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p. p.
Meinen umfangreichen Verlag auf dem Gebiete der Mathematisclien,
der Technischen und Naturwissenschaften nach allen Richtungen hin
weiter auszubauen, ist mein stetes durch das Vertrauen und Wohlwollen
zahlreicher hervorragender Vertreter obiger Gebiete von Erfolg begleitetes
Bemühen, wie mein Verlagskatalog zeigt, und ich hoffe, dafs bei gleicher
Unterstützung seitens der Gelehrten und Schulmänner des In- und Auslandes
auch meine weiteren Unternehmungen Lehrenden und Lernenden in Wissen-
schaft und Schule jederzeit förderlich sein werden. Verlagsanerbieten ge-
diegener Arbeiten auf einschlägigem Gebiete werden mir deshalb, wenn
auch schon gleiche oder ähnliche Werke über denselben Gegenstand in
meinem Verlage erschienen sind, stets sehr willkommen sein.
Unter meinen zahlreichen Unternehmungen mache ich ganz besonders
auf die von den Akademien der Wissenschaften zu München und Wien und
der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen herausgegebene Encyklo-
pädie der Mathematischen Wissenschaften aufmerksam, die in 7 Bänden
die Arithmetik und Algebra, die Analysis, die Geometrie, die Mechanik,
die Physik, die Geodäsie und Geophysik und die Astronomie behandelt und
in einem Schlvifsband historische, philosophische und didaktische Fragen
besprechen, sowie ein Generalregister zu obigen Bänden bringen wird.
Weitester Verbreitung erfreuen sich die mathematischen und natur-
wissenschaftlichen Zeitschriften meines Verlags, als da sind: Die Mathe-
matischen Annalen, die Bibliotheca Mathematica, das Archiv der
Mathematik und Physik, die Jahresberichte der Deutschen Mathe-
matiker-Vereinigung, die Zeitschrift für Mathematik und Physik
und die Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen
Unterricht.
Seit 1868 veröffentliche ich in kurzen Zwischem-äumen: „Mitteilungen
der Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner". Diese „Mitteilungen", welche
unentgeltlich in 20000 Exemplaren sowohl im In- als auch im Auslande
von mir verbreitet werden, sollen das Publikum, welches meinem Verlage
Aufmerksamkeit schenkt, von den erschienenen, unter der Presse befindlichen
und von den vorbereiteten Unternehmungen des Teubnerschen Verlags in
Kenntnis setzen und sind ebenso wie das bis auf die Jüngstzeit fortgeführte
jährlich, zwei- bis dreimal neu gedruckte Verzeichnis des Verlags von
B. G. Teubner auf dem Gebiete der Mathematik, der technischen
und Naturwissenschaften nebst Grenzgebieten, 96. Ausgabe [XL u.
168 S. gr. 8], in allen Buchhandlungen unentgeltlich zu haben, werden
auf Wunsch aber auch unter Kreuzband von mir unmittelbar an die Be-
steller übersandt.
Leipzig, Poststrafse 3. Jß Q TeUbner.
Ä
''AT.
IN MEMOmAM
Irving Stringham
Mathematics
LUIGI BIANCHI
VORLESUNGEN
ÜBER
DIFFERENTIALGEOMETRIE.
AUTORISIERTE DEUTSCHE ÜBERSETZUNG
MAX LUKAT.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1899.
STAf.
Vorwort.
Als ich im Jakre 1886 die „Lezioni di geometria differenziale"
lithographiert erscheinen liess, war es meine Absicht, dieselben nach
den aUmählich im Lehrgang eingeführten Modificationeu und Zusätzen,
welche die ünterrichtspraxis und die neueren Fortschritte der Theorie
mir raten wurden, später in den Druck zu geben. Der Nutzen der
beabsichtigten Arbeit schien mir nicht zweifelhaft, da unt^r den
italienischen und ausländischen Veröflentlichungen damals ein Buch
fehlte, das ausführlich die Anwendungen der Infinitesimalrechnung in
der Geometrie der Flächen behandelte.
Heutzutage hegt die Sache ganz anders. Um von anderen kleineren
Werken zu schweigen, besitzen wir jetzt die ersten drei Bände des
Lehrbuchs von Darboux: .Xeeons sur la theorie generale des surfaces",
das eine Tollständige Zusammenst^llimcr aller bisher auf dem Gebiet«
der Lifinitesimalgeometrie gewonnenen Resultate enthält. Wenn ich
trotzdem meine ursprüngliche Absicht ausgeführt habe, so wurde ich
dazu durch die Betrachtimg geführt, dass Zweck und Plan meiner
Arbeit wesentlich von denen des hervorragenden französischen Mathe-
matikers verschieden sind. Indem ich mich auf die Auseinandersetzung
der Grundzüge der Theorie und ihrer hauptsächlichsten Anwendimgen
beschränke, habe ich vor allem im Sinne gehabt, in einem Bande von
nicht zu grossem Umfange alles das zusammenzustellen, was den An-
fängern, die die geometrischen Anwendungen der Infinitesimalrechnung
gründlich kennen zu lernen wünschen, nötig ist, um sich die
allgemeinen Methoden anzueignen und imstande zu sein, Original-
abhandlungen selbst zu lesen. Mit Bezug hierauf will ich gleich be-
merken, dafs verschiedene Kapitel des Buches, und zwar besonders die
Kapitel VIII, XI, XII, XIU, XV und XX beim ersten Studium über-
schlacren werden können.
810010
IV Vorwort.
Die Methode, welcher der vorliegende Lehrgang durchweg folgt,
hat ihren Ursprung in den berühmten „Disquisitiones generales circa
superficias curvas" von Gauss und ])esteht darin, die Differential-
geometrie als das Studium einer quadratischen Differentialform oder
solcher zwei simultanen Formen zu betrachten.
Deshalb wird man auch nach einem ersten Kapitel, das über
die hauptsächlichsten Eigenschaften der Kurven mit doppelter Krüm-
mung handelt, ein zweites Kapitel finden, in dem in aller Kürze
die Theorie der quadratischen Differentialformen auseinandergesetzt wird.
Die Algorithmen, die sich aus dieser Theorie herleiten, haben den
grossen Vorteil, den Formeln ein einfaches und elegantes Aussehen zu
geben, das sich leicht dem Gredächtnis einprägt, während sie gestatten,
den Coordinatenlinien ihre völlige Allgemeinheit zu belassen: sie werden
durchweg in diesem Buche in Anwendung gebracht werden, wofür
dieses Kapitel als Einleitung dient.
Das allgemeine Studium der Flächen und zwar sowohl der Eieren-
Schäften, die ihren wirklichen Gestalten im Räume innewohnen, als auch
der bei Biegung der Fläche invariablen (Theorie der Abwickelbarkeit)
wird in den folgenden sieben Kapiteln auseinandergesetzt (III- — IX).
Es folgen drei Kapitel (X, XI, XII), die von zwei eng mit einander
verbundenen Theorien handeln: von den doppelt unendlichen Strahlen-
systemen (Congruenzen) und von den infinitesimalen Verbiegungen der
Flächen, oder, wenn man will, von dem Entsprechen durch Orthogonalität
der Elemente; sie haben schon viele wichtige Ergebnisse für die Theorie
der Flächen geliefert und versprechen auch noch andere zu geben.
Kapitel XIII ist der Theorie der cyklischen Systeme gewidmet, die
völlig Ribaucour zu verdanken ist, und die in mehrfacher Beziehung
zu den beiden vorhergehenden steht. Ich gehe dann über zur Behand-
lung von zwei Specialklassen von Flächen, die an Wichtigkeit die bisher
behandelten übertreffen: der Minimalflächen (XIV, XV) und der Flächen
mit constanter Krümmung (XVI, XVII). In Kapitel XIV setze ich,
ausgehend von den Weierstrass'schen Formeln, die in einfachster und
elegantester Form die Theorie der Minimalflächen mit der der Functionen
von complexen Veränderlichen verbinden, die allgemeinen Sätze, die auf
diese Flächen Bezug haben, auseinander. Kapitel XV bringt einige
allgemeine auf das Plateau'sche Problem bezügliche Anweisungen, aber
anstatt mich in diesen Gegenstand tiefer einzulassen, der beim Leser
die Kenntnis der neueren Theorie der linearen Differentialgleichungen
voraussetzen würde, habe ich es vorgezogen, ausführlich das klassische
Beispiel der Schwarz'schen Fläche zu behandeln, wo schon einige Kennt-
nisse der conformen Abbildungen genügen, um zum Ziel zu gelangen.
Vorwort. V
Die analytische Fortsetzung der Schwarz'schen Fläche wird hier mit
elementareren Mitteln behandelt, als die sind, welche Schwarz bei seiner
Abhandlung anwendet, da nur auf die Grenzlinie, die einen ersten Teil
der Fläche bestimmt, Bezug genommen wird und dann die Eigenschaften
der Bewegungsgruppen benutzt werden.
Im ersten Kapitel über die pseudosphärischen Flächen (XVI)
wird die Geometrie dieser Flächen behandelt, ein Abriss der nicht-
euklidischen Geometrie gegeben mit Hilfe derjenigen conformeu Ab-
bildung auf die Halbebene, die durch die modernen Untersuchungen
über die Theorie der linearen Substitutionsgruppen und der auto-
morphen Functionen so grosse Wichtigkeit gewonnen hat (Klein-
Poincare). Das folgende Kapitel (XVII) ist den Transformations-
methoden der pseudosphärischen Flächen gewidmet, besonders der
Bäcklund'schen Transformation. Der neue Satz über die Vertausch-
barkeit zweier solcher Transformationen mit seinen Folgerungen giebt
der allmählichen Anwendung der Methode den höchsten Grad der Ein-
fachheit und hebt die Wichtigkeit der Bäcklund'schen Transformation
noch höher empor, die Ton verschiedenen Mathematikern mir noch
nicht genügend anerkannt scheint.
Das Buch schliesst mit drei Kapiteln über die krummlinigen
Coordinaten im Räume und ihren dreifachen Systemen oi-thogonaler
Flächen. Im ersten (XVIII) werden die allgemeinen Sätze behandelt,
die sich auf diese Systeme beziehen, bis zur Aufstellung der wichtigen
Transformation von Combescure-Darboux. Im XIX. Kapitel beschäftige
ich mich nochmals mit den cyklischen Systemen Ribaucours, und mit
Anwendung der Combescure'schen Transformation leite ich daraus nur
mit Quadraturen die allgemeineren dreifach orthogonalen Systeme mit
einer Reihe von Linien ebener Krümmung ab. Im weiteren Verlauf
handelt das Kapitel von den elliptischen Coordinaten mit Anwendung
auf das Studium der geodätischen Linien auf dem EUipsoid. Das letzte
Kapitel ist schliesslich eine Zusammenfassung meiner Abhandlungen
über diejenigen dreifach orthogonalen Systeme, welche eine Reihe von
Flächen mit constanter Krümmung enthalten.
Zum Schlüsse muss ich noch anführen, dass ich mich für die
Citate im Texte auf die wichtigsten beschränkt habe, besonders gilt
dies für die Stellen des Werkes von Darboux, aus denen ich manchmal
geschöpft habe.
Um die Kargheit der Citate zu verringern, habe ich am Ende des
Buches ein Verzeichnis der hauptsächlichsten zu Rate gezogenen Werke
angefügt.
Vorwort zur deiitschen Ausgabe.
Ausser durch kleinere, während des Druckes als zweckmässig
erkannte Änderungen des Textes unterscheidet sich diese deutsche Aus-
gabe meiner„Lezioni di geometria differenziale" von der Original-
ausgabe noch durch Hinzufügung der beiden letzten Kapitel XXI
und XXII, die in aller Kürze die Hauptformeln der w-dimensionalen
Differentialgeometrie, mit besonderer Rücksicht auf Räume constanter
(Riemann'scher) Krümmung, behandeln. Die vorliegende Fassung dieser
neu hinzugekommenen Theorien stammt aus TJniversitätsvorlesungen
des Jahres 1894/95. Der Verfasser hat sich dabei bemüht, aus der
reichen Litteratur das zur ersten Orientierung Wesentliche herauszu-
nehmen und mit den vorhergehenden Teilen des Buches zu einem ein-
heitlichen Ganzen zu vereinigen.
Als besonders vom Verfasser herrührend sei es gestattet, den
neuen Beweis (§§ 321 und 322) für die Abwickelbarkeit zweier Räume
mit derselben constanten Krümmung hervorzuheben sowie die Art und
Weise, wie im § 331 die verallgemeinerten Formeln von Gauss und
Codazzi im beliebig gekrümmten Räume von n Dimensionen aus den
ChristofFeFschen Grundformeln für Äquivalenz quadratischer Differential-
formen abgeleitet wurden.
Endlich möchte ich den Leser auf die ganz neue Transformations-
theorie für die Flächen constanter positiver Krümmung aufmerksam
machen, über die im Anhang zum XVII. Kapitel (S. 641) kurz
berichtet wird. Den letzten Untersuchungen, die Herr Guichard über
Deformationen der Rotationsflächen zweiter Ordnung aufgestellt hat,
kommt hauptsächlich das Verdienst zu, den neuen wesentlichen Fort-
schritt in der Theorie der Flächen constanter Krümmung ermöglicht
zu haben.
lulialtsverzeicliuis.
Kapitel I.
Cnrven doppelter Krümmung.
Seite
§ 1. Tangent« und Normalenebene 1
§ 2. Die erste Krümmung oder Flexion 2
§ 3. Die Schmiegungsebene i
§ 4. Hauptnormale und Binormale 6
§ 5. Die zweite Krümmung oder Torsion 8
§ 6. Formeln von Freuet 9
§ 7. Das Vorzeichen der Torsion 11
§ 8. Die natürlichen Gleichungen einer Curve 12
§ 9. Integration der natürlichen Curvengleichungen 13
§ 10. § 11. Cylindrische Schraubenlinien 16
§ 12. Enveloppe von oc^ Flächen 19
§ 13. Abwickelbare Flächen 22
§ 14. Polardeveloppable einer Curve 23
§ 15. Ort der Mitten der Schmiegungskugeln 25
§ 16. § 17. Evoluten und Evolventen 27
§18. Orthogonale Trajectorien von co' Ebenen 30
§ 19. § 20. Bertrandsche Curven 31
Kapitel II.
Quadratisclie Differentialform en.
§ 21. Algebraische quadratische Formen 35
§ 22. Definition der Differentialinvarianten und Differentialparameter einer
quadratischen Differentialform 38
§ 23. Erster Differentialparameter A^U und Zwischenparameter ViU, V) . . 40
§ 24. Äquivalenz zweier quadratischer Differentialformen 41
§ 25. Eigenschaften der Christoffel'schen Drei-Indices-Symbole 44
§ 26. Die covarianten zweiten Differentialquotienten und der zweite Diffe-
rentialparameter A^U 45
§ 27. Vier -Indices- Symbole 48
§ 28. § 29. Krümmungsmass einer binären Differentialform 50
§ 30. Die trilineare Covariante <f, qp) zweier simultaner quadratischer Diffe-
rentialformen / und qp 54
§ 31. Gleichzeitige Reduction zweier binärer quadratischer Differentialformen
auf Orthogonalformen 56
X Inhaltsverzeichnis.
Seite
§ 105. Beispiele zur Abwickelung von Schraubenflächen auf Rotationsflächen 201
§ 106. § 107. Das allgemeine Problem der Verbiegung von Flächen .... 202
§ 108. Verbiegung einer Fläche mit einer starren Curve 205
§ 109. § 110, Verbiegung, bei der eine gegebene Curve in eine andere gegebene
Curve übergeht 208
§111. Verbiegung, bei der eine gegebene Curve Haupttangentencurve oder
Krümmungslinie wird 212
§ 112. Theorem von Bonnet über die Unmöglichkeit, eine Fläche bei Erhaltung
der Haupttangentencurven der einen Schar zu verbiegen 213
Kapitel VIII.
Verbiegung der Linienfläclien.
§ 113. Auf einander abwickelbare Linienflächen 216
§ 114. Linienelement einer Linienfläche 217
§ 115. Strictionslinie und darauf bezügliche Sätze von Bonnet 219
§ 116. Haupttangentencurve der zweiten Schar. Formel von Chasles . . . 221
§ 117. Verbiegung einer Linienfläche nach der Methode von Minding . . . 223
§ 118. Methode von Beltrami und die darauf bezüglichen Fundamental-
gleichungen 225
§ 119. Verbiegung einer Linienfläche, bei der eine auf ihr gegebene Curve
Haupttangentencurve wird 227
§ 120. Verbiegungen, bei denen eine gegebene Curve eben oder eine
Krümmungslinie wird 228
§ 121. Linienflächen, welche auf Rotationsflächen abwickelbar sind .... 230
Kapitel IX.
Evolutenflächen und Weingarten'scher Satz.
§ 122. Die geodätischen Linien der Evolutenfläche, die den Krümmungslinien
der Evolventenfläche entsprechen 232
§ 123. § 124. Formeln für die Evolutenflächen 234
§ 125. Beltramis Construction des Radius der geodätischen Krümmung. . . 237
§ 126. Evolventen- und Evolutenmittelfläche nach Ribaucour 239
§ 127. W- Flächen, deren Hauptkrümmungsradien durch eine Gleichung ver-
bunden sind 241
§ 128. Satz von Ribaucour über das Entsprechen der Krüuimungslinien auf
den beiden Mänteln der Evolutenfläche 243
§ 129. Lies Satz über die Bestimmung der Krümmungslinien der W- Flächen
mittels Quadraturen 245
§ 130. Weingartens Satz über die Abwickelbarkeit der beiden Mäntel der
Evolute einer TT- Fläche auf Rotationsflächen 246
§ 131. Beltramis Satz über die Normalensysteme von Flächen, die zugleich
Flächen berühren 247
§ 132. Umkehrung des Weingarten' sehen Satzes 248
§ 133. Besondere Formen des Linienelements auf der Kugel bei der Ab-
bildung von TT- Flächen 249
§ 134. Anwendung auf Minimalflächen und auf die Weingarten'schen Flächen
k(r^ — 'i\) = sin ]c(r^ -f r^) 251
§ 135. Evolventen- und Ergänzungsflächen der pseudosphärischen Flächen . 253
InhaltsTerzeichms. XI
Kapitel X.
