jerade:  a?  =  ^, 

die  auf  der  Grenzgeraden  senkrecht  steht. 


426  Kap.  16.    Pseudosphärische  Geometrie. 


u 


logtgh:^  -j-  iv  =  mQ.ogQ  -\-  id-)  -\-  a-\-  ib, 

wo  m,  a,  b  reelle  Constanten  sind.  Da  aber  auch  in  der  Umgebung 
des  Punktes  (>  =  0  Winkeltreue  herrschen  muss,  so  müssen  wir  tri 
gleich  Eins  setzen. 

Die  Constante  b  kann  gleich  Null  gesetzt  und  a  durch  Änderung 
der  Grössenverhältnisse  der  Figur  gleich  Eins  gemacht  werden.  Dem- 
nach lauten  die  Abbildungsformeln  einfach: 

(9)  ^^tgh^**^,      ^  =  v, 

und  es  ist  der  Radius  des  Grenzkreises  gleich  Eins,  da  p  =  1  für  u  =  oc  ist. 

§  235.     Abbildung   der   Curven  von   constanter   geodätischer 

Krümmung. 

Die  eben  betrachtete  Abbildung  sowie  auch  diejenige,  von  der 
wir  ausgegangen  sind,  haben  mit  der  stereographischen  Polarprojection 
der  Kugel  die  wichtige  Eigenschaft  gemein,  die  in  dem  nachstehenden 
Satze  ausgedrückt  ist:  Jede  Flächencurve  von  constanter  geo- 
dätischer Krümmung  hat  zur  Bildcurve  in  der  Ebene  einen 
Kreis,  und  umgekehrt. 

Zum  Beweise  bemerken  wir  zunächst,  dass  auf  jeder  pseudosphä- 
rischen Fläche  (wie  auf  jeder  beliebigen  Fläche  mit  constantem  Krüm- 
mungsmass)  die  geodätischen  Parallelen  zu  einer  Curve  L  von  con- 
stanter geodätischer  Krümmung  ebenfalls  constante  geodätische  Krüm- 
mung besitzen  und  mit  den  Orthogonaltrajectorien  ein  Isothermen- 
system bilden.  Wir  wählen  nämlich  als  Parameterlinien  v  =  Const.  die 
L  senkrecht  schneidenden  geodätischen  Linien  und  als  Parameterlinien 
ti  =  Const.  ihre  Orthogonaltrajectorien,  von  denen  die  Curve  m  =  0  die 
Curve  L  sein  möge,  und  setzen  ferner  fest,  dass  der  Parameter  v  der 
Bogen  der  Curve  u  =  0,  gerechnet  von  einem  festen  Punkte  der  Curve 
an,  und  u  der  Bogen  einer  geodätischen  Linie,  gerechnet  von  m  =  0  an, 
sein  soll.  Dann  hat  das  Quadrat  des  Linienelements  die  Form  (§  96, 
S.  187): 

ds^  =  du'^ -\- i(p(v)e''^ -\- ip{v)e    ^J  dv^. 
Da  nun  die  geodätische  Krümmung  der  Curve  tt  =  0,  nämlich  nach  S.  148 

1  1    tp{v)  ■ —  l/»(t)) 

Po  ~  -R  qfW  +  -v-W' 
nach  Voraussetzu^ng  constant  ist,   so   folgt  daraus  für  das  Quadrat  des 
Linienelements  eine   der  drei  typischen  Formen  A),  B),  C)  des  Para- 
graphen 98,  S.  190,  wodurch  die  Behauptung  bewiesen  ist. 


§  236.    Die  drei  Arten  von  geodätischen  Kreisen.  427 

Ist  nach  dieser  Vorbemerkung  L  eine  auf  der  Fläche  gelegene 
Curve  constanter  geodätischer  Krümmung,  so  haben  die  geodätischen 
Linien,  die  sie  senkrecht  schneiden,  zum  Bilde  ein  Kreissystem,  das 
wegen  seiner  Zugehörigkeit  zu  einem  doppelten  Isothermensystem  ein 
Büschel  ist  (§  91,  S.  177).  Es  ist  denmach  jede  Orthogonaltrajectorie 
dieser  Kreise,  insbesondere  das  Bild  der  Curve  L,  ein  Kreis  des  Ortho- 
gonalbüschels. 

Umgekehrt,  ist  C"  ein  Kreis  in  der  Ebene,  so  bestimmt  er  zu- 
sammen mit  dem  Grenzkreise  (bezw.  der  Grenzgeraden)  ein  Kreisbüschel, 
dessen  Orthogonalkreise  Bilder  von  geodätischen  Linien  sind,  die  einem 
Isothermeiisystem  angehören.  Die  Orthogonaltrajectorien  dieser  geodäti- 
schen Linien  sind  folglich  Curven  constanter  geodätischer  Krümmung. 


§  236.     Die  drei  Arten  von  geodätischen  Kreisen. 

Die  Curven  constanter  geodätischer  Krümmung  auf  der  pseudosphä- 
rischen Fläche  vom  Radius  It  zerfallen,  entsprechend  den  drei  vorhin  er- 
wähnten Ausdrücken  B"),  A),  C)  für  das  Quadrat  des  Linienelements,  in  drei 
wohl  zu  unterscheidende  Arten.    Bei  der  ersten  Art  ist  die  geodätische 

Krümmung  grösser  als  -^,  bei  der  zweiten  gleich  ^,    bei  der  dritten 

kleiner  als  -^  ■     Hinsichtlich  ihrer  ebenen  Bilder  unterscheiden  sie  sich 

wie  folgt:  Nehmen  wir  als  Beispiel  die  Abbildung  auf  die  Halbebene 
und  sei 

die  Gleichung  des  Bildkreises  der  Curve  L,  beachten  wir  sodann,  dass 
das  Quadrat  des  Linienelements  (5*)  der  Fläche  die  Form: 

hat,  und  wenden  wir  die  Bonnet'sche  Formel  (Kap.  VI,  S.  149)  an, 
so  erhalten  wir  für  die  geodätische  Krümmung  der  Curve  L  den 
Ausdruck : 

J__J_    ^ 

e.,         B      r 

Hierdurch  werden  unsere  obigen  Folgerungen  bestätigt,  und  femer 
wird  bewiesen,  dass  die  Curve  L  zur  ersten,  zur  zweiten  oder  zur 
dritten  Art  gehört,  je  nachdem  der  Bildkreis  ganz  im  Innern  der  posi- 
tiven Halbebene  liegt  oder  die  reelle  Axe  berührt  oder    endlich   die- 


428  Kap.  16.    Pseudosphürische  Geometrie. 

selbe  schneidet*).  Die  Curven  L  der  ersten  Art  sind  wirkliche  geodä- 
tische Kreise  mit  reellen  und  im  Endlichen  gelegenen  Mittelpunkten. 
Der  Bildpunkt  des  Mittelpunktes  in  der  positiven  Halbebene  ist  der- 
jenige Punkt,  durch  welchen  alle  die  Grenzgerade  und  den  Bildkreis 
von  L  senkrecht  schneidenden  Kreise  hindurchgehen.  Im  zweiten  Falle 
liegt  dieser  Punkt  auf  der  Grenzgeraden,  und  der  zugehörige  Flächen - 
punkt  rückt  ins  Unendliche-,    es   sind  somit   die  Curven  mit  der  con- 

stanten  geodätischen  Krümmung  -^  als  geodätische  Kreise,  deren  Mittel- 
punkte unendlich  fern  liegen,  aufzufassen,  und  sie  werden  auch  als 
Grenzkreise  bezeichnet.  Endlich  wollen  wir  die  Bezeichnung  „geo- 
dätische Kreise"  auch  auf  den  dritten  Fall  ausdehnen;  dann  sind  aber 
die  Grenzpunkte  des  die  Grenzgerade  und  den  Bildkreis  senkrecht 
schneidenden  Kreisbüschels  imaginär,    und    wir   nennen    deswegen    die 

Curven  />,   deren   constante  geodätische  Krümmung  kleiner  als  -^    ist, 

geodätische  Kreise  mit  imaginären  Mittelpunkten.  Die  Kreise 
der  letzten  Art  können  auch  als  die  geodätischen  Parallelen  zu  einer 
geodätischen  Linie  definiert  werden. 

Wir  bemerken  schliesslich,  dass  sich  bei  der  zweiten  Abbildung 
die  drei  Arten  von  Kreisen  hinsichtlich  der  Bildcurven  in  der  Weise 
unterscheiden,  dass  der  Bildkreis  entweder  ganz  im  Innern  des  Grenz- 
kreises liegt  oder  ihn  von  innen  berührt  oder  ihn  schneidet. 

§  237.     Der  Parallelitätswinkel. 

Wir  betrachten  nun  auf  der  pseudosphärischen  Fläche  eine  geodätische 
Linie  g  und  einen  nicht  auf  g  gelegenen  Punkt  o  und  sehen  zu,  wie  sich 
das  Büschel  der  von  o  ausgehenden  geodätischen  Linien  hinsichtlich  der 
Curve  g  verhält.  Wir  bedienen  uns  der  zweiten  conformen  Abbildung,  die 
wir  in  der  Weise  vornehmen,  dass  der  Punkt  o  den  Mittelpunkt  0  des 
Grenzkreises  Fzum  Bildpunkt  hat  (siehe  Fig.  12a).  Die  geodätische  Linie 
g  ist  dann  in  einen  Kreis  G,  der  F  senkrecht  schneidet,  und  das  Büschel 
der  von  o  ausgehenden  geodätischen  Linien  in  das  Strahlbüschel  mit 
dem  Scheitel  0  abgebildet.  Es  mögen  A,  B  diie  Punkte  sein,  in  denen 
G  und  r  einander  schneiden.  Diejenigen  Strahlen  durch  0,  welche  in 
dem  Winkelraum  AOB  liegen,    schneiden  G  in  reellen  Punkten,    die 


*)  Im  letzten  Falle  ist,  wenn  t/»  den  Winkel  bedeutet,  unter  dem  der  Bild- 
kreis die  Grenzgerade  schneidet,  offenbar: 

1  cos  1/) 


§  237.    Der  Parallelitätswinkel. 


429 


übrigen  nicht.  Auf  der  Fläche  entsprechen  den  Strahlen  OA  und  OB 
zwei  geodätische  Linien  oa  und  oh,  die  parallel  zu  g  genannt  werden, 
da  ihre  Schnittpunkte  mit  g  im  Unend- 
lichen liegen  (siehe  Fig.  12  b).  Sie  bilden 
die  Scheidegrenze  zwischen  denjenigen  geo- 
dätischen Linien  des  Büschels  (o),  welche  g 
in  reellen,  und  denjenigen,  welche  g  in 
imaginären  Punkten  schneiden. 

Fällen  wir  vom  Punkte  o  auf  g  das 
geodätische  Lot  op,  so  hat  dasselbe  den 
kleinsten  Abstand  des  Punktes  0  vom 
Ki-eise  G  zum  Bilde.  Da  die  Winkel  AOF 
und  BOP  einander  gleich  sind,  so  ist 
auch  i aop  =  iJjop. 

Dieser  Winkel  a  =  iaop  heisst   der 
Parallelitäts Winkel  des  Punktes  0  be- 
züglich  der  geodätischen  Linie  g;    er  hängt,    wie  wir  sogleich   sehen 
werden,   nur   von  der  geodätischen  Entfernung  d  =  oj)  des  Punktes  o 


Fig.  12  a. 


von  der  geodätischen  Linie  g  ab.  Um  die  Beziehung  zwischen  a  und 
d  zu  finden,  beachten  wir,  dass  sich,  wenn  unter  C  der  auf  OP  ge- 
legene Mittelpunkt  von  G  verstanden  wird,  aus  dem  rechtwinkligen 
Dreieck  OCA  die  Gleichung: 

CA^  +  OA^  =  (CP  +  OPy-  =  CA^  4-  OF-  +  2  CA  .  OP, 

demnach : 

CA 

ergiebt. 

Nun  ist : 

0.4=1,      CA  =  tga, 

und  nach  den  Abbildungsgleichungen  (9): 


OÄ-  —  OP' 
20P 


OP  =  tgh 


2R 


Daraus  ergiebt  sich  die  gesuchte  Gleichung: 


430  Kap.  IG.    Pseudosphärische  Geometrie. 


(10) 

cot  a  =  sink  -^  > 

XI 

die  auch  in  der  Form: 

(10*) 

8 

,    a             R 

cot  -—  =  e 

geschrieben  werden  kann. 

Also:  Durch  jeden  Punkt  o  einer  pseudosphärischen  Fläche 
gehen  zwei  geodätische  Linien,  die  einer  festen  geodätischen 
Linie  y  parallel  sind.  Der  Parallelitätswinkel  a  und  die 
geodätische  Entfernung  d  des  Punktes  o  von  g  sind  durch 
die  Gleichung  (10)  oder  (10*)  mit  einander  verknüpft. 

Je  kleiner  8  ist,  desto  näher  liegt  a  an  — ,  d.  h.  die  beiden  geo- 
dätischen Parallelen  haben  das  Bestreben,  in  eine  einzige  zusammen- 
zufallen, wenn  sich  der  Punkt  o  der  Curve  g  nähert. 

§  238.     Geodätische  Dreiecke. 

Wir  betrachten  nun  ein  geodätisches  Dreieck  oal)  auf  der  Fläche  und 
führen  die  zweite  conforme  Abbildung  in  der  Weise  durch,  dass  der  Bild- 
punkt der  Ecke  o  in  den  Mittelpunkt  0  des  Grenzkreises  fällt  (siehe  Fig.  13). 

Das  Bilddreieck  OAB  wird  dann 
von  zwei  geraden  Strecken  OA 
und  OB  und  von  dem  Bogen  AB 
eines  Kreises  gebildet,  der  den 
Grenzkreis  senkrecht  schneidet.  Be- 
zeichnen wir  mit  I)  und  E  die 
anderen  Schnittpunkte  von  OA 
bezw.  OB  mit  dem  Kreise  AB, 
dessen  Mittelpunkt  C  sei,  so  haben 
wir: 

0A.0D  =  1,     OB.OE=l, 

L-A  =  L  ABB,  LB  =  L  BBE, 
also: 

LA-\-  LB  +  L0  =  7t—LAÜ'B. 

In  Übereinstimmung  mit  dem 
Gaussischen  Satze  (§  90,  S.  176) 
ergiebt  sich,  dass  die  Summe 
der  drei  Winkel  eines  geodätischen  Dreiecks  kleiner  ist  als 
zwei    Rechte.     Da    der    Fehlbetrag   gleich    dem    durch    B^   geteilten 


Fig.  13. 


§  238.   Geodätische  Dreiecke.     §  239.   Pseudosphärisclie  Trigonometrie.    431 

Flächeninlialt  /i  (ebenda)  und  dieser  Fehlbetrag  in  unserer  Figur  durch 
den  Winkel  a  =  AC'B  gegeben  ist,  so  ist: 

Wir  sehen  fem  er,  dass  jedem  geodätischen  Dreieck,  gleichwie  in 
der  ebenen  und  sphärischen  Geometrie,  ein  geodätischer  Kreis  um- 
schrieben werden  kann:  aber  in  dem  vorliegenden  Falle  kann  dieser 
Kreis  entweder  ein  wirklicher  geodätischer  Kreis,  d.  h.  einer  mit  reellem 
Mittelpunkt,  oder  ein  Grenzkreis  oder  endlich  ein  KJreis  mit  imagi- 
närem Mittelpunkt  sein.  Um  aus  dem  ebenen  Bilde  zu  entscheiden, 
welcher  der  di-ei  Fälle  vorliegt,  brauchen  wir  nur  den  Kreis  AOB  zu 
construieren  und  zuzusehen,  ob  er  ganz  im  Innern  des  Grenzkreises 
liegt  oder  ihn  berührt  oder  ihn  schneidet. 

§  239.     Pseudosphärisehe  Trigonometrie. 

Wie  in  der  sphärischen  Geometrie,  so  ist  auch  in  der  pseudo- 
sphärischen ein  Dreieck  durch  drei  seiner  Stücke  bestimmt,  und  es  ist 
demnach  hier  der  Ort,  auf  die  Beziehungen,  welche  die  drei  Seiten 
und  die  drei  Winkel  mit  einander  verknüpfen  (von  einander  unab- 
hängige giebt  es  deren  drei),  d.  h.  auf  die  Formeln  der  pseudosphä- 
rischen Trigonometrie  einzugehen.  Wir  bezeichnen  ein  geodätisches 
Dreieck  mit  ABC,  die  drei  Winkel  mit  A,  B,  C,  die  gegenüberliegen- 
den Seiten  entsprechend  mit  a,  h,  c.  Dann  ist  die  ganze  pseudo- 
sphärische Trigonometrie  in  der  folgenden  Bemerkung  enthalten: 

Die  trigonometrischen  Formeln  für  die  pseudosphäri- 
schen Flächen  vom  Radius  B,  ergeben  sich  aus  denjenigen 
für  die  Kugel  vom  Radius  B,  wenn  in  diesen  B  durch  B^ — 1 
ersetzt  wird. 


*)  Auf  Grund  dieser  einfachen  Gleichung  wird  der  Leser  leicht  die  folgen- 
den Sätze  beweisen  können: 

1.  Wenn  von  einem  auf  einer  pseudosphärischen  Fläche  gelege- 
nen geodätischen  Dreieck  von  constantem  Inhalt  die  Grundlinie 
der  Länge  und  Lage  nach  fest  bleibt,  so  ist  der  Ort  der  Spitze  ein 
geodätischer  Kreis  mit  imaginärem  Mittelpunkt. 

2.  Unter  den  geodätischen  Dreiecken,  von  denen  zwei  Seiten  der 
Länge  nach  gegeben  sind,  hat  dasjenige  den  grössten  Inhalt,  in 
welchem  der  Winkel  zwischen  den  beiden  gegebenen  Seiten  gleich 
der  Summe  der  beiden  anderen  Winkel  ist. 

Auf  diesem  letzten  Satze,  der  der  ebenen  und  der  sphärischen  Geometrie  ge- 
meinsam ist,  kann  bekanntlich  die  gesamte  Theorie  der  isoperimetrischen  Auf- 
gaben aufgebaut  werden. 


432 


Kap.  16.     Pseudosphärische  Geometrie. 


Dadurch  gehen  die  trigonometrischen  Functionen  der  Seiten  in 
hyperbolische  Functionen  über. 

Zum  Beweise  des  Satzes  brauchen  wir  nur  die  Richtigkeit  der 
drei  Grundformeln  nachzuweisen: 


sinh 


(11) 

(12) 


B 


sm  A 


sinh^j 
Ja 

sin  B 


COS  Ä  =  sin  B  sin  C  cosh 


B 


smh|^ 
sin  G 
—  COS  B  cos  C. 


die  in  der  angegebenen  Weise  aus  drei  Grundformeln  der  sphärischen 
Trigonometrie  hervorgehen. 

Wir  bilden  das  Dreieck  CÄB  so  auf  die  Ebene  ab,  dass  der  Bild- 
punkt der  Ecke  G  in  den  Mittelpunkt  C  des  Grenzkreises  fällt,  und 
verlängern  die  geraden  Seiten  des  Bilddreiecks,   CA   und   CB,    bis  sie 

den  Bildkreis  der  dritten 
Seite  AB  zum  zweiten 
Male  in  A'  bezw.  B, 
schneiden  (Fig.  14),  so- 
dass wir 

CA.CA'=1, 
CB .  CB'=  1 
haben. 

Wenn  sich   die  Dia- 
gonalen AB'j  A'B  des 
Vierecks    ABB'A'    in 
M   schneiden,     so    er- 
halten  wir  aus   den   ähnlichen    Dreiecken   AA'M  und   BB'M: 

AA' :  BB'=  MA' :  MB'=  sin  A  :  sin  B. 
Nach  den  Abbildungsgleichungen  ist  nun: 


>C 


Fig.  14. 


CA  =  tgh 


demnach: 


2ie 


CB  =  tffh 


2i? 


AA'= 


CA 


CA  = 


sinh 


B 


1 
CB 


BB'=  ~-  CB  = 


sinh 


folglich: 


B 


§  239.    Pseudosphärische  Trigonometrie.  433 

Der   gemeinsame   Wert   dieser   Verhältnisse   ist   offenbar   auch   gleich 


sinhA 


.   ^  '     Somit  sind  die  Formeln  (11)  richtig. 

Um  die  Formel  (12)   zu  beweisen,  berücksichtigen  wir  die  Glei- 
chungen : 


CB'         önA'AB' 

CA           sinAB'C  ' 

CB          sinA'B'B 

Aus  ihnen  folgt: 

CA    ~  sin  B'A'A 

CB' 
CB 
Da  nun 

^^^^9    a           siaA' AB'  sin  B' A' A 
—  com  2JJ  —  sinAB'C  sin  A'B'B 

Ä-\-B-\-C=z  —  2AB'C,      —Ä-{-B-\-C  =  jt  —  2  ABB, 

Ä  —  B+C=7t  —  2B'Ä'A,         A-{-  B—C=:r~  2A'AB' 

ist,  so  lässt  sich  die  letzte  Gleichung  auch  folgendermassen  schreiben: 


A4-B  —  C         A  —  B  +  C 
cos ' — cos  ' 


coth 


a    2 2 cos^  +  cos(.B  —  C) 

^R~        ^-fJB  +  C        — ul+^+C'"~  cos  4  +  cos(B  +  C) 
cos ' ' —  cos  —  i  \       \       J 


2 
oder: 

cos  A  -\-  cos  B  cos  C  =  sin  5  sin  C  ( cosh-  ^-^  -\-  sinh-  ^1 , 

eine  Gleichung,  die  mit  der  Formel  (12)  übereinstimmt. 

Zu  demselben  Ergebnis  können  wir  direct  gelangen,  wenn  wir  die 
Sätze  von  den  geodätischen  Linien  der  pseudosphärischen  Rotations- 
flächen mit  dem  Quadrat  des  Linienelements: 

ds-  =  du^  +  R-  sinh^^  dv^ 

anwenden.     So   ergeben  sich  z.  B.   die  Formeln  (11)   unmittelbar  aus 
dem  Clairaut'schen  Satz  (§  89,  S.  174). 

Anmerkung.  —  Bei  der  Anwendimg  der  Formeln  der  pseudo- 
sphärischen Trigonometrie  ist  zu  beachten,  dass  in  der  pseudosphäri- 
schen Geometrie  ganz  andere  Umstände  eintreten  können  als  in  der 
gewöhnlichen  Kugelgeometrie,  wie  z.  B.,  dass  eine  Ecke  oder  zwei 
Ecken  oder  endlich  alle  drei  Ecken  des  Dreiecks  ins  Unendliche  rücken 
können.  Wenden  wir  z.  B.  bei  einem  in  A  rechtwinkligen  Dreieck  die 
Fonnel: 

tgh  -^  =  sinh  |r  tg  5 

an  und  nehmen  wir  an,  dass,  während  A  und  B  fest  bleiben,  die  Ecke 
C  ins  Unendliche  rückt,  so  folgt: 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  28 


434  Kap.  16.    Pseudosphärische  Geometrie. 


lim  tgh   '-=  1, 

6  =  00  ^ 


und   die  letzte    Gleichung  geht    in    die   Gleichung   (10)   über,   die   den 
Parallelitätswinkel  bestimmt. 


§  240.    Überblick  über  die  nicht  -  euklidiselie  Geometrie. 

In  den  Hauptsätzen  der  pseudosphärischen  Geometrie,  die  wir  in 
den  voraufgehenden  Paragraphen  abgeleitet  haben,  ist  eine  nahe  Ana- 
logie mit  denjenigen  der  ebenen  und  der  sphärischen  Trigonometrie 
erkennbar.  Den  Grund  dieser  Analogieen  sowie  der  Verschiedenheiten 
in  den  drei  Geometrieen  können  wir  a  priori  einsehen.  Prüfen  wir 
nämlich  die  Axiome  und  die  Grundpostulate  der  ebenen  Geometrie, 
wie  sie  im  ersten  Buche  des  Euklid  niedergelegt  sind,  und  ersetzen 
wir  im  Falle  der  pseudosphärischen  Flächen  die  Gerade  durch  die 
geodätische  Linie,  so  sehen  wir,  dass,  wenn  wir  vom  Postulat  XII,  be- 
treffend die  Parallelen,  absehen,  alle  übrigen  in  der  pseudosphärischen 
Geometrie  unverändert  gültig  bleiben.  So  verhält  es  sich  insbesondere 
mit  dem  Princip  der  Deckung  der  Figuren,  sowie  auch  mit  dem,  dass 
eine  geodätische  Linie  durch  zwei  ihrer  Punkte  eindeutig  bestimmt 
ist.  Diejenigen  Sätze  der  ebenen  Geometrie,  welche  vom  Parallelen- 
postulat unabhängig  sind,  gelten  also  auch  für  die  pseudosphärische 
Geometrie;  die  anderen  erfahren  eine  Abänderung  dahin,  dass  sie  in 
die  alten  Sätze  übergehen,  wenn  der  Radius  B  der  pseudosphärischen 
Fläche  unendlich  gross  gemacht  wird. 

Die  obigen  Überlegungen  beweisen  bereits  die  Nutzlosigkeit  der 
Versuche,  die  man  angestellt  hat,  um  das  Parallelenpostulat  zu  bewei- 
sen. Könnte  dasselbe  aus  den  anderen  Principien  logisch  gefolgert 
werden,  so  müsste  es  auch  für  die  pseudosphärischen  Flächen  im  eukli- 
dischen Räume  gelten. 

Lässt  man  nun  thatsächlich  in  der  ebenen  Geometrie  das  eukli- 
dische Postulat  fallen,  so  wird  man  auf  eine  sogenannte  abstracte 
oder  nicht-euklidische  Geometrie  geführt,  deren  Grundlagen  von 
Bolyai  und  Lobatschewsky  gelegt  worden  sind  und  welche  (die 
Gerade  als  unbegrenzt  angenommen)  mit  der  pseudosphärischen  Geo- 
metrie vollkommen  zusammenfällt. 

§  241.    Beltrami'sche  Abbildung. 

Derjenige,  welcher  zuerst  nachwies,  dass  die  Sätze  der  nicht-eukli- 
dischen Geometrie  auf  den  pseudosphärischen  Flächen  eine  reelle  Deu- 
tung finden,  war  Beltrami  in  seiner  berühmten  Abhandlung:  Saggio 


§  241.    Beltrami'sche  Abbildung.  435 

d'interpretazione  della  geometria  non-euclidea*).  Zu  Grunde 
liegt  diesen  Untersuchungen  von  Beltrami  eine  Abbildung  der  pseudo- 
sphärischen  Flächen  auf  die  Ebene,  die  zu  den  vorhin  betrachteten  in 
derselben  Beziehung  steht,  wie  die  Centralprojection  der  Kugel  zu 
der  stereographischen  Polarprojection. 

Wir  leiten  die  Beltrami'sche  Abbildung  aus  derjenigen  in  §  234 
in  der  folgenden  von  Klein  angegebenen  Weise  ab:  Wir  denken  uns 
eine  Kugel,  welche  die  Bildebene  im  Mittelpunkt  des  Grenzkreises  be- 
rührt und  deren  Durchmesser  gleich  dem  Radius  des  Grenzkreises  ist. 
Projicieren  wir  die  Ebene  vom  gegenüberliegenden  Pol  aus  stereogra- 
phisch auf  die  Kugel,  so  werden  der  Grenzkreis  in  den  Äquator  der 
Kugel,  die  Punkte  im  Innern  des  Grenzkreises  auf  die  untere,  die 
Punkte  ausserhalb^ des  Grenzkreises  auf  die  obere  Halbkugel  projiciert, 
und  die  den  Grenzkreis  senkrecht  schneidenden  Kreise  (die  Bilder  der 
geodätischen  Linien  der  Fläche)  gehen  in  Kreise  über,  deren  Ebenen 
auf  der  Aquatorebene  senkrecht  stehen.  Xun  projiciren  wir  die  Punkte 
der  unteren  Halbkugel  orthogonal  auf  die  Aquatorebene  und  erhalten 
so  eine  Abbildung  der  pseudosphärischen  Fläche  auf  die  Ebene,  bei 
der  das  reelle  Gebiet  ganz  auf  das  Innere  des  Äquators  abgebildet  ist 
und  die  geodätischen  Linien  die  Sehnen  dieses  Grenzkreises  zu  Bildern 
haben.  Dieses  ist  die  Beltrami'sche  Abbildung.  Sie  ist  um  den 
Mittelpunkt  der  Figur  herum  winkeltreu. 

Die  Formeln  für  die  Beltrami'sche  Abbildung  ergeben  sich  un- 
mittelbar aus  der  analytischen  Fassung  der  angegebenen  Klein'schen 
Construction.  Es  sei  a  der  Radius  der  Kugel,  also  '2a  der  des  Grenz- 
kreises. Dann  haben  wir  gemäss  den  Abbildungsformeln  ^9)  in  §  234, 
S.  426: 

Nun  bezeichnen  wir  mit  x,  y  die  rechtwinkligen  Cartesischen  Coordi- 
dinaten  des  vennöge  der  Beltrami  scheu  Abbildung  entsprechenden 
Punktes  in  der  Aquatorebene  und  mit  q^,  %^  die  Polarcoordinaten. 
Dann  haben  wir: 

folglich: 

(13)  X  =  a  tgh  -^  cos  V,    y  =  a  tgh  -^  sin  v. 

Wählen  wir  als  Parameterlinien  auf  der  Fläche  die  (geodätischen) 
Linien  a:  =  Const.,  y=  Const.,  so  erhalten  wir  für  das  Quadrat  des 
Linienelements  der  Fläche,  nämlich  für: 

*)  Giomale  di  Matematiche,  6.  Bd.,  1868. 


436  Kap.  16.    Pseudosphärische  Geometrie. 


II 


ds^  =  du^  -j"  -^^  sinh^  -^  dv^ , 
aus  den  Gleichungen  (13)  den  Ausdruck: 

/-IA\  ^.2  _  7?2  (^'  —  y^dx^  +  2xydxdy  +  (ct^  —  x^)dy^ 

1^1^;  as    —  ^  —  („2  _  a;2  _  2/^)^  ' 

und  dieses  ist  die  Fundamentalgleichung  von  Beltrami.  Nach  dem 
früher  Gesagten  ist  klar,  dass  in  diesen  Coordinaten  x,  y  die  Gleichung 
jeder  geodätischen  Linie  linear  ist,  und  umgekehrt, 

§  242.    Flächen,  die  auf  die  Ebene  geodätiscli  abbildbar  sind. 

Der  Ausdruck  (14)  für  das  Quadrat  des  Linienelements  der  pseudo- 
sphärischen Flächen  war  von  Beltrami  bereits  in  einer  früheren 
Abhandlung  gefunden  worden*),  in  der  er  die  Aufgabe  gestellt  und 
gelöst  hatte,  diejenigen  Flächen  zu  bestimmen,  welche  auf  die  Ebene 
geodätisch  abbildbar  sind,  d.  h.  so,  dass  die  geodätischen  Linien  der 
Fläche  in  Geraden  der  Ebene  abgebildet  werden.  Er  fand,  dass  die 
einzigen  Flächen,  die  einer  solchen  Abbildung  fähig  sind,  die  Flächen 
mit  constantem  Krümmungsmass  sind.  Dieses  wichtige  Ergebnis  wollen 
wir  hier  kurz  ableiten. 

Es  sei  in  der  Bildebene  ein  Cartesisches  Coordinatensystem  (m,  v) 
gewählt  und 

ds^  =  Edu"  +  2Fdudv  +  Gdv^ 

das  Quadrat  des  entsprechenden  Linienelements  der  Fläche.  Nach  der 
Voraussetzung  ist 

D  z=  au  -\-  h, 

wo  a,  1)  willkürliche  Constanten  sind,  die  allgemeine  Litegralgleichung 
der  geodätischen  Linien.  Es  lautet  nun  ihre  Differentialgleichung, 
?;"=  0,  in  der  Gestalt  (10*),  §  78,  S.  154,  geschrieben,  so: 

."={V}.'»  +  (2{-}-{V})«'^  +  ({V}-2{-})./-{V}- 
Daraus  ergeben  sich  für  E,  F  und  G  die  Bedingungen: 

Nun  nehmen  wir  die  Gleichungen  (II),  §  29,  S.  52,  für  das  Krüm- 
mungsmass K,  die  in  unserem  Falle  wie  folgt  lauten: 


*)  Annali  di  Matematica,  7.  Bd.,  S.  186  (1866). 


§  242.    Flächen,  die  auf  die  Ebene  geodätisch  abbildbar  sind.  437 

Differenzieren  wir  die  erste  nach  v,  die  darunter  stehende  nach  ti  und 
subtrahieren  wir,  so  erhalten  wir  unter  Berücksichtigung  der  Identität: 


E  cF         fl2l^         fl^lx^ 


sowie  der  obigen  Gleichungen  die  Gleichung: 

(16)  ■E|f--f|f  =  ''- 

Verfahren  wir   ebenso   mit  dem   zweiten  Gleichungenpaar  (15),  so  er- 
giebt  sich: 

cv  cu 

Aus  der  Combination  der  beiden  letzten  Gleichungen  folgt: 

du  ^       cv  ' 

d.  h.  K  =  Const.,  wie  behauptet. 

Nachdem  so  der  Satz  bewiesen  worden  ist,  brauchen  wir  nur  noch 
zu  beachten,  dass,  wenn  es  sich  um  eine  Fläche  mit  positivem  constantem 
Krümmungsmass,  d.  h.  um  die  Kugel,  handelt,  die  gesuchte  Abbildung 
sich  aus  der  Aufeinanderfolge  der  Centralprojection  und  einer  Ahnlieh- 
keitstransformation  der  Bildebene  ergiebt,  und  analog  brauchen  wir  im 
Falle  der  pseudosphärischen  Fläche  nach  der  Abbildung  in  §  241  nur 
eine  Ahnlichkeitstransformation  vorzunehmen. 

§  243.     Die   Riccati'sche  Differentialgleichung    für   die  geodätischen 

Linien. 

In  Kap.  Vn,  §  97,  S.  189,  haben  wir  bereits  den  Satz  aufgestellt: 
Die  Integration  der  Differentialgleichung  der  geodätischen 
Linien  auf  einer  gegebenen  Fläche  mit  constantem  Krüm- 
mungsmass kommt  auf  die  Integration  einer  Differential- 
gleichung erster  Ordnung  von  Riccati'schem  Typus  hinaus. 
Wir  woUen  diesen  Satz  hier  nur  für  die  pseudosphärischen  Flächen 
beweisen,  da  im  Falle  der  Kugel  seine  Richtigkeit  schon  aus  den  all- 
gemeinen Ausführungen  in  Kap.  IV,  §  50,  über  die  Bestimmung  einer 
Fläche,  von  der  die  beiden  quadratischen  Fundamentalformen  gegeben 
sind,  hervorgeht. 

Es  sei  also 


438  Kap.  16.    Pseudospliärische  Geometrie. 

cW  =  Edu^  +  2Fdudv  +  Gdv^ 
das  Quadrat  des  Linienelements  einer  gegebenen  pseudosphärischen 
Fläche  Ä,  deren  Radius  B,  wir  der  Einfachheit  halber  gleich  Eins 
setzen.  Um  die  Aufgabe  zu  lösen,  die  geodätischen  Linien  zu  bestim- 
men, brauchen  wir  auf  der  Fläche  nur  eine  Schar  paralleler  Grenz- 
kreise und  die  Schar  der  auf  ihnen  senkrechten  geodätischen  Linien, 
die  von  einem  gemeinsamen  Flächenpunkt  im  Unendlichen  ausgehen, 
zu  kennen,  da  wir  ja,  sobald  ein  solches  System  bekannt  ist,  die  con- 
forme  Abbildung  in  §  230  vornehmen  können  und  dann  alle  geodäti- 
schen Linien  bekannt  sind. 

Wir  bezeichnen  nun  mit  %•  den  Winkel,  den  die  geodätischen 
Linien  des  angenommenen  parallelen  Systems  mit  den  Curven  v  =  Const. 
bilden,  indem  wir  ihn  gemäss  der  Grundformeln  auf  S.  65  durch  die 
Gleichung: 

tg  '^  —  Edu  -f  Fdv 
definieren,  wo  du,  dv  die  Zunahmen  der  krummlinigen  Coordinaten 
^^,  V  längs  einer  der  geodätischen  Parallelen  sind.  Ist  die  Function 
xt{ii,  v)  bekannt,  so  ergiebt  sich  die  Gleichung  dieser  geodätischen 
Linien  in  endlicher  Gestalt  durch  Ausführung  der  Integration  der 
Differentialgleichung : 

(a)  E  sin  Q-  du  +  {F  sin  #  —  yEG  —  F^  cos  (p)  dv  =  0, 

was  nach  dem  Lie' sehen  Satz  (§  39,  S.  74)  mittels  Quadraturen  mög- 
lich ist.  Ebenso  lässt  sich  mittels  Quadraturen  die  Differentialgleichung 
der  orthogonalen  Grenzkreise: 

(b)  E COS&  du  +  (Fcos  d'-j-YEG  —  F^  smd)dv  =  0 
integrieren.     Nun    stellen    wir   mittels   der  Bonnet'schen  Formel  (4*), 
§  76,  S.  150,  die  Bedingungen  dafür  auf,  dass  die  geodätische  Krümmung 
der  Curven  (a)   gleich  Null,   die   der  Curven  (b)  gleich  Eins  ist,  und 
erhalten  so  die  beiden  Gleichungen: 

A/i  cos^  +  V15ZZ  sin^)  _  _i(y^cos#)  =  0, 

du\       VE  YE  /^dv^'^  '        ^ 

Durch  Ausführung  der  Differentiationen  und  Auflösen  nach  -^i  -^ 
sowie  unter  gleichzeitiger  Einführung  der  Christoffel'schen  Symbole  und 
des  durch  die  Gleichungen: 

F  .  l/EG  -  F^ 

cos  03  =    .  ■■    ,      sm  cj  = 


■[/EG'  ywG 


§  243.    Riccati'sche  Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien.        439 

definierten  Winkels  zwischen  den  Parameterlinien  erhalten  wir  für  die 
unbekannte  Function  ^(w,  t)  die  beiden  Gleichungen: 

|^  =  -|/Ssin(»_a,)-{',^}>g 
oder  die  totale  Differentialgleichung: 
(15*)  d&  +  [l/E  sin  ^  +  { y }  ^  J  du  + 

+  [VG  sin (^-co)+['^]^]dv  =  0, 

die  sofort  die  Riccati'sche  Form  annimmt,  wenn  tg-^-  als  Unbekannte 
gewählt  wird.  Da  es  einfach  unendlich  viele  geodätische  Parallelen 
giebt  und  also  die  vorstehende  Gleichung  eine  Lösung  d-  mit  einer 
willkürUchen  Constanten  besitzt,  so  ist  a  priori  ersichtlich,  dass  die 
Integrabilitätsbedingung  für  die  Gleichung  (15*)  identisch  erfüllt  ist. 
Dieses  können  wir  auch  leicht  nachweisen,  wenn  wir  die  Voraus- 
setzung: K=  —  l  berücksichtigen  und  die  Formel  (III),  S.  53,  für 
das  Krümmungsmass  benutzen. 


Kapitel  XYII. 
Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmnngsmass. 

Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Aufgabe,  eine  Fläche  mit  constantem  Krüm- 
mungsmass  zu  bestimmen,  wenn  von  ihr  ein  Streifen  gegeben  ist.  —  Die  pseu- 
dosphärischen Flächen  bezogen  auf  ihre  Haupttangentencurven  und  Evoluten- 
flachen.  —  Existenz  der  pseudosphärischen  Fläche,  von  der  je  eine  Haupttangen- 
tencurve  einer  Schaar  gegeben  ist.  —  Die  pseudosphärischen  Strahlensysteme  und 
die  Bäcklund'sche  Transformation.  —  Eigenschaften  dieser  Transformation.  — 
Entsprechende  unendlich  kleine  Verbiegungen  der  pseudosphärischen  Flächen.  — 
Complementärtransformation.  —  Lie'sche  Transformation.  —  Satz  von  der  Vertausch- 
barkeit  der  Bäcklund'schen  Transformationen  und  Folgerungen  daraus.  —  Dinis 
pseudosphärische  Schraubenfläehen.  —  Complementärfläche  der  Pseudosphäre.  — 
Flächen  mit  positivem  constantem  Krümmungsmass.  —  Hazzidakis'  Transfor- 
formation. —  Flächen  mit  constanter  mittlerer  Krümmung.  • —  Verbiegungen  dieser 
Flächen,   bei  denen  die  Hauptkrümmungsradien  ungeändert  bleiben. 


§  244.     Die  zu  gegebenen  Streifen  gehörigen  Flächen  constanter 

Krümmung. 

Nachdem  wir  uns  im  vorigen  Kapitel  mit  der  Geometrie  der 
Fläclien  mit  constantem  Krümmungsmass  beschäftigt  haben,  wollen  wir 
nunmehr  in  diesem  Kapitel  ihre  wirklichen  Gestalten  im  Räume  unter- 
suchen. 

Wir  beginnen  mit  einigen  allgemeinen  Bemerkungen  über  die 
(Cauchy'sche)  Aufgabe,  eine  Fläche  mit  constantem  Krümmungsmass 
K  zu  bestimmen,  wenn  von  ihr  ein  analytischer  Streifen  gegeben 
ist  (vgl.  §  203).  Schreiben  wir  die  gewöhnliche  Gleichung  der  Fläche 
in  der  Form: 

^  =  z{x,  y) 

und   bedienen  wir  uns  für  die  partiellen  Differentialquotienten  von  0 
der  üblichen  Monge'schen  Bezeichnungen,  so  erhalten  wir  als  Ausdruck 
dafür,  dass  das  Krümmungsmass  der  Fläche  constant,  gleich  K,  ist,  die 
Differentialgleichung  zweiter  Ordnung: 
(1)  rt-~s^=K{l-\-p^-[-(f)\ 


§  244.    Flächen  constanter  Krümmung  mit  gegebenem  Streifen.  441 

Sind  nun  eine  Curve  C,  durch  welche  die  Fläche  hindurchgehen 
soll,  und  längs  der  Curve  die  Tangentialebenen  der  Fläche  gegeben,  so 
heisst  dies:  es  sind  Hings  C  die  Grössen 

^,  y,  ^,  p,  9 

als  (wir  setzen  voraus:  analytische)  Functionen  eines  Parameters,  z.  B. 
des  Bogens  s  der  Curve  C,  gegeben.  Die  allgemeinen  Sätze  von 
Cauchy*)  besagen  nun,  dass  es  eine  und  nur  eine  analytische  Lösung 
der  Gleichung  (1)  giebt,  die  den  gestellten  Anfangsbedingungen  genügt, 
mit  Ausschluss  des  Ausnahmefalles,  in  dem  längs  C 

(2)  dp dx-\-  dqdy  =  0 

ist.  Nun  besagt  diese  Gleichung,  dass  die  längs  C  gegebenen  Flächen- 
normalen mit  den  Binormalen  der  Curve  selbst  zusammenfallen**).  Wir 
haben  also  das  Ergebnis: 

Es  giebt  eine  und  nur  eine  analytische  Fläche  mit  con- 
stantem  Krümmungsmass  K,  zu  der  ein  willkürlich  gegebener 
analytischer  Streifen  gehört.  Eine  Ausnahme  bildet  der- 
jenige Fall,  in  welchem  die  Tangentialebenen  des  Streifens 
mit  den  Schmiegungsebenen  der  Curve  zusammenfallen. 

Wir  beschäftigren  uns  nun  mit  dem  Ausnahmefall.  Dann  lehrt 
uns  die  allgemeine  Theorie,  dass  die  gestellte  Aufgabe  nicht  lösbar 
ist,  wenn  nicht  gleichzeitig  mit  (2)  die  Gleichung: 

dp  dq  —  K{1  +  i)-  +  q^dx  dy  =  0 
oder  infolge  von  (2)  die  Gleichung: 

(3)  dq^  -\-  K(l  +p'-  +  q^dx^  =  0 

besteht,  und  dass  sie  unbestimmt  ist,  wenn  die  Gleichungen  (2)  und 
(3)  neben  einander  bestehen.  Im  Falle  eines  positiven  K  ist  aber  die 
Gleichung  (3)  offenbar  unmöglich.  Auch  geometrisch  ist  sofort  er- 
sichtlich, dass  dann  in  Anbetracht  der  Bedingungen  der  Aufgabe  die- 
selbe sinnlos  wird  insofern,  als  die  Curve  C  Haupttangentencurve 
werden  müsste,  während  doch  die  Haupttangeutencurven  auf  den  Flächen 
mit  positivem  Krümmungsmass  imaginär  sind. 


*)  Vgl.  Goursat,  Vorlesungen  u.  s.  w.,  deutsch  von  Maser,  S.  22.  —  Dar- 
boux,  Le9ons,  3.  Bd.,  S.  264. 

**)  Bedienen  wir  uns  nämlich  für  die  Curve  C  der  üblichen  Bezeichnungen, 
so  giebt  die  Gleichung: 

p  cos  a  -\-  q  cos  §  —  cos  */  =  0 

differenziert  unter  Berücksichtigung  von  (2)  die  Gleichung: 

p  cos  1  +  5  cos  7j  —  cos  J  =:  0. 


442     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krünimnngsmass. 
Ist  aber  K  negativ,  so  setzen  wir 

und  dann  besagt  die  Gleichung  (3),  dass  die  Torsion  der  Curve  C  con- 
stant  gleich  p-  sein  muss*);  sonst  wäre  die  Aufgabe  nicht  lösbar,  wie 
sich  auch  aus  dem  Enneper'schen  Satze  ergiebt. 

Setzen  wir  diese  Bedingung  als  erfüllt  voraus,  so  treten  in  der 
Reihenentwickelung,  die  sich  für  die  gesuchte  Lösung  der  Gleichung  (1) 
ergiebt,  unendlich  viele  unbestimmte  Coefficienten  auf.  Solange  aber  in 
diesem  Falle  die  Convergenz  der  betreffenden  Reihe  nicht  nachgewiesen 
ist,  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  die  Aufgabe  wirklich  unendlich  viele 
Lösungen  besitzt,  wie  es  den  Anschein  hat,  und  welcher  Grad  von 
Unbestimmtheit  ihr  anhaftet.  Dieses  alles  werden  wir  demnächst 
genauer  untersuchen,  und  wir  werden  sehen,  dass  die  Aufgabe  in  der 
That  unbestimmt  ist,  weil  noch  eine  Haupttangentencurve  der  zweiten 
Schar  willkürlich  gegeben  werden  kann. 

§  245.     Die  pseudosphärischen  Flächen  bezogen   auf  ihre 
Haupttangentencurven. 

Das  Quadrat  des  Linienelements  einer  pseudosphärischen  Fläche  S, 
deren  Krümmungsmass  wir  der  Einfachheit  halber  gleich  —  1  setzen, 
hat  die  Form  (s.  S.  130): 

(4)  ds^  =  du^  -\-  2cos  2»  (?M  dv  -f-  dv^, 

wo  CO  (nach  S.  131)  eine  Lösung  der  partiellen  Differentialgleichung: 

( 5 )  ö — ö-  =  sm  2  0) 

ist.  Bezeichnen  wir  mit  X,  Y,  Z]  X',  Y,  Z'-  X",  Y",  Z"  bezüglich 
die  Richtungscosinus  der  Normale  und  der  Tangenten  der  Krümmungs- 
linien u  -\-  V  =  Const.,  u  —  V  ==  Const.,  so  erhalten  wir  aus  den  Glei- 
chungen (30),  S.  278,  das  nachstehende  Gleichungensystem**): 


*)  Dieses  erhellt  sofort  aus  den  Gleichungen: 

cos  X  cos  fl, 

^  cos  i; '     ^  cos  V 

unter  Berücksichtigung  der  Frenet'schen  Formeln. 

**)  Wir  bemerken,  dass  in  den  angeführten  Gleichungen 

ß  =  3r  —  2(0,      ^1  =  X',     -X^j  =  X" 
zu  setzen  ist. 


§  245.     Die  pseudosphär.  Flächen  bezogen  auf  ihre  Haupttangentencurven.     443 
cX 


(a) 


cu 
cX 

cv 


=       X'  cos  oj  -|-  X"  sin  o 
=  —  X'  cos  GJ  +  ^"  sin  o 


(  cX'  -vr- 

I  -^ —  ==       X 
,  cu 

V  cv 

I   cu 
]^=       X' 


CCO 

cu 
do» 

cv 

X'  i^ 

cu 

cm 

CV 


X   cos  CO 

-j-  X  cos  o 

—  X    sin  o 

—  X   sin  GJ 


dazu  analoge  für  Y,  Z\  Y ,  Z'  \  T",  Z" .  Bezeichnen  wir  mit  x,  y,  z 
die  Coordinaten  des  Punktes  (m,  v)  auf  der  Fläche  S,  so  haben  wir 
femer: 

I  p—  =  —  X'  sin  C3  +  X"  cos  o, 

=       X  sincj  -f-  ^    coso). 


cv 


Bedeuten  r^,  r,  die  zu  den  bezüglichen  Krümmun^linien  n,-\-  v^  Const., 
tt  —  t?  ==  Const.  gehörigen  Hauptkrümmungsradien  von  S,  so  erhalten 
wir  für  dieselben  mit  Rücksicht  darauf,  dass  sich  aus  (a)  und  (b)  die 
Gleichungen : 

CX        CX  ,        IcX        cX\ 

2 3—  =   tgöl    ^ ^^— 1' 

CU  CV  ^        VfW  cv I 


CX  ^.Zx 

ou~^  cv 


,      IcX    ,    cX\ 

cot  OJ  I  ^^ r  -<    / 

\cu    '    cv) 


ergeben,  die  Werte: 
(6) 


yx  =  —  tgo,     r,  =  cotcj. 


Hieraus  folgt  sofort  ein  Satz,  den  wir  später  werden  benutzen  müssen. 
TVir  betrachten  dazu  das  (pseudosphärische)  Strahlensystem,  das  von 
den  Tangenten  der  einen  Schaar  Haupttangentencurven,  z.  B.  der 
Curven  u  =  Const.,  gebildet  wird,  und    bilden   es   auf   die  Kugel  ab. 

Sind  I,  ?j,  %  die  Coordinaten  desjenigen  Punktes  auf  der  Kugel,  welcher 
der  Bildpunkt  des  Congruenzstrahls  (?<,  v)  ist,  so  haben  wir: 


S  =  ^  =  X'  sin  (D  +  X"  cos  £0, 


dv 


y  sin  GJ  -j"  ^  ^os  GJ, 


t==  yr-  =  Z'    sin  GJ  -I-    Z"   cos  GJ. 

*        dv  ' 


dv^ 


4A4:     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümnumgsmass. 
Daraus  ergeben  sich  durcli  Differentiation  infolge  von  (a)  die  Gleichungen : 

ö—  =  —  X  sin  2  03, 

^^        o/v  ^'^        V    •        dco\ 

yr-  =  2[X     cos  0)    o       X      SIU  03  t^—  I 

nebst  analogen  für  ri  und  t,.     Für  das  Quadrat  des  Linienelements  der 
Bildkugel  erhalten  wir  somit  den  Ausdruck: 

(7)  ds'^  =  (^|2  _|_  ^^2  ^  ^^2  _  sin22o3(?w2  +  i^l^JdvK 

Wir  sehen  also,  dass  die  sphärischen  Curven  u,  v,  die  den  Haupt- 
tangentencurven  der  pseudosphärischen  Brennfläche  S  entsprechen,  ein 
Orthogonalsystem  bilden*),  in  dem  das  Quadrat  des  Linienelements 
der  Kugel  die  charakteristische  Form: 

(8)  ds'^  =  ^m^^du^-\-  (II)' 

annimmt,  wo  ^(ii,  v)  eine  Lösung  der  Differentialgleichung: 

(8*)  K^f-==sini^ 

ist. 

§  246.     Abwickelbarkeit  der  Evolutenfläche  einer  pseudosphärischen 
Fläche  auf  das  Catenoid, 

Wir  wollen  nun  nachweisen,  dass  die  beiden  Mäntel  der  Evoluten- 
fläche der  pseudosphärischen  Fläche  S  auf  das  Catenoid  abwickelbar 
sind  (S.  253),  wobei  sich  vms  die  Gelegenheit  bieten  wird,  einen  be- 
merkenswerten Umstand  festzustellen. 

Betrachten  wir  z.  B.  den  ersten  Mantel  2J^,  der  zum  Hauptkrüm- 
mungsradius r^  gehört.  Die  Coordinaten  x-^,  y^,  0^  eines  beweglichen 
Punktes  auf  2.\  sind  gegeben  durch: 

x^=  X  -\-  XigG3,     y^  =  y  -{-  Y  ig  C3 ,     ^^  =  s  -{-  Z  tgo. 

Durch  Differentiation  erhalten  wir  infolge  der  Gleichungen  (a)  und  (b): 

dx^  X     da>  _.      X" 


du  008*0)  du      '      cos  CO  ' 

*^^)  \dx,_     X     djo         X" 

dv         cos* CO  ^ü     '    cos  00 


*)  Man  kann  allgemein  fragen,  wann  bei  der  sphärischen  Abbildung  eines 
Strahlensystems  mit  zusammenfallenden  Developpabeln  den  Haupttangentencurven 
der  Brennfläche  ein  Orthogonalsystem  auf  der  Kugel  entspricht.  Es  lässt  sich 
beweisen,  dass  dieses  nur  dann  der  Fall  ist,  wenn  als  Brennfläche  eine  solche 
Fläche  gewählt  wird,  bei  der  die  eine  Schaar  Haupttangentencurven  aus  Curven 
mit  constanter  Torsion  besteht  (vgl.  S.  332). 


§  246,  Abwickelbarkeit  der  Evolutenfläche  auf  das  Cat^noid.  445 

Die  Normale  von  Z^  hat  die  Richtungscosinus  X',  Y',  Z',  wie  auch 
auch  aus  den  obigen  Gleichungen  hervorgeht. 

Es  ergiebt  sich  sofort  die  Richtigkeit  der  Gleichungen: 

^7  cxi  cX' ^         "^T  cx^  cX'  ^ 

.^  du    cu  '      -^   cv   cv  ' 

die  der  Ausdruck  der  bekannten  Eigenschaft  sind  (S.  243),  dass  die 
Haupttangentencurven  von  Z^  den  Haupttangentencurven  der  Evoluten- 
fläche S  entsprechen. 

Bilden  wir  aus  den  Gleichungen  (9)  das  Quadrat  des  Linien- 
elements  von  2^^ : 

dsj^  =  dXj^  -\-  dy^  -\-  dz^^, 

so  erhalten  wir  den  Ausdiiick: 

ds^^  =  ^  +  -V  (f^«2  +  '^dudv  -f  dv"), 
^  cos  Q)    '    COSTCO  ^  '  \  / 1 

der,  wenn 

iao  =  Q ,      u  -\-  V  =  6 

gesetzt  wird,  die  für  das  Catenoid  typische  Gestalt: 

(10)  ds^^  =  dg'  +  (1  +  Q')d6^' 

annimmt.  Nun  bilden  die  Normalen  der  pseudosphärischen  Fläche  S 
längs  einer  Haupttangentencui-ve,  z.B.  längs  der  Curve  r  =  0,  eine  Linien- 
fläche U,  die  ebenfalls  auf  das  Catenoid,  also  auch  auf  Z^  abwickel- 
bar ist.  Die  auf  einander  abwickelbaren  Flächen  27  und  Z^  berühren 
einander  längs  der  gemeinsamen  Haupttangentencurve  v  =  0,  und  der 
Umstand,  auf  den  wir  hinweisen  wollten,  ist  der,  dass  bei  der  Ab- 
wickelung der  beiden  Flächen  Z  und  Z^  auf  einander  die 
Punkte  der  gemeinsamen  Haupttangentencurve  v  =  0  sich 
selbst  entsprechen. 

Versehen  wir  nämlich  die  auf  S  längs  v  =  0  genommenen  Grössen 
X,  y,  ^;  X,  Y,  Z  mit  dem  Index  0,  so  erhalten  wir  für  die  Coordinaten 
I,  1^,  g  eines  beliebigen  Punktes  von  Z  die  Werte: 

I  =  --^o  +  ^^0?     n  =  !/o  +  ^  i\).      ^  =  ^0  +  ^-^o; 
WO  t  das  Stück  der  Erzeugenden  zwischen   den  Punkten  (|,  i],  0  und 
(^o>  2/o;  ^o)  ist.     Daraus  folgt: 
(10*)  di^  +  drf  +  dX'  =  df  +  (1  +  t-)dn\ 

Die  durch  (10)  und  (10*)  bestimmten  Linienelemente  sind  die- 
selben, wenn 

t=  Q,       U  =  6 


446     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

gesetzt    wird,    und    es  ist   demnach   die   Curve,   die   auf  U   der   Curve 

V  =  0  von  U^  bei  der  Abwickelung  entspricht,  durch 

gegeben,  womit  die  oben  angeführte  Eigenschaft  nachgewiesen  ist. 

§  247.     Pseudospliärische  Flächen  mit  zwei   gegebenen 
Haupttangentencurven. 

Nach  dieser  Abschweifung  nehmen  wir  die  am  Schlüsse  von  §  244 
aufgeworfene  Frage  wieder  auf.  Sie  wird  durch  einen  Satz  beant- 
wortet, der  schon  von  Lie  erwähnt  und  von  Bäcklund  eingehender 
behandelt  worden  ist;  letzterer  hat  für  ihn  auch  einen  auf  infinitesimalen 
Betrachtungen  beruhenden  Beweis  geliefert*). 

Der  (auch  hinsichtlich  des  Vorzeichens  der  Torsion  genau  gefasste) 
Satz  lautet  wie  folgt: 

Sind  zwei  Curven  C  und  C  mit  den  Torsionen  -f"  1  bez. 
—  1  gegeben,  die  von  ein  und  demselben  Raumpunkt  P  aus- 
gehen, und  in  ihm  die  nämliche  Schmiegungsebene,  dagegen 
verschiedene  Tangenten  haben,  so  giebt  es  eine  pseudosphä- 
rische Fläche  vom  Radius  1,  für  welche  die  beiden  Curven 
Haupttangentencurven  sind. 

Zunächst  erhalten  wir  aus  dem  Ausdruck  (4)  für  das  Quadrat  des 

Linienelements   für   die  geodätischen  Krümmungen  — ,  —   der  Haupt- 

tangentencurven  u,  v  (die,   vom  Vorzeichen  abgesehen,  gleich  den  ab- 
soluten Krümmungen   sind)   infolge   der   Gleichungen   (5),   S.  150,  die 

Werte : 

1 d2co  1   d2co 

Qu  dv         Qv  du 

Nehmen    wir   nun    an,    dass    die   Curven   0,  C    mit    den   Curven 

V  =  0  bez.  u  =  0  zusammenfallen,  so  ist  die  Angabe  der  Gestalt  dieser 

Haupttangentencurven  gleichbedeutend  damit,   dass  — r—  für  v  =  0  als 

Function  von  u  und  —r—  für  u  =  0  als  Function  von  v  gegeben  wird. 

Da  wir  ferner  den  Anfangswert  cOq  von  oj  in  u  =  0,  v  =  0 
kennen,  so  ist  co  sowohl  längs  v  =  0  als  auch  längs  u  =  0  gegeben. 
Da  andrerseits  2«  eine  Lösung  der  Differentialgleichung: 

a*2aj  .    „ 

o    o    =  sm2fij 

oucv 


*)  Om  ytor  u.  s.  w.,  S.  19.     Lund's  Univ.  Arsskrift,  19.  Bd.,  1883, 


§  248.    Ansatz  zum  Existenzbeweis.  447 

sein  muss,  so  sehen  wir,  dass  der  obige  geometrische  Satz  unter  Ände- 
rung der  Bezeichnungen  auf  den  folgenden  Satz  der  Analysis  hinauskommt: 
Die  partielle  Differentialgleichung: 

(11)  ..^4-  =  sin  5 

besitzt  eine  Losung  z,  die  sich  für  y  =  0  auf  eine  gegebene 
Function  (p{x)  von  x  und  für  x  =  0  auf  eine  gegebene  Func- 
tion tp(y)  von  y  reduciert,  vorausgesetzt,  dass  (p(0)=  il;(0)  ist. 
Die  Untersuchungen  von  Picard*)  über  die  Integration  der  Diffe- 
rentialgleichungen durch  auf  einander  folgende  Näherungen  ermöglichen 
es  uns,  wie  wir  sofort  sehen  werden,  diesen  Satz  in  aller  Strenge  zu 
beweisen.  Hierbei  setzen  wir  zunächst  nur  voraus,  dass  die  willkürlich 
gegebenen  Functionen  (p(x)  und  ^(y)  endlich  und  stetig  seien  und 
ebenfalls  endliche  und  stetige  erste  Ableitungen  <p'(x)  und  ^'(y) 
besitzen. 

§  248.     Ansatz  zum  Existenzbeweis. 

Wir  beweisen  nun  das  Vorhandensein  der  gesuchten  Lösung  z  in 
einem  beliebigen  endlichen  Bereich  der  beiden  unabhängigen  Ver- 
änderlichen X,  y,  in  dem  die  für  tp{x),  if(y)  gestellten  Bedingungen 
erfüllt  sein  mögen. 

Wir  gehen  aus  von  der  Function: 

^1  =  <Pi^)  +  Hy)  —  9^(0)  =  q>{x)  +  i'{y)  —  ^(0), 
die  den  Anfangsbedingungen  (sich  für  y  =  0  auf  q)  (x)  und  für  x  =  0 
auf  ii-'(tf)  zu  redu eieren)  sowie  auch  der  Gleichung: 

cxcy 

genügt.     Alsdann  bilden  wir  die  Function  z^,   die   denselben  Anfangs- 
bedingungen und  der  Gleichung: 

c'z, 

K — ^—  =  sm  z, 
cxcy  *■ 

genügt: 

^2  =  -^1 4"  /  /  ^^^  h  ^^  ^y ' 

0    0 

Aus  z^  leiten  wir  nun  eine  neue  Function: 


^s = ^1  +yx^^°  ^*  ^^  ^^ 


*)  Journal  de  Mathematiqnes,  1890. 


448     Kap.  17.     Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 
ab,  die  den  Anfangsbedingungen  und  der  Gleichung: 

oxcy  ^ 

genügt.  In  dieser  Weise  fahren  wir  immer  weiter  fort  und  bilden  so 
eine  unendliche  Reihe  von  Functionen: 

{a)  Zy,   ^2,   Z^,-  •  •  Zn,  •  •  • , 

in  der  das  allgemeine  Glied: 

y    X 

^n  =  ^i  -\-      f  sin Zn-idxdy 

U     0 

den  Anfangsbedingungen  und  der  Gleichung: 

iß)  3^  =  ^'"''^-' 

genügt.     Nun  behaupten  wir:    Die  Reihe: 

(12)  0  =  ^^  +  (^^  —  Z,)  +  (^3  —  ^2)  H 1-    i^n  -  ^»-1)  H 

convergiert  innerhalb  jedes  endlichen  Bereichs  für  x,  y 
gleichmässig  und  stellt  die  gesuchte  Lösung  der  Gleichung 
(11)  vor*). 

§  249.     Beweis   der  Convergenz  für  die  gefundene  Lösung. 

Zum  Beweise  unserer  Behauptung  bemerken  wir    zunächst,    dass 

wegen  |  sin  ^  J  <  1 

y    X 

(y)  \z2  —  ^i\=  \  f  f  ^^^ ^1  dx dy    <i\xy\ 


0    u 


ist.     Nun  ist: 

y    X 

2 sin  -       ^  cos  -—^—^-  dx dy:. 


y    X 

ff: 


2  2 

COS  -  "T   M  <  1    ist,    während    infolge    der    Gleichung    (y) 

I  ^1/  j 

"    <     2      ^^^>  ^^  haben  wir: 

\y\   \x\ 
(d)  ks  — ^2|<J    j   \xy\dxdy<j^^^' 

U  0 

Wird  überhaupt  als  bewiesen  vorausgesetzt,  dass 


und    da 
sm-^— 


*)  Die  Möglichkeit,  somit  jede  Beschränkung  für  den  Convergenzbereich  der 
Reihe  (12)  aufzuheben,  verdanken  wir  einer  Bemerkung  Lindelöfs  über  die 
Picard'schen  Methoden  (Comptes  Rendus,  26.  Februar  1894),  die  im  Texte  ver- 
wandt wird. 


§  249.    Beweis  der  Convergenz  für  die  gefimdene  Lösung.  449 


[1  .  2  ...  (n  -  1)]« 
ist,  so  ist: 


z„+i  —  ^„=1  j  2sm cos dxdy, 


und  also: 


0     u 
d.  k: 

Es  gilt  folglich  die  Ungleichung  (s)  allgemein. 

Die  gleichmässige  Convergenz  der  Reihe  (12)  ergiebt  sich  hierauf 
unmittelbar  aus  der  Yergleichimg  mit  der  Reihe: 

1  +  ^  +  (TT^*  ~^  (1  •  2  •  3)*  "1  l"  (1  -  2  •  3  ■  •  •  n)*  "^  ' 

die  in  jedem  beliebigen  endlichen  Gebiet  für  die  Veränderliche  |  =  \xy\ 
gleichmässig  convergiert. 

Da  die  Summe  der  ersten  h  Glieder  der  Reihe  (12)  gleich  z„  ist, 
so  können  wir  auch  sagen,  dass  z„  mit  wachsendem  n  für  alle  Punkte 
des  Bereiches  gleichmässig  gegen  z  convergiert.  Die  Function  z  ist 
sicherlich  endlich  und  stetig  imd  reduciert  sich  für  y  =  0  auf  <p(x) 
und  für  x  =  0  auf  V(!/).  Es  erübrigt  noch  zu  beweisen,  dass  sie 
eine  Lösung  der  Gleichung  (11)  ist.  Nun  gestattet  jedes  Glied  der 
Reihe  (12)  die  Bildung  der  zweiten  Ableitung  nach  x  und  y,  und  in- 
folge von  (ß)  lautet  die  aus  diesen  zweiten  Ableitungen  der  Glieder 
von  (12)  gebildete  R«ihe  wie  folgt: 

j  sin  z^  +  (sin  z^  —  sin  z^)  +  (sin  ^3  —  sin  ^r^)  -j-  •  •  • 
^     ^  [  +  (sin-?„  —  sin;?„_i)  -j . 

Die  Summe  der  ersten  n  Glieder  von  (13)  ist  gleich  sin  z„  und 
convergiert  mit  wachsendem  n  gleichmässig  gegen  sin  2",  wie  z^ 
gegen  z.  Die  Reihe  (13)  ist  demnach  ebenfalls  gleichmässig  conver- 
gent,  und  ihre  Summe  ist  gleich  siuz.  Also  gestattet  die  durch  die 
Reihe  (12)  dargestellt«  Function  z  die  Bildung  der   zweiten  Ableitung 

;= — ^,  und  es  ist: 

cxcy'  g,^ 


cxdy 


sm0. 


womit  der  Beweis  des  oben  angegebenen  Satzes  geführt  ist. 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  29 


450     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 


§  250.     Eindeutigkeit  der  Lösung. 

Wir  setzen  nun  voraus,  es  seien  cp(x),  ip(y)  analytische  Func- 
tionen von  X  bez.  y,  die  sich  also  in  Taylor'sche  Potenzreihen  ent- 
wickeln lassen.  Auch  sin  ^^  lässt  sich  dann  in  eine  solche,  nach 
Potenzen  von  x  und  y  fortschreitende  Reihe  entwickeln.  Wenn  wir 
nun  die  Reihe  (a)  der  gebildeten  Functionen  ^„  betrachten,  so  sehen 
wir,  dass  jede  dieser  Functionen  in  eine  solche  Potenzreihe  entwickelbar 
ist.  Da  die  Reihe  (12)  gleichmässig  convergent  ist,  so  können  wir 
unsere  Lösung  ^  ebenfalls  in  eine  Potenzreihe: 

?;t  =  CO    n  =  cc 

entwickeln.      Beachten    wir    dann,    dass    die    für   ,*;    gültigen    Anfangs- 

bedinffungen    für   x  =  0,    y  =  0    alle    Ableitungen  vöUiof  be- 

ex    cy 

stimmen,  so  sehen  wir,  dass  die  gefundene  Lösung  die  einzige  analy- 
tische Lösung  der  Aufgabe  ist. 

Wir  können  somit  den  Satz  über  pseudosphärische  Flächen  in 
§  247  folgendermassen  vervollständigen: 

Sind  die  beiden  gegebenen  Curven  0,  C  analytische 
Curven,  so  giebt  es  eine  und  nur  eine  analytische  pseudo- 
sphärische   Fläche,    die    sie    zu    Haupttangentencurven  hat. 

Wir  machen  noch  darauf  aufmerksam,  dass  der  oben  eingeschlagene 
Weg  den  Fall,  in  dem  sich  eine  der  beiden  Functionen  (p{x),  ^(y) 
oder  beide  auf  Constanten  reducieren,  nicht  ausschliesst.  Geometrisch 
heisst  dieses  (nach  §  247),  dass  eine  der  beiden  Curven  C,  C  oder  beide 
in  Gerade  ausarten  können.  Wir  haben  also  das  besondere  Ergebnis: 
Zwei  einander  schneidende  Gerade  bestimmen  eine  und  nur 
eine  (analytische)  pseudosphärische  Fläche  von  gegebenem 
Radius,  die  durch  sie  hindurchgeht. 

In  diesem  Falle  erhellt  sofort,  dass  die  aufeinanderfolgenden  Func- 
tionen ^2)  ^-ii  •  •  ■  ^ny  •  •  •  Functionen  des  Products  xy  sind.  Dasselbe 
ist  demnach  mit  der  zugehörigen  Lösung  z  von  (11)  der  Fall. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  auf  einige  Folgerungen  hinweisen,  welche 
die  Theorie  der  Abwickelbarkeit  und  zwar  diejenigen  Verbiegungen  be- 
treffen, bei  welchen  eine  Haupttangentencurve  starr  bleibt  (vgl.  S.  207)  *). 


*)  Ausführlicher  entwickelt  findet  der  Leser  diese  Folgerungen  in  einer  Be- 
merkung des  Verfassers  in  den  liendiconti  dell'  Accademia  dei  Lincei,  Februar  1894. 


§  250.   Eindeutigkeit  der  Lösung.    §  251.    Pseudosphärische  Strahlensysteme.     451 

Bleibt  von  den  beiden  Curven  C,  C  die  Curve  C  fest,  während  sich 
C  beliebig  ändert,  so  sind  die  auf  diese  Weise  bestimmten  im  endlich 
vielen  pseudosphärischen  Flächen  dei*art  auf  einander  abwickelbar, 
dass  die  Haupttangentencurve  C  starr  bleibt.  Wenn  femer  während 
der  Änderung  von  C  der  Winkel  o,  den  C  mit  C  bildet,  fest  bleibt, 
so  bleiben  die  Hauptkrümmungsi-adieu  längs  C  ebenfalls  ungeändert, 
und  die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  werden  so  verbogen,  dass 
die  entsprechende  Haupttangentencurve  starr  bleibt. 


§  251.     Die  pseudosphärischen  Strahlensysteme. 

Die  vorstehenden  allgemeinen  Sätze  verschaffen  uns  zwar  über  das 
Vorhandensein  von  Flächen  mit  constantem  Ej-ümmungsmass,  die  be- 
stimmten Bedinoninoren  c(enüoren.  Gewissheit,  oceben  uns  aber  nicht  die 

O  O  O  O  7  7     0 

Mittel  an  die  Hand,  einzelne  Flächen  dieser  Art  anders  als  durch 
Reihenentwicklungen  zu  bestimmen.  Xun  führen  für  die  Flächen  mit 
negativem  constantem  Ki-ümmungsmass  die  Sätze  über  pseudosphärische 
Strahlensysteme  (vgl.  S.  283  und  332)  zu  besonderen  Transformationen 
dieser  Flächen,  mittels  deren  sich  aus  einer  bekannten  pseudosphäri- 
schen Fläche  unendlich  viele  neue  ableiten  lassen.  Indem  wir  nun  zu 
dieser  Theorie  übergehen,  fassen  wir  zunächst  die  bisherigen  Ergeb- 
nisse in  dem  folgenden  Satze  zusammen: 

Ist  eine  pseudosphärische  Fläche  S  vom  Radius  JR  gege- 
ben und  ist  6  ein  beliebig  gewählter  Winkel,  so  giebt  es  cx:^ 
pseudosphärische  Strahlensysteme,  für  die  S  der  eine  Mantel 
der  Brennfläche  ist.  Die  Entfernung  der  Grenzpunkte  auf 
jedem  Congruenzstrahl  ist  gleich  R  und  die  Entfernung  der 
Brennpunkte  gleich  R  cos(?.  Der  zweite  Brennflächenmantel 
S'  ist  ebenfalls  eine  pseudosphärische  Fläche  vom  Radius  R. 
Auf  S  und  S'  entsprechen  einander  die  Krümmungslinien 
sowie  die  Haupttangentencurven,  und  die  Bogen  entsprechen- 
der Haupttangentencurven  sind  einander  gleich. 

Wir  setzen  nun,  wie  vorhin,  R  gleich  Eins,  wählen  für  6  einen 
beliebigen  Wert  6^  und  construieren  wirklich  ein  pseudosphärisches 
Strahlensystem,  für  das  S  der  erste  Mantel  der  Brennfläche  und  cos  6^ 
die  Entfernung  der  Brennpunkte  sei.  Es  seien  femer  S^  der  zweite 
Mantel  der  Brennfläche,  die  Punkte  F(x,y,z),  F^^x^,  y^^,  s^)  zwei 
entsprechende  Brennpunkte  auf  S  bez.  S^  und  a^  der  Winkel  zwischen 
der  Strecke  FF^  und  der  Richtung  (X",  Y",  Z")  der  Krümmungs- 
linie: u  —  v  ==  Const.     Dann  haben  wir  offenbar: 

29* 


452     Kap.  17.    Transformationen  der  Fläclien  mit  constantem  Krümmungsmass. 

x^  =  X  -{-  cos  0^  (X'  sin  co^  -f-  X"  cos  co^)  , 

(14)  I  ^1  ==  ^  -j-  cos  (?i  (  Y'  sin  co^  -f-  Y"  cos  «J , 

!Z^=  S  -{-  cos  ^^  (^Z'  sin  GJ^  -f-  .Z'"  cos  co^)  . 

Um  die  unbekannte  Function  a^iu,  v)  zu  bestimmen,  stellen  wir 
die  Bedingung  dafür  auf,  dass  das  so  construierte  Stralilensystem  ein 
pseudosphäriscbes  ist.  Dazu  differenzieren  wir  die  Gleichungen  (14), 
berücksichtigen  (a),  (b),  S.  443,  und  erhalten  zunächst: 

d  (cöi  —  (o) 


du 


sin  G3  -f-  cos  6^  cos  C3^ 


+ 


(15) 


cos  CO  —  cos  6.  sin  co, 


d  (Cöi  CO) 

du 


dv 


1  C{co.-\-ca) 

sm  03  -f-  cos  ö'^  cos  coy  ^— V  — 


+ 


cos  a  —  cos  (j,  sm  a 


d{(o^-\-(o) 
dv 


X'+ 

X" —  cosöj  sin(c3^  -f"  03)  X, 

X'+ 

X"-f~  cos  ^1  sin  («1  —  «)  X 


nebst  analogen  Gleichungen  für  y^  und  ^i-  Stellen  wir  nun  die  Be- 
dingung dafür  auf,  dass  die  Strecke  FF^  die  Fläche  S^  in  F^  be- 
rührt, d.  h.  setzen  wir  die  Determinante: 

'  x^^  —  X     2/i  —  2/     ^1  —  ^ 

du 

dy^  dzi 

dv  dv 


du 
dv 


du 


gleich  Null,  so  finden  wir: 

cos  6^  sm  (föi  —  CO)  -^-^g +  cos  6^^  sm  (cj^  +  ^)  — f^ = 

=  2sin(cOi  +  a))sin((Oj^ —  co). 

Da  ferner  auf  ^S'^  die  Curven  ti,  v  Haupttangentencurven  und  u,  v  ihre 
Bogen  sind,  so  haben  wir  notwendigerweise: 


^m-^'  2'(i?)=i- 


also: 


cos  6.  ~^-\ 

■■■        du 


sm 


in(cOj^  -|-  ^)  =  sin^(?i  sin^(G3i  +  co), 


cos 


d((0-,  -\-  (a)  .     /  \  •    •>  ^      •    9  /  \ 

^1        ;n —  —  ®^^  (^^1  —  ^)     "^  ^^^^  ^1  ^"^  v^^i  —  ^■^  • 


?tJ 


Wenn  wir  diese  Gleichungen  mit  den  vorhergehenden  vergleichen,  so 
sehen  wir,  dass  wir  unbeschadet  der  Allgeraeinheit  die  Gleichungen  für 
ü3^  in  der  Form: 


§  251.    Die  pseadosphärischen  Strahlensysteme. 


453 


(16) 


— ^V '  =  — sin((ö,  +  üj), 

CU  cos  ff,  VI'  >" 

g((Bj  -f  eo) 1  —  sin  ff. 


cv 


-  sin  (ct)i  —  cj) 


(17) 


ex. 


schreiben  können.  Umgekeki-t:  Genügt  ej^  diesen  beiden  Bedingungen, 
so  sehen  wir  nimmehr  unschwer  ein,  dass  das  gemäss  den  Gleichungen 
(14)  construierte  entsprechende  Strahlensystem  in  der  That  pseudo- 
sphärisch ist.     Es  lauten  dann  nämlich  die  Gleichungen  (15): 

^ß^  =  [sin  Ol  cos{(Oi  -\-  co)  -\-  sin  6^  cos  oj^  sin((<Ji  +  g))J  X'+ 

-(-  [cos  (Ol  cos(öi  +  co)  —  sin  6^  sin  co^  sin  (w^  +  »)!  X" — 

—  cos  (jj  sin  (gjj  -}~  ")  ^) 
^  =    sin  cöi  cos(aji  —  w)  —  sin  tf^  cos  öj  sin  (oj  —  w)J  X'-\- 

-\-  fcos  (Dj  cos(öi  —  w)  -}-  sin  tf^  sin  a^  sin(a)i  —  c))J  X"+ 

-j-  cos  01  sin(G>i  —  ö)X; 

dazu  kommen  analoge  Gleichungen  in  y^  und  ^i-  Demnach  erhalten 
wir,  wenn  wir  die  auf  die  Fläche  5^  bezüglichen  Grössen  mit  dem 
Index  1  versehen  (vgl.  §  245,  (b),  S.  44o~^ : 

X^  =  —  X'  cos  6^  cos  a^  +  X   c<^s  ^1  siii  ^i  —  ^  *i^^  *^i  > 
Xj'  =  X'  (sin  (Oy  sin  w  —  sin  6^  cos  w^  cos  ra)  + 

-}-  X"  (cos  «1  sin  (o  -f-  sin  <?i  sin  co^  cos  ta)  -f-  Xcos  6^  cos  o, 
Xi"=  X'  (sin  Oj  cos  co  -|-  sin  ö,  cos  cDj  sin  co)  + 

-(-  X"(cos  (Ol  cos  oj  —  sin  6^  sin  co^  sin  co)  —  X  cos  öj  sin  co. 

Hieraus  folgt: 

(19)  dXi^  -f  diji^  +  rf^-i"  =  f?«-  +  2cos 2aii c?« f?y  +  dv^, 

(20)  X,X+  r,r+ZiZ=— sin^,, 

imd  diese  Gleichungen  liefern  den  gewünschten  Nachweis  (vgl.  §  151). 


(18) 


§  252.     Ableitung  der  neuen  pseudosphärischen  Flächen  durch 

Quadraturen. 

Die  Function  c}i{u,  v)  hat  für  die  transfonnierte  pseudosphärische 
Fläche  Si  dieselbe  Bedeutung  wie  o  für  die  ursprüngliche  Fläche:  sie 
giebt  nämlich  den  halben  Winkel  der  Haupttaugent^ncurven  auf  der 
neuen  Fläche  an.  Schon  hieraus  folgt,  dass  a^  ebenso  wie  co  eine 
Lösung  der  Gleichung  (5): 


(A) 


ducv 


=  sin  20- 


454     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

ist.  Indem  wir  nun  aber  unsere  Gleichungen  vom  rein  analytischen 
Gesichtspunkt  betrachten,  dürfte  es  vorteilhaft  sein,  auf  die  Folgeiiingen 
hinzuweisen,  die  sich  aus  ihnen  für  die  Integration  der  Gleichung  (A) 
ergeben. 

Da  (o  eine  Lösung  von  (A)  ist,  so  ist  für  die  beiden  simultanen 
Gleichungen  (16),  denen  o^  genügen  muss,  die  Integrabilitätsbedingung 
identisch  erfüllt,  wie  erhellt,  wenn  die  erste  dieser  Gleichungen  nach 
V,  die  zweite  nach  it  differenziert  und  dann  subtrahiert  wird.  Dem- 
nach enthält  die  allgemeine  Lösung  co^(UjV)  der  Gleichungen  (16)  eine 
willkürliche  Constante  C.  Wir  können  die  Gleichungen  (16)  in  die 
folgende  totale  Differentialgleichung  für  co^   zusammenfassen: 

(16*)  dco,  =  ["^^^^  sin(to,  +  «)  +  ^g  du  + 

,    ri  —  sin  (T.     .     .  s         ccol   -, 

-+- sm(c3,  —  (o)  —  V.—    dv. 

'     L      cos  (7^  ^    ^  ^  cvJ 

Wird  als  Unbekannte 

eingeführt,  so  geht  sie  in  eine  Gleichung  vom  Riccati'schen  Typus: 

dyl  =  (aÄ^  +  &^  +  c)dti  +  {a'A^  +  h'A  +  c')dv 

über,  wo  a,  h,  c-,  a',  h',  c    bekannte  Functionen  von  u^  v  sind. 

Wir  brauchen  also  nur  eine  particuläre  Lösung  co^  des  Systems 
(16)  oder  der  Gleichung  (16*)  zu  kennen,  um  aus  ihr  mittels  Quadra- 
turen die  allgemeine  Lösung  ableiten  zu  können. 

Eliminieren  wir  andrerseits  aus  den  Gleichungen  (16)  cj,  indem 
wir  sie  wie  vorhin  differenzieren  und  addieren,  so  ergiebt  sich,  dass  «^ 
auch  eine  Lösung  von  (A)  ist. 

Auf  diese  Weise  erhalten  wir  aus  einer  bekannten  Lösung  der 
Gleichung  (A)  durch  Integration  der  Gleichungen  (16)  eine  neue  Lö- 
sung a^  mit  einer  willkürlichen  Constanten.  Gehen  wir  nun,  anstatt 
von  CO,  von  co^  aus  (wobei  wir  6^  ungeändert  lassen),  so  erhalten  wir 
wieder  die  Gleichungen: 

^-ZLi^i)  _  L+_--3.  sin  («,  +  «0, 
otv  cos  ffj  \   i    \       ly? 

ai^+jo^  _  1^  sin  .,  ^.^         _ 

cv  cos  (?j  ^    ^  ^■'^ 

von  denen  bereits  die  particuläre  Lösung: 


§  253.    Bäcklrmd'sche  Transformation.  455 

bekannt  ist.  Es  ist  demnacli  nur  eine  neue  Quadratur  erforderlich, 
um  die  allgemeine  Lösung  co^,  die  eine  neue  willkürliche  Constante  C 
enthält,  zu  finden.  Hiemach  ist  klar,  dass  die  unbegrenzte  Anwendung 
des  Transformationsverfahrens  unter  den  getroffenen  Voraussetzungen 
lediglich  successive  Quadraturen  erfordert.  Diese  vorläufigen  Bemerkungen 
werden  später  in  §  259  eine  erwähnenswerte  Ergänzung  finden. 


§  253.    Die  Bäcklund'sche  Transformation. 

Die  Transformation,  mittels  der  wir  von  der  pseudosphärischen 
Fläche  S  zur  abgeleiteten  Fläche  S^  gelangen,  mag  nach  dem  Mathe- 
matiker Bäcklund,  der  sie  zuerst  in  ihrer  ganzen  Allgemeinheit  unter- 
sucht hat,  die  Bäcklund'sche  Transformation  heissen.  Wir  be- 
zeichnen sie  symbolisch  mit  Ba^,  indem  wir  die  Constante  6^,  mittels 
deren  sie  gebildet  ist,  markieren.  Somit  können  wir  die  bisherigen  Er- 
gebnisse folgendermassen  zusammenfassen: 

Mittels  der  Bäcklund'schen  Transformation  Bg^  lassen 
sich  aus  einer  pseudosphärischen  Fläche  S  einfach  unend- 
lich viele  neue  pseudosphärische  Flächen  ableiten.  Es  ge- 
nügt die  Kenntnis  nur  einer  der  abzuleitenden  Flächen,  um 
alle  übrigen  mittels  Quadraturen  zu  finden,  und  es  erfordert 
die  Anwendung  der  Transformation  Ba^  auf  die  neuen  Flächen 
unter  dieser  Vorausetzung  wieder  nur  Quadraturen. 

Wir  bemerken  femer,  dass,  wenn  P  ein  beliebiger  Punkt  von  S 
ist,  die  entsprechenden  Punkte  P^  auf  den  ersten  mittels  der  Bäck- 
lund'schen Transformation  Bg^  abgeleiteten  Flächen  auf  der  Peripherie 
des  Kreises  liegen,  der  in  der  Tangentialebene  um  P  mit  dem  Radius 
cos^i  beschrieben  ist.  Die  bekannte  Eigenschaft  der  Gleichungen  vom 
Riccati'schen  Typus,  dass  das  Doppelverhältnis  von  vier  particulären 
Lösungen  eine  Constante  ist,  wird  geometrisch  durch  den  Satz  aus- 
gedrückt : 

Vier  mittels  einer  Bäcklund'schen  Transformation  Ba^ 
aus  einer  pseudosphärischen  Fläche  S  abgeleitete  Flächen 
schneiden  jeden  der  Kreise,  die  in  den  Tangentialebenen  von 
S  um  die  Berührungspunkte  mit  dem  Radius  cos^^  beschrie- 
ben werden,  in  je  vier  Punkten,  deren  Doppelverhältnis  con- 
stant  ist. 

Es  mag  femer  bemerkt  werden,  dass  diese  Kreise  isogonale  Tra- 

jectorien  der  abgeleiteten  Flächen  unter  dem  Winkel  — 6^  sind. 


456     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

§  254.     Unendlich,  kleine  Verbiegungen   der  pseudosphärisclien 

Flächen. 

Da  ein  pseudosphärisches  Strahlensystem  ein  14^- Strahlensystem 
ist  (vgl.  Kap.  12,  S.  332),  so  ist  jeder  Mantel  der  Brennfläche  einer 
unendlich  kleinen  Verbiegung  fähig,  bei  der  sich  jeder  Punkt  parallel 
der  Normale  im  entsprechenden  Punkte  des  anderen  Mantels  verschiebt. 
Daraus  folgt:  Jede  pseudosphärische  Fläche  S  ist  oo^  unend- 
lich kleiner  Verbiegungen  fähig,  bei  denen  die  Richtungen, 
in  denen  sich  die  Punkte  verschieben,  gegen  die  Fläche  um 
einen  beliebigen  constanten  Winkel  6^  geneigt  sind. 

Die  Verbiegung  ist  bestimmt,  wenn  für  einen  Flächenpunkt  die 
Verschiebungsrichtung  willkürlich  festgesetzt  wird.  Wir  bemerken  femer 
ohne  Beweis,  den  wir  dem  Leser  überlassen,  dass  die  hier  betrachte- 
ten Verbiegungen  einer  pseudosphärischen  Fläche  S  die  einzigen  sind, 
bei  denen  die  Richtungen,  in  denen  sich  die  einzelnen  Punkte  ver- 
schieben, mit  den  Tangentialebenen  einen  constanten  Winkel  bilden. 
Wir  wollen  nun  den  unendlich  kleinen  Betrag  sq  der  Verschiebung 
suchen,  wo  q  eine  Function  von  u  und  v  und  s  eine  unendlich  kleine 
Constante  ist.     Die  Bedingungen  (vgl.  §  154,  (2),  S.  289): 

"^  cx^  Hq^j) ^         '^  ex  d(Q X^) ^ 

.^J  du     du  '       j^J  cv      dv  ' 

yiox  djgX,)        yidx  djgX,)  _  Q 
.^mJ  du     8v      "•  -^'  dv      du 

geben  infolge  der  Gleichungen  (b)  und  (18)  übereinstimmend: 

f  g  log  p  1  -|-  sin  Cj         .        .       . 

—2     -  = cos(tOi  +  ca), 

j      du  cos  (Tj  \    1    i       y? 

!  d  log  p               1  —  sin  c.         /  s 

^    •    = cos(gJi  —  «). 

\^       CV  cos  ffj  ^1  ^ 

Die  Integrabilitätsbedingung  ist  infolge  der  Gleichungen  (16)  iden- 
tisch erfüllt,  d.  h.  der  Ausdruck: 

(1  -f-  sin  öj)  cos(a3j  -|-  co)  du  -f-  (1  —  sin  6^)  cos(a3j  —  co)dv 

ist  ein  totales  Differential,  und  aus  den  Gleichungen  (21)  selbst  ergiebt 
sich  (wie  auch  leicht  aus  denjenigen  in  Kap.  XI  folgt),  dass  q  eine 
Lösung  der  Gleichung  für  die  unendlich  kleinen  Verbiegungen: 

(22)  ,— J   =pcos2(o 

^     ^  dudv        ^ 

ist.     Andrerseits  folgt  aber  aus  (21)  auch: 


(21)  Soi 

^     ^  \  d  log  Q  1  —  sm  G. 


dud 


-(--)  =  - 

V  \q  /  Q 


COS  2 


w, 


§  254.  Unendl.  kleine  Verbiegg.  d.  pseudosphär.  Fl.  §  255.  Complementärtransf.    457 

woraus  erhellt,  dass  die  Lösung  q  von  (22)  genau  diejenige  ist,  welche 
bei  der  Moutard'schen  Transformation  (S.  312)  den  Übergang  von  der 
Laplace'schen  Gleichung: 
(23)  g^|-^  =  ^co3  2o 

zur  Gleichung: 

(23*)  ^f-  =  rcos2cai, 

d.  h.  den  Übergang  von  der  Fläche  S  zu  ihrer  Bäoklund'schen  Traus- 
formiei-ten  S^  vermittelt,  da  eben  bei  der  Moutard'schen  Transformation 
die  Int€gi-ale  X,  Y,  Z  von  (23)  in  die  Integrale  X^,  Fj,  Z^  von  (23*) 
übergehen.  Endlich  mag  noch  bemerkt  werden,  dass,  während  bei  der 
in  Rede  stehenden  Verbiegung  die  Pimkte  von  S  Tei-schiebungeu ,  die 
proportional  q  sind,  erfahren,  die  Punkte  von  S^  bei  der  entsprechenden 

Verbiegung  solche  erleiden,  die  dem  reciproken  Wert  —  proportional  sind. 

§  255.    Die  Complementärtransformation. 

Wir  betrachten  nun  den  besonders  interessanten  Fall,  in  dem  der 
Winkel  Q^  gleich  Xull  ist.  Dann  sind  die  Fläche  5  und  eine  Fläche 
Äi  die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  einer  TF"- Fläche,  deren  Haupt- 
krümmungsradien  durch  die  Gleichung: 

rj  —  i^  =  Const. 
verbunden  sind.  S^  ist  dann  die  Complementär fläche  von  S  be- 
züglich einer  Schar  von  geodätischen  Linien,  die  von  einem  festen 
Punkte  im  Unendlichen  von  S  ausgehen,  also  bezüglich  einer  Schar 
von  geodätischen  Parallelen.  Die  entsprechende  Bäcklund'sche  Trans- 
formation Bf^  heisse  die  Complementärtransformation  (vgl.  S.  254 
und  351).  Die  oc^  pseudosphärischen  Flächen  S\,  die  sich  mittels  der 
Complementärtransformation  aus  5  ergeben,  haben  zu  Orthogonaltrajec- 
torien  die  Kreise,  die  in  den  Tangentialebenen  von  5  imi  die  Berüh- 
rungspunkte mit  dem  Radius  Eins  beschrieben  werden.  Es  liegt  somit 
ein  Ribaucour  sches  Cykelsystem  vor  (§  186,  S.  351).  Die  Gleichungen 
(16)  lauten  in  diesem  Falle  einfach: 

-^K-—'  =  sm(öi  +  Gj), 


(2'*)  I  aK  +  <^) 


cu 

=  sin(c<3i  —  oj). 


l,        cv 

Als  Differentialgleichung  der  geodätischen  Parallelen,  die  auf  S  von 
den  Strahlen  des  pseudosphärischen  Strahlensystems  umhüllt  werden, 
ergiebt  sich  sofort: 


458     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

(25)  sm(cOi  -{-  Gj) du  -\-  sin(a3j  —  G>)dv  =  0, 

demnach  als  Differentialgleichung  der  dazu  senkrechten  (parallelen) 
Grenzkreise  (vgl.  §  34,  S.  66,  (13)): 

(26)  cos(c3^  -f"  C3)du  -\-  cos(ajj  —  (>3)dv  ^=0. 

Die  linke  Seite  von  (26)  ist,  wie  bereits  im  vorigen  Paragraphen  be- 
merkt worden  ist,  ein  vollständiges  Differential.     Wird 

■^  =  /[cos(a)i  -\-  (x>)du  -\-  cos(ct)i  —  co)dv\ 

gesetzt,  so  ist 

wo  die  Differentialparameter  bezüglich  des  Linienelements  von  S 
berechnet  sind.  Daraus  folgt  (§  39,  S.  74),  dass  e^  ein  Multiplicator 
der  linken  Seite  von  (25)  ist.  Wenn  wir  nun  mit  t  die  Function  be- 
zeichnen, deren  vollständiges  Differential  jene  linke  Seite  nach  Multipli- 
cation  mit  e^  wird,  so  haben  wir: 

d-il)  =  cos(cj^  -\-  G})du  -\-  cos(co^  —  co)dv, 
e~^dt  =  sin(a)j  -f~  'x>)du  -\-  sin(a)j  —  co)dv. 
Daraus  folgt  die  Gleichung: 

(27)  du"" -{-2 cos  2 CO  du  dv-\-dv^  =  dtp'' -j-e-'"^dt^, 

die  zeigt,  dass  das  Quadrat  des  Linienelements  von  S  auf  die  geodä- 
tische Normalform  der  Fläche  gebracht  ist. 

Auf  der  Complementärfläche  S^  dagegen  lautet  die  Differential- 
gleichung der  von  den  Strahlen  umhüllten  geodätischen  Parallelen: 

sin(G3i  -{-  co)dii  —  sin(G3jL  —  (o)dv  =  0, 
und  es  ist  e~^f  ein  Multiplicator  der  linken  Seite.     Setzen  wir: 

dtj^  =  e— '^[sin(wi  -\-  co)du  —  sin(wi  —  a))dv], 
so  ergiebt  sich  in  ähnlicher  Weise: 

(28)  du^  +  2cos2c3^dudv  -f  dv^  =  dtp''  +  e^,/.  ^^^2_ 

Bezeichnen  wir  endlich  mit  ^,  rj,  t,  die  Richtungscosinus  der 
Strahlen  des  Systems,  d.  h.  setzen  wir: 

^  =  x^—x,     7}  =  tj^—y,     ^  =  3^  —  0,     (P  _|_  ^'^  -f  g2  _  l^)^ 
so  finden  wir: 

(29)  d^^  -f  drj^  +  dt'  =  e-'^Pdr'  +  c^'f-'dt^\ 

Die  Curven  t,  t^  auf  der  Kugel  sind  die  Bilder  der  abwickel- 
baren Flächen  des  Strahlensystems  und  teilen  die  Kugeloberfläche  in 
unendlich  kleine  Rechtecke  von  constantem  Inhalt. 

Die   Gleichungen  des    vorliegenden  Paragraphen   rühren    sämtlich 


§  256.     Die  Lie'sche  Transformation.  459 

von  Darboiix  her,  der  sie  als  analytischen  Ausdruck  für  die  Comple- 
mentärtransformation  gefunden  hat. 

§  256.  Die  Lie'sche  Transformation. 
Im  Zusammenhange  mit  der  Bäcklund'schen  Complementärtrans- 
fonnation  der  pseudosphärischen  Flächen  ist  hier  eine  Transformation 
anderer  Art,  die  Lie'sche  Transformation,  zu  betrachten.  Sie  be- 
ruht auf  der  einfachen  Bemerkung,  dass  aus  einer  bekannten  Lösung 
o(tt,  u)  der  grundlegenden  Gleichung  (5): 

■7^ — ^-  =  sm  o  cos  a 


eine  neue  mit  einer  willküi'licheu  Constanten  k  behaftete  Lösung 
Sl{UjV)  abgeleitet  werden  kann  in  der  Weise,  dass 

ß(M,  v)  =  fa  \kUy  yj 

gesetzt  wird*).  Der  Lösung  0(1«,  v)  entsprach  eine  pseudosphärische 
Fläche  /S5  der  neuen  Lösung  i^  wird  eine  neue,  gestaltlich  völlig  be- 
stimmte, pseudosphärische  Fläche  E  entsprechen.  Diese  möge  die 
Lie'sche  Transformierte  der  Fläche  S  heissen.  L'm  die  Fläche  S 
zu  erhalten,  müssen  wir  eine  Riccati'sche  Differentialgleichung  integrie- 
ren und  dazu  das  Quadrat  des  Linienelements  auf  der  Kugel  wirklich 
auf  die  Form: 

ds'^  =  du^  —  2cos2£ldudv  -f  dv^ 
bringen. 

Wir  setzen  nun   zur  besseren  Vergleichung  mit   den  Formeln  der 
voraufgehenden  Paragraphen : 

,  1  -}-  sin  6 

cos  6 

und  bezeichnen  symbolisch  mit  Lg  diejenige  Lie'sche  Transformation, 
welche  die  Fläche,  die  der  Lösvmg  o(u,  v)  entspricht,  in  die  Fläche 
überführt,  die  der  Lösung 

>-,  ^        N              /l  4-  sin  c           1  —  sin  c    \ 
SlUl     V)  =  C3  \ ! 1(,       v) 

^   '    -^  \     cos  a        '         cos  6        / 

entspricht.  Dann  ist  die  dem  umgekehrten  Wege  entsprechende  oder 
inverse  Transformation  L^    einfach  Z_a. 

Sind   nun    a  und  cjj    zwei  Lösungen    der   Fundamentalgleichung, 
die  durch  die  Gleichungen  (24)  mit  einander  verbunden  sind,  d.  h.  ent- 


*)  Offenbar  gilt  die  zu  Grunde  liegende  Bemerkung  für  alle  (xleichnngen  von 
der  Form: 

j-^  =  F(a)). 


460    Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

sprechen  sie  zwei  pseudosphärisclien  Complementärtiächen,  und  bezeich- 
nen wir  mit  Sl  und  ^^  die  neuen  Lösungen,  so  erhalten  wir  sofort: 

^(ßi  — ß)         1  + sin  ff     .     .  . 

W =  — sm(ü,  +  iSi) , 

ou  cos  ff  \    1    I        jy 

cv  cos  ff  ^     ^  -^ 

Dieses  sind  die  Formeln  (16),  S.  453,  für  die  Bäcklund'sche  Transfor- 
mation. Nun  gelangen  wir  von  5i  zu  o  mittels  der  inversen  Lie'schen 
Transformation  L^  ,  von  to  zu  co^  mittels  der  Complementärtransfor- 
mation  B^,  von  cj^  zu  ii^  mittels  La  und  demnach  von  Sl  zu  ß^ 
mittels  der  zusammengesetzten  Transformation  LoBqL^^.  Da  wir 
andrerseits  von  Sl  zu  ß^  auch  mittels  der  Bäcklund'schen  Transfor- 
mation Ba  gelangen,  so  können  wir  symbolisch  schreiben: 

Ba  =  LaB^La     . 

Es  kann  somit,  wie  Lie  bemerkt  hat,  die  Bäcklund'sche  Trans- 
formation aus  Lie'schen  Transformationen  und  einer  Complementär- 
transformation  zusammengesetzt  werden.  Das  thut  jedoch  der  Bedeutung 
der  Bäcklund'schen  Transformation  keinerlei  Abbruch;  sie  kann  wie 
die  Complementärtransformation  durch  eine  geometrische  Construction 
im  Räume  veranschaulicht  werden,  während  für  die  Lie'sche  Trans- 
formation nichts  derartiges  gilt. 

Anmerkung.  —  Eine  Klasse  von  pseudosphärischen  Flächen  giebt 
es,  die  bisher  nicht  untersucht  worden  sind  und  auf  die  wir  kurz  hin- 
weisen wollen.  Jede  Fläche  der  beregten  Klasse  besitzt  die  Eigen- 
schaft, mit  ihren  sämtlichen  Lie'schen  Transformierten  zusammenzu- 
fallen. Um  zu  diesen  Flächen  zu  gelangen,  haben  wir  nur  diejenigen 
Lösungen  ca  der  Fundamentalgleichung  zu  suchen,  welche  Functionen 
des  Products  uv  sind.     Wird 

2(0  =  f{t),     t  ==  UV 

gesetzt,  so  ist  f  aus  der  Differentialgleichung: 

T/"+/"'=sin/' 

zu  bestimmen,  die,  wenn  r  =  e^  gesetzt  wird,  die  Form: 

^— .  ==  e-^  sm  / 

annimmt.  Unter  diesen  Flächen  befinden  sich  auch  die  Flächen,  auf 
denen  zwei  einander  schneidende  Gerade  liegen  (§  250). 


§  257.    Der  Vertauschbarkeitssatz.  461 

r 
§  257.     Der  Vertauschbarkeitssatz. 

Als  sehr  fruchtbringend  für  die  fortgesetzte  Anwendung  der  Metho- 
den zur  Transformation  der  pseudosphärischen  Flächen  erweist  sich  ein 
Satz^  den  der  Verfasser  Vertauschbarkeitssatz  genannt  hat*).  Der- 
selbe lautet  wie  folgt: 

Sind  Sj^  und  S^  zwei  pseudosphärische  Flächen,  die  mit 
ein  und  derselben  pseudosphärischen  Fläche  S  durch  zwei 
Bäcklund'sche  Transformationen  jB«,,  Sa.  mit  verschiedenen 
Constanten  6^,  6^  verknüpft  sind,  so  giebt  es  eine  vierte 
pseudosphärische  Fläche  ^3,  die  mit  den  Flächen  S^,  Ä  be- 
züglich durch  Bäcklund'sche  Transformationen  Bä^,  Bä^,  mit 
den  vertauschten  Constanten  6^,  6^,  verknüpft  ist. 

Augenscheinlich  gelangt  man  von  S  zu  S..  entweder,  indem  man 
zuerst  Bo^,  dann  B'a^  oder  indem  mau  zuei-st  Ba^,  dann  Ba^  ausführt, 
d.  h.  es  ist  symbolisch : 

B'a^Ba^  =  Bä^Ba^- 

daher  die  Bezeichnimg:  Vertauschbarkeitssatz. 

Zum  Beweise  desselben  gehen  wir  auf  die  Grleichungen  (14),  §  251, 
S.  452,  angewandt  auf  die  beiden  Flächen  S^  und  S^,  zurück,  näm- 
lich auf  die  Gleichungen: 

j  a^i  =  ic  -|-  cos  ^1  (X'  sin  o^  -f-  X"  cos  ojj) , 
^      '  [x^  =' X -\- cos  6^{X' sin  03^ -\- X"  cos  a^) 

nebst  den  analogen    in   y  und  3,    wo   zwischen  «1,(0;  w^,  w   die  fol- 
genden Beziehungen  bestehen: 

ic  (cü,  —  cü)  1  -1-  sin  ff,  .    ^         ,       >^ 

C  U                           cos  ffj  \  1     I          /  ? 

c(ü).  -\-  co"  1  —  sin  ff.  .    .                X 

CV                          cos  ffj  ^  ^               ^' 

fc((a,  —  (o)         1  -|-  sinff,     .    ^         ,       V 
-M. =  — =  sm(cj^  +  cd), 
c  u                      cos  ff,  \    -    I         /  7 

,  c(a),  -j-  oa)         1  —  sin  ff,     .     ,  -, 

^^         CV  cos  ff,  ^    ^  ^ 

Wir  wollen  nun  zum  Beweise  zunächst  annehmen,  dass  entsprechend 
dem  Wortlaut  des  Satzes  die  vierte  Fläche  S.^  existiere,  und  wollen 
die  sich  auf  ^3  beziehenden  Grössen  mit  dem  Index  3  versehen.  Da 
nun  /So  mit  Si  durch  eine  Transformation  Bg^  verknüpft  ist,  müssen 
wir  infolge  der  Gleichungen  (14)  imd  (18),  §  251,  haben: 


*)  S.   die  Bemerkung  des  Verfassers:    Sulla   trasformazione   di   Blick- 
lund,  Rendiconti  dell'  Accademia  dei  Lincei,  5.  Serie,  1.  Bd.,  2.  Halbjahr. 


462     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmun^smass. 


x.^  =  x^  -\-  cos  ^2  sin  G)^  [(sin  o^  sin  co  — ■  sin  6^  cos  gj^  cos  w)  X'  -\- 
-f-  (cos  «1  sin  cj  -|-  sin  0^  sin  «^  cos  o?)  X"-\-  cos  (j^  cos  co  X]  -{- 
+  cos  (?2  cos  (03  [sin  co^  cos  co  -f-  sin  <?j  cos  co^  sin  to)  X'-f- 
-{-  (cos  co^  cos  CO  —  sin  (J^  sin  coy  sin  (o)X" —  cos  6^  sin  oX]. 

Andrerseits  ist  auch,  da  S^  mit  S.^  durch  JJJ^  verknüpft  ist: 

x.^  =  x^  -\-  cos  ^1  sin  tOg  [(sin  to^  sin  co  — ■  sin  6^  cos  to^  cos  to)  X'  -|- 
-\-  (cos  cog  sin  G»  -j-  sin  ög  sin  co.^  cos  co)X"-|-  cos  ö'^,  cos  cjX]  -|- 
-f-  cos  öjL  COS  CO3  [(sin  cog  cos  co  -|-  sin  a.^  cos  cog  sin  co)X'  -f- 
-f-  (cos  (O2  cos  03  —  sin  ö^  sin  a.^  sin  co)  X" —  cos  6,^  sin  co  X] . 

Aus  der  Vergleichung  der  beiden  Ausdrücke  für  rr^  und  unter  Berück- 
sichtigung der  Gleichungen  (30)  folgern  wir: 

cos  6y  sin  co^  -j-  cos  (j^,  sin  CO3  (sin  co^  sin  co  —  sin  6^  cos  co^  cos  a)  -f- 

-f-  cos  (jg  cos  (O3  (sin  co^  cos  a  -f-  sin  6^  cos  co^  sin  a)  = 

=  cos  G'y  sin  cOjj  -f-  cos  ^^  sin  CO3  (sin  cog  sin  co  —  sin  ö.^  cos  g)^  cos  co)  -(- 

-f-  cos  (?i  cos  co3(sin  osg  cos  cu  -f-  sin  (Jg  cos  coo  sin  co), 

cos  (jj  cos  0?!  -{"  cos  ö'g  sin  CO3  (cos  co^  sin  a  -f-  sin  ö^  sin  co^  cos  03)  -f- 

-}-  cos  (?2  cos  CO3  (cos  dy  cos  o  —  sin  ö^  sin  co^  sin  cj)  = 

=  cos  (5^  cos  CÖ2  +  cos  6y  sin  CO3  (cos  cog  sin  ra  -f-  sin  (?2  sin  cog  cos  co)  -|- 

-j-  cos  ßy  cos  CO3  (cos  CO2  cos  «  —  sin  6^  sin  CO2  sin  co) . 

Multiplicieren  wir  diese  Gleichungen  der  Reihe  nach  das  erste  Mal 
mit  sincoj,  cosco^,  das  zweite  Mal  mit  sincog,  cos  co^  und  addieren  wir 
jedes  Mal,  so  ergeben  sich  die  beiden  Gleichungen: 

cos  6y  sin  (jg  sin  {p^  —  a^  sin  (03  —  0)  + 

-f-  [cOS(Jj  C0S(C02 — '^'l)  ~~  COS^2]COS(C03— (o)  =  COSÖ^ COSCjg  COS  (CO2 CO^, 

—  cos  (32  sin  6y  sin(co2  —  C3^  sin(co3  — ^ «)  -f- 

-f-  [cOSÖg  COS(C02 CO^) COSöJcOs((03 — ■  o)  =  C0S(J2 C0SÖ^C0S((02 — CjJ. 

Lösen  wir  sie  nach  sin  (CO3 —  co)  und  cos  (033  —  co)  auf,  so  erhalten  wir 
die  beiden  Gleichungen: 

(sin  ffj  —  sin  6^  sin  {a^  —  coj) 


(32) 


sin  (cog 


0 


cos  öj  cos  02  cos(q32  —  Ci)  -|-  sin  6y  sin  g^ —  1 
/  N         cos  c»i  cos  (>2  -|-  (sin  <s^  sin  c^  —  1)  cos  (co^  —  aii) 

cos  (Wo  (O)  =   , r-^ -. . .   • 

^^        ^    **  ^         cos  (Tj  cos  (>j  cos((aj  —  (uj  -|-  sm  (?j  sm  c,  —  1 


Sie   sind  mit  einander  verträglich,   weil  die  Summe  der  Quadrate  der 
rechten  Seiten  gleich  Eins  ist. 


§  257.    Der  Vertauschbarkeitssatz.     §  258.    Fortsetzung.  463 

Wir  können  sie  durch  die  nachstehende  eine  Gleichung  ersetzen: 


cos 


(33)  taag^?V^  =  --^„;ta„g"^ 

Sin         — - 


§  258.     Fortsetzung. 

Die  voraufcrehende  Rechnunor  hat  uns  unter  der  Voraussetzung  der 
Existenz  der  vierten  Fläche  S.^  zur  Gleichung  (33)  (oder  zu  den  Glei- 
chungen i320  geführt,  durch  die  diese  Fläche  bestimmt  werden  müsste. 
Nun  können  wir  leicht  bestätigen,  dass  die  so  gefundene  Fläche  53  in 
der  That  allen  Bedingungen  des  Yertauschbarkeitssatzes  genügt.  Hierzu 
brauchen  wir  nur  nachzuweisen,  dass  die  durch  die  Gleichung  (33)  be- 
stimmte Function  03  mit  a^  bez.  o^  durch  die  Gleichungenpaare: 


(e) 


(d) 


di^^-^  =  Mi^in^  sin(ö3  +  cO, 

cu  cos  <>,  V    J    I         1/^ 

I  £(^+^   _    1   -^^   ^.^^         _  y 

\  CV  cos  ffj  ^    •*  ^^' 


sin(o3-|-  »2), 


^(»5  —  o),)  1  -f  sin  Cj 

c  «t  cos  ffj 

c  V  cos  ff,  ^    ^  -^ 


verknüpft  ist,  die  besagen,  dass  man  von  S^  zu  S.^  mittels  der  Bäck- 
lund'schen  Transformation  Bö„  und  von  S^  zu  ^3  mittels  der  Trans- 
fonnation  Bä^  gelangt. 

Um  nun  z.  B.  die  Gleichungen  (c)  zu  beweisen,  brauchen  wir  nur 
die  Gleichung  (33)  nach  ^^  und  v  zu  differenzieren,  die  Gleichungen 
(32)  zu  berücksichtigen  und  in  geeigneter  Weise  mit  den  Gleichungen 
(31)  zu  combinieren.     Ahnliches  gilt  für  die  Gleichungen  (d). 

Nachdem  somit  der  Yertauschbarkeitssatz  bewiesen  ist,  mag  be- 
merkt werden,  dass  vier  entsprechende  Punkte  auf  den  vier  pseudo- 
sphärischen Flächen  S,  S^,  S^,  S^  die  Ecken  eines  windschiefen  Vier- 
ecks sind,  in  dem  zwei  Gegenseiten  die  constante  Länge  cos  6^,  die 
beiden  anderen  die  constante  Länge  cos  6^  behalten.  Das  Viereck  be- 
wegt sich,  ohne  dass  sich  die  Seitenlängen  ändern,  so  im  Räume,  dass 
seine  vier  Ecken  die  vier  pseudosphärischen  Flächen  beschreiben  und 
die  in  einer  Ecke  zusammenstossenden  Seiten  in  der  Tangentialebene 
der  entsprechenden  Fläche  liegen. 


464    Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

§  259.     Polgerungen   aus   dem  Vertauschbarkeitssatz. 

Wir  wollen  nun  voraussetzen,  dass  von  einer  pseudosphäri sehen 
Fläche  S,  die  der  Lösung  co  der  Fundamentalgleichung  (5)  entspreche, 
alle  Bäcklund'schen  Transformierten  bekannt  seien,  d.  h.,  dass  wir  für 
jeden  Wert  der  Constanten  6  das  Gleichungensystem: 


(34) 


'd(cp  —  a»)  1  4- sin  ff     •     /        ,        x 

— r^ ^  =  — ! sin(op  +  CO), 

cu  cos  ff  vr    I       y? 

d{(p  4-  (o)  1  —  sin  ff     .    /  ^ 

—  sin(qD  —  cj), 


CV  cos  ff 

in  dem  die  Lösung  (p{u,v,6,C)  der  Fundamentalgleichung  (5)  mit 
den  beiden  willkürlichen  Constanten  6  und  C  bekannt  sei,  integrieren 
können.     Dann  folgt  aus  dem  Yertauschbarkeitssatz : 

Fürjedederaus^S  ableitbaren  pseudo  sphärischen  Flächen 
können  alle  Bäcklund'schen  Transformierten  lediglich  durch 
algebraische  Rechnungen  und  Differentiationen  bestimmt 
werden. 

Es  sei  nämlich  S^  eine  Bäcklund'sche  Transformierte  von  8,  die 
der  Lösung  der  Gleichung  (5) 

«1  =  (p(ii,  V,  (?i,  C) 
entspreche,  und  U  die  durch  die  erzeugende  Transformation  Bg  erhal- 
tene Transformierte   von   S^.     Bezeichnen   wir  mit  ß   die  Lösung  der 
zugehörigen  Gleichung  (5)  und  berücksichtigen  wir  die  Gleichung  (33), 

so  erhalten  wir: 

ffj  -|-  ff 

(35)  tang  "^  =  -J-^a  ^^^^  "^— ''^^,' '' '' ^^  • 

sinL^ 

Diese  Gleichung  bestimmt  uns  U  in  endlicher  Form,  nur  nicht  in 
dem  Falle:   <?i==  (?. 

Indem  wir  aber  diesen  Ausnahmefall  als  Grenzfall  auffassen,  können 
wir  auch  für  ihn  leicht  die  zugehörige  Gleichung  finden.  Zu  diesem 
Zwecke  denken  wir  uns  in  der  Function  (p(u,  v,  6,  C)  6  sich  6^ 
nähern  und  für  C  eine  willkürliche  Function  von  (?^  gewählt,  die  für 
6  =  6j^  in  Cj  übergeht. 

In  der  Grenze,  für  0  =  6^,  wird  die  Gleichung  (35)   unbestimmt. 

tff  — — — "- 
2 
Wird  jedoch    auf   der    rechten    Seite    für    den    Quotienten 

der  die  Gestalt  .  annimmt,  der  Quotient  der  Differentialquotienten 
nach  <j  gesetzt,  so  ergiebt  sich: 


§  259.    Folgerungen  ans  dem  Vertauschbarkeitssatz.  465 

,         ß  —  üj  Vctp    ,    ctp  dC] 

tang  -,       =  cos  6,  [_.-^  +  ^  ^J 

a  =  ai 

oder: 

(35*)  taog?-^  =  e„s»,[||  +  C-||]         , 

WO  C  eine  neue  willkürliche  Constante  ist.  Xun  lässt  sieh  leicht  direct 
nachweisen,  dass  sich  aus  dieser  Gleichung  eben  die  mittels  Bo^  ge- 
fundenen Bäcklund' sehen  Transformierten  von  S^  ergeben.  Dazu  brau- 
chen wir  nur  die  Gleichungen  (34)  nach  <?  zu  differenzieren,  dann  in 
ihnen  6  gleich  6^  zu  setzen  imd  die  so  erhaltenen  Gleichungen  mit 
denen  zu  combinieren,  die  durch  Differentiation  der  Gleichung  (35*) 
nach  u  und  v  entstehen. 

Das  Ergebnis  lässt  sich  auch  folgendermassen  aussprechen: 
Bei  fortgesetzter  und  unbeschränkter  Anwendung  der 
Bäcklund'schen  Transformation  auf  eine  pseudosphärische 
Fläche  und  auf  die  nach  einander  aus  dieser  Fläche  abgrelei- 
teten  Flächen  braucht  nur  die  erste,  auf  die  erzeugfende 
Transformation  Bg  bezügliche  Riccati'sche  Differentialglei- 
chung integriert  zu  werden;  dann  sind  die  weiterhin  nach 
einander  auftretenden  Riceati'schen  Differentialgleichungen 
unmittelbar  gleichzeitig  mit  dieser  integriert. 

Aus  den  Untersuchungen  Lies  über  die  fortgesetzte  Anwendung 
der  Complementärtransformation  folgt,  dass  die  aus  einer  Ausgaugs- 
fiäche  abgeleiteten  Flächen  in  Wirklichkeit  in  jedem  Falle  eine  Mannicr- 
faltigkeit  unendlich  hoher  Ordnung  bilden.  Nun  erscheint  es  sehr 
bemerkenswert,  dass  nach  Ausführung  der  ei-sten  allgemeinen  Bäck- 
lund'schen Transformation,  die  zwei  willkürliche  Constanten  hinein- 
bringt, das  Hineinbringen  der  weiterhin  nach  einander  in  imbegrenzter 
Anzahl  auftretenden  Constanten  lediglich  algebraische  Rechnuno-en  und 
Differentiationen  erfordert. 

§  260.     Geodätisclie  Linien  auf  den  abgeleiteten  Flächen. 

Unter  Beibehaltung  der  zu  Beginn  des  Torigeu  Paragraphen  ge- 
troffenen Voraussetzung  beweisen  wir  nun  Folgendes: 

Für  jede  Fläche  S^  der  aus  S  abgeleiteten  Reihe  von 
Flächen  lässt  sich  ohne  irgend  eine  Integration  die  Gleichung 
der  geodätischen  Linien  in  endlicher  Gestalt  angreben 

Bezeichnen  wir  nämlich  mit  a„  die  der  Fläche  S„  entsprechende 
Lösung  von  (5),  so   können   wir  nach  dem  Vorstehenden  allein   durch 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  3() 


4GG     Kap.  17.    Transformationen  der  Plächen  mit  constantem  Krummüngsmass. 

algebraisclie  Rechnungen  und  Differentiationen  die  allgemeinste  Lösung 
(f  des  Systems: 

(36)       — =  sin(^  +  c}„) ,      -^^^^ =  8m{(p  —  o,) 

angeben.  Sie  ist  eine  Function  q){u,  v,  C)  mit  einer  willkürlichen 
Constanten  C.  Differenzieren  wir  nun  diese  Gleichungen  nach  C,  so 
erhalten  wir,  wenn 

gesetzt  wird:  , 

Daraus  folgt,  dass  die  Function  ^  mit  der  nicht  additiven  Constanten 
C  ein  Integral  der  Gleichung: 

ist,  wo  zt^xl^  der  erste  Differentialparameter  von  ^  bezüglich  der  Form: 

ds^  =  du^  -f-  2  cos  2  «„  (?m  (??;  -(-  dv^ 
ist,  die  das  Quadrat  des  Linienelements  von  8,i  darstellt.     Infolge  von 
Satz  (B),  §  86,  S.  170,    kommen    wir    also    zu   dem   gewünschten   Er- 
gebnis : 

Die  endliche  Gleichung  der  geodätischen  Linien  auf  Sn 
lautet: 

worin  C"  eine  neue  willkürliche  Constante  ist. 

§  261.    Dinis  pseudosphärische  Schraubenfläelien. 

Die  obigen  Ergebnisse  wenden  wir  nun  auf  die  Untersuchung 
einer  (unendlichen)  Reihe  von  pseudosphärischen  Flächen  an,  für  die 
sich  die  laufenden  Punktcoordinaten  durch  gewöhnliche  Kreis-  und 
Exponentialfunctionen  der  Parameter  ti,  v  der  Haupttangentencurven 
ausdrücken. 

Diese  Flächenreihe  erhalten  wir  am  einfachsten,  wenn  wir  von  der 
evidenten  Lösung:  co  =  0  der  Fundamentalgleichung  (5)  ausgehen.  Es 
ist  klar,  dass  die  Formeln  für  die  Bäcklund'sche  Transformation  auch 
in  diesem  Falle  anwendbar  bleiben,  wofern  gesetzt  wird: 

X  =  0,  y  ==^}  z  =  u  -\-  V, 

X=       cos(w  —  v),      Y  ==  sm{u  —  v),       Z=0, 
X'=  —  sin(w  —  v),       Y'=cos(^t  — «;),      Z'=0, 

x"=o,  r'=o,  z"=i. 


§  261.  Dinis  pseudosphär.  Schraubenfl.    §262.  Grestalt  der  Dini'schen  Flächen.     467 

Durch  diese  Werte  wird  den  Fundamentalgleichungen  (a)  und  (b), 
S.  443,  Genüge  geleistet 5  nur  tritt  hier  der  besondere  Umstand  ein, 
dass  sich  die  Ausgangsfläche  S  auf  die  ^-Axe  zusammenzieht. 

Wenden  wir  auf  diese  Lösung:  C3  =  0  die  allgemeine  Bäcklund'sche 
Transformation  Bg  an,  um  zu  einer  neuen  Lösung  q)  zu  gelangen, 
so  finden  wii-,   dass  9  durch   die  simultanen  Gleichungen  (16),  §  251, 

S.  453: 

ctp         1  -\-  sin  e    .             cw         1  —  sin  a     . 
7^-  =  — Sin  op ,     o—  = sin  CD 

CU  cos  ff  ^'       OV  cos  ff  ^ 

bestimmt  ist.     Durch  Integration  ergiebt  sich: 

j-  tin  a(u  —  f) 
coi  a 

} 


(38)  tang  f  =  Ce 


wo    die    willkürliche    Integrationsconstante   C    ohne    Einfluss    auf    die 
Beschaffenheit  der  Fläche  gleich  Eins  gesetzt  werden  kann. 

§  262.     Gestalt  der  Dini'schen  Flächen. 

Untersuchen  wir  nun,  wie  die  entsprechenden  Flächen  aussehen. 
Aus  den  Gleichungen  (14),  §  251,  S.  452,  erhalten  wir  unter  Berück- 
sichticmng  der  Gleichungen: 

1  j.        i,  w  +  J'  +  sin  ff  (u  —  v) 

sm  op  =  — ^— - ,     cos  qp  =  —  tangh  a,     u  =  — !^ - 

^         cosh  a'  ^  o       f  ßQg  g 

für  unsere  Flächen  S^ : 

sin(tt  —  v)  cosOu  —  v) 

^i=-*=«^^-^h^'      yi  =  ^°^^^sh^^ 

Zi  =  u  -\-  V  —  cos  6  tang  a . 
Führen  wir  die  Parameter  der  KrümmungsKnien: 

Ü=  u  -{-  v^     V  =  u  —  V 
ein,  so  können  wir  statt  dieser  Gleichungen  die  folgenden  schreiben: 

/on\  ^    sin  F  cos  V 

(39)  a:,  =  -cos<y^^^,     ?/x  =  cosö^^^, 

Zi=U  —  cos 6  tangh a  =  cos <? (a  —  tangh a)  —  V sin tf , 

U  -\-  F  sin  ff 

u  =  — ' 

cos  ff 

Die  vorstehenden  Gleichungen  zeigen  uns,  dass  die  fra »liehen 
Flächen  Schraubenflächen  sind.  Die  Meridiancurve  F=0,  die  durch 
die  Gleichungen: 

cos  ff  /  .  1        \ 

y^=^^^8ha'     ~-i  =  cosö(a- tangh a) 

30* 


468     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

bestimmt  ist,  ist  eine  Tractrix,  für  welche  die  Axe  Asymptote  und 
die  eonstante  Länge  der  Tangente  gleich  cos  6  ist.  Der  Parameter  der 
Schraubung  ist  gleich  sin  a.  Es  sind  dieses  die  merk- 
würdigen pseudosphärischen  Schraubenflächen,  die  zuerst 
Dini  gefunden  hat*). 

Ihre  Krümmungslinien  V=  Const.  sind  die  Meridian- 
curven  (Tractricen);  die  Krümmungslinien  des  zweiten 
Systems   ü  =  Const.  liegen  wegen  der  Gleichung: 

^'i^  +  Vx^  +  (■^i  —  uy^  =  cos^  6 

auf  Kugeln  vom  Radius  cos^,    deren  Mittelpunkte   auf 
der  Axe   liegen.     Aus   den    nachstehenden   Werten    für 
s^hraube^flächr^    ^^^  Richtungscosiuus  der  Normale   der  Schraubenfläche 
S,  (§  453,  Gl.  (18)): 

X^  =       cos  6  tangh  a  sin  F  —  sin  <?  cos  V, 
Yi  =  —  cos  6  tangh  a  cos  V  —  sin  6  sin  F, 

ry  COS  ö 

^1    "= 


cosh  cc 
leiten  wir  die  beiden  Gleichungen  ab: 

—  (Xi  cos  V  -{-  Y^  sin  F)  =  sin  (?, 

Die   erste  besagt,    dass  die   Senkrechte  auf  der  Meridianebene  mit  der 

Flächennormale  den  Winkel  ^ 6  bildet,  die  zweite,  dass  die  Kugeln, 

auf  denen  die  Krümmungslinien  U  =  Const.  liegen,  die  Schraubenfläche 
orthogonal  schneiden. 

Daraus  folgt  auch,  dass  die  Curven  U  =  Const.  Loxodromen 
der  Kugeln  sind,  auf  denen  sie  liegen,  und  dass  sie  die  Meridiane  der 

Kugeln  in  Ebenen  durch  die  Axe  unter  dem  Winkel        —  6  schneiden. 

Ferner  sind  diese  Curven  ü  geodätische  Kreise  vom  Radius  cos  (?  <  1 
und  haben  demnach  einen  reellen  Mittelpunkt.  Das  Quadrat  des  Linien- 
elements der  Schraubenfläche  ist: 

ds^  =  4:(cos'-(pdU''  +  sin^^j^F^), 

*)  Lassen  wir  die  Bedingung  fallen,  dass  der  Radius  It  der  pseudosphü- 
rischen  Fläche  gleich  Eins  sein  soll,  so  können  wir  das  Ergebnis  folgender- 
massen  aussprechen :  Wird  einer  Tractrix  vom  Parameter  h  eine 
Schraubung  vom  Parameter  m  um  die  Asymptote  erteilt,  so  ist  die 
entstehende  Schraubenfläche  eine  pseudosphärische  Fläche  vom 
Radius   B  =  Yh-  -j-  w^. 


§  262.  Gestalt  d.  Dini'schen  Flächen.     §  263.  Complementärfl.  d.  Pseudosph.     469 
A  h.: 


ds^-=4{t^ngh^-ucilP  +  ^) 


Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  die  Schraubenlinien  u  =  Const.  geo- 
dätisch parallele  Kreise  mit  imaginärem  Mittelpunkt  sind  und  dass 
somit  die  Schraubenfläche  auf  die  pseudosphärische  Rotationsfläche  vom 
hyperbolischen  Typus  derart  abwickelbar  ist,  dass  sich  die  Schrauben- 
linien mit  den  Parallelkreisen  decken.  ,.jic^ 

Die  Sätze  der  voraufgehenden  Paragraphen  geben  uns  Gewissheit 
darüber,  dass  die  unbegrenzt  fortgesetzte  Anwendung  des  Bäck- 
lund'schen  Transformationsverfahrens  auf  die  Dini'schen 
pseudosphärischen  Schraubenflächen,  insbesondere  auf  die 
PseudoSphäre  (ö=  0),  nur  algebraische  Rechnungen  und  Dif- 
ferentiationen erheischt. 

Nehmen  wir  z.  B.  eine  specielle  Dini'sche  Schraubenfläche,  die  den 

Gleichungen : 

o),  u  -f  t;  +  sin  ff,  (m  —  c^ 

tang  ^  =  e"',       »i  =  — ' ^-^^ 

®  2  '  ^  cos  Oj 

entspricht,  so  erhalten  wir  infolge  von  (35)  ihre  erzeugende  Bäcklund'sche 
Transformierte  mit  constantem  a  mittels  der  Gleichung: 

ff,  -p  ff 

^  cos  -^— ^ a,  a 

O  o  »    f 

(40)  tang^  =  -j-^^-^^, 

2 
wenn  «  =  "       ^       ^ ^^ ist.    In   dem   besonderen  Falle:  (?  =  (?, 

cos  ff  ^ 

müssen  wir  dagegen  Gleichung  (35*)  benutzen,  aus  der  sich 

40  *^  ta       —  =  "  ~  c  -f-  sin  ff,  (u  -j-  c)  -f  C 

^         ^  ^2  cos  ffj  cosh  a, 

ergiebt. 

§  263.     CJomplementärfläche  der  Pseudosphäre. 

Wir  wollen  nun  die  ComplemeutäiÜäche  der  Pseudosphäre,  die 
dem  Werte  6^=0  in  der  letzten  Gleichung  entspricht,  näher  unter- 
suchen. Da  der  Wert  von  C  ohne  Einfluss  auf  die  Gestalt  der  Fläche 
ist,  können  wir  ohne  weiteres  C"  gleich  Null  setzen.     Dann  ist: 

ß  „_^  V 

tang^  = 


cosh  (u  -}-  v)        cosh  U 
.     ^  2  F  cosh  U  ^        cosh»  U  —  V^ 

cosh-  L  -\-  F- '  cosh*  U  -\-  V 

Geometrisch  leuchtet  ein,  dass  die  Schar  der  geodätischen  Linien 
der  Pseudosphäre,  bezüglich  deren  die  Complementärfläche  constmiert 


470     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 


ist,   aus   den   geodätischen   Linien  bestellt,    die  einem  Meridian   in   der 
von  der  Asymptote  abgewandten  Richtung  parallel  sind. 

Die  Anwendung  der  Grleichungen  der  voraufgehen- 
den Paragraphen  ergiebt  als  Parameterdarstellung  dieser 
Fläche : 

2  cosh  U  .-f-r  ^y.  .      T^v 


y 


2cosh  TJ 


cosh«  U  -^  V' 


(FsinF+cosF), 


jj        2  sinh  U  cosh  U 


Da 


Fig.  16. 
Complementärfläche 
der  Pseudosphäre  *). 


(Fsin  F+  cos  V)x  —  (FcosF—  sinF)y  =  0 


ist,  so  ist  klar,  dass  die  Krümmungslinien  F==  Const.  in 
Ebenen  durch  die  ^-Axe  liegen.  Da  sich  ferner  bei 
der  Drehung  dieser  Fläche  um  die  Axe  die  oc^  pseudosphärischen 
Flächen  des  aus  der  Pseudosphäre  ableitbaren  Cykelsystems  ergeben, 
so  folgt,  dass  die  Krümmungslinien  ü  =  Const.  auf  Kugeln  liegen, 
die  die  Fläche  orthogonal  schneiden  und  deren  Mittelpunkte  die  Axe 
erfüllen. 

Berücksichtigen  wir,  dass   die  Hauptkrümmungsradien 


=  cotgß  = 


cosh''  U  —  F^ 
~~2Fcosh'[7~  ' 


„  2  F  cosh  U 


sind,  so  sehen  wir,  dass  die  Fläche  die  beiden  singulären  Curven: 

F=0,     F=coshü' 

als  Rückkehrkanten  besitzt.  Erstere  ist  eine  ebene  Curve,  die  sich  aus 
der  Meridiantractrix  der  Pseudosphäre  in  der  Weise  ergiebt,  dass  auf 
der  Tangente  vom  Berührungspunkt  nach  der  der  Asymptote  abgewandten 
Richtung  die  Längeneinheit  abgetragen  wird;  dann  ist  der  Ort  der 
Endpunkte  eben  diese  Curve.  Die  zweite  Rückkehrkante  ist  eine  Raum- 
curve. 

Ohne  die  Rechnungen   durchzuführen,   die   sich  nach   den   Ergeb- 
nissen  des  Vertauschbarkeitssatzes  lediglich  durch  Differentiationen  er- 
ledigen lassen,  geben  wir  endlich  noch  an,  dass  das  Quadrat  des  Linien 
elements  der  Fläche  durch 

/cosh-  U  — _F-\  a  ,    2    ,        4  V^  cosh^  U 


ds 


dV 


*)  Diese,   wie  auch  die  vorige  Abbildung,   sind   dem  Modellverzeichnis  von 
L.  Brill  in  Darmstadt  entnommen. 


§  264.     Flächen  mit  positivem  constantem  Krümmungsmass.  471 

gegeben  ist.     Es  geht  in  die  typische  Form: 

ds^  =  da-  +  e^"dß^ 


über,  wenn 


^^g^^L^+F^^     ß=U-V'^^^ü 


gesetzt  wird. 

Die  hier  betrachtete  Fläche  ist  nur  ein  besonderer  Fall  der  Enneper'- 
schen  pseudosphärischen  Flächen  mit  einer  Schar  ebener  Krümmiings- 
linien,  bei  denen  elliptische  Functionen  auftreten.  Zu  dieser  Klasse 
gehören  auch  die  Complementärflächen  der  pseudosphärischen  Rotations- 
flächen vom  elliptischen  und  hyperbolischen  Typus.  Bei  allen  Enneper'- 
schen  Flächen  mit  negativem  oder  positivem  constantem  Krümmungs 
mass  gehen  die  Ebenen  der  Krümmungslinien  des  einen  Systems  durch 
eine  feste  Gerade  (die  Flächenaxe),  während  die  Krümmungslinien  des 
zweiten  Systems  auf  Kugeln  liegen,  die  die  Fläche  orthogonal  schneiden 
und  deren  Mittelpunkte  die  Axe  erfüllen. 

§  264.     Flächen  mit  positivem  constantem  Krümmungsmass. 

Wir  wollen  nun  einen  kurzen  Überblick  über  die  Flächen  mit 
positivem  constantem  Krümmungsmass  geben,  deren  Theorie 
bis  jetzt  sehr  wenig  entwickelt  ist.  Insbesondere  ist  für  diese  Flächen 
keine  Transformation  bekannt,  die  der  Bäcklund'schen  Transformation 
der  pseudosphärischen  Flächen  analog  wäre.  Die  bekannten  Flächen 
dieser  Klasse  beschränken  sich  auf  die  Rotations-,  Schrauben-  und 
Enneper'schen  Flächen. 

Wir  suchen  zunächst  den  Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linien- 
elements der  Fläche  mit  dem  Krümmungsmass  K  =  -{-  1,  bezogen  auf 
die  Krümmungslinien  «,  v: 

ds^  =  Eda^  +  Gdv\ 

Indem  wir  hierzu  die  allgemeinen  Ergebnisse  des  Kapitels  IX  ver- 
werten, bemerken  wir,  dass,  da 

ist,  wir  also,  wenn  wir  r^  >  1,   /'g  <  1    voraussetzen   und  mit  xt  eine 
Hilfsfunction  von  u,  v  bezeichnen, 

)\  =  cotgh  0-,      r.2  =  tangh  0- 

setzen  können.    Die  Fundamentalgleichungen  (1),  §  123,  S.  234,  geben 
uns  dann: 

c  log  yE  c  log  sinh  &        c  log  j/G^  c  log  cosh  %■ 

dv  dv  du  du 


472     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass, 

und  zeigen,  dass  bei  Einführung  geeigneter  neuer  Parameter  u,  v 

YE  =  sink  d-,     yG  =  cosh  d- 
gesetzt  werden  kann.     Aus   der  Gleichung  (2)   desselben  Paragraphen, 
S.  235,  ergiebt  sich  dann  als  charakteristische  Gleichung: 

-A—,,  -\-  o-  9  =  —  sinh  d'  cosh  -9-. 

du-'    '    ov^ 

Während  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche  die  Form: 

ds^  =  sinh^  d-du^  +  cosh^d'dv^ 
hat,  ist  das  der  Bildkugel  durch 

ds'^  =  cosh^  d-du^  +  smh^d'dv^ 
gegeben. 

Andrerseits  wird  für  denselben  Wert  von  d-  den  angeführten 
Grundgleichungen  auch  Genüge  geleistet,  wenn 

YE  =  cosh  ^,       ya  =  sinh  0-, 
r^  =  tangh-O-,        r.^  =  cotghO' 

gesetzt  wird,  wodurch  das  Linien element  der  Fläche  und  dasjenige  der 
Bildkugel  vertauscht  werden.  Wir  können  also  den  Satz  aussprechen: 
Die  Bestimmung  der  Flächen  mit  positivem  constantem 
Krümmungsmass  K=  -j-  1  hängt  von  der  partiellen  Diffe- 
rentialgleichung: 

(41)  ^^„  +  >s-  ,  =  —  sinh  d"  cosh  & 

^      ^  du-     '     cv^ 

ab.  Jeder  Lösung  0-  dieser  Gleichung  entsprechen  zwei  ver- 
schiedene Flächen  B  und  >S"  mit  dem  Krümmungsmass  K=  -f-  1 
(sie  mögen  als  conjugiert  bezeichnet  werden),  für  welche  die  Qua- 
drate der  Linienelemente,  bezogen  auf  die  Krümmungslinien 
w,  V,  durch  die  Ausdrücke: 

ds^  =  sinh^ du^  -|-  cosh'^ d\)^, 

ds"^  =  cosh'^  dti^  -f-  sinh"  dv^ 

gegeben  sind,  während  die  Hauptkrümmungsradien  die  Werte: 

r^  =  cotgh  '9',      ^^.  =  tangh  -O-, 

r/=  tangh  -O-,      rj  =  cotgh  %• 

haben.  Das  Linienelement  der  einen  ist  gleich  demjenigen 
der  Bildkugel   der  anderen. 

Sowohl  S  als  auch  S'  sind  auf  die  Bildkugel  (vom  Radius  Eins) 
abwickelbar,  und  die  Abwickelung  kann  in  der  Weise  vorgenommen 
werden,  dass  die  Krümmungslinien  von  S  auf  die  sphärischen  Bilder 
der  Krümmungslinien  von  S'  zu  liegen  kommen  und  umgekehrt. 


§  265.    Zosammenhang  mit  Flächen  constanter  mittierer  Krümmung.      473 

Da  sich  die  geodätischen  Linien  auf  S  mit  den  grossten  Kreisen 
auf  der  Kugel  decken  und  jeder  der  letzteren  das  Bild  der  Curve  ist, 
längs  deren  ein  der  Fläche  S'  umbeschriebener  Cylinder  die  Curve 
berührt,  so  sehen  wir,  dass  den  geodätischen  Linien  von  S  auf 
der  conjugierten  Fläche  S'  die  Schattencurven  entsprechen. 

Diese  (involutorische)  Transformation  der  Flächen  mit  positivem 
constantem  Krümmungsmass  ist  von  Hazzidakis  angegeben  worden*). 

§  265.     Zusammenliang  mit  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung. 

Eine  einfache  Angabe  von  Bonnet  verknüpft  die  Flächen  posi- 
tiven Constanten  Krümmungsmasses  mit  denjenigen  constanter  mittlerer 
Krümmung,  nämlich  der  Satz: 

Die  beiden  Flächen^  die  einer  Fläche  S  mit  dem  Krüm- 
mungsmass ^  =  -|-  1  parallel  und  von  ihr  um  die  positive 
bez.  necrative  Längeneinheit  entfernt  sind,  besitzen  die  con- 
staute  mittlere  Krümmung  JS=  +  1. 

Sind  nämlich  r^,  r^  die  Hauptkrümmungsradieu  von  5,  sodass 

ist,  und  betrachten  wir  eine  Fläche  Z,  die  zu  S  parallel  und  von  ihr 
um  l  entfernt  ist,  so  sind 

die  Hauptkrümmungsradien  von  Z.     Demnach  ist: 

(Pi-0((>2-0  =  i- 

Wird  J  gleich  4:  1  gesetzt,  so  folgt: 

i  +  i  =  +  i. 

L^mgekehrt  besitzt  eine  Fläche  mit  der  constanten  mittleren  Krüm- 
mung 4:  1  zwei  Parallelflächen  mit  der  TotÄlkrümmung  -f"  1  ™  -^^- 
stande  4: 1  • 

Aus  dem  Satze  des  vorigen  Paragraphen  folgern  wir  sofort  den 
nachstehenden : 

Das    Quadrat    des    Linienelements    jeder   Fläche    mit    der 
constanten  mittleren  Krümmung  +  1,  bezogen  auf  die  Krüm 
mungslinien  «,  r,  nimmt  die  Form: 
(42)  ds^  =  e±^^ (du^  -h  dv^) 

an,  wo  d"  eine  Function  von  u  und  v  ist,  die  der  Gleichung 
(41)  genügt.     Umgekehrt:  Ist  0^  eine  Lösung  von  (41),   so  ent- 


•^  Grelles  Journal,  88.  Bd. 


474     Kap.  17.    Transformationen  der  Flächen  mit  constantem  Krümmungsmass. 

sprechen  ihr  zwei  Paar  Parallelflächen  mit  der  constanten 
mittleren  Krümmung  +  1.  Die  Hauptkrümmungsradien  des 
ersten  Paares  haben  dann  die  Werte: 

^  ^  ^1  ""  ^^h¥ '     ^2  =    coshTF  ' 

während  sich  für  das  zweite  Paar  r^  und  r^  mit  einander  ver- 
tauschen. 

Daraus  folgt  insbesondere:  Die  Krümmungslinien  auf  den 
Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung  bilden  ein  Isother- 
mensystem. 

Wir  bemerken  ferner,  dass  jede  Fläche  des  einen  der  beiden  Paare 
auf  eine  des  anderen  Paares  so  abwickelbar  ist,  dass  die  Krümm imgs- 
linien  einander  entsprechen,  während  sich  die  Hauptkrümmungsradien 
mit  einander  vertauschen.     Die  Gleichungen  (1),  §  123,  S.  234: 

1  1  ~\  dlog-^  _  !_*i  _  0 

dv  cv  ' 

.  1 


\i\         r^j        du  '      cu 


beweisen,  dass  nur  die  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung  Ver- 
biegungen  von  dieser  Art  gestatten.  Denn  giebt  es  eine  solche  Ver- 
biegung,  so  bestehen  neben  den  obigen  Gleichungen  auch  die  folgenden: 

\ri         r^J        cv  ^      cv  ' 

1 


\ri  rj 


d  log  YG^  '"''. 


^  =  0, 


du  cu 

die  von  den  vorhergehenden  entsprechend  subtrahiert 

ergeben. 

§  266.     Verbiegungen  von  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung. 

Für  die  Flächen  mit  positivem  constantem  Krümmungsmass  giebt 
es  eine  Transformation,  die  der  Lie'schen  für  die  pseudosphärischen 
Flächen  analog  ist.  Wir  erhalten  sie,  wenn  wir  beachten,  dass,  wenn 
d'{u,  v)  eine  Lösung  der  Gleichung  (41)  ist,  die  Function: 

@(u,  v)  =  d-{u  cos  6  —  ■y  sin  (5,  u  sin  (?  -f-  ^  cos  ö) 


§  266     Verbiegungen  von  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung.      475 

wieder  eine  Lösung  von  (41)  ist,  welcher  Wert  auch  der  Constanten 
0  erteilt  werden  mag. 

Die  geometrische  Bedeutung  dieser  Transformation  ergiebt  sich 
am  einfachsten,  wenn  wir  sie  statt  zu  den  Flächen  mit  positivem  con- 
stantem  Ki-ümmungsmass  zu  deren  Parallelflächen  mit  constanter  mitt- 
lerer Krümmimg  in  Beziehung  setzen.  Transformieren  wir  nämlich 
das  Linienelement  (42)  mittels  der  Gleichungen: 

u  =  Mj  cos  6  —  Vy  sin  6,      V  =  Ui  sin  6  -(-  i\  cos  6 
und  bezeichnen   wir  mit  9^  die  Functionen   ti^,  v^,    in  welche  ^(m,  v) 
hierbei  übergeht,  so  ist  das  transformierte  Linienelement 

da  9^1  der  Gleichung: 

|!^i  +  ^^  =  —  sinh  ^1  cosh  0-1 

genügt,  nach  dem  Satze  des  vorigen  Paragraphen  das  einer  Fläche  mit 
der  Constanten  mittleren  Krümmung  +  1,  deren  Krümmungslinien  die 
Curven  «^  =  Const.,  i\  =  Const.  sind.  Die  neue  Fläche  ist  offenbar 
auf  die  alte  abwickelbar.  Da  ihre  Punkte  einander  durch  die  Glei- 
chungen (44)  zugeordnet  werden,  können  wir  folgenden  Satz  aussprechen: 

Jede  Fläche  constanter  mittlerer  Krümmung  kann  ohne 
Änderung  dieser  Krümmung  so  verbogen  werden,  dass  die 
neuen  Krümmungslinien  die  unter  einem  beliebigen  constan- 
ten  Winkel  schneidenden  Trajectorien  der  alten  sind. 

Es  ist  klar,  dass  bei  diesen  Verbiegungen,  die  denen  der  Minimal- 
flächen (§  194,  Kap.  XIV)  ganz  analog  sind,  die  einzelnen  Hauptkrüm- 
mungsradien ungeändert  bleiben.  Bonnet,  von  dem  die  Entdeckimg 
dieser  merkwürdigen  Verbiegungen  herrührt,  hat  bewiesen,  dass  es  mit 
Ausnahme  einer  Klasse  von  TF- Flächen,  die  auf  Rotationsflächen  ab- 
wickelbar sind,  keine  anderen  Flächen  giebt,  die  Verbiegungen  unter- 
worfen werden  können,  bei  denen  die  einzelnen  Hauptkrümmungsradien 
ungeändert  bleiben*). 


*)  Journal  de  l'Ecole  Polyt«chnique,  42.  Heft. 


Kapitel  XYIII. 
Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

Krummlinige  Coordinaten  im  Kaume.  —  Der  Darboux-Dupin'sche  Satz  über  drei- 
fache Orthogonalsysteme  und  Folgerungen  daraus.  —  Ausdruck  für  das  Quadrat  des 
Linienelements  des  Raumes:  ds^  =  H^^dg^^^ -{-  H^^dg^^ -\-  H^^dQ^^.  —  Lame'sche 
Gleichungen  für  üZj ,  i/j ,  -Hg  und  Bestimmung  des  zugehörigen  dreifachen  Ortho- 
gonalsystems. —  Liouvilles  Satz  von  den  conformen  Abbildungen  des  Raumes.  — 
Hauptkrümmungsradien  der  Flächen  eines  dreifachen  Systems.  —  Krümmung  und 
Torsion  der  Parameterlinien.  —  Äquidistanzcurven.  —  Cayley'sche  Gleichung.  — 
Combescure'sche  Transformation. 


§  267.     Krummlinige  Coordinaten  im  Baume. 

Wie  wir  uns  zur  Bestimmung  der  Lage  eines  Punktes  auf  einer 
gegebenen  Fläche  auf  dieser  zwei  Scharen  von  Curven  u,  v  derart 
gezogen  gedacht  hatten,  dass  durch  jeden  Punkt  der  Fläche  (oder 
eines  passenden  Stückes  der  Fläche)  eine  Curve  jeder  Schar  geht, 
ebenso  können  wir  auch  die  Lage  eines  Punktes  im  Räume  mit  Hilfe 
dreier  einander  schneidender  Flächen  bestimmen,  von  denen  jede  inner- 
halb einer  einfach  unendlichen  Schar  variiert.  Wir  brauchen  uns  hierzu 
nur  den  Raum  (oder  ein  Grebiet  desselben)  von  drei  Scharen  von  oc^ 
Flächen  derart  durchfurcht  zu  denken,  dass  durch  jeden  Raumpunkt 
eine  einzige  Fläche  jeder  der  drei  Scharen  hindurchgeht.  Ordnen  wir 
dann  jede  Fläche  einer  der  drei  Scharen  eindeutig  den  Werten  eines  Pa- 
rameters Q^  bez.  ()2,  ^3  zu  und  kennen  wir  die  Werte  der  Parametei- 
der   drei  Flächen,   die   sich  in  einem  Raumpunkt  P   durchkreuzen, 

SO  ist  der  Punkt  damit  bestimmt.    Wir  nennen  a^,  a^,  a.^  die  krumm- 
linigen Coordinaten  von  P  und  die  Flächen  der  drei  Scharen: 

Pj  =  Const.,    92  =  Const.,     q^  =  Const. 
die  Parameterflächen.     Sind 

(1)  pi  {X,  y,z)  =  Q^,       ^2  (^,  y,  ^)  =  Q2,       Q3 i^,  y,  ^)  ==  ?3 


§  267.    Krummlinige  Coordinaten  im  Räume.  4TT 

die  Gleichungen   der  drei  Flächenscharen,  so  erhalten  wir  durch  ihre 

Auflösung  nach  x,  y,  z  (wenigstens  in  dem  betrachteten  Raumgebiet 
muss  die  Auflösung  möglich  sein): 

(2)  X  =  x{qi,  q,,  q^),    y  =  y{Q„  q,,  q^),  z  =  2{g,,  q,,  q.^). 

Die  Gleichungen  (1)  dienen  zur  Berechnung  der  krummlinigen  Coor- 
dinaten eines  Punktes,  wenn  seine  Cartesischen  Coordinaten  bekannt 
sindj  die  Gleichungen  (2)  im  umgekehrten  Falle.  Es  ist  klar,  dass  zur  Ein- 
führung eines  Systems  krummliniger  Coordinaten  nur  die  Veränderlichen 
X,  y,  z  gleich  drei  von  einander  unabhängigen  Functionen  dreier  neuer 
Veränderlichen  q^,  q^,  q.^  gesetzt  zu  werden  brauchen. 

Eine    Gleichung    zwischen    den    krummlinigen    Coordinaten    eines 
Punktes : 

(3)  F{q„  q„  P3)  =  0 

stellt  offenbar  eine  Fläche  dar,  deren  gewöhnliche  Gleichung  sich  er- 
giebt,  wenn  in  (3)  für  q^,  q^,  q.^  ihre  Werte  (1)  in  Xj  y^  z  eingesetzt 
werden.  Zwei  Gleichungen  von  der  Form  (3)  stellen  eine  Curve  dar. 
Übricrens  ist  es  öftei^s  zweckmässig,  eine  Curve  analytisch  in  der  Weise 
zu  definieren,  dass  die  krummlinigen  Coordinaten  g^,  g^,  q.,  eines  beweg- 
lichen Punktes  der  Curve  gleich  di-ei  Functionen  eines  und  desselben 
Parameters  t  gesetzt  werden.  Denken  wir  uns  eine  Curve  in  dieser 
Weise  definiert  und  bezeichnen  wir  ihr  Linienelement  mit  ds,  so  folgt: 

+  a^j9.  +  gäg,  +  gäg:f  + 
Setzen  wir: 

^=-^tr.  Ä^=^tr.  ^-2^' 

j      'VT  dx  CX  j      "V7  ex  ox  -.      "VT  ex  ex 

so  erhalten  wir: 

(4)  ds^  =  S,-dQ,-  -f  RJdgJ  +  H.-dgf  -f  2h,,  dg^dg.  + 

+  '2\i(^QidQ3  +  '^hidgidg... 

Wir  bezeichnen  diesen  Ausdruck  als  das  Quadrat  des  Linienelements 
des  Raumes.  Dieser  Ausdruck  ist  nichts  anderes  als  die  mittels  der 
Substitution  (2)  transformierte  quadratische  Differentialform: 

dx-  -f-  dy-  -f-  dz-. 


478     Kap.  18.    Allgemeine  Sätze  über  dreifaclie  orthogonale  Flächensysteme. 

Wir  nehmen  nun  an,  dass  jede  Fläche  einer  der  drei  Scharen  alle 
Flächen  der  anderen  beiden  Scharen  orthogonal  schneide.  Die  not- 
wendigen und  hinreichenden  Bedingungen  hierfür  sind  die  Gleichungen: 

^12  =  0?      ^13  =  0;      h'i  =  0. 

In   diesem  Falle  wird  die   dreifache  Flächenschar  q^,  pg?  Q2    ^^^   drei- 
faches Orthogonalsystem  genannt. 

Wir  haben  somit  das  Ergebnis:  Das  Quadrat  des  Linien- 
elements des  Raumes  nimmt  in  einem  dreifachen  Orthogonal- 
system die  Form: 

ds^  =  H^^dQ,^  +  H^^dQ./  +  H.^dQ,^ 
an. 


§  268.     Darboux-Dupin'scher  Satz. 

Wir  gehen  nun  zur  Untersuchung  der  dreifachen  Orthogonal- 
systeme über  und  leiten  zunächst  den  grundlegenden  Satz  von  Dupin 
ab,  der  von  Darboux  erweitert  worden  ist*). 

Wir  nehmen  an,  dass  zwei  Flächenscharen: 

orthogonal  zu  einander  seien,  und  sehen  zu,  welche  Bedingungen  erfüllt 
sein  müssen,  damit  es  eine  dritte  Schar: 

Q^ip^,  y,  ^)  =  Qi 

gebe,   die   zu   beiden   orthogonal  ist.     Infolge   der  getroffenen  Voraus- 
setzung ist: 

('5)  gpi    gpg       I       ggi    gp2       .      gpi    gg2    ^^   Q 

^  ^  dx  dx  ~^  dy  dy  '^  dz  dz  ' 

und  im  Falle    des   Vorhandenseins   der  dritten   Schar  muss   die   unbe- 
kannte Function  Q-^ix,  y,  z)  den  beiden  Gleichungen: 

g?s  ^Qi_  _|_  ^3  ^_Qx    \    ^is  ^ii  =  0 

dx  ex  "■     cy  dy  """  dz   dz  ' 

^  ^^  4_  ^  -^i«  _j_  ^i»  ^2  =  0 
dx  dx  ~'     dy  dy  ~^  dz  dz 

genügen,  d.  h.  es  muss  die  Proportion  bestehen: 


*)  Annales  de  l'Ecole  Normale  Superieure,  3.  Bd.,  1866.  —  Die  Ausfüh- 
rungen im  vorliegenden  und  im  folgenden  Paragraphen  sind  ohne  Änderung  der 
Darboux'schen  Abhandlung  (S.  110  tt".)  entnommen. 


§  268.    Darboux-Dupin'scher  Satz. 


479 


ex  '  cy  '  cz 


oy 

dz 

CQi 

'dz 

CQi 

dx 

CQi 

dx 

CQi 

cy  i 

cy 

cz 

cz 

ex 

dx 

d9t 

dy 

Es  ist  demnach  notwendig  und  hinreichend,  dass  für  die  totale  Diffe- 
rentialgleichung : 


j  dy     dz 

dot    £pt 

dy     dz 

die  IntecrrabiKtätsbedincnincr: 


CQi      CQi 

dQt    doi 

dx-\- 

CZ     ex 
CQi     dg^ 

dy  + 

dx     dy 

CQi      dQt    j 

dz     dx 

ex    dy  j 

dz  =  0 


(ß) 


2 


r_9i 
CQi 

cy 


CQx 

CZ 

CQi 

CZ 


\\ 


C 

dz 


dOi 

CZ 

dz 


CQi 
CX 

CQi 

CX 


e 

cy 


dOi  doi 

dx  dy 

dOi  CQi 

CX  dy 


=  0, 


wo  sich  die  beiden  anderen  Glieder  hinter  dem  Summenzeichen  aus 
dem  angegebenen  durch  cvklische  Vertauschung  von  x,  y,  z  ergeben, 
erfüllt  sei. 

Addieren  wir  zur  linken  Seite  von  (6)  die  Summe: 


2 


fgi 
cy 

CQi 

cy 


CQi 

dz 

d^ 

dz 


»,     \dx  j^  CX-         CX  ^mi   cx*A 

s    i 

die  identisch  gleich  Null  ist,  so  geht  (6)  über  in: 
(6*) 


^ 


CQx 

cy 

CQi 

dy 


CQi 

CZ 


CQi 

dz 


\cx   CX*    '    cy  dxdy    '     cz   cxcz 

Qi        C*Qi     CQi     C-Qx  \    ^^  Q 

y    cxcy         cz  cxcz) 


CQi 

ex 


C-Qi 
CX' 


cy 


Aus  (5)  folgt  aber  durch  Differentiation  nach  x: 

/CQi   d^      .     OQi     C^Qx        .     CQi     g'gi   \  ^_ 

\cx   CX*    '    dy  dxdy  "'"  dz  cxdz/ 

_^  /cQx    d'Qi      .      CQi^     C-Qi        .      CQx     d*Qi\ 

\cx  CX-  "*"  cy  cxcy  "'"  dz  cxde) 
Also  ist  die  Integrabilitätsbedingung  (6*)  äquivalent  der  Gleichung: 

I   dQx      CQx    1 

(7)         y^l  ^y     ^^  i  ("^  Üt'i  _l_  ^  1*^    I   £Pl    11^*^  =  0 
^  ^        jLi  I  CQi    dQi  I  \cx   CX*    •"  cy  cxdy    '     cz     cxcz) 

cy     cz    \ 


480     Kap.  18.     Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 


Diese  Gleichung  können  wir  nun  folgendermassen  geometrisch 
deuten:  Wandern  wir  längs  der  Schnittcurve  zweier  Flächen  der  Scha- 
ren {q,),  (q^): 

und    bezeichnen    wir  mit   dem   Symbol  d    die    dieser  Wanderung    ent- 
sprechenden Differentiale,  so  haben  wir: 


öx  :  8y  :  8z 


Demnach  geht  (7)  über  in: 

ox      \ox/    '     cy      \dy/     '     dz       \dz/ 
Bedeuten  aber  X,   Y,  Z  die  Richtungscosinus  der  Normale  der  Fläche: 

.    Q,{x,  y,  z)  =  Q^, 


do^    CQi 

dQ, 

t^A 

dQi       CQi 

dy     dz 

~dz 

cx 

dx     dy 

^A\    ^1? 

dg. 

0Q<2 

CQ^     dg^ 

dy     dz 

dz 

dx 

dx    dy 

so  ist; 


X 


dx     oy      oz 


und  die   vorhergehende  Gleichung  lautet  wegen  (5): 

t^'  8X4-  ?.^i  8Y4-  ^ß  8Z=0. 

ox  oy  '    oz 

Andrerseits  ist  identisch: 


cx  oy  '    oz  ' 

folglich  ist  die  Integrabilitätsbedingung  äquivalent  der  Proportion: 
8x:8y:8z  =  8X:8Y:dZ. 

Dieselbe  besagt  nun  aber  (§  51,  S.  98),  dass  die  Schnittcurve  zweier 
Flächen  q^^,  q^  eine  Krümmungslinie  für  die  zweite,  also  auch  für  die 
erste  Fläche  ist. 

Wir  haben  somit  den  Satz  von  Darboux: 

Die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür,  dass 
zwei  zu  einander  orthogonalen  Flächenscharen  eine  dritte 
zugeordnet  werden  kann,  die  zu  beiden  orthogonal  ist,  be- 
steht darin,  dass  jede  Fläche  der  ersten  und  jede  Fläche 
der  zweiten  Schar  einander  in  Krümmungslinien  schneiden 
müssen. 

Hierin  ist  der  berühmte  ältere  Satz  von  Dupin  enthalten: 

In  jedem  dreifachen  Orthogonalsystem  ist  die  Schnitt- 
curve zweier  nicht  derselben  Schar  angehöriger  Flächen  eine 
Krümmuno-slinie  für  beide. 


§  269.    Folgenmgen  ans  dem  Darbonx-Dupin'schen  Satze.  481 

§  269.     Folgerungen  aus  dem  Darboux-Dupin'selien  Satze. 

Aus  den  voretehenden  Sätzen  ergiebt  sich,  dass  eine  willkürlich 
gewählte  Schar  von  oc^  Flächen: 

im  allgemeinen  keinem  dreifachen  Orthogonalsjstem  angehört.  Diese 
Schar  von  ex;*  Flächen  bestimmt  nämlich  eindeutig  die  Schar  Ton  oo- 
Curven,  die  alle  Flächen  orthogonal  schneiden*).  Gehört«  nun  die 
Schar:  Qi{x,  y,  z)  =  q^  einem  dreifachen  Orthogonalsvstem  an  und 
betrachten  wir  auf  einer  Fläche  p^  eine  Krümmungslinie  L,  so  bilde- 
ten alle  diejenigen  Orthogoualtrajectorien  der  Schar,  welche  von  den 
Punkten  von  L  ausgehen,  eine  Fläche,  die  alle  übrigen  Flächen  der 
Schar  in  Ki'üm m ungslinien  sehneiden  müsst«. 

Es  ist  sehr  bemerkenswert,  dass  diese  geometrische  Bedingung 
der  die  Schar:  Qy{x,  y,  z)  =  q^  genügen  miiss,  sich  durch  eine  par- 
tielle Differentialgleichung  dritter  Ordnung  für  die  Function 
9j  ausdrücken  lässt.  Zu  diesem  wichtigen  Ergebnis,  das  in  der  hier 
gegebeneu  Fassung  von  Darboux  herrührt**),  gelangen  wir  auf  fol- 
gende Weise: 

Wir  betrachten  die  Krünmiungslinien  einer  und  derselben  Schar 
auf  allen  Flächen  pj  =  Const.  Zu  dieser  Schar  von  oo-  Curven  muss 
es  eine  Schar  von  ■x}  Orthogonalflächen  geben,  imd  umtrekehrt:  Ist 
dieses  der  Fall,  so  gehört  die  Schar  q^  =  Const.  einem  di-eifachen 
Orthogonalsystem  an  ('§  268 1.  Bedeuten  also  X^,  F^,  Z^  die  Rich- 
tungscosinus der  Tangenten  dieser  Curven,  so  muss  die  totale  Differen- 
tialgleichung (§  179,  S.  330,  .4)): 

X^dx  -t-  Y,dy  +  Z^ dz  =  0 

integrierbar  sein,  d.  h.  es  besteht  mit  Notwendigkeit  die  Identität- 

(«)  ^.(t-i)+^.(i-§)+^4t-S)=o.  ■ 

Aus  den  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie  (Kap.  IV)  er<nebt 
sieh  aber,  dass  sich  Z^,  Fj,  Z^  durch  die  ersten  und  zweiten  Differen- 

*)  Diese  Curven  ergeben  sich  durch  Integration  des  Systems  simultaner  ge- 
wöhnlicher Differentialgleichungen : 

dx    _   dy    _    dz 

cx  cy  dz 

**)  Zu  der  Zurückfiährung  der  Bestimmung  der  dreifachen  Orthogonalsysteme 
auf  eine  partielle  Differentialgleichung  dritter  Ordnung  mit  diei  Veränderlichen 
war  auf  einem  anderen  Wege  Bonnet  gelanot. 

Bia  nchi,  Differentialgeometrie.  qi 


482     Kap.  18.     Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

tialquotienten  der  Function  Q^(x,y,s)  ausdrücken  lassen;  es  ist  dem- 
nach (8)  für  Qy  eine  partielle  Differentialgleichung  dritter  Ordnung,  die 
wir  in  §  275  wirklich  aufstellen  werden.  Aus  der  Integration  dieser 
Gleichung  würden   sich  alle  dreifachen  Orthogonalsysteme  ergeben. 

Als  unmittelbare  Folgerungen  aus  diesen  allgemeinen  Ergebnissen 
führen  wir  hier  einige  einfache  Fälle  von  dreifachen  Orthogonalsyste- 
men an.  Betrachten  wir  eine  beliebige  Schar  von  oo^  Ebenen  oder 
Kugeln  und  ihre  Orthogonaltrajectorien  und  wird  auf  einer  Ausgangs- 
kugel oder  in  einer  Ausgangsebene  eine  beliebige  Curve  L  fest  gewählt, 
so  bilden  diejenigen  Orthogonaltrajectorien,  die  von  den  Punkten  von 
L  ausgehen,  eine  Fläche  S,  die  von  allen  Kugeln  bez.  Ebenen  der 
Schar  orthogonal  und  daher  längs  Krümmungslinien  geschnitten  wird. 
Also: 

Jede  Schar  von  oo^  Ebenen  oder  Kugeln  gehört  unend- 
lich vielen  dreifachen  Orthogonalsystemen  an. 