Strahlensysteme (Congruenzen). g^^
§ 136. § 137. Grundlegende Formeln für Strahlensysteme 256
§ 138. Grenzpunkte und ELauptebenen 259
§ 139. Isotrope Congruenzen von Ribaucour. Hauptflächen 261
§ 140. Gleichung zur Bestimmung der Grenzpunkte 263
§ 141. Abwickelbare Flächen und Brennpunkte des Strahlensystems .... 264
§ 14-2. Brennflächen des Strahlensystems 266
§ 143. Normalensysteme 268
§ 144. Malus-Dupin'scher Satz 269
§ 145. § 146. Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde der Haupt-
flächen 271
§ 147. Anwendung auf isotrope Congruenzen 273
§ 148. Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde der abwickelbaren
Flächen 274
§ 149. § 150. Formeln für die beiden Brennflächen 276
§ 151. Pseudosphärische Strahlensysteme 282
§ 152. Guichard'sche Strahlensysteme. Guichard'sche und Voss'sche Flächen 284
Kapitel XL
Unendlich kleine Verbiegungen der Flächen und Entsprechen
durch Orthogonalität der Elemente.
§ 153. Verschiedene AuiTassungen des Problems der unendlich kleinen
Verbiegungen 286
§ 154. Die charakteristische Funktion qp und die charakteristische Gleichung 288
§ 155. Umformung der charakteristischen Gleichung 291
§ 156. Die bei einer unendlich kleinen Verbiegung associierten Flächen . . 293
§ 157. Zurückführung der charakteristischen Gleichung auf ihre beiden
Normalformen 295
§ 158. Das erhaltene conjugierte System 297
§ 169. Eigenschaften von Flächen, die einander durch Orthogonalität der
Elemente entsprechen 299
§ 160. § 161. Die Ribaucour'schen Strahlensysteme 302
§ 162. Besondere Classen von Ribaucour'schen Strahlensystemen 305
§ 163. § 164. Zweite Methode, die Aufgabe der unendlich kleinen Verbiegungen
zu behandeln 307
Kapitel XII.
TV- Strahlensysteme.
§ 165. Moutards Satz über die Laplace'schen Gleichungen von der Form
,^ = M9- 311
cucv
§ 166. Geometrische Deutung des Moutard'schen Satzes 313
§ 167. TF- Strahlensysteme 315
§ 168. Ableitung aller TF- Strahlensysteme aus unendlich kleinen Verbiegungen
der Brenn flächen 316
XII Inhaltsverzeichnis.
Seite
§ 169. Verallgemeinerung des Halphen'schen Satzes 320
ij 170. Neuer Beweis des Weingarten'schen Satzes 321
§171. TT- Strahlensysteme, die der Gleichung >.-^^ = 0 entsprechen . . . 323
§ 172. Der Darhoux'sche Satz über die Weingarten'schen Flächen k{)\ — ri)
= sin k{r,^r,) 325
§ 173. TT- Normalensysteme, die der Gleichung 0—2+ ^ = 0 entsprechen 327
§ 174. Daraus folgende Bestimmung aller auf das Rotationsparaboloid ab-
wickelbaren Flächen 329
§ 175. § 176. TF- Strahlensysteme , deren Brennflächen in entsprechenden
Punkten gleiche Krümmung haben 3.S1
§ 177. § 178. Sätze von Cosserat und Beispiele 336
Kapitel XIII.
Die normalen Kreissysteme.
§ 179. Bedingung dafür, dass eine Schar von 00° Curven eine Schar Ortho-
gonalflächen hat 339
§ 180. Normale Kreissysteme und Sätze von Ribaucour 341
§ 181. Formeln für normale Kreissysteme 342
§ 182. Laplace'sche Gleichung, von der die normalen Kreissysteme abhängen 344
§ 183. Dreifaches Orthogonalsystcm von Flächen, das zu einem normalen
Kreissystem gehört 346
§ 184. Cyklische Strahlensysteme 347
§ 185. Strahlensysteme, die auf unendlich viele Weisen cyklisch sind . . . 349
§ 186. Die Ribaucour'schen Kreissysteme gleich grosser Kreise 351
§ 187. Ausdruck für das Linienelement des Raumes, bezogen auf ein normales
Kreissystem 353
§ 188. Bestimmung der sphärischen Bilder der Abwickelbaren eines cyklischen
Strahlensystems 354
Kapitel XIV.
Die Minimalflächen.
§ 189. § 190. Geschichtlicher Überblick 356
§ 191. Formeln von Weierstrass 358
§ 192. Algebraische Minimalflächen 361
§ 193. Minimal -Doppelflächen 362
§ 194. Verbiegung der Minimalflächen, wobei sie beständig Minimalflächen
bleiben 365
§ 195. Sätze über associierte Minimalflächen 367
§ 196 — 199. Minimalflächen mit ebenen Krümmungslinien 369
§ 200. Die auf Rotationsflächen abwickelbaren Minimalflächen 372
§ 201. Die Minimal- Schraubenflächen 373
§ 202. Andere Gestalt der Formeln von Weierstrass . . . : 375
§ 203. Formeln von Schwarz 377
§ 204. § 205. Lösung der Aufgabe, durch einen gegebenen Streifen eine
Minimalfläche hindurchzulegen. Beispiele 378
§ 206. Kriterium dafür, dass eine Fläche in eine Minimalfläche verbiegbar ist 381
Inhaltsverzeichnis. XIII
Kapitel XV.
Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sclie Minimalfläche.
Seite
§ 207. Das Plateau'sche Problem 383
§ 208. Conforme Abbildung der Minimalfläche auf die Gaussische Kugel und
auf die Ebene 384
§ 209. Fall einer aus geradlinigen Strecken und aus Ebenen bestehenden
Begrenzung 385
§ 210. Fall des von zwei Paar Gegenseiten eines regulären Tetraeders ge-
bildeten Vierecks 387
§ 211. Oktaedemetz auf der Kugel 389
§ 212. Conforme Abbildung des Oktaedernetzes 391
§ 213. Analytische Darstellungen der 24 Drehungen des Oktaederuetzes . . 392
§ 214. Nachweis für die conforme Abbildung des Oktaedemetzes 394
i? 215. Bestimmung von F{t) für die Schwarz'sche Minimalfläche 395
§ 216. § 217. Analytische Darstellung der Schwarz'schen Minimalfläche . . 397
§ 218, § 219. Einfachere Form der Gleichungen der Schwarz'schen Minimal-
fläche 400
§ 220 — 222. Die Gruppe von Bewegungen, welche die Schwarz'sche Fläche
uugeändert lassen 404
§ 223. Analytische Fortsetzung der Schwarz'schen Minimalfläche 409
§ 224. § 225. Die zur Schwarz'schen Fläche conjugierte Minimalfläche und
die entsprechende Gruppe von Bewegungen 411
§ 226. § 227. Die zweite Variation des Flächeninhaltes einer Minimalfläche 414
§ 228. Satz von Schwarz über die zweite Variation 417
Kapitel XVI.
Pseudosphärische Geometrie.
§ 229. Zweidimensionale Mannigfaltigkeit von constanter Krümmung . . . 418
§ 230. Conforme Abbildung der pseudosphärischen Fläche auf die Halbebene 419
§ 231. Darstellung der Bewegungen der Fläche in sich durch lineare Sub-
stitutionen der complexen Veränderlichen 421
§ 232. Bewegungen erster Art 422
§ 233. Bewegungen zweiter Art 423
§ 234. Abänderung der conformen Abbildung 425
§ 235. Abbildung der Curven von constanter geodätischer Krümmung . . . 426
§ 236. Die drei Arten von geodätischen Kreisen 427
§ 237. Der Parallelitätswinkel 428
§ 238. Geodätische Dreiecke 430
§ 239. Pseudosphärische Trigonometrie 431
§ 240. Überblick über die nicht- euklidische Geometrie 434
§ 241. Beltrami'sche Abbildung 434
§ 242. Flächen, die auf die Ebene geodätisch abbildbar sind 436
§ 243. Die Riccati'sche DiiFerentialgleichung für die geodätischen Linien. . 437
XrV" Inhaltsverzeichnis.
Kapitel XVII.
Transformationen der Flächen mit eonstantem Krümmungsmass.
Seite
§ 244. Die zu gegebenen Streifen gehörigen Flächen constanter Krümmung. 440
§ 245. Die pseudosphärischen Flächen bezogen auf ihre Haupttangentencurven 442
§ 246. Abwickelbarkeit der Evolutenfläche einer pseudophärischen Fläche auf
das Catenoid 444
§ 247 — 250. Pseudosphärische Flächen mit zwei gegebenen Haupttangenten-
curven 446
§ 251. Die pseudosphärischen Strahlensysteme 451
§ 252. Ableitung der neuen pseudosphärischen Flächen durch Quadraturen . 453
§ 253. Die Bäcklund'sche Transformation 455
§ 254. Unendlich kleine Verbiegungen der pseudosphärischen Flächen . . . 456
§ 255. Die Complementärtransformation 457
§ 256. Die Lie'sche Transformation 459
§ 257. § 258. Der Vertauschbarkeitssatz 461
§ 259. § 260. Folgerungen aus dem Vertauschbarkeitssatz 464
§ 261. § 262. Dinis pseudosphärische Schraubenfläche 466
§ 263. Complementärfläche der Pseudosphäre 469
§ 264. Flächen mit positivem constanten Krümmungsmass 471
§ 265. Zusammenhang mit Flächen constanter mittlerer Krümmung .... 473
§ 266. Verbiegungen von Flächen constanter mittlerer Krümmung 474
Kapitel XVIII.
Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
5; 267. Krummlinige Coordinaten im Räume 476
§ 268. Darboux-Dupin'scher Satz 478
§ 269. Folgerungen aus dem Darboux-Dupin'schen Satze 481
§ 270. Linienelement des Raumes 482
§ 271. Die Lame'schen Gleichungen 484
§ 272. Die Lame'schen Gleichungen als hinreichende Bedingungen für die
Existenz des Orthogonalsystems 485
§ 273. Conforme Abbildungen des Raumes 487
§ 274. Hauptkrümmungsradien der Parameterflächen 489
§ 275. Äquidistanzcurven und Cayley'sche Gleichung 491
§ 276. Combescure'sche Transformation 493
Kapitel XIX.
Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
§ 277. Dreifache Orthogonalsysteme, die eine Schar von Rotationsflächen
enthalten 497
§ 278. Osculierende Cykelsysteme nach Ribaucour 499
§ 279 — 281. Dreifache Orthogonalsysteme mit einer Schar von ebenen
Krümmungslinien 500
§ 282. Confocale Flächen zweiten Grades 506
§ 283. Elliptische Coordinaten " 507
InhaltsTerzeicknis. XV
Seite
§ 284. Saia von Chasles 509
§ 285. Gremeinsame Erolutenfläclien 510
§ 286. Geodätische Linien auf Mittelpnnktsflächeu zweiten Grades 512
§ 287. Geodätische Linien auf dem Ellipsoid 513
§ 288. Satz von Joachimsthal 515
§ 289. Geodätische Linien durch die Xabelpunkte 518
§ 290. Einführung elliptischer Functionen 519
§ 291. Linienelement auf dem Ellipsoid 521
§ 292. Verlauf der geodätischen Linien 524
Kapitel XX-
Dreifache psendosphärische Orthogonalsysteme.
§ 293. § 294. Linienelement des Raumes unter Zugrundelegung eines drei-
fachen pseudosphärischen Orthogonalsystems 526
§ 295. Beispiele 530
§ 296 — 298. Anwendung der Bäcklund' sehen Transformation 532
§ 299. Anwendung des Vertauschbarkeitssatzes 536
§ 300. § 301. Weingarten'sche Systeme 538
§ 302. Weingarten'sche Systeme mit der Flexion Eins 542
§ 303. Ableitung der Ribaucour'schen Cykelsysteme 543
§ 304. Dreifaches System Ton Schraubenflächen 544
§ 305. Anwendung der Bäcklimd'achen Transformation auf Weingarten'sche
Systeme 546
§ 306. Die Complementärtransformation 548
§ 307. Einleitung zum Beweise des Existenztheorems 550
§ 308. Die partielle DifiFerentialgleichung vierter Ordnimg für die Xeben-
flächen S^ eines Weingarten'schen Systems 551
§ 309. Flächen mit einer Schar Krömmungslinien constanter Flexion. . . . 552
§ 310. Construction eines Weingarten'schen Systems 554
§ 311. § 312. Abschluss des Beweises des Existenztheorems 555
§ 313. Weingarten'sche Systeme, die eine Kugel enthalten 558
§ 314. Weingarten'sche Systeme mit positivem constanten Krümmungsmass . 560
Kapitel XXI.
ii - dimeusioiiale Häiime constanten Erümmungsmasses.
§ 315. n-dimensionale Räume 563
§ 316. Messung von Strecken und Winkeln 565
§ 317. Greodätische Linien 568
§ 318. Greodätisch parallele Hyperflächen 569
§ 319. Greodätische Flächen. Riemann'sches Krümmungsmass 571
§ 320. Bäume mit constantem Krümmungsmass 574
§ 321. § 322. Abwickelbarkeit von Räumen mit demselben constanten Krüm-
mungsmass auf einander 576
§ 323. Conforme Abbildung des hj-perboüschen Raumes auf den euklidischen 581
§ 324. Geometrie im hyperbolischen Räume 583
§ 325. § 326. Bewegungen des dreidimensionalen hyperbolischen Raumes. . 586
XVI Inhaltsver/eiclinis.
Seite
§ 327. Geodätische Abbildung des hyperbolischen Raumes 590
§ 328. Cayley'sche Metrik 592
§ 329. Elliptischer Raum 594
§ 330. Die Schiebungen im elliptischen Räume 598
Kapitel XXII.
Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
§ 331. Hyperflächen in den allgemeinen w-dimensionalen gekrümmten Räumen 600
§ 332. Krümmung einer Curve im Räume 603
§ 333. Krümmung der Curven, die auf eine Hyperfläche von einem Punkte
nach verschiedenen Richtungen ausgehen 60G
§ 334. Verallgemeinerung des Euler'schen Satzes 607
§ 335. Krümmungslinien. Verallgemeinerung des Dupin'schen Satzes .... 610
§ 336 — 338. Hyperflächen im euklidischen Räume 612
§ 339. Formeln von Gauss und Codazzi im elliptischen Räume 616
§ 340, Hyperflächen im elliptischen Räume ' . . . . , 619
§ 341. Hyperflächen im hyperbolischen Räume 621
§ 342. § 343. Specialfall des dreidimensionalen elliptischen oder hyperbolischen
Raumes. Haupttangentencurven und Enneper'scher Satz 624
§ 344. Flächen mit dem Krümmungsmass Null im elliptischen Räume als
Schiebungsflächen 629
§ 345. Die beiden Mäntel der Evolutenfläche 631
§ 346. Weingarten'scher Satz. Complementärtransformation der pseudo-
sphärischen Flächen. ................. 634
i? 347. § 348. Flächen mit dem Krümmungsmass Null im hyperbolischen Räume 636
Anhang zu Kapitel XVII.
Zur Transformationstheorie der Flächen mit constantem positiven Krümmungs-
mass 641
Kapitel I.
Curven doppelter Krümmniig.
Tangente und Normalenebene. — Erste Krümmung oder Flexion. — Haupt-
normale und Binormale. — Zweite Krümmung oder Torsion. — Formeln von
Frenet. — Die natürlichen Gleichungen einer Curve. — Cylindrische Schrauben-
linien. — Abwickelbare Flächen. — Polardeveloppable einer Curve. — Schmiegungs-
kugel. — Evoluten und Evolventen. — Orthogonale Trajectorien eines oc'-Ebenen-
svstems. — Bertrand'sche Curven.
^ 1. Tangente und Normalenebene.
Um eine Curve C analytisch zu definieren, beziehen wir sie auf
ein orthogonales Cartesisches Axensvstem OX, OY, OZ und di-ücken die
Coordinaten x, y, z eines bewegliehen Punktes der Curve als Func-
tionen eines Parameters u aus:
r = X («) , y = y{u), z = z{u) .
Bezüglich der Functionen .r(f/), //(«), ^(«) bemerken wir ein
für alle Mal, dass sie samt ihren ersten, zweiten und dritten
Differentialquotienten als endlich und stetig vorausgesetzt
werden, ausgenommen höchstens in einzelnen besonderen
Punkten.
Jedem specieUen Wert m^ des Parameters u innerhalb des Inter-
valls, in dem die Functionen ;r(»), y{tt), -?(") definiert sind, entspricht
eine specielle Lage il/^ des erzeugenden Punktes M. Wenn sich u
stetig ändert, so bewegt sich der Punkt 31 nach einem stetigen Ge-
setz im Räume und beschreibt so die Curve C. Wir wollen nun immer
annehmen, dass die Richtung, in der sich der erzeugende Punkt M
bewegt, wenn der Parameter « wächst, als die positive, die ent-
gegengesetzte als die negative Richtung der Curve C gerechnet
werden soll.
In den meisten Fällen wählen wir als Parameter oder Hilfsver-
änderliche M den von einem festen (Anfangs) Punkt der Curve C ge-
Bianchi, Differentialgeometrie. 1
-yj
Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
;%; .v^eliWton^ Rö^'ea.s/ derselben. In jedem Falle haben wir zur Bestim-
mung von s als Function von u die bekannte Gleichung:
du V \ilu/ "^ \dJ I \du/
Hierbei müssen wir bei der Festsetzung, dass s mit wachsendem u ge-
rechnet wird, für die Wurzel das positive Zeichen wählen.