Um  eins  derselben  zu  erhalten,  brauchen  wir  nur  auf  einer  Aus- 
gangskugel oder  in  einer  Ausgangsebene  zwei  Scharen  von  orthogo- 
nalen Curven  L  und  L'  beliebig  zu  ziehen,  dann  vervollständigen  die 
entsprechenden  Flächen  ZI  und  Z'  das  dreifache  Orthogonalsystem. 
Nehmen  wir  speciell  als  Ebenenschar  ein  Ebenenbüschel,  so  sind  die 
Flächen  Z,  2J'  Rotationsflächen,  deren  Drehaxe  die  Axe  des  Büschels  ist. 

Endlich  bemerken  wir: 

Jede  Schar  von  Parallelflächen  gehört  einem  dreifachen 
Orthogonalsystem  an.  Die  Flächen  der  beiden  anderen  Scha- 
ren sind  die  abwickelbaren  Orfcsflächen  der  Normalen  längs 
der  Krümmungslinien  der  Parallelflächen. 

§  270.     Linienelement  des  Raumes. 
Wir    nehmen   nun   an,    es    liege   ein   dreifaches   Orthogonalsystem 
(Pu  P27  Qs)  ^0^7   sodass  bei   Wahl   desselben  als   System   krummliniger 
Coordinaten  das  Quadrat  des  Linienelements  des  Raumes  die  Form: 

(9)        ds'  =  dx'  -f  dt/  +  d^'  ^-  H.'dQ,'  +  H,'dQ,'  +  ff.'dQ,' 

annimmt.  Zur  Vermeidung  von  Doppeldeutigkeiten  schicken  wir  die 
folgenden  Bemerkungen  voraus:  Die  Functionen  H^-,  Hf,  Äg-  sind  als 
Quadratsummen  stets  positiv  und  höchstens  in  isolierten  Punkten  oder 
längs  isolierter  Curven  gleich  Null.  Wir  wollen  nun  stets  den  Änderungs- 
bereich von  pi,  Q2,  Q3  als  so  abgegrenzt  annehmen,  dass  diese  Func- 
tionen überall  positiv  und  von  Null  verschieden  sind.  Ferner 
setzen  wir  sie  nebst  ihren  ersten  und  zweiten  Differentialquotienten  als 


§  270.     Linienelement  des  Raumes.  483 

endlich,   stetig  und  eindeutig  voraus  und  bezeichnen  mit  H^^y  H^,  H^ 

die  positiven  Werte  ihrer  Quadratwurzeln. 

Bedeuten    ds^,  ds^,  ds.^    die    positiven    Bogenelement«    derjenigen 

Curven    (Krümmungslinien)    des    dreifachen    Orthogonalsjstems ,   längs 

deren  nur  p^  oder  q^   oder  g^  sich  ändert,  und  wird  als   die  positive 

Richtung  diejenige  des  betrefifenden  wachsenden  Parameters  festgesetzt, 

so  ist: 

dSi  =  HidQi,     ds^  =  H^dQ^j     ds.i  =  H^dg.^. 

Setzen  wir  femer: 

(10)      ^'-wM,'     ^'  =  ^M?     ^'  =  ^lt      ('=1'2.3), 

so  sind  X,,  1",  Z,  die  Cosinus  der  positiven  Richtung  der  Tangente 
zur  Curve  p, ,  d.  h.  der  Normale  der  Fläche    g,  =  Const. 

Nehmen  wir  weiterhin  die  positiven  Richtungen  der  x-j  der  y- 
und  der  ^-Axe  als  ebenso  orientiert  wie  die  Richtungen  Xj,  Y^,  Zy- 
X^,  1^,^25  Xg,   Tg,  Z^  an,  so  haben  wir: 

X,     1\    Z, 

X,   i;  z,  =  +  1. 

Damit  das   Einsetzen    der  Functionen    H^,  H^,  H^    von    g^,  g^,  g.^    in 

der  Gleichung  (9)  das  Linienelement  des  Raumes  liefert,  müssen  diese 
Functionen,  wie  zuerst  Lame  nachgewiesen  hat,  sechs  charakteristi- 
schen Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung  genügen.  Diese  ergeben 
sich  unmittelbar  aus  der  allgemeinen  Theorie  der  quadratischen  Diffe- 
rentialfonnen  (Kap.  11)  dadurch,  dass  die  für  die  Differentialform: 
^i^^Qi  +  ^'^9i^  +  Sf^Qs'  gebildeten  Yier-Indices-Symbole  erster 
Art  (Kap.  11,  §  27)  gleich  Null  gesetzt  werden.  Andrerseits  sind,  wie 
wir  sogleich  sehen  werden,  diese  sechs  Bedingungen,  denen  H^,  H^^  H^ 
genügen  müssen,  auch  hinreichend,  wenn  es  ein  entsprechendes  drei- 
faches Orthogonalsystem  geben  soll.  Dieses  ist  auch,  abgesehen  von 
Bewegungen  im  Räume,  völlig  bestimmt. 

Bevor  wir  zur  Ausführunor  der  bezüglichen  Rechnungren  schreiten, 
wollen  wir  noch  darauf  hinweisen,  dass  dieselben  Überlecningen  ohne 
irgend  welche  grössere  Schwierigkeit  auch  auf  die  Frage  nach  den  Or- 
thogonalsystemen bei  n  Veränderlichen  anwendbar  sind,  wenn  die 
Gleichung: 

dx,^  +  dx^'  H-  •  •  •  +  dxn-  =  H.'dg,'  +  H,'dg.^  +  •  •  •  +  S,rdg„^ 
zu  Grunde  gelegt  wird. 

31* 


484     Kap.  18.     Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

§  271.     Gleichungen  von  Lame. 

Wir  wenden  nun  die  Christoffel'sche  Formel  (I),  §  24,  S.  43,  auf 
die  Gleichung  (9)  an.  Bezeichnen  wir  mit  |  *  \  die  ChristoffeFschen 
Drei -Indices- Symbole  für  die  Form: 

SO  ist  offenbar,  wenn  i,  h,  l  eine  Permutation  der  drei  Indices  1,  2,  3 
bedeutet,  nach  §  24,  S.  43,  Grleichung  (17)  und  (18),  unmittelbar: 


rn 


=  0 


H^  dHj^  dx 

Hj.  cHf,  dx 

H."^    dQ-  CQ- 

H/'  d^i    'CQi 

\  k  j       Hl'dQ,'      1  H  "~       ^r-dQ,' 

Die  angeführten  Gleichungen  (I)  lauten  somit: 
o^x  1    dH.  dx 

d^x  1    cHj.  dx 

^Qk^    ~H/^dQk^^k 

und  ihnen  genügen  auch  y  und  s.  Führen  wir  jedoch  die  Richtungs- 
cosinus: 

^  1    dx 

ein,   so  lassen  sie  sich  folgendermassen  schreiben: 

dXj^         1    dH^  dX^         1    dHi 

H^H,dJ,^''        d^=H,dQ,     " 

^3  _  _  }__^^_^  Y  -  1-'^^  X 

{dQ,-  H.'dQ./^'  H.^dQ,^'- 

Die  Integrabilitätsbedingungen  für  dieses  System  lauten: 

'   fl_'^x\-    '   (^   '"'  x\ 

d Q,  U,  'dQ, ^7  -  do,  \H,  'dQ,  ^7  ' 

Fi,  [iL  Jq:  ^0  +  dQ, \H,  w,  ^^)  +  CQ, \H,  'dQ,  ^0  -  ^' 

Werden  die  Differentiationen  ausgeführt  und  für  die  Differentialquo- 
tienten der  X  ihre  Werte  aus  (11)  eingesetzt,  so  folgen  unter  Berück- 
sichtigung des  Umstandes,  dass  den  so  hervorgehenden  Relationen  auch 
die    Y  und    Z    genügen    müssen,    für    die    H   die    folgenden    beiden 


(11) 


§271.  Gleichung,  von  Lame.    §272.  Existenzbeweis  eines  Orthogonalsystems.     485 

nebst  den  sich  aus  ihnen  durch  Permutation  der   Indices  ergebenden 
Gleichungen: 

c'H,  1   cHj^cH, 


(a) 


1   cH.  cH, 

CQiCQ^.  Hj,   CQi    CQi.  H^CQ^    CQ,- 


1    f  ff,  cH, 

^  ff,'    CQ,     CQ, 


Schreiben  wir  diese  sechs  Gleichungen,  welche   die  angeführten  Lame'- 
schen  sind,  einzeln  hin,  so  erhalten  wir  das  folgende  System: 


(A) 


g,ff^    ^J^cH^  cH^  1   cH^  cH^  ^ 

CQiCQ,  ff.    CQs    CQi    "*"  ff,    Cp,    CQs   ' 

CQsCQi  ffj    CQj    CQs    "^  ff,    Cps   CPi   ' 

1   cH,cH^. 


CQiCQi  ffi    CQ,    CQi    "'      ffj    rpi 


CPj 


L /i-  ^^*)  _i_  L ( J_  ^^)  _{_  ^_  ^^  ^^  =  0 

Ce,  Vffj    CPi/      '     CQ,  Vff,  Cßj/      ■"  ffj*   CQs   CQs  ' 

W  jä^^  \h,   CqJ  -^  CQ,  Vff,  CQ,  J  ^  ff,'  Ce,    CQ, 

f  93  Vff,   ce,  '     '    f  9i  Vff,   CQi'     '     ff,'  C^j   cps 
Diese  Gleichungen  sind,  wie  bemerkt,  nichts  anderes,  als  die  Gleichungen ; 

(ikj  rs)  =  0 
ausführlich  geschrieben. 


§  272.     Beweis,  dass  aus  dem  Bestehen  der  Lame'schen  Gleichungen 
die  Existenz  eines  Orthogonalsystems  folgt. 

Die  Lame'schen  Gleichungen  (A)  und  (B),  denen  die  H  genügen 
müssen  imd  die  wir  soeben  als  notwendig  erkannt  haben,  sind  für  das 
Vorhandensein  des  entsprechenden  di-eifachen  Orthogonalsystems  auch 
hinreichend.  Um  dieses  zu  beweisen,  bemerken  wir,  dass  sich,  wenn 
die  H  als  gegeben  vorausgesetzt  werden,  aus  den  Gleichungen  (11)  für 
die  Teme  von  unbekannten  Functionen:  Xj,  X»,  X^;  1\,  Y^,  Y^; 
Zi,  Zg,  Z^  das  folgende  System  totaler  homogener  linearer  Diiferential- 
gleichungen  ergiebt: 


(12) 


K+(Äl|^  +  if  ^)^^^-i^f  ^^^: 


ff,    CQ, 


kf^Qs  =  0, 


486     Kap.  18.    Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 


(12) 


1    dH^ 
H9  do. 


l.dQ,  +  (^^  ||  I3  +  i-^  af  ^0  ^^2 


-^if   ^3^C3=0, 


di. 


1      ^i?!     j.       ,  1      ^i?2    fc      J  J_ 


+  (-fl;f  s.  +  -ilf5^)<'^=  =  o 


Diesen    Gleichungen    genügen     nämlich,    wenn    das    gesuchte    System 
existiert,  die  Werte: 

t    'Y         ^    IT         J:    "Y 

»1  -^17       «2  -^  2  J       »3  •^3  7 

ll   =  -^X  7       ^2  =  -^2  7       ^3  =  ^'i  • 

Werden  nun  die  Lame'schen  Gleichungen  (A)  und  (B)  als  erfüllt 
vorausgesetzt,  so  ist  das  System  (12)  unbeschränkt  integrierbar, 
da  die  Bedingungen  hierfür  genau  die  Gleichungen  (A)  und  (B)  sind. 
Aus  der  Form  dieser  Gleichungen  (12)  geht  sofort  hervor,  dass,  wenn 
Ij,  I2?  ^3;  ^1?  '%7  %  zwei  verschiedene  oder  übereinstimmende  Lösungs- 
systeme sind,  die  Identität: 


besteht,  d.  h.: 
ist. 


^1^1  +  ^2%  +  h%  =  Const. 


Nach  dieser  Vorbemerkung  erhellt  genau  ebenso  wie  in  Kap.  IV, 
§  50,  dass  wir  drei  Lösungssysteme:  X^,  Xg,  Xg;  Y^,  Y^,  Z,;  Z^,  Z^,  Z^ 
finden  können,  welche  die  Coefficienten  einer  orthogonalen  Substitution: 

Aj,     Xo,     X3, 
Y       Y        Y 

^17        ^2  7        ^3 

sind.     Dann  sind  die  drei  Ausdrücke: 

2JHi  X,  dQi ,      UHi  Yi  clQi ,     ZH^Zr  cIq^ 
infolge   der  Gleichungen  (12),   denen   die  X,   Y  und  Z  genügen,  voll- 
ständige Differentiale.     Setzen  wir  also: 

dx  =  URi  Xi  dQi ,     dy  =  EHi  Yt  d^t ,     dz  =  EH,  Z,  dQ, , 
so  ist  in  der  That: 

dx'  +  dy^  +  dz'  =  H.'dQ,-  +  K/dQ,^  -f  H,'dQ,\ 
Das  gesuchte  dreifache  Orthogonalsystem  ist  somit  wirklich  vorhanden, 
und  der  Beweis  selbst  lässt  erkennen  (vgl.  §  50),   dass   es  bis  auf  Be- 
wegungen im  Räume  eindeutig  bestimmt  ist.     Also: 


§  273.     Conforme  Abbildungen  des  Raumes.  487 

Sind  die  Lame'schen  Gleichungen  erfüllt,  so  giebt  es  ein 
und   nur  ein  entsprechendes  dreifaches  Orthogonalsystem. 

Um  dasselbe  zu  erhalten,  müssen  wir  das  System  totaler  Differen- 
tialgleichungen (12),  das  durch  eine  einzige  Gleichung  vom  Riccati'- 
schen  Typus  ersetzt  werden  kann,  integrieren. 


§  273.     Conforme  Abbildungen  des  Raumes. 

Die  Lame'schen  Gleichungen  sind  von  Liouville  zur  Entscheidung 
der  Frage  angewandt  worden,  ob  es  möglich  ist,  den  Raum  winkeltreu 
auf  sich  selbst  abzubilden.  Liouville  ist  zu  dem  wichtigen  Satz 
gelangt : 

Die  einzig  möglichen  conformen  Abbildungen  des  Rau- 
mes auf  sich  selbst  sind  die  Ähnlichkeitstransformationen 
und  die  Transformationen  mittels  reciproker  Radienvectoren 
in  Verbindung  mit  Verschiebungen. 

Zum  Beweise  nehmen  wir  x,  y,  z  als  die  Coordinaten  eines  be- 
liebigen Punktes  des  Raumes  (oder  Raumgebiets)  imd  |,  ij,  ^  als  die 
Coordinaten  des  bei  der  vorausgesetzten  conformen  Abbildung  ent- 
sprechenden Punktes  an,  sodass  |,  »/,  %  bestimmte  Functionen  von 
x^  y,  z  sind.  Soll  die  Abbildung  wiukeltreu  sein,  so  muss  das  Ver- 
hältnis : 

von  den  Zunahmen  dx,  dy,  dz  unabhängig,  d.  h.: 

rf|2  +  dr^  -f  rfr-  =  A  (rf^  +  dy-  +  dz') 

sein,  wo  A  eine  Function  von  x,  y  und  *  ist.    Wird  nun  in  den  Lame'- 
schen Gleichungen  (A)  und  (B) 

x  =  9i:     y  =  9-2,      ^  =  9o,      ^1  =  H.2  =  H^  =  j- 


gesetzt,  so  ergeben  sich  die  folgenden: 

(a)  /^  =  0,     J^=0,      Ü-  =  0, 

^  ^  cycz  '      czcx  '      cxcy  ' 

^P)  rx»    '    cy»  ~  cy»    ■"  cz*  ~~  cz*    '    cx^        l  l\cx)    '    \cy/  '^  \cz/  J 
Nun  ergiebt  sich  aus  (a): 

wo  X  nur  von  x,    Y  nur  von  y,  Z  nur  von  z  abhängt.     Setzen  wir 
dieses  in  den  Gleichungen  (/3)  ein,  so  erhalten  wir: 


488     Kap.  18.     Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

(,)  X"=  r-=  Z"=  '^:^^'  =  Const.  =  7.. 

Ist  ^  =  0^  so  folgt  hieraus: 

A  =  Const., 
es  ist  demnach  die  entsprechende  Transformation  einfach  eine  Ähnlich- 
keitstransformation.    Entgegengesetztenfalls  setzen  wir  li  =  "^    und  er- 
halten durch  Integration: 

wo  a,  &;  a^,  \'^  a^,  \  neue  Constanten  sind.    Da  aber  infolge  von  (y) 

[(x  -  af  +  (^  -  a,y  +  (0-  a,y+h  +  b, -{-  \]  = 

sein  muss,  so  folgt  daraus: 

Indem  wir  nun  mit  der  vom  Punkte  (x,  y,  z)  beschriebenen  Figur  eine 
geeignete  Translation  vornehmen,  können  wir  demnach  l  einfach  gleich 

machen,  d.  h.  es  ist: 

dl'  +  äri^  +  dl'  =  (i^  4r^.p  idx'  +  chf  +  äz^ . 
Dieser  Gleichung  genügen  die  Werte: 

und  dieses  sind  genau  die  Gleichungen  für  die  Transformation  mittels 
reciproker  Radienvectoren  bezüglich  der  Kugel: 

x'-\-t/-{-2^  =  c\ 

Der  Liouville'sche  Satz  ist  somit  bewiesen*). 

Es  mag  bemerkt  werden,  dass  die  Transformation  mittels  reciproker 
Radienvectoren  ein  dreifaches  Orthogonalsystem  wieder  in  ein  solches 
überführt.  Hieraus  ergiebt  sich  im  Falle  einer  Schar  paralleler  Flächen 
wieder  der  in  §  58  bewiesene  Satz,  dass  bei  der  Transformation 
mittels  reciproker  Radienvectoren  die  Krümmungslinien  wie- 
der in  Krümmungslinien  übergehen. 

*)  Einen  geometrischen  Beweis  hat  Capelli  gegeben  (Annali  di  Matema- 
tica,  2.  Serie,  14.  Bd.). 


§  274.     Hauptkrümmungsradien  der  Parameterflächen.  489 

§  274.     Hauptkrümmmigsradien  der  Parameterflächen. 

Wie  wir  gesehen  haben,  ist  das  dreifache  Orthogonalsystem  der 
Gestalt  nach  vollkommen  bestimmt,  wenn  die  Functionen  H^,  H.^,  H.^ 
bekannt  sind.  Es  müssen  sich  mithin  alle  zum  System  gehörigen 
Grössen  durch  H^,  E^,  H.^  und  deren  Differentialquotienten  ausdi-ücken 
lassen.  Suchen  wir  nun  speciell  die  Werte  für  die  Hauptkrümmungs- 
radien der  Parameterflächen.  Es  bedeute,  wie  üblich,  i}:l  eine  Per- 
mutation der  Indices  1,  2,  3  und  r.i  den  Hauptki-ümmungsradius  der 
Fläche  Qi  ==  Const.  längs  ihrer  Schnittcurve  (einer  Krümmungslinie) 
mit  der  Fläche  Qt  =  Const.,  d.  h.  längs  der  Curve,  auf  der  nur  Qk 
veränderlich  ist.  HinsichtKch  des  Vorzeichens  von  rit  halten  wir 
an  der  in  Kap.  IV,  S.  98,  getroffenen  Abmachung  fest.  Die  Glei- 
chung (11): 


giebt  uns: 


in. 


HR,  cg, 


Schreiben   wir  die  sechs  dementsprechenden  (von  Lame   angegebenen) 
Gleichungen  einzeln  hin,  so  erhalten  wir: 


(13) 


J_ 1      f  H.         J_ 1      cH,        J_ 1      cH^ 

fii  ~  3^H^  cQi'       r.s  ~  H.H.  cq.  '       r^,         H.H^  cq, 
1    1      cH,  1    1      r-ffj         J_ 1       rflj 


Allgemein  woUen  wir  Parameterlinien  q,  die  Schnittcurven  der 
Flächen : 

Qk  =  Const.,     Q;  =  Const. 

nennen  und  unter  Einführung  der  Bezeichnungsweise  des  Kap.  I  für 
diese  Curven  unter  «,,  /3,,  yt]  £,,  rj;,  ^,:  /,,  u,,  r,  die  Richtungscosi- 
nus ihrer  Tangente,  ihrer  Haupt-,  ihrer  Binormale  und  unter  „  imd 
-jT    ihre  erste  bez.  zweite  Krümmung  verstehen,   wobei   die   in   Kap.  I 

getroffenen  Festsetzungen  hinsichtlich  der  Vorzeichen  in  Kraft  bleiben 
sollen. 

Wir  haben  dann  nach  §  33,  S.  63,  unmittelbar: 

(14)  cos«,  =  Xi,     cos/3,  =  Yij     cos/,  =  Z, . 

Wenn   wir  diese   Gleichungen  nach   p,   differenzieren,   so  erhalten    wir 


490     Kap.  18.     Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

unter    Berücksichtigung    des   Umstandes,    dass   das    Bogenelement    der 
Curve  Qii 

dSi  =  HidQi 

ist,  sowie  der  Frenet'schen  Formeln  und  der  Gleichungen  (11): 


Durch  Quadrieren  und  Addieren  folgt  hieraus: 

1 


'ki  'li 


Aus  den  Gleichungen  (14)  und  (15)  ergiebt  sich  ferner: 
(16)        cos  Xi  =  +  Ili 1-  Bi  — ,         cos  ^i  =  +  •^« h  •^«  — ' 

'''li  '''ki  ''' i  '''ki 

^k  —      ^l 

cos  Vi  =  -{i  I^i  -;  ~  +  Ih  ^7- ' 

''l  i  ''k  i 

wo  die  oberen  oder  die  unteren  Vorzeichen  gelten,  je  nachdem  die  Per 
mutation  i,  h,  l  der  Indices  1,  2,  3  gerade  oder  ungerade  ist.  Nun 
haben  wir  infolge  der  Frenet'schen  Formeln: 

1  •%-!  1  i-  c*  cos  l 

also  unter  Berücksichtigung  der  voraufgehenden  Gleichungen  und  (11): 


1  B. 


J'ii  '^9i\''ki)         ^ki^9i\riJ_ 


,      1      ^  ^li 

==+-:==-  -TT—  arc  tg  — 

Nehmen  wir,  was  ohne  weiteres  erlaubt  ist,   die  Permutation  ikl  als 
gerade  an  und  setzen  wir: 

-^,:            .                       -^t 
cos  fijj  =  —  — ,      sin  coj  = ; 

^li  'ki 

so  erhalten  wir: 

cos  |j  =  cos  diXi  -{-  sin  OiXk ,       cos  rji  =  cos  co,-  Yi  -j-  sin  «»  Y^ , 

cos  ^i  =  cos  c3iZi  -{-  sin  coiZk  ; 
cos  ki  =  sin  coi  Xi  —  cos  coiXk ,       cos  ^i  =  sin  eoj  Yi  —  cos  ojj  Yk , 

cos  Vj  =  sin  cOfZi  —  cos  coiZk  . 
Die  geometrische  Bedeutung  des  Winkels  «,:  ist  nach  diesen  Gleichungen 
die  folgende:    er  ist   der  Winkel,   den   die   positive  Richtung  der  Nor- 
male der  Curve  Qi  mit  der  Curve  Qi  bildet,  und  es  ist: 

1  1   ^  oj/ 


§  275.     Äquidistanzcurren  und  Cayley'sche  Gleichung.  491 

Im   einzelnen    haben   wir   also   ausser  den   Gleichungen  (13)   noch   die 
folgenden: 

-"l  »^si  »Sl  -"*  '^S;  M!  -"s  MS  '^SS 

(18) 


1    _    1    rcoj 

r,  ~  H,  cQi ' 

1                    1       f  töj 

3;   -  H,   cg,  ' 

1            1    c©, 
2;  ""  fl,   cg. 

's» 

tang  «3  =  ^- 

§  275.     Äquidistanzeurven  und  Cayley'sche  Gleichting. 

Das  Bogenelement  der  Parameterlinien  q^, 

ds^  =  S-idg.^, 
kann  auch  als  das  unendlich  kleine  Stück  der  Normale  der  Fläche  q^ 
zwischen  dieser  und  der  nächsten  Fläche  derselben  Schar,  g^  -\-  dg^, 
angesehen  werden.  Auf  der  Fläche  q^  sind  also  die  Curven  Ä  =  Const. 
diejenigen,  längs  deren  dieses  unendlich  kleine  Stück  der  Xonnale 
constant  ist:  sie  werden  deshalb  als  die  Äquidistanzeurven  (Gleich- 
abstandslinien)  der  Fläche  p,  =  Const.  bezeichnet*).  Da  nun  die 
Richtungscosinus  der  Tangente  der  Aquidistanzcurve  H^  =  Const.  pro- 
portional dx,  dy,  dz,  d.  h.  proportional  ^ —  dg^  +  '^ —  ^Qz  "•  s-  w.  sind, 
andrerseits  aber  auch 

Sz^Qi  +  dQx,  9^.  +  ^92,  P3)  =  Const., 
d.  h. : 

1^  dp,  +  i^  dg.  =  0 

ist,  so   sind  hiemach  die  Richtungscosinus  der  Tangente  proportional 

den  Binomen: 

cHg  ex        cRi  ex  cH^  cy  cU^  dy^         oH^  cz  cH^  cz 

C9t  cg^         cgi  cg^  cg^  cg^         cg^  cg,  cg,  cg^         cg^  cg^ 

d.  h.  (§  274')  propoi-tional  cosAg,  cosu.,  cos  1-3.  Daraus  folgt  der  Satz: 
Die  Normalebene  in  einem  Punkte  einer  Aquidistanz- 
curve  auf  einer  Fläche  g.^  =  Const.  fällt  mit  der  Schmie- 
gungsebene  der  Orthogonaltrajectorie  pg  dieser  Fläche  durch 
den  betreffenden  Punkt  zusammen. 


*)  Nui-  im  Falle,  dass  fl,  constant  wäre    oder  von  9,  allein  abhinge),  würde 
jede  Curre  als  Äquidistanzcurve  aufzufassen  sein.     Dann  wäre  aber: 


r,.        r,.  ü. 


d.  h.  die  Curven  g^   wären  gerade  Linien  und  die  Flächen  9,  =  Const.   einander 
parallel. 


492     Kap.  18.     Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 
Die  Gleichung  (17): 

durch  welche  die  Krümmung  dieser  Orthogonaltrajectorie  bestimmt 
wird,  lässt  sich  auch,  wie  folgt,  schreiben: 

(20)  ^  =  v^J^~h;  =  y-jjo^n , 

wenn  z/^  den  ersten  Differentialparameter  für  das  Quadrat  des  Linien- 
elements der  Fläche  q^  =  Const.  und  sn  das  unendlich  kleine  Stück 
der  Normale  der  Fläche  q^  =  Const.  bis  zur  nächsten  Fläche  bedeutet, 
wobei  £  eine  unendlich  kleine  Constante  und  n  eine  Function  von  q^ 
und  Q,^  ist.  Zu  beachten  ist,  dass  sowohl  der  obige  Satz  als  auch  die 
Gleichung  (20)  allgemein  für  ein  beliebiges  System  von  Flächen  und 
deren  Orthogonaltrajectorien  gelten*). 

In  unserem  Falle  aber,  wo  es  sich  um  dreifache  Orthogonalsysteme 
handelt,  muss  die  -Function  n  infolge  der  dritten  Lame'schen  Gleichung 
(A)  noch  der  Gleichung: 

CQi  dq^  i/i    CQ^    CQi   ~r    J4    dQi    CQi 

oder  unter  Anwendung  der  Bezeichnung  für  die  covarianten  Differen- 
tialquotienten bezüglich  der  Fläche  q.^  =  Const.  (§  26,  S.  46,  (22)) 
noch  der  Gleichung: 

^«12  =  0 

genügen. 

Diese  Gleichung,  auf  die  wir  bereits  bei  verschiedenen  Unter- 
suchungen, speciell  bei  der  Frage  nach  den  Cykelsystemen ,  zu  denen 
eine  gegebene  Fläche  gehört,  gestossen  sind,  ist  in  der  vorliegenden  Be- 
deutung von  Cayley  angegeben  worden  und  möge  als  die  Cayley'sche 
Gleichung  bezeichnet  werden. 

Aus  den  Eigenschaften  der  covarianten  Differentialquotienten  (Kap.  II) 
geht  sofort  hervor,  dass  für  eine  beliebige  Fläche  S  in  einem  allge- 
meinen Coordinatensystem  m,  v  die  Cayley'sche  Gleichung  folgender- 
massen  lautet: 


(21) 


E    F     G    1  =  0, 
D     B'  B"  \ 


wenn 

Edu^  -\-2Fdudv  -f  Gdv\ 

Bdu^  +  2B'dudv  +  B"dv^ 

*)  S.  Morera,    Sui    sistemi    di   superficie    e  le  loro   traiettorie  ortogonali 
(Rendiconti  del  Reale   Istituto  Lombardo,  4.  März  1886). 


§  276.    Combescure'sche  Transformation.  493 

die  beiden  FundamentaldijSerentialformen  von  S  sind*).     Ist  nun: 

die  Gleichung  einer  Schar  von  oc^  Flächen,  die  einem  dreifachen  Ortho- 
gonalsystem angehört,  so  können  wir 

1 


setzen.  Wenn  wir  nun  dieses  in  (21)  einsetzen,  so  ergiebt  sich  offen- 
bar für  A  eine  partielle  Differentialgleichung  dritter  Ordnung,  und  zwar 
die  Darboux'sche  Gleichung,  von  der  in  §  269  die  Rede  war. 

Hieraus  lässt  sich  leicht  folgern: 

Damit  eine  Schar  von  oc^  Flächen  einem  dreifachen  Or- 
thogonalsystem angehöre,  ist  notwendig  und  hinreichend, 
dass  der  unendlich  kleine  senkrechte  Abstand  zwischen  je 
zwei  auf  einander  folgenden  Flächen  der  Schar  der  Cayley'- 
schen  Gleichung  (21)  genügt. 

§  276.    Combescure'sche  Transformation. 

Combescure  hat  eine  wichtige  Transformation  der  dreifachen 
Orthogonalsysteme  angegeben**),  zu  der  später  unabhängig  von  ihm 
Darboux  für  den  allgemeinen  Fall  der  Orthogonalsysteme  mit  n  Yer- 
änderlichen  gleichfalls  gelangt  ist***). 


*)  Als  Beispiel  werde  eine  Fläche  S  betrachtet ,  die  auf  eine  Rotationsfläche 
abwickelbar  ist,  und  es  sei  bei  ihr: 

ds-  =  rf«*  -|-  r*dv^,     r  =  qp(u) . 
Wird 

n=Crdu 
gesetzt,  so  ergiebt  sich  sofort: 

n^^du-  +  2n,gdi«d©  +  n,jdB*  =  r'{du^  +  r'dv*). 

Daraus  folgt:  Für  die  Fläche  S  ist  die  Function: 

n  =  /  rdu 

eine  Lösung  der  Cayley'schen  Gleichung. 

Ist  S  im  besonderen  eine  Schraubenfläche,  so  ist  die  nächstfolgende  Fläche 
wieder  eine  Schraubenfläche  mit  derselben  Axe  und  Ganghöhe.  Hierdurch  ist  die 
Existenz  dreifacher  Orthogonalsysteme,  die  eine  Schar  von  Schraubenflächen  mit 
gemeinsamer  Axe  und  Ganghöhe  enthalten,  erwiesen.  (Vergl.  die  Abhandlung  des 
Verfassers:  Annali  di  Matematica,  1.  Serie,  4.  Bd.) 

**)  Annales  de  l'Ecole  Normale  Superieure,  1.  Serie,  4.  Bd. 
***)  Annales  de  l'Ecole  Normale  Superieure.  2.  Serie,  7.  Bd. 


494    Kap.  18.    Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

Auf  unsern  Fall  beschränkt,  ist  die  Aufgabe,  die  auf  die  Com- 
bescure'sche  Transformation  führt,  die  folgende: 

Gegeben  ist  ein  dreifaches  Orthogonalsystem  mittels  der 
Gleichungen: 

es  soll  ein  zweites: 

x'=  x'(q,,  q.^,  Qs),     y  =  y{Q,,  q^,  q^),     z  =  z\q^,  q^,  q^) 
von    der    Beschaffenheit     gefunden    werden,     dass    in    jedem 
Raumpunkte    (a?,    y,   z)    die    Normalen    der    drei    Flächen    des 
ersten    Systems    den     entsprechenden    Normalen    im    Punkte 
{x',  y',  z')  des  zweiten  Systems  parallel  sind. 

Da  die  Richtungscosinus  des  Haupttrieders :  X^^,  Y^,  Z^-^  X^,  Y.^,  Z^'^ 
Xo,  Yo,  Z.^  für  beide  Systeme  dieselben  sein  müssen,  so  ist  infolge 
der  Gleichungen  (11),  §  271,  klar,  dass  dieses  auch  mit  den  Grössen: 

1     dH^ 

der  Fall   sein  muss.     Führen  wir  nun  mit  Darboux  die  Bezeichnung: 

1    dH. 

ein,  sodass  die  Gleichungen  (11)  in: 


(22) 


cX, 

j^  =  -  ßaX,  -  ßn-X, 


übergehen,   so   nehmen   die  Lame'schen  Gleichungen   in   den   ß  die  fol- 
gende Gestalt  an: 

'9c 


W)  j^-ß^'ß"-^ 


dß.r.        dB,. 
(B*)  ^'^^+^  +  ^,,^,,=0, 

wo,  wie  gewöhnlich,  ihl  eine  Permutation  der  Indices  1,2,  3  bedeutet*). 
Die  gestellte  Aufgabe  ist  demnach  mit  der  folgenden  Frage  gleich- 
bedeutend : 

Wenn  die  ß^i  (i,  /^  =  1,  2,  3)  drei  Functionen  von  q^,  q^,  q.,^  sind, 
die  den  Gleichungen  (A*)  und  (B*)  genügen,  giebt  es  dann  ein  oder 
mehrere  Wertsysteme  H^,  H^,  H^,  die  mit  den  ß  durch  die  Relationen: 


*)  Die  Gleichungen  (A*)    ziehen  sechs  und  die   Gleichungen  (B*)   drei  Glei- 
chungen zwischen  den  |3  nach  sich. 


S  276.     Combescure'sche  Transformation. 


495 


(23) 


ßn  = 


1   cH^ 

R            1   cB, 

^23  —  H,CQ,  ' 

1  c^, 

^^^  =  i^,  rp/ 

1    cH, 
H.  CO,  ' 

1    cH, 

P3ä—  H,   CO' 

.        1  ^fi^, 

'^^^        -ff,    C9, 

^21  = 

verbunden  sind? 

Eliminieren  wir  aus  diesen  Relationen  z.  B.  Hy  und  5"^,  so  erhalten 
wir  für  H^  die  drei  simultanen  Differentialgleichungen: 


(  c'H, 


(24) 


CQiCQi 


c  log  ft,  f Ä, 


C^xCQ^ 

c-H, 


+  ßizßzi^ä} 


CQ.CQ, 


CQi  CQi 

CQs         CQ»        '      f^-'f^-*-       "* 


Umgekehrt,  ist  H^  eine  Lösung  dieses  Simultansjstems,  so  wird  allen 
Gleichungen  (23)  Genüge  geleistet,  wenn 


^1  = 


1    cS,        ^  ^    1    cH, 

gesetzt  wird.    Werden  aber  die  Gleichungen  (24)  bezüglich  nach  Pi ,  Pg  >  Qs 
differenziert   and  unter  Berücksichtigung  eben   dieser  Gleichungen   die 

c^H 
Wert€,  die  sich  dabei  für  p — ^ — ^ —  ergeben,  einander  gleich  gesetzt,  so 

entstehen  zufolge  (A*)  ebenso  viele  Identitäten.    Die  allgemeinen  Sätze 
über  partielle  Differentialgleichungen  besagen  nun: 

Die  allgemeinste  Lösung  £3  der  Gleichungen  (24)  ent- 
hält drei  willkürliche  Functionen  von  nur  je  einer  der  Ver- 
änderlichen.    Demnach  haben  wir  das  Ergebnis: 

Jedem  dreifachen  Orthogonalsystem  entsprechen  unend- 
lich viele  solche,  die  drei  willkürliche  Functionen  enthalten 
und  bei  denen  in  jedem  Punkte  die  Orientierung  des  Haupt- 
trieders  die  nämliche  ist,  wie  in  dem  entsprechenden  Punkte 
des  ersten  Systems. 

Von  den  neuen  dreifachen  Orthogonalsystemeu  möge  es  heissen, 
dass  sie  aus  dem  ursprünglichen  mittels  der  Combescure'schen 
Transformation  erhalten  seien.  Ihre  analytische  Bestimmung  beruht 
auf  der  Integration  des  Systems  (24),  worauf  sie  sich  mittels  Quadra- 
turen aus  den  Gleichungen: 

dx'=ZH,X,dQi,     dy'=  EHiYidQi,     dz'=  EHiZidgi 
ergeben,  wobei  die  X,-,   3^-,  Zi  ihre  ursprünglichen  Werte  beibehalten. 

Es  ist  klar,  dass  in  den  abgeleiteten  Systemen  jede  einzelne 
Fläche  mit  der  entsprechenden  Fläche  des  Ausgangssystems  die  sphä- 
rischen Bilder  der  Krümmungslinien  gemein  hat. 


496     Kap.  18.    Allgemeine  Sätze  über  dreifache  orthogonale  Flächensysteme. 

Anmerkung.  —  Zur  Aufstellung  der  Comb  es  eure 'sehen  Trans- 
formation können  wir  nach  Darboux*)  in  folgender  symmetrischer 
Weise  verfahren:  Es  seien  W^,  Wo,  W^  die  algebraischen  Entfernungen 
des  Punktes  [x,  y,  z)  von  den  Hauptebenen  des  Punktes  (x'  y'  z'),  sodass 

Wi  =  2:{x'—x)  Xi 
ist.     Hieraus  folgern  wir: 

(«)  15 = ßa  m 

oder: 


Es  wird  also: 


A(fl;.Tr,)=/-(ir*Tr,). 


Folglich    können    wir    eine    neue    unbekannte    Function    W  einführen^ 
durch  deren  Ableitungen   W^,   W^,  W.^  mittels  der  Gleichungen: 

^^^         H,   dg,'       ^^^         H,   dg,'       '.'^^         H,   dg, 
ausdrückbar  sind.     Dann  kommt  aus  (a): 

c'-W        d  log  H.dW       c  log  H^dW 


dg/dgj.  dg,.       dg-  dg,        dgj.' 

und   für   die   unbekannte  Function   W  bekommen  wir  somit  das  sym- 
metrische Gleichungssystem: 


iß) 


-r 


dgi  dg^             dg^  dg^  dg^        dg._,  ' 

d^W   _  d  log  H^  dW  d  log  ^3  dW 

dg^dgs             dg^  dg.^  '         dg^        dgs  ' 

d'-W   _  g  log Hj  dW  dlogH,  dW 


^cggdg^  dg^       dg^  dgs       cg^ 

Die  Integrabilitätsbedingungen  für  dieses  System  werden  identisch 
erfüllt^  woraus  folgt,  dass  die  allgemeine  Lösung  W  drei  willkürliche 
Functionen  enthält,  da  die  Werte  von  W  längs  dreier  von  einem 
Punkte  P  ausgehender  Parameterlinien  q^,  p^,  q.^  ganz  beliebig  vorge- 
schrieben werden  können.  Ist  umgekehrt  W  irgend  eine  Lösung  des 
Systems  (ß),  so  bestimmt  die  Gleichung: 

,     1    dW^     .     1    dW -y     .     1    dW  ^ 

^'  =  ^  +  s:  dg;  ^i  +  i/:  ^  ^^  +  jf,  dg;  ^^ 

nebst    den    analogen    für   y',  z'    ein   neues,    durch    Combescure'sche 
Transformation  abgeleitetes  Orthogonalsystem. 

*)  Darboux,  Leyons  u.  s.  w.,  S.  288  u.  f. 


Kapitel  XTX. 
riitersüchung:  einiger  speeieller  dreifaelier  Ortliogonalsysteme. 

Systeme,  die  eine  Schar  von  Rotationsflächen  enthalten.  —  Osculierende  Cykel- 
STsteme.  —  Combescure'sche  Transformation  der  normalen  Kreissvsteme.  —  Die 
abgeleiteten  Systeme  sind  die  allgemeinsten,  die  eine  Schar  von  eben  n  Krüm- 
mungslinien  haben.  —  Charakteristische  Elemente  dieser  Systeme  und  ihre  Be- 
stimmung mittels  Quadraturen.  —  Dreifaches  Orthogonalsystem  der  confocalen 
Mittelpunktsflächen  zweiten  Grades.  —  Elliptische  Coordinaten.  —  Geodätische 
Linien  auf  den  Mittelpunkt^flächen  zweiten  Grades.  —  Sätze  von  Chasles  und 
Liouville.  —  Geodätische  Linien  auf  dem  EUipsoid.  —  Satz  von  Joachimsthal.  — 
Geodätische  Linien  durch  die  Xabelpunkte.  —  Die  Krümmungslinien  als  geodä- 
tische Ellipsen  und  Hyperbeln,  welche  die  Nabelpunkte  zu  Brennpunkten  haben. 
—  Sätze  von  Roberts  und  Hart. 


§  277.     Dreifache   Orthogonalsysteme,   die   eine    Schar   von 
Rotationsflächen  enthalten. 

In  diesem  Kapitel  wollen  wir  die  allgemeinen  Sätze  des  vorigen 
Kapitels  auf  einige  einfache  Klassen  von  dreifachen  Orthogonalsvstemen 
anwenden. 

Wir  suchen  zunächst  diejenigen  dreifachen  Orthogonal- 
systemCj  welche  eine  Schar  von  Rotationsflächen   enthalten. 

Angenommen,  in  dem  dreifachen  Orthogonalsystem,  das  durch  den 
Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linieuelements  des  Raumes: 
ds-  =  SrdQ,^-  +  SL'dQ^^  -f  E,^dQ,^ 

definiert  ist,  seien  die  Flächen  q.^  =  Const.  Rotationsflächen,  und  zwar 
seien  die  Curven  q,.  =  Const.  ihre  Meridiancurven.  Da  diese  Cui-ven 
geodätische  Linien  sind,  so  ist  (S.  148): 

CQa 

Die  erste  der  Lame'schen  Gleichungen  (A),  S.  485,  giebt  somit: 
t^  =  0     oder     £^  =  0. 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  3S 


498      Kap.  19.    Untersuchung  oinigor  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 
Im  zweiten  Falle  wäre  infolge  der  Gleichungen  (13),  S.  489: 

'=0,      i  =  0; 

es  wären  demnach  die  Rotationsflächen  q,^  =  Const.  abwickelbare 
Flächen,  und  zwar  Kegel  oder  Cylinder.  Diesen  Fall  wollen  wir  aus- 
schliessen *).     Es  bleiben  somit  nur  die  Bedingungen: 


übrig,  woraus 


^  =  0       ^  =  0 


'  «11  '  <10 


folgt.  Demnach  sind  die  Flächen  q.^  =  Const,  Ebenen,  nämlich  die- 
jenigen der  Meridiancurven  der  Flächen  Q2  =  Const.  Also:  Die  Rota- 
tionsflächen ()y  =  Const.  haben  eine  gemeinsame  Drehaxe,  und  das 
dreifache  Orthogonalsystem  ergiebt  sich,  wenn  in  einer  Ebene  ein  (be- 
liebiges) doppeltes  orthogonales  Curvensystem  gezogen  und  um  eine 
in  dieser  Ebene  gelegene  feste  Axe  gedreht  wird.  Das  auf  diese  Weise 
erzeugte  System  von  Rotationsflächen  bildet  zusammen  mit  den  Meri- 
dianebenen das  gesuchte  dreifache  System.  Es  ist  klar  (und  kann  auch 
aus  den  Lame'schen  Gleichungen  gefolgert  werden),  dass  in  dem  vor- 
liegenden Falle  durch  passende  Wahl  des  Parameters  ^3  auch  H.j  un- 
abhängig von  Q.j  gemacht  werden  kann.  Wir  können  also  sagen:  Die 
charakteristische  Eigenschaft  der  hier  betrachteten  drei- 
fachen Orthogonalsysteme  besteht  darin,  dass  in  dem  Aus- 
druck für  das  Quadrat  des  Linienelements, 

die  Coefficienten  H^,  H^,  H.^  Functionen  von  nur  zwei  Ver- 
änderlichen, Q^  und  Q^j  sind. 

Die  Combescure'sche  Transformation  bietet  in  diesem  Falle  wenig 
Interesse:  die  abgeleiteten  Systeme  enthalten  nämlich  ofl'enbar  auch  eine 
Schar  von  Ebenen  und  sind  mit  den  in  §  269  betrachteten  Systemen 
identisch. 


*)  Hierzu  mag  Folgendes  bemerkt  werden:  Da  dann  H^  nur  von  ^j  abhängt, 
so  kann  H^  gleich  Eins  gesetzt  werden.  Es  sind  dann  die  Parameterlinien  q^ 
(irerade.  Demnach  sind  die  Flächen  pj  =  Const.  einander  parallel,  und  zwar 
sind  es  im  Falle  der  Cylinder  Ebenen,  im  Falle  der  Kegel  Flächen,  für  welche 
die  Krümmungslinien  der  einen  Schar  Kreise  sind.  Der  Leser  wird  leicht  nach- 
weisen können,  dass  im  letzteren  Falle  die  Drehaxen  der  Kegel  die  Tangenten 
der  Ortscurve  der  Spitzen  sind.  Diese  Curve  kann  übrigens  willkürlich  gewählt 
werden,  ebenso  wie  auch  die  Öffnungen  der  Kegel  willkürlich  bleiben. 


§  278.    Osculierende  Cykelsysteme.  499 

§  278.    Osculierende  Cykelsysteme. 

Eine  bemerkenswerte  Klasse  von  dreifachen  Ortliogonalsvstemen 
bilden  die  Ribaucour'schen  Cykelsysteme  oder  die  normalen 
Kreissysteme,  die  wir  .schon  in  Kap.  XIII  behandelt  und  für  die  wir 
specieU  in  §  187,  S.  354,  den  Ausdruck  für  das  Linienelement  des  Rau- 
mes bestimmt  haben.  Ein  schöner  Satz  tou  Ribaucour  ermöcrlicht 
es,  aus  jedem  dreifachen  Orthogonalsystem  unendlich  viele  nonnale 
Kreissysteme  abzuleiten.     Er  lautet: 

Werden  in  den  Punkten  einer  Fläche  S  eines  dreifachen 
Orthogonalsystems  die  Schmiegungskreise  der  Orthogonal- 
trajectorien  der  demselben  System  angehörigen  Flächen  con- 
struiert,  so  gehören  diese  doppelt  unendlich  vielen  Kreise 
einem   normalen  Kreissystem  an. 

Dieses  nonnale  Kreissystem  wollen  wir  als  das  osculierende 
System  des  gegebenen  Systems  längs  der  Fläche  /S  bezeichnen. 

Um  diesen  Satz  zu  beweisen,  haben  wir  nur  die  Gleichungen  des 
vorhergehenden  Kapitels  mit  den  Gleichungen  in  §  182,  S.  344,  zu  ver- 
gleichen, die  sich  auf  die  Bestimmung  derjenigen  Cykelsysteme  be- 
ziehen, deren  Kreise  eine  gegebene  Fläche  orthogonal  schneiden.  Ist 
nämlich  (p^,  pg,  q^)  ein  dreifaches  Orthogonalsystem,  in  dem  das 
Quadrat  des  Linienelements  des  Raumes  die  Form: 

annimmt,  und  betrachten  wir  eine  bestimmte  Fläche  des  Systems: 

P3  =  Const., 
so  ist  die  Function  ff^  eine  Lösung  der  Cayley 'sehen  Gleichung: 
f 'S,    _   1   cH^  cH^         1    fS,  cR^ 

T    rr 


rp,  rpj        S,   cQi  CQi     '    fl,  ?p,  rpj 

Bedeutet  R^  den  Radius  des  Schmiegungskreises  einer  Parameterlinie 
P3  und  »3  den  Winkel,  den  die  positive  Richtung  ihrer  Hauptnormale 
mit  der  Curve  q^  bildet,  so  ist  (§  274,  S.  491  und  489): 


J?,^        Sx'\    cg,      ]     ' 

Ä,n    cg. 

cos  ÜJ^  = *  =  ' 

^                  '-,3                 Jix 

c  log  H^ 

clogH, 

Diese  Gleichungen  beweisen,  verglichen   mit  den  Gleichungen  (5)  und 
(13)  auf  S.  345,  den  Ribaucour'schen  Satz. 


500      Kap.  19.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonaljsteme. 

§  270.     Dreifache   Orthogonalsysteme    mit   einer   Schar    von   ebenen 

Krümmungslinien. 

Die  Combescure'sche  Transformation  der  normalen  Kreissysteme 
liefert  eine  interessante  Klasse  von  dreifachen  Orthogonalsystemen.  Es 
ist  ohne  weiteres  klar,  dass  in  jedem  System,  das  durch  eine  Com- 
bescure'sche Transformation  aus  einem  normalen  Kreissystem  abgeleitet 
wird,  diejenigen  Curven,  welche  Kreisen  entsprechen,  ebene  Curven 
sind,  da  die  Tangenten  einer  jeden  den  Tangenten  des  entsprechenden 
Kreises  parallel  sind.     Also: 

In  den  durch  eine  Combescure'sche  Transformation  aus 
normalen  Kreissystemen  abgeleiteten  dreifachen  Orthogonal- 
systemen sind  die  Orthogonaltrajectorien  der  Flächen  einer 
der  drei  Scharen  ebene  Curven. 

Es  lässt  sich  auch  leicht  nachweisen,  dass  sich  umgekehrt  jedes 
dreifache  Orthogonalsystem,  in  dein  die  Orthogonaltrajectorien  der 
Flächen  einer  der  drei  Scharen  ebene  Curven  sind  (in  dem  also  die 
Flächen  der  anderen  beiden  Scharen  eine  Schar  ebener  Krümmungs- 
linien besitzen),  durch  eine  Combescure'sche  Transformation  aus  einem 
normalen  Kreissystem  ableiten  lässt.  Es  sei  nämlich  (()j,  q.,^  q.^)  ein 
dreifaches  Orthogonalsystem,  in  dem  die  Parameterlinien  q._,  eben  seien. 
Wir  betrachten  eine  Fläche  Äj  der  Schar  [q^)  und  das  im  vorher- 
gehenden Paragraphen  definierte  osculierende  Cykelsystem  längs  derselben. 

Es  erhellt  sofort,  dass  diejenigen  Flächen,  deren  Krümmungslinien 
die  Kreise  des  Cykelsystems  sind,  dieselben  sphärischen  Bilder  der 
Krümmungslinien  haben  wie  die  Flächen: 

Q^  =  Const.,     Q.j  =  Const. 
des   Ausgangssystems.     Daraus   folgt,    dass    zwischen    den  beiden    drei- 
fachen  Orthogonalsystemen    die    durch    die   Combescure'sche   Transfor- 
mation vermittelte  Beziehung  hergestellt  werden  kann.     Also: 

Wenn  in  einem  dreifachen  Orthogonalsystem  (ßi,  Q2j  9:)) 
die  Curven  q.  eben  sind,  so  lassen  sich  die  osculierenden 
Cykelsysteme  längs  der  Flächen  q.^  =  Const.  durch  eine 
Combescure'sche  Transformation  aus  dem  Ausgangssystem 
ableiten. 

Um  alle  in  Rede  stehenden  Systeme  (^j,  q.^,  ()..)  zu  finden,  brauchen 
wir  also  nur  diejenigen  zu  suchen,  welche  ein  gegebenes  Cykelsystem 
als  osculierendes  System  haben.  Diese  Aufgabe  lässt  sich  nun,  wie 
wir  jetzt  beweisen  wollen,  lediglich  durch  Quadraturen  lösen*). 

*)  Vgl.  die  Abhandlung  des  Verfassers  in  den  Annali  di  Matematica,  19.Bd,  1890, 


§  279.   Dreifache  Orthogonalsyst.  mit  einer  Schar  v.  ebenen  Krflmmungsliaien.     501 

Dazu  müssen  wir  auf  die  Gleichungen  des  Kap.  XIII  für  die  nor- 
malen Kreissysteme,  insbesondere  auf  die  Gleichungen  des  §  187, 
S.  354,  zurückgehen,  wo  wir  in  der  Formel  (23)  für  das  Quadrat  des 
Linienelements  des  Raumes,  bezogen  auf  ein  normales  Kreissystem 
(«,  t',  «•),  den  Ausdruck: 

(1)  f?6-2  =  h^^dii^  +  /vrft-  +  h^^dw^ 

gefunden  haben.     Hierin  haben  h^,  7/^,  h^  die  folgenden  Werte: 

Ä.  =  2cos|[|i-V^tang|  ^1  +  "^),+  ^^^  [Vjp], 

(2)i;,  =  2sin|[|f +  1/5  cot  I  si„(.-  e).- j^^,  !Vlo]> 

i  ■        et 

wo  die  Grössen  E,  G,  ^,  6,  q,  t  die  in  §  184,  S.  347,  348,  angege- 
bene Bedeutung  haben.  Wir  erinnern  daran,  dass  £",  G^,  ü  die  drei 
Functionen  von  u  und  v  sind,  die  in  dem  Ausdruck  für  das  Quadrat 
des  Linienelements  der  Kugel  auftreten: 

ds"'  =  Edu~  +  2cos  P.YEG  du  d  v  +  Gdv-, 

das  auf  die  Bildcurven  («,  v)  der  abwickelbaren  Flächen  desjenigen  Strahlen- 
systems, dessen  Strahlen  die  Axen  der  Kreise  sind,  bezogen  ist,  während 

I  *  ^  1   und   I    "  [    die   Christoffel'schen    Svmbole  bezüglich    des  Linien- 

Clements  der  Kugel  sind.  Der  Winkel  6  ergiebt  sich  aus  der  Glei- 
chung (20),  S.  349,  d.  h.  aus  der  Gleichimg*): 

und  genügt  daher  den  Gleichungen: 

/0\  C  COS6  ci  /  ^  1\fl2l  C  cos  ff  ctf  ^I1\(l'^l 

(3)      -p^  =  2(cos(y— 1)|  ,  },      -^^  =  2(cos(j  +  l)|  ^  J, 

die  zweckmässig  in  der  nachstehenden  Form  geschrieben  werden: 

/oi^\  c  log  sin  c  2  cos  6      |  1  2 1         r  log  sin  e  2  cos  g     [  1  2  \ 

^     ^  c  II  1  -}-  cos  o\2J'  cv  1  —  cos  ff  \  1   I 


*)  Falls  die  Gleichung  (a)  des  Textes  eine  Identität,  d.  h. : 

^    (121         r    |12)  1121    (121 

gl»  1  1  I  -  ?7  l  2  )   ~  ^  l  1  1   l  2  1 

ist,   so  muss  man  auf  die  weiterhin  folgenden  Gleichungen  (3)  oder  (3*)  zurück- 
gehen, die  6  bis  auf  eine  Constante  bestimmen  (vgl.  §  185). 


502     Kap.  19.     Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

Die    Function    q(u,v)    ist    eine    (beliebige)   Lösung    der   Laplaco'schen 
Gleichung  (vgl.  (15)  auf  S.  347): 


(4) 


J^Q      ,    i^ArQ     ,     [12\  CQ 
cucv  ~^  \  1  j  ru^  \  2  J  dv    ' 


A     12  ^       12 


+  COS  Sl  YEG 


Endlich  ist  t  die  allgemeine  Lösung  der   unbeschränkt  integrierbaren 
totalen  Differentialgleichung  (vgl.  (18)  auf  S.  348): 

(5)     rf<=[y£tang|cos(<+  "t)  +  {{"l, +Y^- [^ ^']  Bm  £i\du  - 

-  'VG  cot  -:  cos  (^  -  f )  +  1 II  +  ]/§:  { - }  sin  ß]  äv. 

Diese  allgemeine  Lösung  t  enthält  eine  willkürliche,  mit  w  bezeichnete 
Grösse,  die  als  dritte  Veränderliche  nur  in  t  enthalten  ist. 


§  280.    Fortsetzung. 

Nachdem  wir  so  an  die  früheren  Gleichungen  erinnert  haben, 
bilden  wir  für  das  normale  Kreissystem  die  Grössen  ß^^  des  §  276, 
S.  494.     Wir  erhalten: 


(5*) 


ß2i   = 

ß,2  = 


1   dh 

Aj    du 


YG  sinlt  — 
ß      di 


cot 


(1211 


1   cK 

-TT    -       =  COS    ^-  ■  -7^  , 


K  dw 


1   d\ 

h^    cv 

1   o\ 

K  civ 


/£si„(<+f)+ta„g|  {'/};, 


yo  cos  it  — ) 

.— -.       ßv, 


1   dh^ 
h,    c  u 


■     G      dt 
sm--  •  7^- 


Nun  wenden  wir  die  Combescure'sche  Transformation  an,  indem  wir 
zur  Bestimmung  der  Coefficienten  H^,  H^j  H.i  des  durch  die  Gleichung: 

definierten  transformierten  Systems  die  Gleichungen  (24),  S.  495,  be- 
nutzen, die  zur  Berechnung  von  H.^  dienen.  Führen  wir  in  ihnen 
statt  ifg  mittels  der  Gleichung: 

dt 


H.  =^  B  sin  <? 


dw 


§  280.    Fortsetzung.  503 

eine  neue   unbekannte  Function   R(UjV,to)    ein,    so    erhalten  wir  zur 
Bestimmung  von  R  die  drei  simultanen  Diflferentialgleichungen: 

(  P'R  V   r-  6     .     I  .    .     Sl\  2cosff     (l2\~lcJJ 

C*R  r      -./TV       t«      •     (4         ^\     I       2COSC      (I2\"|c-R 

Die  ersten  beiden  lassen  sich  aber  infolge    der  Gleichimgen  (3*)  nnd 
(5)  so  schreiben: 

7^  log  ^ —  =  —  ^—  log  I  sm  ö  ö— ) » 
TT-  loff  - —  ^  —  ^^  log  (sin  tf  >.— I  • 
Daraus  folgt  durch  Integration  sofort: 

rR  W 


c IC  .     a  et 

sin-  ;^- 
2  cw 


wenn   W  eine  willkürliche  Function   von   w  ist.     Eine  nochmalige  In- 
tegration nach  w  liefert: 

w 

„  1        /^Wdw     ,     ,/        X 


worin  tc^  einen  festen  Wert  von  w  bedeutet  und  die  Function  ^  nur 
von  u  und  v  abhängt.  Diese  Function  ist  so  zu  bestimmen,  dass  der 
Wert  (7)  von  R  auch  der  dritten  der  Gleichungen  (6)   genügt.     Nun 

lässt  sich  sofort  nachweisen,  dass  die  Fimction  ^5^^,^  der  eben  an- 
geführten Gleichung  genügt,  imd  da  die  Coefficienten  dieser  homogenen 
linearen  Differentialgleichung  frei  von  ic  sind,  so  genügt  ihr  auch  die 
Function: 


1       X*  Wdw 
sinff  /         et 
.J         cw 


Also:  Allen  Bedingungen  (6^  wird  genügt,  wenn  in  der 
Gleichung  (7)  für  ^'(m,  «)  eine  beliebige  Lösung  der  Laplace- 
schen  Gleichung  gewählt  wird: 


504     Kap.  19.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 


ducv'     \  1  }  du    *     \  2  j  CO    ' 


+ 


0 
du 


fl2\     ,      c     {12\      .  r^T/iTn 

li  J  +^^12)  +^osSiyEG 


t  =  o, 


von  der  die  Bestimmung  der  (cyklischen)  Strahlensysterae 
abhängt,  welche  die  Curven  u,  v  auf  der  Kugel  zu  Bildern 
ihrer  abwickelbaren  Flächen  haben. 

Kann  diese  Gleichung  vollständig  integriert  werden,  so  können 
auch  zu  dem  gegebenen  normalen  Kreissystem  alle  Combescure'schen 
transformierten  Systeme  angegeben  werden.  Die  Aufgabe  aber,  die 
wir  uns  in  §  279  gestellt  haben,  nämlich,  diejenigen  Combescure'schen 
abgeleiteten  Systeme  zu  bestimmen,  welche  das  gegebene  normale 
Kreissystem  zum  Schmiegungssystem  längs  der  Fläche  tv  =  Wq  haben, 
wird,  wie  wir  nun  zeigen  wollen,  einfach  dadurch  gelöst,  dass  in  (7) 

gesetzt  wird. 

§  281.     Erledigung  dieses  Problems. 

Da  H^  den  Wert  B  sinö  ^  hat,  wo  B  durch  die  Gleichung  (7) 
gegeben  ist,  so  ergeben  die  Gleichungen  (§  276,  S.  494): 


1  ß,S    CU   '  2 

infolge  der  Gleichungen  (5)  und  (5*): 


^23     ^^ 


(8)i 


iri=2cos:, 


dB 

cu 


Ho  =  B  sin  6 


cw 


Für  die  Hauptkrümmungen: 


^13  -Hs 

erhalten  wir  mithin  die  Werte: 


m 


'''«         2ü!cos   •■  ""'^         2Äsin4- 


§  281.    Erledigung  dieses  Problems.  505 

also  für  die  Grössen   q^,  to^,   ^r-  in  §  274: 

Q,  =  B  sinö,      «j  =  o  '       ^  =  0. 

-  -'s 

Aus  den  früheren  Gleichungen  für  q^  und  w^  geht,  wenn  auch  die 
Gleichungen  (8)  berücksichtigt  werden,  gerade  die  Richtigkeit  unserer 
Behauptung  hervor:  Will  man  das  abgeleitet«  System  erhalten,  für 
welches  das  gegebene  normale  Kreissystem  das  Schmiegimgssystem 
längs  der  Fläche  iv  =  ic^  ist,  so  muss  man  in  der  Gleichung  (7)  ^• 
gleich  9,  d.  h. : 


sma  I 


et 
cto 


setzen.  Das  Auftreten  dei  willkürlichen  Function  W  in  dieser  Glei- 
chung ermöglicht  es,  einer  der  ebenen  Farameterlinien  ic  eine  vorge- 
schriebene Gestalt  zu  geben.  Aber  damit  ist  dann  die  ganze  Schar 
eindeutig  bestimmt.     Mithin  haben  wir  den  Satz  gewonnen: 

Zur  Bestimmung  eines  dreifachen  Orthogonalsvstems, 
in  dem  die  orthogonalen  Trajectorien  der  Flächen  eines  der 
Systeme  2^  ebene  Curven  C  sind,  können  die  folgenden  Ele- 
mente willkürlich  gegeben  werden:  erstens  eine  Fläche  2^q 
des  Systems  Z",  zweitens  eine  Curve  Q  von  den  Curven  C 
und  drittens  das  osculierende  Cykelsystem  längs  Z!q.  Diese 
Elemente  bestimmen  das  System  eindeutig.  Es  ergiebt  sich 
lediglich  mittels  Quadraturen,  wenn  die  Krümmungslinien 
von  Zq  bekannt  sind. 

Unter  den  vorstehenden  Systemen  giebt  es  eine  Klasse,  die  beson- 
dere Erwähnung  verdient.     Der  Winkel  —  giebt  infolge  der  früheren 

Gleichungen  die  Neigung  der  Ebenen  der  Curven  C  gegen  die  Flächen 
II  =  Const.  an.  Wir  suchen  mm  unter  den  betrachteten  dreifachen 
Orthogonalsystemen  diejenigen,  für  welche  der  Winkel  6  constant  ist. 
Da  dann  infolge  der  Gleichungen  (3) 

fl2|_  fi2|_^ 

1   1    I    -  ^'        1   2    I    -   - 

ist,  so  sind  die  Curven  u,  v  die  Bilder  der  Haupttangentencurven  einer 
pseudosphärischen  Fläche  (S.  130).  Für  das  Quadrat  des  Linienelements 
der  Kugel  ergiebt  sich: 

ds'^  =  dti^  -j-  2cosSldu  dv  -\-  dv', 
worin  ß  eine  Lösung  der  Gleichung: 


506     Kap.  3  9.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

cucv    ' 
ist  (S.  131),  und  die  Gleichung  (4)  für  R  geht  über  in  die  Gleichung 
für  die  unendlich  kleinen  Verbiegungen  der  pseudosphärischen  Flächen 

(S.  297): 

o — ^ — I-Rcos5i  =  0. 

cucv    ' 

Demnach  hängt  also  die  Bestimmung  dieser  speciellen  Systeme  von 
dem  Problem  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen  der  pseudosphäri- 
schen Flächen  ab  *). 

§  282.     Confocale  Flächen  zweiten  Grades. 

Wir  wollen  uns  nun  mit  einem  der  einfachsten  und  wichtigsten 
dreifachen  Orthogonalsysteme,  dem  System  confocaler  Flächen  zweiten 
Grades,  beschäftigen.  Dasselbe  giebt  zu  den  elliptischen  Coordinaten 
Anlass,  die  von  Lame  in  die  Analysis  eingeführt  worden  sind. 

Wir  betrachten  das  System  confocaler  Mittelpunktsflächen  zweiten 
Grades,  das  durch  die  Gleichung  definiert  wird: 

.  nn^  ni^  ^2 

^^  ^^p  +  p^Tp  +  c^-f^""     ' 

worin  q  ein  veränderlicher  Parameter  ist,  und  setzen 

voraus.  Die  Fläche  (9)  ist  nur  dann  reell,  wenn  q  zwischen  -\-oo  und 
—  a^  liegt,  und  zwar  ist  sie  insbesondere 

ein  EUipsoid für  -f-cx)  >  ^  >  —  c^, 

ein  einschaliges  Hyperboloid      .     für  —  c^  >  ^  >  —  ^>'^, 
ein  zweischaliges  Hyperboloid   .     für  — 5^  >  ()  >  —  a^  • 

Für  p  =  -j-cx)  ergiebt  sich  eine  Kugel  von  unendlich  grossem  Radius. 
Ändert  sich  q  von  -|-  oo  bis  —  c^,  so  bleibt  die  Fläche  immer  ein 
EUipsoid,  dessen  kleine  Axe  '\/c^  -P  q  immerfort  stetig  abnimmt,  bis 
sich  in  der  Grenze  für  p  ==  —  c^  das  EUipsoid  zu  dem  (doppelt  zu 
rechnenden)  Stück  der  x«/- Ebene  innerhalb  der  Focalellipse : 

52    _    ^2    =    1 

abflacht.  Sobald  p  <  —  c^  wird,  so  wird  die  Fläche  ein  einschaliges 
Hyperboloid,  und  setzt  man  q  =  —  c^  —  e  {e  positiv)  und  lässt  dann 
£  zu  Null  abnehmen,  so  erkennt  man,  dass  sich  für   £  =  0  das  Hyper- 

*)  In  Betreff  weiterer  Bemerkungen  siehe  die  vorhin  (S.  500)  angeführte  Ab- 
handlung des  Verfassers, 


§  282.    Confocale  Flächen  zweiten  Grades.    §  283.    Elliptische  Coordinaten.    507 

boloid  zu  dem  ausserhalb  der  Focalellipse  gelegenen  Stück  der  jry- Ebene 
abflacht.  Diese  Ellipse  stellt  somit  den  Übergang  von  der  Schar  der 
Ellipsoide  zu  deijenigen  der  einschaUgen  Hyperboloide  dar. 

In  derselben  Weise  lässt  sich  zeigen,  dass  der  Übergang  von 
dieser  Schar  von  Hyperboloiden  zur.  Schar  der  zweischaligen  Hyper- 
boloide durch  Überschreiten  der  Focalhyperbel: 

=  1 


a'  —  fc»         b'  —  c- 
bewerksteUigt  wird. 

Durch  jeden  Raumpunkt  (|j  r,,  t)  gehen  drei  Flächen  des  Systems 
(1),  die  den  di-ei  Wurzehverten  der  in  q  cubischen  Gleichung: 

f{Q)  =  («^  +  qW  +  qW  +  9)-  0»'  +  qW  +  qW  - 

_  (^  +  9)(a^  +  Q)r,'  -  (a^  +  ^W  +  qW  =  0 
entsprechen.     Da  nun 

/•(+oc)>0,    fi-(^)>0,    f(-b')>0,    f(-c^)>0 
ist,  so  hat  die  Gleichung  drei  reelle  Wurzeln  q^,  q^,  q^,  die  bezüglich 
in  den  Intervallen: 

+  oc>  p,  >  —  c-,      —  c-  >Q.>  —  l-,      —h->Q^>  —  a^ 
liegen.     Die  drei  zugehörigen  Flächen  des  Systems  (9): 


(10) 


die  durch  den  Punkt  (§,  iy,  ^)  hindurchgehen,  sind  bezüglich  ein  Elbp- 
soid,  ein  einschaliges  und  ein  zweischaliges  Hyperboloid. 

Wir  können  die  Lage  eines  Raumpunktes  {x,  y^  z)  mit  Hilfe  der 
Parameter  Qy,  q^,  q.^  der  drei  Flächen  zweiten  Grades  des  Systems  (9), 
die  durch  den  Punkt  hindurchgehen,  bestimmen.  In  diesem  Falle  wer- 
den Pj,  p,,  p3  die  elliptischen  Coordinaten  des  Punktes  P  genannt. 
Sie  hängen  mit  den  Cartesischen  Coordinaten  x,  y,  z  des  Punktes 
mittels  der  Relationen  (10)  zusammen. 

§  283.    Elliptische  Coordinaten. 

Zur  Berechnung  des  Linienelements  des  Raumes  in  elliptischen 
Coordinaten  (>j,  q^j  q^  bemerken  wir*),  dass,  da  Qi,  Q^,  Q^  die  Wurzeln 
der  in  q  cubischen  Gleichung: 

*)  S.  Kirchhoff,  Mechanik,  17.  Yorlesong. 


508     Kap.  19.     Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 
'": I ^' L       ^V     1=0 

sindj  für  alle  Werte  von  q  die  Identität  besteht: 

/i  -j\  ^^         1 2/'i       1         ^'^_  ^  1  (Pi  —  P)(P2  —  q)(Qs  —J) 

Wenn  wir  nun  beiderseits  mit 

multiplicieren  und  dann  der  Reihe  nach 

Q  ='  —  a",     Q  =  —  h^,      p  =  —  c^ 
setzen,  so  erhalten  wir: 

n 9^       ^2  _  (ft'  +  ei)(a'  +  g2)(<^'  +  Ps)       ,,2  _  (&' +  ei)(^'  +  p2)(^'  +  es) 

Diese   Gleichungen    geben    die    Cartesischen    Coordinaten,    ausgedrückt 
durch   die   elliptischen.      Aus   ihnen  ergeben  sich  durch  logarithmische 
Differentiation  nach  q^,  q^j  Q3  ^^^  weiteren  Grleichungen : 
ex  X  cy  y 


(13) 


dg,         2(a'+Q^y       cp.         2(&^  +  p.) 


h^~"^A^d  *^'~^'^'^^' 


und  aus  den  Gleichungen  (10)   folgt  durch  Subtraction   von  je  zweien 
und  unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen  (13): 


'VT  ex    dx        ^         "V'7  dx  ex 


'VT  ex  ex  ^         'VT  ex    dx  ^         "V7 


0, 


CQs  ^Pi 

WO  die  Summenzeichen  andeuten,  dass  noch  die  entsprechenden  Glieder 
in  y  und  2  hinzukommen.     Hieraus  folgt  bereits: 

Das  System  (9)  von  confocalen  Mittelpunktsflächen  zwei- 
ter Ordnung  ist  ein  dreifaches  Orthogonalsystem. 

Wird  nun  (11)  nach  q  differenziert  und  dann  q  der  Reihe  nach 
gleich  Qj,  Q2,  Q^  gesetzt,  so  ergiebt   sich  wegen  der  Gleichungen  (13): 


f2'(ä 


(13*) 


(Pl    —    P2)(Pl    —   Ps) 


^  (^^Y=  (P2    —    P3)(P2    —   Pl  ) 

^'    XcTq,  I  4  {a'  +  Q,)  (h^-  +  Q,)  {c^-  +  Q,)' 

'V   ('il^'Y,^:^    __       (Ps    —    Pl)(p3    —    P2) 


folglich  für  das  Quadrat  des  Linienelements  des  Raumes  in  elliptischen 
Coordinaten  der  Ausdruck: 


§  283     Elliptische  Coordinaten.     §  284.    Satz  von  Chasles.  509 

j (Pa  —  gi)(g8  —  g»)  J„  s1 

■^  ^«^  +  g,)(6*  +  Q,)\c'  +  g,)  '  ^^  J" 

Hieraus  ersehen  wir,  dass  in  dem  vorliegenden  dreifachen  Orthogonal- 
system die  Krümmungslinien  auf  jeder  Fläche  eines  der  drei  Systeme 
ein  Isothermensystem  bilden.  Es  giebt  jedoch  ein  allgemeineres,  von 
Darboux*)  gefimdenes  dreifaches  Orthogonalsvstem,  dem  dieselbe 
Eitrenschaft  zukommt.  Die  Flächen  dieses  Svstems  sind  ebenfalls 
algebraisch,  aber  von  der  vierten  Ordnung. 

§  284.    Satz  von  Cliasles. 

Das  Isothermensystem  der  Krümmungslinieu  auf  einer  Fläche  zweiten 
Grades  besitzt  femer  die  Eigenschaft,  aus  geodätischen  Ellipsen 
und  Hyperbeln  zu  bestehen,  wie  aus  dem  Ausdruck  (14)  für  das 
Quadrat  des  Linienelements  erhellt  (vgl.  §  88,  S.  172,  173).  Die  Flächen 
zweiten  Grades  gehören  nämlich  zur  Klasse  der  Liouville'schen  Flächen, 
auf  denen  sich  die  geodätischen  Linien  mittels  Quadraturen  ergeben. 
Wir  wollen  nun  gerade  die  Eigenschaften  der  geodätischen  Linien  auf 
den  Mittelpunkt^flächen  zweiten  Grades,  insbesondere  auf  dem  Ellipsoid, 
untersuchen.  Anstatt  aber  von  den  allgemeinen  Eigenschaften  der 
LiouviUe'schen  Flächen  auszugehen,  wollen  wir  einen  directen  geome- 
trischen Weg  einschlagen,  auf  dem  wir  die  Eigenschaften  der  cou- 
focalen  Flächen  zweiten  Grades  verwerten,  und  wollen  dann  die  so 
erhaltenen  Ergebnisse  mit  denjenigen  vergleichen,  welche  aus  den 
allgemeinen  Gleichungen  in  §  88,  Kap.  VI,  folgen**). 

Der  grundlegende,  von  Chasles  heiTührende  Satz,  der  geome- 
trisch zur  Bestimmung  der  geodätischen  Linien  führt,  ist  der  folgende: 

Das  Strahlensystem,  das  von  den  gemeinschaftlichen 
Tano^enten  zweier  confocaler  Flächen  zweiten  Grades  gebil- 
det  wird,  ist  ein  Normalensystem. 

Es  seien  nämlich  p',  q"  die  Werte  des  Parameters  q  in  der  Glei- 
chung (9)  für  die  beiden  in  Rede  stehenden  confocalen  Flächen  zweiten 
Grades  und  a',  y',  z'\  r",  y" ,  z"  die  Coordinaten  der  beiden  Berüh- 
rungspunkte eines  Strahles  jenes  Strahleusystems  mit  den  Flächen  ^' 
bez.  p".     Dann  haben  wir: 

*,  Annales  u.  s.  w.,  3.  Bd.,  1886. 
**)  S.  Darboux,  2.  Bd.,  S.  295  u.  f. 


510     Kap.  19.    Untersuclinng  einiger  specioUer  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

1. 


(15) 


c'  +  q" 

Da  die  Richtungscosinus  der  Normalen  der  beiden  Flächen  q'  und  q" 
in  den  Punkten  {x' ,  y',  0'),  (x",  y",  z")  wegen  der  Gleichungen  (13)  bez. 

x'  y'  z' 

«'  +  ?'''    ^>*  +  ?'  '    ^+V  ' 

x"       '  y"  z" 

«'  +  ?"'  h^TV  ^+^ 

proportional  sind,  so  folgt  hieraus  nach  Voraussetzung: 

x'{x"~  x')    .    y'{y"—y')    ,    z'{z"—  z')  _  ^ 
a*  +  p'     "i"      h^-\-Q'     "■       c^  +  p'  ' 

a;"(a;"— a;0    ,    y"{y"—y')    ,    0"(^"— ^') 

— » — I — ^' jT»  n — " —  "T"  — ä — r  — ^' —  ^^^  ^ 

a-  -\-  ^  '        0-  -f-  9  '       (^    -\-  9 

oder  wegen  (15): 

a;'a;"        .        y' y"        .        0'^ 


-  4-     ^  ^        _J_  _JL_1___  ==  1 

«^  +  e'    1^  b^-i-  p'  ^  c^  -t-  q'          ' 

X  X  ^     .       y  y .        ~^ "1 


„a-|_p"     I     fc2  +  p"     I     c^  + 
Durch  Subtraction  ergiebt  sich  aus  den  letzten  beiden  Gleichungen: 
^'^" I y'y" I £A1____  _  0 


Daraus  folgt,  dass  die  betrachteten  beiden  Normalen  auf  einander 
senkrecht  stehen,  und  es  ist  somit  der  obige  Satz  bewiesen  (vgl.  §  143, 
S.  269). 

Nach  dieser  Vorbemerkung  bilden  die  auf  der  ersten  Brennfläche 
(j  von  den  Strahlen  umhüllten  Curs^en  eine  Schar  von  00^  geodätischen 
Linien  auf  dieser  Fläche  zweiten  Grades.  Wenn  wir  ferner  die  Fläche 
Q  fest  und  die  andere  Fläche  q"  sich  ändern  lassen,  so  erhalten  wir 
alle  geodätischen  Linien  auf  der  ersten  Fläche. 

§  285.     Gemeinsame  Evolutenflächen. 

Liouville  hat  den  Weg  angegeben,  auf  dem  sich  in  den  ellip- 
tischen Coordinaten  ^^,  q.,,  q.^  die  Gleichung  der  Schar  paralleler 
Flächen,  deren  Normalen  die  Strahlen  des  vorhin  betrachteten  Strahlen- 
systems und  deren  Brennflächen  die  Flächen  zweiten  Grades  q'  und  q" 
sind*),  wirklich  bilden  lässt. 


')   l^iese   bciJen   coufocalen  Flächen    zweiten   Grades    sind    also    die    beiden 
Mäntel  der  Evolutenfläche  der  Flächen  Z. 


§  285.    Gemeinsame  Evolutenflächen.  51 1 

Um  das  Ergebnis  Liouvilles  abzuleiten,. bemerken  wir  zunächst, 
dass,  wenn  die  Function  Q{x,  y,  z)  der  Gleichung: 

^.«  =  ©  +  fr+©  =  l     (^.S.41,obe„) 

genügt,  die  Flächen: 

S{x,  y,  z)  =  Const. 

eine  Schar    von   Parallelflächen  sind  (§  275,  Gl.  (20;).     Nun  geht  die 

Gleichung: 

^1 0  =  1 

in    krummlinigen  Coordinaten    p^,  p^»  Qu    Jß    denen    das    Quadrat    des 
Linienelements  des  Raumes  die  Orthogonalform: 

ds-  =  H,-dQ^-  +  H,-dQ/  +  H/dg.,- 
aimimmt,  über  in  (vgl.  S.  41): 

Wir   führen   jetzt  elliptische   Coordinaten  ein,    wobei    wir    der  Kürze 
halber 

(17)  f{Q)  =  4(a^  +  Q)(h'  +  p^)(c^  +  p), 

(18)  q>(Q)  =  (q  —  Qi)(q  —  Qi)(Q  —  Ps) 
setzen.     Dann  lautet  Gleichung  (14): 

und  Gleichung  (16)  geht  über  in: 

^  qp(9,)\^e,/ 
Dieser  Gleichung  wird  genügt  durch: 


(19)-  rf,.=2'^''<'.s 


(20) 


.-2//5=l^*, 


WO  a  und  /3  willkürliche  Constanten  sind,  denn  es  ist  identisch: 

V  (p.-  -  «)(g.-  -  P)  _  -, 

wie  aus  den  bekannten  Formeln  für  die  Zerlegung  des  Bruches: 

(g  —  «'lg  —  P) 

(g  —  gj'.g  —  9^K9  —  QaJ 
in  Pai-tialbrüche  hervorgeht. 
Die  Gleichung: 

®((>i7  Qi,  Q-i^  =  Const., 


512     Kap.  10.    Untersuchunfy  oiiiiger  specieller  dreifacher  Ortliogonalsysteme. 

in  der  &  den  durch  die  Gleichung  (20)  gegebenen  Wert  hat,  stellt 
demnach  eine  Schar  von  Parallelflächen  dar.  Wir  wollen  nun  nach- 
weisen, dass  die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche  dieser  Flächen  eben 
die  beiden  Parameterflächen  sind,  die  den  Werten  p  =  «  und  q  =  ß 
entsprechen. 


§  286.     Geodätische  Linien  auf  Mittelpunktsfläclien  zweiten  Grades. 

Da  die  Gleichung: 

z/,0=  1 

für  beliebige  Werte  der  Grössen  a  und  ß  gilt,  so  können  wir  sie  nach 
ß  und  nach  ß  difterenzieren.     So  erhalten  wir: 

wo  V   das  Symbol   für  den  gemischten  DifFerentialparameter  ist   (vgl. 
S.  41,  (16)).     Andrerseits  ist  infolge  der  Identität: 

auch: 

c)  ■  v(tMf)=o. 

Die  drei  Relationen  (a)  und  (b)  besagen  nach  §  275,  dass  die  Flächen- 
scharen: 

(21)  ~  =  Const.,     If  =  Const. 

^      -^  Ca  '       oß 

zusammen  mit  den  Parallelflächen: 

&  =  Const. 
ein    dreifaches   Orthogonalsystem    bilden.     Demnach   sind    die  Flächen 
(21)  die  abwickelbaren  Ortsflächen  der  Normalen  der  Flächen  &  =  Const. 
(§269,  Schlusssatz). 

Wenn  wir  jetzt  nur  noch  beachten,  dass  die  erste  der  Gleichungen 
(21)  diff'erenziert  giebt: 


^V\ 


9i  -    ß 

dQi  =  0, 


(p,-  -  «)/■(?/) 
dass  demnach  daraus,  wenn  q,  gleich  cc  gesetzt  wird, 

cJQi  =  0 
folgt,  so  können  wir  schliessen,  dass  die  abwickelbaren  Flächen: 

7—  =  Const. 

€u 


§  286.    Grcodätische  Linien  auf  Mittelptmktsflächen  zweiten  Grades.      513 

die  Fläche  des  confocalen  Systems  mit  dem  Parameter  a  berühren.  Des- 
gleichen berühren  die  abwickelbaren  Flächen: 

,^-j  =  Const. 

die  Fläche  zweiten  Grades  mit  dem  Parameter  ß.  Also  sind  die  beiden 
Flächen  zweiten  Grades  mit  den  Parametern  a  und  ß  die  beiden 
Mäntel  der  ETolutenflächen  der  Flächen: 

e  =  Const. 
Wir  können  nun   die  Gleichung  der  geodätischen  Linien    auf  der 
Fläche   zweiten   Grades  mit  dem  Parameter  a  leicht  angeben.     Dabei 
wollen  wir,  um  etwas  bestimmtes  vor  Augen  zu   haben,  voraussetzen, 
dass  die  Fläche  etwa  ein  Ellipsoid  sei*).     Setzen  wir  in: 

TT^  =  Const. 
cß 

Qi  gleich  c,  so  erhalten  wir  als  gesuchte  Gleichung: 

Sie  stellt  auf  dem  Ellipsoid  p^  =  a  diejenigen  geodätischen  Linien  dar, 
welche  von  den  gemeinsamen  Tangenten  dieses  Ellipsoids  und  der 
Fläche  zweiten  Grades  mit  dem  Parameter  ß  umhüUt  werden.  Sollen 
diese  geodätischen  Linien  reell  sein,  so  muss  ß  der  Parameter  eines 
ein-  oder  eines  zweischaligen  Hyperboloids  sein.  Wird  im  ersten  Falle 
in  [22)  p,  gleich  ß,  im  zweiten  (j,  gleich  ß  gesetzt,  so  ergiebt  sich 
bezüglich : 

dQi  =  0,      dQs  =  0. 

Demnach   berühren    die   geodätischen   Linien   (22),    die    sich    ergeben, 

wenn  ß  fest  bleibt  und  die   Grosse  rechts   sich  ändert,   ^mmtlich  die 

Krümmungslinie : 

Q,  =  ß     bez.     Qs  =  ß 

des  Ellipsoids.  Lässt  man  dann  in  {22)  auch  noch  die  Grösse  ß  sich 
ändern,  so  ergeben  sich  alle  geodätischen  Linien  auf  dem  Ellipsoid. 

287.     Geodätisclie  Linien  auf  dem  Ellipsoid, 

Indem    wir   die   allgemeinen    Formeln    der   voraufgehenden   Para- 
graphen  auf  den  Fall  des  Ellipsoids  q^  =  0  mit  der  Gleichung: 

-  4-  ^'  +  '''  =  1 


*)  Die  Bestimmung  der  geodätischen  Linien  auf  dem  Ellipsoid  ist  aum  ersten 
^a^e  von  Jacobi  durchgeführt  worden  (CreUes  Journal,  Bd.  19}. 

Bianchi,  Differentialgeometrie,  /  33 


514     Kap.  19.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsj'steme. 

anwenden,  wählen  wir  als  Parameter  u,  v  der  Krümmungslinien  die 
Längen  der  Hauptaxen  der  confocalen  ein-  bez.  zweischaligen  Hyper- 
boloide, die  das  EUipsoid  eben  in  den  Krümmungslinien  schneiden. 
Wir  setzen  also: 

u'  ==  er  +  Q., ,      v'  =  a^  -\-  Q.^ 

sowie  ferner  der  Kürze  halber: 

a^  —  h^  =  Ji^  ^      «2  —  c^  =^  p. 

Die  Parameter  u,  v   variieren,  innerhalb  der  durch  die  Ungleichungen: 

angegebenen  Grenzen.  Das  Quadrat  des  Linienelements  lautet  hier 
(nach  S.  509,  (14)): 


(23)    ds'==(u^~v') 


^^^  +  n.i  _"-„2\  (i-^  _  -,;2V  ^^'^ 


_{u^  ~  h'')  (Ä;^  —  tt^)  ^^     '    {h^  —  v^)  {k^  —  v^) 
und  geht  mittels  der  Substitutionen : 


JY 
I 


V(w*  —  h^)  {k^  —  u^) 


du 


1/    , - :  dv  =  V. 

unmittelbar  in    die  Liouville'sche  Form  (§  88,  S.  172,  (22))  über.     Die 
endliche  Gleichung  (22)  der  geodätischen  Linien  ist  somit: 

(24)  1  y  ^^^-zTcjiu'  -  h^){r^^u')^'^  i 


±/Fi 


dv  =  Const. 


{C  —  v^){h^  —  v^){lc''  —  v^) 

wie  sich  auch  aus  den  Gleichungen  des  soeben  angeführten  Paragra- 
phen ergeben  würde.  Für  den  Bogen  6  der  geodätischen  Linien  (24), 
gerechnet  von  einer  festen  Orthogonaltrajectorie  an,  erhalten  wir  nach 
§  88,  S.  172,  (23),  den  Wert: 

worin    sich    das    Vorzeichen    nach    dem    Vorzeichen    in    (24)    richtet. 
Bedeutet  ferner  ^  den  Winkel,   den   die  geodätischen  Linien  (24)   mit 
den  Krümmungslinien  v  =  Const.  bilden,  so  haben  wir  die  intermediäre 
Integralgleichung  erster  Ordnung: 
(26)  u^  sin'^  ilj  -\-  v^  cos^  t^  =  Const. 

Die  Gleichungen  (25)  und  (26)  sind  übrigens  einfache  Folgerungen 

aus  (24). 

\ 


§  -287.    Geodätische  Linien  auf  dem  Ellipsoid.     §  288.  Satz  von  Joachimsthal.     515 

Die  Gleichung  (26)  gestattet  eine  elegante  geometrische  Deutung, 
die  Ton  Joachimsthal  herrührt.  Wir  wollen  sie  nun  entwickeln, 
wobei  wir  dai-auf  hinweisen,  dass  dieser  Gleichung  nicht  nur  die  geo- 
dätischen Linien,  sondern  auch  die  Krümmungslinien  genügen. 

Wir  bemerken  noch,  dass  wir  bei  den  reellen  geodätischen  Linien 
auf  dem  Ellipsoid  drei  Arten  untei-scheiden  können,  je  nach  dem  Wert 
der  Constanten  in  der  Gleichung  (24).  Damit  eine  solche  geodätische 
Linie  (24)  reell  sei,  muss  diese  Constante  C  in  dem  Intervall: 

liegen.  Wird  nun  C  ein  fester  Wert  zwischen  Ä*^  und  h^  erteilt,  so 
berühren  (S.  513)  sämtliche  geodätische  Linien  die  Krümmungslinie: 

Diese  Krümmungslinie  besteht  aus  zwei  geschlossenen  Teilen,  die  ein- 
ander diametral  gegenüberliegen  und  um  je  zwei  Nabelpunkte  des  Ellip- 
soids  geschlungen  sind,  ähnlich  wie  eine  Ellipse  um  die  beiden  Brenn- 
punkte (vgl.  den  folgenden  Paragraphen).  Die  geodätischen  Linien 
verlaufen  ganz  innerhalb  der  Ellipsoidzone  zwischen  diesen  beiden  ge- 
schlossenen Curven,  welche  sie  beim  Rückgange  auf  die  Zone  berühren, 
auf  der  sie  sich  im  allgemeinen  unzählig  viele  Male  herumwinden,  ohne 
sich  zu  schliessen.  Liegt  die  Constante  C  in  dem  Intervall  zwischen  h^ 
und  Null,  so  tritt  dasselbe  bezüglich  der  Krümmungslinie: 

v'-  =  C 

ein.  Ist  endlich  C  gleich  Ä^,  so  liegt  der  bemerkenswerte  Fall  vor, 
dass  wir  es  mit  geodätischen  Linien  zu  thun  haben,  die  von  einem 
Xabelpuukt  aus-  und  durch  den  diametral  gegenüberliegenden  hindurch- 
gehen. Dieses  erheUt  schon  dai-aus,  dass  die  Fläche  des  confocalen 
Systems,  die  von  den  Tangenten  der  geodätischen  Linien  (24)  für 
C.=  Jr  berührt  wird,  den  Parameter  9  =  —  h-  hat,  sich  also  auf  die 
Focalhyperbel  reduciert,  die  somit  die  genannten  Tangenten  schneiden. 
Die  nändiche  Eicrenschaft  ergiebt  sich  auch  aus  den  folgenden  Erörte- 
ningen. 

§  288.     Satz  von  Joachimsthal. 

Um  den  vorhin  erwähnten  Joachimsthal'schen  Satz  abzuleiten, 
stellen  wir  zunächst  die  folgenden  Betrachtimgen  an:  In  einem  belie- 
bigen Punkte  (x,  y,  z)  des  Ellipsoids  legen  wir  die  Tangentialebene  und 
durch  den  Mittelpunkt  die  dazu  parallele  Ebene;  dann  hat  die  Schnitt- 
ellipse zu  Axen  die  Durchmesser,  die  den  Richtungen  der  von  {x,  y,  z) 
ausgehenden  Krümmungslinien  parallel  sind.     Bedeuten   nämlich  cos  a, 

33* 


516     Kap.  19.    Untersnclmng  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

COS/3,  cosy-  cos cc',   cos/3',  cosy'    die    Kichtungscosinus    dieser   Durch- 
messer, so  haben  wir: 

o  ex     dy      dz  X  y  z 

cos  «  :  cos  ü  :  cosy  =  ^      :  .-^  :  ~, —  =  -^-, —  :  -r^ —  :  — .—  —  > 

OQs       <^(>s        <^?S  «      +    (>S        ft-   +    ?S         C*  +   93 

/■            a'             ,        cx.      cy      dz               X                y                z 
cos  a  :  cos  p  :  cos  y  =  > —  :  tt^  :  t^ —  ==  — ,-  , —  :  -—-- —  : 

Cq^       dQ^       OQ^  «■  +    ?2         Ö"  +    ?2        C     +    Qi 

Hiernach  folgt,  wenn  wir  die  beiden  Gleichungen  (§  283): 

{  OC,^  y^  Z^ 


l  («^  +  9,)(a^  +  ?,)■  +  (fe^  +  p,)(b^  +  p,)  + 


=  0, 


in  denen  q^  gleich  Null  zu  setzen  ist,  von  einander  subtrahieren,  sofort: 
cos  a  cosa'     1^  cos  ß  cos  ß'     ^^  cosy  cosy'         ^ 

Diese   Gleichung  besagt,    dass    die  beiden    in   Rede    stehenden   Durch- 
messer einander  conjugiert  sind,   und   da  sie   auch   auf  einander  senk- 
recht stehen,  so  fallen  sie  eben  mit  den  Axen  des  Centralschnittes  zu 
sammen. 

Bedeuten  nun  weiter  B^  und  B^  die  Längen  der  Halbaxen,  die 
den  Tangenten  der  Curven  u  =  Const.  bez.  v  =  Const.  parallel  sind, 
so  haben  wir  nach  bekannten  Formeln  der  analytischen  Geometrie: 

1  cos*  a      1^   C0S-/3      ^^    cos'^y 

R^^  ^  ^~~a^        '         P        f"       c*      ' 

1  cos^ß:'  ^.     cos^ß'  j^    cos^y' 

oder  wegen  der  Gleichungen  weiter  oben: 


i?/  «2         ,         y^ ,         z^ 

r  7T?i~\     TTi  ~\  ' 


1 


nebst   einem    analogen  Ausdruck  für  ■^.     Nun   folgt   aus   der   ersten 
der  Gleichungen  (a)  : 


y 


_i y I t ^  =  0 


«'(«*  + es)  ^   ^''(fc'  +  es)    '    c\c'  +  9,) 
also  ist : 

a;*  v*  "^^ 

(aH=^?  +  W'-Tö^'  "^  (c'  +  es)"'  ^ 

a\a^-]-9,Y  "^  ^(^^  +  es)'  "^  ^V+~ejJ ' 


§  288.    Satz  Ton  Joachimsthal.  517 

Folglich  ist: 

i?^-  =  —  Q^,     analog     BJ  =  —  9,, 
d.  h.: 

(27)  i?i-  =  a^  —  y-,  B^^  =  er  —  h\ 

Diese  Gleichungen  zeigen  uns,  dass  R^  die  Länge  der  grossen  und  B^ 

die  der  kleinen  Halbaxe  ist. 

Im  Centralschnitt  ziehen  wir  nun  den  Halbmesser  parallel  der- 
jenigen Taugente  im  Punkte  (x,  y,  z)  des  EUipsoids,  welche  mit  den 
Curven  ü  =  Cönst.  den  Winkel  ^  bildet,  und  bezeichnen  mit  B  seine 
Länge;  dann  haben  wir  bekanntlich: 

1  cos'  i/»      ^^     sin*  ip 

Bedeutet  femer  ö  die  Entfernung  des  Mittelpunkts  von  der  Tangen- 
tialebene im  Pimkte  (x,  y,  z),  so  ist: 

1  _  ^  _L  y*  _L  -^^ 

d.  h.  wegen  der  Gleichungen  (13)  und  (13*),  S.  508,  in  denen  g^ 
gleich  Null  zu  setzen  ist: 

1    ,,a*  —  u^{a'  —  i-*)  ^x 

Daraus  folgern  wir: 

(27*)  .,^,  =  er  —  («*sin^^'  +  v^  cos^^). 

Wenn  wir  dieses  mit  (26),  der  intermediären  Integralgleichung  der  geo- 
dätischen Linien,  vergleichen,  so  erhalten  wir  den  Joachimsthal'schen 
Satz: 

Bei  jeder  geodätischen  Linie  auf  einem  Ellipsoid  ist  das 
Product  aus  der  Entfernung  des  Mittelpunktes  von  der  Tan- 
gentialebene, die  in  einem  Punkte  der  geodätischen  Linie 
gelegt  wird,   und  der  Länge  des  Durchmessers,  welcher   der 


•)  An  diese  Gleichung  kann  die  folgende  Bemerkung  geknüpft  werden:   Das 
Krümmungsmass  in  einem  Punkte  des  EUipsoids  ist  gegeben  durch: 

(o«  — tt»)«(a  -  t?»)»' 
daraus  folgt: 

Also:  Die  Ortscurven  der  Punkte  constanten  Krümmnngsmasses  auf 
dem  Ellipsoid  sind  diejenigen  Curven,  welche  von  den  gemein- 
samen Tangentialebenen  des  EUipsoids  und  der  concentrischen  Ku- 
geln umhüllt  werden. 


518     Kap.  19.     Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

Tangente  der  geodätischen  Linie  in  demselben  Punkte  paral- 
lel ist,  constant. 

Nach  dem  in  §  287  Gesagten  kommt  dieselbe  Eigenschaft  ausser 
den  geodätischen  auch  den  Krümmungslinien  zu.  Daraus  folgt  wieder, 
dass  für  die  geodätischen  Linien,  die  ein  und  dieselbe  Krümmungs- 
linie berühren,  die  Constante  dB  oder  auch  die  Constante  C  in  der 
Gleichung  (24)  ein  und  denselben  Wert  hat. 


§  289.     Geodätische  Linien  durch,  die  Nabelpunkte. 

Wir  betrachten  nun  die  vier  reellen  Nabelpunkte  des  Ellipsoids'. 
Sie  liegen  auf  der  Hauptellipse,  die  die  grösste  und  die  kleinste  Axe 
des  Ellipsoids  zu  Axen  hat,  und  ihre  Coordinaten  sind: 

ah 


=  ±-F^    y  =  o, 


^.yk' 


Die  Tangentialebene  in  jedem  Nabelpunkt  ist  vom  Mittelpunkt  um  die 

Strecke   d  =  -,-  entfernt,  und  jeder  Halbmesser  des  durch  eine  zu  ihr 

parallele  Ebene  erzeugten  Centralschnitts  ist  gleich  h.     Also: 

Bei  jeder  geodätischen  Linie,  die  von  einem  Nabelpunkt 
ausgeht,  hat  das  Product  ^jR  den  constanten  Wert  ac.  Der 
entsprechende  Wert  der  Constanten  auf  der  rechten  Seite  von  (24)  ist 
somit  nach  (27*)  gleich  7i^,  wie  wir  bereits  in  §  287  bemerkt  haben. 
Aus  dieser  Thatsache  ergeben  sich  bemerkenswerte  Folgerungen, 
die  zuerst  von  Roberts  gezogen  worden  sind.     Wir  betrachten  einen 

Ellipsoidpunkt  M  und 
verbinden  ihn  mit  zwei 
nicht  diametral  einander 
gegenüberliegenden  Na- 
belpunkten F  und  F^ 
durch  geodätische  Bogen 
MF  nnd MF^.  Die  Con- 
stante dB  hat  für  beide 
geodätische  Linien  den- 
selben Wert;  da  in  M 
auch  d  gemeinsam  ist,  so 
müssen  die  beiden  Durchmesser,  die  den  Tangenten  der  beiden  geodätischen 
Linien  in  M  parallel  gezogen  werden,  gleiche  Länge  haben.  Sie  bilden 
folglich  mit  den   Axen   des   Centralschnitts    gleiche  Winkel.     Da   nun 


Fig.  17. 


§  290.  Einföhrnng  elliptischer  Functionen.  510 

diese  Axen  den  Richtungen  der  Krümmungslinien  parallel  sind,  so 
folgt  hieraus: 

Die  Richtungen  der  Krümmungslinien  in  M  halbieren 
die   Winkel  zwischen  den  geodätischen  Bogen   JIF  und  MF^. 

Daraus  folgt  weiter,  dass  der  geodätische  Bogen  MF^,  der  M 
mit  dem  F  diametral  gegenüberliegenden  Nabelpunkt  F'  verbindet,  die 
Verlängerung  des  geodätischen  Bogens  FM  ist.     Also: 

Jede  von  einem  Nabelpunkt  ausgehende  geodätische 
Linie  geht  durch  den  diametral  gegenüberliegenden  Nabel- 
punkt. Wie  zwei  einander  diametral  gegenüberliegende  Punkte  auf 
der  Kugel ,  ebenso  können  auch  zwei  solche  Xabelpunkte  auf  dem 
EUipsoid  durch  imzählig  viele  geodätische  Bogen  verbunden  werden, 
die  alle  von  gleicher  Länge  sein  müssen,  da  ja  schon  infolge  der 
Definition  der  geodätischen  Linie  beim  Übergange  von  einer  dieser 
Linien  zur  unendlich  nahe  benachbarten  die  erste  Variation  der  Länge 
verschwindet. 

Schon  aus  diesen  Sätzen  folgt,  dass  die  Krümmungslinien  auf  dem 
EUipsoid  geodätische  EUipsen  und  Hvperbelu  sind,  deren  Brennpunkt€ 
die  Nabelpunkte  des  EUipsoids  sind.  Doch  wird  dieses  noch  klarer 
aus  den  folgenden  Paragraphen  hei-vorgehen. 

§  290.     Einführung  elliptischer  Functionen. 

Die  endliche  Gleichung  (24)  der  geodätischen  Linien  und  die  end- 
liche Gleichung  (25),  die  ihren  Bogen  giebt,  gehen  für  den  FaU,  dass 
die  geodätischen  Linien  von  den  Nabelpunkten  ausgehen  (also  C  gleich 
h^  ist),  bezüglich  über  in: 

(28)  /yp3iÄ=+j"if^:F^.=c-t- 

(29)         « =fV?^' ''« ±  j'lf^i  '''■■ 

Die  Quadraturen  in  den  allgemeinen  Gleichungen  (24)  und  (25)  führen 
offenbar  auf  hypereUiptische  Integrale,  die  jetzt  vorliegenden  dagegen 
auf  elliptische.  Um  sie  auszuführen,  setzen  wir  der  Einfachheit  halber 
die  grösste  Halbaxe  des  EUipsoids  gleich  der  Längeneinheit  (a  =  1) 
und  können  dann  die  Grösse  /.•  =  ]/l  —  c^  <  1  als  Modul  einer  Klasse 
Jacobischer  elliptischer  Functionen  wählen,  für  welche  die  Grössen  K 
und  K'  reell  sind.  Statt  der  Parameter  u  und  ü  führen  wir  neue,  r 
und  Tj,  ein  mittels  der  Gleichungen: 

u  =  A"  sn  r ,      v  =  Je  sn  r, . 


520     Kap.  19.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

Da  h  kleiner  als  h  ist,  setzen  wir  noch: 

Ji  =  lisna, 
wo  a  eine  reelle  Grösse-  zwischen  Null  und  K  ist.    Demnach  haben  wir: 

a=\^     1)  =  Ana,     c  =  V,     Ä  =  Ä; sn  o;. 
Es   ergeben   somit  die    Gleichungen  (12),   S.  508,    für  die  Coordinaten 
der  Ellipsoidpunkte  die  Werte: 

(30)       -=-^,     2'  =  -S^.  l/(^'^^^^^ «T(sn^ a  ~  sn^ .J , 

7 ,  cn  T  cn  r. 


worin  wir  bei  Wahl  des  positiven  Vorzeichens  der  Quadratwurzel  und 
in  Anbetracht  des  Umstandes,  dass 

d.  k  -      ;  _       -     , 

1  ^  sn^  tr  ^  sn^  a ,        sn^  a  ^  sn^  tr^  ^  0 

bleiben  muss,  r  und  t^  in  den  Intervallen: 

a^T  ^2K  —  «,       —  «^^i^a 

variieren  lassen   müssen.     Die  Gleichungen  (30)   geben    uns   dann    die 

Punkte  des  Halbellipsoids    y>0,  und  die  vier  Nabelpunkte: 

F=(      sna,    0,    Vena),  jP'eee(— sna,    0,    -Jc'cna), 

F^=(—sna,    0,    k'cna),  i^i  =  (      sna,    0,    —h'cna), 

haben  die  krummlinigen  Coordinaten  r  und  r^: 

F:    cc,  a-        F' :    2K—a,  —  a-,        F^:    a,  —  a-,        F,':   2K—a,  a. 

Die  Gleichung  (28)  der  geodätischen  Linien  wird: 

J   sn^/-In^a  ^^  +  J    sn'^a-sn^r,  ^^i  =  ^^"^*- 
Ihr  Bogen  ist  gegeben  durch: 

6  =  1  du"  t  dt  -J2  f  dn^ T^  dt^. 

Nehmen  wir  einen  Punkt  M  auf  dem  Halbellipsoid  ?/  >  0  an  und  be- 
nutzen wir  die  Gleichungen  für  den  geodätischen  Bogen  FM,  wobei 
wir  berücksichtigen,  dass  t^  abnimmt,  wenn  t  wächst,  so  sehen  wir, 
dass  wir  die  unteren  Vorzeichen  wählen  müssen.     Es  ist  daher 

6  ==      dn^  rdt —  j  dn^  r^^  dt^ 

a  a 

die  Länge  des  geodätischen  Bogens  FM,  gerechnet  von  F  an,  d.  h.: 
(31)  a=^(r~r,)  +  Z{r)-Z(r,), 


§  290.    EinfQhnuig  elliptischer  Functionen.  521 

wo  Z(t)  die  bekannte  Jacobi'sche  Function  und  E  die  Länge  eines 
Quadranten  der  Hauptellipse  in  der  a:^- Ebene  ist. 

Für  den  geodätischen   Bogen  F^M  dagegen   gelten  die  entgegen- 
gesetzten Vorzeichen.     Also  ist  seine  Länge  gegeben  durch: 

(31  *)  <?!  =  I  (^  +  r,)  +  Z(r)  +  Z(rJ . 

Setzen  wir  in  (31) 

r  =  2Ä'— a,      Tj  =  —  a 
oder  in  (31*) 

r  =  2K —  a,      r^  =  a, 

so  erhellt,  dass  alle  geodätischen  Bogen  FF'  oder  F^F^  dieselbe 
Länge  2E  haben.     Durch  Addition  und  Subtraction  folgt  weiter: 

6,-^6  =  ^-§t  +2Z(r), 

6,  -6  =  ^  T,-\-2Z(r,). 

Die  Krümmungslinien  r  =  Const.,  r^  =  Const.  sind  also  geodätische 
EUipsen  bez.  Hyperbeln  mit  den  Brennpunkten  F  und  F^.  Wird  aber 
einer  der  Brennpunkte  durch  den  diametral  entgegengesetzten,  z.  B.  F^ 
durch  F^'j  ersetzt,  so  werden  die  Curven  Tj  =  Const.  geodätische  Ellip- 
sen und  die  Curven  r  ==  Const.  geodätische  Hyperbeln  mit  den  Brenn- 
punkten F  und  Fy'.  Jede  Krünunungslinie  auf  einem  EUipsoid  kann 
daher  in  der  Weise  beschrieben  werden,  dass  mau  die  beiden  Enden 
eines  Fadens  von  constanter  Länge  in  zwei  nicht  diametral  gegenüber- 
liegenden Brennpunkten  befestigt  und  ihn  mittels  eines  Stiftes  in  M 
auf  dem  EUipsoid  straff  zieht;  dann  beschreibt  die  Spitze  M  des  Stiftes 
eine  Krümmungslinie. 

§  291.    Linienelement  auf  dem  EUipsoid. 

Wir  woUen  nun  den  Ausdruck  für  das  Linienelement  des  EUip- 
soids  suchen,  wenn  die  von  einem  Xabelpunkt  ausgehenden  geodäti- 
schen Linien  und  ihre  orthogonalen  Trajectorien  zu  Grunde  gelegt 
werden.  Wählen  wir  z.  B.  die  vom  Xabelpmikt  F  ausgehenden  geo- 
dätischen Linien  und  gehen  wir  auf  die  Gleichungen  (28)  und  (29) 
zuTück,  wobei  wir  setzen: 

(29*)   j"i'1^:<"'    -j'vp^.dc^o, 


522     Kap.  19.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 


SO  sind  die  Ciirven  O  =  Const.   die  geodätischen  Linien   und  die  Cur- 
ven   0  =  Const.    ihre   orthogonalen   Trajectorien.     Nun  ist  nach  S.  67, 


(14),  (15),  (16),  und  S.  514,  (23): 


z/i(j=l,     V(0,  (j)  =  0 


Demnach  nimmt  das  Quadrat  des  Linienelements  des  EUipsoids  in  den 
Coordinaten  0,   0  die  Form  an  (§  36,  S.  68  und  69  oben) : 
(82)  ds'  =  ^(?2  -f  (u^  —  h')(k''  —  vyw\ 

Die  Grösse  auf  der  rechten  Seite  in  der  Gleichung  (28*)  der 
von  F  ausgehenden  geodätischen  Linien  hängt  lediglich  von  der  Rich- 
tung der  geodätischen  Linie  in  F  ab.  Bezeichnen  wir  mit  a  den 
Winkel,  den  der  geodätische  Bogen  zwischen  F  und  M  mit  der  Rich- 
tung FF^  der  Hauptellipse  y  =  0  bildet,  so  ist  ^  eine  Function  von 
C3,  für  die  der  wirkliche  Ausdruck  gesucht  werden  muss.  Hierzu  be- 
stimmen wir  die  additive  Constante  von  Q  in  der  Weise,  dass  wir  setzen: 


V 

J     V  k''  —  V^ 


dv 


^  ^  '        J     y  k^  --  u^  u^  —  h^       J     r   k''  —  v^  v^  —  h' 

k  0 

Verbinden  wir  nun  M  mit  F^  und  bezeichnen  wir  mit  cp  den  Aussen- 
winkel  F^MF'  des  geodätischen  Dreiecks  MFF^  bei  M,  so  ist  co  ojffen- 
bar  der  Grenzwert  von  9),  der  hervorgeht,  wenn  sich  M  bei  der  Ver- 
rückung auf  dem  betrachteten  geodätischen  Bogen  MF  dem  Punkte  F 
ohne  Ende  nähert. 


Fcct,  a) 


FhK-urcc) 


F!(2K-<x,cc) 


Fig.   IS. 


Nun  halbiert  nach  S.  519  die  von  M  ausgehende  Krümmungslinie 
V  =  Const.  den  Winkel  F^MF  und  bildet  mit  dem  geodätischen  Bogen 
FM  den  Winkel  z/',  der  durch  die  Gleichung  (26)  bestimmt  wird,  in 
der  C  gleich  h^  ist.     Folglich  ist 

(p  =  jt  —  2t, 

also: 


§  291.    Linienelement  auf  dem  EUipsoitl.  523 

tg    Z  =  cot-  ib  =  Y^ i 

und  somit: 

(34)  tg^-=     Lm    ^j^,^ZT^=     ^^      ^^— ^. 

tt=A,  r  =  A  u=h,  r=A 

Seh  reiben  wir  nun  die  Gleichung  (33)  wie  folgt: 

0 

*  0 

so  sehen  wir,  dass,  wenn  sich  u  und  v  dem  Wert  /<  nähern,  die 
Differenz  der  beiden  ersten  Integrale  gegen  einen  bestimmten  und  end- 
lichen Grenzwert  convergiert,  der  nur  von  den  Constanten  er,  li,  h  ab- 
hänsrt,  während  der  zweit«  Teil  von  4>  in  der  Form: 

2h   \    k-  -  h-  L  ^^(Ä  -  c) (H  +  Ä)  ^  A-  4-  äJ 

geschrieben  werden  kann  imd  in  der  Grenze  für  u  =  h,  v  =  h  infolge 
von  (34)  gegen 

conversriert.     Es  ist  also: 


O 


=  l>13l«g*^2    +^' 


WO  A  eine  Constante  ist.  Wird  mm  in  der  Gleichung  (32)  cj  statt  O 
als  Parameter  eingeführt,  so  geht  sie  über  in: 

ds'=  dö-  +  ^ K^r^r^Ti^^r^ f^«- 

oder: 

(35)  rfs-' 

worin  y  nach  §  283,  (12),  S.  508,  die  Entfernung  des  Punktes  JI  von 
der  ic^- Ebene,  in  der  die  Xabelpunkte  liegen,  bedeutet.  Dieses  ist  die 
bemerkenswerte  Gleichung,  die  von  Roberts  herrührt. 


h*-{k''  - 

-h^ 

sin-  (0 

=  d6^--{- 

d(o^, 

524     Kap.  19.    Untersuchung  einiger  specieller  dreifacher  Orthogonalsysteme. 

§  292.     Verlauf  der  geodätischen  Linien. 

Verbinden  wir  denselben  Punkt  M  mit  dem  Nabelpunkt  F^  und 
bezeichnen  wir  mit  6^  den  geodätischen  Bogen  MF^,  mit  «j  den 
Winkel  MF,F  (siehe  Fig.  18,  S.  522),  so  haben  wir  eben  gemäss 
obiger  Gleichung: 

Daraus  folgt: 

(d6  -  dö,)  (dö  +  da,)  =  f  (4^  -  4^)  (i^i-  +  4^) . 

^  ^  ^^         "^    Vsin  «i  sm  CO/  Vsin  Wj     '     sm  co/ 

Längs  der  Krümmungslinien: 

u  =  Const.,      V  ==  Const. 

ist  bezüglich  (vgl.  §290,  S.  521): 

da  -\-  da^  =  0,      da  —  da^  =  0, 
folglich: 

tg|- 
tg  ^  tg  "''  =  Const.,  bez. =  Const.  *). 

^  ^  '  CO,  ^ 

tsr 

'^    2 

Verlängern  wir  nun  den  geodätischen  Bogen  FM,  bis  er  durch  den 
gegenüberliegenden  Nabelpunkt  geht,  und  ist  w'  der  Winkel,  den  der 
geodätische  Bogen  F' 31  zwischen  F'  und  M  mit  dem  Bogen  F'F^' 
der  Hauptellipse  bildet,  während  a'  die  Länge  des  Bogens  F'3I  be- 
zeichnet (siehe  Fig.  18),  so  haben  wir  wegen  (35): 

d^'  +  --^^-  d(o''  =  da"'  4-  J'^,  d(o'\ 
'     sm^o)  '    sin*  CO 

Da  ja 

da''  =  da' 
ist,  folgt  also: 

dm^    da'^ 

sin*  CO         sin*o)' 

Mit  Rücksicht  darauf,  dass  oj'  mit  wachsendem  a  abnimmt,  ergiebt 
sich  hieraus: 

d(o    j^    d(o'  „ 

sin  CO     '^  sin  co'  ' 

somit: 

%  Y  ^S  Y  =  Const. 

Der  Wert   der  Constanten   rechts  lässt  sich  leicht  durch    den  Winkel 


*)  Von  der  Richtigkeit  dieser  Zusammengehörigkeit  überzeugen  wir  uns  leicht, 
wenn  wir  berücksichtigen,  dass  längs  der  (Krümmungs-)Ellipse  z  =  0  co  mit  abneh- 
mendem »i  wächst,  dagegen  längs  der  Ellipse  x  ==  0  co  und  co^  gleichzeitig 
wachsen  oder  abnehmen. 


§  292.    Verlauf  der  geodätischen  Linien.  525 

H  ausdrücken,  der  zu  dem  geodätischen  Bogen  gehört,  der  F  mit  dem 
Endpunkt  der  mittleren  Axe  verbindet.    Es  ist  nämlich  in  diesem  Falle: 

to  =  cj'=  ß, 
daher: 

(36)  tg  I- (g  1-' =  tg^  f 

Im  Anschluss  an  diese  Gleichung  können  wir  leicht  den  weiteren  Verlauf 
der  geodätischen  Linien  verfolgen.  Der  geodätische  Bogen  FMF' 
durchdringt  in  F'  die  a;^- Ebene,  setzt  sich  in  einen  neuen  Bogen 
F'NF  auf  dem  anderen  Halbellipsoid  y  <  0  fort  uud  kehrt  so  nach  F 
zurück.  Hier  schliesst  er  sich  jedoch  nicht,  wie  im  Falle  der  Kugel; 
er  bildet  vielmehr,  indem  er  von  neuem  von  F  ausgeht,  mit  dem 
Bogen  FF^  einen  neuen  Winkel  (o<^>,  der  von  cd  vei-schieden  ist.  Wenn 
wir  nämlich  auf  den  neuen  Bogen  F'NF  die  Gleichung  (36)  anwenden 
und  dabei  berücksichtigen,  dass  die  neuen  Werte  von  a  und  to'  bez. 
;r  —  a'^^  und  :i  —  w'  sind,  so  erhalten  wir: 

.  a.<*)       .0)'  ,    ,  a 

cot  — cot-=tg-^ 

Aus  der  Verbindung  dieser  Gleichung  mit  (36)  ergiebt  sich: 

Da  der  Winkel  il  spitz,  demnach  A  >  1  ist,  so  folgt  daraus: 

iD<i)>a. 
Bedeutet  allgemein  cj(">  den  Wert  von  cj  nach  n  Umläufen  der  geodä- 
tischen Linie  auf  dem  Ellipsoid,  so  haben  wir: 

Es  nähert  sich  also  der  Winkel  a^"^  mit  wachsendem  n  immer  mehr 
einem  gestreckten,  und  die  geodätische  Linie  schmiegt  sich  immer 
inniger  der  HaupteUipse  an,  die  durch  die  Xabelpunkte  geht. 


Kapitel  XX. 
Dreifache  pseudospliärisclie  Orthogonal  Systeme. 

Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linienelements  des  Raumes  unter  Zugrundelegung 
eines  dreifachen  pseudosphärisclien  Orthogonalsystems.  —  Entsprechen  der  Haupt- 
tangentencurven.  —  Beispiele.  —  Die  Bäcklund'sche  Transformation  der  pseudo- 
sphärischen Flächen.  —  Vertauschbarkeitssatz  und  Folgerungen  daraus.  —  Wein- . 
garten'sche  Systeme  (pseudosphärische  Systeme  mit  constantem  Krümmungsmass). 
—  Die  Äquidistanzcurven  sind  parallele  geodätische  Kreise.  —  Weingarten'sche 
Systeme  mit  constanter  Flexion.  —  Cykelsysteme.  —  Dreifaches  System  von 
Schraubenfiächen.  —  Invarianz   des   Ausdrucks: 

1        /    c^m    Y  1       /     b^m    \2       /ga)\2 

cos^ü)  WQi  dqj       sin^ü)  \'CQ^  CqJ        \d qJ 

bei   einer    Bäcklund'schen    Transformation.    —    Complementärtransformation    der 

AVeingarten'schen  Systeme.  —  Allgemeiner  Satz   von   der  Existenz    der  Weingar- 

ten'sclien  Systeme.  —  Pseudosphärische  Systeme  vom  Radius  Eins,  die  eine  Kugel 

vom  Radius  Eins   enthalten.  —   Weingarten'sche   Systeme  mit  positivem 

Krümmungsmass. 


§  293.    Linien element   des  Raumes  unter  Zugrundelegung   eines 
dreifachen   pseudosphärisehen  Orthogonalsystems. 

Die  Ribaucour'schen  Cykelsysteme  mit  constantem  Radius  (vgl. 
S.  351  und  457)  liefern  uns  bereits  ein  Beispiel  von  dreifachen  Ortho- 
gonalsystemen, in  denen  die  Flächen  eines  der  drei  Systeme  constantes 
Krümmungsmass  haben.  In  diesem  Kapitel  wollen  wir  nun  allgemein 
diejenigen  dreifachen  Orthogonalsysteme  untersuchen,  welche  eine  Schar 
von  Flächen  constanten  Krümmungsmasses  enthalten.  Dabei  wollen 
wir  vor  allem  den  Fall  in  Betracht  ziehen,  in  dem  diese  Flächen  pseu- 
dosphärische Flächen  von  constantem  oder  veränderlichem  Radius  sind, 
da  uns  eben  nur  in  diesem  Falle  in  der  Bäcklund'schen  Transformation 
ein  geometrisches  Verfahren  zu  Gebote  steht,  mittels  dessen  wir  eine 
unbegrenzte  Anzahl  solcher  Systeme  finden  können. 

Wir  schliessen  von  vornherein  den  Fall  aus,  in  dem  die  Flächen 
constanten    Krümmungsmasses    in    dem    dreifachen    System    Rotations- 


§  293.  Linienel.  d.  Raumes  unt.  Zug^rundeleg.  e.  dreifach,  pseudosph.  Orth.-Syst.    527 

flachen  sind.  Dieser  Fall  ist  nämlich  wohlbekannt  (§  277),  auch  wür- 
den für  die  zugehörigen  dreifachen  Orthogonalsysteme  die  Gleichungen, 
die  wir  nun  ableiten  wollen,  allgemein  nicht  gelten. 

Wir  setzen  voraus,  es  seien  in  dem  dreifachen  Orthogonalsystem, 
das  durch  den  Ausdruck  für  das  Quadrat  des  Linienelements: 

definiert  ist,  die  Flächen  q.^  =  Const.  pseudosphärische  Flächen,   deren 
Radius  i?  nur  von  q.^  abhänge.     Aus  den  Gleichungen  (S.  489j: 
J_  _      1      cH,       J_  _      1^  cH^ 

und  aus  der  Annahme: 

11    1 

»■31        's-  ^' 

folgt,  dass  wir  setzen  können: 

1       cH, tgw 


1  ffi,  COtfil 


(1) 

worin  der  Winkel  2  a  die  Neigung  der  beiden  Haupttangentencurven, 
die  von  einem  Punkte  der  betreffenden  pseudosphärischen  Fläche 
(»3  =  Const.    ausgehen ,    gegen     einander    angiebt.      Durch    Einsetzen 

r  ff  r  f1 

der  Werte   für  -^ — -  und   - — -,    die  sich  aus  den   obigen    Gleichuncren 

ergeben,  in  den  ersten  beiden  Lame'schen  Gleichungen  der  Gruppe  (A), 
S.  485,  folgt: 

1     r  flj  sin  ta   cca  1     ic  S*    '      cos  a  cca 

H^   c  Q»  cos  <a  r  9,         i/j   c  Pi  sin  cu  r  p, 

und  hieraus  durch  Integration: 

(2)  H^  =  cos  o  ■  ^(pi,  ps),      H^  =  sin  0)  .  (p{Q,_,  p^), 
wo  ^  nur  von  p,  und  q^,  tp  nur  von  q^  und  q.^  abhängt. 

Wir  wollen  nun  beweisen,  was  für  unsere  Untei-suchung  wesent- 
lich ist,  dass  9  und  ^  von  q^  unabhängig  sind,  d.  h.,  dass 

(3)  1^  =  0,     i^  =  0 

ist.     Zu  diesem  Zwecke  leiten  wir  aus  (1)  und  (2)  ab: 

=  ietga.(eot«.^  +  t^). 
Daraus  folgt: 

,  r  log  qp     ,  ,         f  log  V  rk 

tg  cj  — =-^-^  +  cot  ö      -  ^     =  0. 

°  tPs         '  Cp, 


528  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärisclie  Orthogonalsysteme. 

Beständen  nun  die  Gleichungen  (o)  nicht,  so  würde  sich  hieraus  ergeben: 

wo  31  von  ^2  und  N  von  pj  unabhängig  wäre.  Betrachten  wir  nun 
eine  specielle  pseudosphärische  Fläche  ^3  =  c  und  ersetzen  wir  die 
Parameter  q^  ,  q.^  bezüglich  durch : 

so  erhalten  wir  für  das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche  ^3  =  6 
wegen  der  Gleichungen  (2)  den  Ausdruck: 

(5)  (?s^  =  cos^wc?^/^ -f- sin^or^^)/^. 
Darin  ist  wegen  (4) 

(6)  *«"  =  flg' 

WO  U  nur  von  q^  und  V  nur  von  q,^  abhängt.  Da  aber  (5)  das 
Quadrat  des  Linienelements  einer  pseudosphärischen  Fläche  vom  Radius 
H  ist,  so  muss  ra,  wie  sich  analog  wie  in  §  264  für  die  Flächen  mit 
positivem  constantem  Krümmungsmass  nachweisen  lässt,  der  partiellen 
Differentialgleichung : 

/r>i^\  (■'^(^  C'^'^  sin  CO  COS  (B 

genügen.  Wegen  der  Gleichung  (6)  ist  dieses  nur  dann  möglich, 
wenn  sich  U  oder  V  auf  eine  Constante  reduciert.  In  diesem  Falle 
wären  aber  die  Flächen  ^3  =  c  Rotationsflächen,  was  der  Voraussetzung 
widerspricht  *). 

*)  Aus  den  Gleichungen  (6)  und  (6*)  würde  sich  nämlich  ergeben: 

(a)  [jj-  +  -^j  (TP  +  V^)  =  ™-J^  +  2f7'^  +  2V'\ 

wobei  die  Striche  Differentiationen  andeuten. 

Wird  diese  Gleichung  nach  q^\  die  dann  entstehende  nach  q^'  differenziert, 
80  kommt: 


also: 


(-)Vr+(r:)v...o, 

(^  Y  =kUU' ,       (^^)  =  —  kVV'        (Ä  =  Const.). 


Durch  Integration  folgt: 

2U''-=^'^^-  4-  2C'[/2  +  C,  ,       27'^  =  -^  4-  2C'r^  +  C/ , 


§  294.    Fortsetzung. 


529 


Es  gelten  somit  die  Gleichungen  (3\  and  wenn  wir  die  Parameter 
Q^,  pg   durch  j\'dQ^   bez.  J  cpdQ^    ersetzen,    so    erhalten    wir  aus  (2) 
und  (3*): 
(7)  Hl  =  cos  CO ,     H^  =  sina,     H^  =  B  - — 


§  294.    Fortsetzung. 

Durch  diese  Werte  für  H^,  H^,  Ä.  werden  die  ersten  beiden 
Lame'schen  Gleichungen  (A),  S.  485,  identisch  erfüllt:  die  vier  übrigen 
gehen  in  die  folgenden  über: 


(8) 


cot      c  00 


C(o      c  oa 


- — ^ — ;. —  =  cot  a  -. —  ^ — F tg  o  - —  - — ? — 


C-Oä 


sm  CO  cos  Q) 


f     /     1  C^CO     \   i        C     /C0Sü>\ 

eil         c*a)    \  1     c    /smü)\  1       C(o      c^ 

c  Qi  \cos  ca  c  Qi  c  Q^/  IicQ,\    B   /     '    sinosfpjCß, 


cos  CO  CQi   CQi  CQs 
CO 


CQs 


von  denen  die  dritte  als  einfache  Folge  der  zweiten  und  rierten  weg- 
gelassen werden  kann.  Die  erste  kann  übrigens  zweckmässig  in  einer 
der  beiden  nachstehenden  Formen  geschrieben  werden: 


cm      C  CO 


cos  CO  CQ,  CQi  CQ^ 

1      dco      c'co 
sin  CO  CQi  CQiCQs 


yCQi  VcOS  CO  CQiC  Pj/ 

Wir  haben  somit  das  Ergebnis: 

Das  Quadrat  des  Linienelements  des  Raumes  lässt  sich 
bei  Zugrundelegung  eines  dreifachen  pseudosphärischen  Or- 
thogonalsystems (fii,  9j,  P3)  in  die  Form: 


(9) 


ds-  =  cos^adQi^  +  sin^adQf  +  ^'  y^)  f^Qs' 


bringen,  wo  B,  nur  von  q.^  abhängt  und  der  Radius  der  pseu- 
dosphärischen Flächen  q^  =  Const.  ist  und  die  Function 
(o{qi,  Q2,  Q-^)  dem  Gleichungssystem  (8)  genügt. 

Umgekehrt   gehört    zu    jeder   Lösung    k)(?i,  q^,  q^)    dieses 


wo  C,  C,  Cj,  Cj'  neue  Constanten  sind.     Somit  geht  (a)  über  in: 

{c'-c-  ^,)  r^  ^{c-c-  ^,)  F«  =  c,  +  c,' , 

und  diese  Gleichung  kann  nur  dann  erfüllt  sein,   wenn  U  oder  V  constant  ist, 
wie  zu  beweisen  war. 

Bianchi,  DiSere&üalgeometrie.  34 


530  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

Systems  ein  dreifaches  pseudosphärisches  0  rthogonalsystem^ 
in  dem  das  Quadrat  des  Linienelements  des  Raumes  die  Form 
(9)  annimmt. 

Wir  werden  später  sehen,  dass  es  unzählig  viele  Lösungen  des 
Systems  (8)  giebt,  die  von  fünf  willkürlichen  Functionen  abhängen, 
und  werden  den  Weg  angeben,  auf  dem  sich  beliebig  viele  wirklich 
finden  lassen.  Indem  wir  für  jetzt  diese  Orthogonalsysteme  als  that- 
sächlich  vorhanden  annehmen,  wollen  wir  sogleich  auf  eine  wichtige 
Eigenschaft  derselben  hinweisen.  Es  sind  nämlich  die  Gleichungen  der 
Haupttangentencurven  auf  allen  pseudosphärischen  Flächen  q.^  =  Const. 
die  folgenden: 

Qi  —  9-2  ^^  Const.,      ?i  +  ^2  "^^  Const., 
und  wenn 

Pi— ?2  =  2«,      ^1  +  ^2  =  2/3 

gesetzt  wird,  so  geht  (9)  über  in: 

(9*)  ds^  =  da^  +  2cos2a3  dadß  +  dß'  +  I^(p^dQ^. 

Fassen  wir  also  als  entsprechende  Punkte  auf  zwei  pseudosphärischen 
Flächen  des  Systems  q^  ihre  beiden  Schnittpunkte  mit  einer  Para- 
meterlinie pg  auf,  so  haben  wir  das  Ergebnis: 

Auf  zwei  pseudosphärischen  Flächen  des  Systems  ent- 
sprechen einander  ausser  den  Krümmungslinien  auch  die 
Haupttangentencurven,  und  die  entsprechenden  Bogen  sind 
gleich  lang*). 

Daraus  folgt,  dass  auf  den  Ortsflächen  der  entsprechenden  Haupt- 
tangentencurven diese  Linien  geodätische  Linien  sind.  Dieses  ergiebt 
sich  auch  unmittelbar  aus  (9*),  denn  wenn  darin  z.  B.  /3  =  Const/ 
gesetzt  wird,  so  folgt: 

ds'  =  da'  H-  R'  {p~y  dQ,'     (vgl.  S.  158,  (12)). 

Die  Flächen  der  beiden  Sj^steme  a  =  Const.,  ß  =  Const.  besitzen  dem- 
nach eine  Schar  geodätischer  Linien  mit  constanter  Torsion**). 

§  295.    Beispiele. 
Wir  geben  zunächst  einige  Beispiele  von  dreifachen  pseudosphäri- 
schen Orthogonalsystemen. 

*)  Offenbar  lässt  sich  auch  aussagen,  dass  auf  zwei  pseudosphärischen 
Flächen  des  Systems  die  conjugierten  Curvensysteme  einander  entsprechen.  In 
dieser  Fassung  ist  der  Satz  auch  auf  den  Fall  anwendbar,  in  dem  die  Flächen 
Pg  =  Const.  positives  constantes  Krümmungsmass  besitzen. 

**)  Die  hier  beiläufig  erwähnten  Flächen  sind  direct  von  Fibbi  in  seiner 
Habilitationsschrift  untersucht  worden.  (Annali  della  Reale  Scuola  Normale  Su- 
periore  di  Pisa,  10.  Bd.,  1888.) 


§  295.    Beispiele.  531 

1)  Wir  suchen  diejenigen  Lösungen  des  Systems  (8),  welche  von 
Pg  unabhängig  sind.  In  diesem  Falle  reduciert  sich  das  System  (8) 
auf  die  eine  Gleichung: 

C^)  +  '-^  =  Const.*). 

Integriert  wird  sie  durch  elliptische  Functionen  mit  veränderlichem 
Modul  Je  mittels  der  Gleichungen: 

(10)  cos  o  ^  sn  (t,  l') ,     sin  o  =^  cn  (t,  Tc), 
worin 

(10*)  r  =  -?^  +  ^(93),     A-  =  A, 

A  eine  willkürliche  Constante  und  ^((»3),  J^(Qz)  willkürliche  Functionen 
von  Pj  sind.  Die  pseudosphärischen  Flächen  q..  =  Const.  sind  Rota- 
tionsflächen. 

2)  Wir  betrachten  ein  System  von  3c^  Dini'schen  pseudosphäri- 
schen Schraubenflächen  (S.  467),  die  dieselbe  Axe  und  dieselbe  Tractrix 
zur  Meridiancurve  haben,  aber  hinsichtlich  der  Ganghöhe  imd  also  auch 
des  Krümmungsmasses  unter  einander  verschieden  sind.  Da  hier  die 
Kugeln,  deren  Radius  gleich  dem  von  der  Asymptote  abgeschnittenen 
Constanten  Stück  der  Tractrixtangente  ist  und  deren  Mittelpunkte  die 
Axe  erfüllen,  die  Dini'schen  Schraubenflächen  orthogonal  in  Krümmungs- 
linien schneiden  (s.  ebenda),  so  folgt  nach  dem  Darboux'schen  Satze 
(S.  480),  dass  den  beiden  Systemen  von  oc^  Schraubenflächen  und  Kugeln 
ein  drittes  Flächensystem  zugeordnet  werden  kann,  das  zu  beiden  Systemen 
orthogonal  ist:  wir  haben  somit  ein  dreifaches  pseudosphärisches  Ortho- 
gonalsystem. 

Setzen  wir  der  Einfachheit  halber  das  constante  Tangentenstück 
zwischen  Tractrix  und  Asymptote  gleich  Eins,  so  ergeben  sich  zur  Be- 
stimmung des  zugehörigen  dreifachen  pseudosphärischen  Orthogonal- 
svstems  leicht  die  Gleichunoren: 

(11)  cosa3  =  tghT,      sincj==^^^^, 
worin 

(11*)  t:  =  Qi-\-  Qi  tgt  Qs  +  ^'{93), 

^{93)  ^i^^  willkürliche  Function  von  q^  und  R  gleich  coshpj  ist. 

Anmerkung.  —  Das  soeben  betrachtete  pseudosphärische  System, 
dessen    Bestimmuugsgleichungen    leicht    explicite   anzugeben    sind,   ist 


•)  Die  erste  der  Gleichungen  (8)  ist  offenbar  eine  Identität.  Die  dritte  und 
die  vierte  Gleichung  ergeben  unter  Berücksichtigung  der  modificierten  Gleichung 
übereinstimmend  die  Gleichung  des  Teit-es. 

34* 


532  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

nur  ein  besonderer  Fall  von  solchen^  die  eine  Schar  Enneper'scher 
pseudosphärischer  Flächen  enthalten.  Diese  Flächen,  die  allgemeiner 
sind  als  die  Dini'schen  Schraubenflächen,  besitzen  nämlich,  wie  bereits 
S.  471  bemerkt  worden  ist,  eine  Schar  von  Krümmungslinien  auf 
Kugeln,  welche  die  Flächen  orthogonal  schneiden  und  deren  Mittel- 
punkte auf  einer  Geraden  liegen.  Wir  können  demnach  bei  ihnen  die- 
selben geometrischen  Überlegungen  wie  bei  den  Dini'schen  Schrauben- 
flächen anstellen. 


§  296.    Anwendung  der  Bäeklund'schen  Transformation. 

Wir  wollen  nun  nachweisen,  dass  wir  in  der  gleichzeitig  auf  die 
oo^  pseudosphärischen  Flächen  eines  bekannten  dreifachen  pseudosphä- 
rischen Orthogonalsystems  angewandten  Bäeklund'schen  Transformation 
ein  Mittel  besitzen,  aus  diesem  System  oo^  neue  dreifache  pseudosphä- 
rische Orthogonalsysteme  derselben  Gattung  abzuleiten. 

Zu  diesem  Zwecke  müssen  wir  vor  allen  Dingen  den  analytischen 
Ausdruck  für  die  Bäcklund'sche  Transformation  aufstellen,  angewandt 
auf  eine  pseudosphärische  Fläche  ^3  =  c  des  Systems  vom  Radius  I{(c). 
Wir  bezeichnen  mit  k  die  unveränderliche  Entfernung  der  Brennpunkte 
in  der  zugehörigen  pseudosphärischen  Congruenz,  mit  6  das  Comple- 
ment  des  Neigungswinkels  der  Brennebenen  (§  251  u.  f.),  sodass 

k  ==  II  cos  (5 

ist.  Es  sei  ferner  (p  der  Neigungswinkel  eines  Congruenzstrahls  gegen 
die  Krümmungslinien  q.^  =  Const.  Transformieren  wir  die  Fundamen- 
talgleichungen (16),  S.  453,  aus  den  auf  die  Haupttangentencurven  be- 
zogenen Coordinaten: 

?i  — ^2  =  2m,     ^1  +  ^,  =  2ü 

in  die  jetzt  vorliegenden,  q^  und  q^,  denen  die  Krümmungslinien  zu 
Grunde  liegen,  so  erhalten  wir  die  Gleichungen: 

(  d(p     I     dco  sin  cp  cos  a  -\-  sin  a  cos  cp  sin  cü 

(12)       1^"^^^^        ;     \   ;       ' 

-^  \  ccp     .     cca  cos  cp  sin  co  -\-  sin  <j  sin  qp  cos  co 

Nach  dieser  Vorbemerkung  wenden  wir  auf  jede  pseudosphärische 
Fläche  ^3  des  Systems  eine  durch  die  Gleichungen  (12)  bestimmte 
Bäcklund'sche  Transformation  an,  wobei  wir  k  einen  willkürlichen 
festen  Wert  erteilen  und  6  mittels  der  Gleichung: 

(13)  cos  6  =  „ 


§  296.   Anwendung  der  Bäcklund' sehen  Transformation.     §  297.  Fortsetzung.     533 

als  Function  von  ^3  auffassen.  Wir  wählen  dann  eine  bestimmte 
Function  (p(Qi,  q^,  q^),  die  den  Gleichungen  (11)  genügt,   und  fragen: 

Welchen  weiteren  Bedingungen  müssen  wir  die  Function 
q){Qi,  pj,  P3)  unterwerfen,  damit  die  ac^  abgeleiteten  pseudo- 
sphärischen Flächen  wieder  einem  dreifachen  Orthogonal- 
system angehören? 

Da  bei  der  Bäcklund'schen  Transformation  die  Krümmungslinien 
wieder  in  Krümmimgslinien  übergehen,  so  ist  nach  dem  Darboux- 
Dupin'schen  Satze  hierzu  notwendig  und  hinreichend,  dass  die  neuen 
Curven  q^  die  Orthogoualtrajectorien  der  abgeleiteten  pseudosphärischen 
Flächen  sind*). 

Es  seien  x,  y,  z  die  Coordinaten  eines  Raumpunktes,  bezogen  auf 
das  ursprüngliche  System,  a;',  y',  z'  die  des  Punktes,  der  aus  ihm  durch 
die  Transformation  hervorgeht.     Dann  haben  wir  (S.  452,  (14)): 

(x'  =  x-{-}c  (cos  qp  Xj  4-  sin  q>  X^) , 
y'=y-\-  A-(cos (p  1\  +  sin <p  Y,) , 
z'  =  z  -{-  k{cos  (pZi  -{-  sincp  Z^), 
wo   Xj,  Y^,  Z^-.  X,,  Y^,  Zj    die  Richtungscosinus    der   Tangenten    der 
Parameterlinien  q^  und  q^  sind. 

§  297.    Fortsetziing. 
Aus  den  Gleichungen  (12),  S,  485  und  486,  erhalten  wir  im  vor- 
liegenden Falle: 


fXj  B        C'ca     -Y 

CQi  COSö  CQiCQs        '' 

cX,  C<o    ^  dX^  Cd)   ^  Costa  -y- 

CX^  i?  C*<a      "V" 

nebst  analogen  Gleichungen  in   Y  und  Z.     Hiemach  finden  wir  durch 
Differentiation   der  Gleichungen   (14)  und  imter  Berücksichtigung  der 
Gleichungen  (12): 
ex 


(14*) 


=  (cos  Gi  cos-g;  —  sin  6  sin  (p  cos  (p  sin  ca)  Xj  -|- 

,  .                               .                       .        .^      .    k  cos  <p  sin  ao  ^^ 
-j-  cos  (p  (sin  (p  cos  o  -f-  sm  ö  cos  q)  sm  »)  A^  -| „ A3, 


*)  Es  ist  ersichtlich,  dass  die  Strecke  k  constant  sein  muss,  wenn  diese 
Überlegungen  giltig  sein  sollen.  Es  müssen  nämlich  eine  Parameterlinie  p,  und 
ihre  transformierte  Curre  Orthogoualtrajectorien  der  Strecken  k  sein,  die  ent- 
sprechende Punkte  derselben  verbinden. 


534  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

—  ==  sin  9  (cos  g)  sin  03  -|-  sin  6  sin  cp  cos  co)X^  -j- 

(14   )  <^             I    /  •           -2              '     ^    •                                \  V          it  sin  qo  cos  m  ,, 
-^  +  (smcj  sm'^g)  —  sm  0  sin  gj  cos  g)  cos  (d)  Ag ^„ X5, 

^  =  -  ä;  smg)^  X,  +  7c  cos  (jp  ^— X,  + 

,      y,  /Ä;  cos  qp      ^*ca      ^^  Z;  sin  qo      c*(b        ,     da}\  -y- 
~^        \  cos  CO    3()i^(»3  "•"    sin  CO    ^PjSpj     '     ^Pg^      ^' 

dazu  analoge  Gleichungen  in  y'  und  z\     Aus  ihnen  folgt: 

^1  dx'  ex' ^ 

'VT  dx'  dx'  

7                  .          /  .         ^flp     ,    Ä:  cos  qp      ^*(B        ,     ^  sin  qp      ^*co        ,     ^co\ 
=  k  cos  op  sm  03  I  sm  <y  ..      -A ~  ^ — ^ ^ — -  ^ — w h  7. —  > 

^  \  Cq^     '      cos  CO    </Pi  «7^3     '       sin  CO     CQ^CQ^     '     (793/ 

'^^dx'  dx'  

7     .  /  •        ocp     ,    Z;  cos  00     c^cö       ,    Z-sinqp      ^*co        ,     cw\ 

==  —  k  sm  OD  cos  CD  I  sin  (?  ^5--  H ^ — ^ ^ — -  o — ^^, h  ^^ —   • 

^  \  ^Ps  cos  CO    <7  pi  d  P3     '      sma    dQ^CQs  OqJ 

Wir  brauchen  somit  95  nur  der  weiteren  Bedingung: 

/^  K\  •         ^qp     ,     A;  cos  qp     c^co        ,     Ar  sin  qp      c^co        ,     dco  „ 

(15)  sm  (Jö^  H ~  >, — TS ^ — ^  7^ — h  -  =  0 

^        ^  <^  Ps  cos  CO     C  Pi   ^  Pg       '         sm  CO     CQs  CQs       '      OQs 

zu  unterwerfen,   damit   die  Gleichungen  (14)    die  Coordinaten  x',  y'  z' 

eines  Raumpunktes,   ausgedrückt   durch    die  Parameter   q^,  q^,  q.^  eines 

neuen    dreifachen    (pseudosphärischen)    Orthogonalsystems,    definieren. 

Unter    der  Voraussetzung,   dass   (p   thatsächlich   den   Gleichungen  (12) 

und  (15)  genügt,   lässt  sich   der  Nachweis  hierfür   ohne  Schwierigkeit 

führen. 

Die  Gleichungen  (14*)  lassen  sich  nämlich  so  schreiben: 

1     dx' 

ö —  =  (cos  03  cos  OD  —  sin  6  sin  od  sin  03)  X,  -\- 

cos  qp^pj^  ^  ^  /ii 

-|-  (sin  (p  cos  03  +  sin  (?  cos  cp  sin  03)  X^  -\-  cos  6  sin  03  X^ , 

1     dx' 
-. — -  ö —  =  (cos  OD  sin  03  4-  sin  6  sin  od  cos  03)  X,  + 

sm  qp  S  Pg  ^         ^  ^  /      1     I 

-\-  (sin  cp  sin  03  —  sin  ^  cos  (p  cos  03)  X^  —  cos  6  cos  03  Xg, 

1       ^a;' 
— K—  ö —  =  —  cos  0  sin  9D  Xj  -|-  cos  6  cos  ^d  X^  —  sin  öXg  (wegen  (15)). 

Aus  ihnen  ergiebt  sich  unmittelbar  die  Gleichung: 

(16)  dx"^  -\-  dy'^  4~  d^'^  =  0,09^ cpdQ^^  -\-  sin^g?  (?()2^  +  li^  V^)  ^Qs^  y 

aus  der  ersichtlich  ist,  dass  das  Linienelement  des  Raumes  auf  ein 
dreifaches  pseudosphärisches  Orthogonalsystem  bezogen  ist,  wobei  der 
Winkel  03  des  ursprünglichen  Systems  durch  den  Winkels  tp  ersetzt  ist. 


§  298.    Abschluss.  535 

§  298.  Abschluss. 
Wir  haben  nun  noch  zu  zeigen,  wie  durch  passend  gewählte  Func- 
tionen (p{Qi  P2,  Q3)  den  drei  simultanen  Gleichungen  (12)  und  (15) 
genügt  werden  kann.  Wir  können  diese  Gleichungen  zu  einer  einzigen 
totalen  Differentialgleichung  für  die  unbekannte  Function  tp  zusammen- 
fassen, nämlich*): 

x^  „V          ,            /sin  QP  cos  ü)  4-  sin  a  cos  qp  sin  m         c<o\  ^ 
(17)       dg>  =  [ ^ -  .-)  dQ,  - 

(cos  qp  sin  üj  4-  sin  ff  sin  op  cos  a>    ,    ca)\  ^ 
k +  ä^r^^  - 

1     /fccosqp     c*to        ,    Ä'sinqp     c'oa        ,    ca}\   , 

-. ( 7^ -. ~  ^ ^ \-  ^—)  dg, . 

sin  ff  \  cos  00    CQiCQi  sinm    Cq^cq^         CQ^f     ^' 

Diese  Gleichung  oder  das  äquivalente  System  der  Gleichungen  (12) 
und  {\o)  ist  unbeschränkt  integrierbar,  da  ja  die  Integrabilitäts- 
bedingungen  wegen  der  Gleichungen  (8)  bez.  (8*),  denen  o  genügt, 
und  wegen  der  Relation: 

cos  ^  =  -^ 

identisch  erfüllt  sind.  Ist  also  der  Wert  von  Je  fest  angenommen,  so 
hat  die  Gleichung  (17)  eine  allgemeine  Losung  9  mit  einer  willkür- 
lichen Constanten  C.  Um  den  Wert  von  C  festzulegen,  haben  wir  nur 
die  Bäcklund'sche  Transformierte  einer  der  pseudosphärischen  Flächen 
Pg,  von  denen  wir  ausgegangen  sind,  oder  die  Richtung  einer  der 
Strecken  k  fest  zu  bestimmen,  die  übrigens  willkürlich,  wofern  nur 
normal  zur  Paramet^rlinie  93,  gegeben  werden  kann. 
Wir  bemerken,  dass  die  Gleichung  (17), 

gesetzt,  für  A  eine  totale  Differentialgleichung  vom  Riccati'schen  Typus 
liefert,  von  der  wir  also  nur  eine  particuläre  Lösung  zu  kennen  brau- 
chen, um  das  allgemeine  Integral  mittels  Quadraturen  zu  erhalten.  Für 
die  neu  abgeleiteten  pseudosphärischen  Systeme  kennen  wir  bereits 
eine  particuläre  Lösung  der  zugehörigen  Gleichung  (17),  nämlich  die 
von  dem  pseudosphärischen  Ausgangssystem  gelieferte:  wenn  wir  also 
den  Wert  der  Constanteu  k  ungeäudert  lassen,  genügen  schon  succes- 
sive   Quadraturen  zur  unbeschränkt  oftmaligen  Ausfühnmg  der  Bäck- 


*)  Wenn  wir  die  Gleichung  für  qp  in  der  Form  des  Textes  sehreiben,  so 
schliessen  -«-ir  natürlich  den  Wert  a  =  0  aus,  der  in  dem  allgemeinen  Falle  eines 
veränderlichen  J?  nicht  auftreten  kann.  Für  constantes  i?  dagegen  ist  der  Wert 
ff=0  zulässig,  und  zwar  giebt  er  zur  Complementärtransformation  der  pseudo- 
sphärischen Flächen  Anlass,  die  weiterhin  (§  306)  betrachtet  werden  wird. 


536  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonal  Systeme. 

lund'schen  Transformation.  Aber  wie  für  eine  einzelne  pseudosphäri- 
sche Fläche,  so  kann  auch  in  dem  vorliegenden  Falle  das  Verfahren 
merklich  vereinfacht  werden,  wenn  wir  den  Yertauschbarkeitssatz  be- 
nutzen, der,  wie  wir  nun  nachweisen  wollen,  auch  auf  dreifache  pseudo- 
sphärische Orthogonalsysteme  anwendbar  ist. 


§  299.    Anwendung  des  Vertauschbarkeitssatzes. 

Indem  wir  die  für  eine  einzelne  pseudosphärische  Fläche  ange- 
wandte Bezeichnungsweise  (Kap.  XYII)  etwas  ändern,  verstehen  wir 
symbolisch  unter  Bk  die  auf  ein  dreifaches  pseudosphärisches  Ortho- 
gonalsystem E  angewandte  Bäcklund'sche  Transformation,  wenn  die 
constante  Entfernung  zwischen  einem  Punkte  von  6  und  dem  ent- 
sprechenden Punkte  des  abgeleiteten  Systems  E'  gleich  /;;  ist.  Wir 
beweisen  nun  die  Giltigkeit  des  Vertauschbarkeitssatzes: 

Sind  Z"  und  E"  zwei  dreifache  pseudosphärische  Ortho- 
gonalsysteme, die  mit  ein  und  demselben  System  E  mittels 
zweier  Bäcklund'scher  Transformationen  B^  bez.  B^',  mit  ver- 
schiedenen Constanten  k  und  /j',  zusammenhängen,  so  giebt  es 
ein  viertes  pseudosphärisches  System  E'",  das  mit  E'  und  E" 
mittels  Bäcklund'scher  Transformationen  mit  vertauschten 
Constanten  h'  bez.  /j  zusammenhängt. 

Es  seien  S,  S',  S"  drei  entsprechende  pseudosphärische  Flächen 
in  den  drei  Systemen.  Nach  dem  für  einzelne  pseudosphärische  Flächen 
giltigen  Vertauschbarkeitssatze  (§  257)  giebt  es  eine  vierte,  vollkommen 
bestimmte,  pseudosphärische  Fläche  S'",  die  mit  S'  und  S"  durch  die 
Bäcklund'schen  Transformationen  Bk'  bez.  Bi,  mit  vertauschten  Con- 
stanten, zusammenhängt.  Wir  haben  jetzt  nur  zu  beweisen,  dass  die 
oo^  pseudosphärischen  Flächen  S'"  einem  vierten  dreifachen  Ortho- 
gonalsystem E'"  angehören.  Sind  nun  P,  P',  P",  P'"  vier  ent- 
sprechende Punkte  auf  S,  S',  S",  S'",  und  lassen  wir  P  eine  von  den 
orthogonalen  Trajectorien  C  der  Flächen  S  im  System  E  beschreiben, 
so  werden  infolge  der  in  den  voraufgehenden  Paragraphen  entwickelten 
Eigenschaften  der  Bäcklund'schen  Transformation  P'  und  P"  zwei 
Orthogonaltrajectorien  der  Schar  S'  bez.  S"  beschreiben.  Bedeutet  C" 
die  von  P'"  beschriebene  Curve,  so  brauchen  wir  nur  zu  berücksich- 
tigen, dass  die  Strecken  P' P'"  und  P"  P'"  constant  und  zu  C  bez. 
C"  normal  sind,  und  können  dann  daraus  schliessen,  dass  sie  zu  C" 
in  P'"  normal  sind.  Diese  beiden  Strecken  sind  aber  Tangenten  von 
S'"  in  P'",  daher  sind  die  Curven  C"  Orthogonaltrajectorien  der 
pseudosphärischen  Flächen  S'".     Erinnern  wir  uns  endlich  daran,  dass 


§  299     Anwendung  des  Vertauschbarkeitssatzes.  537 

bei  der  Bäcklund'scheii  Transformation  die  Krümmungslinien  Krüm- 
muDgslinien  bleiben,  so  sehen  wir,  dass  die  Flächen  S"  in  der  That, 
wie  behauptet  wurde,  wieder  einem  dreifachen  pseudosphärischen  Ortho- 
gonalsystem angehören. 

Sind  die  di-ei  Systeme  H.  E',  E"  bekannt,  die  durch  die  Quadrate 
ihrer  Linienelemente  definiert  sein  mögen: 

ds^  =cos2o  t7()i^  +  sin-(o  f/p,- +  Fr{p-ydQ^-, 

ds'^  =  cos-£ö'  dg^-  -f-  sin-o'  dg^-  -f-  Br  {-^)  dg^ , 

ds"-=  cos-a'dQi^  +  sin-co" dg^-  -{-  R-i^T^j  dg^^, 

so  ergiebt  sich  das  vierte  System  27'",  für  das  wir  den  zugehörigen 
Wert  von  o  mit  o'"  bezeichnen  wollen,  durch  algebraische  Operationen 
aus  der  Gleichung  (33),  S.  463: 

G  -\-  a' 

cos 

(18)  tang'^         " 


(0       (0 

2        ,           ffl' —  ü>" 
-  .'  *^°g         2 

o 

2                   .    a 

srn  — 

COS0  =  jj-. 

k' 
cos  <?  =  ß^ 

wo 


ist  (vgl.  S.  532,  (13)). 

Stellen  wir  die  Überlegungen  in  §  259  an,  so  erhalten  wir  demnach 
die  wichtige  Folgerung: 

Kennen  wir  von  einem  pseudosphärischen  System  2,"  alle 
cc-  abgeleiteten  Bäcklund'schen  Systeme,  so  können  wir  für 
jedes  von  letzteren  Systemen  lediglich  durch  algebraische 
Rechnungen  und  Differentiationen  die  neuen  abgeleiteten 
Systeme  bestimmen. 

Mit  anderen  Worten:  Wir  brauchen  nur  die  Gleichung  (17)  für 
alle  Werte  von  J:  integrieren  zu  können,  dann  sind  die  bei  der  unbe- 
grenzt oftmaligen  Anwendung  der  Bäcklund'schen  Transformation  nach 
einander  auftretenden  Gleichungen  vom  Riccatischen  Typus  ohne  wei- 
teres gleichzeitig  mit  dieser  integriert. 

Den  Bedingungen  des  soeben  ausgesprochenen  Satzes  genügen  nun 
eben  die  aus  Dini'schen  Schraubenflächeu  bestehenden,  der  Gleichung  (11), 
S.  531,  entsprechenden  dreifachen  pseudosphärischen  Systeme.  Ohne  die 
diesbezüglichen  Rechnungen  durchzuführen,  wollen  wir  dieses  kurz 
folgendermassen  nachweisen :  Das  System  (8)  besitzt  die  evidente  Lösung 
cö  =  0.  Wenden  wir  auf  sie  die  Bäcklund'sche  Transformation  mit 
der  Constanten  k  an,  um   eine  neue  Lösung  (p   zu   erhalten,  so   sehen 


538  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

wir  leicht   ein,   dass  (p   nur   den  beiden  Gleichungen  (12)   zu  genügen 
braucht.     Dieselben  lauten  in  unserem  Falle: 


d  q»  sin  cp         dcp  sin  a  sin  qp 

8qi  k  dg^  k 


und  geben  integriert: 


igl  =  e 


Qi  —  Ol  sin  a   , 


2 
WO  xl}  eine  willkürliche  Function  von  ^y  ist.     Hierin  brauchen  wir  nur 

k  =  1^      sin  ö'  =  —  tgh  ^3 

zu  setzen,  dann  erhalten  wir  sofort  die  Gleichungen  (11).  Zu  der 
Lösung  (0  =  0  kennen  wir  demnach  alle  Bäcklund'schen  Transformier- 
ten und  können  somit  den  obigen  Satz  anwenden.  Daraus  folgt  auch 
hier  das  Vorhandensein  einer  unendlichen  Schar  von  dreifachen  pseudo- 
sphärischen Systemen,  die  von  gewöhnlichen  Functionen  abhängen 
(vgl.  §  261). 

§  300.    Weingarten'sehe  Systeme. 

Wir  wollen  uns  nun  mit  dem  besonderen  Falle  beschäftigen,  in 
dem  die  pseudosphärischen  Flächen  des  dreifachen  Orthogonalsystems 
alle  denselben  Radius  haben.  Der  erste,  der  das  Vorhandensein  dieser 
pseudosphärischen  Systeme  erkannt  hat,  ist  Weingarten  gewesen,  der 
auf  die  Möglichkeit  des  Überganges  von  einer  Fläche  mit  constantem 
Krümmungsmass  zu  einer  unendlich  nahe  benachbarten  Fläche  mit 
demselben  Krümmungsmass  hingewiesen  hat,  und  zwar  eines  derartigen 
Überganges,  dass  der  unendlich  kleine  normale  Abstand  zwischen  den 
beiden  Flächen  eine  Lösung  der  Cayley 'sehen  Gleichung  ist.  Diese  be- 
sonderen pseudosphärischen  Systeme  sollen  deswegen,  wie  in  den  früher 
angeführten  Abhandlungen  des  Verfassers,  Weingarten'sehe  Systeme 
genannt  werden. 

Für  diese  Systeme  setzen  wir  einfach  B  gleich  Eins.  Dann  gehen 
die  Fundamentalgleichungen  (8),  denen  cj  genügen  muss,  über  in: 

TS »  o — 5  =  Sm  03  cos  03  , 


(19) 


-^ —  I >^ — ..     )  =  cos  CO  -?^ — -. — -  7^ —  o — ^ — ' 

OQi    \COS  Cü  CQj^  CQs/  OQs  Sin  Cü   0  Q^   C  Q^  0  Q^ 

d    l     1          C^oi     \            .           C(o              \       d(a       C^B) 
75—  ( -. ö — -o —    ==  sm  oj  7,^ —  • ^—  w — -^ —  7 

OQ^XSin  CO  OQ^C  qJ  OQs  cos  CO  OQi    CQi  CQ3 

d^co                     ,        da      d^co  ,  d(o      d^ca 

^ — 5 — 5 —  =  cotco  ^ —  75 — -. tg  ra  ö-—  ^^ — ö — 


§  300.    Weingarten'sche  Systeme.  539 

Da  das  Linienelement  des  Raumes  unter  Zugrundelegung  des  Wein- 
garten'schen  Systems  durch 

ds^  =  cos^ca  (Iqi^  -\-  sin^a  dQ^^  -f"  \~ — )  ^Qz^ 
gegeben  ist,  so  sind  auf  den  pseudosphärisehen  Flächen  q^  die  Curven: 
^  =  Const.  die  Äquidistanzcurven  (§  275).     Nun   stallen  wir  zu- 

CQa 

nächst  den  Satz  auf: 

In  einem  dreifachen  orthogonalen  Weingarten'schen 
System  sind  die  Äquidistanzcurven  auf  den  pseudosphäri- 
schen Flächen  parallele  geodätische  Kreise. 

Setzen  wir  für  den  Augenblick: 

\cos  oa  c Qi  c Qg/  \sin  a>  cp,  CPj/  ^CQ^/ 

so  ergiebt  sich  aus  den  Gleichungen  (19)  und  (8*): 

also: 

/    1        c'-co    Y  ,    /    1        c^co  Y _  /c^Y  =F(    ) 
Vcos  Q)  CQi  CQj'     '    Vsinoi  cp,  rp,/         VfPj^  v"3/> 

wo  F  nur  von  q.,  abhängt.     Setzen  wir  dann: 


reo 

n  =  7= — 


80  erhalten  wir  (S.  67): 

wenn  zf^n  der  erste  Differentialparameter  ron  n  bezüglich  des  Quadrats 
des  Linienelements  der  pseudosphärischen  Fläche  q^  =  Const., 

ds-  =  cos- odQi^  -j-  sin-iodQ^^, 
ist.     Da  also 

(20)  z/,n  =  F(q,)  +  n' 

ist,  so  folgt  (§  81),  dass  die  Äquidistanzcurven:  w  =  Const.  auf  der 
pseudosphärischen  Fläche  g.^  =  Const.  geodätisch  parallel  sind.  Berech- 
nen wir  nun  nach  der  Bonnet'schen  Formel  (4),  S.  149,  die  geodäti- 
sche Krümmung  —  der  Äquidistanzcurven: 

1  \  r  c    /Bin CO      1      cn\     ,    /cosco      1      dn 


tc    /smai       1      cn\     ^^  /cosco       1      cn\ 
CQi  \yjin  cos  a  CQiJ         \]/z/j  n  sin  w  cq^) _ 


Qn  Sm  O)  cos  ü) 

unter  Benutzunor  der  Gleichungen: 

c    /    1      cn\  ,        1      cn   cta 

■^ —  ( — 1  =  n  cos  ö  A — -. —  ^—  ^= —  > 

rpi  \C08  oj  cq^l  sm  CO  cpj  cp, 

d    l    \      cn\  .  1      cn  C(o 

7= —  1-;^ —  7^ — I  =  n  smca ^ —  ^ — ? 

CQi  vsin  Q)  cpj/  cos  ü»  CPi  <7pj 


CQi 


<?P2 


540  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

die  aus  (19)  folgen,  und  der  sich  aus  (20)  ergebenden: 

- ... '  -  =  2 w  ,.  — ;     -" ^ ~  =  2n 
SO  erhalten  wir: 
(21)  i-=      

Es  sind  demnach  die  Äquidistanzcurven :  n  =  Const.  auch  Curven 
constanter  geodätischer  Krümmung  und  deshalb  geodätische  Kreise. 

Daraus  folgt  (§  39): 

Auf  den  pseudosphärischen  Flächen  eines  gegebenen  Wein- 
garten'schen  Systems  lassen  sich  die  geodätischen  Linien 
mittels  Quadraturen  bestimmen. 


n 


§  301.    Fortsetzung. 
Wir    bemerken,    dass    im    vorliegenden    Falle    das    System   (19) 


völlig  äquivalent  ist  dem  folgenden: 


(A) 


C    CO 


sin  CO  cos  CO 


Wir  haben  in  der  That  gesehen,  dass  dieses  aus  dem  System  (19)  folgt; 
aber  umgekehrt  folgt  auch  aus  dem  System  (A)  das  System  (19).  Man 
setze  nämlich: 

1         d^co  ,.  1         c'^co 


M- 


~~,  N: 


COS  O)  CQ^  OQs  Sm  CO   CQ^  C( 

und  differenziere  die  erste  der  Gleichungen  (A)  nach  ^g,  die  zweite 
das  erste  Mal  nach  q^,  das  zweite  Mal  nach  q^.  Die  drei  neu  ent- 
standenen Gleichungen,  zusammen  mit  der  vierten: 

d  (M  COS  cü)         d  {N  sin  m) 


OQi 


CQi 


löse    man    nach    den    Differentialquotienten    Z, —  ?    ^ — 


cN      dN         „ 


SO  ergeben  sich  genau  die  Gleichungen  (19).    Ein  Ausnahmefall  würde 
dann  eintreten,  wenn  die  Determinante: 
cos  03       0  0  —  sin  CO 

0        cos  CO    —  sin  ro          0 

M         0  N  0 

0         ilf  0  N 


=  N'cos'c)  —  M^sin'co 


gleich  Null  wäre.     In   diesem  Falle  würde   aber  hieraus  und  aus  (20) 
folgen : 


§  301.    Fortsetzung.  541 


;= — ? —  =  £   Sin-  CJ 

Würde  dann  die  erste  dieser  Gleichungen  nach  q^  und  die  zweite  nach 
(»1  differenziert,  so  ergäbe  sich: 

also:                                         '-.  <-• 

^^  <7'(B  c'at 

was  der  ersten  Gleichung  (A)  widerspricht. 