In einem Punkte M der Curve C betrachten wir die Tangente
und wählen ihre positive Richtung übereinstimmend mit derjenigen
der Curve. Bezeichnen wir dann, wie wir es in nachstehendem stets
thun werden, mit
cos a, cos ß, cos y
die Cosinus der Winkel der positiven Tangentenrichtung, so haben
wir die Gleichungen:
dx dy
du o <^ ^
cos a = — ? cos ö =
-\/(dxY (dyy (dzy '^ l/(^^Y -^ l~yY -X- l'^^Y
V \dJ ^ \dJ "^ \du} V \dJ "•" \du/ "•" \du/
cos y
dz
du
oder:
.^s dx ,^ dy dz
(1) cos« = -^^, cos/3 = ^^^, ^o^y = j-
In diesen Gleichungen (1) ist es gleichgiltig, ob wir die rechten
Seiten als Quotienten von Differentialen oder als partielle Ableitungen
nach dem Bogen betrachten.
Die in M auf der Tangente senkrecht stehende Ebene heisst
Normalenebene der Curve; sie hat die Gleichung:
(X — x) cos a -\- {Y — y) cos ß -\- (Z — ^) cos y = 0,
wo X, 1", Z die laufenden Punktcoordinaten sind.
§ 2. Die erste Krümmung oder Flexion.
Aus der mehr oder weniger schnellen Abweichung, die der Punkt
beim Beschreiben der Curve von der geradlinigen Richtung erfährt,
schliessen wir auf die grössere oder geringere Krümmung der Curve
selbst. Um für diesen Begriff eine genaue Fassung zu erhalten und
ihn der Messung unterwerfen zu können, betrachten wir zwei benach-
barte Punkte der Curve, M und M^. Dividieren wir dann den sehr
kleinen Winkel z/f, den die Richtungen der beiden Tangenten in M
§ 2. Die erste Krümmung oder Flexion. 3
und 3/j mit einander bilden, durch die Länge des Bogens MM^j so
convergiert der Quotient
Bogen 3/3/j
wenn sieh M^ dem Punkte M unendlich nähert, gegen einen bestimmten
und endlichen Grenzwert, der als Mass der ersten Krümmung, Bie-
gung oder Flexion der Curve in M betrachtet wird. Wir bezeichnen
diesen Grenzwert mit — , und sein reciproker Wert q heisst, als Strecke
gedeutet, Radius der ersten Krümmung.
Um die Existenz dieses Grenzwertes nachzuweisen und crleichzeiticr
den Ausdruck für ihn zu finden, stellen wir folgende üeberleguncr an:
Um den Coordinatenanfangspunkt und mit dem Radius Eins beschreiben
wir eine Kugel und schneiden durch sie die Strahlen, die parallel den
positiven Richtungen der aufeinanderfolgenden Curveutangenten ge-
zogen werden. Der Ort der Endpunkte dieser Strahlen heisst die
sphärische Indicatrix C der Tangenten : jeder Lage des erzeugenden
Punktes M{x, y, z) auf der Curve C entspricht ein Punkt M' {x'j t/', z')
auf der sphärischen Indicatrix C, und es ist offenbar
(2) a:' = cosa, if' = cos ß, z' = cos y.
Betrachten wir nun einen Punkt Jtfj der Curve (7, der M be-
nachbart ist, so wird der Winkel z/f gerade durch den Bogen des
grössten Kreises gemessen, der auf der Bildkugel die Bildpunkte M'
und 71/j' verbindet. Bei der Berechnung des Grenzwertes
1 1- Js
— = lim --
P Js = 0 ^*
können wir statt ^s den entsprechenden Bogen der Indicatrix setzen,
denn convergiert z/f gegen Null, so nähert sich das Verhältnis dieses
Bogens zu ^s der Einheit. Bezeichnen wir mit ds' das Bogenelement
der sphärischen Indicatrix, so haben wir also ohne weiteres
1^ ds^
Q ds
oder nach (2)
(^) 7 ^ V\~d^) + \-dr^) + y-dT^) ■
Wird s als unabhängige Variable genommen, ao kann diese Formel
nach (1) auch so geschrieben werden:
1 1 //d*
Q
1*
(ä*) ^-vm+m+m
4 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
Da der ersten Krümmung nur ein absoluter Wert zu-
kommt, so denken wir uns in diesen Gleichungen stets den positiven
Wert der Wurzel gewählt.
Wir bemerken sofort, dass eine Curve C eine Strecke lang
nicht die Flexion Null haben kann, ohne längs dieser Strecke gerad-
linig zu sein, denn nach den Gleichungen:
d cos a . d cos ß ^ ^cos y ,,
ds ' ds ' d* '
die dann beständen, würden cos «, cos /3, cos y constant sein und
also die Gleichungen gelten:
a; = .v cos a -\- a, y = s cos ß -\- />, z = ^ cos y -\- c, («, 5, <■ == Const.),
die eine Gerade definieren.
§ 3. Die Schmiegungsebene.
Unter allen Ebenen, die durch den Punkt M der Curve C gehen,
befindet sich eine, die sich in der Umgebung von M weniger als jede
andere von der Curve entfernt und die Schmiegungsebene (oscu-
lierende Ebene) der Curve in M heisst. Wir schreiben nun die
Gleichung einer beliebigen durch den Punkt Mi^x, y, s) gelegten Ebene
in der Form:
(4) (X — x) cos a -{- {Y — y) cos 1) -j- [Z — z) cos c = 0,
wo cos a, cos ?>, cos c die Richtungscosinus der Normale bedeuten,
wählen den Bogen s der Curve als Parameter und betrachten einen
M benachbarten Punkt M', der dem Werte s ^ h des Bogens ent-
spricht, wo h unendlich klein (von der ersten Ordnung) ist. Sind z/a?,
z/«/, z/0 die bezüglichen Zunahmen von a;, y^ z beim Uebergange von
s zu s -\- h, so haben wir für die Entfernung d des Punktes M' von
der Ebene (4) die Gleichung:
d = Ax cos a -\- zly cos h -\- Az cos c.
Nun ist
(a)
ds ' ds^ 2 ' ^ '
^•^~ ds " ^ ds'^ 2 ^ ^^^
. dz j , d^z h- ,
ds ' fZ,s2 2
wo £^, fy, £o unendlich klein von der dritten Ordnung sind, und also
, / dx . 1 dii , dz\ ^
d = Icos a , — {- cos 0 , + cos c , ) h
\ ds ' ds ' ds/
+ l^^« ^' ä7^ + ^«^ ^ dV + ^^^ ' ds^J 2 + 'i '
§ 3. Die Schmiegungsebene.
wo Tj unendlich klein von der dritten Ordnung ist. Die Ebene, welche
durch die Bedingungen :
dx , 1 du
cos a -,— -f- cos 0
ds
d*x
cos a ^-^ -}- cos h
ds
dy
ds^
dz ^.
cos c , = 0 ,
ds '
d^z ,.
cos c T-i = 0
ds*
bestimmt ist, Ton denen die erst« besagt, dass die fragliche Ebene
durch die Tangente geht, ist also diejenige, welche in der Umgebung
von M weniger als die übrigen von der Curve abweicht. Somit haben
wir die Existenz der Schmiegungsebene nachgewiesen, deren Gleichung
wir nach dem Vorstehenden in Determinantenfonn wie folgt schreiben
können*):
(5)
X — x
y-y
Z~2
dx
dy
dz
~di
ds
ds
d*x
d^lj
d'z
ds^'
rfs*
ds^
= 0
Ein Ausnahmefall tritt ein, wenn für den betrachteten Punkt 31
die drei Unterdetermiuauten der Matrix
dx dy dz
I ds ds ds
\ d^ d^ iVz
1 ds*' ds' rfs*
gleichzeitig NuU sind; dann ist die Schmiegungsebene in JI unbestimmt.
Nun wird dies für gewisse einzelne (singulare") Punkte wohl stattfinden
können: sollte dies jedoch längs einer ganzen Strecke der Fall sein,
so wäre die Curve längs dieser Strecke geradlinig. Und in der That,
berücksichtigen wii- die Identitäten:
(^f+m+ö'=
1
dx d*x
ds ds^
dyd*y
ds ds-
dz d'z
ds ds'
0,
so sehen wir, dass die Summe der Quadrate der üuterdeterminanten in der
*! Es ist klar, dass, wenn die unabhängige Variable u beliebig wäre, die
Gleichung der Schmiegungsebene die analoge Fonn :
X
= 0
' — X
Y-y
Z- z
dx
dy
dz
du
du
du
d'x
d'y
d'z
du'
du'
du'
haben würde.
Q Kap. 1. Curven dopj)elter Krümmung.
obigen Matrix wegen (3) gleich dem Quadrat der ersten Krümmung ist.
Wir wollen auch auf andere Definitionen für die Schmiegungsebene
hinweisen, die immer auf die Gleichung (5) führen. Wenn durch die
Tangente in M und durch einen Curvenpunkt M', der M benachbart
ist, eine Ebene gelegt wird, so nähert sich diese, wenn M' gegen M
convergiert, der Schmiegungsebene als Grenzebene. Ebenso nähert sich
die Ebene durch M und zwei andere benachbarte Ciirvenpunkte M'
und 31" in der Grenze der Schmiegungsebene in M, wenn wir M' und
M" gleichzeitig nach 31 rücken lassen (so dass die Differenzen zwischen
den Coordinaten von M' und 31" nicht von höherer Ordnung unend-
lich klein werden wie die entsprechenden Differenzen gegen 31). Wegen
dieser letzten Eigenschaft sagt man auch kurz, dass die Schmiegungs-
ebene in 31 die durch 31 und zwei aufeinanderfolgende Curvenpunkte
31' und 31" gelegte Ebene ist.
§ 4. Hauptnormale und Binormale.
Die Schmiegungs- und die Normalenebene in 31 schneiden sich in
einer Geraden, die in M auf der Curve senkrecht steht und den Namen
Hauptnormale der Curve in 3i führt; es ist diejenige Normale der
Curve, welche in der Schmiegungsebene liegt. Binormale dagegen
heisst die Senkrechte in 31 auf der Schmiegungsebene.
Es muss nun in geeigneter Weise festgesetzt werden, welche Rich-
tung der Haupt- und der Binormale wir im Folgenden als positiv an-
nehmen wollen, und wir schicken zu diesem Zwecke die nachstehenden
Bemerkungen voraus.
Wir betrachten die Ebene durch Tangente und Binormale, deren
Gleichung lautet:
(6) (X--OS + (^-!')'0 + (^-^)£ = 0-
Diese Gleichung stellt nämlich wegen der Identität:
äx (Px j^ äy (Py j^ dz cPz ,
7/s ds'' "T" äs 7Z^ "f" äs ~(ls^ ^
und wegen der Gleichung (5) der Schmiegungsebene gerade die Ebene
dar, welche durch die Tangente senkrecht zur Schmiegungsebene
gelegt ist.
Wir berechnen nun die Entfernung d eines 31 dicht benachbarten
Curvenpunktes 31' von der Ebene (6). Bezeichnen wir mit h den
(unendlich kleinen) Zuwachs des Bogens s beim Uebergange von 31
zu 31' und mit zJx, züy, Az die Zunahmen der Coordinaten, so
haben wir
§ 4. Hauptnormale und Binormale.
- rfs' ' ^ rfs* ' ds'
o ==
2'
oder wegen der Gleichungen (a) des vorigen Paragraphen
* = l^ + ^,
wo £ in Bezug auf h unendlich klein von der dritten Ordnung ist.
Aus dieser Gleichung folgt, dass das Zeichen von d von demjenigen von
h unabhängig ist*), dass also dieCurve in der Umgebung eines jeden
ihrer Punkte ganz auf der einen Seite der Ebene durch Tan-
gente und Binormale liegt. Als die positive Seite dieser Ebene
bezeichnen wir diejenige, welche in der Umgebung von M der Curve zu-
gewandt ist; als positive Richtung der Hauptnormale, welche eben die
Senkrechte auf dieser Ebene ist, wird folglich diejenige festgesetzt,
nach welcher die positive Seite der Ebene selbst liegt. Bezeichnen
wir also, wie es des weiteren stets geschehen soll, mit
cos I, cos 1^, cos 5
die Cosinus der positiven Richtung der Hauptnormale, so haben wir
nach dem Voi-stehenden
/PTN i- d'x d^y , d*2
(7) cos 1 = 9^^, cos 7? = 9^^, cost = Qj^-
Endlich wollen wir unter positiver Richtung der Binormale die-
jenige verstehen, die in Bezug auf die bereits bestimmten positiven
Richtungen der Taugente und Hauptnormale ebenso gelegen ist wie
die positive Richtung der ^-Axe zu derjenigen der x- und der y-Axe.
Führen wir für die Richtungscosinus der Binormale die Bezeichnungen
cos A, cos ft, cos V
ein, so haben wir nach bekannten Formeln der analytischen Geometrie**)
cos A = cos /3 cos ^ — cos y cos rj, cos }i = cos y cos ^ — cos a cos ^,
cos V = cos « cos »^ — cos ß cos §
*) Ausser in den sincrulären Punkten, für welche =0 ist.
Q
**) Man erinnere sich, dass die Determinante
! cos a cos ß cos y [
I cos ^ cos T] cos J I = -f 1
cos X cos fi cos V
und jedes ihrer Elemente gleich der zugehörigen Unterdeterminante ist.
Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
oder;
cos V = ()
dx dy
ds ds
d^ X d^y
ds^ ds^
I dy dz I I dz d,x^
! 'ds ds i ds ds
(8) cos A = o I ,, ,, , coa fi = Q
^ ^ ^ d^y d^z . , d^z d^x
I lis^ 'di^ I I eis* ds^
Das diircli die positiven Richtungen der Tangente, der Haupt- und
der Binormale bestimmte rechtwinklige Trieder soll der Kürze wegen
das Haupttrieder der Curve in M genannt werden.
§ 5. Die zweite Krümmung oder Torsion.
Wenn die Curve C eben ist, so fällt ilire Schmiegungsebene in
jedem Punkte mit der Curvenebene zusammen. Bei einer Raumcurve
dagegen ändert sie sich bei Aenderung des Osculationspunktes M, und
die Schnelligkeit ihrer Abweichung, d. h. die Schnelligkeit, mit der
sich die Curve von ein und derselben Ebene entfernt, wird durch die
zweite Krümmung oder Torsion der Curve gemessen.
Um auch diesen Begriff hier genau zu fassen, betrachten wir zwei
dicht benachbarte Punkte der Curve, 31 und iüf^; ihre beiden Schmie-
gungsebenen bilden einen sehr kleinen Winkel zJö mit einander, und
der Quotient
Ja Ja
Bogen ilfil'/i Js
convergiert, wenn M^ nach M rückt, gegen einen bestimmten und
endlichen Grenzwert, welcher als Mass der Torsion der Curve ge-
nommen und, mit passendem Vorzeichen versehen, mit „ bezeichnet
werden soll. Sein reciproker Wert T heisst Torsions radius.
Um den Wert für „ zu finden, beachten wir zunächst, dass der
Winkel der beiden Schmiegungsebenen, d6, durch den Winkel der
beiden aufeinanderfolgenden Binormalen in 31 und 31^ gemessen wird.
Construieren wir also ganz analog wie in § 2 die sphärische Indi-
catrix der Binormalen, deren erzeugender Punkt die Coordinaten
x^ == cos A, )Ji = cos ji, ^j = cos V '
hat, und bezeichnen wir mit ds^ ihr Bogenelement
ds^ = Ydx^^ + dy^^^ -\- dz^ ,
so haben wir offenbar
1 |_ ds.^
T~~ ± ~ds^
d. h.
/QN 1 |_ n//fi cos l\^ . (d cos ([i\2 (d cos vY
(.y; T-±V [-dT ) + [^d7s ) + v^ds-) '
§ 5. Die zweite Krümmang oder Torsion. 9
Das Torzeichen der Toi-sion wird im nächsten Paragraphen passend
bestimmt werden; für jetzt bemerken wir^ dass die einzigen Curven
mit der Torsion Null die ebenen Curven sind. In der That folgt aus
-V = 0 wegen (9), dass cos X, cos /t, cos v constant sind; nehmen wir
der Einfachheit halber die feste Richtung der Biuormale zur z-Axe,
so haben wir cos y = 0 und also
z = const.,
d. h. die Curve liegt in einer zur xf/'Ebene parallelen Ebene.
§ 6. Formeln von Frenet.
Wir gehen nun zur Ableitimg der sehr wichtigen Formeln über,
welche die Differentialquotieuten der neun Cosinus der drei Haupt-
richtungen durch die Cosinus selbst uud durch die Radien der ersten
und zweiten Krümmung, p und T, ausdrücken.
Drei von diesen Formeln folgen unmittelbar aus den Gleichungen
(7) des § 4 (S. 7), welche ergeben:
, ^ d cos a cos 4 d cos ß cos t} d cos y cos ^
W ds Q ' ds 9 ' ds Q
Diflfereuziereu wir nun die Identität:
cos a cos l -f" cos ß cos ji -|- cos y cos v =^ 0
unter Berücksichtigung der früheren Gleichungen nach s, so erhalten wir:
,, ^ d cos l , T rf cos u , d cos v ^
(b) cos « -j^ + cos ß —j^ + cos y -^^j- = 0;
die andere Identität :
COS' A -f- COS" ft -|- cos- V = \
giebt nach s differenziert: *
, X . d cos l , d cos « , d cos v ^
(c) COS k — 3 h <?os tt — J-" -h cos V — T — = U,
^ ^ ds ^ ^ ds ^ ds '
und diuch Combination von (b) und (c) folgt:
cos ß cos y , , cos y cos a cos a cos ß
cos fi cos V i , cos V cos A cos A cos fl
-^ — = cos t : cos Ti : cos C.
ds s t z,
d cos l
d cos (1. d cos p
ds •
ds ' ds
d. h.
d cos l d cos
ds ' ds
Daraus folgt:
XO Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
d cos
~d
dcos fi , l//'^ <^os A^ i_ (^ ^os itiV'' j^ /d cos vXä
1 cl //rf cos ;i\2 , /(Z cos ti\2 /fZ COS v\2
d cos V
und setzen wir nun fest, dass das Vorzeichen der Wurzel, das in (9)
unhestimmt gelassen wurde, ebenso wie in diesen drei Gleichungen
gewählt wird, so haben wir:
/ ,s d cos X cos £ d cos a cos v d cos v cos t
(a ) f- _ / *>
ds T ' fZs r ' ds T
Es wird hiermit der Torsion nicht allein ein absoluter Wert, son-
dern auch ein bestimmtes Vorzeichen erteilt, und es erübrigt nur noch
zu untersuchen — was wir sofort thun werden — welche geometrische
Bedeutung das positive oder negative Vorzeichen der Torsion hat.
Wir vervollständigen die Formeln (a) und (a') durch diejenigen für
d cos h, d cos 7j d cos ^
ds ' ds ' ds
Zu diesem Zwecke beachten wir, dass
cos I = cos y cos /x — cos ß cos v
ist, und wenn wir nach s differenzieren und (a) und (a') berück-
sichtigen, erhalten wir:
d cos 4l/c \il/ n c\
— j — = - (cos g cos ^ — cos rj cos v) -(- „ (cos y cos rj — cos ß cos g)
cos a cos X
und analoges für die beiden anderen Differentialquotienten.
Stellen wir also die erhaltenen Formeln zusammen, so haben wir
folgendes System:
(A)
tZcos a
cos ^
y
tZcos ß
ds
COST]
9
7
fZ cos y
ds
cos ^
ds
Q
7
dcos ^
cosa
Q
cos l
T '
(iCOSTJ
COS (3
COS/X
d cos ^
7z^" ~~~
cosy
cos V
ds .
rZs
P
T ^
9
T '
d cos l
cos ^
7
(Zcos ft
rZs
cosr]
T
7
fZ cos v
ds
cos ^
ds
Dieses sind die Formeln von Freuet, die für gewöhnlich unter
dem Namen der Serret 'sehen bekannt sind.
§ 7. Das Vorzeichen der Torsion. 11
§ 7. Das Vorzeiclieii der Torsion.
• Wir untersuchen nun, welche geometrische Bedeutung das positive
oder negative Vorzeichen der Torsion hat. Hiei-zu betrachten wir in
einem beliebigen Curvenpunkte M(x, tj, z) die Schmiegungsebene:
(X — x) cos X -\- {Y— y) cos (i -{- (Z — z) cos v = 0
und berechnen die Entfernung der J/ benachbarten Curvenpunkte M'
von dieser Ebene. Hat nun der Punkt M' die Coordinaten
X + z/x, y-\- Jy, z-\- /Iz
nnd entspricht er dem Werte s -\-h, so haben wir:
dx , , d-x Ä* , d^x h^ .
^•^-dS^' + Ts^ 2+ d73- 6 + ^1 '
dz , , d^z h- . d^z Ä' ,
.^^ = ds^' + l^-2+-ds^ 6 + "3 ,
wobei fj, s^, £3 in Bezug auf h von höherer als der dritten Ordnung
unendlich klein sind. Für die gesuchte Entfernung, die wir positiv
oder negativ rechnen, je nachdem die positive oder die negative Seite
der Schmiegungsebene dem Punkte M' zugewandt ist, haben wir:
d = /ix cos k + dy cos .u -|- ^2 cos v,
imd wenn wir für ^jc, Jy, Az die obigen Werte einsetzen und dabei
beachten, dass nach den Formeln von Freuet
dx d'^x cos 4 d'^x 1 ( cos a . cos l . cos § d^\
_ = cosa, ^p^ — -^, ^^ — — ^- |-y- -h ^ -h ^ ^^1
ist, so folgt
wo w mit )i unendlich klein ist. Nehmen wir an, dass die beiden
nr
Krümmungen — und -„ in M nicht gleich Null sind (das Gegenteil
kann nur in singulären Punkten stattfinden), so sehen wir, dass sich
das Vorzeichen von b mit demjenigen von /t ändert, d. h.: die Curve
durchsetzt in M die Schmiegungsebene, und zwar geht, falls
_, > 0, der erzeugende Punkt, wenn er sich in positiver Richtung
auf der Curve bewegt, von der positiven nach der negativen Seite,
oder umgekehrt, wenn „ < 0, von der negativen nach der positiven
über. Um dieses Resultat noch genauer zu fassen, denken wir uns in
J2 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
M auf der einen oder der anderen Seite der Schmiegnngsebene einen
Beschauer stehen und nach der positiven Richtung der Hauptnormale
gewandt. Die Curve geht für den Beschauer aufsteigend durch M
entweder von links nach rechts oder von rechts nach links hindurch:
im ersten Falle heisst sie in 31 rechts, im zweiten links gewunden.
Und nehmen wir nun, um die Ideen zu fixieren, an, dass auf der po-
sitiven Seite der ;r^-Ebene die positive Richtung von OX rechts von
derjenigen von 0 Fliegt, so haben wir das Resultat: Die aus den
Frenet'schen Formeln berechnete Torsion ergiebt sich als
positiv oder negativ, je nachdem die Curve in dem betreffen-
den Punkte links oder rechts gewunden ist*).
§ 8. Die natürlichen Gleichungen einer Curve.
Die Frenet'schen Formeln können wir sofort zum Beweise des
wichtigen Satzes amvenden: Eine Raumcurve C ist ihrer Gestalt
nach durch die Werte der Radien der ersten und zweiten
Krümmung, q und T, ausgedrückt als Functionen des Bogens s,
vollkominen bestimmt.
Mit anderen Worten heisst dieses, dass zwei Curven C, C von gleicher
Bogenlänge, Flexion und Torsion zur Deckung gebracht werden können.
Bezeichnen wir die auf C bezüglichen Grössen durch Accente, so haben
wir nach der Annahme unmittelbar:
s' = s, q' = (), T' = T.
Nun verschieben wir die Curve C im Räume so, dass einer ihrer
Punkte, beispielsweise der Anfangspunkt der Bogen, s --^ 0, mit dem
entsprechenden Punkte von C und gleichzeitig ihr Haupttrieder mit
demjenigen von C in demselben Punkte s = 0 zusammenfällt. Wir
haben folglieh:
cos ß ' = cos g; , cos j8' = cos /3, cosj^'=cosy|
cos I' = cos I , cos ri' = cos r], cos ^' = cos n für s = 0.
cos A' = cos A , cos ^ ' = cos ju-, cos v' =-— cos V )
Setzen wir die drei Frenet'schen Formeln der ersten Vertical-
reihe des Systems (A) in § 6 (S. 10) sowohl für die Curve C als
für C an:
*) AVir sehen dcminacli, dass das Vorzeichen der Torsion unabhängig davon
ist, welche Richtung der Curve als positiv gewählt wird, wie z. B. auch aus
der Formel — ^—r — j = y, erhellt, wo sich bei Aenderung der positiven
Richtung von .s das Zeichen von cos l ändert, cos | dagegen ungeändert bleibt.
§ 8. Die natürlichen Gleichungen einer Curve. 13
d cos a cos I (J cos | cos a _ cos l d cos l _ cos i,
T ' ds ~~ T '
cosl' dcosV cos^'
g ' "rfi~^ q T~' ~dr' ~ T '
multiplicieren wir die drei ersten beziehungsweise mit cosa', cos |',
cos A', die drei zweiten beziehungsweise mit cos a, cos §, cos A, und
addieren wir, so wird die rechte Seite identisch gleich Null, woraus folgt:
^ (cos u cos u' -\- cos I cos I' + cos A cos A') = 0,
d. h.
cos a cos u' -f- cos | cos |' -|- cos A cos A' = Const.
Ui-sprünglieh ist aber für s = 0 der Wert der linken Seite gleich
der Einheit, also ist für jeden Wert von s
cos u cos tt' + cos I cos I' -{- cos A cos A' = 1.
Mittels der Identitäten:
cos- u + cos- I -}~ cos- / = 1 ,
cos-a'-|- cos-^'-j- cos-A'= 1
folgt hiemach:
(cos u' — cos «)- -|- (cos I' — cos I)- -j- (cos A' — cos A)- = 0,
d. h.
cosa'=cosa, cos |' = cos |, cosA'=cosA.
In ähnlicher Weise erhalten wir:
cos /3'= cos /3, cos »^'= cos 1^, cos fi' = cos ft,
cos y' = cos y, cos l' = cos t,, cos v' = cos v,
also:
(?(a;' — X) ^ f?(y' — y) f. d{^' — ^) ^^ A
Ts ~^' ds —^y ds
Die Differenzen x' — oc, y' — y, z — z sind demnach constant,
und da sie anfänglich gleich Null sind, sind sie es überhaupt, wodurch
unser Satz bewiesen ist.
Die Gleichungen:
p = ^(s), T=T(s)
können somit zweckmässig die natürlichen Gleichungen der Cui-ve
genannt werden, da sie die Gestalt dei-selben ohne Rücksicht auf ihre
besondere Lage im Räume bestimmen.
§ 9. Integration der natürlichen Curvengleicliungen.
Auf Gi-und der Sätze, welche die Existenz der Integrale der
Differentialgleichungen beweisen, sehen wir nun unschwer, dass, wenn
die natürlichen Gleichungen einer Curve:
"[4 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
q = q{s), T=T{s)
willkürlich gegeben sind, die entsprechende Curve in der
That existiert.
Wir bezeichnen mit l, m, n drei unbekannte Functionen von s
und setzen das System der drei homogenen linearen Gleichungen:
.^ .,. dl m dm l n dn m
^ ^ ds ^ Q ' ~dV~"~ J ~ y^ Ts~ f
an, von denen eben, wenn die Curve wirklich existiert, nach den
Frenet'schen Formeln
(cos a, cos I, cos A), (cos ß, cos t], cos ^), (cos y, cos t,, cos v)
drei Lösungssysteme sein werden. Aus der Theorie der Differential-
gleichungen wissen wir, dass, wenn die Anfangswerte der unbekannten
Functionen l, m, n, z. B. für s = 0, willkürlich gegeben sind, ein
Lösungssystem (J, m, n) der Gleichungen (10) existiert, das für s = 0
in das gegebene Anfangssystem (l^, Wo, n^ übergeht. Wir beachten
ferner, dass, wenn (^, m, n) und (r, m\ n') zwei verschiedene oder über-
einstimmende Lösungssysteme von (10) sind, aus den Differential-
gleichungen selbst
, {W -{- mm' -\- nn') = 0
und also
W -f- m7n' -f- nn' = Const.
folgt.
Nun wählen wir neun Constanten
'0 '() ^0
w„ w/ m/'
welche die Coefficienten einer orthogonalen Substitution sind, und be-
zeichnen mit
(/, m, n), (r, m', w'), Q", m", n")
drei Lösungssysteme von (10), die für s = 0 bezüglich in
(^ü; ^h, %), Qo, »<; O, (C; ^<'; <')
übergehen.
Aus der obigen Ueberlegung ergiebt sich, dass für alle Werte
von s
l V l"
m m' m'
n n n"
die Coefficienten einer orthogonalen Substitution sind, insbesondere ist
§ 9. Integration der natürlichen Cmrengleichungen. 15
Setzen wir nun
x = ilds, y = jl'ds, z = jrds
and deuten wir Xj y, z als Coordinaten eines beweglichen Raurapunktes
M, so hat die Ortscurve für 31 offenbar s zum Bogen und ?, /', /" zu
Riehtungscosinus der Tangente. Berücksichtigen wir ferner die Differen-
tialgleichungen (10), denen (?, wi,«), (/',»»', w'), Q",m'\n") genügen,
sowie die Frenet'schen Formeln, so sehen wir sofort, dass Flexions-
und Torsionsradius genau die angegebenen Werte haben.
Schlies-slich zeigen wir mit Darboux, wie die Integi-ation des
Systems (10) auf diejenige einer Differentialgleichung vom Riccati'schen
Typus zurückgeführt wird. Für jedes Lösungssystem von (10) ist
/- -|- wi- -|- n- = Const.,
und multipliciei-en wir /, m, n mit einem passenden constanten Factor
(wodurch wegen der Homogeneität ein neues Lösungssystem entsteht),
so kann ohne weiteres
gesetzt werden.
Wir drücken nun Z, m, w durch zwei Winkel ^ und 95 aus mittels
der Gleichungen:
/ = sin 0^ cos 9), m = sin & sin 9), n = cos ©■,
dann geben die Gleichungen (10) für ■9' und qp die beiden simultanen
Gleichungen :
(11) f-\-^^ = 0, ^'«P + co^^os^ 4. 1 = 0.
^ ^ ds ^ T ' ds ' 1 ' ^
Jetzt führen wir als Unbekannte die complexe Function
& . *
6 = cotg Y • e***}
ein, so folgt aus (11) für 6 die Gleichung:
(\o\ rfc ^ IC- «ff ■ i
^^">' ds 2r 9 ' 2r'
aus der umgekehrt durch Trennung des reellen und des imaginären
Teils die Gleichungen (11) folgen. Die Aufgabe, eine Curve aus
ihren natürlichen Gleichungen zu bestimmen, lässt sich dem-
nach auf die Integration der Gleichung (12) vom Riccati'schen
Typus zurückführen.
•) Die Bedeutung von c wird im dritten Kapitel erkannt werden: es ergiebt
sich nämlich c als eine complexe Veränderliche auf der Kugel.
IQ Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
Nach bekannten Eigenschaften der Gleichungen von diesem Typus
genügt die Kenntnis einer particulären Lösung, um durch Quadraturen
zum allo^emeinen Integral zai gelangen.
§ 10. Cylindrische Scliraubenlinien.
Wir wollen die Frenet'schen Formeln nocli auf das Studium einer
wichtigen Klasse von Curven anwenden, die unter dem Namen cylin-
drische Schraubenlinien (Helices) bekannt sind.
Es werden so diejenigen auf einer beliebigen Cylinderfläche ge-
gezogenen Curven genannt, welche die Erzeugenden derselben unter
constantem Winkel schneiden.
Bei der Ausbreitung der Cylinderfläche auf eine Ebene wickelt sich
die Schraubenlinie in eine Gerade ab, und da sich bei der Abwickelung
die Längendimensionen nicht ändern, so folgt als eine "weitere charak-
teristische Eigenschaft der cylindrischen Schraubenlinie, dass sie auf
dem Cylinder den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten desselben
angiebt.
Wir legen die ^-Axe parallel zu den Erzeugenden des Cylinders
und haben folglich
cos y = Const.
Aus den Frenet'schen Formeln :
d cos y cos ^ d cos ^ cos y cos v d cos v __ cos ^
folgt :
cos ^ == 0*), cos V = Const., % = = Const.
* ^' ' T cos i;
Wir haben also gefunden:
1. In jedem Punkte einer cylindrischen Schraubenlinie
fällt die Hauptnormale derselben mit der Cylindernormale
zusammen. Diese Eigenschaft ist offenbar für die Schraubenlinie
charakteristisch.
2. Für jede cylindrische Schraubenlinie ist das Ver-
hältnis der beiden Krümmungen constant. Auch diese zweite
Eigenschaft ist umkehrbar nach dem Satze von Bertrand: Jede Cur ve,
bei der das Verhältnis der beiden Krümmungen constant ist,
ist eine cylindrische Schraubenlinie.
Um ihn zu beweisen, nehmen wir an, dass für eine Curve C
•) Den Fall = 0 schliessen wir aus , da er nur für die Gerade in Be-
Q
tracht kommt.
§ 10. Cylindrische Schraubenlinien. 1 7
-j, == Const. = X
sei. Aus den Frenet'schen Formeln erhalten wir:
d cos X Q d cos er d cos ft p rf cos ß d cos v g J cos y
<7s "^ T "rf^'^ ' ~ds' ^ r ds ' ds "" T rfs
oder nach der gemachten Voraussetzung
y- (cosA — xcosa) = 0, , (cos^ — xcos/3) = 0, ^ (cosv — xcosy) = 0,
woraus durch Intetfration folcrt:
cos X — X cos a = A, cos fi — x cos ß = B, cos v — x cos y = C,
wo die Constanten A, -B, C offenbar der Relation :
genügen müssen.
Setzen wir demnach:
cos X — X cos a = )/l -|- x^
cos a.
cos fi — X cos ß = y\ -(- x^ cos h j
cos V — X cos j' = |/l -{- X- cos c,
so sind cos a, cos h, cos c die Cosinus einer festen Richtungr im
7 7 O
Räume, mit der die Tangente an C wegen der Gleichung:
cos a cos a + cos ß cos h -\- cos y cos c = — -^=^
^ '^ ]/i + t"
einen constanten Winkel bildet.
Diß Curve C ist also eine Schraubenlinie auf derjenigen Cylinder-
fläche, welche entsteht, wenn durch die Funkte von C Parallelen zu
der festen Richtung gezogen werden.
§ 11. Formeln für cylindrische Schraubenlinien.
Um die allgemeinen Foinneln für die cylindrischen Schraubenlinien
aufzustellen, legen wir die 0-Axe parallel den Erzeugenden des
Cylinders und setzen voraus, dass die Coordinaten x, y eines Punktes
des durch den Cylinder gelegten senkrechten Schnittes z = 0 mittels der
Gleichungen x = x{iC), y = y{ii) als Functionen des Bogens u dieses
Schnittes ausgedrückt seien; wir sehen dann sofort, dass für die Coor-
dinaten eines beweglichen Punktes der Schraubenlinie die Gleichungen
gelten :
B i a n c h i , Differentialgeometrie . 2
13 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
X = x(u), y = yiu), z = u cotg s, *)
wo £ den (als spitz vorauszusetzenden) constanten Neigungswinkel der
Schraubenlinie gegen die Erzeugenden des Cylinders bedeutet. Unter
Anwendung der Formeln der früheren Paragraphen finden wir (die
Striche bezeichnen die Differentiation nach u):
sm £ ' sin B '^
COS a = sin £ • x' {ii) , cos ß = sin s • y'{u) , cos y = cos s ,
d cos a .9 // / \ d cos ß . ,, '> / \ d cos y .,
— ^ = sin-^ 8 • X iti) , — T— ^ = sm'' s • y (u), — y-~ = 0.
ds ^ '' ' ds -^ ^ "^^ ds
Hieraus folgt die Flexion der Schraubenlinie
-- = sin^ £ yx"(iiy + y"{uy
oder
(13) 7-'^'
wenn Ii der Krümmungsradius des senkrechten Schnittes ist. Für die
Torsion ^ finden wir ferner aus
Q cos y
T cos V
(vgl. S. 16) unter Berücksichtigung, dass v = ^ ib ^ i^^?