Xach  dieser  Vorbemerkung  haben  wir  nun  drei  Fälle  zu  unter- 
scheiden, je  nachdem  die  parallelen  geodätischen  Kreise  n  =  Const. 
einen  imaginären  oder  einen  reellen,  im  Endlichen  gelegenen,  Mittel- 
punkt  haben  oder  Grenzkreise  sind.     Dementsprechend  ist: 

V<i,    l>i,     i-=i. 

9n  «•»  ^H 

Wegen  (21)  werden  diese   drei  Fälle  durch  das  Vorzeichen  von  F{q^ 
unterschieden:  es  ist  nämlich  bezüglich: 

F{q,)>0,     FiQ,)<0,     FiQ,)  =  0. 
Durch  geeignete  Änderung  des  Parameters  q^  können  wir  in  den  ersten 
beiden  Fällen 

F{Q,)  =  -j-l     bez.     ^^^»3)  =  -! 
machen.     Xuii  haben    wir,    unter  d-  den  Winkel  verstanden,    den  die 
positive  Richtung   der   Hauptnormale    der   Parameterlinie    93    auf   der 
pseudosphärischen  Fläche  mit  der  Curve  q^  =  Const.  bildet,  nach  den 
Gleichungen  in  §  274,  S.  490: 

(22)  cos^  =  — ^,      sin^  =  — ^, 

wo  i?3  der  Radius  der  ersten  Krümmung  dieser  Curven  ist,  die  durch 

J,  n 


gegeben  ist.  Die  Flexion  ^  der  Orthogonaltrajectorien  der  pseudo- 
sphärischen Flächen  soU  der  Kürze  halber  die  Flexion  des  Wein- 
garten'schen  Systems  in  dem  betreffenden  Raumpunkte  genannt 
werden.     Wir  haben  also  das  Ergebnis: 

Die  charakteristischen  Gleichungen  für  die  Function  a 
in  einem  Weingarten'schen  System  können  wie  folgt  ge- 
schrieben werden: 


542 


(A*) 


Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 


CQi- 


dQ,' 


=  sin  CO  cos  G) 


1    /  c'co  y i_^  /  c'co  Y  _  /i^y  =  -4-  1 


je  nachdem  die  Flexion  des  Systems  grösser  oder  kleiner  als 
Eins  ist. 


§  302.     Weingarten'sclie  Systeme  mit  der  Flexion  Eins. 

Der  in  der  Mitte  liegende  Fall,  in  dem  die  Flexion  des  Systems 
gleich  Eins  ist,  ist  besonders  interessant.  Dazu  braucht  nur  eine 
der  Curven  q^  constante  Flexion  (gleich  Eins)  zu  besitzen,  so  sind  auf 
jeder  pseudosphärischen  Fläche  des  Systems  infolge  der  Gleichungen 
(21)  und  (23)  die  Äquidistanzcurven :  n  =  Const.  parallele  Grenzkreise, 
und  es  besitzen  demnach  alle  übrigen  Curven  q^  ebenfalls  die  constante 
Flexion  Eins.  In  diesem  Falle  bezeichnen  wir  das  Weingarten'sche 
System  als  ein  solches  mit  constanter  Flexion.  Dasselbe  ist  durch 
den  Wert  F{q.^)  =  0  und  somit  durch  die  folgenden  Gleichungen  für 
CO  charakterisiert: 


(B) 


C  ca 


C    CO 


Sm  C3  cos  03 


1    /  d^ca  y i_  /  g^üj  y  __  /d^y 

. COSTCO  \gpi  dgj     '     sin^ü)  \^92  cq^/  wpj/ 


Führen  wir  den  durch  die  Gleichungen  (22)  bestimmten  Winkel  d- 
ein,  so  können  wir,  da  JRg  gleich  Eins  ist,  für  das  System  (B)  das 
nachstehende  setzen: 


(B  = 


C    CO 


<7P2 


=  sm  0)  cos  CO 


- — ^ —  =  cos  d-  cos  CO  


d^co 


CQs 
dco 


r-  --- o —  ==  —  sin  '0'  sin  co  ^ 


Die  Gleichungen  (19),  die  aus  diesen  folgen,  geben  dann: 

sin  0'  cos  CO , 


(24) 


(dd"     |_  dco  
,  d&    ,    dco  . 

ö r  o —  =  —  cos  -O"  sm  co 


aus  denen  durch  Elimination  von  co  folgt: 

(25)         ■  ^-^  -  ^^- 

Durch  Differentiation  der  Gleichungen  (24)  nach  q^  ergiebt  sich: 


=  sin  O-  cos  & 


§  302.  Weingarten' sehe  Syst.  etc.    §  303.  Ableit.  d.  Ribaucour'schen  Cykelsyst.   543 

=  cos  ^  cos  a  ;5 —  t 


=  sm  &  sin  GJ 


(26) 

also  ist: 

^■"'^  cos*9\cg^CQj    ~^  s'uii&\CQ,C9j  ^ qJ 

Ans  (25)  und  (27)  folgt,  dass  &  dem  System  (B)  genügt.    Es  bestimmt 

somit  &  ein  Weingarten'sches  System  mit  constanter  Flexion,  das  zur 

Gleichung: 

gehört.  Der  geometrische  Zusammenhang  zwischen  diesem  neuen  Wein- 
garten'schen  System  mit  constanter  Flexion  und  dem  alten  wird  später 
(§  906)  klar  zu  Tage  treten. 

§  303.     Ableitung  der  Ribaucour'sehen  Cykelsysteme. 

Als  Beispiele  von  Weiugarteu'schen  Systemen  mit  constanter 
Flexion  kennen  wir  bereits  die  Ribaucour'sehen  Cykelsysteme  von  con- 
stantem  Radius.  Um  zu  sehen,  ob  sieh  das  Vorhandensein  derselben 
auch  aus  den  allgemeinen  Gleichungen  des  vorhergehenden  Paragraphen 

ergiebt,  bemerken  wir,  dass  wir  für  die  Torsion  w-  der  Curven  q^  in 

-'s 

einem  Weingai-ten'schen  System  mit  constanter  Flexion  den  Wert  (§  274): 

cd- 
J_  ^   ggs 

haben.     Ist  also  0-  von  q^  unabhängig,  so  ist  -^  gleich  Xull,  d.  h.  die 

Curven  q^  sind  Kreise  vom  Radius  Eins.  Um  die  Systeme  zu  erhal- 
ten, brauchen  wir  nach  dem  vorhergehenden  Paragraphen  nur  von  einer 
beliebigen  pseudosphärischen  Fläche  S  auszugehen,  für  das  unter  Zu- 
grundelegung der  KrümmungsKnien 

ds-  =  cos-^dQ^-  -}-  sin-d-dQ^^ 

ist,  und  üj  aus  dem  unbeschränkt  integrierbaren  System: 

COl     ,     c&  _     . 

7= h  7^ —  =  —  COS  '9'  sm  (D , 

cco    .    cQ-  .     „ 

K h  7^ —  ^  —  sm  9-  COS  a 

zu  bestimmen;  dann  erhalten  wir,  unter  q^  die  in  a  enthaltene  will- 
kürliche Constaute  verstanden,  gerade  die  Gleichungen  (B),  die  offenbar 


544  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsj^steme. 

ein  Ribaucour'sches  Cykelsystem  charakterisieren.  Dasselbe  wird  von 
den  oo^  pseudosphärischen  Complementärflächen  von  S  gebildet  (vgl. 
§  186). 

Es  mag  nocb  bemerkt  vi^erden,  dass  aus  der  Combination  der  all- 
gemeinen Gleichungen  (2(i)  im  vorhergehenden  Paragraphen  und  der 
letzten  beiden  Gleichungen  (B) 

folgt,  WO  tiQs)  nur  von  q^  abhängt,   dass  also,  wenn  :. —   für  ein  be- 

sonderes  Wertepaar  ()^,  q.^  (was  auch  q^  sein  mag),  gleich  Null  ist,  es 
auch  für  alle  gleich  Null  ist.     Also: 

Wenn  in  einem  Weingarten'schen  System  mit  der  con- 
stanten  Flexion  Eins  eine  von  den  Orthogonaltrajectorien 
der  pseudosphärischen  Flächen  ein  Kreis  vom  Radius  Eins 
ist,  so  sind  es  auch  alle  anderen,  und  das  System  ist  mit 
einem  Ribaucour'schen  Cykelsystem  identisch. 

§  304.    Dreifaelies  System  von  Schraubenflächen. 

Um  an  einem  wirklichen  Beispiel  das  Vorhandensein  Weingarten'scher 
Systeme  mit  constanter  Flexion,  abgesehen  von  den  Cykelsystemen,  zu 
erkennen,  sehen  wir  zu,  ob  wir  dem  Fundamentalsystem  (A)  dadurch 
genügen  können,  dass  wir  w  als  Function  einer  linearen  Combination 
der  Variabein: 

'^  =  a  +  f  +  ^3      ia,h  =  Const.) 

annehmen.     Setzen  wir: 

co=f{x), 

so  ergiebt  sich  aus  der  ersten  Gleichung  (A): 

,,„ a^  b^  sin  f  cos  f 

t     =  fe«_  «2 

und  hieraus  durch  Integration: 

Die  zweite  Gleichung  (A)  stellt  sich  dann  als  identisch  erfüllt  heraus. 
Wählen  wir 

a>h,      C=l, 
so  haben  wir: 

df 

an'       .   „.' 
sm*/ 


a'—  b' 


§  304.    Dreifaches  System  von  Schraubenflächen.  545 

demnach : 

sin  o  =  sn (t,  A-),      cos  io  =  cn (r,  Ar)    (Jc  =  —^         \  ■ 

Für  das  Quadrat  des  Linienelements   des  Raumes  ergiebt  sich  der  be- 
merkenswerte Ausdruck: 

ds-  =  cn-t  dQi-  +  sn^rrfp,-  +  dn^rrfpj^, 
wo 

ist,  der  Modul  A*  und  die  Constante  a  willkürlich  bleiben  und 


-  =  !/-'+ -"- 

ist.  Für  die  reciproken  Werte  der  Hauptkrümmungsradien  der  Flächen 
der  drei  Systeme  finden  wir  die  Ausdrücke  (§  274,  ,13): 

1  1   dn  r           1  A-*  cn  r           1    sn  t 

r^j  a    snr  /-j,  6  dn  t  r,!  cnx 

1  Ä*  sn  T           1  1  dn  T          1  cn  T 

Tjj  a   dn  T '  Tji  b  cn  t  r,,  sn  r 

mithin  für  die  Krümmungsmasse  bezüglich: 

-£i  =  —  ;^>      -^  =  -fpj      -2^3  =  —  1- 

Es  lässt  sich  leicht  einsehen,  dass  die  Flächen  der  drei  Systeme  Schrauben- 
flächen mit  derselben  Axe  sind,  sowie  dass  die  Flächen  jedes  Systems 
einander  congruent  sind.  Diejenigen  des  ersten  und  des  dritten  Systems 
haben  negatives,  diejenigen  des  zweiten  Systems  positives  constantes 
Krümmungsmass  *).  Jede  beliebige  Schraubenfläche  mit  constantem 
Krümmimgsmass  führt  auf  ein  Weingarten'sches  System  der  obigen 
Gattung. 

Femer  erhalten  wir  für  die  Flexion  -^^  der  Ciu-ven  p..  den  Wert: 
Setzen  wir  daher  insbesondere: 

h  =  r-, 

woraus 

folgt,  so  haben  wir  ein  Weingarten'sches  System  mit  constanter  Flexion. 


*)  Es  liegt  somit  hier  gleichzeitig  ein  Beispiel  für  Weingarten'sche  Systeme 
mit  positivem  Krümmungsmass  vor,  die  wir  am  Schlüsse  dieses  Kapitels  (§  314) 
behandeln  werden. 

Bian Chi,  Differentialgeometrie.  35 


546 


Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 


Dasselbe  artet  aber  nicht  in  ein  Ribaucour'sches  Cykelsystem  aus,  denn 
für  die  Torsion  der  Curven  q^  erhalten  wir  den  Wert: 

i;  ~~  dn  «7 ' 
der  von  Null  verschieden  ist. 


§  305.     Anwendung  der  Bäeklund'schen  Transformation  auf 
Weingarten'sche  Systeme. 

Wenn  wir  auf  ein  Weingarten'sches  System  die  Bäcklund'sche 
Transformation  anwenden  (§  296  u.  f.),  so  erhalten  wir  neue  Wein- 
garten'sche Systeme.  Die  Gleichung  (17)  liefert  in  dem  vorliegenden 
Falle  für  Je  ==  cos  a,  11=1  das  Gleichungssystem : 


dcp    1^  dco 
(28)    ^i^  +  l^ 


sin  cp  cos  CO  -|-  sin  c  cos  cp  sin  co 
cos  G 
cos  (f)  sin  a  -\-  sin  a  sin  cp  cos  a 


cos  6 


CCD       ,      cos  ff  cos  W 

sm  6  ~  -\- 


SQs 


cos  CO       SQi  Sq^ 


+ 


cos  ff  sm  cp 
sin  CO 


~=0 


Die  Function  cp,  die  das  transformierte  System  bestimmt,   genügt  den 

Gleichungen : 

d^cp        d^cp 

g— ^  — ^^2  =  sinqpcosqD, 

cos^qo  Vpi  c?P2^  sm^qp  \^()2  fpj/  wPs'^ 

Nun  ist  hervorzuheben,  dass  der  Wert  der  Function  f{Q^  mit 
dem  ähnlich  gebildeten  von  F(q^)  in  den  Gleichungen  (A),  denen  co 
genügt,  genau  übereinstimmt.  Aus  (28)  folgen  nämlich  unter  Berück- 
sichtigung von  (19)  die  Gleichungen: 


(28= 


cos  ff 

C^cp 

cos  qp 

OQi  CQs 

cos  ff 

d\ 

sin  cp 

GQi  8Qs 

Ccp 


COS  CO  7=r^ [-  sin  6  cos  CO 


SQs 


+ 


I  .  ,  0    CO 

-j-  cos  6  sm  cp  tang  co  ^ — >, 


a*ö) 


?s 


cos  (5  cos  OD  ^ -^ —  > 

CQ2  CQi 


dcp    .      .          .        dco 
sm  CO  ^  +  sm  6  sm  co  -f, 

C^co         ,  .  c^co 

COS  6  sm  qo  t^ — o h  cos  6  cos  cp  cot  co  ^, — r, —  • 

Aus  ihnen  ergiebt  sich  durch  Quadrieren  und  Addieren  mit  Rücksicht 
auf  die  dritte  der  Gleichungen  (28)  die  Beziehung: 

(29)      —  -  ( ^'f  y + -  -^-  ( ^""f  y  i^y = 


cos^ca  \dQi  CqJ  sin^o)  \dQ^  dqj  \ 


§  305.  Anwend.  d.  Bäcklund'schen  Transformation  auf  Wemgart€n''sche  Syst.     547 

Hiemach  ist  die  Flexion  des  abgeleiteten  Systems  grösser  oder  gleich 
oder  kleiner  als  Eins,  je  nachdem  einer  der  drei  Fälle  für  das  ursprüng- 
liche System  zutrifft.     Insbesondere  gilt  der  Satz: 

Jedes  Weingartensche  System  mit  constanter  Flexion 
geht  durch  eine  Bäcklund'sche  Transformation  in  Systeme 
der  nämlichen  Art  über. 

Setzen  wir  weiter  in  diesem  FaUe  (§  301): 


cosd  = ^'^^"r»    ,       sin^= ^-1^?- 

cto  .        c(a 

cos  tO  -p^ Smo»  t; — 


cos  ^'  = .:'    ,      sin  i'  —  —      ^*      ' 


Ccp  .  TCP 

cos  qp sin  qp  y,-^ 

SO    geht    das    System    (28*)    unter    Benutzung    der    dritten    Gleichung 
(28)  über  in: 

cos  CO  cos  (qp  —  &)  —  sin  e  sin  cd  sin  (qp  —  Q-)  —  cos  a  cos  <a 

COS  t  =  — ^- : -5^?-— ^ , 

1  —  cos  6  cos  (qp  —  9-) 

sin  CO  cos  (qp  —  '9')  4-  sin  ß  cos  co  sin  >  qp  —  &)  —  cos  o  sin  ca 

sm  rb  =^ ~ ^— ' ; — ^^i-— — ~ 

1  —  cos  ff  cos(qp  —  9) 

Daraus  folgt  durch  Differentiation  nach  q.^: 

ctp  _.  sin  ff  c9-  .. 

cpj  "'     1  —  cos  ff  cos(qp  —  9)  cg^ 

Ist  also  ^  =  0,  so  ist  auch  5^  =  0,  d.  h.  (§  303) : 

Die  Ribaucour'schen  Cykelsysteme  gehen  durch  eine  Bäck- 
lund'sche  Transformation  wieder  in  Cykelsysteme  über*). 

*)  Der  Beweis  dieses  und  des  vorigen  Satzes  kann  geometrisch  geführt  wer- 
den auf  Grund  des  geometrischen  Gesetzes,  nach  dem  die  Bäcklund'sche  Trans- 
formation eine  Orthogonaltrajectorie  C  der  pseudosphärischen  Flächen  eines  Wein- 
garten'schen  Systems  in  die  entsprechende  Curve  C  des  transformierten  Systems 
überführt.  Die  Sti-ecke  PP\  die  zwei  entsprechende  Punkte  P  auf  C  und  P'  auf 
C  verbindet,  ist  constant  gleich  cosc,  und  der  Winkel,  den  die  Tangenten  in  P 
an  C  und  in  P'  an  C  mit  einander  bilden,  ist  das  Complement  zu  ff.  Bei  der 
directen  Behandlung  einer  solchen  Transformation  für  eine  beliebige  Curve  C  er- 
giebt  sich,  wenn  mit  &  der  Neigungswinkel  der  Strecke  PP'  gegen  die  Haupt- 
normale von  C  in  P  bezeichnet  wird,  in  den  übKchen  Bezeichnungen: 

dO' 1    _i_     1     /cos  ff  cos  ■9'         \ 

d7  ~  T"  "*"  smff  \         g  /  * 

Besitat  die  Curve  C  die  constante  Flexion  Eins,  so  gilt  dasselbe  von  der  Curve  C. 
Ist  noch  specieller  C  ein  Kreis,  so  ist  es  auch  C . 

Wir  bemerken  noch,  dass,  wenn  C  auf  einer  Kugel  vom  Radius  cos  ff  liegt, 

35* 


548  Kap.  20.    Dreifache  pseudosi^härische  Orthogonalsysteme. 

Nach  diesen  Sätzen  und  nach  den  Ergebnissen  des  vorigen  Para- 
graphen ist  ersichtlich,  dass  es  unendlich  viele  Weingarten'sche  Systeme 
mit  constanter  Flexion  giebt,  die  keine  Ribaucour'schen  Cykelsysteme 
sind. 

§  306.     Die  Complementärtransforination. 

Bei  der  Anwendung  der  Bäcklund'schen  Transformation  auf  Wein- 
garten'sche Systeme  ist  der  bemerkenswerte  besondere  Fall  denkbar, 
in  dem  der  Winkel  6  gleich  Null  ist  und  die  Bäcklund'sche  Transfor- 
mation somit  in  die  Complementärtransformation  übergeht  (§  255), 
was  in  dem  allgemeinen  Falle  pseudosphärischer  Systeme  von  ver- 
änderlichem Radius  li  nicht  eintreten  konnte. 

Dann  geht  die  dritte  der  Gleichungen  (28)  über  in: 

(30) 
Da 


cos  g)      0^03         1     sin  qp 

cos  03   CQ,^  8Qg       '      sin  CO 

O^co 

d^co 

1                   1         dQi  dQs 
"jj              cos  CO           8  CO 

1  _    1    dQ^  a^s 

r2s          sm  CO        cco 

^Qs 

CQs 

ist,   so  kann  sie  wegen  der  Grleichungen  (22),  S.  541,  auch  wie  folgt 

geschrieben  werden: 

(30*)  cos  {cp  —  d')  =  R^. 

Hieraus  ergeben  sich  somit  zwei  verschiedene  reelle  Werte  von  (p  für 

Weingarten'sche    Systeme    mit    der  Flexion    -^  >  1 ,    und   der    einzige 

Wert  q)  ==  d-  für  Systeme  mit   der  constanten  Flexion   p-  =  1 .     Nun 

brauchen  wir  nur  die  Grleichung  (30)  das  erste  Mal  nach  q^^,  das  zweite 
Mal  nach  q.,  zu  differenzieren  und  die  Gleichungen  (19)  zu  berück- 
sichtigen, um  uns  zu  überzeugen,  dass  die  so  bestimmten  Werte  für  (p 
den  beiden  ersten  Gleichungen  (28)  wirklich  genügen. 

Um  dieses  Ergebnis  geometrisch  zu  deuten,  wählen  wir  als  Para- 
meterlinien a  =  Const.,   /3  =  Const.  auf  einer  pseudosphärischen  Fläche 

des   Systems,   dessen  Flexion   -^  wir  grösser  als  Eins  annehmen,    die 

geodätischen  Äquidistanzkreise  und   die  zu   ihnen   orthogonalen  geodä- 


C"  sich  auf  einen  Punkt,  den  Kugelmittelpunkt,  zusammenzieht,  wie  hervorgeht, 
wenn 


^  Q  d&  1 

cos  &  = '     -f-    =  -^ 

cos  ff       ds         1 


gesetzt  wird. 


§  306.    Die  (üomplementärtransfonnatioiu  549 

tischen  Linien.     Das  Quadrat    des    Linienelements    der    Fläche  nimmt 
dann  die  hyperbolische  Form  an  (vgl.  S.  190): 
ds^  =  dtt^  +  coshV  dß^. 
Bezeichnen  wir  nun  mit  Sl  den  Winkel,  den  die  durch  (oO)  bestimmte 
Richtung  mit  der  geodätischen  Linie  ß  =  Const.  bildet,  so  haben  wir: 

und  da  wegen  (23),  S.  541, 

~  =  Q„  =  cotha 

ist,  so  geht  (30*)  über  in: 

cos  Sl  =  tgh  a , 
wo  a  die  geodätische  Entfernung  des  betreffenden  Flächenpunktes  P 
von  der  geodätischen  Linie  a  =  Const.  ist.  Aber  zufolge  der  Gleichung 
für  den  Parallelitätswinkel  auf  pseudosphärischen  Flächen  (S.  430) 
ist  Sl  nichts  anderes  als  der  Parallelitätswinkel  bezüglich  des  Punktes 
P  und  der  geodätischen  Linie  ß  =  0. 

Wir  haben  somit  das  folgende  Ergebnis: 

Gegeben    sei    ein    Weingarten'sches    System    Z"    mit    der 

Flexion    p->l.     Man  betrachte  auf  jeder  pseudosphärischen 

■"s 

Fläche  S  des  Systems  diejenige  bestimmte  geodätische  Linie 
g,  welche  zu  den  Aquidistanzcurven  gehört,  und  ziehe  die 
geodätischen  Parallelen  zu  g  in  einer  der  beiden  möglichen 
Richtungen.  Wird  zu  S  die  Complementärfläche  S^^^  oder  5^"^^ 
bezüglich  einer  der  beiden  Scharen  von  geodätischen  Paral- 
lelen genommen,  so  bilden  die  oc^  Flächen  S'-^^  oder  S'~^^  zwei 
neue  Weingarten'sche  Systeme  U^^^  und  2J^—^K 

Dieselben  mögen  als  die  Complementär Systeme  von  2J  bezeich- 
net werden.  Nach  dem  vorigen  Paragi-aphen  ist  ihre  Flexion,  ebenso 
wie  die  von  Z"  selbst,  grösser  als  Eins. 

Wir  können  nun  sowohl  auf  2^''^\  als  auch  auf  2J^—^^  wieder  die 
Complementärtrausformation  anwenden.  Da  aber  eins  der  beiden  neuen 
Complementärsysteme  jedenfalls  das  Ausgangssystem  27  ist,  so  erhellt, 
dass  das  gegebene  System  Z  lediglich  vermittelst  Differentia- 
tionen eine  Reihe  Weingartenscher  Systeme: 

.  .  .  z(-2),    z(-i),    z,    zw^    2:(^)  .  .  . 

liefert,  die  sich  nach  beiden  Seiten  bis  ins  Unendliche  fortsetzt  und 
in  der  jedes  System  die  beiden  Nebensysteme  zu  Complementärsyste- 
men  hat. 

Hat   aber  das  System  Z  die  constante  Flexion   w  =1,   so  giebt 


550  Kai).  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

es  ein  einziges  Complementärsystem  Z'(^)  ebenfalls  mit  constanter  Flexion. 
Infolge  der  Eigenschaften  der  Complementärtransformation  ist  klar, 
dass  in  diesem  Falle  die  Orthogonaltrajectorien  der  pseudosphärischen 
Flächen  von  2^^^^  die  Ortscurven  der  Krümmungsmittelpunkte  der  ent- 
sprechenden Orthogonaltrajectorien  im  Ausgangssystem  Z!  sind, 


§  307.     Einleitung  zum  Beweise  des  Existenztheorems. 

Bisher  ergab  sich  für  uns  das  Vorhandensein  unendlich  vieler 
dreifacher  pseudosphärischer  Orthogonalsysteme  lediglich  aus  der  An- 
wendung der  Bäcklund'schen  Transformation  auf  gegebene  pseudosphä- 
rische Ausgangssysteme.  Diese  Methode  aber  ermöglicht  es  uns  nicht, 
den  Freiheitsgrad  für  die  Systeme  festzustellen;  auch  können  wir  sie 
nicht  auf  solche  dreifache  Orthogonalsysteme  anwenden,  die  eine  Schar 
von  Flächen  mit  positivem  constanten  Krümmungsmass  enthalten. 
Solche  Orthogonalsysteme  giebt  es  nämlich  auch,  wie  wir  am  Schlüsse 
dieses  Kapitels  entwickeln  werden,  und  zwar  von  demselben  Freiheitsgrade. 

Wir  wollen  nun  eben  in  den  letzten  Paragraphen  dieses  Kapitels 
den  allgemeinen  Beweis  des  Satzes  von  der  Existenz  unserer  Systeme 
behandeln,  und  zwar  leiten  wir  ihn  aus  den  allgemeinen  Sätzen  von 
Cauchy  über  die  Reihenentwickelungen  der  Integrale  partieller  Diffe- 
rentialgleichungen ab.  Der  Kürze  halber  beschränken  wir  uns  auf  den 
Fall  der  Weingarten'schen  Systeme,  d.  h.  auf  den  Fall,  in  dem  das 
Krümmungsmass  für  alle  Flächen  des  Systems  q^  =  Const.  dasselbe 
ist;  doch  wird  der  Leser  sehen,  dass  das  Verfahren  allgemein  anwend- 
bar ist. 

Zu  Grunde  legen  wir  unseren  Untersuchungen  folgende  Thatsache: 
Ein  Weingarten'sches  System  (qj^,  Q27  Qs)}  ^^  ^^^  ^^®  Flächen  constan- 
ten Krümmungsmasses  die  Flächen  ^3  =  Const.  sein  mögen,  ist  völlig 
bestimmt,  sobald  eine  Fläche  eines  der  Systeme  ()^  ==  Const.  oder 
(>2  =  Const.  gegeben  ist.  Ist  nämlich  z.  B.  eine  Fläche  Sq  des  Systems 
()i  =  Const.  gegeben,  so  muss  jede  pseudosphärische  Fläche  vom  Radius 
Eins  des  Systems  ^3  durch  eine  Krümmungslinie  q^^  =  Const.  auf  Sq 
gelegt  werden  und  Sq  orthogonal  schneiden,  wodurch  sie  eindeutig  be- 
stimmt ist  (vgl.  S.  442). 

Nach  dieser  Vorbemerkung  ist  der  Weg,  den  wir  zur  Entschei- 
dung der  Frage  einschlagen,  der  folgende:  Zunächst  untersuchen  wir 
die  charakteristischen  Eigenschaften  der  genannten  Flächen,  deren  Be- 
stimmung im  allgemeinen  von  einer  einzigen  partiellen  Differential- 
gleichung vierter  Ordnung  für  eine  unbekannte  Function  zweier  Ver- 
änderlichen  abhängt.      Dann    weisen    wir   umgekehrt   nach,    dass  jede 


§  308.    Die  zugehörige  partielle  Differentialgleichung  vierter  Ordnung.     551 

Fläche,  die  diese  Eigenschaften  besitzt,  ein  Weingarteu'sches  System 
eindeutig  bestimmt.  Der  Freiheitsgrad  der  Weingarten'schen  Systeme 
ist  demnach  derselbe  wie  im  Integral  der  erwähnten  Gleichung,  das 
vier  willkürliche  Functionen  enthält. 

§  308.   Die  zugehörige  partielle  Differentialgleichimg  vierter  Ordnung. 

In  einem  pseudosphärischen  Weingarten'schen  System  (pj,  q^,  q^) 
betrachten  wir  eine  Fläche  Sq  des  Systems  q^,  z.  B.  q^  =0.    Setzen  wir: 

ö(ö,  (>2,(>3)  =  Oo(92>  93)7        , 
so  nimmt  das  Quadrat  ihres  Linienelements  unter  Zugrundelegung  der 
Krümmimgslinien  q^,  q.^  den  Ausdruck  an  (vgl.    9  ,  S.  529): 

(31)  rfV  =  sin^öo  clQ,'  +  i^^dg,' . 

Setzen  wir  ferner: 


(1^)^=0=^0' 


so  erhalten  wir  für  die  reciproken  Werte  der  Hauptkrümmungsradien 
i?j,  i?9  von  Sq  bezüglich  der  Curven  q^  =  Const.,  ^3  =  Coust.  die 
Ausdrücke  (ygl.  §  274): 

1  aps  1     ^0 


(32) 


cos  CO-,  TT-^ 


Die  beiden  letzten  Gleichungen  (19),  S.  538,  geben  uns  dann  die  fol- 
genden Beziehungen  zwischen  den  beiden  Functionen  (Oq,  i'^  von  g^ 
und  (>3 : 


(33)    l 

Umgekehrt  ist  als  wichtig  zu  bemerken:  Genügen  die  Functionen 
«0,  i^'o  von  g^  und  ^3  den  Gleichungen  (33),  so  giebt  es  eine 
Fläche  Sqj  die  unter  Zugrundelegung  der  Krümmungslinien 
g^  und  pg  das  Linienelement  (31)  besitzt  und  deren  Haupt- 
krümmungsradien durch  die  Gleichungen  (32)  gegeben  sind. 
Es  gehen  nämlich  in  diesem  Falle  wegen  (31)  imd  (32)  die  Gaussischen 
und  Codazzi'schen  Gleichungen  gerade  in  die  Gleichungen  (33)  über. 
Wir  bemerken  weiter,  dass  die  Gleichungen  (33)  die  folgende: 


552  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärisclie  Ortliogonalsysteme. 

wo  -^(^3)  eine  Function  von  q^  allein  bezeichnet,  nach  sich  ziehen. 
Umgekehrt  können  wir  für  das  System  (33)  die  erste  Gleichung  des- 
selben in  Verbindung  mit  (33*)  als  äquivalentes  System  setzen*). 

Lassen  wir  nun  den  Fall:  F{q^)  =  0,  den  wir  im  nächsten  Para- 
graphen behandeln  werden,  beiseite,  so  können  wir  durch  passende 
Änderung  des  Parameters  pg 

machen.  Dann  hängt  die  Bestimmung  unserer  Flächen  Sq  von  folgen- 
dem simultanen  System  ab: 

« 

Die  Elimination  von  ^0  aus  diesen  beiden  Gleichungen  führt  offenbar 
auf  eine  einzige  partielle  Differentialgleichung  vierter  Ordnung  für  die 
unbekannte  Function  Oq.  Unsere  Flächen  Sq  hängen  somit  von  vier 
willkürlichen  Functionen  ab. 


§  309.    Flächen  mit  einer  Schar  Krümmnngslinien  constanter 

Flexion. 

Wir  untersuchen  nun  den  ausgeschlossenen  Fall: 

Fi9s)  =  0> 
in  dem  wir  die  Flächen  Sq  vollkommen  durch  die  geometrische  Eigen- 
schaft charakterisieren  können,  dass  ihre  Krümmungslinien  ^2  =  Const. 
Curven  mit  der  constanten  Flexion  Eins  sind.    Da  nämlich  die  Krüm- 
mung des  Normalschnitts  längs  einer  solchen  Curve 

B.  dco„ 

^  cos  COf.    -^—^ 

ist,  während  die  geodätische  Krümmung  nach  S.  148  durch 

1  Bq^  dos 


^y  sin  ca„  -„— '^ 


*)  Eine  Ausnahme  würde  der  Fall:  -„—  =  0  bilden.     Dann  aber  würde  aus 

09i 

(33)  auch  -—^  =  0  folgen  und  die  Fläche  S„  sich  auf  eine  Curve  zusammenziehen. 


§  309.    Flächen  mit  einer  Schar  Krümmungslinien  constanter  Flexion.     553 
gegeben  ist,  so  ergiebt  sich  in  der  That  (vgl.  §  274): 

Bezeichnen  wir   mit  d^  den  Winkel,   den  die  Hauptnormale  der  Curve 
Q^  =  Const.  mit  der  Flachennormale  bildet,  so  haben  wir  (S.  147): 


oder: 


— -  =  cos  0^ ,      —  =  sm  0- 
>^  =  cos  d^  cos  cj„  ^^^ ,      . — ~—  =  sm  »  sm  ©o  ^^ 


Eliminieren   wir  mittels    dieser  Gleichungen    ^^  aus    den   Gleichungen 
(34),  so  ergeben  sich  für  &  und  ej,,  die  charakteristischen  Gleichungen: 


7. — ^=5_  ^       sm  0"  sm  Oft  -r-^ 
=  —  sin  d-  sm  o„  ~ 


(35) 

Jedem  Functionspaar  0^,  ©ß,  das  diesen  beiden  simultanen  Gleichungen 
genügt,  entspricht  umgekehrt  eine  Fläche  S^,  deren  Krümmungslinien 
Q^  =  Const.  die  Flexion  Eins  haben.  Es  lässt  sich  leicht  nachweisen, 
dass  die  diesen  Gleichungen  entsprechenden  Flächen  S^  die  allgemein- 
sten mit  einer  Schar  Krümmungslinien  constanter  Flexion  Eins  sind; 
es  mag  jedoch  hier  in  Betreff  des  Beweises  auf  die  Abhandlung  des 
Verfassers  im  13.  Bande  der  Annali  di  Matematica  verwiesen  werden. 
Ans  den  Gleichungen  (35)  folgt,   wie  wir  noch  bemerken  wollen: 

^(1^1^)  =  1. 

Durch  Änderung  des  Parameters  pg  können  wir  einfach 

(35*)  |i  i^o  =  1 

machen,  und  diese   Gleichung  kann  an  Stelle  der   zweiten   Gleichung 
(35)  gesetzt  werden. 

Durch  Elimination  von  &  ergiebt  sich  zur  Bestimmung  von  Oq 
offenbar  eine  partielle  Differentialgleichung  dritter  Ordnung.  Auf 
eine  solche  werden  wir  auch  geführt,  wenn  wir  die  Gleichung  dieser 
Fachen  in  der  gewöhnlichen  Form: 

schreiben. 


554  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

§  310.     Construction  eines  "Weingarten'sclien  Systems. 

Wir  wollen  nun  das  nachstehende  Theorem  beweisen,  das  eben 
das  erwähnte  Existenztheorem  ist: 

Wird  durch  jede  Krümmungslinie  ()j.  =  Const.  einer  Fläche 
Sq,  die  den  Gleichungen  (31),  (32)  und  (33)  genügt,  die  pseu- 
dosphärische Fläche  vom  Radius  Eins  gelegt,  die  Sq  ortho- 
gonal schneidet,  so  gehören  die  so  construierten  pseudosphä- 
rischen Flächen  einem  Weingarten'schen  System  an. 

Zum  Beweise  gehen  wir  auf  die  Fundamentalgleichungen  (19), 
S.  538,  zurück,  denen  die  charakteristische  Function  co(()^,  q^,  q^)  eines 
Weingarten'schen  Systems  genügen  muss,  und  zwar  schreiben  wir  sie 
hier  in  der  folgenden  Weise: 

( A  j  V, — i  —  -^ — i  =  sm  G)  cos  03  , 


(B) 


d^co  ,  dm      d^co        ,  ,        da      d^oa        ,  9       da 

?^ — tq—  =  —  tang  ö  ^      7^ — a \-  cot  (o  ^ —  ^ — k h  cos''»  -^ — : 

d^a  ,  da       d^a        .  .        da       d^a 

7, — ^ — rs —  =  —  tang  G)  1^ —  5 — ^ \-  cot  CO  ^-     „ — >s —  > 

d^a  ,  da      d^a        ,  .        da      d^a        ,       .    9      dm 

^ — i^ —  ==  —  tang  CO  X —  >s — ö r  cot  a  7^ —  75 — ^ h-  sm"'»  0— 

CQiCQ^  »        dq^Oq^dQ^  C  q^  d  q^  d  q^      '  d  q^ 


Unser  Theorem  ist  bewiesen,  sobald  wir  das  Vorhandensein  einer 
Lösung  CO  des  simultanen  Systems  (A),  (B)  nachweisen,  die  den  An- 
fangsbedingungen : 

(C)  «  =  «o;      gp^  =  ^0      (für  Q^  =  0) 

genügt. 

Nun  giebt  es  nach  dem  Cauchy'schen  Satze  sicherlich  eine  Lösung 
von  (A),  die  den  Anfangsbedingungen  (C),  welche  eben  die  Lösung  fest 
bestimmen,  genügt  *).  Es  kommt  daher  alles  auf  den  Nachweis  hinaus, 
dass  die  so  bestimmte  Lösung  a  von  (A)  auch  dem  System  (B)  genügt. 
Wir  bemerken  nun  zunächst,  dass  für  ^^  =  0  das  System  (B)  sicher- 
lich erfüllt  ist,  denn  wegen  (C)  gehen  die  letzten  beiden  Gleichungen 
in  die  Gleichungen  (33),  die  wir  als  erfüllt  voraussetzen,  über,  und 
ferner  ergiebt  sich  die  erste  Gleichung  (B)  aus  der  Combination  der 
letzten  mit  der  nach  q^  differenzierten  Gleichung  (A).  Wenn  wir  nun 
nachweisen,  dass  für  ^^  =  0  auch  alle  Gleichungen  erfüllt  sind,  die 
sich  aus  den  Gleichungen  (B)  durch  beliebig  oftmalige  Differentiation 
nach  Q^  ergeben,  so  ist  unsere  Behauptung  vollständig  bewiesen. 


*)  S.  z.  B.  Goursat,  Vorlesungen  u.  s.  w.  (S.  23  des  Originals). 


§  311.    Charakteristische  Eligenschaft  des  Linienelements  etc.  555 

§  311.     Charakteristische  Eigenschaft  des   Linienelements   einer 
Fläche  mit  constantem  Krümmungsmass. 

Die  Eigenschaft,  die  wir  jetzt  noch  zu  beweisen  haben,  hängt 
enge  mit  einer  allgemeinen  Eigenschaft  des  Linienelements  einer  Fläche 
mit  constantem  Krümmungsmass  zusammen,  auf  die  Weingarten  zuerst 
hingewiesen  hat  und  die  wir  hier  kurz  ableiten  wollen. 

Es  sei 
(36)  «„rfa;!^  -|-  2ai^dxi  dx^  -\-  a^^dx^ 

eine  quadratische  Diflferentialform  mit  nicht  verschwindender  Discri- 
minante,  deren  Krümmung  mit  K  bezeichnet  werden  möge.  Wir  unter- 
suchen, ob  es  eine  Function  ^(x^,  av)  giebt,  die  den  simultanen  Glei- 
chungen: 

^'ii  +  ^«11  ti-  =  0 ,      ^'j,  -f-  Ka^^  ^  =  0 ,      i'ii+  Ka^^  t  ==  0 

genügt,  wenn  ^»u,  ^j^,  ^»»j  die  co Varianten  zweiten  DiflFerentialquotienten 
von  ^  sind. 

Ausführlich  geschrieben  lauten  diese  drei  Gleichungen  (vgl.  S.  46,  22)): 

Z^^mh 

Wir  setzen  nun  die  Werte  einander  gleich,  die  sich  für   ^    ,p — 

ergeben,    wenn   die  erste   Gleichung  nach  x^   und  die  zweite  nach  x^ 

differenziert  werden,    desgleichen    die  beiden  Werte  für    ir—^ — ,,    die 

aus  der  Differentiation  der  zweiten  Gleichung  nach  x^  und  der  dritten 
nach  2\  folgen.  Gehen  wir  auf  die  Formeln  (11),  S.  52,  zurück  und 
berücksichtigen  wir  die  Gleichungen  (vgl.  ;V),  S.  56): 


Cffu  CO,, 

rx,         ex. 


ca,^ c 

ca\  c 


i^=|y}«.+(i?}-{v))«.-{?}«„. 


so  erhalten  wir  unter  Ausschluss  der  Losung  i^»  =  0: 

dK  dK        ^ 

«11   g^  -  «12  -^  =  0, 

cK  cK  _f. 


556  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

Daraus  folgt: 

K  =  Const. 

In  diesem  Falle  ist  das  System  (D)  unbeschränkt  integrierbar 
und  besitzt  demnach  drei  linear  von  einander  unabhängige  Lösungen. 
Also:  Damit  das  System  (D)  eine  von  Null  verschiedene  Lö- 
sung il;  besitze,  ist  notwendig  und  hinreichend,  dass  die  Dif- 
ferentialform (36)  constante  Krümmung  hat.  Dann  ist  das 
System  (D)  unbeschränkt  integrierbar. 

Ist  die  Form  (36)  definit,  so  stellt  sie  das  Quadrat  des  Linien- 
elements einer  Fläche  S  mit  constantem  Krümmungsmass  K  dar,  und 
die  Anmerkung  in  §  275,  S.  493,  lässt  uns  erkennen,  dass,  wenn  das 
Quadrat  des  Linienelements  auf  S  in  die  für  eine  Rotationsfläche 
charakteristische  Form: 

ds'  =  da^  -f  r^dß'^      (r  =  (p  (a)) 
gebracht  wird, 

ip  =  Jrda, 

die  allgemeine  Lösung  des  Systems  (D)  ist. 

Differenzieren  wir  die  Gleichungen  (D),  so  können  wir  oö'enbar 
die    dritten,    vierten    u.    s.   w.    Differentialquotienten    ip    linear    durch 

5 — 7  A —  und  ib  ausdrücken.     Wessen  der  unbeschränkten  Inteffrabilität 

des  Systems  können  auch  die  auf  einander  folgenden  Differentiationen 
nie  zu  einer  Beziehung  zwischen  i^  und  seinen  ersten  Differential- 
quotienten führen,  d.  h.:  Wie  auch  ein  Differentialquotient  höherer 
Ordnung  gebildet    werden   mag,   stets   ergiebt    sich    ein    und    derselbe 

Ausdruck  in   „^?  -—  und  t/'. 
OX-^^      ox^ 

§  312.     Abschluss  des  Beweises  des  Existenztheorems. 

Nach  dieser  Vorbemerkung  kehren  wir  zum  System  (B)  zurück, 
das  für  q^  ==  0,  wie  wir  gesehen  haben,  erfüllt  ist,  und  beweisen,  dass 
es  auch  noch  erfüllt  ist,  wenn  wir  jede  Gleichung  n  Mal  nach  ^^  diffe- 
renzieren und  dann  q^  gleich  Null  setzen.  Ist  nämlich  a9(()j,  pg;  9?) 
eine  Lösung  von  (A),  und  gehört  demnach  das  Quadrat  des  Linien- 
elements : 

ds^  ==  CQ'^^adq^  -\-  ^\v?cidQ.^ 


zu  einer  pseudosphärischen  Fläche  (X=  —  1),  so  kann  das  System  (B), 
wenn  in  ihm  statt  -^. —  ^  gesetzt  wird,  in   de 
im  vorigen  Paragraphen  geschrieben  werden: 


wenn  in  ihm  statt  >< —  ^  gesetzt  wird,  in   der  Form  des  Systems  (D) 

^9s 


§  312.    Abschluss  des  Beweises  des  Existenztheorems.  557 

g«<&      _    fl2lc^,     /  1  2 1  c $  ^ 
^^1  CQi~    \    1    i  CQi~^    \    2    i  CQt 

C*^  f22\  c^     ,      [22\  a$      ■     ^     •    ^ 

rp,-  (  1  j  fp,     '     [  2  J  <;p,     ' 

Daraus  folgt^  dass,  -wie  auch  aus  den  Gleichungen  (B)  ein  DilBFerential- 
quotient  höherer  Ordnung  gebildet  werden  mag,  stets  das  Ergebnis  ein 
und  dasselbe  ist. 

Setzen  wir  nun  Toraus,   dass    die  zu  beweisende  Eigenschaft  bis 
zur  n  —  1-ten  Differentiation  nach  q^,  d.  h.  bis 

[pl)  Xi ' '        ZT^ 

zutrifft,  so  gilt  dasselbe  auch  für  eine  nochmalige  Differentiation, 
d.  h.  für 

P"+3„  P^+S^  ?»4-3_ 

(3<*) 


Der  erste  der  Differentialquotienten  (37*)  lässt  sich  aber  mittels  der 
Gleichung  (A)  durch  den  letzten  ausdrücken;  demnach  haben  wir 
unsere  Behauptung  nur  für  den  zweiten  und  dritten  zu  beweisen.    Der 

zweite  kann  nun  in  der  Form  —  ( r-, )  geschrieben  werden,  und 

da  wir  eben  für  - — ^,  ^  ^ — ,  den  ersten  der  Differentialquotienten  (37), 

die  Behauptung  als  richtig  voi-aussetzen,  so  brauchen  wir  die  betref- 
fende  Gleichung   nur   nach  q^   zu   differenzieren,    um   die   Behauptung 

auch  für  ^ bestätigt  zu  finden.     Analog  ist: 


^«+ 1  a 
d.  h.   die  bereits   für    ;; — ^^ —    als    richtig   vorausgesetzte   Behauptung 

trifft  auch  für  zu. 

Somit  ist  der  in  §  310  ausgesprochene  Satz  vollständig  bewiesen. 

Es  dürfte  nicht  überflüssig  sein,  einige  ergänzende  Betrachtungen 
daran  anzuschliessen. 

Die  aus  dem  Cauchy'schen  Satze  sich  ergebende  Lösung  o  des 
Fundamentalsystems  (A),  (B)  ist  eine   analytische  Function  der  Ar<m- 


558  Kap.  20.    Dreifache  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

mente  q^^,  q.^,  pg-,  sie  kann  daher  in  eine  nach  Potenzen  von  q^  fort- 
schreitende Reihe: 

«  =  «0  +  «»1  ?3  +   »2  ^3'  H h   (^nQ'/'  +   •  • 

entwickelt  werden,  wo  die  Coefficienten  cOq,  co^,  •  •  •  (o„,  •  •  •  nur  von  q^ 
und  ^^  abhängen.    Der  erste  Coefficient  o^  ist  eine  Lösung  der  Gleichung: 

o — 2  Q — 2   =  Sm  (On  cos  COft 

und  hängt  von  der  pseudosphärischen  Ausgangsfiäche  ^3  =  0  ab.  Die 
folgenden  Coefficienten  cji,  co^,  ■  ■  •  (o„,  ■  ■  ■  sind  völlig  bestimmt,  wenn 
eine  von  den  Orthogonaltrajectorien  der  pseudosphärischen  Flächen  ge- 
geben ist.  Ein  Weingarten'sches  pseudosphärisches  System  ist  daher 
eindeutig  bestimmt,  sobald  eine  pseudosphärische  Fläche  des  Systems 
und  eine  von  den  Orthogonaltrajectorien  der  pseudosphärischen  Flächen 
gegeben  sind*). 

§  313.     Weingarten'sclie  Systeme,  die  eine  Kugel  enthalten. 

Wir  wollen  nun  vom  Existenztheorem  einige  Anwendungen  machen, 
und  zwar  wollen  wir  diejenigen  Weingarten'schen  pseudosphärischen 
Systeme  vom  Krümmungsmass  K=  —  l  suchen,  bei  denen  sich  unter 
den  Flächen  des  Systems  Qj^  oder  des  Systems  ^2  ®^^®  Kugel  vom 
Radius  Eins  befindet. 

Hierzu  müssen  wir  zusehen,  wann  die  Fläche  S^  in  §  308  eine 
Kugel  vom  Radius  Eins  sein  kann. 

Nach  den  Gleichungen  (32)  müssen  wir  in  diesem  Falle  ip^  gleich 
sin  coq  setzen,  worauf  die  Gleichungen  (33)  sich  auf  die  eine  Gleichung: 

- — r;"—  =  F(go)  sin  cor. 

reducieren.  Ist  F{q^)  gleich  Null,  so  kann  durch  Änderung  des  Para- 
meters   (>3 

gemacht  werden.     Das  Quadrat  (31)  des  Linienelements: 
ds^^  =  sin^  [q^  +  cpiQ^)]  dg./  +  dQ^^ 

gehört  dann  zur  Kugel  vom  Radius  Eins  und  hat  die  allgemeinste 
geodätische  Form,  d.  h.,  die  Curven  ^3  =  Const.  bilden  auf  der  Kugel 
ein  System  geodätischer  Parallelen. 

Ist  F(Qü)  grösser  oder  kleiner  als  Null,  so  kann  durch  Änderung 
des  Parameters  q^    F(q^)  gleich  Eins,  also 

*)  Vgl.  die  Abhandlung  des  Verfassei's  in  den  Atti  della  Reale  Accademia 
dei  Lincei,  4.  Serie,  4.  Bd.,  1887. 


§  313.    Weingarten'sche  Systeme,  die  eine  Kugel  enthalten.  559 

(38)  rfV  =  sin^c„r/p,r^  +  (|"f)'rf(>3' 

gemacht  werden,  wenn  coq  eine  Lösung  der  Gleichung: 


sm  a. 


ist.  Nach  dem  Ergebnis  in  §  245,  S.  444,  ergeben  sich  die  Gurren 
P2  =  Const.  auf  der  Kugel,  die  dem  Linienelement  (38)  zu  Grunde 
liegen,  als  sphärische  Indicatricen  der  Tangenten  für  die  eine  Schar 
Haupttangentencurven  einer  pseudosphärischen  Fläche.  Also  haben  wir 
gefunden : 

Die  Weingarten'schen  pseudosphärischen  Systeme  vom 
Krümmungsjnass  K=  —  1,  unter  deren  Orthogonalflächen 
sich  eine  Kugel  vom  Radius  Eins  befindet,  zerfallen  in  zwei 
verschiedene  Klassen,  die  sich  mittels  folgender  Construc- 
tionen   ergeben: 

1)  Man  ziehe  auf  der  Kugel  eine  beliebige  Schar  geodä- 
tischer Parallelen  L  und  lege  durch  jede  derselben  eine  pseu- 
dosphärische Fläche  {K  ==  —  1)  orthogonal  zur  Kugel; 

2)  Zu  einer  Schar  Haupttangentencurven  einer  pseudo- 
sphärischen Fläche  construiere  man  die  sphärischen  Indi- 
catricen L'  der  Tangenten  und  ersetze  die  Curven  L  der 
vorigen  Coustruction  durch  die  Orthogonaltrajectorien  der 
Curven  L'. 

Die  erste  Klasse  besteht  aus  Ribaucour 'sehen  Cykelsystemen,  da 
die  Kugelcurven  g^  =  Const.  Kreise  vom  Radius  Eins  sind.  Ihr  Vor- 
handensein hätte  auch  aus  den  Eigenschaften  dieser  Cykelsysteme  ge- 
folgert werden  können.  Bei  den  Systemen  der  zweiten  Klasse  dagegen 
ist  die  Flexion  grösser  als  Eins;  auf  sie  ist  daher  die  Complementär- 
transformation  anwendbar. 

Soll  allgemeiner  die  Fläche  Sq  eine  Kugel  vom  Radius  JR  sein,  so 

müssen  wir  in   den   Gleichungen  (33)    ijf^  gleich   — —*    setzen.     Dann 

erhalten  wir  zur  Bestimmung  von  coq  die  partielle  Differentialgleichung 
zweiter  Ordnung: 

U..  Jl^y  +  (  '  _  1)  pA'  =  Const. 

!n  Fall"  können  wir  auch  ah 
men,  indem  wir  jr  gleich  Null  setzen*). 


Als  besonderen  Fall*  können  wir  auch  als  Fläche  Sq  eine  Ebene  neh- 


*)  Ist  der  Eugelradius  kleiner  als  Eins,  so  kann  eine  solche  Bäcklund'sche 
Transformation  vorgenommen  werden,  dass  eine  der  Orthogonaltrajectorien  C  des 


560  Kap.  20.     Dreifache  pseudosphärisclie  Orthogonalsysteme. 

§  314.     Weingarten'sclie  Systeme  mit  positivem  constanten 
Krümimungsmass. 

Die  in  den  letzten  Paragraphen  entwickelten  Untersuchungen  über 
das  Existenztheorem  können  auch  auf  dreifache  Orthogonalsysteme,  die 
eine  Schar  von  Flächen  mit  positivem  constanten  Krümmungs- 
mass  enthalten,  angewandt  werden,  wie  wir  noch  in  Kürze  nachweisen 
wollen. 

Wir  beschränken  uns  auf  den  Fall,  dass  das  Krümmungsmass  der 
Flächen  ^3  =  Const.  in  dem  dreifachen  Orthogonalsystem  für  alle'  diese 
Flächen  dasselbe  ist,  und  setzen  der  Einfachheit  halber  K  = -\-  1  *). 
Als  ausgeschlossen  von  unseren  Untersuchungen  betrachten  wir  die- 
jenigen Systeme,  bei  denen  die  Flächen  ^3  =  Const.  Rotationsflächen 
oder  Kugeln  -vom  Radius  Eins  sind. 

Verfahren  wir  dann  wie  in  §  293,  so  sehen  wir,  dass  das  Quadrat  des 
Linienelements  des  Raumes  unter  Zugrundelegung  des  Weingarten'schen 
Systems  (p^,  q^,  q^)  in  die  Form: 

(39)  ds^  =  cosh^  C3  cIq^^  -\-  sinh.^ codQ2^  +  \pr~)  ^Qs^ 

gebracht  werden  kann,  wo  03  eine  Function  von  q^,  q^}  Qa  ist,  die 
folgenden  Gleichungen  genügt: 

(a)  '^—i  -\-  -r, — ä  +  sinh  co  cosh  w  =  0 , 

Q—s^o —    =      tffn  CO  7; —  A — „ coth  CO  1^ —  7^ — ,. cosn''  a  -^ —  ? 

(P)  \  ^ — ä — ä^  =      tgh  0)  -„ —  -K — . \-  coth  (o  ^     7. — o— } 

d^CO  .      ,  003         0^03  ,  .,  CO)         0^03  .     ,   9  3  CO 

^"  „^ —    ==  —  tgh  CO  -w—  ö — o h  coth  03  7; —  TS — 7=^ smh'^co  7^ — 

Dieselben  sind  nichts  anderes  als  die  Lame'schen  Gleichungen  für  das 
Linienelement  (39).  Wenden  wir  dann  auf  das  System  [a),  (ß)  die 
Ergebnisse  des  §  311  an,  wie  wir  es  vorhin  für  das  System  (A),  (B) 
gethan  haben,  so  sehen  wir: 

Es  giebt  unendlich  viele  Lösungen  w  des  Systems  (a), 
(/3),    die    von    vier    willkürlichen    Functionen   abhängen.      Zu 


Weingarten'schen  Systems  den  Kugelmittelpunkt  zur  Transformierten  hat  (vgl.  die 
Anmerkung  auf  S.  547).  Daraus  folgt:  Es  giebt  unendlich  viele  Weingar- 
ten'sclie Systeme,  deren  pseudosphärische  Flächen  durch  einen  festen 
Punkt  des  Raumes  gehen. 

*)  Wie  schon  in  §  307  bemerkt  worden  ist,  lässt  sich  dieselbe  Methode  auch 
in  dem  allgemeineren  Falle  anwenden,  wenn  K  mit  q^  veränderlich  ist. 


§  Sl-t.  Weingarten'sche  Systeme  mit  positivem  constanten  Krümmungsmass.     561 

jeder  solclien  Lösung  a  gehört  ein  Weingarten'sches  System 
(39)  mit  dem  Krümmungsmass  K  =  -{-  1. 

Aus  den  Gleichungen  {ß)  folgt,  dass  der  Ausdruck: 

( -)  (  ^     g'"  y  _i_  (  ^    ^^y  1  (i^y 

^'^^  \co8h to  CQi  cqJ     '    Vsiaho)  cq^cqJ     '     Xcq^' 

nur  von  q.,  abhängt  und  also  durch  Änderung  des  Parameters  g.^  gleich 
Eins  gemacht  werden  kann.  Umgekehi-t  ergeben  sich  hieraus  die  drei 
Gleichungen  (ß)  (vgl.  §  301),  die  somit  dasselbe  aussagen. 

Verfahren  wir  wie  in  §  300,  so  ergiebt  sich  der  Satz: 

Auf  den  Flächen  positiven  constanten  Krümmungsmasses 
in  einem  Weingarten'schen  System  sind  die  Aquidistanz- 
eurven  parallele  geodätische  Kreise. 

Betrachten  wir  auf  zwei  Flächen  q^  =  Const.  die  Punkte  als  ent- 
sprechend, in  denen  die  Flächen  von  ein  und  derselben  Pai-ameterlinie 
P3  geschnitten  werden,  so  ergiebt  sich  wie  in  §  294,  dass  die  (imagi- 
nären) Haupttangentencurven  auf  den  beiden  Flächen  einander  ent- 
sprechen. In  reeller  Fassung  können  wir  dieses  Ergebnis  wie  folgt  aus- 
sprechen: Auf  zwei  Flächen  ^3=  Const.  eines  Weingarten'schen 
Systems  entsprechen  einander  die  conjugierten  Systeme*). 

Schliesslich  weisen  wir  auf  eine  Eigenschaft  der  Parameterlinien  pg 
des  Weingarten'schen  Systems  hin,  die  immittelbar  aus  {y)  folgt.  Ziehen 
wir  die  Tancrenten  an  einer  solchen  Curve  und  tragen  wir  auf  diesen 
vom  Berühiimgspunkt  aus  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  die 
Längeneinheit  ab,  so  ist  der  Ort  der  Endpunkte  eine  Curve,  deren 
Bogen  gerade  gleich  ^3  ist.  Es  entsprechen  sich  demnach  die  Orts- 
curven  der  Endpunkte  durch  gleiche  Bogen. 

Zugleich  bemerken  wir:  Aus  der  Combination  dieser  Eigenschaft 
und  des  Bonnet'schen  Satzes  ergiebt  sich  (S.  473)  eine  besondere  Eigen- 
schaft der  oc^  Schar  von  Flächen  U'  mit  constanter  mittlerer  Ki-üm- 
mung,  die  den  Flächen  93  =  Const.  des  Weingai-ten'schen  Systems 
parallel  und  von  ihnen  um  die  Längeneinheit  im  positiven  oder  nega- 
tiven Sinne  entfernt  sind.  Bezeichnen  wir  nämlich  mit  x',  y',  z'  die 
Coordinaten  eines  Punktes  einer  Oberfläche  Z",  der  dem  Punkte  (ic,  y,  z) 
der  Fläche  mit  dem  Ki'iünmungsmass  K.^  -\-\  entspricht,  so  haben  wir: 

x'^x±_X^,     y'=\)±_Y^,     z=z±_Z^. 

Wählen  wir  z.  B.  das  obere  Vorzeichen  und  bilden  wir  dx'^-\-  dy"^-\-  dz'-, 
so  erhalten  wir: 


*)  Diese  zweite  Eigenschaft  gilt  allgemein,  auch  wenn  K  mit  p,  veränder- 
lich ist  (vgl.  S.  530). 

Bianchi,  BiSerentialgcoinetrie.  36 


562  I^ap.  20.   Dreifaclie  pseudosphärische  Orthogonalsysteme. 

dx-^  +  dy-  +  d,-  =  e-  {d,,^  +  d,,^)  -  ^^  ^1!|-  ^p,  ^,3  - 

-  s:^  a^g^  ^^^of^s  +  dQ,K 

Betrachten  wir  die  Fläche  E'  von  constanter,  aber  mit  q^  veränder- 
licher mittlerer  Krümmung,  so  sehen  wir,  dass  sie  sich  so  ändert,  dass 
Ähnlichkeit  in  den  kleinsten  Teilen  besteht,  während  alle  ihre  Punkte 
Bogen  von  gleicher  Länge  beschreiben. 


Kapitel  XXI. 
«-dimensionale  Räume  constanten  Krüuimuiigsmasses. 

tj-dimensionale  Räume.  —  Messung  von  Längen  und  Winkeln.  —  Geodätische 
Linien.  —  Geodätisch  parallele  Hvperflächen.  —  Geodätische  Flächen.  —  Begriff 
des  Krümmungsmasses  nach  Riemann.  —  Räume  mit  eonstantem  Krümmnngs- 
mass.  —  Abwickelbarkeit  zweier  Räume  mit  demselben  constanten  Krümmungs- 
mass  aufeinander.  —  Conforme  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes  auf  den 
euklidischen.  —  DarsteUung  der  Bewegungen  des  dreidimensionalen  hyperbolischen 
Raumes  durch  lineare  Substitutionen  bezüglich  einer  complexen  Veränderlichen 
nach  Poincare.  —  Geodätische  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes  auf  den 
euklidischen.  —  Metrik  von  Cayley.  —  Elliptischer  Raum.  —  Bewegungen  des 
dreidimensionalen  elliptischen  Raumes.  —  Schiebungen. 


§  315.    M-dimensionale  Räume. 
Wir  betrachten  n  reelle  unabhängige  Veränderliche: 

1 '      2  y   ...  d' « j 

von  denen  jede  alle  Werte  zwischen  —  oc  und  -(-  3c  annehmen  kann. 
Die  Gesamtheit  von  n  besonderen  Werten  der  Veränderlichen: 

(0)        (0)  (0) 

heisse  ein  Punkt,  und  die  Werte  .r,  (j  =  1.  2. .  .  .  ii)  mögen  die  Co- 
ordinaten  des  Punktes  genannt  werden.  Häufig  werden  wir  uns  zur 
Bezeichnung  des  Punktes  der  abkürzenden  Schreibweise: 

xP     (i=l,2.  ...n) 
bedienen.    Die  Gesamtheit  der  Punkte  möge  als  ein  «-dimensionaler 
Raum  5„  bezeichnet  werden.     Sind  die  Xi  nicht  unbeschränkt,  sondern 
nur   innerhalb    gewisser   Bereiche    veränderlich,  so    sprechen    wir   von 
einem  Gebiete  von  S». 

Wir  betrachten  nun  in  S^  die  Gesamtheit  derjenigen  Punkte, 
welche  sich  ergeben,  wenn  die  Coordinaten  ar^,  x^,  ...  x^  gleich  be- 
stimmten Functionen  von  m  Veränderlichen 

36* 


564         Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  Constanten  Krümmungsmasses. 
m  kleiner  als  n  vorausgesetzt,  gesetzt  werden,  d.  h.  wir  setzen: 

(1)  CCi  =  (pi(u^,    U^,    ...    Mm)      (i  =   1;  2,    ...    w) . 

Diese  durch  die  Gleichungen  (1)  bestimmte  Punktmenge  möge  ein 
Unterraum  von  8n  oder  eine  in  Sn  enthaltene  Mannigfaltigkeit 
und  zwar,  wenn  sich  die  g)i  nicht  durch  weniger  als  m  Veränderliche 
ausdrücken  lassen*),  eine  w-dimensionale  Mannigfaltigkeit  Vm 
genannt  werden.  Insbesondere  heisse  für  m  =  1  die  Mannigfaltigkeit 
eine  Curve,  für  m  =  2  eine  Fläche,  für  m  =  n — 1  eine  Hyper- 
fläche. 

Sind  die  Gleichungen  (1)  in  den  Ut  linear,  so  wollen  wir  Vm  einen 
linearen  Raum  nennen  und  denselben  mit  Sm  bezeichnen.  Insbeson- 
dere soll  der  umgebende  Raum  Sn  selbst  als  linear  angesehen  werden**). 

Zu  Grunde  legen  wir  der  Metrik  in  unserem  Räume  Sn  eine  qua- 
dratische Differentialform: 


ik 


(«",  li  =  \,2  .  .  .n\ 


von  der  wir  voraussetzen,  dass  sie  in  dem  ganzen  in  Betracht  kom- 
menden Raumgebiet  definit  und  positiv  sei  und  dass  ihre  Determi- 
nante a  =  \aik\  nicht  verschwinde.  Ferner  setzen  wir  voraus,  dass  die 
Coefficienten  aik  endliche  und  stetige  Functionen  der  x  seien 
und  ebenfalls  endliche  und  stetige  erste  und  zweite  partielle 
Differentialquotienten  besitzen. 

Als  Entfernung  ds  zweier  unendlich  naher  Punkte  Xi  und  Xi  -j-  dxi 
bezeichnen  wir  den  durch  die  Gleichung: 


(2) 


ds^  =  ^,  üikdxidxk 


ik 


*)  Damit  eine  derartige  Reduction  niclit  möglich  sei,   muss  bekanntlich  die 


Matrix: 


dcpi 

C(Pi 

aqpj 

Cjp^ 

du^ 

CU^ 

^«m 

^fn 

^fn 

^fn 

du^ 

du^ 

^«m 

die  Charakteristik  m  besitzen,  d.  h.  es  dürfen  nicht  alle  Unterdeterminanten  von 
der  Ordnung  m  verschwinden. 

**)  Eigentlich  ist  der  lineare  Raum  der  Synthetiker  hier  für  uns  nur  ein 
Bildraum. 


§  316.    Messung  von  Strecken  und  Winkeln.  565 

gegebenen    Ausdruck    und   nennen    ds   auch  das  Linienelement  des 
Raumes.     Betrachten  wir  demnach  in  5«  eine  Curve: 

so  ist  ihr  Bogen  von  t  =  tQ  bis  f  =  f^   durch  das  bestimmte  Integral : 


JVT^^^^-^' 


gegeben.  Bezeichnen  wir  als  Parameterlinie  x,  diejenige  Curve, 
längs  welcher  sich  nur  der  Parameter  Xi  ändert,  und  mit  dsi  das  Bo- 
genelement  derselben,  so  haben  wir  offenbar: 

dSi  =  Yä^idXi. 

§  316.    Messung  von  Strecken  und  "Winkeln. 

Nach  Erledigung  der  Längenmessung  in  Sn  gehen  wir  nun  zur 
Winkelmessung  über.  Hierzu  betrachten  wir  zwei  Linienelemente  ds 
und  ds,  die  von  einem  Punkte  x,  nach  zwei  unendlich  nahen  Punkten 
Xi  -\-  dXi  und  Xi  -\-  8xi  ausgehen,  sodass 

ds-  =-  ^  ttikdXidxt,    ds^  =  ^  an, öxidxt 

ist.     Da  der  absolute  Betrag  des  Ausdrucks: 

^1        dx.  öxj^ 

kleiner  als  Eins  ist*),  so  giebt  es  einen  vollkommen  bestimmten,  zwi- 
schen 0  und  7t  gelegenen  reellen  Winkel  co,  für  den 

^"7       dx.  6x^ 
cos  CO  =  ^  a,i-^ 


17 


*)  Um  uns  hiervon  in  einfacher  "Weise  zu  überzeugen,  haben  wir  nur  zu  be- 

2 


achten,  dass,  wenn  die  quadratische  Form:    ^  "ik^i^k  ^efinit  ist,  die  quadra- 


tische Gleichung    für  — : 

imaginäre  Wurzeln  haben  und  also 

sein  muss.     Setzen  wir 

dx.  dx. 

so  ergiebt  sich  die  obige  Behauptung. 


566  Kap.  21.    «-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

ist.  Diesen  Winkel  bezeichnen  wir  als  den  von  den  beiden  Linien- 
elementen ds  und  ÖS  oder  ihren  Richtungen  gebildeten  Winkel*). 
Bezeichnen  wir  insbesondere  mit  lo^ji  den  von  den  (positiven)  Rich- 
tungen der  betreffenden  Parameterlinien  x,,,  x.i  gebildeten  Winkel, 
so  ist: 

Bemerkt  werde  hierzu,  dass  bei  Einführung  neuer  Veränderlicher  y  an 
Stelle  der  x  und  entsprechender  Transformation  der  quadratischen 
Fundamentalform  die  vorstehend  definierten  Längen  und  Winkel  keine 
Änderung  erleiden. 

Betrachten  wir  ferner  in  8,^  eine  Mannigfsiltigkeit  F,„  und  setzen 
wir  in  (2)  für  die  x  ihre  Werte  in  den  u  ein,  so  erhalten  wir  für  das 
Quadrat  des  Linienelements  in  V,,,  den  Ausdruck: 

(3)  ds-  =  ^  baßduaduß  ; 

die  in  Vm  gemessenen  Längen  und  Winkel  stimmen  hiernach  mit  den 
im  umgebenden  Räume  Sn  gelegenen  überein. 

Eine  von  einem  Punkte  x'}.  ausgehende  Richtung  wird  durch  die 
Werte  der  n  Constanten: 

dx- 

^^  =  liJ    (^■  =  i,2,...w), 

die  wir  die  Richtungsconstanten  nennen  wollen,  bestimmt.  Sie 
sind  durch  die  Identität: 

mit  einander  verknüpft.  Betrachten  wir  zwei  von  demselben  Punkte 
ausgehende  Richtungen  |/^^  und  i,f\**)  so  erhalten  wir  für  ihren 
Winkel  to  die  Bestimmungsgleichung: 

cos  CO  =  ^  a;k&^^f^  ■ 

*)  Zur  Rechtfertigung  dieser  Definition  des  Winkels  co  weist  Beltrami 
(Parametri  differenziali ,  S.  14)  darauf  hin,  dass  die  Entfernung  Ds  zweier 
unendlich  naher  Punkte  x.-\-dx.  und  x.  -\-  dx.  (bis  auf  unendlich  kleine  Glieder 
höherer  Ordnung)  durch  die  Gleichung: 

Ds^  =   ^  a.j,  fdx-  —  8x\(dXj^  —  ^*a)  ' 

d.  h.: 

Ds*  =  ds^  -\-  Ss^  —  2ds8s  cos  w, 

gegeben  ist,  also  genau  so,  als  wenn  es  sich  um  den  gewöhnlichen  Raum  handelte. 
**)  Der  Kürze  wegen  nennen  wir  Richtung  ^.  diejenige,  welche  die  Richtungs- 
constanten ^1 ,  I2 1  •  •  •  in  ^^^- 


§  316.    Messung  von  Strecken  und  Winkeln.  567 

Sind  |1^\  ^f\  .  .  .  li"'^  m  Richtungen,    die   von  einem  Punkte   Xi 
ausgehen    und  unter  einander  unabhängig  sind   (d.  h.  nicht  in  einem 
Räume  Sr,  r  <  w»,  liegen),  so  bestimmen  sie  einen  Raum  Sm,  der  sie 
enthält.     Die   Coordinaten  der  Punkte   desselben  sind   durch  die   Aus- 
drücke: 

X,  =  X?'  +  t''th  +  l!- ",  +  •  •  ■  +  ^!'"''*™    ('■  =  1,  2, . . .  n) 

gegeben.  Die  Richtungsconstanten  einer  beliebigen  von  Xi  ausgehen- 
den Richtung  in  diesem  Räume  Sm  haben  dann  folgende  Werte: 

I,  =  Axif >  +  ^^^^  +  ■•■  +  A™li'"^    {i  =  1,  2, . . .  «), 

wo,  unter  a^  den  Winkel  der  beiden  Richtungen  |,-  ,  |,-  verstanden, 
die  A  durch  die  quadratische  Identität: 

?.,-  -\-  ?J-\ h  ;.„-  +  2;.,;.,  cos  «,,  +  ...  =  i 

mit  einander  verknüpft  sind.  Bemerkt  werde,  dass  durch  einen  (ge- 
wöhnlichen) Punkt  P  einer  Mannigfaltigkeit  F„,  m  von  einander  un- 
abhängige Richtungen  gezogen  werden  können,  die  die  Tangential- 
mannigfaltigkeit  S,„  bestimmen.  Jede  Richtung  durch  P,  die  normal 
zu  diesen  m  Richtungen  ist,  ist  es  auch  zu  allen  von  P  ausgehenden 
Richtungen  in  S^  und  soll  als  normal  zu  S,n  bezeichnet  werden.  Die 
in  P  zu  S,„  normalen  Richtungen  bilden  eine  Mannigfaltigkeit  S„  —  ,n. 
Ist  V,n  eine  Hyperfläche,  so  giebt  es  eine  einzige  solche  normale 
Richtimg. 

Haben  zwei  Hyperflächen  den  Punkt  P  gemein,  so  verstehen  wir 
unter  dem  von  ihnen  gebildeten  Winkel  denjenigen  der  beiden  nor- 
malen Richtungen,  Insbesondere  finden  wir  im  Falle  der  beiden 
Parameterflächen  Xaf  x^  für  den  von  den  normalen  Richtungen  einge- 
schlossenen Winkel  Q«,*: 

oder 


cos  Qfl 


■wo  A^  und  V  die  bekannten  Symbole  für  die  Differentialparameter 
sind  (Kap.  11,  S.  41).  Hieraus  folgt,  dass  die  Bedingung  dafür,  dass 
die  beiden  Hyperflächen: 

?7=Const.,   F=Const. 

zu  einander  orthogonal  sind,  durch  das  Verschwinden  von  V(6^,  F) 
ausgedrückt  wird. 


568  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

§  317.    Geodätische  Linien. 

Gleiclizeitig  mit  der  Messung  der  Längen  ist  auch  der  Begriff 
der  geodätischen  Linien  in  Sn  festgelegt.  Es  sind"  dieses  nämlich 
diejenigen  Curven,  welche  zwischen  zwei  beliebigen,  genügend  nahe 
angenommenen  Punkten  Ä,  B  von  S^  den  kürzesten  Weg  angeben, 
auf  dem  man  in  Sn  von  Ä  nach  B  gelangen  kann. 

Betrachten  wir  eine  geodätische  Linie  G  und  drücken  wir  die 
Coordinaten  eines  beweglichen  Punktes  derselben  als  Functionen  des 
von    einem   festen  Punkte    ab    gerechneten  Bogens   t   von    G    aus,    so 

haben  wir: 

^r:i        dx.  dxi. 

Nun  betrachen  wir  den  Bogen  der  geodätischen  Linie  G  zwischen  den 
beiden  Punkten  A  und  B,  die  den  Werten  t  =  t^,  t  =  t^  entsprechen 
mögen,  und  bringen  nach  den  Regeln  der  Variationsrechnung  zum 
Ausdruck,  dass,  wenn  statt  der  geodätischen  Linie  G  eine  andere,  un- 
endlich nahe  benachbarte  Curve  mit  denselben  Endpunkten  Ä  und  B 
genommen  wird,  die  Variation  des  Bogens  gleich  Null  ist. 
Aus  _-^ 

dt^  ^^  ^  üadXidxic 

ik 

folgt  unter  Anwendung  des  Symbols  d  für  die  Variationen: 

ikl  '  il 

Integrieren  wir  beiderseits  und  nehmen  wir  auf  der  rechten  Seite  mit 
dem  Integral 

r>  ^^        dx. 

*j  il 

eine  partielle  Integration  vor,  wobei  wir  berücksichtigen,  dass  nach  der 
Voraussetzung  die  Variationen  dxi  in  den  Grenzen  t^  und  tj^  verschwin- 
den, so  erhalten  wir: 

t,  i 

io  ia  l  ik  '  i 

Demnach  sind  die  Differentialgleichungen,  die  das  Verschwinden  von 
d  fds  ausdrücken,  d.  h.  die  Difierentialgleichungen  der  geodätischen 
Linien,  die  folgenden: 


§  317.    Geodätische  Linien.    §  318.    Geodätisch  parallele  Hyperflächen.       569 
^    "«"t        dx-         1    ^~T  ca:i.  dX;  dx.      „  ^  ^ 

W         §l2«'-ld-Ylj^-äi^    C(  =  l,2,...»). 

Unter  Einfülining  der  Christofferschen  Symbole  können  wir  sie  in 
der  folgenden  äquiralenten  Form  schreiben: 

(B)    2'-'^+2'Pr]^^"=o('=i'^'-«) 

oder,  wenn  wir  nach  den  zweiten  Differentialquotienten  auflösen,  auch 
in  der  Form: 

(B*)  ^^>^{\^}^^^o    (,  =  i,.v...O. 

Integrieren  wir  die  Gleichungen  (B)  oder  (B*)  so,  dass  für  /  =  ^o 

dXf 
die  X,-    gegebene  Werte  xf^   und  die  ersten  Differentialquotienten  -^ 

ebenfalls  beliebig  gegebene,  aber  der  Bedingung: 

genügende  Anfangswerte  |,-  annehmen,  so  ist  die  Bedingung  (4)  stets 
erfüllt,  weil  infolge  der  Gleichungen  (B) 

d   -V        ^^.-f'-^i        rv 
Tt2j''^''-dtlü  =  ^ 

ik 

ist.  Die  entsprechende  Curve  ist  somit  eine  geodätische  Linie  und  t 
ihr  Bogen.  Es  ist  demnach  klar,  dass  eine  geodätische  Linie  von  Sn 
bestimmt  ist,  wenn  ein  Punkt  xf^  derselben  und  die  Richtung  |,,  in 
der  sie  Ton  ihm  ausgeht,  gegeben  sind. 

Es  mag  bemerkt  werden,  dass,  wenn  eine  Mannigfaltigkeit  F,„  in 
Sn  eine  geodätische  Linie  von  5,  enthält,  diese  auch  geodätische  Linie 
von  Vra  ist.  Dieses  erhellt  schon  aus  der  Definition  der  geodätischen 
Linie,  kann  aber  auch  leicht  direct  auf  Grand  der  Differentialgleichungen 
nachgewiesen  werden. 


§  318.    Geodätisch  parallele  Hyperflächen. 

Wir  setzen  voraus,  es  wären  die  Parameterlinien  x^  geodätische 
Linien,  und  es  wäre  femer  der  Parameter  x^  ihr  Bogen,  gerechnet  von 
dem  entsprechenden  Schnittpunkte  mit  einer  bestimmten  Parameter- 
hvperfläche  des  Systems  x^  =  Const.,  z.  B.  mit  .i\  =  0,  sodass  die 
anderen  Hyperflächen  dieses  Systems  die  Örter  der  Endpunkte  gleicher 


570  ii-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

Bogen  sind,  die  auf  den  geodätischen  Linien  von  x^  =  0  aus  abge- 
tragen werden. 

Wenden  wir  die  Differentialgleichungen  (A)  auf  unsere  geodä- 
tischen Linien  x^  an,  so  erhalten  wir  wegen  a^^  =  1  sofort: 

(5)-  |^'=0    («  =  1,2,...«). 

Nehmen  wir  also  an,  dass  die  geodätischen  Linien  x^  zu  der  Ausgangs- 
hyperfläche x^  =  0  orthogonal  seien,  so  folgt  daraus,  da  für  x^  =  0 

a^^  =  0    (l  =  2,  3,  .  .  .  n) 

und  andrerseits  wegen  (5)  au  von  x^  unabhängig  ist,  dass  au  über- 
haupt gleich  Null  ist,  d.  h.  dass  auch  alle  übrigen  Hyperflächen 
x^  =  Gunst,  normal  zu  den  geodätischen  Linien  x^  sind.  Somit  erhalten 
wir  folgende  Verallgemeinerung  des  bekannten  Gaussischen  Satzes  auf 
S.  159: 

Werden  durch  jeden  Punkt  einer  Hyperfläche  2J  die  zu 
derselben  normalen  geodätischen  Linien  gezogen  und  auf 
diesen  von  U  aus  gleiche  Bogen  abgetragen,  so  ist  der  Ort 
der  Endpunkte  wieder  eine  Hyperfläche  U',  die  zu  den  geo- 
dätischen Linien  orthogonal  ist. 

Die  so  erhaltenen  Hyperflächen  2J'  werden  geodätisch  parallel 
zu  2J  genannt. 

Der  obige  Satz  lässt  sich  übrigens  unmittelbar  aus  dem  Gaussischen 
Satze  für  zweidimensionale  Flächen  ableiten.  Dabei  ist  nur  zu  be- 
rücksichtigen, dass,  wenn  auf  2J  eine  beliebige  Curve  l  gezogen  wird 
und  die  von  den  Punkten  von  l  ausgehenden,  zu  2J  orthogonalen  geo- 
dätischen Linien  g  gezogen  werden,  diese  eine  zweidimensionale  Fläche 
bilden,  deren  geodätische  Linien  sie  eben  sind,  und  dass  somit  der  Ort 
V  der  Endpunkte  gleicher,  von  l  aus  auf  den  g  abgetragener  Bogen 
wieder  eine  zu  den  g  orthogonale  Curve  ist. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  Ausdruck,  den  unter  der  obigen 
Voraussetzung  das  Quadrat  des  Linienelements  annimmt,  so  erhalten 
wir,  da 

an  =1,    aii=0    (1  =  2,3,...  n) 
ist: 

(6)  ds^  =  dx^^  -\-  ^  ttrsdxrdxs    (r,  s  =  2,  3,  .  .  .  w). 