(14)
2
1 I sin £ cos £
T -^- B
Das obere Vorzeichen gilt für die links, das untere für die rechts
gewundenen Schraubenlinien (§ 7, S. 12), wie auch aus der geometrischen
Anschauung direct folgt.
Aus diesen Gleichungen ergiebt sich, dass nur für die Schrauben-
linien auf dem geraden Kreiscylinder die Radien der Flexion und Torsion
constant sind. Eine solche Schraubenlinie heisst gewöhnliche Schrau-
benlinie***), und ihre (nach Puiseux) charakteristische Eigenschaft,
constante Krümmungsradien zu besitzen, entspricht der Eigenschaft,
die sie nur mit der Geraden und dem Kreise gemeinsam hat, an jeder
Stelle in sich verschiebbar zu sein.
*) Der Einfachheit halber rechnen wir den Bogen u von dem Punkte an,
in welchem der senkrechte Schnitt die Schraubenlinie trifft.
**) Der Bogen der Schraubenlinie wird von ihrem Anfangspunkte auf dem
senkrechten Schnitt an gerechnet.
***) Sie kann durch einen Punkt beschrieben gedacht werden, der sich gleich-
förmig längs einer Erzeugenden eines Rotationscylinders bewegt, während sich
diese gleichförmig um die Axe dreht.
§ 11. Formeln für cylindrische Schraubenlinien. 19
Besondere Ei^wähnung unter den Schraubenlinien verdient noch
die cyliudrisch-conische, welche wir durch die Gleichungen mit
den Constanten a und h:
Q = as , T=hs
definieren. Der Querschnitt des Cylinders, auf dem diese Schrauben-
linie liegt, ist also durch die Eigenschaft chai-iikterisiert, dass sein
Krümmungsradius dem Bogen propoi-tional ist; er ist folglich eine
logarithmische Spirale. Demnach können die Gleichungen unserer
Schraubenlinie auf die Form:
a; = ^ e''' cos ^, y = Ä^''smf, z = B^'
gebracht werden, wo t der variable, die einzelnen Punkte der Curve
bestimmende Parameter und Ä, B, h Constanten sind. Die Schrauben-
linie liegt demnach auf der Fläche:
die ein Rotationskegel mit der ^-Richtung als Axe und dem Coordinaten-
anfangspunkt als Spitze ist. Sie schneidet die Erzeugenden des Kegels
unter constantem Winkel, d. h. sie ist eine Loxodrome des Kegels*).
In der That findet man die Richtungscosinus ihrer Tangente:
A (h cos t — sin <) _ JL (/? sin i -|- cos t) Bh
cos a = — ^ r^:z — , cos p = -1 . cosy —
und diejenigen der Erzeugenden des Kegels:
A cos t , J. sin f '^
cos a = = , cos b = , , cos c =
woraus
cos a cos u -+- cos o cos ß 4- cos c cos y = '[ \^ , = = Const.
^ ' y A'- -^ h^A- -{- B-)
folgt. Deshalb der Name cylindrisch-conische Schraubenlinie**).
§ 12. Envelöppe von oc^ Flächen.
Für das Studium der weiteren Eigenschaften der Raumcurven ist
es von Vorteil, einige kurze Bemerkungen über Enveloppen (ein-
hüllende Flächen) vorauszuschicken.
*) Loxodrome heisst auf einer beliebigen Rotationsfläche eine Curve, welche
die Meridiane unter constantem Winkel schneidet.
**) Es sei bemerkt, dass bei der Abwicklung des Kegels in eine Ebene die
cylindrisch-conische Schraubenlinie in eine logarithmische Spirale übergeht.
20 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
Es sei
(15) f{x, y, z, a) = 0
die Gleichung einer Fläche; den Parameter a, den sie enthält, setzen
wir innerhalb eines bestimmten Intervalls als stetig veränderlich voraus.
Wir setzen ferner voraus, dass in dem für x, y, z, a in Betracht kommen-
den Aenderungsbereich die Function f endlich und stetig sei und die
ebenfalls endlichen und stetigen Differentialquotienten
d£ df df d£ d^
dx' dy^ dz' da' da^
besitze. Jedem besonderen Werte a^ von a. entspricht eine besondere
Fläche unseres einfach unendlichen Systems (15); ändert sich a stetig,
so bewegt sich auch die Fläche unter stetiger Deformation im Räume.
Wir betrachten nun eine specielle Fläche des Systems:
(16) f(x,y,z,a;) = 0,
sowie eine dicht benachbarte, die der Variation h des Parameters ent-
spricht:
f{x, y, z, a^-{-h)^0.
Die Schnittcurve dieser beiden Flächen nähert sich mit bis zu Null ab-
nehmendem h auf der Fläche (16) einer Grenzlage, die nach Monge
die Charakteristik der Fläche (16) genannt wird. In der That
können wir für die beiden vorstehenden simultanen Gleichungen das
äquivalente System :
f(x, y, z, a,) ^ 0, n^>y>^>-^+3^-n^^y>^>-^) _ o
setzen. Die zweite dieser Gleichungen nähert sich mit abnehmendem h
der Grenzgleichung:
rg(A x,y, z, k)! ^ Q
und es lässt sich in aller Strenge beweisen, dass die durch die simul-
tanen Gleichungen:
i\x,y,z,a^ = 0, (^0 —0
bestimmte Curve eben die gesuchte Grenzcurve (Charakteristik) ist. Der
Ort aller Charakteristiken heisst Enveloppe (einhüllende Fläche)
des Systems, während jede einzelne Fläche des Systems eine einge-
hüllte oder umhüllte genannt wird. Die Gleichung der Enveloppe
ergiebt sich nach dem Vorstehenden durch Elimination von a aus den
beiden Gleichungen :
f=0, U = 0
' ' Ca
§ 12. Enveloppe von CX5» Flächen. 21
oder, was auf dasselbe hinauskommt, dadurch, dass man aus der zweiten
Gleichung cc als Function Ton Xj y, z bestimmt und diesen Wert in
die erste einsetzt. Die Gleichung:
fix, y, z, a) = 0,
die uns für constantes a die umhüllte Fläche darstellt, repräsentiert
also auch die Enveloppe, wenn hierin der aus der Gleichung:
Ca
für a als Function von x^ i/, s sich ergebende Wert eingesetzt wird.
Hiernach sieht mau sofort, dass die Enveloppe die Umhüllte
längs der ganzen Charakteristik berührt.
In der That, die Gleichung der Tangentenebene in einem Punkte
{x, y, z) der Enveloppe ist:
\cx ' cacxl^ ' ' \Cy ' cacyl^ ^^ ' \cz ' ca. czi ^ ^ ^
oder, da eben ^r^ = 0 ist:
' ca.
welches die Gleichung der Taugenteuebene der Umhüllten ist.
Schneidet die Charakteristik der Fläche (16) die Nachbai-fläche :
fix, y, z, «1 4- h) = 0,
so werden sich bei Aenderung von h die Schnittpunkte auf der Cha-
rakteristik verschieben und mit bis zu Null abnehmendem h in gewisse
Grenzpunkte übergehen, die wir auf folgende Weise bestimmen: Für
jeden dieser Schnittpunkte bestehen die simultanen Gleichungen:
(a) /;=«, = 0, \A =0, f{x,y,z,a, + h) = 0-
für die dritte können wir setzen:
wo iq in Bezug auf h von höherer als der zweiten Ordnung unendlich
klein ist. Statt des Systems (a) können wir das äquivalente:
setzen. Die letzte dieser Gleichungen geht mit vei-schwindendem h in
die Grenzgleichung:
m =0
22 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
über. Die gesuchten Grenzpunkte auf der Charakteristik « = a^ sind
also durch die drei simultanen Gleichungen:
bestimmt.
Der Ort der Grenzpunkte der verschiedenen Charakteristiken führt
den Namen Rück kehr kante (Cuspidalkante) der Enveloppe; ihre
Gleichungen ergeben sich, wenn man a aus den drei Gleichungen:
f=0, !^ = 0, p, = o
' ^ da ' da^
eliminiert oder a als Function von x, y, 3 aus der dritten berechnet
und diesen Wert in die beiden ersten einsetzt. Und da diese für con-
stantes a, die Charakteristik darstellen, so folgt hieraus leicht, dass
jede Charakteristik die Rückkehrkante in den Grenzpunkten berührt:
es ist demnach auf der Enveloppe die Rückkehrkante (falls sie über-
haupt reell ist) die UmhüUungscurve der Charakteristiken.
§ 13. Abwickelbare Flächen.
In der Theorie der Raumcurven haben wir ausschliesslich den
Fall zu betrachten, in dem die umhüllten Flächen Ebenen sind-, es
wird dann die Enveloppe aus einem sofort zu erörternden Grunde als
abwickelbare Fläche (Developpable) bezeichnet.
Die Charakteristik jeder Ebene des Systems ist offenbar eine
Gerade, und alle charakteristischen Geraden sind Tangenten der Rück-
kehrkante; die Developpable ist also der Ort der Tangenten einer
Curve, welche Rückkehrkante der Fläche ist. Die bewegliche (umhüllte)
Ebene ist Schmiegungsebene der Rückkehrkante. In der That, behalten
wir für diese Curve die üblichen Bezeichnungen bei, so ist die Gleichung
der Schmiegungsebene:
(X — ic) cos A + ( Y — y) cos fi -\- (Z — ^) cos v = 0.
Um die Charakteristik der Schmiegungsebene zu erhalten, combinieren
wir hiermit diejenige Gleichung, welche sich durch Differentiation nach
dem Parameter s ergiebt, d. h. nach den Frenet'schen Formeln die
Gleichung:
(X — x) cos ^ -{- (Y — y) cos rj -\- (Z — z) cos g = 0 .
Diese zweite Ebene schneidet die Schmiegungsebene längs der Tangente,
die demnach, wie behauptet, die Charakteristik ist.
Uebrigens ist zu bemerken, dass sich die Rückkehrkante auf einen
Punkt zusammenziehen kann; dann wird die Developpable ein Kegel
§ 14. Polardeveloppable einer Curve. 23
oder ein Cylinder, je nachdem dieser Punkt in endlicher oder unend-
licher Entfernung liegt.
Jede umhüllte Ebene berührt die Developpable längs der gerad-
linigen Charakteristik (Erzeugenden), und es bilden somit die Tangential-
ebenen einer Developpabeln eine einfache Mannigfaltigkeit, während bei
jeder anderen Fläche die Tangentialebenen ein oc-- System bilden*).
Der Name „Developpable" rührt daher, dass die Fläche, als bieg-
sam und undehnbar vorausgesetzt, ohne Riss oder Faltung auf die
Ebene abgewickelt werden kann. Umgekehrt ist jede Fläche, welche
diese Eigenschaft besitzt, mit Notwendigkeit eine Developpable, wie
in einem anderen Kapitel nachgewiesen werden wird.
In Verbindung mit jeder Raumcurve sind drei Developpable in
Betracht zu ziehen, die bezüglich von den drei Ebenen der Haupt-
trieder umhüllt werden. Die Enveloppe der Schmiegungsebene ist,
wie wir vorhin gesehen haben, nichts anderes als der Ort der Tan-
genten der gegebenen Curve. Die Enveloppe der Normalenebene von C
heisst die Polardeveloppable der Curve C, und mit ihr werden wir
uns hauptsächlich beschäftigen.
Bezüglich der dritten Developpabeln, der Enveloppe der auf den
Hauptnormalen von C senkrecht stehenden Ebenen, bemerken wir nur,
dass sie als rectificierende Developpable der Curve C bezeichnet
wird; sie geht durch die Cui've C hindurch, und diese wird bei der
Abwickelung der Developpabeln auf die Ebene zu einer Geraden.
§ 14. Polardeveloppable einer Curve.
Um die Elemente der Polardeveloppabeln einer gegebenen
Curve C, insbesondere ihrer Rückkehrkante, zu bestimmen, wenden
wir die allgemeinen Regeln des § 12 an, indem wir von der Gleichung
der (umhüllenden) Normalenebeue der Curve C:
(17) {X — x) cos a -\- (Y — y) cos ß -\- (Z — z) cos y = 0
ausgehen, in der wir naturgemäss als Parameter, der die Lage der be-
weglichen Ebene bestimmt, den Bogen 5 von C wählen. Differenzieren
wir (IT) nach s, so erhalten Avir mittels der Frenet'schen Formeln die
Gleichung:
(18) (X — x) cos i -}- (Y — ij) cos Vi -\- {Z — z) cos ^ = g,
und diese beiden Gleichungen geben combiniert die Charakteristik der
Ebene (17), d. h. die Erzeugende der Polardeveloppabeln. Dieselbe
*) Bei jeder dualistischen Transformation des Raumes liefert jede Fläche
eine andere Fläche ; die Developijablen dagegen entsprechen dualistisch den Gurren.
24 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
steht hiernacli auf der Schmiegnngsebene in demjenigen Punkte der
Hauptnormale M^ senkrecht, welcher (im positiven Sinne) vom Os-
culationspunkte M auf der Curve um den Krümmungsradius q entfernt
ist. Dieser Punkt M^ wird als Krümmungsmittelpunkt der Curve
C in M bezeichnet, und der in der Schmiegungsebene um Mj_ mit dem
Radius M^M = q beschriebene Kreis heisst Schmiegungs-, Oscula-
tions- oder Krümmungskreis*). Die Erzeugende der Polardevelop-
pabeln ist also das auf der Ebene des Krümmungskreises in seinem
Mittelpunkte errichtete Lot oder, wie man sich ausdrückt, die Axe
des Krümmungskreises.
Um nun den Punkt M^^ zu finden, in dem die Axe des Krümmungs-
kreises die Rückkehrkante der Polardeveloppabeln berührt, müssen wir
die Gleichungen (17) und (18) mit derjenigen combinieren, die sich
durch nochmalige Differentiation nach s ergiebt. Dieselbe lässt sich
unter Berücksichtigung der Frenet'schen Formeln und der Gleichung
(17) selbst wie folgt schreiben:
(19) (X — x) cos A + (F^ y) cos (i + (Z — 3) cos v = — T^£,
und die Coordinaten Xq, y^, Sq des gesuchten Punktes M^ müssen, für
X, Y, Z in die Gleichungen (17), (18), (19) eingesetzt, denselben
gleichzeitig genügen. Lösen wir die drei in den Differenzen x^ — x,
y^ — y, Zq — z linearen Gleichungen nach denselben auf, so erhalten
wir unmittelbar:
(20)
Xq =^ X -\- q cos I — T , cos l ,
^0 = i/ + 9 cos 17 — T ^^J cos ^,
•^n = ^ + i> COS t — T -.^ COS V .
V " ' "" ' ds
Die um Mq{xq, y/„, z^) mit dem Radius M^M beschriebene
Kugel heisst die osculierende oder Schmiegungskugel der Curve
C in M, weil sie, wie auf ähnliche Weise wie in § 3 gezeigt werden
kann, unter allen durch M gehenden Kugeln diejenige ist, welche in
der Umgebung von M sich am innigsten der Curve anschmiegt**). Es
ist klar, dass der Krümmungskreis der Schnitt der Schmiegungskugel
*) Unter allen Kreisen durch M ist der Krümmungskreis, wie man beweisen
kann, derjenige, welcher sich in der Umgebung von M der Curve am innigsten
anschmiegt.
**) Sie kann auch, weniger streng ausgedrückt, als diejenige Kugel bezeichnet
werden, die durch M und drei aufeinanderfolgende Punkte der Curve geht.
§ 15. Ort der Mitten der Schmiegungskugeln. 25
mit der Schiniegiingsebene ist. Bezeichnen wir nun mit R den Radius
der Schmiegungskugel , so haben wir:
R2 _ (^^ _ ^)2 ^ (y^ _ yy ^ (^^ _ ,y
oder wegen (20):
(21) ij' = 9' + T* (^f)^
§ 15. Ort der Mitten der Schmiegungskugeln.
Wir wollen nun die Rückkehrcurve der Polardeveloppabeln, Cq,
die, wie wir gesehen haben, zugleich der Ort der Mittelpunkte der
Schmiegungskugeln ist, in ihren Beziehungen zur gegebenen Curve C
untei-suchen.
Wir bezeichnen mit
Sq, cos «0, (^os ßo, ■ ■ • Qq, Tq
diejenigen Grössen, welche für Cq dasselbe bedeuten, wie
s, cos a, cos ß • Q, T
für C. Um sie zu berechnen, brauchen wir nur die Gleichungen (20)
unter Benutzung der Frenet'schen Formeln zu diflFerenzieren. Die erst-
malige Differentiation giebt:
(20') «'y. = - i T + s (^ al) 1 ""^ 1" ''''
hieraus folgt durch Quadrieren und Addieren:
und also:
(21-) rf.„^.|^ + /^(r^-:))rf.,
wo 6 die positive oder negative Einheit ist; setzen wir fest, dass Sq mit
s als wachsend gerechnet werden soll, so ist das Vorzeichen von £ ganz
dasselbe wie dasjenige des Factors ^ + jt (^>^) '
Daraus folgt sofort:
(22) cos (^Q = — E cos A, cos ßf, = — £ cos ^, cos yf, = — £ cos v,
woraus sich durch weitere Differentiation ergiebt:
26 Kap. 1. Cnrven doppelter Krümmung.
dSf, c. ds i.
—"^ cos g(, = — £ ^ COS|,
Co -'-
dsn ds
-" cos 9^0 = — E -rp COS ri,
Hieraus folgt
(23)
dSf^ , ds
— ^COSCf,=: £ ^ COS t.
WO / wiederum die positive oder negative Einheit bezeichnet^ je nach-
dem positiv oder negativ ist.
Wir haben somit
(22') cos lo = — ^^ cos ^^ cos ->jo = — £«' cos Tj, cos ^0 = — ^'^' cos ^;
durch Combination dieser Gleichungen mit (22) ergiebt sich weiter
(22") cos Aq = - — B cos a, cos ^o ""^ — ^ cos /3, cos Vq== — f' cos y
(vgl. S. 7 unten) und hieraus schliesslich durch Differentiation unter
Berücksichtigung von (22)
(24) '^'o^^jls
Die vorstehenden Formeln lassen erkennen , dass bei den beiden
Curven C und C^ die Tangente der einen parallel der Binormalen der
anderen ist, während die Hauptnormalen paarweise einander parallel
sind, Resultate, die auch geometrisch sehr leicht einzusehen sind.
Wir untersuchen nun, ob der Radius der Schmiegungskugel li
eine Constante sein kann. Differenzieren wir unter dieser Annahme
(21), so kommt:
ds \t^ ds V ds/l ~ ^'
also ist, da T nicht gleich Null ist, entweder
a) -,- = 0, d. h. p == Const.
^ ds ' ^
oder
b) i+.t(^:!:)=o-
Im Falle a) besitzt die Curve eine constante Flexion, und da dann in
den Gleichungen (20) das dritte Glied rechts verschwindet, so fällt der
Ort für die Mittelpunkte der Schmiegungskugeln, C^, mit demjenigen
der Krümmungsmittelpunkte, 0^, zusammen. Ferner ist wegen (21')
Cl Sq ^rp eis j
und da hier f = f' ist, so geben die Gleichungen (23) und (24)
und die Gleichungen (22')
§ 16. Evoluten und Evolventen. 27
cos ^ = — COS I, COS 1^0 = — cos rij cos ^ = — cos ^5
daraus folgt, dass die Curve Cq dieselbe constante Flexion wie C hat,
während das Product der beiden Torsionen gleich dem Quadrat dieser
Constanten ist. Des weitem ist klar, dass der Ort der Krümmungs-
mittelpunkte von Cq die ursprüngliche Curve C ist. Die Curven mit
constanter Flexion lassen sich demnach zu Paaren zusammenfassen,
welche die Hauptnormalen gemeinsam haben.
Untersuchen wir nun den Fall b), so erhalten wir aus den Glei-
chungen (20')
Xq = Consi, iJq = Coust., Zq = Consi;
es liegt demnach die Curve C auf der im Räume festen Kugel:
Die natürliche Gleichung:
T^ ds\ ds/
ist also für die sphärischen Curven charakteristisch*).
§ 16. Evoluten und Evolventen.
Längs einer ebenen oder doppelt gekrümmten Cui-ve C denken
wir uns einen biegsamen und nicht dehnbaren Faden aufgelegt und
wickeln ihn von einem beliebigen Pimkte der Curve an von derselben
so ab, dass er stets gespannt bleibt, d. h., dass in jedem Augenblick
das abgewickelte geradlinige Fadenstück 31' 31 Tangeute von C in
31' und seine Länge gleich dem abgewickelten Cm-venbogeu s ist.
Das freie Ende 31 des Fadens beschreibt eine Curve C, welche eine
Evolvente von C genannt wird, während C Evolute von C heisst.
Bezeichnen wir mit x, y, z , cos a' • • • die Elemente der Evolute C
und mit ic, y, z^ cos a ■■ ■ diejenigen der Evolvente (7, so folgen aus
der angegebenen Construction unmittelbar die Gleichungen:
(25) X — a; = s cos «', y — ij = s cos ß^, z — -s = s cos /.
Aus ihnen ergiebt sich durch Differentiation:
rf^ = _i4^eosr, dy = -'^,^^osr(, dz =- '^ cos ^,
*) Bemerkt werde, dass, wenn in einem Punkte einer beliebigen Curve
^ ds\ dsJ
verschwindet, die Schmiegungskugel daselbst stationär ist und die Curve Q in
dem entsprechenden Punkte einen Rückkehrpunkt hat.
28 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
d. h. die Tangente der Evolvente ist der Hauptnormale der
Evolute parallel.
Die Aufgabe: Zu einer gegebenen Evolute die Evolventen
zu finden, wird mit Hilfe einer Quadratur durch die Gleichungen
(25) gelöst, da es nur darauf ankommt, s als Function des die Punkte
von ü' bestimmenden Parameters auszudrücken. Wir sehen, dass in s
eine willkürliche additive Constante auftritt und dass demnach eine gege-
bene Curve oo^ Evolventen besitzt, die sämtlich auf der Tangenten-
developpabeln der Curve liegen und die Orthogonaltrajectorien der er-
zeugenden Tangenten sind.
Wir behandeln nun die umgekehrte Aufgabe: Alle Evoluten
einer gegebenen Curve C zu finden. Da die Unbekannten unserer
Aufgabe hier die Elemente der Curve C, insbesondere die Lage des
Evolutenpunktes M' in der Normalenebene der Evolvente in M, sind,
so wählen wir in dieser Ebene die Haupt- und die Binormale als be-
wegliche Hilfsaxen und bezeichnen mit u, v die auf diese Axen be-
zogenen Coordinaten von M''^ für die Coordinaten x\ y', / von M'
haben wir offenbar die Ausdrücke:
X = X ~\- u cos I -|- y cos A ,
y = y -{- u cos ■>? -j- y cos ^,
0 = z -j- u cos t + v cos V.
Es handelt sich nun darum, ti und v als Functionen von s so zu
bestimmen, dass die in M' an die Ortscurve dieses Punktes M' ge-
zogene Tangente gerade die Normale M' M Yon C ist; wir müssen also
dx dl/ dz'
ds ' ds ' ds
bezüglich
u cos ^ -\- V cos A, u cos 7j -\- V cos ft, u cos ^ -f- ?^ cos V
proportional setzen.
Führen wir die Differentiationen unter Berücksichtigung der Frenet-
schen Formeln aus, so finden wir, dass sich die notwendigen und hin-
reichenden Bedingungen, denen u und v genügen müssen, auf die fol-
genden beiden reducieren:
1 /du ^^ v\ 1 /dv u\
^■^ — 9, ^ Vd7 '^tJ~v \d's " t)
oder:
dv dq
ds ds 1
Die letzte dieser Gleichungen giebt integriert:
§ 17. Weiteres über Evoluten und Evolventen. 29
, V f*ds ,
d. h.
v = Q tang (r -f c),
wo c eine willkürliche Constante ist und
_ rds
(27)
gesetzt ist.
Die vorgelegte Aufgabe wird also mit Hilfe einer Quadratur durch
die Gleichungen gelöst:
Ix = X -{- Q COS I + p tang (r -|- c) cos X ,
y =y + QCOsri-{- Q tang (r + c) cos /*,
s' = z -{- Q COS ^ + 9 tang (t -j- c) cos v.
Aus ihnen ergeben sich nach (25) sofort die folgenden:
cos a = cos (t -}- c) cos | -|- sin (t -\- c) cos A ,
cos /3' = cos (t -|- c) cos tj -j- sin (r -f- c) cos ft,
cos / = cos (t -f- c) cos 5 -f- sin (t -f- c) cos v;
d. h.: der Winkel, den die Tangente der Evolute mit der
Hauptnormale der Evolvente bildet, ist gleich x -\- c.
§ 17. Weiteres über Evoluten und Evolventen.
Entsprechend den unendlich vielen Werten der Constanten c in
den Gleichungen (26) giebt es oc^ Evoluten der gegebenen Curve C,
die alle auf der Polardeveloppabeln derselben liegen. Es lässt sich
zeigen, dass bei der Abwickelung der Polardeveloppabeln in eine Ebene
die oc^ Evoluten in die Geraden eines Büschels übergehen*). Ist die
Evolvente eben, so hat sie eine ebene Evolute, nämlich den Ort ihrer
Krümmungsmittelpunkte; die anderen Evoluten sind Schraubenlinien
auf demjenigen geraden Cylinder, der die ebene Evolute zur Basis hat
und eben die Polardeveloppable ist.
*) unter Vorwegnahme der in den nächstfolgenden Kapiteln erörterten Be-
griffe bemerken wir: Wenn in (26) c als variabel betrachtet und ; , — - = B
^ ^ ^ cos (t -f- c)
gesetzt wird, so ergiebt sich für das Quadi-at des Linienelements der Polardeve-
loppabeln der Ausdruck:
dx- + dy'*- + dz"" = dR- -\- R-dc\
der gleich dem Quadrat des Linienelements der Ebene in Polarcoordinaten ist,
was die im Text erwähnte Eigenschaft beweist.
30 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
Aus der Bemerkung am Schlüsse des vorigen Paragraphen folgt
ein wegen seiner Anwendungen sehr wichtiger Satz. Betrachten wir
zwei verschiedene Evoluten der (jeffebenen Curve C,,die den Werten
Cj und Cg der willkürlichen Constanten c entsprechen, so stellt die
Differenz c^ — c.^ nach dem angegebenen Satze den Winkel der beiden
Tangenten dar, die von ein und demselben Punkte M der Evolvente an
die betreffenden Evoluten gezogen sind, woraus folgt:
A) Die von ein und demselben Punkte der Evolvente an
zwei verschiedene Evoluten gezogenen Tangenten bilden
einen constanten, d. h. von der Lage des Evolventenpunktes
unabhängigen Winkel.
Zweckmässiger Weise lässt sich dieses Ergebnis in einer etwas
anderen Form wie folgt aussprechen:
B) Werden die Erzeugenden einer abwickelbaren Fläche
um die bezüglichen Schnittpunkte mit einer ihrer Ortho-
gonaltrajectorien in der Normalenebene derselben um einen
Constanten Winkel gedreht, so ist der Ort der neuen Lagen
der Erzeugenden wieder eine abwickelbare Fläche.
§ 18. Orthogonale Trajectorien von c»^ Ebenen.
Das in § 16 zur Bestimmung der Evoluten einer gegebenen Curve
eingeschlagene Verfahren kann auch zur Lösung der folgenden Auf-
gabe angewandt werden: Alle Curven C zu bestimmen, für
die eine gegebene Curve ü der Ort der Mittelpunkte der
Schmiegungskugeln ist. Die gestellte Frage ist offenbar identisch
mit derjenigen nach den Curven C, welche eine gegebene Schaar
von oü^ Ebenen (Schmiegungsebenen der Curve C) rechtwinklig
schneiden. Ist C eine solche Curve und M' der Punkt, in welchem
sie die Schmiegungsebene von C in M rechtwinklig schneidet, so be-
stimmen wir die Lage von M' in dieser Ebene mittels seiner recht-
winkligen Cartesischen Coordinaten u, v, bezogen auf die Tangente
und die Hauptnormale von C als Axen. Bezeichnen wir die auf die
festen Raumaxen bezogenen Coordinaten von M' mit x', y' , z\ so
haben wir demnach:
x ^^ X -\- u cos a A^ V cos |,
(28) ■ y' =^ y -^ u cos /3 -f- ^ COS 7^,
■ 3 = z -\- u, cos y -\- V cos ^,
und die der Curve C, dem Orte von Jf', auferlegte Bedingung besagt,
(\.0ß dtj dz
dass -,— , - , — — bezüglich cos A, cos fi, cos v proportional sein müssen;
§ 18. Orthogonale Trajectorien von oo* Ebenen. 31
daraus ergeben sich für die unbekannten Functionen u und v von s
die Gleichungen:
dv it du V ..
ds Q ^ ds Q '
oder wenn wir statt s eine neue unabhängige Veränderliche
dv
einführen :
dv du
da ' da ^
V bestimmt sich also aus der Gleichung:
d^v ,
da^ + '' = ^'
die integriert
V =^ c cos 6 -\- c sin 6 — cos ö / sin 6ds + sin ö / cos 6äs
giebt, wo c, c willkürliche Constanten sind, üann haben wir u = — ^- ,
d. h.
M = c sin ö — c cos 6 — sin 6 j sin 6ds — cos ö j cos 6(Js.
Setzen wir die für u und v gefundenen Werte in (28) ein, so
haben wir mittels Quadraturen die gesuchten Curven C bestimmt, die,
wie a priori klar war, eine doppelt unendliche Mannigfaltigkeit bilden.
§ 19. Curven mit gemeinsamen Hauptnormalen.
In § 15 haben wir gesehen, dass sich die Curven constanter Flexion
paarweise zu conjugierten Curven, die die Hauptnormalen gemein-
sam haben, zusammenfassen lassen. Wir stellen uns nun mit Bert r and
die Aufgabe, allgemein diejenigen Curven C zu bestimmen, bei denen
es zu jeder eine zweite C giebt, welche dieselben Hauptnormalen hat
wie C. Versehen wir die zu C gehörigen Ausdrücke mit Strichen, so
haben wir als Coordinaten x', y', z' des Punktes M' von C, der dem
Punkte M von C entspricht:
(29) a;'=a;-f xcosg, y/' = ?/ + x cos tj, z' = z -\- x cos^,
wo X = f{s) das Stück M' M der Hauptnonnalen bezeichnet. Weil
nach der Voraussetzung 31' M Normale von C in M' ist, haben wir
zunächst :
eosS-g + cos, ",^ + 003^^ = 0,
woraus sich
'^ = 0, d. h. X = Const.
ergiebt.
32 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
Aus (29) folgt dann durch Differentiation:
(cos a = cos 6 cos a -f- sin 6 Cos X,
cos ß' = cos 6 cos ß -\- sin 6 cos fi,
cos }^' = cos 6 cos y -|- sin 6 cos v ,
wo
~ 9 . ~ T
cos (? = — , , sm (j =
gesetzt ist und 6 offenbar den Winkel der beiden in zwei entsprechen-
den Punkten von C und C gezogenen Tangenten bedeutet.
Durch weitere Differentiation der Gleichungen (30), sowie aus den
Frenet'schen Formeln und der Voraussetzung, dass C dieselben Haupt-
normalen wie C hat, folgt:
6 = Const.,
d. h.: Bei der gesuchten Curve C sind die beiden Krümmungen
durch die lineare Gleichung:
X cos a V. sin o , . „
— ff^ h sm <? = (J
1 Q
verknüpft. Umgekehrt, besteht zwischen den beiden Krümmungen einer
Curve C eine lineare Relation mit constanten Coefficienten:
^ + | + C'=0,
ohne dass q und T gleichzeitig constant sind, und setzt man
_ _ B^
so erhält man in (29) eine zweite, vollkommen eindeutig bestimmte Curve C
mit denselben Hauptnormalen wie C. Eine Unbestimmtheit tritt nur
in dem Falle ein, dass q und T constant sind. Die Curve C ist dann
eine gewöhnliche Schraubenlinie. Die Regelfläche ihrer Hauptnormalen
wird uns später bei unseren Untersuchungen unter dem Namen Mini-
mal-Schraubenregelfläche begegnen. Offenbar sind alle Ortho-
gonaltrajectorien der Erzeugenden dieser Fläche ebenfalls gewöhnliche
Schraubenlinien (von derselben Ganghöhe wie C).
§ 20. Gleichungen der Bertrand'sehen Curven.
Wir schliessen dieses Kapitel damit, dass wir mittels Quadraturen
die expliciten Gleichungen der im vorigen Paragraphen behandelten
Curven geben, die als B er tr and' sehe bezeichnet werden. Diese Auf-
gabe führen wir mittels der folgenden Ueberlegungen auf den Fall
der Curven constanter Flexion zurück.
§. 20. Gleichungen der Bertrand'schen Curven. 33
Gegeben sei eine Curve C; wir stellen uns die Aufgabe, eine
zweite C zu finden, für die bei gleicher Bogenlänge die Hauptnormale
derjenigen von C parallel ist. Bezeichnen wir nun mit 6 den Winkel
der beiden Tangenten in entsprechenden Punkten von C und C , so
haben wir offenbar:
cos a' = cos 0 cos a -\- sin 6 cos A,
(31) { cos ß' = cos ö cos /3 + sin ö cos jt,
cos y' = cos 6 cos y -f- sin ö cos v.
Differenzieren wir diese Gleichungen unter Berücksichtigung der
Frenet'schen Formeln und der Voraussetzung:
(31') cos i' = + cos I, cos »?' = + cos 1], cos r = ± cos t,,
so folgt wie im vorigen Paragraphen:
6 = Const.
Umgekehrt, ist 6 constant, so definieren uns die Gleichungen:
x' = I (cos 6 cos a -f- sin <? cos X) ds,
(cos 6 cos /3 + sin ö cos (i) ds,
z' = i (cos ö cos y -\- sin ^ cos v) ds
(bis auf eine Translation) eine Curve C", die zu C in der verlangten
Beziehung steht. Zu (31) und (31') fügen wir die weiter aus den-
selben folgenden Gleichungen hinzu:
cos A' = + cos 6 cos A -f- sin <? cos a,
(31") cos ft' = + cos 6 cos ^ + sin (? cos /3,
cos v' = + cos ö cos V + sin ö cos y.
Aus (31), (31') und (31") ergeben sich durch Differentiation die
Gleichungen:
fl , ( cos a , sin a )
^'"^'^^ ^^"''
V / I 1 cos ff sin ff
d. h. die beiden Krümmungen von C sind homogene lineare Combi-
nationen derjenigen von C mit constanten Coefficienten.
Ist C eine Bertrand'sche Cui-ve mit der natüi-lichen Gleichung:
-^ + f + c = o,
so braucht also nur tang 6 = ^ gesetzt zu werden, damit die abgelei-
tete Curve C constante Flexion besitze.
Bianchi, Differentialgeometrie. 3
34 Kap. 1. Curven doppelter Krümmung.
Um nun alle Curven mit der constanten Flexion — zu bestimmen,
beachten wir, dass für eine solche nach § 2
/(^cosa\2 /dcoä^Y /dcosyY 1
\ ds ) ~^ \ ds ) + \ds } ~ a^
ist, und dass also ihre Gleichungen:
X = I cos a ds, y ^ I cos ß ds ^ z = j cosy ds
auch so geschrieben werden können:
(32') X == a j cos a da, y =- a i cos ß da, z = a j cosy dö,
wo
(33) d6 = y(d cos af + {d cos ßf + (d cos yf
gesetzt ist.