Dieser  Ausdruck  soll  die  geodätische  Form  des  Linienelementqua- 
drats  heissen.  Wird  mit  dem  Symbol  A^  der  erste  Differentialpara- 
meter bezeichnet,  so  ist,  wie  wir  bemerken  wollen: 


§  319.    Geodätische  Flächen.     Riemann'sches  Krümmungsmass.  571 

Genüot  umgekehrt  eine  Function  »(x,,  x^, . ..  Xn)  der  Gleichung: 
(7)  A,^  =  1, 

so  erhellt  sofort,  dass  die  Hvperflächen  9  =  Const.  einander  geodätisch 
parallel  sind  und  dass  femer  die  geodätische  Entfernung  zwischen  zwei 
Hvperflächen  ^  =  ^o  und  »  =  »^  gerade  durch  »^  —  ^o  angegeben 
wird.  Allgemein  lautet  die  Bedingung  für  die  Parallelität  der  Hvper- 
flächen 

^=  Const., 

dass  A^U  eine  Function  von   U  allein: 

ä,u=Fiir) 

sein  muss.     In  diesem  Falle  brauchen  wir  statt  U  nur 

J  VF{U) 
als  Parameter  einzuführen,  so  erhalten  wir  Gleichung  (7). 

Wir  setzen  nun  voraus,  wir  kennen  von  der  partiellen  Difi'ereu- 
tialgleichung  (7)  eine  vollständige  Lösung  9,  die  also  ausser  der 
additiven  Constanten  in  »  noch  n  —  1  willkürliche  Constanten 

flj,  flj,  ...  a„_i 
enthält.     Da  sich  durch  Differentiation  von  (7)  nach  der  Constanten  o.- 

ergiebt,  so  ist  klar,  dass  die  Hyperflächen 

1^  =  Const. 

zu  den  Hvperflächen  0-  =  Const.  orthogonal  sind. 

Bedeuten  \,  h.  ...  hn~i  n—1  neue  willkürliche  Constanten,  so 
haben  wir  die  allgemeine  Lösung  der  Differentialgleichimg  der  geodä- 
tischen Linien  in  der  Form  (vgl.  S.  170): 

§  319.    Geodätisclie  Flächen.     Riemann'sches  Krümmungsmass. 

Wir  wollen  nun  den  wichtigen  BegriÖ'  des  Krümmungsmasses 
des  Raumes  nach  Riemann  entwickeln.  Hierzu  betrachten  wir  einen 
Punkt  l/oW"0  ^on  S„  und  zwei  von  ihm  ausgehende  Richtungen  (£|>^) 
und  (If^);  dieselben  bestimmen  ein  Büschel  von  Richtungen: 


572  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

die  in  einem  S^  liegen.  Der  Ort  der  von  Mq  längs  der  Richtungen 
des  Büschels  ausgehenden  geodätischen  Linien  ist  eine  Fläche  0,  die 
eine  geodätische  Fläche  genannt  werden  möge.  Wir  stellen  uns 
nun  die  Aufgabe,  das  Krümmungsmass  K  dieser  geodätischen  Fläche  0 
im  Funkte  Mq,  d.  h.  die  Krümmung  zu  berechnen,  die  der  binären  Diffe- 
rentialform zukommt,  welche  das  Quadrat  des  Linien elements  von  (?, 
in  Sn  berechnet,  darstellt. 

Diese  Krümmung  K  heisst  auch  das  Krümmungsmass  des 
Raumes  Sn  im  Punkte  Mq  bezüglich  der  angegebenen  Orientation  der 
betrachteten  Fläche  Ä,  • 

Werden  für  eine  belie))ige  der  betrachteten  geodätischen  Linien 
die  Coordinaten  Xi  eines  beweglichen  Punktes  derselben  nach  Potenzen 
des  Bogens  t,  den  wir  von  Mq  ab  rechnen  wollen,  entwickelt,  so  er- 
giebt  sich  wegen  der  Differentialgleichungen  (B*),  S.  569, 


(!•) 


x,  =  ^f^  +  y-^\'-^\i,l,L  + 


+2'(^2'{?}{'';}-ä^lY})"."^'T+ 

Xjiiv  h 


Auf  der  geodätischen  Fläche  6  wählen  wir  als   veränderliche  Coordi- 
naten: 

u^  =  ta,     %  =  tß, 
und  es  sei: 

(10)  ds^  =  \^du.^^  -j-  2l>.^^^du.^^dik^  -f-  \^du^ 
das  Quadrat  des  Linienelements  von  (?,  sodass  wir  haben: 

(11)  ^'•*  =  2/^«/*äfä^'     i<^,ß=l,2,...n). 

a(i  '<■         * 

Durch  Beifügen  des  Index  h  bezeichnen  wir  die  bezüglich  der 
binären  Form  (10)  gebildeten  Drei-  und  Yier-Indices-Symbole  und  ver- 
sehen der  grösseren  Klarheit  wegen  auch  die  für  die  Form 


y>,  ttrs  dXr  dXs 

gebildeten  mit  dem  Index  a.     Aus  (11)  folgt  dann  sogleich: 

(12) 

XfJLV 

dx^  dx^^  cx^         "VI         dx^^     dx^^ 
du.  duj,  duj     '    ^mJ     ^^  dui  du.du^ 

Um  nun  das  Krümmungsmass  von  6  in  M^  (vgl.  S.  52), 

(12*) 

^            (12,12), 

^1^22  -  ^2 

§  319.    Riemann'sches  Krümmungsmass.  573 

berechnen  zu  können,  brauchen  wir  die  Werte  der  Symbole     '       und 

ihrer  Differentialquotienten  in  Mq\    wir  versehen  sie  mit  dem  oberen 
Index  (0).     Aus  (9j  ergeben  sich  sofort  die  Gleichungen: 

und  setzen  wir  diese  Werte  in  (12)  ein,  so  erhalten  wir: 

rar-- 

Nach  Gleichung  (32),  S.  51,  bleibt  somit: 

und  wenn  wir  die  Gleichungen  (12)  und  (13)  heranziehen,   so  finden 
wir  nach  einigen  leichten  Umformungen: 

(14) 


V 


(12, 12)f  =  2  ^^''^  l^^V^'&^?&\ 


lutt 


wo  sich  die  Summe  rechts  über  alle  Combinationen  der  vier  Zahlen 
l,  (i,  V,  X  Ton  1  bis  n  erstreckt.  Berücksichtigen  wir  aber  die  be- 
kannten Eigenschaften  der  Yier-Indices- Symbole,  die  in  den  Relationen 
(a)  und  (b),  S.  51: 

{Xv,  (it)  =  —  (vA,  ar)  =  —  (Iv,  r.u)  =  (vX,  r.u) 
ausgedrückt  sind,  so  können  wir  Gleichung  (14)  auch  folgendermassen 
schreiben: 


(i2,i2)r=2''a''.c')"' 


fc(l)fc(2) 
5»   5» 


:(l)fc(2) 
:(l)fc(2) 


i  m":' 


wo  der  Strich  am  Summenzeichen  andeuten  soll,  dass  sich  die  Summe 
über  aUe  Combinationen  der  Wertepaare  A,  v;  ft,T,  für  die  A  <  v,  u  <  t 
ist,  erstreckt.     Andererseits  ist: 

iu  n  iu  »* 

imd  zufolge  einer  bekannten  Identität  axis  der  Theorie  der  Determi- 
nanten  können  wir  dafür  auch  schreiben: 


huh 


'11  «^22 


_  hL  =  V 


hi2  = 


Zu 


i?^P 


Setzen  wir   dieses   in  (12*)   ein,    so   erhalten  wir    die   endgiltige 
Formel: 


574         Kap.  21.   w-dimensionale  Räume  Constanten  Krümmungsmasses. 


(15) 


K 


AV/Llt 

(ii-j.fiT 

)a 

£(1)£(2) 

£(1)  £(2) 
^(1)^(2) 

£(1)  £(2) 

£(1)  fc(2) 

§  320.    Cäume  mit  constantem  Krümmungsmass. 

Wir  sagen,  der  Kaum  S„  kabe  ein  constantes  Riemann'sches 
Krümmungsmass,  wenn  das  Krümmungsmass  K  von  6  stets  den- 
selben Wert  behält,  wie  auch  der  Punkt  M^,  in  S„  gewählt  werden 
mag  und  welches  auch  die  Orientation  der  Tangentialebene  der  geodä- 
tischen Fläche  6  in  il/jj  sein  mag*).     Aus  (15)  ergiebt   sich  unmittel- 


bar: 


Die  notwendigen  und  hinreichenden  Bedingungen  dafür. 


dass  der  Raum  Sn  ein  constantes  Riemann'sches  Krümmungs- 
mass K^^  hat,  werden  ausgedrückt  durch  die  Gleichungen: 

(16)  (Av,  ^r)  =  Zo(a;.„a,t  —  a^««,.,); 

die   für  alle  Werte   der  Indices   k,  v,  ^,  r  von   1   bis  n   gelten 


müssen 


** 


Es  ist  für  das  Folgende  zweckmässig,  die  Bedingungen  (16)  in 
eine  andere  genau  äquivalente  Form  zu  bringen,  indem  statt  der  Vier- 
Indices-Symbole  erster  Art  diejenigen  zweiter  Art  eingeführt  werden. 
Bezeichnen  wir  hierzu  mit  r,  Ic,  s,  t  vier  beliebige  Indices,  wobei  wir 
voraussetzen,  dass  h  von  s  und  von  t  verschieden  sei,  so  erhalten  wir 
die  folgenden,  den  Gleichungen  (16)  äquivalenten  Gleichungen: 

(16*)  {rh,st]^0,      {rt,st]  =Koa,s. 

Zunächst  überzeugen  wir  uns  von  der  wirklichen  Existenz  w-di- 
mensionaler  Räume  mit  beliebig  gegebenem  constanten  Krümmungs- 
mass Ä(j,  indem  wir  den  Riemann'schen  typischen  Ausdruck  für  das 
Quadrat  des  Linienelements  bilden.  Zu  diesem  Zwecke  suchen  wir  den 
Gleichungen  (16)  durch  ein  Linienelementquadrat  von  der  Form: 


*)  Schur  hat  nachgewiesen  (Mathem.  Annalen,  27.  Bd.),  dass  K  nur  als  mit 
der  Orientation  von  a  um  M^  unveränderlich  angenommen  zu  werden  braucht; 
dann  ist  K  notwendig  constant,  auch  wenn  M^  sich  ändert. 

**)  Dass  die  Bedingungen  (16)  hinreichend  sind,  ist  evident.  Dass  sie  ferner 
auch  notwendig  sind,  ergiebt  sich  daraus,  dass,  wenn  wir  die  Richtung  (l,-  ) 
festlegen  und  die  Richtung  (ßf^^  sich  beliebig  ändern  lassen,  Gleichung  (15),  wenn 
darin  für  K  K^,  gesetzt  wird,  eine  homogene  quadratische  Relation  zwischen  den 
Richtungsconstanten    ^r'   ist,    die   mit  Notwendigkeit  eine  Identität   sein  muss. 


(17) 


§  320.    Ri^uMe  mit  eonsfantem  Krümmungsmass. 


575 


dB^- 


IP 


wo  U  eine  zu  bestimmende  Function  der  x  ist,  zu  genügen.  Hierzu 
bemerken  wir:  Hat  das  Quadrat  des  Linienelements  eines  Raumes  S„ 
die  orthogonale  Form: 

ds^  =  HU4  +  Hldxl  H f-  HUxI, 

und  bedeuten  r,  Je,  i.  h  vi^r  verschiedene  Zahlen  aus  der  Reihe 
1,  2,  ...  n,  so  ergeben  sich  die  Gleichungen: 


c^-H^ 


S.  ex,  ex. 


)• 


(18) 


{  (rJc,  ih)  =  0, 

^  ^  \ex^exj^        H^  cx^^  ex^ 


!■ 


1     Hj  ex^  ex^        H^  cx^  ex^       Hl  ex^  exj 

Wenden  wir  diese  Gleichungen  auf  die  Form  (17)  zur  Bildung  der 
Bedingungen  (16)  an,  so  erhalten  wir  zur  Bestimmung  von  U  die  Glei- 
chungen: 

Der  Ausdruck  für  die  allgemeine  Lösung  U  dieser  Gleichungen 
lässt  sich  leicht  angeben;  doch  genügt  es  uns  hier,  zu  bemerken,  dass 
denselben  durch 

genügt  wird.  Infolge  dessen  nimmt  das  Quadrat  des  Linienelements 
des  Raumes  Sn  mit  constantem  Krümmungsmass  Kq  die  typische  Rie- 
mann'sche  Form  an: 

rfx^  -|-  dx\  +  ••-}-  dx\ 


(19) 


ds^  = 


[i+^(-!+4+--f-DT 


Wir  bemerken  femer,  dass,  wenn  das  Krümmuncrsmass  K^  negrativ. 
gleich  — ^j,  ist,  in  welchem  Falle  wir  von  einem  pseudosphäri- 
schen Räume  vom  Radius  B.  oder  von  einem  hyperbolischen 
Räume  reden  wollen,  IJ  auch  gleich  ^,  d.  h. : 

(20)  ds-  =      ^     ^     — --^ — — ^ 


angenommen  werden  kann. 


576  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

§  321.  Abwickelbarkeit  von  Räumen  mit  constantem 
Krümmungsmass  auf  einander. 
Auf  Räume  von  constantem  Krümmungsmass  werden  wir  mit  Not- 
wendigkeit geführt,  wenn  wir  Räume  suchen,  für  welche  die  Geometrie 
eines  jeden  Gebiets  mit  derjenigen  jedes  anderen  Gebiets  identisch  ist, 
d.  h.  die  von  solcher  Beschaffenheit  sind,  dass  jede  in  ihnen  befindliche 
Figur  in  ein  beliebiges  anderes  Gebiet  desselben  Raumes  ohne  Änderung 
der  Strecken  und  Winkel  verlegt  und  auch  um  einen  festgehaltenen 
Punkt  desselben  beliebig  orientiert  werden  kann.  Um  dieses  noch  anders 
auszAidrücken,  führen  wir  die  Definition  auf  einander  abwickel- 
barer Räume  ein.  Wir  sagen  nämlich:  Zwei  w-dimensionale 
Räume  Sn  und  SÜ  sind  auf  einander  abwickelbar,  wenn  sie 
Punkt  für  Punkt  so  auf  einander  bezogen  werden  können, 
dass  entsprechende  Strecken  und  daher  auch  entsprechende 
Winkel  einander  gleich  sind,  oder  auch,  wenn  die  beiden 
Differentialformen: 

ds^  =  ^^  aiu  dxi  dxk ,     ds'^  =  ^  «a-  dx'/.  dx'k , 

i  k  i  k 

welche  die  Quadrate  ihrer  Linienelemente  darstellen,  in  ein- 
ander transformierbar  sind.  In  diesem  Falle  können  wir  uns  auch 
dahin  ausdrücken,  dass  jeder  der  vorhin  betrachteten  Räume  so  be- 
schaffen ist,  dass  ein  beliebiges  Gebiet  desselben  auf  ein  anderes  be- 
liebiges Gebiet  bei  gleichfalls  beliebiger  Orientation  um  einen  festen 
Punkt  abwickelbar  ist.  Zufolge  der  Definition  des  Krümmungsmasses 
ist  dann  klar,  dass  dasselbe  constant  sein  muss  und  dass  hierzu  nur 
angenommen  zu  werden  braucht,  dass  ein  Punkt  P  in  einen  anderen 
beliebigen  Punkt  P'  verlegt  und  ein  Winkel,  dessen  Scheitel  P  ist, 
mit  jedem  gleich  grossen  Winkel,  dessen  Scheitel  in  P'  liegt,  zur 
Deckung  gebracht  werden  kann.  Umgekehrt  aber  besteht  in  jedem 
Räume  von  constantem  Krümmungsmass  eine  Geometrie  zu  Recht,  die 
von  dem  betreffenden  Gebiete  des  Raumes  unabhängig  ist;  es  gilt  mit- 
hin auch  für  die  Geometrie  in  diesen  Räumen  das  Princip  von  der 
Deckbarkeit  der  Figuren.  Dieses  wichtige  Ergebnis  leiten  wir  aus  dem 
folgenden  allgemeinen  Satze  ab,  den  wir  jetzt  beweisen  wollen: 

Zwei  w-dimensionale  Räume  mit  demselben  constanten 
Riemann'schen  Krümmungsmass  Kq  sind  auf  einander  ab- 
wickelbar, und  zwar  in  der  Weise,  dass  ein  beliebiger  Punkt 
A  des  einen  in  einen  beliebigen  Punkte'  des  anderen  verlegt 
und  ein  orthogonales  w-eder*),  das  von  A  ausgeht,  mit  einem 

*)  Unter  einem  orthogonalen  «-eder,  das  von  A  ausgeht,  verstehen  wir  ein  System 
von  n  Richtungen,  die  von  A  ausgehen  und  paarweise  auf  einander  senkrecht  stehen. 


§  321.  Abwickelbarkeit  v.  Räomen  mit  d.  Krümmungsmass  Null  aufeinander.     577 

beliebigen  anderen,  das  von  Ä'  ausgeht,  zur  Deckung  ge- 
bracht werden  kann. 

Wir  beweisen  den  Satz  zunächst  für  den  Fall,  dass  das  Krüm- 
mungsmass gleich  XuU  ist,  indem  wir  zeigen,  dass  in  'diesem  Falle  das 
Quadrat  des  Linienelements  auf  die  typische  Form: 

dyl  -{-  dyl-\ \-  dyl 

gebracht  ]jrerden  kann,  d.  h.  dass,  wenn  für  die  definite  DifFerentialform: 

alle  Vier-Indices-Symbole  verschwinden,  n  Functionen  y  der  x  so  be- 
stimmt werden  können,  dass 

dyi-\-dyl-\ 1-  dtf„  =  ^  ürtdXrdx, 

ist*). 

Zunächst   muss   infolge    der  ChristofiFel' sehen   Formeln  (I),    S.  43, 

jedes  y  dem  System  von         J*       simultanen  Differentialgleichungen: 

(21)        ^r:E\'']M.  ('•.'•)= 1,2,-«) 

genügen.     Da  femer  allgemein 

ist,  so  ist  dasselbe  ein  unbeschränkt  integi'ierbares  System,  d.  h.  ein 
solches,  dass  der  Anfangswei-t  des  Integrals  y  und  die  Werte  seiner  n 
ersten  Differentialquotienten  willkürlich  bleiben.  Nehmen  wir  nun  n 
von  einander  verschiedene  particuläre  Lösungen  des  Systems  (21)  und 
bezeichnen  wir  mit  J  ihre  Functionaldetenninante,  d.  h.  setzen  wir: 


J  = 


cVi 


ex. 


so  erhalten  wir  sofort  die  Gleichung: 

d.  h.  (S.  45,  (20)): 

c  log  J       c  log  l^ä 

C  3C^  c  x^ 

und  hieraus  durch  Litegration: 

{22)  J=CY^     (C=Const.). 


*)  Dieses  genügt  offenbar  zum  Beweise  des  Satzes,  denn  wird  mit  den  y 
eine  orthogonale  lineare  Transformation  vorgenommen,  so  kann  dem  gewählten 
orthogonalen  «-eder  die  verlangte  Orientation  erteilt  werden. 

Biancbi,  Differentialgeometrie.  37 


578  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

Wir  brauchen  demnach  n  nur  linear  von  einander  unabhängige 
Lösungen  y  von  (21)  zu  wählen,  so  sind  sie  es  überhaupt,  worauf  wir 
2/i,  y^,  ...  yn  als  neue  Veränderliche  wählen  können.  Bezeichnen 
wir  mit: 

(23)  ds'=^^h,dy,(hj, 
die  transformierte  Form,  so  haben  wir: 

also  wegen  (22): 

h  ==  Const. 

Sind  andrerseits  ya,  y^  zwei  beliebige  Lösungen  von  (21),  so  ergiebt 
sich  leicht  (S.  41): 

^a{ya,y^)  =  Const.*), 

und  da 

'^a{ya,y^^  =  Baß 

ist,  so  sehen  wir,  dass  die  Unterdeterminanten  von  &,  also  auch  die  hik, 
constant  sind.  Wir  brauchen  somit  nur  die  Veränderlichen  y  linear 
zu  transformieren,  um 

hi=l,     hk  =  0     (i  +  /0 
zu    machen**).      Jeder    Raum    mit    verschwindendem    Riemann'schen 
Krümmungsmass,  dessen  Linienelementquadrat  auf  die  Form: 

(24)  ds^  =  dxl  -\-dxl-\ [- dxl 

gebracht  werden  kann,  mag  ein  euklidischer  Raum  genannt  werden. 
Sobald  das  Quadrat  des  Linien  Clements  auf  diese  typische  Form  (24) 
gebracht  ist,  fallen  offenbar  die  geodätischen  Linien  des  Raumes  mit 
den  Geraden  zusammen,  und  es  ist  die  Entfernung  d  zweier  Punkte  x'i 
und  x7  durch 


d  =  y  (x'i  —  X'if  -\-  {x'2  —  X'^y  H \-  (x'n  —  X'n) 

gegeben. 


*)  Beim  Beweise  berücksichtige  man  die  Identität: 

'       t  t 

**)  Auf  einem  nur  wenig  abweichenden  Wege  könnte  man  sogleich  von  An- 
fang an  die  Fundamentallösungen  i/^,  y^i  ■  ■  ■  y,   so  wählen,  dass 

V(2/;,2/i.)  =  0     {i^'k), 
also 

wäre. 


§  322.  Abwickelb.  zweier  Räume  m.  dems.  const.  Krmnmnngsmass  K^  auf  einand.  579 

§  322.     Abwickelb arkeit    zweier   Räume    mit   demselben    constanten 
Krümmiingsmass  K^  auf  einander. 

Indem  wir  nun  zu  dem  Falle  übergehen,  in  welchem  das  Krüm- 
mungsmass  eine  nicht  verschwindende  Constante  Kq  ist,  stützen  wir 
uns  auf  die  Thatsaehe,  dass,  wenn  wir  anstatt  des  Systems  (21)  das 
folgende  betrachten: 

(25)  SS-  =  V  j  'H  VL  _  ^  fl.,  xj    (i  A-  =  1,  2,  . . .  m), 

diese  J^  simultanen  Gleichungen  wieder  ein  unbeschränkt  int«- 
gri erbares  System  bilden*).  Entwickeln  wir  nämlich  die  Bedingungen 
dafür,  so  finden  wir  genau  die  Gleichungen  (16  i  wieder.  Es  lässt  sich 
also  eine  Lösung  II  von  [2o)  finden,  die  samt  ihren  n  ersten  partiellen 
Differentialquotient^n  in  einem  Punkte  von  Sn  willkürlich  gegebene 
Werte  annimmt.  Femer  ist  sehr  zu  beachten,  dass  das  System  (25) 
gegenüber  Coordinatentransformationen  Invarianteneigenschaft  besitzt, 
da  es  in  den  Bezeichnungen  für  die  covarianten  zweiten  Differential- 
quotienteu  in  der  Form: 

TJrs  ==  —  S^ürsU 

geschrieben  werden  kann. 

Sind  nun  U  und  V  zwei  verschiedene  oder  nicht  verschiedene  Lo- 
sungen von  (25),  so  ist,  wie  leicht  nachgewiesen  werden  kann: 

(26)  V(r.  V)  =  —  ^0  C^T'  +  Const.**); 
insbesondere  ist: 

(27)  A,U=  —  K^U-  +  Const. 

Es  sind  demnach  die  Hyperflächen  U  =  Const.  einander  geodätisch 
parallel  (S.  571),  und  femer  sind  sie,  wie  wir  nun  nachweisen  wollen, 
selbst  n  —  1  -  dimensionale  Räume  von  constantem  (positiven  oder  ver- 
schwindenden) Ki-ümmungsmass. 

Angenommen,  es  sei  zunächst  Kq  negativ,  gleich  — ^,  d.  h.  es 
handle  sich  um  einen  pseudosphärischen  Raum  vom  Radius  B.  Indem 
wir    dann    über   die  Anfangswerte  von  ü  und  - —  Verfügung   treffen, 

*)  Auf  den  Umstand,  dass  das  System  (25)  unbeschränkt  integrierbar  ist,  hat 
Weingarten  hingewiesen.    (Crelle's  Journal,  94.  Bd.) 

**)  Bildet  man  nämlich  irgend  einen  Differentialquotienten  -;:; —  {  V{U,  F)  -|- 
4-  K^UV},  indem  man  die  Gleichungen  (25)  sowie  die  analogen  f5r  V  berück- 
sichtigt, so  findet  man  identisch:  -^ —  {  V{U,  V)  -{-  K^UV}  =0. 

37* 


580  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

können  wir  eine  Lösung  U  von  (25)  wählen,  für  welche  die  Constante 
auf  der  rechten  Seite  von  (27)  gleich  Null,  d.  h. 

(27*)  ^f^=§; 

ist.  Indem  wir  unter  U  eine  solche  Lösung  verstehen,  wählen  wir  die 
Hyperflächen  11=  Const.  als  Parameterhyperflächen  x^  und  als  Para- 
meter x^  die  Bogen  der  zu  ihnen  orthogonalen  geodätischen  Linien, 
gerechnet  von  einer  Hyperfläche  U  ab.  Dann  nimmt  das  Quadrat  des 
Linienelements  die  geodätische  Form  (S.  570)  an: 

ds^  =  dx^^  +  ^  ars  dXr  dx^     (r,  s  =  2,  3,  .  .  .  w), 
und  es  ist   TJ  eine  Function  von  x^  allein: 

Da  letzt 

Ai  =  l,     -41.  =  0      (r+1), 

also  nach  S.  43,  (18)  und  (17), 

\ilc\  __  ra-1_        1   g«a 
1  1  J  ~  L  1  J  ~        2    aa;^ 

ist,  so  haben  wir  infolge  der  Gleichungen  (25)  mit  Notwendigkeit: 

(«)  r\x,)  =  -K,F{x,)  =  ^^^^. 


Aus  (a)  ergiebt  sich  nun: 


(ft.  ^^'^_  OTT«       ^(^^) 


Xj 


(a*)  F{x;)  =  C.e''  +  C'.e    ^ 

worin  C  und  C  Constanten  sind,   von    denen   wegen  Gleichung  (27*), 
die  nach  S.  41,  oben,  die  Form: 

annimmt,    die   eine,    sagen  wir  C,  gleich  Null  sein  muss.     Wir  kön- 
nen also  fi 

F{x;)  =  e"" 

machen,  und  es  ergiebt  sich  dann  aus  den  Gleichungen  (/3): 
wo  die  &,i  nur  von  x^,  x^,  ...  Xn  abhängen.     Somit  folgt: 

i^      n 

t?s^  =■  (^rz-j^  -f~  ^      /^  ^a-  (^^(  ^^Ä . 

2 


§  323.  Conf  omie  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes  auf  den  euklidischen.     581 

Wir  berechnen  nun  für  die  Form  der  « —  1  Veränderlichen  x^,  sc^, ...  Xn 

y,  hik dXi dxk  {i,  k  =  2,S,...ti) 

die  Vier-Indices-Symbole,  die  wir  mit  (rA',  ih)f,  bezeichnen  wollen.    Aus 
(32*),  S.  51,  folgt: 

w      (•;*■  '•*)»  -  ^"  V'-'  •■")' = [?1  [?1  -  [7l  [**1  • 

Nun  ist:  2xi 

[rh]  1     ^«rA  1        R    , 

und  femer,    weil  der  Raum  S^   ein  pseudosphärischer   vom   Radius  R 
sein  soll,  nach  (16),  S.  574:  ^^ 

1                                             e^ 
(rfc,  ih)a  =  —  j^  (ßriahk  —  «rA  a,i)  = jgy  (hrihk  —  Kh  bit) . 

Setzen  wir  diese  Werte  in  (y)  ein,  so  erhalten  wir: 
(rJc,  ih)ö  =  0. 
Es  gehört  also  die  Form: 

X.,  hkdxidxk     (i,  Ji  =  2,o,  ...  n) 

zu  einem  Räume  mit  verschwindendem  Riemann'schen  Krümmungsmass 
und  kann  daher  (S.  578)  auf  die  typische  Form: 
dy^'-{-dy,'-{----\-dy^' 
gebracht    werden.      Wir    haben    somit    das    Linienelementquadrat    des 
pseudosphärischen  Raumes  S„  auf  die  Form  gebracht: 

ds'  =  dx,'  +  e  ^  {dy,'  +  rfya'  +  ■  •  •  +  dyj) 
oder,  wenn  wir  x, 

setzen  und  die  übrigen  t/;  durch  Ryi  ersetzen: 

R'ißyl  +  rfy|  +  •  ■  ■  +  dyl) 
ds^  = z } 

welches  die  typische  Form  (20),  S.  575,  ist. 

§  323.    Conforme  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes  auf  den 

euklidischen. 

Nachdem  durch  das  vorstehende  Verfahren  unser  Satz  für  den 
Fall  der  pseudo sphärischen  Räume  nachgewiesen  ist,  dürfte  es  nicht 
ohne  Interesse  sein,  die  nachstehenden  Bemerkungen  über  die  anderen 


582         Kap.  21.    n-dimensionale  Räume  constanten  Krümmuno;smasses. 

Lösungen  U  des  Systems  (25),  für  welche  die  Constante  auf  der  rech- 
ten Seite  der  Gleichung  (27)  von  Null  verschieden  ist,  anzuknüpfen. 

Durch  Integration  der  Gleichung  (a)  in  der  Gestalt  (a*)  erhalten 
wir  zwei  neue  Fälle,  die  wesentlich  von  einander  verschieden  sind,  je 
nachdem  die  vorhin  erwähnte  Constante  negativ  oder  positiv  ist,  näm- 
lich im  ersten  Falle: 

F{x-^)  =  sinh  -^j 
im  zweiten  Falle : 

F{x^  =  cosh  pi  • 
Demnach  ergiebt  sich  bezüglich: 

I)  ds^  =  dx^  -\-  sinh^  -^  ^  hndxrdx^ 

X    ^>^  (^;S  =  2,  3,  •••>*), 

II)  ds^  =  dx^  -\-  cosh^  -^-    y^  hrsdXrdXs 

wo  die  hrs  beide  Male  von  x^  unabhängig  sind.  Da  wir  aus  den 
Werten  für  die  Ausdrücke: 

(rh,  ih)a  —  sinh^  -vy  (rTc,  ih)b , 

{rh,  ih)a  —  cosh^-^  (rk,  ih)ö 
bezüglich  erhalten: 

(rJc,  ih)o  =  -^  (bri'bhk  —  Kuhk), 

{rJc,  i}i)b  =  —  ^  (Kihk  —  hrhlik) , 

so  erhellt  nach  (16),  S.  574,  dass  die  Hyperflächen  x^  =  Const.  wieder 
n  —  1-dimensionale  Räume  von  constantem  Riemann'schen  Krümmungs- 
mass  sind,  doch  hat  dasselbe  im  Falle  I)  einen  positiven,  im  Falle  II) 
einen  negativen  Wert, 

Wir  wollen  noch  hinzufügen,  dass  für  die  typische  Form  (20)  des 
Linienelementquadrats  im  pseudosphärischen  Räume  die  allgemeine  Lö- 
sung ü  des  Systems  (25),  wie  sich  leicht  nachweisen  lässt,  bis  auf 
einen  constanten  Factor  durch  folgenden  Ausdruck  gegeben  ist: 

(28)     U=^  [y,'  +  (y,  -  qf  +  (y,  -  c.f -}-■■■  ^  (y^  -  c.f  +  C] , 

wo  C.2,  ...  Cn,  C  willkürliche  Constanten  sind. 
Da  sich  nun 

A  r—T  _i^ 

ergiebt,  so  sehen  wir,   dass  das  Vorzeichen  des  Krümmungsmasses  der 


§  324.    Geometrie  im  hjrperbolischen  Räume.  583 

Integralhrperflächen  U  =  Const.  mit  demjenigen  der  Constanten  C 
in  (2S)  übereinstimmt,  während  im  Falle  C  =  0  die  Hyperflächen 
U=  Const.  das  Krümmungsmass  Xiül  besitzen,  wie  wir  gesehen  haben. 
Indem  wir  endlich  zum  Beweise  des  in  §  321  angeführten  Satzes 
für  den  Fall:  ^ 

^0  =  +  ^ 

übergehen,  woUen  wir  annehmen,  er  sei  bereits  für  ti  —  1  Dimensionen 
bewiesen,  und  dann  zeigen,  dass  er  auch  für  n  Dimensionen  gültig  ist. 
Dann  ist  er  allgemein  nachgewiesen  mit  Rücksicht  darauf,  dass  er  für 
zwei  Dimensionen  richtig  ist  (Kap.  VII,  S.  187). 

Xun  ergiebt  sich  mittels  ganz  analoger  Betrachtungen  wie  zu  Be- 
ginn des  vorigen  Paragraphen,  dass,  wenn  wir  als  Parameterhyper- 
flächen Xi  =  Const.  ein  Integralsyst^m  von  (25)  wählen,  wir  das 
Quadrat  des  Linienelements  hier  auf  die  Form: 

ds^  =  dx^-  -\-  sin-  ~  ^ hrtdxrdx,      (r,  s  =  2,  3, . . .  n) 

bringen  können,  worin  die  6r*  wie  gewöhnlich  von  x^  unabhängig  sind. 
Da  wir  andrerseits  erhalten: 

{rlc,ih)b  =  ^(prilhh  —  'brhbik)j 

so  sehen  wir,  dass  die  Hyperflächen  a;,  =  Const.  n  —  1-dimensionale 
Räume  mit  constantem  positiven  Riemann'schen  Krümmungsmass  sind. 
Somit  ist  der  Beweis  unseres  Satzes  für  n  Dimensionen  auf  den  für 
n  —  1  Dimensionen  zurückgeführt  und  kann  als  erledigt  gelten.  Durch 
wiederholte  Anwendung  desselben  Verfahrens  erhalten  wir  offenbar 
schliesslich  folgende  typische  Form  für  das  Quadrat  des  Linienelements: 

ds-  =  B-[dy^-  +  sin^j^dtj^-  +  sin^i/^  sin- y^dy^-  ^ \-  sin-y^  sin-y^  ■  ■  ■ 

•  •  •  sin-yn^idyn-  j  • 

§  324.    Geometrie  im  hyperbolisclien  Räume. 

Wir  wollen  uns  nun  kurz  mit  der  hyperbolischen  Geometrie, 
d.  h.  der  Geometrie  in  den  psendosphärischen  Räumen,  be- 
schäftigen. Wir  gehen  zu  diesem  Zweck  auf  die  tvpische  Fonn  (20) 
für  das  Linienelement,  S.  575,  zurück.  Setzen  wir  darin  der  Einfach- 
heit halber  R  gleich  Eins,  so  erhalten  wir: 

(29)  ds'=—^-^ — '-^^ 2:_^. 

•"'1 

Wir  betrachten  Xj^,  x^,  . . .  Xn  als  (Cartesische  orthogonale)  Co- 
ordinaten  eines  Punktes  im  Räume    mit   dem  Kjümmunofsmass   Null, 


584  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

oder,   wie  wir  sagen  wollen,  in  dem   euklidischen  Räume,   in  dem 
das  Quadrat  des  Linienelements  die  Form: 

ds^  =  dx^  -\-  dx^  +  •  •  •  +  dx,^ 
hat.  Dann  definiert  Gleichung  (29)  eine  con forme  Abbildung  des 
pseudosphärischen  Raumes  auf  den  euklidischen.  Die  reellen  Punkte 
des  ersten  haben  zu  Bildpunkten  im  zweiten  Punkte,  die  alle  auf  der- 
selben Seite  der  Hyperebene  :r^  =  0  liegen.  Um  die  Begriffe  zu 
fixieren,  wollen  wir  annehmen,  dass  dieses  Gebiet  dasjenige  sei,  in  dem 
rTj  >  0  ist. 

Integrieren  wir  nunmehr   alle  Differentialgleichungen    der   geodä- 
tischen Linien,  welche  hier  die  Form: 

d^x^         2  dx^  dXj. 

■Js^-x^^Ti        {r^2,3,...n) 

annehmen,    bezeichnen  wir  mit   Cg,  C3,  .  .  .  c„;   a^,  a^,  .  .  .  an    2n  —  2 
willkürliche  Constanten  und  setzen  wir: 


d^x^ 


(30)  c==yc,'  +  c,'  +  ----^Cn', 

so  erhalten  wir  das  folgende  System  von  Integralgleichungen*): 

(31) 


cosh  s 


D.  h.:  Die  Bilder  der  geodätischen  Linien  des  pseudosphäri- 
schen Raumes  sind  Kreise**),  die  zu  der  Grenzhyperebene 
x^  =  0  orthogonal  sind.  Umgekehrt  ist  jeder  solcher  Kreis 
das  Bild  einer  geodätischen  Linie.  Wie  wir  sehen,  haben  wir 
so  die  Abbildung,  die  uns  im  16.  Kapitel  zum  Studium  der  Geometrie 
auf  den  pseudosphärischen  Flächen  diente,   auf  ^^-dimensionale  Räume 

*)  Bemerkt  werde,  dass,  wenn  die  c-  sämtlich  gleich  Null  wären,  die 
Gleichungen  (31)  des  Textes  ihren  Sinn  verlieren  würden.  Dann  wäre  aber  offen- 
bar das  Bild  der  geodätischen  Linie  eine  zur  Grenzhyperebene  senkrechte  Gerade. 
**)  Unter  einem  Kreise  des  euklidischen  Raumes  verstehen  wir  natür- 
lich eine  ebene  (in  einem  S^  gelegene)  Curve,  deren  Punkte  von  einem  festen 
Punkte  der  Ebene  (dem  Mittelpunkte)  gleich  weit  entfernt  sind.  Dass  die  durch 
die  Gleichungen  (31)  dargestellte  Curve  diese  Eigenschaft  besitzt,  ergiebt  sich  in 
der  einfachsten  Weise  dadurch,  dass  durch  Einführung  eines  neuen  Coordinaten- 
systems  die  Gleichungen  des  Textes  auf  die  Form : 

*  COshs  2  o         1         3  4  n 

gebracht  werden  können. 


§  324.    Geometrie  im  hyperbolischen  Räume.  585 

ausgedehnt.  Wiederholen  wir  die  Betrachtungen  zu  Beginn  dieses 
Kapitels,  so  ergiebt  sich  auch  hier: 

Zwei  Punkte  des  hyperbolischen  Raumes  bestimmen  stets 
eine  geodätische  Linie,  die  sie  verbindet.  Ihre  Entfernung 
ergiebt  sich  als  der  Logarithmus  des  Doppelverhältnisses, 
das  auf  dem  Bildkreise  der  geodätischen  Linie  die  beiden 
Bildpunkte  mit  den  beiden  Schnittpunkten  des  Kreises  und 
der  Grenzhyperebene  bilden. 

Wir  betrachten  nun  eine  Hypersphäre  2r„_i  des  Bildraumes, 
deren  Mittelpunkt  in  der  Grenzhyperebene  a\  =  0  liegt,  d.  h.  eine 
Hyperfläche  mit  der  Gleichung: 

X,'  +  (x,  -  c,y-  +  (^3  -  O'  +  •••  +  (^-  -  Cnf  =  r^ 
(c^,  Ca,  .  .  .  c„,     r  =  Const.). 

Schneiden  wir  2?„_i  mit  einer  zu  r^  =  0  senkrechten  Hyperebene, 
so  ist  der  Schnitt  eine  sphärische  Mannigfaltigkeit  2r„_2,  deren  Mittel- 
punkt in  dem  Schnittraume  R„—i  der  beiden  Hyperebenen  liegt.  Schnei- 
den wir  wieder  mit  einer  zur  Grenzhyperebene  senkrechten  Hyperebene, 
so  ergiebt  sich  eine  in  einem  E„^i  gelegene  sphärische  Mannigfaltigkeit, 
deren  Mittelpunkt  in  dem  B„-3  liegt,  den  I?„_2  mit  x^  =  0  gemeinsam 
hat.  So  können  wir  fortfahren.  Kommen  wir  schliesslich  auf  diese  Weise 
zu  den  Kugeln  Z^,  so  ist  klar,  dass  auf  jeder  von  ihnen  doppelt  unendlich 
viele,  zur  Grenzhyperebene  orthogonale  Kreise  liegen.  Sie  stellen  folg- 
lich geodätische  Flächen  des  hyperbolischen  Raumes  dar,  und  daraus 
ergiebt  sich  die  folgende  Eigenschaft,  die  auch  als  für  die  Räume  mit 
constantem  Krümmungsmass  charakteristisch  nachgewiesen  werden 
könnte*): 

Jede  geodätische  Fläche  enthält  doppelt  unendlich  viele 
geodätische  Linien  des  Raumes,  ist  also  geodätische  Fläche 
bezüglich  aller  seiner  Punkte. 

Hiemach  schon  ist  klar,  dass  das  Krümmungsmass  dieser  geodä- 
tischen Flächen  constant  und  gleich  dem  des  Raumes  ist.  Ebenso  ist 
klar,  dass  die  mehrdimensionalen  sphärischen  Mannigfaltigkeiten 
2^3,  27j,  .  .  .  2r„_i,  die  wir  vorhin  betrachtet  haben,  geodätische  Man- 
nigfaltigkeiten des  hyperbolischen  Raumes  darstellen,  d.  h.  Mannig- 
faltigkeiten, die  von  geodätischen  Untermannigfaltigkeiten  gebildet 
werden,  und  zwar  von  solchen,  die  von  einem  Punkte  tangential  an 
einen  JR3,  B^,  u.  s.  w.   ausgehen.     Ferner  ist  klar,   dass  solche  geodä- 


*)  S.  Schur,  über  Bäume  constanten  Krümmongsmasses  (Mathem.  Annalen, 
27.  Bd.,  S.  172  und 


586  Kap.  21.    n-dimensionale  Eäume  constanten  Krümmungsmasses. 

tische  Mannigfaltigkeiten    selbst  Räume    mit   constantem  Krümmungs- 
mass,  und  zwar  mit  demselben,  wie  der  umgebende  Raum,  sind. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  darauf  hinweisen,  dass  infolge  Gleichung 
(28)  des  vorigen  Paragraphen  jede  Hypersphäre  des  Bildraumes  eine 
Hyperfläche  mit  constantem  Krümmungsmass  K  des  hyperbolischen 
Raumes  darstellt,  und  zwar  ist  K  positiv  oder  negativ,  je  nachdem  die 
Hypersphäre  die  Grenzhyperebene  schneidet  oder  nicht,  während  es  für 
alle  die  Grenzhyperebene  berührenden  Hypersphären  gleich  Null  ist. 
Letztere  stellen  die  sogenannten  Grenzhypersphären  des  hyper- 
bolischen Raumes  vor. 


§  325.    Bewegungen  des  dreidimensionalen  hyperbolisclien  Raumes. 
Ein  ?^  -  dimensionaler  hyperbolischer  Raum  gestattet  nach  dem  Satze 

n{n+l) 

in  §  321,  S.  576,  oo  ^  Abwicklungen  auf  sich  selbst,  die  wir  auch 
Bewegungen  des  Raumes  nennen  wollen.  Für  den  Fall  w  =  2  haben 
wir  schon  im  16.  Kapitel  die  analytische  Darstellung  dieser  Bewegungen 
mittels  der  linearen  Substitutionen  mit  reellen  Coefficienten  be- 
züglich einer  complexen  Veränderlichen  s  gegeben.  Wir  wollen  jetzt 
die  entsprechende  Aufgabe  für  den  dreidimensionalen  Raum  lösen  und 
so  die  von  Poincare*)  angegebenen  Formeln  ableiten. 

Bei  jeder  Bewegung  des  dreidimensionalen  hyperbolischen  Raumes 
in  sich  muss  die  Grenzebene  als  Ort  der  unendlich  fernen  Punkte  in 
sich  übergehen.  Da  ferner  zwei  zur  Grenzebene  orthogonale  Kugeln 
in  zwei  andere  ebensolche  übergehen  müssen,  die  sich  unter  demselben 
Winkel  Avie  die  ursprünglichen  schneiden,  so  ist  klar,  dass  die  dabei 
stattfindende  Transformation  der  Grenzebene  conform  sein  und  Kreise 
wieder  in  Kreise  überführen  muss.  Sie  ist  also  eine  Kreisverwandt- 
schaft. 

Bezeichnen  wir  mit 

(32)  ds'  =  '^-^±^^+^ 

das  Quadrat  des  Linienelements  im  hyperbolischen  Räume  und  breiten 
wir  in  der  Grenzebene  ^  =  0  die  Werte  der  complexen  Veränderlichen 
s  =  ^  -\-  iri  aus,  so  sehen  wir  (S.  82),  dass  jeder  Bewegung  des  hyper- 
bolischen Raumes  in  sich  eine  lineare  Substitution  bezüglich  der  com- 
plexen Veränderlichen  s: 

(33)  ^'  =  ^^ 


Sur  les  Groupes  Kleineens  (Acta  Mathematica,  3,  Bd.,  S.  49). 


§  325.   Bewegungen  des  dreidimensionalen  hyperbolischen  Raumes.       587 

oder  bezüglich  der  conjugirten  Veränderlichen  Zq-. 

(33*)  /  =  ^^^ 

entspricht.  Wenn  wir  uns  aber  zunächst  auf  die  Betrachtung  der- 
jenigen Bewegungen  beschränken,  welche  in  stetiger  Weise  durch  un- 
endlich kleine  Bewegningren  erzeuort  werden  können,  so  erhellt,  dass  wir 
Gleichung  (33*),  da  sie  keine  infinitesimalen  Substitutionen  enthält, 
auszuschliessen  haben. 

Um  nun  die  Gleichungen  zu  finden,  welche  die  Coordinaten  |,  »j,  ^ 
eines  Punktes  P  und  diejenigen  |',  rf,  ^  des  Punktes  P',  in  den  P  bei 
der  zu  ( 33j  gehörigen  Bewegung  übergeht,  verknüpfen,  haben  wir  mit 
Poincare  nur  folgendermassen  zu  verfahren.  Die  zur  Grenzebene  ortho- 
gonalen und  durch  P  gehenden  Kugeln  gehen  in  ebenfalls  zur  Grenz- 
ebene orthogonale  und  durch  P'  gehende  über.  Sei  in  den  üblichen 
Bezeichnungen  (S.  82,  Anmerkung): 

(a)  .4/<  +  B/  +  B,z,'  -\-C  =  0 

die  Gleichung  des  Äquators  einer  dieser  Kugeln  durch  P'  in  der  Grenz- 
ebene, so  ist,  wenn 

9  -  =  I     +  »/  -  +  S 
gesetzt  wird: 

(a*)  äq"--^  Bz  +  B,z^  +  C  =  0 

die  Gleichung  der  Kugel  selbst. 

Durch  die  Substitution  (33)  geht  der  Kreis  (a)  in  den  nachstehen- 
den über: 

{Aaa^  +  ^«^0  +  BqKqY  +  Cyy^zz^  + 

+  {Auß,  +  Bad,  -f  B,ß,Y  +  Grd,)z  + 
+  {Aa,ß  +  B^cc^d  4-  Bßy,  -f-  Cy,8)z,  + 
+  Aßß,  -f  Bßd,  -f  B,ß,8  +  Cöd,  =  0. 

Da  die  Kugel,  die  diesen  Kreis  als  grössten  hat,  durch  P  geht, 
müssen  wir  haben: 

A{aa,Q^  +  aß^z  +  a^ßz,  -f  ßß,)  + 

-f  Biay.Q^  +  a8,z  -j-  ßy,z,  +  ß8,)  + 
-f  B,{a,yQ^  -f  «o^-^o  +  ßoY^  +  ßo^)  + 
+  C(yy,Q'  +  VK^  +  n^-^o  +  ^^o)  =  0. 

Immer,  wenn  A,  B,  C  der  Gleichung  (a*)  genügen,  müssen  sie 
auch  der  letzten  genügen.  Daraus  ergeben  sich  durch  Vergleichen  die 
Formeln  von  Poincare: 


588  Kap.  21.    n-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 


(34) 


yyo9*  +  y^o^  +  y«^^^o  +  «^^o ' 
.. '  ^  «oyp'  +  «o^g„  +  Pgyg  +  ^o^ 
^°       yyoe*  +  y«5o2  +  yo*'2'o +  *A  * 
Wird,  wie  es  erlaubt  ist, 

a8  —  ßy  =  1 
angenommen,   so   können  wir  neben  diesen  Gleichungen  die  folgende, 
die  sich  dann  ergiebt,  setzen: 

(34*)  r-  ^ 


yyoP*  +  y^o^  4-  yo'^^o  +  ^*o 
Umgekehrt  ist  leicht  ersichtlich,  dass  zu  jeder  linearen  Substitution  (33) 
eine    Bewegung    des    hyperbolischen  Raumes    gehört.     Dazu    brauchen 
wir  nur  zu  beachten,  dass  dieses  für  die  drei  Elementarsubstitutionen: 

z  ==  ^  -\-  a,     z  =  KZ,     z  =  - 

z 

zutrifft  und  dass  ferner  jede  andere  Substitution  in  drei  aufeinander- 
folgende je  einer  Art  zerlegbar  ist, 

§  32(3.    Einteilung  der  Bewegungen  des  hyperbolisclien  Raumes. 

Um  die  Bewegungen  des  hyperbolischen  Raumes  entsprechend  den 
linearen  Substitutionen  (33),  in  denen  wir 

ad  —  ßy  =  1 

voraussetzen,  zu  classificieren,  bemerken  wir  Folgendes:  Die  Substitu- 
tion (33)  hat  in  der  Grenzebene  zwei  feste  Punkte  A  und  JB,  die  wir 
zunächst  als  getrennt  annehmen  wollen.  Der  zur  Grenzebene  senk- 
rechte Kreis,  der  über  AB  als  Durchmesser  beschrieben  wird,  stellt 
eine  geodätisclie  Linie  des  hyperbolischen  Raumes  vor,  die  sich  in  sich 
selbst  verschiebt  (Bewegungsaxe). 

Nun  unterscheiden  wir  zwei  Fälle,  je  nachdem  es  bei  der  Be- 
wegung eine  geodätische  Fläche  giebt,  die  sich  in  sich  selbst  verschiebt, 
oder  nicht.  Im  ersten  Falle  sind  wir  wieder  zu  der  Classification  der 
Bewegungen  einer  pseudosphärischen  Fläche  in  sich  gelangt  und  teilen 
dieselben  weiter  in  bezgl.  elliptische,  hyperbolische  und  parabolische*). 
Schleift  dagegen  keine  geodätische  Fläche  auf  sich,  so  mag  die  Be- 
wegung eine  loxodromische  genannt  werden. 

*)  Vgl.  Kap.  XVI,  §  2;31  u.  f. 


§  326.    Einteilung  der  Bewegnngen  des  hyperbolischen  Raumes.         589 

Um  aus  den  Coefficienten  von  (33)  zu  erkennen,  zu  welcher  Art 
die  entsprechende  Bewegung  gehört,  brauchen  wir  nur  daran  zu  er- 
innern, dass  für  zwei  affine  Substitutionen  die  Summe  a  -{-  ö  dieselbe 
ist.  Schleift  nun  bei  der  Bewegung  eine  geodätische  Fläche  auf  sich, 
so  können  wir  diese  Bewegung  durch  eine  affine  ersetzen,  bei  der  die 
Ebene  ?;  =  0  auf  sich  schleift.  Die  zugehörige  Substitution  erhält 
dann  reelle  Coefficienten,  und  da  dann  eben  die  complexe  Veränderliche 

^  -\-  it,  in  der  Ebene  i^  =  ö  derselben  Substitution  (  '  U  unterworfen 
ist,  so  erhalten  wir 

eine  elliptische     Substitution  für  (a  -\-  Sy  <i4, 
„     parabolische  „  »     (''^  ~f~  ^Y  =^  '^^ 

„     hyperbolische  „  „     (a  -\-  öy  >  4. 

Bei  der  ursprünglichen  Substitution  ist  also  die  Invariante  a-\-8 
reell,  und  die  Substitution  ist,  je  nachdem  einer  der  obigen  drei  Fälle 
vorliegt,  elliptisch,  parabolisch  oder  hyperbolisch.  Umgekehrt,  ist  fc-\-  ö 
reell,  so  gehört  die  betreffende  Bewegung  einem  dieser  drei  Typen  an. 
Denn   die   zugehörige    Substitution    kann    durch    eine    affine   von    der 

Form*):  /  =  -jrZ  (ad  =  1)    ersetzt  werden;    da  jedoch  a  -\-  ö    reell 

ist,  so  sind  u  und  d  entweder  selbst  reell  oder  conjugiert  imaginär  mit 
dem  absoluten  Betrage  Eins.  Im  ersten  Falle  ist  die  Bewegung  hyper- 
bolisch, im  zweiten  elliptisch. 

Fassen  wir  nunmehr  zusammen,  so  können  wir  sagfen: 

Wir  haben  eine  loxodromische  Bewegung,  wenn  u  -\-  d  complex 
ist,  dagegen  ist  für  reelles  u  -\-  d  die  Bewegung  elliptisch,  parabolisch 
oder  hyperbolisch,  je  nachdem  (a  -\-  öY  <i  4,  =4  oder  >  4  ist**). 

Femer  bemerken  wir:  Da  bei  einer  elliptischen  Bewegung  für 
eine  gewisse  geodätische  Fläche  eine  Rotation  um  einen  ihrer  Punkt« 
stattfindet,  so  bleiben  alle  Punkt«  der  in  diesem  Punkte  zur  Fläche 
orthogonalen  geodätischen  Linie  fest,  und  die  Bewegung  ist  eine  blosse 
Rotation  um  diese  geodätische  Axe. 

Zusammen  mit  den  soeben  betrachteten,  der  Gleichung  (33)  ent- 
sprechenden Bewegungen,  die  wir  Bewegungen  erster  Art  oder  direct 
nennen  wollen,  können  wir  auch  diejenigen  betrachten,  die  (33*)  ent- 
sprechen und  die  wir  als  Bewegungen  zweiter  Art  oder  invers 
bezeichnen  wollen.     Bei  ihnen  sind  zwei  entsprechende  Figuren  nicht 


*)  Hierbei  ist  der  Fall  ausgeschlossen,  dass  die  beiden  festen  Punkte  der 
Substitution  in  der  Grenzebene  zusammenfallen;  dann  aber  wäre  die  Substitution 
parabolisch. 

**)  Wohlverstanden  ist  immer  ad  —  (3y  =  1  vorausgesetzt. 


590  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

direct,  sondern  invers  congruent.  Die  zugehörigen  Formeln  ergeben 
sich  offenbar  aus  (34)  durch  Vertauschung  von  z  mit  Zq.  Unter  den 
Bewegungen  zweiter  Art  sind  diejenigen  mit  der  Periode  2  zu  unter- 
scheiden, die  Spiegelungen  genannt  werden  und  in  zwei  Unter- 
gattungen zerfallen.  Diejenigen  der  ersten  Gattung  sind  im  Bildraume 
Inversionen  mittels  reciproker  Radienvectoren  bezüglich  einer  Kugel, 
deren  Mittelpunkt  in  der  Grenzebene  liegt,  oder  es  sind  im  hyper- 
bolischen Räume  Symmetrien  bezüglich  der  entsprechenden  geodätischen 
Flächen.  Die  Spiegelungen  der  zweiten  Gattung  ergeben  sich  durch 
Combination  einer  Spiegelung  erster  Gattung  mit  einer  Rotation  vom 
Betrage  it  um  eine  zur  spiegelnden  geodätischen  Fläche  senkrechte 
geodätische  Axe, 

§  327.    Geodätisclie  Abbildung  des  hyperbolischen  Eaumes. 

Aus  der  in  den  voraufgehenden  Paragraphen  benutzten  conformen 
Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes  auf  den  euklidischen  können  wir 
leicht  eine  andere  ableiten,  die  bei  den  Untersuchungen  Beltramis 
über  Räume  mit  constantem  Krümmungsmass  als  Ausgangspunkt  ge- 
dient hat  und  als  geodätische  Abbildung  des  hyperbolischen  Rau- 
mes auf  den  euklidischen  bezeichnet  werden  kann*).  Bei  ihr  haben 
nämlich,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  die  geodätischen  Linien  des 
hyperbolischen  Raumes  auch  geodätische  Linien  des  euklidischen,  also 
Geraden,  zu  Bildern. 

Wir  betrachten  den  w  -j-  1  -  dimensionalen  hyperbolischen  Raum 
vom  Krümmungsmass  K^=  —  1,  dessen  Linienelement  durch: 

(35)  .     ds''  =  "    \ — ^^—^ 

Xq 

bestimmt  ist.     Die  Hypersphäre  im  euklidischen  Bildraume: 

(36)  a^o'  +  ^i'  H h  ^«'  =  «'      («  =  Const.) 

stellt  eine  geodätische  Hyperfläche  (§  324),  d.  h.  einen  w-dimensionalen 
hyperbolischen  Raum  vom  Krümmungsmass  K  =  —  1  vor.  Die  geo- 
dätischen Linien  dieses  Raumes  sind  auch  geodätische  Linien  des  um- 
gebenden w  -f- 1  -  dimensionalen  Raumes  und  als  solche  durch  die  Glei- 
chungen (31),  S.  584,  gegeben: 
1 


(37) 


"         cosh  s 
c 

^r  =  ^  ig^  S  -\-  ttr,       C-  ===  C^^  -{-  C./  -\ [-  cj 


*)  Zur  Ableitung  dieser  geodätischen  Abbildung  könnten  wir  uns  auch  einer 
ähnlichen  Methode  wie  in  §  241  (S.  435)  unter  Erweiterung  auf  höhere  Räume 
bedienen. 


§  327.    Geodätische  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes.  591 

Hiei-zu  sind  in  unserm  Falle,  damit  die  geodätische  Linie  im  Räume : 

^o'  +  ^i'  H r  ^«"  =  «- 

liege,  noch  die  folgenden  beiden  Beziehungen  zwischen  den  Constant«n 


hinzuzufügen: 

(37*) 

1                                                                1 

Betrachten  wir  nun  x^,  x^,  -  .  ■  x^  als  rechtwinklige  Cartesische  Punkt- 

coordinaten  in  einem  ?2-dimensionalen  euklidischen  Bildraume,  so  sehen 

wir,  dass  der  gesamte  pseudosphärische  Raum  auf  das  Lmere  der  Hy- 

persphäre: 

(38)  a:,'-\-x,'-j----\-xj£a'^ 

abgebildet  ist,  während  die  Punkte  auf  dieser  Hvpersphäre  selbst  die 
Bilder  der  unendlich  fernen  Punkte  sind. 

Wegen  der  Gleichungen  (37)  werden  die  geodätischen  Linien  durch 
lineare  Gleichungen,  d.  h.  durch  Geraden  des  euklidischen  Raumes,  ab- 
gebildet,  desgleichen  die  geodätischen  Flächen  durch  Ebenen,  überhaupt 
alle  geodätischen  Mannigfaltigkeiten  durch  lineare  Unterräume. 

Von  Wichtigkeit  ist  nun  das  Gesetz,  nach  welchem  für  zwei  im 
euklidischen  Bildraume  (im  Innern  der  Hvpersphäre  38  j  angenommene 
Punkte  X,  x  die  geodätische  Entfernung  Ö  der  beiden  entsprechenden 
abgebildeten  Punkte  im  hyperbolischen  Räume  gemessen  wird.  Rechnen 
wir  zu  diesem  Zwecke  in  (37)  den  Bogen  s  vom  Punkte  x/  ab,  so 
haben  wir: 


V. 


cosh  d  =  ^  = 


a^-2<" 


l/o^IjV 


Nun  haben  wir  wegen  (37)  und  (37*): 

n  n 

'  _                   'V              '  _     "V       '2 
Xr    O^rj  X  \  •*'r  •*-r    y^,   ^r      j 

1  1 

also  lasst  sich  die  vorhergehende  Gleichung  auch  so  schreiben: 

n 

cosh  d  = 


1  1 

Setzen  wir  der  Küi-ze  halber: 


592  Kap.  21.  w-diinensionale  E-äume  constanten  Krümmungsmasses. 

n  n  n 

1  1-1 

SO  haben  wir: 

(39)  coslid=      ^''"' 


r      a;a;     x'a;' 

Nun  schneidet  die  Verbindungslinie  der  Bildpunkte  Xi  und  xl  die 
Hypersphäre : 

Jü-t        j      jCt^     "H      •  •  •  — j      ^^      c^ 

in  zwei  Punkten,  die  zusammen  mit  x  und  x    das  durch  die  bekannte 
Formel*): 

Ti»-  xa;      '      ff  XX  XX     xx 

gegebene  Doppelverhältnis  M  bilden.     Statt  (39)  lässt  sich  dann  auch 
schreiben: 

(39*)  8  =  -\-  log  M. 

Ist  der  Radius  des  pseudosphärischen  Raumes  nicht  gleich  Eins, 
sondern  R,  so  tritt  offenbar  zu  dem  Ausdruck  rechts  noch  der  con- 
stante  Factor  B. 


§  328.    Cayley'sclie  Metrik. 

Das  soeben  erhaltene  Ergebnis  führt  uns  zu  einer  kurzen  Erörte- 
rung der  Cayley'schen  Metrik**),  dessen  Untersuchungen  früher 
datieren  als  diejenigen  Beltramis  über  denselben  Gegenstand. 

Anstatt  der  Hypersphäre: 

/y  ^      I      rg^  "    .  I       ,  ,  ,   ^   ^  n^ 

1  I        ^  I  *^Tl       ^ 

*)  Sind  die  Coordiuaten  y.  eines  der  beiden  Schnittpunkte  mit  der  Hyper- 
sphäre durch 

px.  +  qxf 
V-  =  

^'         p  +  q. 

gegeben,  so  haben  wir  zur  Bestimmung  des  Verhältnisses  —  =  |  die  quadratische 

Gleichung: 

^^^xx  +  2aß^^-  +  Q^,^.  =  0. 

Das  Verhältnis  ihrer  beiden  Wurzeln  |i  und  1^  ist  gleich  Jf,  also 


v(^^  +  y^)-Ml/|+l/|)=lyfc 


**)  Memoirs  upon  Quantics.     (Philosophical  Transactions,   hauptsächlich  die 
6.  Abhandlung,  1869.) 


§  328.    Cayley'sche  Metrik.  593 

wählen  wir  eine  willkürliche  Fläche  zweiten  Grades,  deren  Gleichung: 

f{x^,  x^,  ...  Xn)  =  0 

reelle  Coefficienten  habe  und  auf  der  aus  dem  weiter  unten  angeführten 
Grunde  keine  reellen  Geraden  liegen  mögen.  Wir  nehmen  nun  zwei 
Punkte  P  und  P'  im  Räume  beliebig  an  und  definieren  als  ihre  Ent- 
fernung den  mit  einer  Constanten  multiplicierten  Logarithmus  des 
Doppelverhältnisses,  das  sie  und  die  beiden  Punkte  A  und  B  bestimmen, 
in  denen  die  Verbindungslinie  PP'  die  Fläche  zweiten  Grades  schnei- 
det, dann  haben  wir  auf  diese  Weise  die  Cayley'sche  Metrik.  Bleiben 
wir  in  demjenigen  Gebiet  des  Raumes,  von  dessen  Punkten  sich  keine 
reellen  Tangenten  an  die  Fundamentalfläche  ziehen  lassen,  so  ver- 
schwindet die  auf  obige  Weise  definierte  Entfernung  offenbar  nur  dann, 
wenn  die  beiden  Punkte  P  und  P'  zusammenfallen,  und  das  Quadrat 
des  Linienelements  des  Raumes  ist  dann,  in  Übereinstimmung  mit 
unseren  grundlegenden  Verfügungen,  durch  eine  definite  quadratische 
Differentialform  gegeben.  Aus  diesem  Grunde  eben  haben  wir  voraus- 
gesetzt, dass  auf  der  Fundamentalfläche  keine  reellen  Geraden  liegen, 
sonst  würden  von  jedem  Punkte  des  Raumes  reelle  Tangenten  an  sie 
gelegt  werden  können.  Femer  bemerken  wir,  dass  die  Punkte  auf  der 
Fundamentalfläche  für  die  Cayley'sche  Metrik  Punkte  in  unendlicher 
Entfernung  darstellen:  deshalb  wird  diese  Fläche  zweiten  Grades  auch 
die  absolute  Fläche  genannt.  Nun  lässt  sich  leicht  a  priori  ein- 
sehen,   dass  die  Cayley'sche  Metrik  diejenige   eines  Raumes  von   con- 

stantem  EJrümmungsmass  ist.  Es  giebt  nämlich,  wie  bekannt,  oo  * 
Collineationen  des  Raumes  Sn,  die  die  Fundameutalfläche  in  sich  über- 
führen. Bei  der  Cayley 'sehen  Metrik  stellen  sie  ebenso  viele  Bewe- 
gungen dar,  da  sich  ja  bei  jeder  von  ihnen  die  Entfernungen  wegen 
ihrer  projectiven  Definition  nicht  ändern.  Diese  Arten  der  Abwickel- 
barkeit des  Raumes  auf  sich  sind  mit  der  durch  den  Satz  in  §  321 
festgesetzten  Willkürlichkeit  möglich,  folglich  ist  das  Krümmungsmass 
dieses  Raumes  constant*). 

Wir  bemerken  ferner,  dass  bei  der  Cayley'schen  Metrik  die  geo- 
dätischen Linien  dui-ch  Geraden  dargestellt  werden.  Nehmen  wir  näm- 
lich eine  beliebige  (die  Fundamentalfläche  nicht  berührende)  Gerade  S^ 
und    ihren   linearen   Polarraum    Sn—i,    so    ist    die   harmonische    axiale 


*)  Es  genügt  übrigens  schon,  darauf  hinzuweisen,  dass,  wenn  zwei  willkür- 
liche Ebenen  (Sj)  des  Raumes,  n  und  jr',  und  in  ihnen  zwei  Punkte,  P  bezw.  P\ 
angenommen  werden,  durch  eine  CoUineation  der  Fundamentalfläche  in  sich  P 
auf  P'  und  n  auf  n   gelegt  werden  kann. 

B  i  a  n  c  h  i ,  Differentialgeometrie.  38 


594  Kap.  21.    ■w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

Homologie,  die  ;S'^  und  Sn—2  als  zugehörige  Räume  hat,  eine  CoUineation 
der  Fundamentalfläche  in  sich,  bei  der  alle  Punkte  von  S^  fest  bleiben, 
während  dieses  für  keinen  anderen  Punkt  in  der  Umgebung  von  S^ 
eintritt*).  Sind  demnach  Ä  und  B  zwei  beliebige  Punkte  von  S^,  so 
fällt  die  geodätische  Verbindungslinie  zwischen  ihnen,  da  sie  fest  blei- 
ben muss,  notwendig  mit  S^^  zusammen. 

Unter  Einführung  der  homogenen  Coordinaten  Xq,  x^,  . . .  Xn  schrei- 
ben wir  nun  die  Gleichung  der  Fundamentalfläche  in  der  Form: 


^' 


ttrsXrX^  =  0  {r,  s  =  0,1,  . .  .n). 
Da  Geraden  auf  ihr  nicht  liegen  sollen,  so  müssen,  wenn  die  Form 
^^  ttrsXrXs  vü  dcr  bekannten  Weise  als  Summe  von  Quadraten  darge- 
stellt wird,  die  Coefficienten  der  Quadrate  entweder  alle  oder  alle  bis 
auf  eins  dasselbe  Vorzeichen  haben.  Im  letzteren  Falle  kommen  wir 
mittels  einer  Ahnlichkeitstransformation  zu  den  im  vorigen  Paragraphen 
angegebenen  Formeln  von  Beltrami  zurück,  und  das  Krümmungsmass 
des  Raumes  ist  negativ  constant. 

Im  ersteren  Falle,  zu  dessen  Behandlung  wir  nun  übergehen,  ist 
die  Fundamentalfläche  imaginär  und  das  Krümmungsmass  des  Raumes, 
wie  wir  sogleich  sehen  werden,  positiv  constant. 

§  329.    Elliptisclier  Baum. 
Die  quadratische  Grundform: 

X,   drsXrXs       (r,  S  =  0,  1   .  .  .  w) 

kann  in  dem  vorliegenden  Falle  auf  die  Form: 

gebracht  werden.     Hier  ist  die  Entfernung  d  zweier  Punkte  x  und  x 
gegeben  durch 

Ö  =  h  log  "--^-:±l^f^^£^4^S^     (h  =  Const.). 

Da  nun  der  Ausdruck  hinter  dem  Logarithmenzeichen  complex  vom 
absoluten  Betrage  Eins  ist,  so  muss,  damit  ö  reell  ausfällt,  h  rein 
imaginär  angenommen  werden.     Wir  setzen: 

7        ^ 

2^ 


*)  Die  einzigen  Punkte  des  Raumes,  die  ausser  denjenigen  von  S^  fest  blei- 
ben, sind  die  Punkte  des  Polarraumes  S^_^,  der  aber  S^  nicht  schneidet. 


§  329.    Elliptischer  Raum.  595 

SO  folgt: 

cos  -^  = 


-B  l/Q      Q  .  . 

Y         XX       XX 

Wählen  wir  nun  den  den  homogenen  Punktcoordinaten  anhaften- 
den willkürlichen  Factor  so,  dass  constant 

(40)  V  +  ^,^  +  -.+^.^  =  l 
ist,  so  geht  die  letzte  Gleichung  über  in: 

(41)  cos  ^  =  XqXq  -{-  x^x^  -{ f-  x^x^. 

Betrachten  wir  nun  eine  beliebige  Curve  und  gehen  wir  auf  ihr  vom 
Punkte  Xi  zu  dem  unendlich  benachbarten  Punkte  Xi  -\-  dxi  über,  wo- 
bei h  der  Zuwachs  des  Bogens  s  sein  mag,  so  ergiebt  (41),  wenn 

dx.  d^x.  /jS 

eingesetzt  wird: 

1  -  2^'  +  •  •  •  =  ^  '-'   +  ^^  ^  ^'  -^  +  Y  -2"  ^'-  ^'  +  •  •  •  • 

Hieraus  folgt  durch  Yergleichung  der  Coefficienten  von  A-  auf  beiden 
Seiten,  unter  Berücksichtigung  von  (40): 

Demnach  ist  das  Linienelement  in  unserm  Räume  gegeben  durch: 

(42)  ds'-  =  R'  (dx,'  +  dx,'  -f  •  •  •  +  dxj), 

worin  die  x  durch  die  Relation  (40)  mit  einander  verknüpft  sind. 

Betrachten  wir  nun  dagegen  die  x  als  (nicht  homogene)  Coordi- 
naten  im  n  -{-  1-dimensionalen  euklidischen  Räume  mit  dem  Linien- 
element (42),  so  ist  offenbar  (40)  die  Gleichung  einer  Hypersphäre, 
auf  die  unser  «-dimensionaler  Raum  abgebildet  ist,   der  demnach   das 

positive  constante  Krümmungsmass  -j-  -^  hat.  Betrachten  wir  in  die- 
sem n  -j-  1-dimensionalen  euklidischen  Räume  eine  vom  Punkte  x  aus- 
gehende Richtung  mit  den  Cosinus  |,,  wobei  also 

(40*)  l^2_^l^24_...4_l„^=i 

ist,  und  sei  diese  Richtung  auch  Tangente  der  Hypersphäre  (40), 
dann  haben  wir: 

(43)  ^  iiXi  =  %,Xq  +  liar^  H f-  |„a:»  =  0. 

Betrachten  wir  die  |  als  unveränderlich,    die  x  als  veränderlich, 

38» 


596  Kap.  21.    «-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses. 

so  stellt  uns  diese  Gleicliung  offenbar  die  zur  Richtung  |  senkrechte 
Hyperebene  dar. 

Nun  wollen  wir  aber  zu  der  ursprünglichen  Deutung  der  x  als 
(durch  die  Gleichung  (40)  verknüpfte)  homogene  Coordinaten  in  einem 
Bildraum  Sa  zurückkehren.  Dann  ist  (43)  die  Gleichung  der  Polar- 
hyperebene des  Punktes  |  bezüglich  der  Fundamentalfläche: 

Xq    — p  X^    — p  •  •  •  — J—  X^i    —  u . 

Somit  sind  wir  zu  dem  nachstehend  präcisierten  Ergebnis  gelangt: 

In  der  Cayley'schen  Metrik  ist  die  Senkrechte  in  einem 
Punkte  auf  einer  Hyperebene  die  Gerade,  welche  den  Punkt 
mit  dem  Pol  der  Hyperebene  bezüglich  der  Fundamental- 
fläche verbindet. 

Die  Coordinaten  eines  jeden  Punktes  x  der  Geraden,  die  in  der 
Richtung  |  vom  Punkte  x  ausgeht,  sind,  wie  sofort  erhellt,  durch: 

(44)  xl  =  Xi  cos  %.  -f  I;  sin  ^     (^  =  0,  1, .  .  .  n) 

gegeben,  wenn  q  der  Abstand  zwischen  x  und  x  im  Sinne  der  Cayley'- 
schen Metrik  ist.  Lassen  wir  nun  in  (44)  p  stetig  von  0  bis  %B, 
wachsen,  so  durchläuft  offenbar  der  Punkt  x  von  x  aus  die  ganze 
Gerade  und  kehrt  zu  diesem  Punkte  wieder  zurück,  weil  xl  =  —  Xi 
ist,  sobald  q  um  nB  zunimmt.  Fassen  wir  also  solche  zwei  Punkte 
des  Raumes  mit  positivem  constanten  Krümmungsmass,  welche  im 
Bildraum  S»  ein  und  denselben  Bildpunkt  haben,  als  identisch  auf  und 
nennen  wir  den  so  betrachteten  Raum  mit  constantem  Krümmungsmass 
elliptischen  einfachen  Raum,  so  können  wir  sagen: 

Im  elliptischen  einfachen  Räume  vom  Radius  jB  hat  die 
Gerade  die  endliche  Länge  TtB. 

Fassen  wir  dagegen  zwei  Punkte  des  gekrümmten  Raumes,  deren 
Coordinaten  bezüglich  gleich  sind,  aber  entgegengesetzte  Vorzeichen 
haben,  als  gesonderte  Punkte  auf,  so  schliesst  sich  die  Gerade  erst 
nach  einem  Umgange  von  2jtll.  Während  ferner  im  elliptischen  ein- 
fachen Räume  zwei  sich  schneidende  Geraden  nur  einen  einzigen  Punkt 
gemein  haben,  treffen  sich  dagegen  im  elliptischen  Doppelraume 
zwei  sich  in  einem  Punkte  schneidende  Geraden  noch  in  einem 
zweiten  Punkte,  der  dem  ersten  im  Abstände  nR  diametral  gegen- 
überliegt*). 


*)  In  Betreff  weiterer  Ausführungen  verweisen  wir  den  Leser  auf  Klein: 
Vorlesungen  über  nicht- euklidische  Geometrie,  Göttingen  1890  (lithographiert), 
oder  auf  die  Abhandlung  in  den  Mathem.  Annalen,  37.  Bd.,  S.  544. 


(46) 


§  330.    Bewegungen  des  dreidimensionalen  elliptischen  Raumes.         597 

§  330.    Bewegtingen  des  dreidimensionalen  elliptischen  Raumes. 

Wir  wollen  nun  kurz  die  Bewegungen  des  dreidimensionalen  ellip- 
tischen Raumes  behandeln. 

Gemäss  der  analytischen  Darstellung  im  voraufgehenden  Paragra- 
phen haben  wir  zwischen  den  Coordinaten  Xq,  x^,  x^,  x^  die  Beziehung: 

(45)  X,' -^  X,' +  X,' +  X,' =  1; 

das  Linienelement  ist  gegeben  durch: 

(45*)  ds'  =  R^dx^^  +  dx^'  +  dx^^  +  dx^'). 

Nun  wird  jede  Bewegung  des  elliptischen  Raumes  in  sich  durch 
eine  Ahnlichkeitstransformation  des  euklidischen  Bildraumes,  welche 
die  Fundamentalfläche  in  sich  überführt,  dargestellt;  demnach  ist  sie 
durch  die  folgenden  Gleichungen  gegeben: 

Xq  =  OqqXq  -|-  Öo1*^1  ~r  ^02^  I  ^03*^3? 

2"i  =  «10^0  t     ^U-^l  "r  ^12^2  I  ^13^3  7 

X^  =  ^0-^0  ~r  <*21^1     I  ^^2  I  %3*^3  J 

•^3  "^^  ^0*^0  "1     ^dl"^!     1  ^32^2  I  ^33 •'^S  • 

Da  aber  wieder 

sein  muss,  so  muss  offenbar  die  Substitution  (46)  orthogonal  sein. 
Umgekehrt  liefert  auch  jede  orthogonale  Substitution  eine  Bewegung 
des  elliptischen  Raumes,  da  das  Linienelement  (45*)  dann  in  sich  trans- 
formiert wird.  Demnach  sehen  wir,  dass  die  Bewegungen  des  drei- 
dimensionalen elliptischen  Raumes  durch  die  orthogonalen  Substitutio- 
nen bezüglich  rier  Veränderlicher  oder,  wenn  wir  wollen,  durch  die 
Bewegungen  eines  vierdimensionalen  euklidischen  Raumes  um  einen 
festen  Mittelpunkt  dargestellt  werden. 

Unter  den  Bewegungen  des  elliptischen  Raumes  giebt  es  eine  be- 
sonders wichtige  Klasse,  nämlich  solche,  die  in  vielen  Beziehungen  den 
Translationen  des  euklidischen  Raumes  vergleichbar  sind.  Wir  defi- 
nieren sie  als  diejenigen  Bewegungen,  bei  denen  alle  Raumpunkte  um 
ein  und  dieselbe  Strecke  verschoben  werden.  Diese  Bewegungen,  die 
unter  denjenigen  des  hyperboKschen  Raumes  kein  Analogon  haben, 
werden  Schiebungen  genannt.  Um  ihr  Vorhandensein  zu  beweisen 
und  zugleich  den  analytischen  Ausdruck  für  sie  zu  finden,  haben  wir 
gemäss  (41)  nur  die  Bedingung  dafür  aufzustellen,  dass  der  aus  den* 
Gleichungen  (46)  berechnete  Ausdruck: 


598  Kap.  21.    w-dimensionale  Räume  constanten  Krümmungsmasses, 

constant  sein  soll.     Dieses  liefert  unmittelbar: 

^00  =  %1  =  ^22  =  <^33  J         ^ik  +  0,ki  =  0  (i  J^li^  . 

Weil    ferner    (46)    eine    orthogonale    Substitution    darstellen    soll,    ist 
speciell: 

also: 

«21   =  i  ^30  ?  %1  =  +  ^20  • 

Indem  wir  die  beiden  Fälle,  je  nachdem  die  oberen  oder  die  un- 
teren Vorzeichen  gewählt  werden,  als  gesondert  auffassen,  erhalten  wir 
zwei  verschiedene  Klassen  von  Schiebungen,  die  durch  die  nachstehen- 
den Gleichungen  bezüglich  gegeben  sind: 

Xq     Ji-Xf^  JjX-y  KJ  Xa    JJ  Xo   . 

X-^      =    JjXq    -J~     JLX-y^     JJXa     ~J-     Kj  Xo  , 

x^  =  Cxq  +  Bx^  -{-  ÄX2  —  Bx^ , 

^3    -LJ  Xq  L/  X-^   —y'    JD  ^2   "~r"  -^  *^3  \ 

a;/  =  J55"o  +  ^^1  +  1)^2  —  Cx^, 
X2  =  Cxq  —  Bx^  +  Äx^  -j-  Bx.^ , 

Xq   —  -U  Xq  ~j~    O  Xh  JD  Xc)  ~f~  .A  Xo  . 


(47) 


(47*) 


In  beiden  Fällen  sind  hierin  Ä,  B,  G,  B  beliebige   reelle  Constanten, 
die  durch  die  Relation: 

^2  4_  j52  _^  02  +  J)2  =  1 
verknüpft  sind. 

Auf  Grund  dieser  Gleichungen  lässt  sich  leicht  bestätigen,  dass 
sich  jede  Verbindungslinie  zwischen  zwei  entsprechenden  Punkten  x 
und  x  des  Bildraumes  bei  der  Bewegung  in  sich  verschiebt.  Diese 
oo^  Geraden  bilden  ein  Strahlensystem,  und  zwar  dasjenige  der  Treff- 
geraden zweier  conjugiert  imaginärer  Erzeugenden  der  Fundamental- 
fläche. Die  Collineation  (47)  oder  (47*)  ist  demnach  nichts  anderes 
als  eine  biaxiale  Homologie,  die  zwei  conjugiert  imaginäre  Erzeugenden 
der  Fundamentalfläche  als  Axen  hat.  Je  nachdem  nun  die  beiden  Er- 
zeugenden der  einen  oder  der  anderen  Schar  angehören,  gelten  die 
Gleichungen  (47)  oder  (47*),  dementsprechend  reden  wir  von  Schie- 
bungen erster  oder  zweiter  Art. 

Da  femer  zusammen  mit  den  Transformationsgleichungen  (47)  und 
(47*)  für  Punktco ordinaten  völlig  analoge  Gleichungen  für  Ebenen- 
coordinaten  |  bestehen,   so   ist,    wenn  d   den  Betrag    der  Verrückung 


§  330.    Schiebungen  des  elliptischen  Raumes.  599 

eines  Punktes  und  cp  die  Amplitude  der  Drehung  einer  Ebene  be- 
deutet : 

cos  ^  =  XqXq-\-  x^x^  +  x^x^'  +  x^x^'  =  A , 

cos  9  =  lolo' +  ^Ji' 4- feia' +  Is^s' =  ^; 

demnach: 

d 

Wir  sehen  also:  Während  jeder  Punkt  längs  des  durch  ihn  gehenden 
Congruenzstrahles  um  die  constante  Strecke  d  fortrückt,  dreht  sich 
auch  jede  Ebene  um  den  in  ihr  liegenden  Congruenzstrahl  um  den  con- 

stanten  Winkel  9  =  ß^  * 

Dieses  sind  die  merkwürdigen  Bewegungen  des  elliptischen  Rau- 
mes, die  wir  hier  betrachten  woUten.  Jede  andere  Bewegung  setzt 
sich  aus  zwei  Schiebungen,  einer  der  ersten  und  einer  der  zweiten  Art, 
zusammen.  Darauf,  sowie  auf  weitere  interessante  Eigenschaften  ein- 
•  zugehen,  ist  hier  jedoch  nicht  der  Ort;  wir  verweisen  bezüglich  dessen 
den  Leser  auf  die  angeführten  Arbeiten  von  Klein  und  auf  Clebsch- 
Lindemann,  Vorlesungen  über  Geometrie,  2.  Band  (Leipzig- Teubner, 
1891). 