Umgekehrt, nehmen wir drei willkürliche Functionen cos a, cos ß,
cos y eines Parameters u, die durch die Relation :
cos^ a -^ cos^ ß -)- cos^ y = 1
verbunden sind, so definieren die Gleichungen (32'), wo dß den Wert
(33) hat, wie sofort erhellt, eine Curve mit der constanten Flexion ^
a '
die auch die allgemeinste Curve dieser Art ist.
Kapitel II.
Qnadratisclie Differeiitialformen.
Algebraische quadratische Formen. — Definition der Diiferentialinvarianten und
Differentialparameter einer quadratischen Differentialform. — Erster Differential-
parameter Ai U. — Gemischter Differentialparameter V(?7F). — Aequivalenz
zweier quadratischer Differentialformen. — Christoffersche Drei-Indices-S3'mbole
I /* ' I V^}- — -^^^ covarianten zweiten Differentialquotienten. — Zweiter
Differentialparameter A, U. — Vier -Indices- Symbole. — Krümmungsmass einer
binären Differentialform. — Cubische Covariante zweier simultaner quadi-atischer
Differentialformen. — Gleichzeitige Reduction zweier binärer quadratischer Diffe-
rentialformen auf Orthogonalformen.
§ 21. Algebraische quadratische Formen.
Zum Zwecke der systematischen Behandlung der Flächentheorie
in der von Gauss angebahnten Richtung, der die folgenden Unter-
suchungen gewidmet sind, ist es für uns unerlässlich, einige grund-
legende Begriffe aus der Theorie der quadratischen Differentialformen
vorauszuschicken. Es soll das der Gegenstand dieses Kapitels sein,
in dem wir uns übrigens auf das für unseren Zweck Notwendige be-
schränken*). Die einfachen Algorithmen, die wir dieser Theorie entneh-
men, ermöglichen es uns dann, die grundlegenden Gleichungen der
Flächentheorie in wenige durchsichtige Formeln zu verdichten.
*) Die hauptsä,chlichsten Arbeiten, die bei der Abfassung dieses Kapitels
benutzt worden sind, sind die folgenden:
Beltrami, Sulla teorica generale dei parametri .differenziali. (Atti
deir Accademia delle Scienze di Bologna, 25. Februar 1869.)
Christoffel, üeber die Transformation der homogenen Differential-
ausdrücke zweiten Grades. (Grelles Journal, Bd. 70.)
Ricci, 1) Sui parametri e gli invarianti delle forme quadratiche
differenziali. (Annali di matematica, Serie 2, Bd. 14.)
2) Delle derivazioni covarianti e contravarianti. Padua 1888.
Weingarten, Ueber die Theorie der auf einander abwickelbaren
Oberflächen. (^Festschrift der technischen Hochschule zu Berlin,
1883.)
3*
30)
Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
Es dürfte zweckmässig sein^ unseren Untersuchungen einen kurzen
Abriss der algebraischen Sätze über quadratische Formen voraus-
zuschicken*). Wir betrachten eine quadratische Form f der n Ver-
änderlichen X^, X.^, • • ■ Xn'
(1)
/ y^ ''/• s '^r •^s yCl'r
f^s r) ;
wo sich die angedeutete Summation auf alle Combinationen der Indices
r, s aus der Reihe 1, 2, . . . )t bezieht. Bezüglich der (constanten)
Coefficienten ars setzen wir nur voraus, dass die Determinante
du CI/X9, . . . CLxn
0^21 0^22 • • • 0^2»
<X„1 «„2
(A/yi
welche die Discriminante der Form /" heisst, von Null verschieden
sei. Statt der Veränderlichen x führen wir neue, x, ein mittels der
homogenen linearen Substitution:
(2)
i = l
n),
wo wir von den n^ Substitutionscoefficienten jo^/ nur voi-aussetzen, dass
ihre Determinante
Pn Pn ■ ■ ■ Pin
Pn P22 • • • Pün
P==
JPnl Pn2 ■ ■ ■ Pnn
von Null verschieden sei (denn sonst müsste zwischen den x eine lineare
Relation bestehen, während sie als von einander unabhängig voraus-
gesetzt sind). Durch die Substitution (2) geht /' in eine neue qua-
dratische Form /" der x':
(j)J J ^ ttf-s^r ^s
rs
über, in der sich die neuen Coefficienten «,',, durch die alten und
durch die Substitutionscoefficienten pu- mittels der Gleichung:
(4)
Xi.1
ausdrücken. Aus (4) folgt, wenn a' die Discriminante von f bedeutet,
*) S. Beltrami a. a. 0.
§ 21. Algebraische quadratische Formen. 37
nach dem Miiltiplicationssatz der Deteiininanteu der fundamentale Satz,
der durch die Gleichung:
(5) a =F-a
ausgedrückt wird.
Wir setzen nun :
(6) ^^=\li = ^^rsXr,
s r
woraus durch Auflösung nach den x
(6*) x,=^ÄuX, {k=l,2,.--u),
s
folgt, wo mit Ats, wie es im folgenden stets geschehen soll, die durch die
Discriminante a selbst dividierte Unterdeterminante von «*,
in a bezeichnet wird. Bilden wir unter Berucksichtigimg von (6)
und (6*) die Summe "S^ XrXr, so kommt :
r
^ XrXr = 2 «-^'••^^ = ^ Ä,^XrX, .
Die quadratische Form:
(7) F=^^Är,XrX,
rs
geht diu-ch die Substitution (6) in /' über, wie umgekehrt /' in F durch
(6*). Statt (6*) können wir auch
1 cF
schreiben.
Wie man sieht, ist die Beziehung zwischen /" und F reeiprok,
und es werden deshalb die beiden quadratischen Formen /' und F als
reciproke Formen bezeichnet.
Wir nehmen nun an, dass mittels der linearen Substitution (2)
/■ in /" übergeht und
r =^ArsX;x:
rs
die reciproke Form von f ist. Man sieht leicht, dass sich durch die
aus (2) durch Transposition hervorgehende Substitution:
(2*) X; = 2 jj.v X, (/• = 1 , 2, • . • n)
i
F' in F verwandelt. In der That geht F' in die reciproke Form f
mittels der Substitution:
(8) x;='^a;sx: (»• = 1,2,--.»)
38 Kap. 2. Quadratische Diiferentialformen.
Über, F in f mittels (6) und /" in /" mittels (2). Wegen (6) haben
wir nun:
i. i k
also wegen (2):
^ Pir Xi = ^ üik Pir Pks Xs ,
i i k s
wofür wir wegen (4) auch schreiben können:
^ Pir-^i ^^^ ^ ttrsXs j
/■ s
diese Gleichung, verglichen mit (8), ergiebt gerade (2*).
Hieraus folgt, dass sich die Ars ebenso durch die Ars ausdrücken,
wie die «^ durch die «/,,, wofern nur die Indices der ^j vertauscht
werden; man hat also nach (4) die bemerkenswerte Gleichung:
(9) Ars = ^ Ai^, Prl Ps^i .
§ 22. Definition der Differentialinvarianten und Differential-
parameter einer quadratischen Differentialform.
Es seien x^jX^j ... Xn, n unabhängige Veränderliche und äx^,
dx^, ... dXn ihre Differentiale; wir betrachten die quadratische Diffe-
rentialform:
( X Vy I J ^ (Xf s et Xr et Xg {(Zr s ^5 ^) }
n
wo die Coefficienten Urs gegebene Functionen der x seien. Von diesen
Functionen setzen wir voraus, dass sie in dem für die x in Betracht
kommenden Aenderungsbereich endlich und stetig seien, ebenso wie alle
ihre ersten und zweiten partiellen Differentialquotienten nach den x-^
ausserdem werde für diesen Aenderungsbereich die Discriminante a der
/■ stets als von Null verschieden angenommen.
Drücken wir die n Veränderlichen x durch n neue willkürliche Ver-
änderliche x' aus mittels der Gleichungen:
Xi = fi (.^/, x^, . . . x,[) C^' = 1; 2, . . . w) ,
wo für die Functionen fi der x wieder die soeben getroffenen Voraus-
setzungen gelten sollen, so werden die Differentiale dx^^ dx^, . . . dXn
der linearen Substitution:
(11) dXr = ^pridx/, Pri = g^/ (^ = 1; 2, . . . 7l)
ex
dx
% 22. Differentialinvarianten und DiflFerentialparameter. 39
unterworfen und es geht /" in eine neue quadratische Differentialform:
(12) /■' = ^ «/•'* (Ixr dxj
rs
über, wo
(13) ars=^ai^
ist.
Die Determinante M der linearen Substitution (11) für die Diffe-
rentiale ist hier die Functionaldeterminante der x nach den x:
M =
und es ist
wenn a und a die bezüglichen Discriminanten von /' und /" sind.
Haben Ar^, Ars dieselbe Bedeutung wie im vorigen Paragraphen,
so haben wir nach (9):
_-^ , cic_ ex
(14) ^"=2^A..J^.äV;-
Wir nehmen nun an, dass wir einen aus den Coefficienten cirs von f
und deren ersten, zweiten, . . . Differentialquotienten gebildeten Ausdruck
haben von der Beschaffenheit, dass derselbe, wenn die n Veränderlichen
X einer beliebigen Transformation unterworfen werden, in den Ausdrack
übertreht, der auf dieselbe Weise aus den Coefficienten «A der transfor-
• T • "TV
miei-ten Form /" und ihren Differentialquotienten gebildet ist. Dann
sagen wir, dass 9) eine Differentialinvariante der Form /'ist. Wenn
in einem solchen Ausdrucke cp ausser den Coefficienten der Grundform
/' und ihren Differentialquotienten eine gewisse Zahl von willkürlichen
Functionen U, V . . . samt ihren Diff'erentialquotienten auftritt, derart,
dass bei einer beliebigen Transfonnation der Variabein inmier noch
ist, wo U', V ... dieselben Functionen wie U, V ... sind, nur dass
an Stelle der x die x stehen, so sagen wir, dass (p ein Differential-
parameter ist.
Es sind also die zu einer quadratischen Form f gehörigen Differen-
tialparameter Ausdrücke, die aus den Coefficienten von f, einer ge-
wissen Zahl von willkürlichen Functionen und den Differentialquotienten
40 Kap. 2. Quadratische Dift'erentialformen.
der Coef'ficienten und Functionen gebildet sind derart, dass sie sich bei
einer beliebigen Transformation der Veränderlichen nicht ändern. So-
bald in einem solchen Ausdruck die willkürlichen Functionen fehlen,
haben wir eine Differentialinvariante.
Ehe wir zur wirklichen Bildung der Differentialparameter schreiten,
deren Kenntnis wegen der Anwendungen auf die Flächentheorie für
uns notwendig ist, dürfte es zweckmässig sein, den Weg, den wir in
den folgenden Ausführungen einschlagen werden*), zu beleuchten. An-
genommen, wir kennen eine Differentialform vom zweiten oder von
höherem Grade, ip, deren Coefficienten aus denjenigen der Grundform /)
ihren Differentialquotienten sowie einer gewissen Zahl von willkürlichen
Functionen und deren Differentialquotienten gebildet sind und welche
die Eigenschaft besitzt, bei einer beliebigen Transformation der Veränder-
lichen in die auf dieselbe Weise bezüglich der transformierten Form /" und
der transformierten willkürlichen Functionen gebildete Differentialform if;'
überzugehen. Wir sagen in diesem Falle, dass die Form ^ eine Diffe-
rentialco Variante von /* ist, und es ist klar, dass, wenn wir /"und i^
als zwei algebraische Formen (der Differentiale) betrachten und ihre ab-
soluten Simultaninvarianten bilden, wir eben Differentialparameter oder
Differentialinvarianten erhalten werden, je nachdem in den Coefficien-
ten von ip willkürliche Functionen auftreten oder nicht.
§ 23. Erster Differentialparameter A^ U und gemiscliter
Differentialparameter V(Z7, V).
Ist U eine willkürliche Function von x^, x^^ ... Xn, so haben
wir im Quadrat ihres ersten Differentials:
{dJjy = 2 1^- |— dxr dxs
offenbar eine quadratische Differentialcovariante der gegebenen Form /.
Bezeichnet A; eine willkürliche Constante, so wird demnach auch
^=^^[a,,-^l,f^'f-)dxrdx.
eine Differentialcovariante von f sein. Die Coefficienten der verschiedenen
Potenzen von h in dem Quotienten aus der Discriminante von ^ und der-
jenigen von /' werden also lauter Differentialparameter mit der will-
kürlichen Function IJ sein. Insbesondere hat der ersbe Differential-
*) Vgl. insbesondere Ricci, a. a. 0.
§23. DiflFerentialparameter Ajf7 und V(r, F). 41
Parameter, der Coefficieut vou k selbst, deu wir mit A^ U bezeichnen,
offenbar den Wert
^ ^mJ '^' OX, CX, '
rs r s
er heisst nach Beltrami erster Differentialparameter der Func-
tion U.
Es sei nun V eine zweite willkürliche Function; in dem Product
der beiden Differentiale:
dUdV = /, ^ |— dxrdxs
^mi ex. ex.
haben wir wieder eine Differentialcovariante von /", und wenn wir die
frühere Form (p durch
rs \ r 3/
ersetzen und die obige Üeberlegung wiederholen, so sehen wir, dass
der Ausdruck
cU cV
y cucv
ein Differentialparameter mit zwei willkürlichen Functionen TJ und Y
ist. Derselbe wird mit Beltrami durch das Symbol
V(l^F)
bezeichnet und heisst gemischter Differentialparameter von JJ
und y. Es ist klar, dass, wenn im gemischten Differeutialparameter
^F
' X.
(16) ^(^^^) = 2^-|?|:
V = U gesetzt wird, sich der erste Differentialparameter A^ U ergiebt.
§ 24. Aequivalenss zweier quadratischer Differentialfonnen.
Zwei Differentialformen:
f = ^ ür s dXrdXt , f = ^ ttrs dx/ dx/
rs rs
nennen wir äquivalent, wenn es möglich ist, die x^, x^ . . ■ Xn gleich
solchen Functionen der rr^', x.^ • • ■ x'n zu setzen, dass die erste
Form in die zweite übergeht. Wenn die beiden Formen /" und / ', d. h.
42 Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
die Urs als Functionen der x, die (Xrs als Functionen der x' gegeben
sind, so müssen unter der Voraussetzung der Aequivalenz von f und f
die X, als unbekannte Functionen der x' aufgefasst, gewissen partiellen
Differentialgleichungen genügen, deren Aufsuchung Gegenstand dieses
Paragraphen sein soll. Wir gehen zu diesem Zwecke von der Gleichung
(13), § 22, S. 39:
aus und differenzieren dieselbe nach einer beliebigen von den Varia-
bein x' , z. B. nach Xt'] dann haben wir*):
U\ ^^^^'V^*— -^— -4- Va- I— ?!^-^-4-^ ^'^/fc ]
ikl ik
Hierin vertauschen wir s mit t und gleichzeitig in der dreifachen
Summe auf der rechten Seite die Summationsindices h und ?; dann folgt:
/l.^ ^"'•'^ ^sri^^ii ^^i ^^k ^^i , ^sri f ^'^i ^'^k , ^^i ^'^k \
{ D ) - — 7 = > -F — • ö — ; ~ — / ö — 7 -+" ^ Ö^/A 1 ö — r?^ — r t^ — 7 ~T~ t^ y ts — r^^ — 7 ( •
^'V j^ c^k ^^r ^^s ^^t -^ Vcx^'cx^ cXf ' <7a;/ gas/cic/ J
i'i^ ik
In dieser Gleichvmg vertauschen wir r mit s und rechts in der drei-
fachen Summe und im zweiten Gliede der Doppelsumme die Indices i
und Ti. Die so entstehende Gleichung:
^Kt '^n^'^'^kl ^^i ^^k ^^l "^"^ f ^^^' ^^ü- ^^2- ^*^-
(c) o — y = >'-K — -ö — 7 >^— /- -^^-r + >'
^ ^ ex; ^jt dx. dx/ cx^ ox^ ' ^
ikl ik
'^^^^''kl ^"^i '^•^k ^"^l I "^7 I ^_'^i ^"^k I ^-^/l ^ '^i
" X f ^ijjj. ^ic/ ^a;/ üa;/ "* X i '^l^aj/^a;/ 2a;/ ■" cic/ cxjdx^
addieren wir zu (b) und subtrahieren von der Summe die Gleichung (a).
So erhalten wir:
2«^/ I ^« _ ^* _ 'V C~^ 4- ^ _ ^^'A ffi ifi Ifi I
2a;/ ' Ca;/ 2a;/ / / \2a;^ ' 2a;j. ca;^/ 2a;/ 2a;/ c x^
ikl
ik
Dividieren wir diese Gleichung durch 2 und verwandeln wir in der
Doppelsumme rechts den Summationsindex Ti in l, so haben wir:
*) Man beachte, dass die a'^^ explicite Functionen der x' sind, während
die a, insofern Functionen der x' sind, als diese in den x enthalten sind,
also ist:
^^ik _ -^^^ ifi
dx^ X , dxi dxl
§ 24. Aequivalenz quadratischer Differentialformen.
2 \cx; "•" ex/ ex;)
— ^ ca;/ -^ 2 Vaa^i "^ ca:, ca;, / ?< gar/ '^ ^ "" a<a<
Wir fahren mit Christoffel die Drei-Indices-Symbole:
43
(17)
l
2 va;^ ' cx^ dxi)
ein und versehen dieselben Symbole für die transformierte Form /"
mit Strichen; dann lässt sich die obige Gleichung auch so schreiben:
It \~ Z^f^ ^11 \ dx' dx' "^ jLJ "'■' dx;cx:
Wir miütiplicieren dieselbe mit
summieren nach fi und t von 1 bis «, indem wir berücksichtigen, dass
wegen (14), § 22, S. 39:
V A ' ^^^ ^^' _ j
.^mi f' cx„ cx!
^(1,1 Ayi = 0 für i =={= V, dagegen = 1 für t = v ist, und erhalten:
und
2"
?(?-^''
rs
cx^ ^ yy
^^4./
C.C /ex.