Kapitel  XXII. 
Die  Hyperfläclien  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

Hyperflächen  in  den  allgemeinen  w-dimensionalen  gekrümmten  Räumen.  —  Ver- 
allgemeinerung der  Formeln  von  Gauss  und  von  Codazzi.  —  Krümmung  einer 
Curve  im  Räume.  —  Krümmung  der  Curven,  die  auf  einer  Hyperfläche  von  einem 
Punkte  nach  verschiedenen  Richtungen  ausgehen.  —  Verallgemeinerung  der  Sätze 
von  Meusnier  und  Euler.  —  Krümmungslinien  und  Hauptkrümmungsradien.  — 
Conform  auf  einander  bezogene  Räume.  —  Erweiterung  des  Dupin'schen  Satzes.  — 
Hyperflächen  im  euklidischen  Räume.  —  Formeln  von  Gauss  und  von  Codazzi.  — 
Hyperflächen  im  elliptischen  Räume.  —  Hyperflächen  im  hyperbolischen  Räume.  — 
Specialfall  des  dreidimensionalen  elliptischen  oder  hyperbolischen  Raumes.  — 
Haupttangentencurven  und  Enneper'scher  Satz.  —  Flächen  mit  dem  Kmmmungs- 
mass  Null  im  elliptischen  Räume  als  Schiebungsflächen.  —  Die  beiden  Mäntel 
der  Evolutenfläche  und  Weingarten' scher  Satz.  —  Complementärtransformation  der 
pseudosphärischen  Flächen.  —  Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  Null  im  hyper- 
bolischen Räume. 


§  331.    Hyperflächen  in  den  allgemeinen  n-dimensionalen  gekrümm- 
ten Bäumen. 

Wir  wollen  uns  nun  mit  den  Hyperfläclien  in  den  Räumen  con- 
stanten Krümmungsmasses  beschäftigen  und  leiten  dazu  zunächst  die 
allgemeineren  Gleichungen  für  beliebig  gekrümmte  Räume  ab. 

In  einem  n-\-  1-  dimensionalen  Räume  Sn-{-i  sei  das  Gesetz  der 
Streckenmessung  durch  die  quadratische  Form: 

(1)  ds^  ==^  ^a,kdxi.dxk 

ik 

definiert*).     Im  Sn-\-i  betrachten  wir  eine  durch  die  Gleichungen: 

(2)  Xi  =  9»(mi,  u^,  ...  Un)     (i  =  0,  1,  . . .  n) 
gegebene  Hyperfläche  Vn,  und  es  sei: 


1)  Hier  und  im  Folgenden  erstreckt  sich  bei   dem  Summenzeichen   S    die 
Summation  von  0  bis  n,  dagegen  bei  dem  Summenzeichen  2J  von  1  bis  n. 


(4)  h^  =  ^an 


§  331.    Hyperflächen  in  den  allgemeinen  n-dimens.  gekrümmten  Räumen.     601 
(3)  ds^  =  ^  h fi  dui  dUf, 

das  Quadrat  des  Linienelements  von  F,,  also: 

dx.  dx^. 

Wir  nehmen  nnn  die  zu  Vn  geodätisch  parallelen  Hyperflächen,  und 
es  sei  Uq  der  Ton  F„  ab  gerechnete  Bogen  der  orthogonalen  geodäti- 
schen Linien.  Dann  nimmt  das  Quadrat  des  Linienelements  von  S^i 
in  den  Coordinaten  u  die  geodätische  Form  (S.  570): 

(5)  ds^  =  diiQ^  4-  ^  dtdUidut 

ik 

an,  worin  die  c,*  Functionen  von  tt^,  u^,  ...  u,  sind,  die  für  Uq  =  0  in 
die  bezüglichen  hu  übergehen.  Dieses  drücken  wir,  indem  wir  allge- 
mein mit  xj}  das  Resultat  der  Substitution:  Uq  =  0  in  einer  Function 
^'(mq,  Mj, .. .  «;,)  bezeichnen,  durch  die  Gleichungen: 

cTh  =  hl 
aus. 

Um  die  Fundamentalgleichungen,  die  wir  im  Auge  haben,  zu  er- 
halten, müssen  wir  zusammen  mit  F,  die  unendlich  nahe  benachbarte 
parallele  Hyperfläche  Uq^=  s,  wo  s  eine  unendlich  kleine  Constante  ist, 
betrachten.  Bezeichnen  wir  unter  Vernachlässigung  der  höheren  Po- 
tenzen von  E  mit 

(6)  dd^  =  —  -^  2  ^'^ ^'*' ^"* 

ik 

die  Variation  des  Quadrats  des  Linienelements  beim  Übergange  von 
Vn  ziu  der  unendlich  nahe  benachbarten  Hyperfläche,  so  erhalten  wir 
ofifenbar: 

«  «—4(1)- 

Wir  nennen  nun 

X,  anduidui,        ^  QitdUidut 

ik  ik 

die  erste  bezw.  zweite  Grundform  der  Hyperfläche  F,.*) 
Sind  femer  y     y  v 

die  Richtungscosinus  der  Normale  in  einem  Punkte  von  V„,  so  er- 
halten wir: 


*)  Im  Falle  des  gewöhnlichen  dreidimensionalen  ßanmes  werden  hieraus  eben 
die  beiden  Grundformen  des  4.  Kapitels: 

Edu'  -f  2FdudD  -I-  Gdv\       Ddu*  -f  iHdudv  +  U'dv*. 


602     Kap.  22.   Die  Hyperfläclien  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

'dx." 


X, 


folglich : 

(8) 


dx^. 

du. 


ik 

^üiJcXlXjc 


x,.  =  o 


Nunmehr  wenden   wir  auf  die  beiden  äquivalenten  Diiferentialformen 
(1)  und  (5)  die  Christoffel'schen  Gleichungen  (I),  S.  43,  an,  nämlich: 


(a) 


du.,  du. 


lik\    ^^i  ox^ 


.Sil    du. 


^.  *) 


Hierin  setzen  wir  m^  gleich  Null  und  schreiben  die  dem  Index 
Null  enti- prechenden  Glieder  gesondert  hin,  wobei  wir  berücksichtigen, 
dass,  wenn  ^,  /^,  l  Indices  aus  der  Reihe  1,2,...«  sind,  die  Glei- 
chungen bestehen: 


ik 
_l  _ 

c 

~ik~ 
J  __ 

b 

ik 
_0_ 

%i, 


Auf  diese  Weise   erhalten  wir  die   gesuchten  Fundamentalgleichungen, 
die  verallgemeinerten  Gleichungen  (I),  (II),  Kap.  IV,  S.  89—90: 


o^x„ 


_^\rs 


dx„ 


^   8u,^du 


r        s 

dX„  "^  —      -     ^^- 


du^  du.. 


^=0,1, 


X/Ll 


du,, 


S'^ 


;^l  f^^k  -^ 


1,2,...« 
0,  1,  . . .  n 


Setzen  wir  auch  in  den  Gleichungen  (30),  Kap.  II,  S.  49: 


(ad,ßy),=  ^(r]c,ih\ 


dx^  dx,   dx.  dx. 


"^h 

u  gleich  Null,  wobei  wir  «,  /3,  y  als  von  Null  verschieden  voraussetzen 
und  die  beiden  Fälle:  ^  -=[=  ^j  ^  =  0  unterscheiden,  so  erhalten  wir  im 
ersten  Falle  die  Gleichungen: 


(C)         ßa^ßdy  —  ^ay^dii  =  (o^  ^;  ßY)b  —  j^  {rli ,  ih)c 


dx^  dxj^   dx.  dx^ 
du^  du^  dUß  du.^ 


*)  Die  Indices  a,  b,  c  an  den  Christofferschen  Symbolen  sollen  angeben,  ob 
diese  für  die  Form  (1)  oder  (3)  oder  (5)  gebildet  sind. 


§  332.  Verallgem.  Gleich,  t.  Gauss  u.  Codazzi.  Ejränmang  ein.  Curve  im  Räume.    603 

Sie  gelten  für  alle  Werte  der  Indices  a,  ß,  y,  d  von  1  bis  n  und  sind 

die   Yerallgemeinening    der    Gauss 'sehen    Gleichung    für    das    Krüm- 

mungsmass : 

DB"  —  B-  _  ^ 

Im  Falle:  d  =  0  erhalten  wir  femer  die  folgenden  Gleichungen: 


(D) 


^     '     ''    cu„  du.  cu^ 


rkih 

Dieses  sind  die  rerallgemeinerten  Codazzi"  sehen  Gleichungen  (S.  91), 
und  sie  gelten  für  alle  Werte  der  Indices  von  1  bis  n. 

Multiplicieren  wir  endlich  die  Gleichungen  (A)  mit  a^r^/<  und 
summieren  wir  nach  ^a,  v,  so  ergeben  sich  die  Gleichungen: 

(9)  ._S„,,X.,g--+S[aggx.- 

ftr  '^        *  ikfi  a  r  » 

Wegen  (8)  können  wir  diese  auch  in  der  nachstehenden  äquivalenten 
Form  schreiben:  » 

Diese  Gleichungen  in  Verbindung  mit  (8)  dienen  zur  Berechnung 
der  Grössen  X,-  und  ß^,,  sobald  die  Gleichungen  (2)  der  Hvperfläche 
gegeben  sind. 

§  332.    Krümmung  einer  Curve  im  Rattine. 

Wir  betrachten  eine  beKebige  Curve  C  im  Räume  5„-i.i,  und  es 
seien 

^0=  a;o(0,     Xi=x^{t),     ...     Xn  =  x^(t) 

die  Goordinaten  eines  beweglichen  Punktes  von  G  als  Functionen  des 
von  einem  willkürlichen  Punkte  M^  ab  gerechneten  Bogens  t.  Mit 
Voss*)  definieren  wir  die  Krümmung  von  C  in  der  folgenden  Weise: 
Wir  legen  durch  Mq  diejenige  geodätische  Linie  G,  welche  C  berührt, 
und  tragen  sowohl  auf  G  als  auch  auf  C  von  Mq  imendlich  kleine 
Bogen  von  gleicher  Länge  t  bis  M'  bezw.  M"  ab.    Bezeichnen  wir  die 

Entfernung  MM"  mit  d,  so  hat  das  Verhältnis  -^-  einen  bestimmten 


*)  Mathem.  Amialen,  16.  Bd. 


604     Kap.  22.    Die  Hyperfläcben   in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

und  endlichen  Grenzwert.     Diesen  Grenzwert  nennen  wir  die  Krüm- 
mung von  C  in  Mq*),  bezeiclinen  ihn  mit 

1         ,.      2d 
—  =  lim  -y 

und  wollen  ihn  nun  berechnen. 

Sind  die  Coordinaten  von  M"  und  M'  Xi  bezw.  Xi,  so  ist: 

folglich: 

wenn  wir  die  höheren  Potenzen  von  t  vernachlässigen.     Da  wir  nun 
<i  =  |/g„,,(^,_S,)(..-S.) 

ik 

haben,    so    erhalten  wir  zur  wirklichen  Berechnung  von  —  die  Glei- 
chung : 

Weil  die  Form  [^a/A;l*i/fc    definit  ist,    so   folgt  hieraus,    dass  nur  die 

ik 

geodätischen    Linien    des    Raumes    ^^4.1    Curven    von    der   Krümmung 


—  =  0   sind. 


Ohne  hier  auf  die  Analogien  und  Verallgemeinerungen  betreffend 
die  Theorie  der  Curven  im  gewöhnlichen  Räume  weiter  einzugehen, 
wollen  wir  uns  darauf  beschränken,  den  Begriff  Hauptnormale  zu 
präcisieren.  Convergieren  M'  und  M"  gegen  Jf^,  so  convergiert  das 
Linienelement  MM."  gegen  eine  von  M  ausgehende  Grenzlage  mit  den 
Richtungsconstanten : 

Diese  Richtung  |  nennen  wir  die  Hauptnormale  der  Curve  C 
in  M^.     Da 


*)  Für  den  Fall  des  dreidimensionalen  euklidischen  Baumes  ergiebt  sich  so- 
foi't,  dasg  dieses  auf  die  gewöhnliche  Definition  der  Krümmung  hinauskommt. 


§  332.    Hauptnormale  einer  Curve.     Geodätische  Linie  einer  Hyperfläche.      605 

SäXf. 

il 

ist,  so  ist  sie  zur  Curve  normal,  und  um  sie  geometrisch  vollständig 
zu  definieren,  fügen  wir  hinzu,  dass  sie  in  der  osculierenden  geo- 
dätischen Fläche  (geodätischen  Schmiegungsfläche)  von  C  in 
Mq  liegt,    was  sich  leicht  nachweisen  lässt 

Nachdem  wir  auf  diese  Weise  die  Hauptnormale  einer  Corve  defi- 
niert haben,  können  wir  leicht  den  Satz  beweisen: 

Eine  geodätische  Linie  einer  Hyperfläche  V„  ist  (analog 
den  Verhältnissen  im  gewöhnlichen  Räume)  dadurch  charakterisiert, 
dass  in  jedem  Punkte  derselben  die  Hauptnormale  mit  der 
Hyperflächennormale  zusammenfällt. 

Längs  einer  solchen  geodätischen  Linie  sind  nämlich  die  Glei- 
chungen erfüllt  (§  317,  S.  569): 


W   ^  ^  \  r  \.  dt    dt  ' 


d'u. 
1i 


worin  t  der  von  einem  festen  Punkte  gerechnete  Bogen  der  Curve  ist. 
Berechnen  wir  nun  die  Ausdrücke: 

d*x,        n  {.^R\    dx„  dxp 


unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen  (A),  so  erhalten  wir: 
folglich : 


~di^~^^\  i  ]~dr~dr  —  ^^  ^'^~dt~di 


^b^^du^du^ 


Aus  (4)  und  (6)  geht  hervor,  dass  durch  diese  Gleichung  die  be- 
hauptete Eigenschaft  bewiesen  wird.  Ausserdem  ergiebt  sich  aus  ihr 
für  die  Krümmung  derjenigen  geodätischen  Linie  von  F„,  welche  in 
der  durch  die  Incremen te  du  bestimmten  Richtung  ausgeht,  der  wich- 
tige Ausdruck: 


1 


^         ^hud^idu^ 


606      E^ap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

§  333.    Krümmung  der  Curven,  die  auf  einer  Hyperfläche  von  einem 
Punkte  nach  verschiedenen  Richtungen  ausgehen. 

Wir  betrachten  nun  auf  der  Hyperfläche  F„  eine  beliebige  Curve 
C,  die  von  einem  Punkte  Mq  auf  F„  ausgeht,  und  es  seien  t  der  von 
Mq  gerechnete  Bogen  von  C,  die  Krümmung  von  C  in  Mq  und  |; 
die  Richtungsconstanten  der  Hauptnormale  in  Mq.  Bezeichnen  wir  mit 
(3  den  Winkel,  den  diese  Hauptnormale  mit  der  Normale  von  F„  bildet, 
so  haben  wir: 

cos  6  =  ^aikh^k, 

ik 

also  wegen  (11): 

cos    <T  0<  ^'^/     xr         1        a  fifti       ^^^^^/.-v 

^  ik  ikXfc  '  « 

Nun  ist  aber: 

dx.         s^  8x^  dUi 

~dr  ^^  ^  'diT'W 

i  '■ 

^  _  V  ^'^'  ^  f^»  _i_  V  ^  ?!^' . 

df'  ~  ^  du,du^   dt     dt    '^  ^  du,   8t^  ' 

wird  dieses  eingesetzt,  so  ergiebt  sich  unter  Berücksichtigung  der  Glei- 
chungen (ß): 

^^x^ßu^du^^ 
(\2\  ^Q^  ^  __  '^^^■ .  *\ 

Betrachten  wir  die  geodätische  Fläche,  auf  der  die  Richtungen 
der  Normale  von  Vn  und  der  Tangente  von  C  in  M^  liegen,  so  schneidet 
sie  auf  F„  eine  Curve  aus,  die  als  der  C  berührende  Normalschnitt 
zu  bezeichnen  ist.  Bedeutet  -^  die  Krümmung  dieses  Normalschnitts 
in  Mq,  so  besteht  infolge  (12)  die  Gleichung: 
/i9*\  1         cos  ff 

*)  Diejenigen  Curven  von  F^,  die  der  Differentialgleichung:  « 

^  Q;^^^dU^dU^^   ==   0 

Xfi 
genügen,  sind  entweder  geodätische  Linien  des  Raumes  oder  solche  Curven,  deren 
Hauptnormalen  in  den  bezüglichen  Tangentialhyperebenen  liegen,  d.  h.,  die  oscu- 
lierenden  geodätischen  Flächen  einer  solchen  Curve  berühren  die  Hyperfläche. 
Jede  Curve,  die  dieser  DiiFerentialgleichung  genügt,  kann  also  eine  Haupttan- 
gentencurve  der  Hyperfläche  genannt  werden. 


§  334.  Verallgemeinerung  des  Meusnier'schen  Satzes.  Geodätische  Krümmung.    607 

die  offenbar  die  Erweiteining  des  Meusni er' sehen  Satzes  (S.  101) 
ausdrückt. 

Aus  (12)  können   wir  femer  noch  eine  andere  interessante  Glei- 
chung  ableiten,    welche   die  bezüglich   des  umliegenden  Raumes  Än-i-i 

berechnete  Krümmung  —   der  Curve  C  mit  derjenigen  Krümmung   — 

verknüpft,  die  sich  ergiebt,  wenn  die  Curve  als  zum  w-dimensionalen 
Räume  V„  gehörig  betrachtet  wird,  und  die  auch  als  die  geodätische 
Krümmung  von  C  auf  Vn  bezeichnet  werden  kann. 

Zu    diesem   Zweck    schreiben  wir  die  Gleichungen  auf  S.  605  in 
der  Form: 

d'x.        r^  fliil    rfaTj  dx.. 


dt'     '    ^  l  »■  L  dt     dt 


.  »■    ^  Im  "  -^  Im 

!f*,Q  f^/^l    dx^äx^_ 
it*  ~*~^{k  i^  dt     dt 

—  ^d^l-dt^^ZjX  X  ]rdt~dr\  +  ^'Zj  ^^'"'-dt-di 

t  *  *-  Im      ^         '  ^  -■  Im 


d'x 
'dt 


Bilden  wir  dann  aus  ihnen  unter  Berücksichtigung  von  (8)  den  Aua- 

ch: 


druck  (10)  für  -^,  so  ergiebt  sich 


Im 

oder  wegen  (12): 


Dieses  ist  die  gesuchte  Relation  zwischen  der  geodätischen  Krümmung 
—  und  der  absoluten  Krümmung  —   von  C. 


§  334.    Verallgemeinerung  des  Euler'schen  Satzes. 

Um  die  Krümmungen  der  von  Mq  auf  V„  ausgehenden  Curven  zu 
untersuchen,  brauchen  wir  zufolge  (12*)  nur  zuzusehen,  wie  sich  die 
Krümmungen  -5-  der  Xormalschnitte  oder,  was  dasselbe  ist,  der  geo- 
dätischen Linien  von  F,,  die  in  gleicher  Richtung  von  M^  ausgehen, 
änderu.     Hierzu  müssen  wir  die  Gleichung: 


608      Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 


(14) 

oder: 
(14*) 


1     Xfi 

Xf-i 


näher  betrachten^  wo  die  rj  bezüglich  der  als  w-dimensionaler 
Raum  aufgefassten  Hyperfläche  F„  die  Constanten  der  betreffen- 
den Richtung  sind,  mithin 


(15) 


^h,. 


V^Vfi 


ist.  Wollen  wir  nun  diejenigen  Richtungen  r]  finden,  für  welche  ein 
Maximum  oder  ein  Minimum  der  zugehörigen  Krümmung  stattfindet, 
so  müssen  wir  nach  bekannten  Theorien  die  durch  (15)  verbundenen 
Unbekannten  tj  und  B  selbst  aus  dem  simultanen  System: 


(16) 


V 


^  (ha  -  BQa)  ^i  =  0      («  =  1,  2,  . .  .  n) 


bestimmen.     Durch  Elimination  der  rj  hieraus   ergiebt  sich  für  R  die 
Gleichung  w*^"^  Grades: 


(17) 


&21  -  RQ21 


bi2  —  RQ12 

O22  Jiii22 


bin 

bin 


BQin 
BQsn 


bnl  H^nl  bn2  BQ/^ 


Ofiji  Jiiifin 


=  0. 


V 


Da     y^  &/i-|*|/t  eine  definite  Form   ist,   so   sind  alle  n  Wurzeln   dieser 

ik 

Gleichung,  B^,  B^,  ...  Bn,  reell.  Jeder  dieser  n  Wurzeln  Bx  entspricht 
eine  und  im   allgemeinen  nur  eine  durch   die  Gleichungen  (16)*) 

bestimmte  Richtung  rj^'-\  für  welche  die  Krümmung  p-  des  zugehörigen 

Normalschnitts  thatsächlich  ein  Maximum  oder  ein  Minimum  ist.  Ferner 
stehen  zwei  Richtungen  'jj^'')  und  7j^f'\  die  zwei  verschiedenen  Wur- 
zeln Bz  und  jR^t  entsprechen,  wegen  der  leicht  nachzuweisenden  Identität : 


*)  Der  Wurzel  .R^  entspricht  mehr  als  eine  Richtung,  wenn  die  Charakte- 
ristik h  der  Determinante  (17),  in  der  H^  ^^^  ^  zu  setzen  ist,  kleiner  als  n  —  1 
ist.  In  diesem  Fall  giebt  es  oo"  ^  entsprechende  Richtungen,  die  in  einem  >S^ 
liegen.     Solche  Verhältnisse  liegen  offenbar  nur  ausnahmsweise  vor. 


§  334.   Verallgemeinerung  des  Euler'schen  Satzes.  609 

auf  einander  senkrecht.  Die  n  paarweise  zu  einander  senkrechten  Rich- 
tungen 

die  den  Wurzeln  der  Gleichung  (17)  entsprechen,  werden  Hauptrich- 
tungen, und  die  Wurzeln 

Ri,  Bi,  ■  •  ■  Bn 

seihst  Hauptkrümmungsradien  der  Hyperfläche  V„  genannt. 

Bezeichnen  wir  nun  mit  a^^  a^,  •  •  -  ««  die  Winkel,   die   eine  Zwi- 
schenrichtung 1]  mit  den  n  Hauptrichtungen  bildet,  so  haben  wir: 

1].  =  cos  «j  rif^  +  cos  «2  vf^  +  •  •  •  +  cos  a^  i^[.")      (*  =  1,  2,  . . .  n). 
Unter  Berücksichtigung  der  Identitäten: 

erhalten  wir  folglich  aus  (14*)  für  p-  den  Ausdruck: 

.        .  1  cos*«,      ,      COS»Cj      ,  I       C08*  g. 

Dieses  ist  oflfenbar  die  verallgemeinerte  Euler 'sehe  Formel  (S.  102). 

Zusatz.     Es  mag  an   dieser  Stelle   bemerkt  werden,    dass  einige 
Autoren  den  Namen  „Krümmungsmass   der  Hyperfläche"  dem  Product 

1 

beilegen.  Wir  jedoch  wollen  uns  dieser  Bezeichnungsweise  nicht  an- 
schliessen,  um  nicht  zu  Verwechselungen  mit  dem  Begriff  des  Krüm- 
mungsmasses  nach  Riemann  (§  319,  S.  574)  Anlass  zu  geben.  Nur  für 
n  =  2,  d.  h.  bei  den  Flächen  der  dreidimensionalen  (gekrümmten) 
Räume,  sprechen  wir  von  absoluter  Krümmung  der  Fläche  und 
vei-stehen  darunter  (nach  Riemann)  die  Krümmung  K  derjenigen  Dif- 
ferentialform, welche  in  der  für  den  umliegenden  S^  giltigen  Metrik 
das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche  angiebt.  Dann  erhalten 
wir  aus  der  Gleichung: 

unter  Benutzung  der  G^uss'schen  Gleichimgen  (C),  S.  602,  und  der 
Gleichung  (15),  §  319,  S.  574: 

(19)  -^  =  K-K,, 

Bianchi,  Differentialgeometrie.  39 


610     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

WO  Kq  die  Krümmung  der  geodätischen  Fläche  bedeutet,  welche  die 
gegebene  Fläche  in  dem  betreffenden  Punkte  berührt.  Bisweilen  werden 
wir   p  ^    als  relative  Krümmung  der  Fläche  bezeichnen. 

§  335.    Krümmungslinien.    Verallgemeinerung  des  Dupin'sclien  Satzes. 

Der  Begriff  der  Hauptrichtungen  auf  einer  Hy perfläche  F„  führt 
auch  zur  Definition  der  Krümmungslinien.  Wir  definieren  sie  als 
diejenigen  Curven,  deren  Richtung  in  jedem  Punkte  mit  einer  Haupt- 
richtung zusammenfällt.  Offenbar  haben  wir  n  Scharen  von  Krüm- 
mungslinien, derart,  dass  durch  jeden  Punkt  auf  Vn  eine  Curve  aus 
jeder  der  n  Scharen  geht. 

Ist  jR  ein  Hauptkrümmungsradius  und  sind 

rif,  rif,  .  .  .  7?W 

die  Constanten  der  zugehörigen  Hauptrichtung,  so  sind  offenbar: 

du^^         du^  du^ 

die  Differentialgleichungen  der  zugehörigen  Schar  Krümmungslinien. 
Statt  ihrer  können  wir  auch  das  äquivalente  System: 

(20)  ^(hrs  —  BxQrs)dUs  =  0       (r=l,2,...n) 

setzen. 

Als  Beispiel  für  die  Anwendung  dieser  allgemeinen  Formeln  be- 
trachten wir  einen  zweiten  Raum  Sü^i,  der  auf  den  ersten  Raum  Sn-\-i 
conform  abgebildet  sein  möge.  Das  Quadrat  des  Linienelements  von 
Sn-^i  ist  durch: 

(7s'  ^  =  {^  a'ik  dXi  dxk  =U^  aik  dxi  dxu 

i  k  i  k 

gegeben,  wo  U  eine  Function  der  x  ist.  Der  Hyperfläche  F„  in  Sn+i 
wird  eine  Hyperfläche  V»  in  Sü+i  entsprechen,  für  die  wir  unter  Stri- 
chelung  der  betreffenden  Ausdrücke  erhalten: 

X 

Urs  fJ  Ors  }  -^r  ^^  ~/yf  ' 

Demnach  ergiebt  sich  aus  (9)  oder  (9*)  (S.  603): 

d  X- 
oder,  da  X,-  ==  ~ — -  ist: 


§  335.   Krümmungslinien.     Verallgememenmg  des  Dupin' sehen  Satzes.     611 
Für  die  Hyperfläche  Fä  nehmen  also  die  Gleichungen  (20)  die  Form  an: 


Sie  ergeben  sich  aus  den  entsprechenden  Gleichungen: 

2" 


^(^-^-Qr)du,  =  0, 


wenn 


gesetzt  wird     Folglich  haben  wir  das  Ergebnis: 

In  zwei  conform  auf  einander  abgebildeten  Räumen  ent- 
sprechen einander  die  Krümmungslinien  entsprechender  Hy- 
perflächen.  Die  Hauptkrümmungen  in  einem  Punkte  der 
einen  sind  wegen  (21 1  ganze  lineare  Functionen  der  Haupt- 
krümmungen in  dem  entsprechenden  Punkte  der  anderen. 

Wir  setzen  nun  voraus,  es  könne  das  Quadrat  des  Linienelements 
des  Raumes  ^„+1  auf  die  Orthogonalform: 

ds^  =  H,'dy,'  +  E.'dy,'  +  •  •  ■  +  ^n'dy,^ 

gebracht  werden,  und  betrachten  eine  Hyperfläche  aus  der  Schar  y^. 
Die  unendlich  nahe  benachbarte  parallele  Hyperfläche  ergiebt  sich, 
wenn  y^  um  ^  wächst;  demnach  erhalten  wir  for  die  Variation  von 
dsr  den  Ausdruck: 

öds^-  =  2a(^  1^  dy,'  +  §  4^rfy^2  ^  ...  _|.  §>  t^-  ^y  A. 

Die  Fundamentalgrössen  h^f,  und  Ä^ju  für  die  Hyperflächen  y^  sind  also: 

''"  — Ho   cy,'   ^''-'-  —  H,dy.  ' 

Daraus  folgt,  dass  die  Parameterlinien  yi,  y^,  ■  .  ■  y„  auf  der  Hyper- 
fläche yQ  Krümmungslinien  sind.  Dieses  ist  die  Verallgemeinening  des 
Dupin'schen  Satzes  (^S.  480). 


*)  -^ —  ist,  wie  ersichtlich,  Ableitung  von  yu  ia  der  zur  Hyperfläche  V 

C  Hg  « 

senkrechten  Richtung. 

39* 


612     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

Ferner  sei  beraerkt,  dass  sich  für  die  Hauptkrümmungsradien  der 
Parameterhyperflächen,  ebenso  auch  für  die  Krümmungen  der  Para- 
meterlinien, Formeln  ergeben,  die  denjenigen  in  §  274  völlig  analog  sind. 


§  336.    Hyperfläclien  im  euklidisclien  Räume. 

Wir  wenden  nun  die  allgemeinen  Ergebnisse  der  voraufgehenden 
Paragraphen  auf  Räume  mit  constantem  Krümmungsmass  an,  und  zwar 
zunächst  auf  den   euklidischen  Raum,   dessen  Linienelement  durch: 

ds^  =  cIxq   -\-  dx^  +  •  •  •  +  dxn 
gegeben  ist.     Für  eine  Hyperfläche  F„  in  diesem  Räume  mit  den  beiden 
quadratischen  Fundamentalformen : 

X,  hikduiduk,  ^  Qikdu^duk 
gehen  die  allgemeinen  Gleichungen  (A)  und  (B),  S.  602,  über  in: 

(22*)  I|=-2'ä.ö..|^- 

Ihnen  muss  jede  Coordinate  x^  zusammen  mit  dem  entsprechenden 
Richtungscosinus  X^  der  Normale  genügen.  Ferner  werden  aus  den 
Gauss'schen  Gleichungen  (C)  und  den  Codazzi'schen  Gleichungen  (D) 
hier  die  folgenden: 

(23)  ^aß^ÖY  Qay^lid  =  (CCÖ,  ßyjb, 

Nun  können  wir  nachweisen,  dass  in  dem  vorliegenden  Falle  die  Gauss'- 
schen Gleichungen  (23)  und  die  Codazzi'schen  Gleichungen  (24)  nicht 
allein  die  notwendigen,  sondern  auch  die  hinreichenden  Bedingungen 
dafür  angeben,  dass  zu  den  beiden  Formen: 

X",  bikduiduk,       ^  QikdUiduic 

i  k  i  k 

als  Grundformen  eine  Hyperfläche  F„  in  S^+i  gehört.  Setzen  wir  in 
den  Gleichungssystemen  (22)  und  (22*) 

1^=^(0       (i  =  l,2,...^), 

so  erhalten  wir  für  das  System  der  n  -{-  1  unbekannten  Functionen 

jp(i),  p(''\  .  .  .  _29(»);  X 


(«) 


§  336.   Hyperflächen  im  euklidischen  Räume.  613 

das  System  totaler  linearer  Differentialgleichungen: 

'  äp^^^  =       2(^2  {7j  ^'"^  +  ^-^)  ^"^      (r  =  1,  2, . .  -  n\ 
dX  =  -^  (^  Bi^  QisP^^)  du, . 

Dieses  System  ist  eben  wegen  der  Gleichungen  (23)  und  (24),  die 
wir  als  erfüllt  voraussetzen,  unbeschränkt  int^grierbar. 

Wählen  wir  nun  «  +  1  verschiedeue  Integralsysteme  von  (a),  z.  B. 

^\  P':\  ■  • .  i>t");  ^r     (v  =  0,  1,  2, . . .  n), 

und  setzen  wir: 

gyo^W  _  6..,  =  ^,,     (i,  A;  =  1,  2, . . .  «), 

r 

^i)(OX,  =  a,       (*=l,2,...n), 
»• 

Sx'-i  =  )'- 

» 
so  können  wir  aus  den  Gleichungen  (a)  leicht  folgern,  dass  die  Func- 
tionen 

einem  System  linearer  und  homogener  totaler  Differential- 
gleichungen Genüge  leisten.  Wählen  wir  demnach  für  ein  Anfangs- 
system u^^\  uf\  . .  .  m|^°^  der  Werte  der  Veränderlichen  die  Werte  der 
jj^'"),  X  so,  dass  die  /J.^,  «.,  y  zu  Anfang  gleich  Null  sind,  was  immer 
möglich  ist*),  so  folgt,  dass  diese  Functionen  immer  gleich  Null  sind. 
Hieraus  erhellt  sofort,  dass,  wenn  mit 

die  Integrale  der  bezüglichen  vollständigen  Differentiale: 

»■  I  i 

bezeichnet  werden,  wir  eben  die  gesuchte  Hyperfläche  mit  den  beiden 
gegebenen  Fundamentalformen  bestimmt  haben. 


*)  Mittels  einer  linearen  Transformation  der  u  können  wir  es  so  einrichten, 
dass  für  die  Anfangswerte  uf^  der  u 

*.-.  =  i.     ^i==0       (»  +  *•) 

ist.    Dann  brauchen  wir  als  Anfangswerte  der  p^^\  X,.  nur  die  Coefficienten  einer 
orthogonalen  Substitution  bezüglich  *»  + 1  Veränderlicher  zu  wählen. 


614     Kap.  22.    Die  Hyperfläclien  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

§  337.    Fortsetzung. 

Aus  dem  Vorstehenden  folgt,  dass  eine  Hyperfläche  F„  in  Sn-\-i  bis 
auf  Bewegungen  im  Räume  bestimmt  ist,  sobald  ihre  beiden  Fundamental- 
formen gegeben  sind,  wie  es  eben  bei  den  Flächen  im  gewöhnlichen 
Räume  der  Fall  ist.  Sobald  jedoch  der  euklidische  Raum  mehr  als  drei 
Dimensionen  hat,  also  für  w>2,  können  wir  beweisen,  dass,  abgesehen 
von  ganz  vereinzelten  Ausnahmefällen,  die  Hyperfläche  Vn  schon  durch 
ihre  erste  Fundamentalform  vollkommen  bestimmt  ist,  d.  h,: 

Im  euklidischen  Räume  von  mehr  als  drei  Dimensionen 
ist  eine  Hyperfläche,  wofern  sie  als  biegsam  und  undehn- 
bar angenommen  wird,  im  allgemeinen  nicht  verbiegbar. 

Wenn  nämlich  zu  einundderselben  ersten  Fundamentalform 
y'i  hifcdUidu/c    zwei  verschiedene  zweite  Fundamentalformen 

ik  

^Q-ikdUidUk      und      ^  Qacluiduk, 

i  k  ik 


gehören  sollten,  so  würde,  da  infolge  der  Gauss'schen  Gleichungen  (23) 
alle  Unterdeterminanten  zweiter  Ordnung  in  der  Determinante  |  Q'ik  \ 
denjenigen  von  |  Q^  [  bezüglich  gleich  sein  müssten,  aus  elementaren 
Eigenschaften  der  Determinanten  folgen*),  dass,  abgesehen  von  einer 
Änderung  sämtlicher  Vorzeichen,  die  Qa-  den  Q^j.  bezüglich  gleich  sein 
müssten,  wofern  nicht  in  der  Determinante  |  Qik  \  sämtliche 
Unterdeterminanten  dritter  Ordnung  verschwinden  sollten. 

Dieses  ist  der  mögliche  Ausnahmefall,  den  wir  vorhin  andeuteten, 
auf  dessen  ausführlichere  Erörterung  wir  uns  hier  jedoch  nicht  ein- 
lassen können. 

Die  oben  angestellten  Überlegungen  aber  beweisen  noch  mehr. 
Die  Gauss'schen  Gleichungen  (23)  liefern  im  allgemeinen  die  Werte 
der  Qik,  wenn  die  ha  bekannt  sind.  Da  nun  ferner  diese  Werte  der 
Qik  auch  den  Gleichungen  (24)  genügen  müssen,  so  ist  Folgendes  klar: 

Im  allgemeinen  ist  es  nicht  möglich,  im  euklidischen 
Räume  von  mehr  als  drei  Dimensionen  eine  Hyperfläche  mit 
gegebenem  Linienelement  zu  bestimmen. 

Als  interessantes  Beispiel  behandeln  wir  nun  die  Frage,  ob  es  im 
euklidischen  Räume  5^„+i  »^-dimensionale  Räume  (w>2)  von  constantem 
Riemann'schen  Krümmungsmass  Kq  giebt.  Wegen  der  Gleichungen  (23) 
müssen  wir  in  diesem  Falle  haben: 


*)  S.  Killing,  Die  nichteuklidischen  Raumformen  in  analytischer  Behand- 
lung, S.  236—237.     (Leipzig-Teubner,  1885.) 


§  337.    Fortsetzung.  615 

Machen  wir,  was  uns  freisteht,  in  einem  Anfangspunkte  uf^ 

&,,=  1,       6,i  =  Q,i  =  0      (*  +  *), 
so  erhalten  wir  die  Gleichungen: 

oder,  da  eben  Q,,=  ^  ist,  wo  die  R  die  Hauptkrümmimgsradieu  sind: 

RiBt  =  ^• 
Für  n  >  2  folgt  nun  ofifenbar  aus  drei  dieser  Gleichungen: 


die  weitere: 


RiRk  "^^  w'f      BiRi  =  ^7      ^'^^'  ^^  K^ 


Folglich  muss  Kq  positiv  sein,  und  es  ergiebt  sich,   wenn  Kq  gleich 


ii  ist 


Ri  =  jF?2  =  .  •  •  =  jR„  =  R. 
Dann  haben  wir: 

^Q.tduidut  =  ^^bikduidut, 

und  mit  Hilfe  der  Gleichungen  (22*)  lässt  sich  nun  sofort  nachweisen, 
dass  die  Hyperfläche  nichts  anderes  als  eine  Hjpei-sphäre  vom  Radius  R 
ist.     Also: 

Im  euklidischen  Räume  von  vier  oder  mehr  Dimensionen 
giebt  es  keine  pseudosphärischen  Hyperflächen.  Von  Hyper- 
flächen  mit  positivem  constantem  Krümmungsmass  giebt  es 
nur  Hypersphären. 

§  338.    Portsetzung. 

Im  vorliegenden  Falle  des  euklidischen  Raumes  und,  wie  wir  sehen 
werden,  allgemeiner  im  Falle  der  Räume  mit  constantem  Krümmungs- 
mass gestatten  die  Krümmungslinien  einer  Hyperfläche  noch  eine  andere 
Definition,  welche  die  Verallgemeinerung  derjenigen  ist,  von  der  wir 
im  Falle  des  gewöhnlichen  Raumes  ausgegangen  sind  (S.  97),  nämhch 
die  folgende: 

Längs  einer  Krümmungslinie  sind  die  Normalen  der 
Hyperfläche  die  Tangenten  einer  Curve  im  Räume.  Ist  der 
Raum    ein    euklidischer,    so    stellt    das    Stück    der    Normale 


616     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

vom  Fusspunkt  bis    zum  Berührungspunkt  mit    der    erwähn- 
ten  Curve   den   zugehörigen  Hauptkrümmungsradius  vor. 

Um  dieses  zu  beweisen,  brauchen  wir  nur  wie  a.  a.  0.  (S.  97 — 98) 
zu  beachten,  dass  eine  Curve,  der  die  genannte  Eigenschaft  zukommt, 
dadurch  charakterisiert  ist,  dass  längs  ihr  die  Beziehungen  bestehen  müssen: 

dxv  =  —  QdX^     (v  =  0,  1,  .  . .  n) , 

wenn   q   das   mit  passendem  Vorzeichen    erwähnte  Normalenstück    ist. 
Sie  lassen  sich  auch  wie  folgt  schreiben: 

und  wenn  mit  -^ —  multipliciert  und  nach  v  summiert  wird,  so  ergeben 
sich  die  äquivalenten  Gleichungen: 

X,  hsdus  =  Q^  QrsdUs       (r  =  1,  2,  .  .  .  n) , 

s  s 

womit  die  behauptete  Eigenschaft  nachgewiesen  ist. 

Hiernach  ist  klar,  dass  wir  von  n  auf  der  Normale  gelegenen 
Hauptkrümmungsmittelpunkten  und  von  einer  aus  n  Mänteln  zusammen- 
gesetzten Evolutenhyperfläche  reden  können.  Auf  jedem  Mantel  Ui  sind 
die  Curven,  die  von  den  Normalen  der  Ausgangshyperfläche  längs  einer 
Krümmungslinie  der  entsprechenden  Schar  umhüllt  werden,  geodätische 
Linien,  und  es  giebt  auf  27»  eine  Schar  zu  ihnen  orthogonaler  n  —  1- 
dimensionaler  Mannigfaltigkeiten,  deren  Gleichung:  Bi  =  Const.  ist. 
Der  Leser  kann  dieses  sofort  auf  Grund  ähnlicher  Überlegungen  wie 
in  §  122  nachweisen,  eine  Erweiterung,  die  keine  Schwierigkeit  bietet. 
Umgekehrt,  wird  auf  einer  Hyperfläche  F„  von  Sn+s  eine  einfach 
unendliche  Schar  geodätisch  paralleler  n  —  1  -  dimensionaler  Mannig- 
faltigkeiten festgelegt  und  werden  in  ^^„4-1  die  Tangenten  an  die  zu 
diesen  Mannigfaltigkeiten  orthogonalen  geodätischen  Linien  gezogen,  so 
sind  diese  Tangenten  die  Normalen  einer  Hyperfläche  2^„,  für  welche 
die  Hyperfläche  F„  ein  Mantel  der  Evolutenhyperfläche  ist. 

Der  Leser  kann  auch  leicht  die  Untersuchungen  des  Kap.  V  über 
die  sphärische  Abbildung  der  Flächen  und  über  Ebenencoordinaten  auf 
w-dimensionale  Räume  erweitern,  was  wir  hier  der  Kürze  wegen  übergehen. 

§  339.    Formeln  von  Gauss  und  von  Codazzi  im  elliptisclien  Räume. 

Wir  wollen  nun  für  den  elliptischen  Raum  ein  System  von  Grund- 
formeln suchen,  welche  den  in  den  drei  voraufgehenden  Paragraphen 
für  den  euklidischen  Raum  entwickelten  völlig  entsprechen. 


§  339.    Formeln  von  Gauss  u.  von  Codazzi  im  elliptischen  Räume.        617 

Hierzu  bedienen  wir  uns  der  geodätischen  Abbildung  des  ellip- 
tischen Raumes  auf  den  euklidischen,  und  zwar  der  Gleichungen  in 
§  329.  Als  Linienelement  des  elliptischen  7i-dimensionalen  Raumes  Sn 
vom  Radius  R  nehmen  wir  das  durch  die  Gleichung: 

(25)  ds'  =  K-  (r7  V  +  dXj^^-\ h  ^^-^-O 

gegebene  an,  worin  Xq,  x^,  x^,  .  .  .  x^  durch  die  Beziehung: 

(26)  ^^2  _^  ^^^  +  . . .  +  ^„2  =  1 

mit  einander  verknüpft  sind.  Der  euklidische  Rarmi  S'^j  auf  den  wir 
die  (geodätische)  Abbildung  vornehmen,  ist  der  durch  die  homogenen 
Coordinaten  Xq,  x^,  x^,  ...  Xn  bestimmte  Raum ,  wenn  in  ihm  eine 
Cajley'sche  Metrik  bezüglich  der  Fundamentalhyperfläche: 

(27)  ^o'  +  '^i'  +  ■  •  •  +  ^n'  =  0 

zu  Gnmde  gelegt  wird.  In  S„  wählen  wir  eine  Hyperfläche  F«_i  mit 
den  Gleichungen: 

Das  Quadrat  ihres  Linienelements  sei: 

(28)  d^  =^.hitduidut      (i,  Jc  =  l,2,  ...n  —  1), 

lit 
und  darin: 

Sex,  ex, 
e  M.  e  u. 

In  Sn  sind  die  Coordinaten 

5o?  *ij  •  •  •  b« 

des  Poles  der  Tangentialhyperebene  in  einem  Punkte  Xi  der  Hyper- 
fläche F„_i  bezüglich  der  Fundamentalhyperfläche  (27)  bis  auf  das 
Vorzeichen  vollkommen  durch  die  Gleichungen  bestimmt  (s.  §  329): 

(30)  Slr=l,     S:r,^.  =  0,     ^i/~^  =  0    {i  =  l,2,...n-l). 

V  r  r  ' 

Die  Coordinaten  eines  Punktes,  der  auf  der  Normale  zu  F„_i  in 
Xi  von  Xi  um  die  Strecke  w  entfernt  ist,  sind  durch  die  Gleichungen 
gegeben  (ebenda): 

(31)  xl  =  X,  cos  J  +  1'  sin  ^       (v  =  0,  1,  .  .  .  n). 

Hieraus  ergiebt  sich  speciell,  wenn  wir  die   F,_i  unendlich  nahe 


618     Kap.  22.     Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsinasses. 

benachbarte  und  im  Abstände  s  parallele  Hyperfläche  betrachten,  für 
die  Variation  des  Linienelements  die  Gleichung: 

dds^  =  2sR7^dXvd^y. 


Demnach  haben  die  Coefficienten  Q/k  der  zweiten  Grundform  von 
Vn-i  (§  331)   die  Werte: 


(32) 


du-  du. 


=  i?S?. 


8  u,  8  u. 


Da  die  Determinante  (n  -{- 1)*"*"  Ordnung: 


JR-Ts — 

ou^ 


B 


du^ 


~du,^ 
dx^ 
du^ 


R 


R 


OX-^ 

8u„ 


Xo 


Xi 


ll 


R 


dx^ 


R 


d  x„ 


R 


dx„ 


du2  "^du^_^ 


Sn 


von  Null  verschieden  ist,  weil  ihr  Quadrat  gleich  der  Discriminante 
I  hik  I  der  Gleichungen  (28)  ist,  so  können  wir  die  Differential- 
quotienten 


d  u^  d  Uj, ' 


linear  und  homogen  durch 


du. 


(i.  =  0,  l,....^) 


dx^        d  x^ 
du.^^'       du^^ 


dx,, 


du„ 


ausdrücken,  und  es  werden  in  diesen  Ausdrücken  die  Coefficienten 
von  V  unabhängig  sein.  Auf  diese  Weise  erhalten  wir  sofort  die 
folgenden  Griindformeln  (vgl.  S.  89): 


(33) 


d^x 


"STf  iiJc\     dx 


dti-duj^       .^  \l  ]^dui        M 


h.-r 


— -^2^  +  -x.-|     (*,  A;=l,2,  ...?^— 1), 


du. 


=  -E^5..Q..|^     (*=l,2,...n-l). 


Sie  gelten  für  jedes  beliebige  Wertepaar  a;,.,  1^. 

Bei  der  Aufstellung  der  Integrabilitätsbedingungen  für  das  System 


§  340.    Hyperflächen  im  elliptischen  Räume.  619 

(33)  erhalten  wir  erstens  die  folgenden   den  Gauss'schen  (rleichiingen 

entsprechenden  Gleichungen*): 

hthr—^iihr 

(34)  %,Qjr  —  Q.vQ*,  =  (*>,  Äi)6  -        ' \^    ' 

(i,  Ä;,i,  v=l,  2,  ...«— 1). 
Zweitens  ergeben  sich  wieder  die  Codazzi'schen  Gleichungen: 


§  340.    Hyperflächen  im  elliptischen  Räume. 

Sobald  die  Coefficienten  6,*,  Ö,*  der  ersten  und  der  zweiten  Grund- 
form den  Gleichungen  (34)  und  (35)  genügen,  so  ist  das  System  (33) 
unbeschränkt  integrierbar,  und  durch  ein  ganz  ähnliches  Verfahren 
wie  in  §  336  lässt  sich  nachweisen,  dass  eine  zugehörige  Hyperflache 
existiert.  Für  «>o  geben  natürlich  die  Gleichungen  (34)  im  allgemeinen 
die  Q.i,  wenn  die  ha  bekannt  sind,  und  auch  hier  ist  eine  Hyper- 
fläche  unverbieffbar.  Die  Coefficienten  der  ersten  Gnmdform  dürfen 
nicht  willkürlich  gewählt  werden,  und  somit  giebt  es  insbesondere  im 
elliptischen  Raimie  von  mehr  als  drei  Dimensionen  mit  dem  Radius  JB 
keine  Hypei-flächen  mit  constantem  (Riemann'schem)  Krümmimgsmass 
<  ^j  und  von  solchen  mit  constantem  Krümmungsmass  >  ^  nur  die 
Hypersphären  (vgl.  §  337).  Was  die  Hyperflächen  mit  dem  constanten 
Krümmungsmass  ^  anbetrifft,  so  sind  sie  nichts  anderes  als  die  geo- 
dätischen Hyperflächen  des  Raumes. 

Auch  in  der  elliptischen  Geometrie,  die  wir  jetzt  behandeln,  gilt 
für  die  Krümmungslinien  einer  Hyperfläche  dieselbe  Definition  wie  im 


*)  Eigentlich  ergeben  sie  sich  zunächst  in  der  Form: 


t 


&.* 


Diese  Gleichungen  lassen  sich  aber  sofort  in  die  Gleichungen  (34)  des  Textes 
überführen.  Übrigens  folgen  (34)  und  (35)  direct  aus  den  allgemeinen  Gleichungen 
(C),  (D),  S.  602—603,  unter  Berücksichtigung  der  Identitäten  (S.  574): 

(rt,  iÄ)o  =  ^  («r.«**  —  «r»«.i)- 


620     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

Falle  des  euklidischen  Raumes  (§  338),  Nehmen  wir  nämlich  an,  dass 
die  Normalen  längs  einer  Curve  L  einer  Hyperfläche  Vn—i  eine  Curve  C 
im  Räume  umhüllen,  so  erhalten  wir  längs  L  die  charakteristischen 
Gleichungen : 

dxv  =  —  tg  -^  di,v      {v  =  0,  1,  ...  n), 

wo  w  das  Stück  der  Normale  zwischen  dem  Fusspunkt  und  dem  Be- 
rührungspunkt  mit  C  ist.  Durch  Multiplication  mit  -^  und  Summa- 
tion  nach  v  erhalten  wir  das  äquivalente  System 


div^ 


>  lij.dui  =  B  tg^^  ^ikdUi      (1c  =  1,2,  ...  n  —  1). 


Auf  diese  Weise  kommen  wir  zu  den  allgemeinen  Gleichungen 
zurück,  die  uns  zur  Definition  der  Krümmungslinien  gedient  haben, 
womit  unsere  Behauptung  bewiesen  ist. 

Ferner  ergiebt  sich  der  zugehörige  Hauptkrümmungsradius 

9  =  Etg^. 
Entsprechend  also  den  n  —  1  Hauptkrümmungsradien 

Qi ,      Q2  ,      •  •  •      Qn—l 

erhalten  wir  auf  der  Normale  n  —  1  Hauptkrümmungsmittelpunkte; 
ihre  Entfernungen  vom  Fusspunkt  Wi,  W2,  .  .  .  Wn—i  sind  durch  die 
Gleichungen: 

IV- 

Qi  =  Rtg.^~     (*■=!,  2,  ...  w  —  1) 
definiert*). 

Endlich  bemerken  wir,  dass  man  in  der  elliptischen  Geometrie 
auf  ein  Princip  metrischer  Dualität  stösst,  wenn  man  zusammen 
mit  jeder  Hyperfläche  F„_i  die  Polarhyperfläche  Vn—i  bezüglich  der 
Fundamentalhyperfläche  betrachtet.     Wegen  der  Gleichungen: 

X  ==  X  cos  -p  -|-  5  sm  ■ 


-v    r^-=:    V     nfonon        i 

B  2 


die  für  -^  = -^    x' =  i,  geben,   ist  letztere  nichts  anderes   als  die  zur 

TtB 

Ausgangshyperfläche  im  Abstände  -^  parallele  Hyperfläche.  Es  ist 
wohl  klar,  dass  auf  den  beiden  Hyperflächen  die  Krümmungslinien 
einander  entsprechen  und  die  Hauptkrümmungsradien  der  einen  die 
inversen  derjenigen  der  anderen  sind. 


*)  Da  sich  die  Gerade  nach  einem  Umgange  um  nB  schliesst,  so  ist  w,- 
vollkommen  dadurch  bestimmt,  dass  es  zwischen  0  und  nB  liegt. 


§  341.    Hyperflächen  im  hyi>erbolischeii  Räume.  621 

Bezeichnen  wir  mit 

d^  =  ^(^^y-  =  ^  hitduiduk 

das  Quadrat  des  Linienelements  von  F,i_i,  so  hat  es  offenbar  dieselbe 
zweite  Grundform;  desgleichen  werden  neben  den  Gleichungen  (33),  (34) 
und  (35)  auch  diejenigen  gelten,  welche  sich  aus  ihnen  ergeben,  wenn 
die  X  mit  den  |  und  die  6  mit  den  h'  vertauscht  werden. 

§  341.    Hyperflächen  im  hyperbolischen  Raiune. 

Wir  wollen  nun  in  gedrängter  Kürze  auch  für  die  hyperbolische 
Geometrie  eine  Gruppe  von  Gleichungen  ableiten,  die  den  Gleichungen 
(33),  (34)  und  (35)  voUig  ähnlich  sind.  Hierzu  bedienen  wir  uus 
wieder  der  Beltrami'scheu  geodätischen  Abbildung  des  hyperbolischen 
Raumes  mit  dem  Radius  JR  auf  den  euklidischen,  und  zwar  auf  das 
Innere  der  Hypersphäre  (§  327): 

^r  +  V  +  ---  +  ^-'  =  i- 

X. 

Dabei    fuhren   wir  jedoch   homogene   Coordinaten    ein,    indem    wir  — 

statt  Xi  setzen,  und  bestimmen  den  den  homogenen  Coordinaten  an- 
haftenden willkürlichen  Factor  dadurch,  dass  wir: 

(36)  a:,'-\-x,'  +  ---  +  x„'  -  x,' = —1 

setzen.  Zur  Bestimmung  des  Abstandes  ö  zweier  Punkte  x  und  x' 
erhalten  wir  die  Gleichung: 

(37)  cosh  ^  =  —  (^i^i'  +  ^2^/  H h  ^«^«0  +  ^o^o'? 

und  nehmen  wir  sie  als  einander  imendlich  nahe  an,  so  folgt  hieraus 
für  das  Quadrat  des  Linien elements  des  hyperbolischen  Raumes: 

(38)  ds'-  =  R^  {dx^^  +  dx^^-\ 1-  dx,^  —  dx^). 

Betrachten  wir  nun  einen  Punkt  x  des  Raumes  und  eine  durch 
ihn  gehende  Ebene,   deren  Pol  bezüglich  der  Fimdamentalhy perfläche: 

iTj     -j—  Xj     -j-  •  •  •  -j-  iC„  Xq    —  \) 

die  homogenen  Coordinaten 

So ;   bi ;   •  •  •   6« 

haben  mag,  so  haben  wir: 

(39)  -  ^a-o  +  1^3-,  +  •  •  •  +  inXn  =  0. 


622      Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

Da  wir  nun  den  Pol  |  als  ausserhalb  der  Fundamentalhyperfläche 
gelegen  voraussetzen,  so  ist: 


^i-^-|o^>0, 


und  wieder  bestimmen  wir  den  den  |,:  anhaftenden  Proportionalitäts- 
factor  durch  die  Gleichung: 

(40)  |^^'  +  ^^2_^..._|_|^2_|^2_i. 

Die  Gleichungen: 

(41)  xi,  =  Xy  cosh  -^  -\-  ^v  sinh  ^ 

geben  für  veränderliches  w  die  Coordinaten  jedes  Punktes  auf  der  Ver- 
bindungslinie von  X  und  |,  die  auch  die  Normale  zur  Polarebene  von 
I  in  ^  ist.  Ferner  ist  wegen  (37)  w  der  Abstand  zwischen  x  und  x\ 
Des  weiteren  sei  darauf  hingewiesen,  dass  der  Gleichung  (37),  die  den 
Abstand  zwischen  x  und  x'  angiebt,  eine  zweite  dualistisch  entspricht, 
die  den  Winkel  cp  der  beiden  Hyperebenen  |  und  |'  angiebt,  nämlich 
die  Gleichung: 

n 

(41*)  cos  g)  =2  ir  Iv  —  lo  lö . 

1 
Nun  setzen  wir  voraus,  wir  hätten  im  hyperbolischen  Räume  eine 
Hyperfiäche   Vn—i,  deren  Linienelementquadrat  wir  wieder  mit: 

(42)  ds^  -=^hikduiduk    (i,  h  =  l,2,  .  .  .  n  —  1) 
bezeichnen,  wobei: 

(43)  hu  =  11' yi  P-  i^-B'^lfi^ 

ist,  und  es  wären 

Ö07    5l;    •   •   •    ?n 

die  Coordinaten  des  Poles  der  Tangentialhyperebene  bezüglich  der 
Fundamentalhyperfläche,  sodass  wir  haben: 


(44) 


'^Bi-ioj^^''    0:  =  1,2,...«-1). 


Für  die  Coefficienten  Q^.  der  zweiten  Grundform  erhalten  wir: 


(45) 


§  341.    Hyperflächen  im  hyperbolischen  Räume.  623 

und  verfahren  wir  wie  in  §  339,  so  ergiebt  sich,   dass  an  Stelle  der 
Gleichungen  (33)  einfach  die  folgenden  treten: 


(46) 


cu.  jL^  ^J  du. 


Ihnen  genügen  wieder  die  n  •\-  \  Wertepaare  (a;»;  |r)  (v  ^  0,  1,  . . .  n). 
Die  Gauss'schen  Gleichungen  lauten  hier: 

(47)  %^%,  -  Q,jQ,r  =  {iv,  kj\  +  ^J^hlS^fiihl^ 

während  die  Codazzi'schen  Gleichungen  ihre  Form: 

unverändert  beibehalten. 

Wieder   geben    die   Gleichungen   (47)    und  (48)    die   notwendigen 
und  hinreichenden  Bedingungen  dafür  an,  dass  die  beiden  Formen: 


^  huduidui ,         ^  QikdUidut 

ik  ik 


als  erste  bezw.  zweite  Grundform  zu  einer  Fläche  des  hyperbolischen 
Raumes  gehören. 

Es  ist  hier  zu  bemerken,  dass  die  auf  die  zweite  Weise  definierten 
Krümmungslinien  (vgl.  den  voraufgehenden  Paragraphen)  sicherlich  auch 
Krümmungslinien  im  ersten  Sinne  sind;  das  Umgekehrte  gilt  aber  nur 
dann,  wenn  der  entsprechende  Hauptkrümmungsradius  nicht  grösser  als 
R  ist.    Verfahren  wir  nämlich  wie  in  §  340,  so  erhalten  wir  hier: 

Qi  =  Rtgh^, 

und  wenn  p.- '  grösser  als  R  ist,  so  ist  der  zugehörige  Wert  von  «?,- 
imaginär.  Aber  das  Schneiden  einer  Normale  mit  der  nächstfolgenden 
findet  im  euklidischen  Bildraume  immer  noch  thatsächlich  statt;  nur 
liegt  hier  der  Schnittpunkt  ausserhalb  der  Fundamentalhvperfläche 
und  büdet  als  solcher  einen  imaginären  Punkt  des  hyperbolischen 
Raumes  ab. 

Zum  Schlüsse  mag  erwähnt  werden,  dass  man  auch  in  der  hyper- 
bolischen Geometrie  von  einem  Prinzip  metrischer  Dualität  reden 
kann.  Nur  muss  man  hier,  da  ja  die  Polarhyperfläche  der  gegebenen  Fläche 
bezüglich  der  Fuudamentalhyperfläche  eine  völlig  imaginäre  Fläche  des 
hvperbolischen  Raumes  vorstellt,  anstatt  des  Linienelements  der  Aus- 


624     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasscs. 

gangshjperfläclie  ihr  Winkelelement  einführen^  d.  h.  den  unendlich 
kleinen  Winkel  d(p,  der  von  zwei  unendlich  nahe  benachbarten  Hyper- 
tangentiale benen  I  und  i,  -\-  di,  gebildet  wird.  Infolge  (41*)  ist  er  ge- 
geben durch:  -v-r 

dcp''=^^dl,^  —  dl^\*) 

Bezeichnen  wir  nun  mit  Vi],  die  Coefficienten  dieser  dritten  Funda- 
mentalform, so  erhalten  wir  als  die  den  Gleichungen  (40)  dual  ent- 
sprechenden Gleichungen  unmittelbar  die  folgenden: 


(40*) 


^'^    _  Vf^-M        7/  t      ^' 


du.duj^       ^  \  i 


h' 


1  I     i-  Ik 


l 

Die  Codazzi'schen  Gleichungen  bleiben  hinsichtlich  der  Form  der 
h'ik  ungeändert;  dagegen  treten  an  Stelle  der  Gleichungen  (47)  die 
folgenden: 

(47*)  ^^•^^■»-^^•^^^^  =  -{iv,  hj\'  +  h'a  Vjr  -  Vij  h\y  • 


§  342.    Specialfall  des  dreidimensionalen  elliptisclien  oder  hyper- 
bolischen Raumes.     Haupttangentencurven  und  Enneper'sclier  Satz. 

Wir  wollen  nun  unsere  allgemeinen  Formeln  auf  den  Fall  der 
dreidimensionalen  Räume  anwenden.  Zur  besseren  Vergleichung  mit 
den  Formeln  der  gewöhnlichen  Theorie  bezeichnen  wir  wieder  mit  u,  v 
die  unabhängigen  Veränderlichen  oder  krummlinigen  Coordinaten  auf 
der  Fläche  und  mit 

Edu^  -f  2Fdudv  -f  Gdv% 
Ddu^-{-2D'dudv-\-D"dv^ 

die  erste  bezw.  zweite  Grundform.  Wir  können  auch  die  dritte  Grund- 
form, die  wir  mit 

E'du^  +  2F'dudv  +  G'dv^ 

bezeichnen,  in  den  Kreis  unserer  Betrachtungen  ziehen;  sie  stellt  das 
Quadrat  des  Winkelelements  der  Ausgangsfläche  oder  auch,  in  der 
elliptischen  Geometrie,  das  Linienelementquadrat  der  Polarfläche  dar. 


*)  Auf  diese  Auffassung  des  Dualitätsprinzips  hat  bereits  C.  Fibbi  hin- 
gewiesen in  seiner  Abhandlung:  I  sistemi  doppiamente  infiniti  di  raggi  negli 
spazi  a  curvatura  costante  (Annali  della  Reale  Scuola  Normale  Superiore,  7.  Bd.). 
Hier  auch  treten  zum  ersten  Male  für  den  Fall  w  =  3  und  für  auf  einander  senk- 
rechte Parameterlinien  die  Formeln  des  Textes  auf. 


§342.  Specialf.d.dreid.ellipt.od.hyperb.R.  Haupttangentenc.u.Enneper'scherS.  625 
In  beiden  Fallen  gelten  die  Codazzi'schen  Gleichungen  (S.  91,  (IV)): 

!?-!?- r.>+[ivi-r/i]^'+r.>"=o, 


(49) 


die  wir  auch  in  der  zweiten  äquivalenten  Form  (IV*)  (S.  92)  schreiben 
könnten.  Die  Gauss'sche  Gleichung  lautet,  wenn  Kq  die  Krümmung 
des  Raumes  und  K  die  absolute  Krümmung  der  Fläche  bedeutet: 

(50)  ^^^Zf^  =  K-K,^) 

Dabei  haben  wir  im  Falle  der  elliptischen  Geometrie  Kq=  -\-  ^^ 

in  Falle  der  hyperbolischen  Geometrie  Kq  =  —  ^  ■     Die  linke  Seite 

von  (50)  ist  nichts  anderes  als  das  Product  der  beiden  Hauptki-üm- 
mungen  und  mag  die  relative  Krümmung  Je  der  Fläche  genannt 
werden,  sodass 

li  =  K—K^ 

ist.  Umgekehrt,  sind  die  Gleichungen  (49)  und  (50)  erfüllt,  so  giebt 
es  im  elliptischen  oder  hyperbolischen  Räume  eine  zugehörige  Fläche. 
Ihre  Bestimmung  hängt  beim  elliptischen  Räume  von  der  Integration 
des  nachstehenden  unbeschränkt  integrierbaren  Systems  ab: 


(51) 


(52) 


c*x iW\dx_.ill'icx        E      _|_  ^  t 

c*x    fl2\  gx    ,    fl2i  a« _F       _,    ^j: 


B 


c*x f22l  ga:    ,    f22|  gx  G         \    ^"  t 

dv^~\  1  \  cu^X  2  \Ji~W^^~B:^'-> 

H__j>  (  FD'  —  GD  dx         FD  —  ED'  gx\ 
cu~       \  EG  —  F''    c7i    ""    EG  —  F^     cvl ' 

£l=Ti  (FD'—GD'  ex        FD'— ED"  cx\ 
dv~^\EG  —  F'-     cu^EG  —  F^      cc)\ 


yK  =  4-  -^  - 


Beim  hyperbolischen  Räume  dagegen  haben  wir  als  entsprechendes 
System  dasjenige,  welches  sich  aus  dem  obigen  einfach  dadiu'ch  er- 
giebt,  dass  in  den  drei  Gleichungen  (51)  das  Vorzeichen  des  Gliedes 
in  X  geändert  wird. 

Von  Wichtigkeit  ist  es,  darauf  hinzuweisen,  dass  in  der  elliptischen 
oder  hyperbolischen  Geometrie  die  Definition  conjugiert^r  Richtungen 
dieselbe  bleibt  wie  in  der  euklidischen  Geometrie.    Da  sich,  wenn  man 


*)  Man  vergleiche  hierzu  die  allgemeine  Gleichung  (19),  S.  609. 

B  i  a  n  c  h  i ,  I>ifferentialgeometrie.  40 


626     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

wie  auf  S.  107  verfährt,  herausstellt,  dass  die  Bedingung  dafür,  dass 
zwei  Linienelemente  ds  und  ds  conjugiert  sind,  durch: 

dx^dxQ  -\-dXj^dx^  -f~  dx.28x.2  -\-  dx.^dx.^  =  0 

beim  elliptischen  Räume  und  durch 

—  dxQÖXQ  -f-  dx^dxy  -{-  dx^dx.2  +  dx.^dx.^  =  0 

beim  hyperbolischen  Räume  angegeben  wird,  so  wird  sie  sich  in  beiden 
Fällen  durch  die  Coefficienten  der  zweiten  Grundform  vermöge  der 
gewöhnlichen  Gleichung: 

Ddudu  +  JD'iduöv  +  dvdu)  +  D"dvöv  =  0 

ausdrücken.  Insbesondere  lautet  die  Gleichung  der  Haupttangenten- 
curven  wieder: 

Bdu^  +  2D'dudv  +  D"dv^  =  0. 

Beachten  wir  dann  weiter,  dass  die  dritte  Grundform : 

E'du^  +  2F'dudv  +  G'dv^ 

auch  hier  eine  lineare  Verbindung  der  anderen  beiden  ist,  dass  nämlich 
die  Gleichung  besteht: 

(  E'du^  +  2F'dudv  +  G'dv^  = 


(33) 


= ~  (Edu^  +  2Fdudv  +  Gdv^)  — 


—  (-  +  -)  (-^f^^'  +  ^D'dudv  +  D"dv'-), 

wo  Qi  und  Q^  die  Hauptkrümmungsradien  bedeuten,  so  folgt  daraus, 
dass  auch  in  der  elliptischen  oder  hyperbolischen  Geometrie  der 
Enneper'sche  Satz  (S.  121)  in  der  nachstehenden  Fassung  gilt: 

Das  Quadrat  der  Torsion*)  der  Haupttangentencurven 
ist  in  jedem  Punkte  gleich  der  mit  entgegengesetztem 
Zeichen  genommenen  relativen   Krümmung  Je  der  Fläche. 

Wir  fügen  noch  hinzu,  dass  auch  hier  der  Satz  noch  bestimmter 
gefasst  werden  könnte.  Es  lässt  sich  nämlich  wieder  beweisen,  dass 
die  beiden  durch  einen  Flächenpunkt  gehenden  Haupttangentencurven 
in  ihm  gleiche,  aber  dem  Zeichen  nach  entgegengesetzte  Torsionen 
haben.     (Vgl.  S.  128.) 


*)  Wir  messen  die  Torsion  einer  Curve  im  elliptischen  oder  hyperbolischen 
Räume  dadurch,  dass  wir  den  unendlich  kleinen  Winkel,  den  zwei  unendlich  nahe 
benachbarte  osculierende  geodätische  Flächen  bilden,  durch  das  Bogenelement 
dividieren.     Dieses  liefert  uns: 

1  1  /l     ,     1\  Ddu^ -\- 2D'dudv -i- D"dv'' 


(-  +  -) 


T-  Q^Q^        \q^    '    qJ  Edu^ -{-2Fdudv  ^  Gdv^ 


§  343.    Fortsetzung.  627 

§  343.    Fortsetzung. 

Auf  Grund  der  Fundamentalgleichungen  des  voraufgehenden  Para- 
graphen könnten  wir  die  ganze  Flächen theorie  wieder  aufnehmen,  am 
sie  auch  im  Falle  des  elliptischen  oder  hyperbolischen  Raumes  parallel 
mit  der  gewöhnlichen  Theorie  zu  entwickeln.  Wir  wollen  uns  hier 
darauf  beschränken,  nur  einige  Hauptpunkte  dieser  Erweiterung,  die 
sieh  übrigens  sehr  leicht  durchführen  lässt,  hervorzuheben. 

Zunächst  setzen  wir  voraus,  die  Fläche  habe  reelle  (und  ge- 
trennte) Haupttangenteneurven,  d.  h.,  ihre  relative  Krümmung  h  sei 
negativ.     Setzen  wir: 

so  erhalten  wir: 

i)  =  0,       D"=0,         ^    ^'  =^- 

Also  lauten  die  Codazzi'schen  Gleichungen: 

(54)         '-^=H'i}.  '-^-H\'\- 

Umgekehrt,  ist  die  Krünmiung  K  der  Diiferentialfonn: 

(55)  f/s-  =  Edii''  +  2Fdudv  +  Gdv- 
so  beschaffen,  dass, 

(56)  K-K,  =  -^ 

gesetzt,  die  Gleichungen  (54)  gelten,  so  giebt  es  eine  Flache  des 
elliptischen  oder  hjrperbolischen  Raumes  (je  nachdem  Kq  gleich  -{-  -p, 
oder  —  -^  ist),  deren  Linienelementquadrat  unter  Zugrundelegung  der 
Haupttangenteneurven  «,  v  durch  (55)  gegeben  ist. 

Als  Specialfall  betrachten  wir  die  Flächen  mit  constanter  Krüm- 
mung und  reellen  Haupttangenteneurven.  Da  in  diesem  Falle  l  con- 
stant  ist,  ergiebt  sich  aus  (54): 

folglich  kann  mittels  Änderung  der  Parameter  u,  v  das  Quadrat  des 
Linienelements  auf  die  Form  gebracht  werden  (S.  130): 

(56*)  ds^  =  du^  +  2  cos  o  du  dv  +  dv-. 

Darin  ist  o  ein  Integral  der  Differentialgleichung: 

ö — 7—  =  —  A  sin  a, 

40* 


G28     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

von  der  auch  die  Bestimmung  der  pseudosphärischen  Flächen  des 
euklidischen  Raumes  abhängt.  Demnach  gelten  auch  für  diese  Flächen 
in  Räumen  constanten  Krümmungsmasses  wieder  die  Sätze  auf  S.  130. 
Wenn  dann  nicht  nur  die  relative  Krümmung  l:,  sondern  auch  die  ab- 
solute K=^h  -{-  Kq  negativ  ist,  so  wollen  wir  die  Fläche  als  pseudo- 
sphärische bezeichnen.  Für  diese  Flächen  gelten  ebenfalls,  wie  wir 
bald  sehen  werden,  die  in  Kap.  XVI  behandelten  Transformations- 
methoden. 

Wir  wenden  noch  die  soeben  erhaltenen  Gleichungen  auf  die 
Minimalflächen  an,  d.  h.  auf  diejenigen  Flächen,  bei  denen  die  Haupt- 
krümmungsradien in  jedem  Punkte  gleich  und  entgegengesetzt  sind*). 
Da  in  diesem  Falle 

F=0 

ist,   so  folgt  aus  der  Gleichung: 

^  fi2i      a  fi2 


^(12) 
dv  \   2   \ 


du\  1  J        d 

wieder:    Die    Haupttangentencurven    auf   den    Minimalflächen 
bilden   ein  Isothermensystem. 

Die  Gleichungen  (54)  und  (5G)  beweisen  ferner,   dass  das  Linien- 
elementquadrat  der  Fläche  auf  die  Form: 

'gebracht  werden  kann.     Darin  ist  %•  ein  Integral  der  Gleichung: 

(a)  5-5-  +  ~— j  =  —  -^  smh  2  %• 

im    Falle    des    elliptischen   Raumes,    d.  h.   für  Kq=  -{-  -^,    oder   der 
Gleichung: 

iß)  a^*^  +  ä^  =  :B^^^«^2^ 

im  Falle  des  hyperbolischen  Raumes,  d.  h.  für  ^q  =  —  ^  • 

Bemerkenswert  ist,  dass  wir  zur  Bestimmung  der  Minimalflächen 
im  elliptischen  Räume  dieselbe  Gleichung  {a)  haben,  von  welcher  im 
euklidischen  Räume  die  Bestimmung  der  Flächen  constanter  mittlerer 
Krümmung  ^  abhängt,  die  ferner  dasselbe  Linienelement  haben. 


*)  Auf  den  Beweis  dafür,  dass  mit  der  Relation:  p^  -|-  pg  =  0  wiederum  die 
Eigenschaft  des  Flächenminimums  verbunden  ist,  gehen  wir  hier  nicht  ein.  Der 
Leser  sei  verwiesen  auf  Darboux,  3.  Bd.,  S.  491,  oder  auf  die  Abhandlung  des 
Verfassers  in  den  Atti  dei  Lincei,  4.  Ser.,  4.  Bd.,  1888. 


§  344.  Flächen  m .  d.  Krünunungsmass  Null  i.  ellipt.  Baume  als  Schiebungsflächen.  629 

§  344.  Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  Null  im  elliptischen  Räume 
als  Schiebungsflächen*). 

Unter  den  Flachen  constanten  Krüinmuugsmasses  im  elliptischen 
oder  hyperbolischen  Ramne  sind  besonders  bemerkenswert  diejenigen, 
deren  absolute  Krümmung  gleich  Null  ist,  für  die  somit  die  gewöhn- 
liche Metrik  der  euklidischen  Ebene  gültig  ist.  In  diesem  Paragraphen 
behandeln  wir  die  Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  K  =  0  im  ellip- 
tischen ßaimie,  deren  Haupttangentencurven,  da  die  relative  Krümmung 
Ti  =  —  ^  ist,  reell  sind  und  die  eonstante  Torsion  +  ^  haben.  Für 
das  Quadrat  ihres  Linienelements  erhalten  wir  unter  Zugnmdelegung 
der  Haupttangentencurven  «,  v  den  Ausdruck: 

d^  =  dn^  -\-2cosfadudv  -{-  dtr. 
Da  CD  ein  Integral  der  Gleichung: 


r  0» 


=  0 


cucv 
ist,  so  hat  es  die  Form: 

wo  U  nur  von  «,  V  nur  von  v  abhängt.  Das  Linienelementquadrat: 
(57)  f/6^  =  rftr  +  2  cos  ( ^7  +  F)  du  dv  +  dt:^ 

ist  das  der  gewöhnlichen  Ebene,  in  der  alle  Curven  u  imter  einander  und 
alle  Curven  v  unter  einander  congruent,  nur  gegen  einander  verschoben 
sind**)  .  Nun  ist  die  merkwürdige  Eigenschaft,  auf  die  wir  hinweisen 
wollen,  die,  dass  auch  auf  den  Flächen  mit  verschwindender  Krüm- 
mung im  elliptischen  Räume  alle  Haupttangentencurven  u  bezw.  v  unt^r 
einander  congruent  sind.  Dieses  ergiebt  sich  unmittelbai-  daraus,  dass 
ihre  bezüglichen  geodätischen  Krümmungen,  die  zugleich  die  absoluten 
Krümmungen  sind,  da  es  sich  um  die  Haupttangentencurven  handelt, 
durch  die  Gleichungen: 

1    cm  -^  J^ fö  jjf 

gegeben  sind,  sodass  also  alle  Curven  u  =  Const.  dieselben  natürlichen 
Gleichimgen:  .  .         . 

*^     TT"  _  _ 


*)  Vgl.  die  Abhandlung  des  Verfassers:    Sülle  superficie  a  curvatura 
nulla  in  geometria  ellittica    (Annali  di  Matematica,  24.  Bd.,  1895). 

**)    Die   expliciten    Gleichungen    für    die    orthogonalen  Cartesischen    Coordi- 
naien  in  der  Ebene  als  Functionen  der  Parameter  u,  r  in  (57)  lauten: 

X  =^  r  sinUdu  —  /  sin  Vdv, 
y  = /"cos  üdu  -{-Ccos  Vdv. 


630     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

haben,  wenn  v  eben  ihr  Bogen  ist^').  Welche  Art  der  Bewegung 
muss  nun  im  elliptischen  Räume  stattfinden,  damit  eine  der  Haupt 
tangentencurven  u  mit  allen  übrigen  zur  Deckung  gelange?  Bedenken 
wir,  dass  bei  einer  solchen  Bewegung  alle  Punkte  der  Haupttangenten- 
curve  u  gleiche  Bogen  der  Haupttangentencurven  v  beschreiben,  so 
erhellt,  dass  diese  Bewegung  in  der  stetigen  Schiebung  dieser  Haupt- 
tangentencurve  längs  einer  solchen  der  anderen  Schar  besteht**). 

Umgekehrt  folgt  daraus,  dass  die  beiden  Functionen  U,  V  will- 
kürlich sind,  die  Thatsache,  dass,  wenn  wir  im  elliptischen  Räume 
vom  Radius  R  zwei  Curven  C  und  C  mit  constanter,  aber  entgegen- 
gesetzter Torsion,    ih;»"?  nehmen  und  sie  im  Räume  so   legen,    dass 

sie  durch  einen  gemeinsamen  Punkt  0  gehen  und  in  ihm  dieselbe 
Schmiegungsebene  haben,  wir  der  Curve  C  nur  eine  stetige  Schiebung 
erster  Art  längs  C  oder  auch  der  Curve  C  eine  stetige  Schiebung 
zweiter  Art  längs  C  zu  ei teilen  brauchen,  um  eine  Fläche  mit  der 
Krümmung  Null  zu  erzeugen. 

Wir  können  also  sagen: 

Alle  Flächen  mit  der  Krümmung  Null  im  elliptischen 
Räume  vom  Radius  R  sind  Schiebungsflächen,  deren  beide 
erzeugenden  Curven  constante,  aber  entgegengesetzte  Tor- 
sion,  +  "^7  haben. 

Ist  eine  der  beiden  willkürlichen  Functionen  U,  V,  z.  B.  F,  con- 
stant,  so  sind  die  Haupttangentencurven  v  geodätische,  folglich  gerade 
Linien.    Um  diese  Linienflächen  mit  der  Krümmung  Null  zu  erhalten, 

brauchen   wir    also    nur    eine    beliebige   Curve  mit    der  Torsion   -\-  ^ 

1 
oder  —  jT  zu  nehmen  und  durch  einen  ihrer  Punkte  in  der  Schmie- 
gungsebene eine  Richtung  festzulegen;  diese  bestimmt  dann  eine  Schie- 
bung erster  oder  zweiter  Art  (je  nach  dem  Vorzeichen  der  Torsion) 
von  veränderlichem  Betrage,  während  welcher  die  Curve  eben  die  ge- 
suchte Fläche  erzeugt. 

Diese    Linienflächen    besitzen    aber    noch    eine    sehr   merkwürdige 

*)  Dass  auch  im  elliptischen  Eaume  eine  Curve  durch  ihre  natürlichen 
Gleichungen  eindeutig  bestimmt  ist  (S.  12),  kann  auch  hier  auf  Grund  der  ein- 
schlägigen Frenet'schen  Formeln  nachgewiesen  werden,  was  wir  dem  Leser 
überlassen. 

**)  Zufolge  den  Eigenschaften  der  Schiebungen  (§  330)  ist  klar,  dass  eine 
Schiebung  erster  oder  zweiter  Art  vollkommen  bestimmt  ist,  wenn  die  Richtung, 
nach  der  sich  ein  gegebener  Punkt  des  Raumes  bewegt,  und  der  Betrag  der 
Schiebung  gegeben  sind. 


§  345.    Die  beiden  Mäntel  der  Evolatenfläche.  631 

Eigenschaft,  auf  die  wir  hier  nur  hinweisen  wollen.  Sie  besteht  darin, 
dass  alle  Orthogonaltrajectorien  der  Erzeugenden  ebenfalls  (geodätische) 
Curven  mit  der  constanten  Torsion  ^  sind.  Demnach  giebt  es  auf 
der  F^che  zwei  verschiedene  Scharen  von  Curven  mit  der  constanten 
Torsion  +  ^j  von  denen  die  einen  Haupttangent^ncurven,  die  anderen 
geo<^tische  Orthogonaltrajectorien  der  Erzeugenden  sind.  Somit  sind 
wir  zu  dem  Ergebnis  gelangt: 

Jede  Linienfläche  mit  verschwindender  Krümmung  im 
elliptischen  Räume  vom  Radius  It  ist  die  Ortsfläche  der 
Binormalen  einer  Curve  mit  constanter  Torsion  ^^-  Um- 
gekehrt  ist  eine  jede  solche  Ortsfläche  eine  Fläche  mit  ver- 
schwindender Krümmung*). 

Unter  diesen  Linienflächen  verdient  die  Clifford'sche  Doppel- 
Linienfläche  besondere  Erwähnung.  Sie  ergiebt  sich,  wenn  beide 
Functionen  U,  V  constant,  also  beide  erzeugende  Cui-ven  Gerade  sind. 
Auf  die  merkwürdigen  Eigenschaften  der  Clifford'schen  Fläche  hat 
Klein  mit  Recht  die  Aufmerksamkeit  der  Mathematiker  in  den  an- 
geführten Arbeiten  gelenkt.  Wir  wollen  hier  bemerken,  dass  im  ellip- 
tischen Räume,  abgesehen  von  der  Kugel,  die  Clifford'sche  Fläche  die 
einzige  Fläche  ist,  die  constante  Hauptkrümmimgsradien  hat.  Ist  ins- 
besondere: 7T_L  T^ " 

so  ist  die  Clifford'sche  Fläche  sowohl  eine  Fläche  mit  verechwindender 
Krümmung  als  auch  eine  Minimalfläche. 

§  345.    Die  beiden  Mäntel  der  Evolutenfläche. 

Wir  wollen  nun  die  allgemeinen  Formeln  in  §  342  auf  den  Fall 
anwenden,  in  dem  die  Parameterlinien  u,  v  die  Krümmungslinien  sind. 
Der  Kürze  halber  entwickeln  wir  die  Rechnungen  nur  für  den  Fall 
des  elliptischen  Raumes;  doch  wird  der  Leser  leicht  nachweisen  können, 
dass  ganz  ähnliche  Ergebnisse  für  den  hyperbolischen  Raum  gelten. 

Der  Einfachheit  halber  setzen  wir  J?  =  1,  wenn  w^^,  w^  die  Ent- 


*)  Jede  Linienfläche  mit  verschwindender  Krümmung  ist  somit  in  einer  Clif- 
ford'schen Congruenz  enthalten.  Dass  umgekehrt  jede  Linien  fläche  einer 
Clifford'schen  Congruenz  verschwindende  Krümmung  hat,  folgt  ein- 
fach daraus,  dass  jede  solche  Fläche  eine  stetige  Schiebung  in  sich  gestattet, 
während  welcher  jede  erzeugende  Gerade  in  sich  verschoben  wird.  Auch  können 
wir  unserem  Satze  folgende  bemerkenswerte  Fassung  geben:    Die  Binormalen 

jeder    Curve    mit   constanter    Torsion     -=-     in     unserem     elliptischen 

H 

Räume  sind  im  Clifford'schen  Sinne  paralleL 


632    Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses, 

fernungen    der    beiden    Krümmiingsmittelpunkte    vom    Fusspunkt    der 
Normale,  und  müssen  dann  hier  setzen: 


-"; 


Auf  diese  Weise  gehen  die  Codazzi'schen  Gleichungen  in  die  gewöhn- 
lichen für  den  euklidischen  Raum  gültigen  über: 


■J'i         uJ        du  '    c u  \ r,  / 


(58) 


Aus    den    Gleichungen   (52)    ergeben    sich    ferner    die    Rodrigues'schen 
Gleichungen: 

/Kcw  ^^  ,       ex  c^  ,       ox 

( oy)  K—  =  cot  W9  vs— ,         ^—  =  cot  iVi  7^  • 

Bezeichnen   wir  nun   mit  y^^  y,^,  y.^,  y^  die  Coordinaten  des  ersten 
Krümmungsmittelpunkts,  so  haben  wir: 

yi  =  Xi  cos  Wi  —  1/  sin  Wx . 
Differenzieren  wir  dieses  unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen 
(58)  und  (59)  und  versehen  wir  die  auf  den  ersten  Mantel  der  Evo- 
lutenfläche  (vgl.  S.  326  u.  f.)   bezüglichen   Grössen    mit    dem    Index  1, 
so  finden  wir  leicht: 

.^^v  )      ^  sin2^t72  '\du/' 

y      ^         c  u    cv  '  '■        \  cv  /  ' 

also: 

(61)  ds,'  =  clw,'  +  ^'^]^^'^^-<^  du\ 

SlU       tVa 

Bezeichnen  wir  ferner  mit  rj^,  tj^,  tj^,  t]^  die  Coordinaten  der  Tan- 
gentialebene des  ersten  Mantels  der  Evolutenfläche,  so  erhalten  wir: 

1      c  X. 
\(jr     dv 

demnach  wegen  der  Gleichungen  (51V 

dr].  1       dVE  dx. 

du  ~        yEG     dv      du  ' 

dn,  1  dVGdx,  yä, 

dv  E     cu     cu  '  i\    ' 

Aus  diesen  Gleichungen  leiten  wir  für  die  Coefficienten  D^,  Z)/,  D^" 
der  zweiten  Grundform  des  ersten  Evolutenflächenmantels  die  Werte  ab: 


§  345.    Die  beiden  Mäntel  der  Evolut«nfläche  und  Weingarten'scher  Satz.     633 


(62)      D,  =  4,^'-^,       A'=0,      A"=-J 


ya  ctci 


r*fg 

ctr, 

1 

cv 

h  =  - 

1 

cu 

sin*(iCä- 

-urj  ctfi  ' 

sin'  (tCj  — 

icj   fir. 

cv 

CM 

Analogr  erhalten  wir  für  den  zweiten  Mantel: 
(61*)  ds,^  =  du;'  +  ^^^^^d,^, 

(62*)     i),  =  -4::^?iü,       A'=0,       A"=^^^^^- 

^        ^         ^  sinjcj    <7U  '  -  '  -  YE   sm-tc^    cu 

Hieraus  ergeben  sieh  for  die  relativen  Krümmungen  l\j  A%  der 
beiden  Evolutenflächenmäntel  die  bemerkenswerten  Ausdrücke: 


(63)       Ä-,  =  - 


Ans  den  Gleichimgen  (62)  und  (62*)  folgt,  dass  auch  in  den  Räumen 
Constanten  Krümmungsmasses  der  Ribaucour'sche  Satz  (S.  242) 
gültig  ist: 

Die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür,  dass 
sich  auf  den  beiden  Mänteln  der  Evolventenfläche  die  Haupt- 
tangentencurven  entsprechen,  ist,  dass  die  Evolventenfläche 
eine   TF-Fläche  ist*). 

Desgleichen  ergiebt  sich,  dass  auch  der  Satz  gilt  (S.  244): 
Auf  den  beiden  Mänteln  der  Evolutenfläche  einer  Fläche 
entsprechen  sich  die   Krümmungslinien    nur    dann,    wenn    die 
Evolventenfläche  eine  TF-Fläche  ist,  deren  Hauptkrümmungs- 
radien, 

durch    die   Relation: 

tc^  —  tc\  =  Const 
verbunden   sind. 

Offenbar  sind  in  diesem  Falle  wegen  der  Gleichungen  (63)  beide 
Mäntel  der  Evolutenfläche  pseudosphärische  Flächen,  deren  absolute 
Krümmung  durch: 

(6*)      ^  =  1  -  si„.(.;-..) = -  ~t^(«-.  - ".) 

gegeben  ist. 


*')  Auch  hier  bezeichnen  wir  als  TF- Flächen  solche  Flächen,  deren  Hanpt- 
krnnunungsradien  durch  eine  Belation  verbunden  sind. 


634     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

§  346.    Weingarten'scher  Satz.     Complementärtransformation  der 
pseudosphärisclien   Fläclien. 

Wir  wollen  liier  nicht  alle  die  zahlreichen  Folgerungen  aus  den 
voraufgehenden  Ergebnissen  ziehen,  sondern  nur  die  wichtigste  an- 
geben. Sie  besteht  wieder  in  dem  verallgemeinerten  Weingarten'schen 
Satze  (S.  246): 

Jeder  Mantel  der  Evolutenfläche  einer  TF-Fläche  im 
elliptischen  oder  hyperbolischen  Räume  ist  auf  eine  Rota- 
tionsfläche abwickelbar,  deren  Gestalt  lediglich  von  der 
Relation  abhängt,  welche  die  Hauptkrümmungsradien  der 
Evolventenfläche   verknüpft. 

Zum  Beweise  brauchen  wir  nur  die  geodätische  Krümmung  der 
Curven  w^  =  Const.  auf  dem  ersten  Mantel  der  Evolutenfläche  zu  be- 
rechnen.    Dafür  ergiebt  sich  nach  (60)  der  Wert: 

(65)  —  =  cot  (ti\  —  tv^) . 

Analog  folgt  aus  dieser  Grleichung,  dass  auch  der  umgekehrte  Satz 
(S.  249)  gilt: 

Jede  auf  eine  Rotationsfläche  abwickelbare  Fläche  hat 
als  Evolventenflächen  bezüglich  der  geodätischen  Linien,  die 
bei  der  Abwickelung  in  die  Meridiane  übergehen,  eine 
Schar    paralleler    W-Flächen. 

Natürlich  bildet  wieder  derjenige  Fall  eine  Ausnahme,  in  welchem 
die  Biegungscurven  der  Meridiane  Gerade  sind,  ein  Fall,  auf  den  wir 
hier  nicht  weiter  eingehen*). 

Zwecks  Anwendung  dieser  Sätze  wollen  wir  nachweisen,  dass 
auch  für  die  pseudosphärischen  Flächen  im  elliptischen  (oder  hyper- 
bolischen) Räume  die  Complementärtransformation  (S.  457)   gültig  ist. 

Es  sei  im  elliptischen  Räume  (jR  =  1)  eine  pseudosphärische 
Fläche  vom  Radius  a  gegeben,  deren  Linienelementquadrat  unter  Zu- 
grundelegung einer  Schar  paralleler  Grenzkreise:  w^  ==  Const.  und  der 
zu  ihnen  orthogonalen  geodätischen  Linien  die  Form: 

habe.  Die  Tangenten  der  geodätischen  Linien  u  sind  die  Normalen 
einer  T^- Fläche,  deren  Hauptkrümmungsradien  wegen  der  Glei- 
chung (65)  durch  die  Relation: 

*)  Nur  sei  darauf  hingewiesen,  dass  auch  hier  der  Ausnahmefall  bei 
denjenigen  Linienflächen  eintritt,  welche  die  Ortsflächen  der  Bi- 
normalen der  Curven  mit  constanter  Torsion  sind.  (Vgl.  S.  249). 


§  346.    Complementärtransformation  der  pseudosphärißchen  Flächen.      635 

verbunden  sind.     Daraus  folgt: 

Betrachtet  man  auf  einer  pseudosphärischen  Fläche  mit 

der   absoluten    Krümmung   K= ^    im   elliptischen  Räume 

(U  ==  1)  eine  Schar  paralleler  geodätischer  Linien  und  trägt 
auf  deren  Tangenten  vom  Berührungspunkt  aus  in  der  Richtung 
der  Parallelität  eine  Strecke  d  =  arctga  ab,  so  ist  die  Orts- 
fläche der  Endpunkte  wieder    eine   pseudosphärische  Fläche 

mit  derselben  absoluten  Krümmung  K= j-     Es  mag  noch 

hinzugefücrt  werden,  dass,  ebenso  wie  im  euklidischen  Räume,  die 
Krümmungslinien,  ebenso  die  Haupttangentencurven  einander  entsprechen 
und  entsprechende  Bogen  letzterer  einander  gleich  sind. 

Unschwer  Hesse  sich  auch  nachweisen,  dass  nicht  nur  die 
Complementärtransformation,  sondern  auch  die  Bäcklund'sche  Trans- 
formation, einschliesslich  des  Vertauschbarkeitssatzes  (Kap.  XVII),  an- 
wendbar ist. 

Es  giebt  aber  einen  Grenzfall  des  obigen  Satzes,  der  besonderes 
Interesse  bietet.  Es  ist  nämlich  der  Fall,  in  dem  K  gleich  Null  ist,  in 
dem  es  sich  also  um  die  in  §  344  betrachteten  Flächen  handelt.  Dann  ist 
die   Schar  paralleler  geodätischer  Linien    eine   gewöhnliche   Schar  der 

euklidischen  Metrik  und  das  abzutragende  Stück  ö  gleich  --,  weswegen 

es  natürlich  gleichgültig  ist,  ob  man  es  nach  der  einen  oder  nach  der 
anderen  Richtung  abträgt.     Da  femer 

ist,  so  besitzen  die  Evolventenflächen  ebenfalls  die  absolute  Krümmung 
Null,  denn  wegen 

'1  =  tg  '*'i ,      »"ä  =  tg  («<^i  —  y)  =  —  ^^^  ^1 

ereiebt  sich: 
^  k  =  -l. 

Somit  haben  wir  das  bemerkenswerte  Resultat  gefunden: 
Betrachtet    man    auf    einer    Fläche    mit    der    absoluten 
Krümmung  Null  im  elliptischen  Räume   vom   Radius  B  eine 
Schar    paralleler    geodätischer   Linien    und    trägt   auf   deren 

Tangenten  vom  Berührungspunkt  aus  eine  Strecke  gleich  -^ 

ab,  so  ist  die  Ortsfläche  der  Endpunkte  wieder  eine  Fläche 
mit  der  absoluten  Krümmung  Null.     Die  zu  den  doppelt  un- 


636     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

endlich  vielen  Geraden  orthogonalen,  einander  parallelen 
Flächen   haben   ebenfalls   die  absolute   Krümmung  Null. 

Es  mag  endlich  noch  hinzugefügt  werden,  dass  auf  den  Evolventen- 
flächen mit  der  Krümmung  Null  und  auf  den  Evolutenflächen  eben- 
falls die  Haupttangentencurven  einander  entsprechen. 

Der  obige  Satz  liefert  uns  offenbar  das  Mittel,  von  einer  ge- 
gebenen Fläche  mit  der  Krümmung  Null  ausgehend  beliebig  viele 
neue  solcher  Flächen  zu  erhalten. 

§  347.    Flächen  mit  dem  Krümmungsm^ass  Null  im  hyper- 
bolischen Räume. 

In  den  voraufgehenden  Paragraphen  haben  wir  uns  zur  Ableitung 
der  Grundgleichungen  der  elliptischen  oder  hyperbolischen  Geometrie 
der  geodätischen  Abbildung  des  Raumes  constanten  Krümmungs- 
masses auf  den  euklidischen  Raum  bedient.  In  manchen  Fällen  ist  es 
jedoch  zweckmässiger,  die  conforme  Abbildung  dieses  Raumes  an- 
zuwenden, was  auch  zu  neuen  Eigenschaften  von  Flächen  im  gewöhn- 
lichen Räume  führen  kann.  Nehmen  wir  z.  B.  die  TF- Flächen  im 
Räume  constanten  Krümmungsmasses,  so  folgt  aus  den  Untersuchungen 
von  Lie  (S.  245),  dass  sich  auf  einer  solchen  Fläche  die  Krümmungs- 
linien durch  blosse  Quadraturen  ergeben.  Bei  der  conformen  Ab- 
bildung des  euklidischen  Raumes  gehen,  wie  wir  wissen,  Krümmungs- 
linien wieder  in  Krümmungslinien  über  (§  335);  somit  erhalten  wir 
eine  neue  Klasse  von  Flächen  im  euklidischen  Räume,  deren  Krüm- 
mungslinien sich  durch  Quadraturen  bestimmen  lassen. 

Betrachten  wir  z.  B.  den  hyperbolischen  Raum,  und  es  sei,  unter 
Zugrundelegung  des  Ausdrucks: 

für  das  Quadrat  seines  Linienelements, 

z  =  z{x,  y) 
die  Gleichung  einer  Fläche.  Unter  Anwendung  der  üblichen  Monge'schen 
Bezeichnungen   erhalten   wir  für  die  Grundgrössen  in   §  331,  &;,$,  Q,-«, 
die  Werte: 

^11  =  -f.-  (1  +  P^)  ;  K  =  ^P2 ,  &22  =  ^  (1  +  Q'), 

Y  ^^ ^^p^f X  =      '    ~  ^^  X  = - 


ßu  = 


E 


§  347.    Flächen  mit  dem  Krümmungsmass  Null  im  hyjjerboli sehen  Räume.     637 

Da    die    Hauptkrflmmungsradien    p^     und    p^     die    Wurzeln     der 
quatb-atischen  Gleichung: 

{Qn^ii  —  QliJQ'  —  (611Ö22  +  ^'23^11  —  2hiiQi.)Q  -\-  hnb^^  —  hl.  =  0 
sind,  so  erhalten  wir  für  die  relative  Krümmunor 

und  für  die  mittlere  Krümmung  * 

;,  =  !+•- 

die  Ausdrücke: 

Nun  nehmen  wir  an,  es  sei  die  Fläche: 

im  hyperbolischen  Räume  eine  TT- Fläche.  Genau  so  wie  beim  Be- 
weise des  Lie'schen  Satzes  (S.  245)  ergiebt  sich  bei  Anwendung  der 
Gleichungen  (58),  dass  die  co Variante  DifFerentialform: 


y^uhi-^n  I  Qu  du  +  Qi2  dv      Q^^  du  +  Q^  dv 

welche,  gleich  Null  gesetzt,  die  Differentialgleichung  der  Krümmungs- 
linien  darstellt,  die  Krümmung  Null  hat.  In  unserem  Falle  geht  sie 
nun  über  in: 


R 


^(p^+a'  +  i) 


{\-{-p^)dx-\-pydy       pqdx  +  {l-l^q^)dy 
rdx  -\-  sdy  sdx  -\-  tdy 


R 
und  unterscheidet  sich  nur  um  den  Factor  —  von  der  analogen,  für 

z  O       } 

die  Bildfiäche  des  euklidischen  Raumes  berechneten  Differentialform. 

Ist  insbesondere  die  TF- Fläche  eine  Minimalfläche,  so  ist  die 
eben  genannte  Bedingung  erfüllt,  und  femer  bilden  die  Ki-ümmuncrs- 
linien  sowohl  im  hyperbolischen  als  auch  im  euklidischen  Bildraume 
ein  Isothermensystem.  Daraus  schliessen  wir,  dass  die  Flächen: 
s  =  z  {x,  y)  im  gewöhnlichen  Räume,  die  der  partiellen  Differential- 
gleichung: 

4(1  +  P')  ^  -  '2pqs  +  (1  +  50  '■]  +  2  (/  +  T  +  1)  =  0 


638     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

genügen ,  eine  Klasse  von  Flächen  bilden,  auf  denen  die  Krümmungs- 
linien  Isothermensysteme  sind.  Allgemeiner  gilt  dieses  für  alle  Flächen, 
bei  denen  die  mittlere  nichteuklidische  Krümmung  li,  die  durch  Glei- 
chung (66*)  bestimmt  ist,  constant  ist. 


§  348.     Flächen  mit  der  absoluten  Krümmung  Null  im 
hyperbolisclien  Räume. 

Zum  Schlüsse  suchen  wir  die  Flächen  mit  der  absoluten 
Krümmung  Null,  d.  h.  diejenigen  Flächen,  deren  relative  Krüm- 
mung Tc  gleich  -^^  ist.     Ihre  Bildflächen   im  euklidischen  Räume  sind 

wegen   der  Gleichung  (66)   die  Integralflächen   der  partiellen  Differen- 
tialgleichung: 
(67)  z\rt—s^)+z\{l+p^)t—2pqs-{-{l+q^)r\  =  {p'+q^){p'  +  (f+l). 

Nun  betrachten  wir  eine  beliebige  Fläche  des  hyperbolischen 
Raumes  vom  Radius  R  und  beziehen  sie  auf  ihre  Krümmungslinien 
u,  V'^  r^  und  r^  seien  ihre  Hauptkrümmungsradien  und 

cW  =  Edu^+  Gdv' 

das  Quadrat  ihres  Linienelements.  Beziehen  wir  den  Raum  auf  das 
dreifache  Orthogonalsystem,  das  von  den  zur  gegebenen  Fläche  geo- 
dätisch parallelen  Flächen  und  den  beiden  Scharen  von  Ortsflächen 
der  Normalen  der  gegebenen  Fläche  längs  der  Krümmungslinien  ge- 
bildet wird,  so  finden  wir  für  das  Quadrat  des  Linienelements  des 
Raumes  den  Ausdruck: 

ds^=  jE/fcosh  ^  -| — ^  sinh  ^j   du^  -\- 

-\-  G  f  cosh  „  -j-       sinh  „  j   dv^  -f-  dw^,  *) 

worin  w  der  von  der  Ausgangsfläche  gerechnete  Bogen  der  orthogonalen 
geodätischen  Linien  ist. 


*)  Um  diese  Gleichung  abzuleiten,  hat  man  aus  den  Gleichungen: 

X  =  a;  cosh  v.  +  1  sinh  ^ 

den  Ausdruck: 

rfs^  =  R\dX^^  +  dX^^  +  dX^^  —  dX^^ 

zu  berechnen  und  dabei  die  Rodrigues'schen  Gleichungen : 

Wu       r^  du''        dv        r^  dv 
zu  berücksichtigen. 


§  348.  Flächen  mit  der  absoluten  Krümmung  Null  im  hyperbolischen  Eaume.    639 

Entsprechend  haben  wir  im  euklidischen  Bildraume  ein  Kreis- 
system, bei  dessen  Zugrundelegung  das  Linienelement  die  vorstehende 
Form  annimmt,  sofern  die  rechte  Seite  noch  mit  z-  multipliciert  wird. 
Nun  kommt  unter  den  zu  den  Kreisen  orthogonalen  Flächen  zweimal 
die  Greuzebene  vorj  das  erste  Mal  für  ?r  =  -f-  cc,  das  zweite  Mal  für 
10  =  —  <X).  Es  liegt  somit  eine  Abbildung  der  Grenzebene  auf  sich 
selbst  vor,  sobald  die  beiden  Punkte  A  und  Ä^  in  denen  ein  Kreis 
die  Grenzebene  schneidet,  als  entsprechend  angesehen  werden.  Sehen 
wir  nun  zu,  wann  die  von  A  und  Ä^  beschriebenen  beiden  Figuren  zu 
einander  conform  sind.  Erwägen  wir,  dass  nach  den  Gleichungen  in 
§  324  die  Producte 

-,     IC  .1     w 

z  cosh  -ö- ,  z  sinh  ^ 

bei  unbesrrenzt  wachsendem  w  sich  einunddemselben  bestimmten 
und  endlichen  Grenzwert  A  nähern,  der  eine  Function  von  j<,  v  ist, 
so  erhalten  wir  für  die  Linienelementquadrate  der  von  A  und  Ä  be- 
schriebenen beiden  Figuren  die  Ausdrücke: 


(68) 


ds:-  =  A^  \_e{\  +  ^yii^  +  a{\  +  ~^dv^, 


ds. 


.=  =  V[£(i-^)-rf-  +  e(i-^)"''-] 


Soll  also  die  Abbildung  conform  sein,  so  müssen  wir  haben: 

l  +  -  l  +  - 

r^ I  r, 

also  entweder: 

*'i  =  *ä 
oder: 

1    J_ 

Im  ersten  Falle  ist,  wie  sich  aus  den  Gleichungen  (58)  leicht 
ableiten  lässt,  die  Fläche  eine  Kugel.  Im  zweiten  Falle  ist  die  Fläche, 
als  dem  hyperbolischen  Räume  angehörend  betrachtet,  eine  mit 
der  Krümmung  Null,  demnach  im  Bildraume  eine  Integralfläche  der 
Differentialgleichung  1^67).  Es  besitzen  somit  die  Integi-alflächeu  dieser 
Gleichung  eine  merkwürdige  Eigenschaft,  die  darin  besteht,  dass,  wenn 
durch  jeden  Punkt  einer  solchen  Fläche  der  zu  der  Fläche  und  zur 
a:f/-Ebene  normale  Kreis  gezogen  wird,  die  beiden  Punkte  A  und  A', 
in  denen  der  Kreis  diese  Ebene  schneidet,  zwei  zu  einander  conforme 
Figuren  beschreiben. 


640     Kap.  22.    Die  Hyperflächen  in  den  Räumen  constanten  Krümmungsmasses. 

Es  mag  noch  hinzugefügt  werden,  dass  bei  einer  solchen  Fläche 
die  conforme  Abbildung  direct,  bei  der  Kugel  dagegen,  wie  leicht  er- 
sichtlich, invers  ist*). 

Am  bemerkenswertesten  ist  aber  der  Umstand,  dass  das  obige 
Ergebnis  umgekehrt  werden  kann  und  somit  eine  allgemeine  Eigen- 
schaft der  conformen  Abbildungen   durch   den  Satz   ausgedrückt  wird: 

Es  liege  irgend  eine  direct  conforme  Abbildung  einer 
Ebene  auf  sich  selbst  vor.  Man  nehme  ein  veränderliches 
Paar  entsprechender  Punkte  Ä  und  Ä'  und  lege  durch  sie 
den  zur  Ebene  normalen  Kreis.  Zu  diesen  doppelt  unend- 
lich vielen  Kreisen  giebt  es  immer  eine  Schar  von  Ortho- 
gonalflächen, die,  wenn  die  gegebene  Ebene  als  ici/-Ebene 
gewählt    wird,    die  Integralflächen    der  Gleichung   (67)    sind. 

Den  Beweis  übergehen  wir,  da  ihn  der  Leser  auf  Grund  der  all- 
gemeinen Gleichungen  für  normale  Kreissysteme  (§  180)  leicht  selbst 
führen  kann. 

Wir  schliessen  mit  folgender  Bemerkung:  Würde  hingegen  die 
Conformität  der  Abbildung  der  Fläche  auf  eine  der  beiden  von  den 
Punkten  Ä,  Ä  beschriebenen  ebenen  Figuren  gefordert,  so  würde  sich 
aus  den  Gleichungen  (68)  die  folgende  ergeben: 

(i±i)=(^±fr- 

Schliessen  wir  wieder  den  Fall  der  Kugel  aus,  so  sehen  wir,  dass 
die  verlangte  Eigenschaft  denjenigen  Flächen  im  hyperbolischen  Räume 

zukommt  und  auch  für  sie  charakteristisch   ist,   deren  mittlere  Krüm- 

112 

mung, 1 ,  gleich  ^  ist.    Die  entsprechende  Differentialgleichung 

für  die  Bildflächen  im  euklidischen  Räume  lautet: 

1  4-  2^'  +  s'  ^  0  •-    —  '^     -1-  F  -1-  ^  i 

und  kann  durch  endliche  Gleichungen  vollständig  integriert  werden**). 


*)  Im  Falle  der  Kugel  nämlich  ist  diese  Abbildung  nichts  anderes  als  eine 
Inversion  mittels  reciproker  Radienvectoren  bezüglich  des  (reellen  oder  imagi- 
nären) Schnittkreises  von  Ebene  und  Kugel. 

**)  S.  die  Abhandlung  des  Verfassers  in  den  Annali  di  Matematica,  1898. 


Anhang  zu  Kap.  X\T[. 

Zur  Transformationstheorie  der  Flächen  mit  eonstantem  positivem 

Krümmuugsmass. 

In  der  vorliegenden  Note  beabsichtige  ich,  einen  kurzen  Bericht 
über  wesentlich  neue  Resultate  zu  erstatten,  welche  die  Theorie  der 
Flächen  constanter  positiver  Krümmung  betreifen.  Diese  Resultate 
gestatteten  mir,  eine  reelle  Transformationstheorie  für  diese  Flächen 
aufzustellen,  welche  eine  ganz  analoge  Wirkung  hat,  wie  die  bekannte 
Transformationstheorie  der  pseudosphärischen  Flächen  (Kap.  X^TI).  So 
passen  glücklicher  Weise  die  Worte,  mit  welchen  §  264  des  Buches 
beginnt,  zu  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer  Kenntnisse  nicht  mehr. 

Die  grundlegenden  Sätze,  welche  die  Aufstellung  der  neuen  Trans- 
formationstheorie ermöglichten,  verdanken  wir  Herrn  Guichard,  der 
seine  Resultate  in  den  Comptes  Rendus  der  Pariser  Akademie  (23.  Ja- 
nuar 1899)  ohne  Beweis  bekannt  gemacht  hat.  Indem  ich  dieselben 
hier  zur  Sprache  bringe,  will  ich  ihnen  sogleich  diejenige  Form  geben, 
welche  unserem  Zwecke  am  besten  entspricht. 

Wir  betrachten  ein  verlängertes  Rotationsellipsoid  oder  ein  zwei- 
schaliges  Rotationshyperboloid  als  eine  stetig  verbiegbare  Fläche  und 
denken  uns  die  oc-  Strahlen,  welche  von  allen  Punkten  der  Fläche 
nach  dem  einen  oder  nach  dem  anderen  Brennpunkte  verlaufen,  fest 
mit  der  Fläche  verbunden*).  Dann  lautet  Guichards  Satz  folgender- 
massen : 

Bei  jeder  Verbiegung  der  betrachteten  Rotationsfläche 
bleiben  die  beiden  Strahlensysteme  die  Normalen  je  einer 
Fläche  constanter  positiver  Krümmung  K=^,  wobei  2R 
die  Länge  der  grössten  Axe  der  Ellipse  oder  der  Hauptaxe 
der  Hyperbel  bezeichnet. 

Dieses  schöne  Resultat  des  Herrn  Guichard  habe  ich   nim  in  fol- 


*)  Damit  soll  gemeint  werden  (wie  bei  dem  Beltrami'schen  Satze,  S.  270), 
dass  die  Winkel,  welche  jeder  Strahl  mit  den  Linien elementen  der  Fläche  bildet, 
die  von  seinem  Ausgangspunkte  verlaufen,  keine  Änderung  bei  der  Flächen- 
deformation erleiden  sollen. 

Bianchi,  Uifferentialgeometrie.  41 


642  Anhang  zu  Kap.  XVn. 

gender  Weise  zur  Aufstellung  der  gewünschten  Transformation  benutzt*): 
Erstens  handelte  es  sich  darum,  den  Guichard'schen  Satz  gerade  um- 
zukehren, d.  h.  die  Frage  zu  beantworten,  ob  es  bei  jeder  gegebe- 
nen Fläche  S  constanter  positiver  Krümmung  möglich  ist,  ein  solches 
veränderliches  Stück  auf  jeder  Flächennormale  vom  Fusspunkte  so 
abzutragen,  dass  der  Ort  2J  der  Endpunkte  eine  auf  das  Rotations- 
ellipsoid oder  -hyperboloid  abwickelbare  Fläche  bildet,  welche  überdies 
zur  ursprünglichen  Fläche  S  eben  in  der  Guichard'schen  Beziehung 
stehen  soll.  Das  hat  sich  in  der  That  immer  als  möglich  erwiesen  und 
zwar  (was  äusserst  wichtig  ist)  auf  oo^  verschiedene  Weisen  möglich. 
Die  Bestimmung  des  unbekannten  Normalenstücks  hängt  nämlich  von 
der  Integration  eines  unbeschränkt  integrierbaren  Systems  ab 
(von  welchem  weiter  unten  die  Rede  sein  wird),  dessen  allgemeinste 
Lösung  drei  willkürliche  Constanten  enthält. 

Wir  denken  uns  weiter  die  Normalenstrahlen  von  S  auf  die  Fläche 
U  refiectiert  und  nehmen  auf  jedem  reflectierten  Strahle  den  Punkt 
M',  welcher  zum  Fusspunkte  M  des  ursprünglichen  Normalenstrahles  von 
S  in  Bezug  auf  die  Tangentialebene  der  reilectierenden  Fläche  2J 
symmetrisch  liegt.     Dann  haben  wir  den  Satz: 

Der  Punkt  M'  beschreibt  eine  neue  Fläche  S\  welche 
dieselbe  positive  constante  Krümmung  wie  S  hat;  die  Nor- 
malen der  Fläche  S'  fallen  mit  den  reflectierten  Strahlen 
zusammen. 

Somit  haben  wir  also  die  gesuchte  Transformation,  und  zwar  können 
wir  sagen: 

Aus  jeder  bekannten  Fläche  S,  welche  auf  die  Kugel  ab- 
wickelbar ist,  kann  man  durch  Integration  einer  gewöhn- 
lichen Differentialgleichung  (zweiter  Ordnung)  oo^  neue 
solche  Flächen  ableiten. 

Ohne  auf  die  Beweise  einzugehen,  will  ich  jetzt  das  System  der 
Differentialgleichungen  aufstellen,  von  dessen  Integration  die  Bestimmung 
unserer  Transformationen  abhängt.  Dasselbe  kann  als  eine  Verall- 
gemeinerung des  Weingarten'schen  Systems  (D)  gelten,  welches  auf 
S.  555  besprochen  ist.  Es  seien  in  unseren  gewöhnlichen  Bezeich- 
nungen des  Kap.  IV 

Bdu^ -\-2B'dudv-\-B"dv^ 
die    beiden   quadratischen  Fundamentalformen   einer    als    bekannt   vor- 
ausgesetzten  Fläche  S,  welche    auf  die  Kugel  vom  Radius  r  =  1   ab- 

*)  Siehe  Rendiconti  cleir  Accademia  dei  Lincei,  5.  März  1899. 


Anhang  zu  Kap.  XVII.  643 

wickelbar  ist.  Wird  mit  c  eine  willkürliche  Constante  bezeichnet 
und  bedeuten  W,  0  zwei  unbekannte  Functionen  von  u,  v,  so  lautet 
das  System  unserer  Differentialgleichungen  wie  folgt: 

f*  l     1     J      CU        '         l     2     J      CV         '  1       V         I  /  7 


(A) 


(B) 


a« 

c 


uft;  l  1   J    c«     '      l  2  J    et'     '  I     \      I       /  7 


a«Tr  f2  2i  aTT    ,      f2  2i  dW 


cv 


ni^+mi^+»«'^+('+i^^'*; 


a$  _  FD'  —  gD  cTF    ,    FZ>  —  FD'  cW 
du~EG  —  F*     fM     '      EG  —  F*     cv' 
r*  _  FD"—GB'  cW    .    FD'— ED"  cW 
cv  ~    EG  —  F^    Tu   ~^    EG  —  F*     ~cv~ 


Dasselbe  kann  als  ein  System  von  totalen  linearen  Differential- 
gleichungen für 

O  O  *"  TTT"  '^  irr 

'         ^     du  ^     cv 

aufgefasst  werden.  Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  dieses  System  (A),  (B) 
unbeschränkt  integrierbar  ist,  wie  auch  die  Constante  c  gewählt  sein  mag. 
Somit  enthält  die  allgemeine  Lösung  desselben  vier  willkürliche  Con- 
stanten;  als  solche  können  z.  B.  die  willkürlichen  Anfangs  werte  von 

'      ^^'     cu  '     dv 
für  besondere  Werte   u  =  Uq,  v  =  Vq  der  unabhängigen  Variabein  u,v 
genommen  werden. 

Nun  wird  der  Ausdruck: 

^iW— cW- -\- (c -\-  1)0- 
wegen  der  Gleichungen  (A),  (Bj,  notwendig  eine  Constante  sein. 
Für  unseren  Zweck  müssen  wir  diese  Constante  gleich  Null  machen, 
was  offenbar  durch  passende  Verfügung  über  die  oben  angeführten  An- 
fangswerte immer  erreichbar  ist.  Wir  setzen  also  voraus,  dass  durch 
W,  O  ausser  den  Gleichungen  (A),  (B)  auch  folgender  Gleichung: 

(C)  zl^W—cW-  +  (c  +  1)^'  =  0 

genügt  wird*).  Haben  wir  nun  zwei  solche  Functionen  W.  ^  be- 
stimmt, so  brauchen  wir  nur 

T  =  ~ 

zu   setzen,    so    wird    diese  Function   T(ii,  v)    das    Stück    ergeben,    das 

*)  Wenn  wir,  wie  immer,  beim  Reellen  bleiben  wollen,  so  hat  dieses  zur  Folge, 
dass  c{c -\-  1)  ]>  0  sein  muss,  weü  nämlich  J^W  immer  positiv  ausfällt.  Ins- 
besondere können  wir  nicht  c  gleich  —  1  setzen,  wodurch  ;^A)  eben  in  das  Wein- 
garten'sche  System  (S.  555)  übergehen  würde. 

41* 


644  Anhang  zu  Kap.  XYII. 

auf  jeder  Flächennormale  von  S  abzutragen  ist.  Dann  wird  der  Ort 
der  Endpunkte  dieser  Stücke  die  oben  betrachtete  Fläche  Z!  liefern, 
und  zwar  wird  2J  auf  das  Rotationsellipsoid  oder  auf  das  Hyperboloid 
abwickelbar  sein,  je  nachdem  c<0  oder  >0  ist.  Es  ist  auch  ganz 
leicht  einzusehen,  dass  die  Anzahl  der  willkürlichen  Constanten,  welche 
(von  c  abgesehen)  in  der  Function  T(u,  v)  enthalten  sind,  gerade  zwei 
beträgt.  Die  reellen  Transformationen  der  auf  die  Kugel  abwickel- 
baren Flächen,  die  wir  auf  diesem  Wege  gewonnen  haben,  haben  ganz 
analoge  Eigenschaften,  wie  die  Complementär-  und  die  Bäcklund'- 
schen  Transformationen  der  pseudosphärischen  Flächen.  Bei  jeder  un- 
serer neuen  Transformationen  entsprechen  einander  nämlich  auf  der 
Ausgangsfläche  S  und  auf  der  transformierten  Fläche  S'  immer  die 
Krümmungslinien;  ausserdem  entspricht  jedem  conjugierten  Curven- 
system  auf  S  wieder  ein  conjugiertes  System  auf  S'. 

Gegenüber  der  involutorischen  Hazzidakis'schen  Transformation 
(§  265,  S.  473)  zeigen  unsere  Transformationen  ein  ganz  einfaches 
Verhalten.  Sie  sind  nämlich  mit  der  Hazzidakis'schen  Transformation 
geradezu  vertauschbar.  Endlich  können  unsere  Transformationen 
nicht  nur  auf  isolierte  Flächen,  sondern  auch  ebensogut  auf  Weingar- 
ten'sche  Systeme  mit  constantem  positivem  Krümmungsmass  (S.  560) 
angewandt  werden.  Aus  jedem  bekannten  Weingarten'schen  System 
leitet    man    auf   solche  Weise    oo^  neue  Weingarten'sche   Systeme    ab. 

Wir  kommen  nun  zu  den  interessanten  Beziehungen,  welche 
unsere  neuen  Transformationen  zu  den  alten  aufweisen. 

Lässt  man  die  Bedingung  der  Realität  fallen,  so  können  natürlich 
die  Complementär-  und  die  Bäcklund'schen  Transformationen  ebensogut 
auf  Flächen  constanter  positiver  Krümmung  wie  auf  pseudosphärische 
Flächen  angewandt  werden.  Nur  geben  sie,  auf  eine  reelle  Fläche  S, 
z.  B.  mit  der  Krümmung  K  =  -\-  1,  angewandt,  immer  eine  solche 
imaginäre  Fläche.  Dass  aber  durch  weitere  Ausführung  einer  zweiten 
passenden  imaginären  Bäcklund'schen  Transformation  die  neue  imagi- 
näre Fläche  wieder  in  eine  reelle  übergeht,  lehrt  der  Satz: 

Jede  unserer  reellen  Transformationen  der  Flächen  con- 
stanter positiver  Krümmung  lässt  sich  aus  zwei  passend  ge- 
wählten imaginären  Bäcklund'schen  Transformationen  zu- 
sammensetzen. 

Hierin  scheint  der  Grund  zu  liegen,  weshalb  uns  die  neuen  Trans- 
formationen so  lange  verborgen  geblieben  sind.  Als  reelle  Transfor- 
mationen sind  sie  nämlich  complicierterer  Natur  als  die  alten  und 
lassen  sich  nur  in  zwei  solche  einfachere  imaginäre  Transformationen 
zerfallen. 


Anhang  zu  Kap.  XVII.  645 

Wir  wollen  jetzt  die  analytischen  Formeln,  welche  die  Zusammen- 
setzung unserer  reellen  Transformationen  aus  Bäckluud'schen  imagi- 
nären Transformationen  liefern,  in  gedrängter  Kürze  behandeln.  Wir 
wissen  (^§  264,  S.  471),  dass  die  Bestimmimg  der  Flächen  constanter 
positiver  Krümmung  von  der  Integration  der  partiellen  Differential- 
gleichung : 

(D)  |^  +  04-sinh^cosh^  =  O 

abhängt.  Ist  eine  Lösung  d"  dieser  Gleichung  bekannt,  so  wird  daraus 
eine  Fläche  S  mit  der  Krümmung  K  =  -\-  1  der  Form  nach  voll- 
ständig bestimmt.  Das  Quadrat  des  Linienelements  der  Fläche,  auf  die 
Krümmung-slinien  tt,  v  bezogen,  lautet: 

(E)  ds-  =  sinh-  d-  du'  +  cosh^ »  dv\  *) 

Unter  6^  eine  beliebig  gegebene  (reelle  oder  complexe)  Constante  ver- 
standen, betrachten  wir  nun  folgendes  Gleichungssystem,  welchem  eine 
unbekannte  Function  Q'iiity  v)  genügen  soll: 

-^  -{-  i  TT-  =       sinh  6,  cosh  #  sinh  O-,  +  cosh  6,  sinh  0^  cosh  0-, , 
(m  f^»     ^      cv  1  111  i; 

i  -=^  +     :^-  =  —  sinh  6.  sinh  d-  cosh  -9-,  —  cosh  6,  cosh  &  sinh  0-, 

Die  Integrabilitätsbedingung  wird  wegen  (D)  identisch  erfüllt,  sodass 
unsere  Gleichungen  (F)  ein  unbeschränkt  integrierbares  System  bilden, 
dessen  allgemeine  Lösung  &^  eine  willkürliche  Constante  enthält.  Ausser- 
dem folgt  aus  den  Gleichungen  (F),  dass  9^^  wieder  eine  Lösung  der 
Fundamentalgleichung  (D)  liefert.  Ebenso  bestimmen  wir  eine  dritte 
Lösung  O-o  durch  Integration  des  ähnlich  gebildeten  Systems: 

*  -j-  i  ^  =       sinh  6^  cosh  0-  sinh  9-^  -|-  cosh  6^  sinh  0-  cosh  0-2 , 


(F*) 


du     '      dv 

i  -^  -4-    ö—  =  —  sinh  tf,  sinh  %•  cosh  0-,  —  cosh  6.y  cosh^  sinh  0^^  , 

wobei  nur  der  Wert  der  Constanten  in  6^  geändert  worden  ist. 

Gerade  wie  bei  pseudosphärischen  Flächen  gilt  nun  auch  für 
unsere  Fundamentalgleichung  (D)  ein  Vertauschbarkeitssatz  (vgl. 
§257u.  f.),    welcher   Folgendes    besagt:     Haben    wir    drei    Lösungen 


*)  Eigentlich  entspricht  der  Lösung  9  noch  eine  zweite  Fläche  S'  mit  der- 
selben Krümmung,  die  Hazzidakis'sche  Transformierte  von  S,  deren  Linienelement 
durch 

(E*)  ds*  =  cosh»  9-  du*  -f  sinh*  &  dv* 

gegeben  ist. 


646  Anhang  zu  Kap.  XVII. 

^,  ^i,  ^2  ^^^  (-D)  gefunden,  welche  mit  einander  durch  die  Gleichungen 
(F)  und  (F*)  verbunden  sind,  so  können  wir  eine  vierte  Lösung  d:^ 
aus  der  endlichen  Gleichung: 


2 

bestimmen.  Diese  vierte  Lösung  '^•3  ist,  wie  leicht  nachweisbar  ist, 
mit  -O-j,  d-^  durch  die  Gleichungen  verbunden,  welche  aus  (F),  (F*) 
entstehen,  wenn  man  darin  -i^  durch  -O-g  ersetzt  und  dabei  die  Constan- 
ten (?j^,  e'2  vertauscht.  Jetzt  nehmen  wir  an,  dass  die  erste  Lösung 
-O-  von  (D)  reell  sei  und  setzen  ausserdem 

(?l  ==  (?,        6^  =  —  6^ 
wobei  0  eine  reelle  Constante  bedeutet.     Dann   wird,   wie   aus  (F)  er- 
sichtlich  ist,    d'^   nothwendig  complex    ausfallen-,    unter  Trennung  des 
Reellen  und  Imaginären  schreiben  wir: 

d-j^  =  G)  -\-  i(p. 
Wir   können   alsdann   den  Gleichungen  (F*)    durch   folgende  Annahme 
genügen : 

d-^  =  —  (X)  -{-  icp  -{-  iTt , 

wonach  Gleichung  (G)  in  die  folgende  übergeht: 

(G*)  tgh?^  =  tgh(?tgha,. 

Man  sieht  also,  dass  die  vierte  Lösung  '^•3  wieder  reell  ausfällt. 
Wollen  wir  unser  Gleichungssystem  (F)  auf  eine  ganz  reelle  Form 
bringen,  so  brauchen  wir  darin  nur  d-^^  durch  co  -^  ig)  zu  ersetzen  und 
das  Reelle  vom  Imaginären  zu  trennen.  Dann  erhalten  wir  folgendes 
Gleichungssystem  für  die  unbekannten  reellen  Functionen  co,  q): 


(H) 


(H*)- 


ö—  =  (sinh  6  cosh  Q-  sinh  co  -j-  cosh  6  sinh  O'  cosh  o)  cos  gj, 
K-  =  —  (sinh  6  sinh  -O-  sinh  a  -\-  cosh  6  cosh  -0'  cosh  cö)  sin  cp  5 
ö^  -)-  ^—  ^  (sinh  6  cosh  -0'  cosh  co  +  cosh  6  sinh  d-  sinh  co) sin  cp. 


y~  —  ^s—  =  (sinh  6  sinh  Q'  cosh  co  -\-  cosh  6  cosh  %•  sinh  aj)cos  cp 


Dieses  System  von  totalen  Diflferentialgleichungen  für  die  unbe- 
kannten Functionen  co,  cp  ist  natürlich  unbeschränkt  integrierbar,  wie 
übrigens  sehr  leicht  direct  zu  bestätigen  ist. 

Nun  wird  durch  unsere  vierte  Lösung  d-n  eine  reelle  Fläche  S.-,  mit 
der  Krümmung  K  =  -\- \  und  mit  dem  Linienelementquadrat: 


Anhang  zu  Kap.  XVII.  647 

vollständig  bestimmt;  diese  Fläche  S.^  lässt  sieh  eben  aus  S  durch  eine 
unserer  Transformationen  ableiten.  Tragen  wir  nämlich  auf  jeder 
Flächennormale  von  S  vom  Fusspunkte  ein  Stück  T,  welches  durch 
die  Gleichung: 

T  =  tgh  ö  tgh  CO 

bestimmt  wird,  ab,  so  ist  der  Ort  Z  der  Endpunkte  der  Strecken  auf 
dasjenige  Rotationsellipsoid  abwickelbar,  dessen  Halbaxen  die  Werte 

a  =  1,         h  =  — V— 
'  cosh  6 

haben.  Nehmen  wir  nun  zu  jedem  Punkte  M  von  S  den  sym- 
metrischen Funkt  M^  in  Bezug  auf  die  entsprechende  Tangentenebene 
von  Z,  so  beschreibt  der  Punkt  ^3  die  transfonnierte  Fläche  S^. 
Fragt  man  noch,  wie  die  zugehörigen  Werte  von  W,  O,  welche 
den  Gleichungen  (A),  (B),  (C)  genügen,  zu  berechnen  sind,  so  lautet 
die  Antwort:  Es  wird  O  aus  den  Gleichungen: 

c  log  $  sinh  a  cosh  &■  cos  qp 

d  u  cosh  üj 

d  log  $  sinh  6  sinh  9  sin  cp 


dv  cosh  10 

durch  blosse  Quadraturen  bestimmt,  während  W  gleich  O  tgh  6  tgh  & 
wird.     Der  Constanten  c  muss  dabei  der  negative  Wert: 

c  =  —  cosh-  6 
erteilt  werden. 

Es  erübrigt  noch,  den  zweiten  Fall,  in  dem  die  Fläche  Z  auf  das 
Rotationshyperboloid  abwickelbar  ist,  zu  besprechen.  Dazu  habeu  wir  nur 
nothig,  in  den  vorstehenden  Formeln,  insbesondere  in  den  Gleichungen 
(H),  (H*),  M  mit  V  zu  vertauschen.     Dann  wird  das  Stück  T  durch 

T  =  coth  6  coth  a 

bestimmt,  wobei  der  Constanten  c  der  positive  Wert:  c^sinh'«?  er- 
teilt werden  muss. 

Zum  Schlüsse  bemerken  wir,  dass  alle  Folgerungen  aus  dem  Ver- 
tauschbarkeitssatze,  welche  in  §  259  u.  f.  entwickelt  worden  sind,  auch 
für  unsere  Fundamentalgleichung  (D")  ihre  voUe  Gültigkeit  behalten. 
Insbesondere  haben  wir  das  wichtige  Ergebnis: 

Gelingt  für  eine  vorgelegte  Fläche  S  constanter  positiver 
Krümmung  die  vollständige  Integration  der  Transformations- 
gleichungen, so  erfordert  die  fortgesetzte  Anwendung  der 
Transformation  auf  jede  transformierte  Fläche  S'  nur  alge- 
braische Rechnungen  und  Differentiationen. 


!B48  Anhang  zu  Kap.  XVII. 

Beispiele  solcher  wirklich  existierenden  Fälle  sind  leicht  zu  bilden, 
indem  man  z.  B.  von  der  particulären  Lösung:  d-  =  0  der  Gleichung 
(D)  ausgeht  (vgl.  §  61). 

So  haben  wir  nunmehr  die  Theorie  der  Flächen  constanter  positiver 
Krümmung  auf  denselben  Höhepunkt  gebracht,  auf  welchen  schon 
seit  einigen  Jahren  die  Theorie  der  pseudosphärischen  Flächen  gebracht 
worden  ist. 

Wir  fügen  endlich  hinzu,  dass  selbst  für  pseudosphärische  Flächen 
eine  ganz  entsprechende  Theorie  entwickelt  werden  kann.  Die  Trans- 
formationen, die  man  dadurch  erhält,  können  nur  zum  Teil  aus  reellen 
Complementär-  und  Bäcklund'schen  Transformationen  zusammengesetzt 
werden.  In  anderen  Fällen  sind  sie,  als  reelle  Transformationen  auf- 
gefasst,  wirklich  neu,  indem  man  nun  wieder  nur  imaginäre  Bäck- 
lund'sche  Transformationen  benutzen  kann,  um  sie  in  einfachere  Trans- 
formationen aufzulösen. 

Die  verschiedenen  Punkte,  welche  in  der  vorliegenden  Note 
flüchtig  berührt  worden  sind,  sollen  in  einer  Arbeit  des  Verfassers, 
welche  demnächst  in  den  Annali  di  Matematica  (Serie  III,  T.  III) 
erscheinen  wird,  eine  eingehendere  Behandlung  erfahren. 

Pisa,  im  Mai  1899. 


Sachregister. 


Seit« 

Abbildung  einer  Fläche  auf  die  Kugel  nach  Gauss 118 

Abbildung  (sphärische)  der  Developpablen  bei  cyklischen  Strahlensystemen  .  354 

Abwickelbare  Flächen 22 

Abvnckelbarkeit  Ton  Flächen  auf  einander 179 

Abwickelbarkeit  der  Flächen  mit  derselben  constanten  Krümmung 186 

Abwickelbarkeit  einer  Fläche  constanter  Krümmung  auf  Rotationsflächen  .    .  193 
Abwickelbarkeit  der  Evolutenfläche  einer  pseudosphärischen  Fläche  auf  das 

Catenoid 444 

Abwickelbarkeit  von  Schraubenflächen  auf  Rotationsflächen  nach  Bour  .    .    .  199 

Abwickelbarkeit  der  Räume  mit  derselben  constanten  Krümmung 576 

Aequidistanzcurven 491 

Aequivalenz  quadratischer  Differentialformen 41 

Algebraische  quadratische  Formen 35 

Analytische  Fortsetzung  der  Schwarz'schen  Minimalfläche 409 

Appell's  Flächen  als  Evolventenmittelfläche  eines  Punktes 241 

Associirte  Flächen 293 

Assocürte  Minimalflächen 367 

B. 

Bäcklund's  Transformation  der  pseudosphärischen  Flächen 455 

Bäcklund"s  Transformation  der  pseudosphärischen  Orthogonal  Systeme.    .    .    .  532 

Beltrami's  Construction  des  Radius  der  geodätischen  Krümmung 237 

ßertrand'sche  Curven 31 

Bewegungen  der  complexen  Kugel  in  sich  (Cayley'sche  Formel; 81 

Bewegimgen  der  pseudosphärischen  Fläche  in  sich 421 

Bewegungen  des  dreidimensionalen  hyperbolischen  Raumes 586 

Binormale  einer  Curve 6 

Bonnet's   Flächen,   bei  welchen   alle  Mittelpunkte    der  Normalen   in   einer 

Ebene  liegen 306 

Bonnet'sche  Sätze  über  Strictionslinie  einer  Regelfläche 219 

Brennflächen  eines  Strahlensystems 266 

Brennfläche  eines  Strahlensystems  mit  ihren  beiden  Fundamentalformen    .    .  276 

Brennpunkte  eines  Strahlensystems 264 


650  Sachregister. 

Seite 

c. 

Catenoid  als  Minimal -Eotationsfläche 374 

Catenoid  in  allen   seinen  Verbiegungen   als  Evolute   der  pseudosphärischen 

Flächen 253 

Cayley's  Metrik 592 

Charakterische  Function  cp  von  Weingarten  für  unendlich  kleine  Verbiegungen 

einer  Fläche 288 

Charakterische  Gleichung  für  unendlich  kleine  Verbiegung 291 

Chasles'  Formel  für  Linienflächen 223 

Chasles'  Satz  über  confocale  Flächen  zvs^eiten  Grades 509 

Christoff el's  Drei -Indices- Symbole 44 

Christoffel's  Symbole  im  binären  Falle  ausgerechnet 67 

Clifford's  Fläche  im  elliptischen  Räume 631 

Codazzi'sche  Formeln 91 

Combescure's  Transformation  für  dreifache  Orthogonalsysteme 493 

Complementärfläche  der  Pseudosphäre 469 

Complementärtransformation  der  pseudosphärischen  Flächen 457 

Complementärtransformation  der  Weingarten'schen  Orthogonalsysteme  .    .    .  548 

Confocale  Flächen  zweiten  Grades 506 

Conforme  Abbildung  der  Flächen  auf  einander 75 

Conforme  Abbildung  der  Minimalflächen  auf  die  Gauss'sche  Kugel  und  auf 

die  Ebene 384 

Conforme  Abbildung  der  zweidimensionalen  pseudosphärischen  Mannigfaltig- 
keit auf  die  Halbebene 419  und  425 

Conforme  Abbildungen  des  Raumes  nach  Liouville 488 

Conforme  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes  auf  den  euklidischen  Halb- 
raum      581 

Conjugierte  Systeme 107 

Conjugiertes  System,  das  bei  einer  unendlich  kleinen  Verbiegung  conjugiert 

bleibt 297 

Conjugierte  Systeme,  welche  bei  einer  stetigen  Deformation  der  Fläche  con- 
jugiert bleiben 336 

Covariante  Differentialquotienten  zweiter  Ordnung 45 

Cyklische  Strahlensysteme 347 

Cyklische  Strahlensysteme,  die  oo""*'  cyklisch  sind 349 

D. 

Darboux-Dupin'scher  Satz 478 

Differentialgleichung  der  geodätischen  Linien 155 

Differentialinvarianten  und  DiflFerentialparameter 38 

Differentialparameter  erster  Ordnung  J^U  und  V{U,V) 40 

Differentialparameter  zweiter  Ordnung  d^U 47 

Difforentialparameter  zweiter  Ordnung  z/gg  U  im  binären  Falle 48 

DiflFerentialparameter  bei  einer  Fläche 115 

Dreifache  Orthogonalsysteme  überhaupt 482 

Dreifache  orthogonale  cyklische  Systeme 346 

Dreifache  Orthogonalsysteme  mit  Rotationsflächen 497 

Dreifache  Orthogonalsysteme  mit  einer  Schar  von  ebenen  Krümmungslinien  500 


Sachregister.  651 

S«it8 

Dreifache  pseudosphärische  Orthc^fonalsysteme 526 

Dreifache  Orthogonalsjsteme  von  Schranbenflächen  constanter  Krümmung    .  544 

Dnpin's  Indicatrix 102 

E. 

EHienencoordinaten  bei  einer  Fläche 139 

Elliptische  Coordinaten  im  Banme 507 

Elliptischer  Raum 594 

EUipsen  und  Hyperbeln  bei  allgemeinen  Flächen 163 

Enneper's  Satz  über  die  Torsion  der  Haupttangen tencurven 120 

Emieper*8  Satz  nach  dem  Vorzeichen  der  Torsion  präcisiert 127 

Enneper's  Satz  im  dreidimensionalen  Baume  constanter  Krümmung    ....  624 

Entsprechen  von  Flächen  nach  Orthogonalität  der  Elemente 299 

Enveloppe  von  oc*  Flächen 19 

Euler 'sehe  Formel  für  normale  Krümmung 102 

Euler' sehe  Formel  bei  H-dimensionalen  Räumen 607 

Evoluten  und  Evolventen  der  Raumcurven ....  27 

Evolutenflächen  überhaupt 232 

Evolutenfläche  einer  TF-Fläche 241 

Evolutenmittelfläche  nach  Ribaucour 239 

Evolventen  imd  Ergänzungsflächen  der  pseudosphärischen  Flächen 253 

Existenz    und    Eindeutigkeit    der   Fläche    bei    passenden   vorgeschriebenen 

Fundamentalformen 93 

F. 

Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung 473 

Flächen  constanter  positiver  Krümmung 471 

Flächen,  die  auf  das  Rotationsparaboloid  abwickelbar  sind 330 

Flächen  mit  dem  Linienelemente:  rf«*  =  cos*  Mdii' -|- sin'udc* 324 

Flächen  mit  der  Krümmung  Xull  im  elliptischen  Räume 629 

Flächen  mit  der  Krümmung  Xull  im  hyperbolischen  Räume 636 

Flächen  mit  einer  Schar  von  Krümmungslinien  in  parallelen  Ebenen ....  143 

Flächen  mit  einer  Schar  von  Krnnunungslinien  constanter  Flexion 552 

Formeln  von  Gauss  und  Codazzi 91 

Formeln  (allgemeine»  für  die  sphärische  Abbildung 122 

Formeln  für  die  ersten  Ableitungen  von  X,  Y,  Z 90 

Formeln  für  die  zweiten  Ableitungen  von  x,  y,  z 89 

Frenet'sche  Formeln  für  Raumcurven 9 

Fondamentalformen  eines  Fläche 85 

G. 

Geodätische  Abbildung  der  Flächen  constanter  Krümmung  auf  die  Ebene    .  434 

Geodätische  Abbildung  des  hyperbolischen  Raumes 590 

Geodätische  Dreiecke  >Satz  von  Gauss^ 174 

Geodätische  Dreiecke  auf  pseudosphärischen  Flächen 430 

Geodätische  Flächen  im  n-dimensionalen  Räume 571 

Greo^tische  (tangentiale)  Krümmung  einer  Flächencurve 146 

Geodätische  Krümmung  durch  die  Bonnet'sche  Formel  dargestellt   .    149  und  150 

Greodätische  Linien 152 


652  Sachregister. 

Seite 

Geodätische  Linien  auf  Liouville'schen  Flächen 171 

Geodätische  Linien  auf  Rotationsflächen 173 

Geodätische  Linien  auf  Evolutenflächen 232 

Geodätische  Linien  auf  den  Mittelpunktsflächen  2*«"  Grades 512 

Geodätische  Linien  auf  dem  Ellipsoid 513 

Geodätische  Linien  auf  dem  Ellipsoid  durch  die  Nabelpunkte 518 

Geodätische  Linien  auf  den  Flächen  constanter  Krümmung  durch  die  Inte- 
gration einer  Riccati'schen  Differentialgleichung  bestimmt 437 

Geodätische  Linien  im  w-dimensionalen  Räume 568 

Geodätisch  parallele  Linien     .    .  -. 158 

Geodätisch  parallele  Hyperflächen 569 

Geodätische  Torsion  einer  Flächencurve 166 

Grenzpunkte  bei  Strahlensystemen 259 

Gruppe  der  Bewegungen  der  Schwarz'schen  Minimalfläche 404 

Guichard's  Strahlensysteme  und  Flächen 284 

H. 

Halphen's  Satz  über  Evolutenflächen  der  TF- Flächen 243 

Hauptebenen  bei  Strahlensystemen 259 

Hauptflächen  bei  Strahlensystemen 262 

Hauptkrümmungsradien  einer  Fläche 99 

Hauptnormale  einer  Raumcurve 6 

Haupttangentencurven  im  Allgemeinen 109 

Haupttangentencurven  als  Coordinatenlinien 124 

Haupttangentencurven  auf  einer  Minimalfläche 128 

Haupttangentencurven  auf  pseudosphärischen  Flächen 1*29  und  442 

Haupttangentencurven  der  zweiten  Schar  bei  Linienflächen 221 

Hazzidaki'sche  Transformation   der  Flächen   constanter  positiver  Krümmung  471 

Hyperbolische  Geometrie 583 

Hyperflächen  im  «-dimensionalen  Räume 600 

Hyperflächen  im  euklidischen  Räume 612 

Hyperflächen  im  elliptischen  Räume 619 

Hyperflächen  im  hyperbolischen  Räume 621 

I. 

Integration  der  natürlichen  Curvengleichungen 13 

Integration  der  Diff'erentialgleichung  der  geodätischen  Linien 168 

Joachimsthal's  Satz 517 

Isometrische  Parameter 72 

Isothermensysteme  überhaupt 70 

Isothermensysteme  auf  Rotationsflächen 78 

Isotherm  conjugierte  Systeme 136 

Isotherm  conjugierte  Systeme  als  Coordinatenlinien 137 

Isotrope  Congruenzen  von  Ribaucour 261  und  273 

K. 

Kreise  (geodätische)  auf  beliebigen  Flächen 160 

Kreise  (geodätische)  auf  pseudosi^härischen  Flächen 426 

Kreissysteme  von  Ribaucour 339  und  344 


Sachregister.  653 

Seite 

KreissTsteme  von  Ribaucour  mit  gleichen  Radien 351 

Kriterien  für  die  Abwickelbarkeit  zweier  Flächen 183 

Kriterium  für  die  Möglichkeit,  eine  gegebene  Fläche  durch  Verbiegung  in 

eine  Minimalfläche  zu  verwandeln 381 

Krummlinige  Coordinaten  auf  einer  Fläche 59 

Krummlinige  Coordinaten  im  Räume 476 

Krümmung  (erste)  einer  Raumcui-ve  oder  Flexion 2 

Krümmung  der  Flächencurven  und  Meusnier'scher  Satz 100 

Ki-ümmung  einer  Curve  im  ??  -  dimensionalen  Räume 003 

Krümmung  einer  Fläche  (totale  Gauss'sche  Krümmung) 105 

Krümmung  im  »-dimensionalen  Räume  bei  beliebiger  Orientation  (^Riemanusche 

Krümmung) »71 

Krümmungslinien  einer  Fläche 97 

Krümmungslinien  einer  Hyperfläche  im  jj  -  dimensionalen  Räume 610 

Krümmungsmass  einer  binären  quadratischen  Differentialfonu 50 

L. 

Lame'sche  Gleich\mgen  für  dreifache  Orthogonalsysteme 484 

Laplace'sche  Gleichung,  die  einem  conjugierten  Systeme  entspricht     ....  109 

Laplace'sche  (Cayley'sche)  Gleichung  für  normale  Kreissysteme 344 

Lelieuvre'sche  Formeln  für  asymptotische  Linien 131 

Lie'scher  Satz  über  Isothermensysteme 73 

Lie'sche  Transformation  der  pseudosphärischen  Flächen 459 

Liouville'scher  Ausdi-uck  für  totale  Krümmung 150 

Liouville'sche  Flächen 171 

Linienelement  einer  Fläche 61 

Linienelement  einer  Regelfläche 217 

Linienelement  pseudosphärischer  Flächen 189 

Linienelement  des  Raumes  auf  dreifache  orthogonale  pseudosphärische  Systeme 

bezogen 526 

Linienelement  im  « -  dimensionalen  Räume 564 

Linienflächen  im  Allgemeinen 216 

Linienflächen,  die  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind 230 

M. 

Malus -Dupin'scher  Satz  über  Refraction  und  Reflexion  eines  normalen  Strahlen- 
systems      269 

Minimalflächen  (geschichtlicher  Ueberblick) 356 

Minimal  -  algebraische  Flächen 361 

Minimal -Doppelflächen 362 

Mioimalflächen,  die  auf  Rotationsflächen  abwickelbar  sind 372 

Miuimalflächen,  die  einen  gegebenen  Streifen  enthalten 377 

Minimalflächen  mit  ebenen  Krümmungslinien 369 

Minimal -Schraubenflächen 373 

Mittlere  Krümmung  einer  Fläche 105 

Moutard's  Satz  und  seine  geometrische  Deutung 311  und  313 

y. 

Natürliche  Gleichungen  einer  Raumcurve 12 

Nicht  -  euklidische  Geometrie 434 


654  Sachregister. 

Seite 

Normalformen  der  charakteristischen  Gleichung  bei  unendlich  kleinen  Ver- 

biegungen 295 

Normalenebene  einer  Raumcurve 1 

Normalensysteme 2G8 

0. 

Oktaedernetz  auf  der  Kugel 389  und  391 

Ort  der  Mittel  der  Schmiegungskugeln  bei  Raumcurven 25 

Orthogonale  Trajectorien  einer  Curvenschar CG 

Orthogonale  Trajectorien  von  Oü^  Ebenen 30 

Orthogonalsysteme  von  Kreisen  auf  der  Kugel  und  auf  der  Ebene 80 

Orthogonalsysteme  von  Curven  constanter  geodätischer  Krümmung 17G 

Osculierender  Kreis  einer  Eaumcurve 24 

Osculirende  Cykelsysteme  nach  Ribaucour 499 

P. 

Parallelitätswinkel  bei  pseudosphärischen  Flächen 428 

Plateau'sches  Problem  für  Minimalflächen 383 

Polardeveloppable  einer  Raumcurve 23 

Pseudosphärische  Flächen 129  und  418 

Pseudosphärische  Rotationsflächen 190 

Pseudosphärische  Schraubenflächen  von  Dini 4G8 

Pseudosphärische  Flächen  mit  zwei  vorgeschriebenen  Haupttangentencurven  .  44G 

Pseudosphärische  Strahlensysteme 282 

Quadratische  Fundamentalformen  einer  Fläche 85 

B. 

Räume  von  n  Dimensionen 563 

Räume  mit  constantem  Krümmungsmass 574 

Reduction  zweier  simultaner  quadratischer  DiflFerentialformen  auf  orthogonale 

Formen 56 

Rotationsfläche  constanter  Krümmung ,  190 

Rotationsflächen,  die  auf  einander  abwickelbar  sind 196 

S. 

Schar  von  oo^  Raumcurven,  die  orthogonale  Flächen  besitzen 339 

Schiebungen  im  elliptischen  Räume 597 

Schmiegungsebene  einer  Raumcurve 4 

Schmiegungskugel  einer  Raumcurve 24 

Schraubenlinien 16  und  19 

Schraubenflächen 199 

Schwarz'sche  Minimalfläche 395 

Sphärische  Abbildung  der  TT- Flächen 249 

Stereographische  Projection  der  Kugel 79 

Strahlensysteme  im  Allgemeinen 256 

Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  Hauptflächen  ....  270 


Sachregister.  655 

Seite 

Strahlensysteme  mit  gegebenem  sphärischen  Bilde  der  abwickelbaren  Flächen  274 

Strahlensysteme  von  Ribaucour 302  —  306 

StrictionsUnie  einer  Regelfläche 219 

T. 

Tangente  einer  Raumcurve 2 

Tangentialcoordinaten 139 

Torsion  einer  Raumcurve  izweite  Krümmung 8 

Torsion  der  geodätischen  Linien 164 

Transformationen  der  Flächen  constanter  positiver  Exümmung  (Anhang  zu 

Kap.  XYJIj 641 

Trigonometrie  auf  pseudosphärischen  Flächen 431 

ü. 

Unendlich  kleine  Verbiegungen  einer  Fläche 286 

Unendlich  kleine  Yerbiegungen  der  pseudosphärischen  Flächen,  welche  der 

Bäcklund'schen  Transformation  entsprechen 456 

Unmöglichkeit  eine  Fläche  zu  verbiegen,  wenn  die  (nicht  geradlinigen)  Haupt- 

tangentencurven  einer  Schar  erhalten  werden  sollen 215 

Un Veränderlichkeit  der  totalen  Krümmung  bei  Yerbiegung 180 

T. 

Verallgemeinerung  des  Halphen'schen  Satzes  für  TU-  Strahlensysteme ....  320 

Verbiegung  der  Flächen  im  Allgemeinen 202 

Verbiegung  einer  Fläche  mit  einer  starren  Curve 205 

Yerbiegung,   bei   der  eine  vorgeschriebene  Flächencurve  in   eine   gegebene 

Curve  übergeht 208 

Yerbiegung,  bei  der  eine  gegebene  Curve  Haupttangentencurve  oder  Krüm- 

mungsliuie  wird 212 

Yerbiegung  der  Linienflächen  nach  Minding's  Methode 223 

Yerbiegung  der  Linienflächen  nach  Beltrami's  Methode 225 

Yerbiegung  einer  Linienfläche,  die  eine  vorgeschriebene  Curve  in  eine  Haupt- 
tangentencurve verwandelt 227 

Yerbiegung  einer  Linienfläche,  welche  eine  auf  ihr  gegebene  Curve  in  eine 

ebene  oder  Krümmungslinie  verwandelt 229 

Verbiegungen  der  Minimalflächen  bei  Unveränderlichkeit  der  Hauptkrümmungs- 
radien        365  —  367 

Verbiegungen  der  Flächen  constanter  mittlerer  Krümmung  nach  Bonnet   .    .  474 

Verlauf  der  geodätischen  Linien  des  EUipsoids  durch  die  Xabelpunkte .    .    .  524 

Vertauschbarkeitssatz  für  Bäcklund'sche  Transformation 461  —  464 

Yertauschbarkeitssatz  bei  pseudosphärischen  Orthogonalsystemen 536 

Vier -Indices- Symbole 48 

Vorzeichen  der  Torsion 11 

Voss'sche  Flächen 285 

W. 

Weierstrass'sche  Formeln  für  Minimalflächen 358 

Weingarten'scher  Satz  über  die  Evolutenflächen  der  Tt^- Flächen  .    .    .      246  —  248 

Weingarten'scher  Satz  in  der  elliptischen  oder  hyperbolischen  Geometrie  .    .  634 


656  Sachregister. 

Seite 

Weingarten'sche  dreifache  Orthogonalsysteme 538 

Weingarten'sche  Systeme  mit  constanter  Flexion 542 

Weingarten'sche  Systeme,  die  eine  Kugel  enthalten 558 

Weingarten'sche  Systeme  mit  positiver  Krümmung 560 

TF-Flächen 241 

TF- Strahlensysteme  im  Allgemeinen 315 

IF- Strahlensysteme  in  Zusammenhang  mit  den  unendlich  kleinen  Deforma- 
tionen der  Brennflächen 316 

TF- Strahlensysteme ,    deren  Brennflächenmäntel  gleiche  Krümmung  in   ent- 
sprechenden Punkten  aufweisen 331 

Winkel  einer  Flächencurve  nach  den  Parameterlinien 04 

Winkelmessung  im  w  -  dimensionalen  Baume 665 

Z. 

Zweidimensionale  Mannigfaltigkeit  von  constanter  Kn'immung 418 

Zweite  Methode,   die  Aufgabe  der  unendlich  kleinen  Verbiegungen   zu  be- 
handeln      307 

Zweite  Variation  des  Flächeninhalts  von  Minimalflächen 414  —  417 


Yerzeiclinis  der  berücksicliti£:teii  Litteratur. 


Bäcklund,    Om   ytor  med  konstant  negativ   Irökning.     (Lunds    Univ.  Ärsskrift, 

19.  Bd.,  1883) 
Beez,  Zur  Theorie  des  Krümmungsmasses.     (Schlömilchs  Zeitschrift,  21.  Bd.) 
Beltrami,  Ricerche  di  Analisi  Applicata  alla  Geometria.  (Giomale  di  Matematiehe 

di  Napoli,  2.  u.  3.  Bd.,  1864—65) 

Sulla  Flessioyie  deVe  Superficie  Eigate.    (Annali  di  Matematica,  7.  Bd.,  1865) 

Saggio  di  Interpretazione  della  Geometria  non  -Euclidea.    (Giomale  di  Matern., 

6.  Bd.,  1868) 

Teoria  Fondamentale  degli  Spazii  di  Curvatura  Costante.    (Annali  di  Matern., 

2.  Ser.,  2.  Bd.,  1868) 

Sülle  Proprieta  Generali  delle  Superficie  d'Ärea  3Iinima.    (Atti  dell'  Accade- 

mia  di  Bologna,  7.  Bd.,  1868) 

Sulla    Teorica   Generale   dei   Parametri  Differenziali.     (Atti    dell'   Accad.  di 

Bologna,  Februar  1869) 

Bonnet,  Memoire  sur  les  Surfaces  Applicahles.    (Journal  de  TEcole  Polytechnique, 

41.  und  42.  Heft,,  1864—65) 
Bour,  Theorie  de  la  Deformation  des  Surfaces.    (Journal  de  lEc.  Pol.,  39.  Heft,  1862) 
Cayley,  A  Sixth  Memoir  upon  Quantics.  (Philosophical  Transactions,  149.  Bd.,  1859) 
Christoffel,  Uher  die  Transformation  der  homogenen  Di/f'erentialausdrücke  zweiten 

Grades.     (Grelles  Journal,  70.  Bd.) 
Clifford,   On  the  Theory  of  Screws  in  a  Space  of  Constant  Positive  Curvature. 

(Collected  Mathematical  Papers,  Nr.  44) 
Cosserat  Sur,  les  Congru^nces  des  Droites  et  sur  la  Theorie  des  Surfaces.    (Annales 

de  la  Faculte  des  Sciences  de  Toulouse,  7.  Bd.,  1893) 
Darboux,  Legons  sur  la  Theorie  Generale  des  Surfaces.    (Paris,  Gauthier-Vülars, 

1887,   1.,  2.  Bd.  und  die    beiden  ersten  Lieferungen  des  3.  Bandes  bis  S.  444) 
Memoire  sur  la  Theorie  des  Coordonnees  Curvilignes  et  des  Systemes  Otihogonaux. 

(Annales  Scientifiques  de  l'Ecole  Normale  Superieure,  2.  Ser.,  7.  Bd.,  1878) 
Dini,    Sopra  Alcuni   Punti  della    Teoria  delle  Superficie.      (Atti  dell'  Accademia 

dei  XL,  3.  Ser.,  1.  Bd.,  1868) 

Bicerche  sopra  la  Teoria  delle  Superficie.    (Atti  dell"  Accad.  dei  XL,  3.  Ser., 

2.  Bd.,  1869) 

Dupin,  Developpements  de  Geometrie.    (Paris -Courcier,  1813) 

Ajyplications  de  Geometrie  et  de  Mecanique.     vf*^s  - Bachelier,  1822) 

Gauss,  Disquisitiones  Generales  circa  Superficies  Curvas.    (Werke,  4.  Bd.) 

B  i  a  n  c  h  i ,  Differentialgeometrie.  42 


658  Verzeichnis  der  berücksichtigten  Litteratur. 

Guichard,  Surfaces  Bapportees  ä  leurs  Lignes  Äsymptotiques  et  Confjruences 
Rapportees  ä  leurs  Developpables.  (Annales  de  l'Ecole  Normale,  3.  Sdr., 
6.  Bd.,  1889) 

Becherches  sur  les  Surfaces  ä  Courbure  Totale  Constante  et  Certaines  Surfaces 

qui  s'ij  ruttachent.     (Ann.  de  l'Ecole  Norm.,  3.  Ser.,  7.  Bd.,  1890) 

Determination  des  Congruences  Teiles  que  les  Lignes  Äsymptotiques  se  corre- 

spondent    sur    les    deux    Nappes    de    la    Surface    Fucale.      (Comptes    llendiis, 
110.  Bd.,  1890) 

Joachimsthal,  Ämvendung  der  Differential-  und  Integralrechnung  auf  die  all- 
gemeine TJieorie  der  Flächen  und  der  Linien  doi)pelter  Krümmung.  (Leipzig- 
Teubner  1872) 

Killing,  Die  nicht-cuJdidischen  Ba.um formen  in  analytischer  Behandlung.  (Leipzig- 
Teubner,  1885) 

Klein,   Vorlesungen  über  das  Ikosaeder.     (Leipzig -Teubner,  1884) 

Vorlesungen  übernicht- euklidische  Geometrie.  (Lithographiert,  Göttingen,  1890) 

■ Zur  nicht  -  euklidischen  Geometrie.     (Mathem.  Annalen,  37.  Bd.     Siehe  auch 

4.  und  6.  Bd.) 
Knoblauch,  Einleitung  in  die  allgemeine  llieorie  der  krummen  Flächen.    (Leipzig- 

Teubner,  1888) 
Kronecker,  Über  Systeme  von  Functionen  mehrerer  Variabein.    (Berliner  Berichte, 

1869,  S.  695) 
Kummer,  Allgemeine  Theorie  der  geradlinigen  Strahlensysteme.     (Grelles  Journal, 

57.  Bd.) 
Lelieuvre,   Sur  les  Lignes  de  Courbure  et  les  Lignes  Äsymptotiques  des  Surfaces. 

(Comptes  Rendus,  111.  Bd.,  S.  183) 
Lie,  Z^M•  Theorie  der  Flächen  constanter  Krümmung.    (Archiv  for  Mathematik  og 

Naturvidenskab,  Christiania,  1881) 
Lindemann,    Über   tmetidlich  kleine  Beivegungen   bei   allgemeiner  projectivischer 

Massbestimmung.     (Mathem.  Annalen,  7.  Bd.) 
Lipschitz,    Untersuchungen  in  betreff  der   ganzen  homogenen  Functionen  von  n 

Differentialen.     (Grelles  Journal,  70.  und  72.  Bd.) 
Minding,   Über  die  Biegung  gewisser  Flächen.     (Grelles  Journal,  18.  Bd.) 
Monge,  Application  de  V Analyse  ä  la  Geometrie.     (Paris - Bachelier,  1850) 
Neovius,   Bestimmung  zweier  speciellen  periodischen  Minimalflächen,  auf  icelchen 

unendlich   viele   gerade  Linien   und  tmendlich  viele   geodätische  Linien   liegen. 

(Helsingfors-Frenckell,  1884) 
Padova,    Sulla  Teoria  Generale  delle  Superficie.     (Atti  dell'  Accad.  di  Bologna, 

4.  Ser.,  10.  Bd.,  1890) 

Poincare,    Memoire   sur   les    Groupes    Kleineens.      (Acta   Mathematica,    3.  Bd., 

5.  49) 

Uibaucour,  Ftude  des  Elassoides  ou  Surfaces  ä  Courbure  Moyenne  Nulle.  (Me- 
moires  Couronnes  par  l'Academie  de  Belgique,  44.  Bd.,  1881) 

Memoire  sur  la  TJieorie  des  Surfaces  Courbes.     (Journal   des  Mathematiques, 

4.  Ser.,  7.  Bd.,  1891) 

Ricci,  Sui  Parametri  e  gli  Invarianti  delle  Forme  Quadratiche  Differenziali.  (An- 
nali di  Matern.,  2.  Ser.,  14.  Bd.,  1886) 

Delle  Derivazioni  Covarianfi  e  Contravarianti  c  del  loro  Uso  nelV  Änulisi  Äppli- 

cata.     (3.  Bd.   der:    Studi    offerti    dalla    Universita   Padovana    alla    Bolognese 
neir  8.  centenario  etc.,  Padova,  1888) 


Vei-zeichnis  der  berücksichtigten  Litteratur.  659 

Kiemann,  Über  die  Hypothesen,  icelche  der  Geometrie  zu  Grunde  liegen.  (Ge- 
sammelte Werke,  Leipzig -Teubner,  S.  254.  Vgl.  auch  die  Zusätze  von  Dede- 
kind,  S.  517) 

M.  Roberts,  Sur  quelques  Propriete's  des  Lignes  Geode'siques  et  des  Lignes  de 
Courbure  de  VEllipsoide.     (Liouvilles  Journal,  11.  und  13.  Bd.) 

Schell,  Allgemeine  Theorie  der  Curven  doppelter  Krümmung.  (Leipzig-Teubner,  1859) 

Schur,  Über  Bäume  constanten  Kriimmun^smasses.  (Mathem.  Annalen,  27.  Bd., 
S.  172  u.  538) 

Schwarz,  Gesammelte  Werke,  1.  Bd.     (Berlin -Springer,  1890) 

P.  Serret,  Theorie  Xotivelle  Ge'ometrique  et  Mecanique  des  Lignes  ä  Double  Cour- 
bure.   (Paris -Bachelier,  1860) 

Voss,  Über  diejenigen  Flächen,  auf  denen  zwei  Scharen  geodätischer  Linien  ein 
conjugiertes  System  bilden.  (Sitzungsberichte  der  kgl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  München,  3.  März  1888) 

Zur  Theorie  des  Biemannschen  Krümmungsmas-ses.    (Math.  Annalen,  16.  Bd. 

Weierstrass,  Über  die  FläcJien,  deren  mittlere  Krümmung  überall  gleich  Xull 

ist.     (Sitzungsberichte   der   Akademie    der   Wissenschaften    zu   Berlin,    1866, 
S.  612  und  855) 
W^eingarten,    Über  eine  Klasse   auf  einander   abwickelbarer   Flächen.     (Grelles 
Journal,  59.  Bd.) 

Über  die  Oberflächen,  für  icelche  einer  der  beiden  HauptkrümnmngsJuilbinesser 

eine  Function  des  anderen  ist.    (Grelles  Journal,  62.  Bd.) 

Über  die   Theorie  der  auf  einander  abwickelbaren  Oberflächen.     (^Festschrift 

der  technischen  Hochschule  zu  Berlin,  1884) 

Über  die  Deformationen   einer  biegsamen  unausdehnbaren  Fläche.     (Grelles 

Journal,  100.  Bd.) 


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Berkeley 


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