Wir führen nun die neuen Christofferschen Drei-Indices-Symbole:
(18) {?}=2'^4"]
ein, wobei wir die analogen füi- die transformierte Form gebildeten
Symbole mit Strichen versehen. Dann erhalten wir die Fundamental-
gleichungen, welche wir aufstellen wollten:
(I)
cx^ ex,
Dieselben di-ücken alle zweiten Differentialquotienten der unbekannten
Functionen durch die ersten Differentialquotienten aus.
44
Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
§ 25. Eigenscliaften der Christoffel'schen Drei-Indices-Symbole.
Die Christoffersclien Drei-Indices-Symbole werden in der Folge
stets angewandt werden, und wir müssen daher auf ihre Eigenschaften
etwas näher eingehen.
Die durch die Gleichung (17) definierten Symbole der ersten Art
besitzen offenbar die Eigenschaft:
Ici
l
woraus nach (18) folgt, dass auch in einem Symbol zweiter Art
iik\
nicht ändert.
die Vertauschung der beiden oberen Indices den Wert desselben
l
durch die
Wir bemerken ferner, dass, wie sich die Symbole
Differentialquotienten der Coefficienten der Grundform ausdrücken, so
auch umgekehrt jeder dieser Differentialquotienten als Aggregat von
zwei solchen Symbolen dargestellt werden kann. In der That ist:
(19)
dx,
il
Je
+
i
Es ist weiter zu bemerken: wie sich die Symbole der zweiten Art
durch diejenigen der ersten mittels (18) ausdrücken, so auch umge-
kehrt letztere durch erstere vermöge der Formel:
(18*)
Schliesslich leiten wir die Gleichung ab, die den logarith-
mischen Differentialquotienten der Discriminante a nach einem be-
liebigen X als Aggregat von Drei -Indices- Symbolen der zweiten Art
darstellt.
Nach der Regel für die Differentiation einer Determinante haben wir:
1 da
a dx,
^Ä,
dx,
oder wegen (19);
1 da \.i . V il~\ , ''^ .
7c l
Die beiden Summen rechts sind einander gleich, also ist
1 da -^7 .
2 « d'x^ = J^j "^"
ik
ll
k
§ 26. Covariante 2. DifFerentialquotienten und 2. Diiferentialparameter A, V. 45
Führen wir vermöge (18) die Symbole zweiter Art ein, so erhalten
wir demnach als die gesuchte Gleichung:
Aus dieser leiten wir eine neue ab, die wir bald werden benutzen
müssen. Hierzu schreiben wir sie wie vorhin, addieren beidei-seits
2^"
ik
wobei wir beachten, dass
ist, und erhalten:
c logyä
c
Da nun
' ik '- ik '
X, ^ik ttki = Const.
ist, so folgt, wenn nach Xi differenziert und nach i summiert wird:
ik ' ik '
sodass sich als gesuchte Gleichung ergiebt:
§ 26. Die CO Varianten zweiten Differentialquotienten und der
zweite Differentialparanieter A^ U.
Unter Zuhilfenahme der Fundamentalgleichungen (I), § 24, S. 43,
können wir nun eine quadintische Differentialeovariante der gegebenen
Form /' büden, deren Coefficienten aus denjenigen von f\ ihren Diffe-
rentialquotienten und aus den ersten und zweiten Differentialquotienten
einer willkürlichen Function U{x^, x^, ... ic„) gebildet sind.
In der That, bezeichnen wir mit U' den Ausdruck, der aus U
entsteht, wenn darin für die x ihre Werte als Functionen der x' ge-
setzt werden, so haben wir offenbar:
cx^ j^ cx^ ex/ '
also :
c^'U' _ %^ c^U ^ ^ _, ^ UL _^^_
cx/ix/ .^mJ cxjcx^^ ex/ cxj ' .^' c.r^ ex/ ex/
46 Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
demnach wegen (I):
W^ _^ \rsYdW_^ _d^U__ ^ ^/" _ 'Vj *^ 1 :?fi ^ ^JL
!dx^ ^J \ fi J dx' .^ dx dx dx' dx' ^^ \ v \ dx/\dx' dx '
dx.
^ ' ' ' i" v/u V fi - r - s ^.f^
Werden in der dreifachen Summe auf der rechten Seite die Summa-
tionsindices i, Ic, v bezüglich in v, ^, i verwandelt, so lässt sich die
letzte Gleichung auch folsrendermassen schreiben:
d^u'
^ {rs\' du __^ { dUT -^ U^\ dJJ] ^ ^
■^^ 1 /^ J ox' ^J I dxjjx,, ,^J \ % \ ex. ( ex' dx'
dx'dx'
Führen wir nun die Bezeichnung:
(22) ^, = ^-2"^"''^
ein und bedienen wir uns derselben Bezeichnung mit Accenten für die
transformierte Form, so erhalten wir:
(23) W.=2'K,.2^g-^-
V/U /■ *
Diese Gleichung zeigt, dass die in (22) mit dem Symbol Urfi bezeich-
neten Combinationen der ersten und zweiten Differentialquotienten der
willkürlichen Function U eben die Coefficienten einer quadratischen
C Ovariante der Grundform f sind, denn aus (23) folgt offenbar:
n
LJ/^^ (XJUf tijü-f y^ . (J y u CttA/y (X JC u
rs vf.L
Die Urs heissen deshalb die covarianten zweiten Differential-
quotienten der Function U bezüglich der quadratischen Grundform f.
Verfahren wir nun mit der covarianten Form :
(die als das zweite co Variante Differential von JJ bezeichnet werden
kann) ebenso, wie in § 23 mit dem Quadrat des ersten Differentials
von TJ, so können wir schliessen, dass die Coefficienten der verschie-
denen Potenzen von li in dem Quotienten aus der Discriminante der Form:
rs
und derjenigen der Grundform lauter D i f f e rentialparameter (zweiter
Ordnung) von U sind. Insbesondere ist der Coefficient von /r, den
wir immer mit A^U bezeichnen und den zweiten Differentialpara-
meter von U nennen wollen, gegeben durch:
§ 26. Covariante 2. Difterentialquotienten und 2. Düferentialparameter Aj U. 47
(24) A,r = 2'^„r„ = 2'^.[^_2'{7}-|fl-
Vermöge der Gleichung (21) des vorigen Paragraphen können wir
A^U in eine andere Form brii%en, die später in den Anwendungen
am häufigsten gewählt werden wird. Setzen wir in (24) für die Sym-
bole der zweiten Art ihre Werte in denjenigen der ersten ein, so
haben wir:
rs '^ * rsil i- -■ »
aber nach (21) ist:
also:
r$i ' >" l
_J_ y ^-^r* Ö U
~* j^ dx^ CX,^
was wir in der definitiven Form:
schreiben können.
Bemerkung. Für die Theorie der binären Formen (die aus-
schliesslich in den Anwendungen auf die Theorie der Obei-flächen auf-
treten) sind die eingeführten Differeutialpai-ameter
A,?7, V(?7,F), \V
die grundlegenden. In der That lässt sich jeder andere Differentialpai-a-
meter durch wiederholte Anwendung obiger drei Operationssymbole
bilden*).
Es ist jedoch vorteilhaft, expHcite noch einen anderen Differential-
parameter zweiter Ordnung zu beti-achten, der in der Theorie der Ab-
wickelbarkeit sehr wichtig ist. AVir definieren ihn als Quotienten der
beiden Discriminanten der Fonnen:
*) Vgl. Darboux, Bd. 3, S. 260.
48
Kap. 2. Quadratische Dift'erentialformen.
Uli ^^x + 2 TJi^ dxi dx.^ + t^22 d^i^,
t'i j tlOü^ ^ ^12 ^**^1 w«Z'2 'H ^Oo €v tX/a •
Wenn wir ihn mit Agg ?7 bezeichnen, so haben wir:
(20) A,2 U = ^" "*^ ~ ^'\- ■
Er drückt sich übrigens durch die Fundamentalparameter vermöge der
Gleichung:
f9a*\ A TT ^\U-^(U^\U)-\(^iU)
K'^^ ) ^22 t^ — 4 Ai ZJ
aus.
§ 27. Vier -Indices- Symbole.
Die Covarianten der Grundform f, welche wir bisher gebildet
haben, enthielten in ihren Coefiicienten willkürliche Functionen. Wir
wollen nun eine Covariante vierten Grades in den Differentialen bilden,
deren Coefficienten aus denjenigen der Grundform und deren (ersten
und zweiten) Differentialquotienten gebildet sind. Auf diese Weise
sind wir imstande, uns Differential invarianten herzustellen.
Dieses lässt sich dadurch erreichen, dass wir mittels geeigneter
Operationen aus den Fundamentalgleichungen (I), § 24, S. 43, die
zweiten Diöerentialquotienten eliminieren.
Zu diesem Zwecke gehen wir aus von den beiden Gleichungen (I):
y
ex,,
+ yr
dx'dx' ' -^J \ V
OX^, OX-
C X^ C X ^
dx^ dXf^
dx^ cx^
^ 1 t j Wx";
yr \ayy CX^
^ \ t \ dx!
V rh ^ ' "■ y t
Differenzieren wir die erste nach Xy^ die zweite nach x'^ und sub-
trahieren wir, so heben sich gewisse Glieder fort, und wir finden so:
ri \
2
rUi
\rh
OX^ ex. CX/^
cx^ dXß dx'
ih ^
dx,.
cx^dxa c x^
aß
cx^ox^ cx^
2
t
0 x'
a y
y
C Oß -j
cx^,
h Xl
+
+2"
<^ x„
aß
i j dx^dx'
2
a y
Setzen wir hierin statt der zweiten Differentialquotienten der x die
durch die Fundamentalgleichungen (I) bestimmten Werte ein, so heben
sich die Glieder, welche die Producte zweier erster Differentialquotienten
§27. Vier- Indices- Symbole.
49
enthalten, auf, und wenn wir in einigen der Summen die Indieesbezeich-
nung passend ändern (so dass dieselben Differentialquotienten in den
yerschiedenen Gliedern sowohl der linken als auch der rechten Seite
zum Vorschein kommen), so ergiebt sich die Gleichung:
{1] M?} , v/(;.|'{..>|_{«,|{».}-)
ex, ex- ex.
=2"
I
ex„eXj ox„
cx^
dx-
CX^ CXj. CXf cx^
Die Coefficienten von -:=— r und des Products ^^-t^^^t^^ in den
cx^ cx^cx^cx
beiderseitigen Summen sind nach demselben Gesetz gebildet, der eine
bezüglich der Coefficienten der transformierten Form f, der andre be-
züglich derjenigen der Grundform, und hängen bezügKch Ton vier
Indices ab. Unter Einfuhrung der neuen Bezeichnung:
(27) [rv,ih]=^
{V} M
rM
ex.
mm-['m)
lasst sich die letzte Gleichnng auch so schreiben
(2.S)
cx^
ex'
"STT cx_ ex. cxj, -^-^
Zusammen mit den Yier-Indices-Symbolen der zweiten Art
(27) führen wir auch noch solche der ersten Art ein, indem wir setzen:
(29) (rÄ-, ih) =^a,k { rv, ih ] ;
r
hieraus folgt dann durch Auflösimg nach den Symbolen der zweiten Art:
(29*) [rv, ih } =^ A,,{rk, ih).
k
Multiplicieren wir (28) mit a^ -r—r und summieren wir über alle
cx^
Werte von v und Z-, wobei wir beachten, dass nach Formel (13), S. 39,
V CXt cx^
^ CXj CX^
ist, so ergiebt sich die Gleichung:
rihk
Bianchi, Difterentialgeometrie.
50
also;
V
Kap. 2. Quadratische Difterentialformen
. V
(rli, ih) dXrd^^^Xkd^^'^Xid^^'^Xk,
(30*) 2j (<^ö\ßryäXadWx^^d^^^Xyd^''^Xä
a^yd r k ih
WO d, d^^\ d^'^\ d^^^ die Symbole von vier verschiedenen Differential-
systemen sind.
In der quadrilinearen Form :
(31)
9D
2
(rk, ih) dXrd^^'^Xjc d'^'^'^Xid^^^x,,
haben wir also, wie verlangt wurde, eine Differentialco Variante von f, die
aus den Coefficienten von /" und deren Differentialquotienten gebildet ist.
§ 28. Krümmungsmass einer binären Differentialform.
Wenden wir die Gleichung (30) auf den Fall einer binären
Form an, so können wir leicht die Existenz der sehr wichtigen Dif-
ferentialinvariante nachweisen, die als das Krümmungsmass der
binären Form bezeichnet wird.
Zu dem Zwecke entwickeln wir einige Eigenschaften der Vier-
Indices-Symbole erster Art (rli, ih), die wir vor allen Dingen durch
die Drei-Indices-Symbole erster Art ausdrücken wollen. Wegen der
Gleichungen (27) und (29) haben wir:
V
(rli, ih) =^ arh
I:}
rh\
ex.
-2'-4^+
+2'(|7}2'-'"*
1)2^
«,*
li
\v\)-
Nun ist nach (18*), S. 44:
2^
(hk
rh
rh
1:
also:
(rk, ih)
rh
rh\
^^ +?(iv
Setzen wir für 7—^, r^ ihre bezüglichen Werte (vgl. (19) auf S. 44):
^%k ^%k
vh
+
_v _
7
vi
+
ik
_v _
§ 28. Krümmungsmass einer binaren Differentialfonn. 51
ein, so folgt hieraus:
(-.-)=-E^-ig]+^([-]{-}-[Y]{7l)
oder nach (18), S. 43:
(32) (.M-*)=-B-t|+^.4;:]pf]-t][Y])-
" • Im
Entwiekehi wir die beiden ersten Glieder, die nur die zweiten
Differentialquotienten enthalten, so erhalten wir:
1 / ^*"rA ^*".-i ^'"ri ^'^hk \
(32*) (rJc, ih) = -^ {-.—.- + g^g- - ^^:^ - e^e^J +
ii/i
Aus dieser Gleichung ergeben sich sofort folgende bemerkenswerte
Eigenschaften des Symbols erster Art:
(a) {kr, i/i) = — (rk, ih),
(b) (rk,hi) = — {rk,ih),
woraus folgt, dass, wenn die beiden ersten oder zweiten Indices ein-
ander gleich sind, der Wert des Symbols identisch gleich Null ist*).
Im Falle der binären Differentialformen {n = 2) sind nur vier
der Symbole (t'k, ih) von Null verschieden, nämlich
(12, 12), (12,21), (21, 12), (21,21),
aber wegen (a) imd (b) ist das vierte gleich dem ersten, da.s zweite
und dritte gleich dem ei-sten mit entgegengesetztem Voi-zeichen.
Die Gleichung (30) des vorigen Paragraphen wii-d dann:
(1 2, 1 2)'= (1 2, 1 2) i^A Ä — ^\ S^^y
und da auch, wenn wir, wie üblich, mit a und d die Discriminanten der
.Grundform /" und der trausformiei-ten Form f bezeichnen, nach (5), S. 37,
(ex. c.r, cxy fx,\2
\cx^ ex» ex^ eXi /
ist, so folgt daraus:
(12,12)' (12,12)
*) Das Symbol (rt, ih) besitzt auch die durch die folgenden Gleichungen
charakterisierten Eigenschaften:
{ih, ri) = (rfc, ih),
(rfc, .Ä) + (ri, hk) + {rh, ki) = 0,
die wir im Falle « = 2 nicht zu berücksichtigen brauchen.
4*
52 Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
Der Ausdruck:
(33) K =
(12,12)
ist also eine Differentialinvariante der binären Form f.
Sie wird das Krümmungsmass oder die Krümmung der Form
f genannt.
§ 29. Verscliiedene Ausdrücke für die Krümmung.
Es liegt uns nun ob, für die Krümmung K die versebiedenen
Ausdrücke zu entwickeln, auf die wir in den Anwendungen auf die
Tbeorie der Oberfläcben werden zurückgreifen müssen.
Aus (29*) folgen wegen der vorbin gefundenen Eigenscbaften des
Symbols (rk^ih) im Falle n = 2 die Gleichungen:
Ka,, = { 1 2, 1 2
^«12
11,21
I ?
Ka,,= (22,12), Ka,,= {21,21},
die entwickelt lauten:
(H)
o
ex»
v)-ai{';}+{v}{\^}+{v}{?}-{?}{v}-
121/111 (12V
_ a |l2l c fllj {121(121 fllU22l
-g^li j-^^lil+li Ii2 j-i2 jii y
_ ^ Jl^l _L l^^l , fl2Ul2l |22nill
ex» I 2
cx.
22I
dx»
I2I (22U12I (22U11I fl2U2 2l |l2l
1 1+ 2 1 1+ 1 (1 1 |- 2 I 1 |- 1 I
Nun schreiben wir die erste der Gleichungen (II) folgendermassen:
7^ an
a_|i2
dx^ 1 2
2l
lll (12
1 1+ 2
+
(llin22) (1211 /fllUl2l (I2l(lll\
+ l2 jLisl + iijJ+HiiJUj-ii ji2j;'
berücksichtigen, dass wegen (20), § 25 (S. 45)
1 c^a
V) + {V}
ist, und setzen ein, so ergiebt sich:
2 2 1 , ( 1 2 1 _ J. ojfa^
y 1 i "j/a cx^
K =
yi
c {Ya / 1 1 1 \ c {Ya / 1 2 1
-dx^
J / dx, Vau 1 2 J /.
+
lll ^^11 f 1 2I a«!!
^ajo
2 ex.
+
/(iilfisl (12U11I
§ 29. Verschiedene Ausdrücke für die Krümmung. 53
Wetzen der Gleichungen (vgl. (19' u. (18* , S. 44):
ist aber
also bleibt übrig:
OH) -=r»t(f:{v})-Ä-(f:{'^))]- .
In dieser Gleichung ist natürlich vorausgesetzt, dass a^ nicht gleich
Null ist, und wir können offenbar (wenn a^ nicht gleich Null ist) die
hierzu symmetrische Gleichung:
ansetzen. Merken wir ims endlich noch, dass im Falle
«11 = «22 = ^y
il2\ fl-2\ fll\_f2M_o
f 11 1 ^ J_ £«1, I 2 -2 1 ^ J. ca^
ist, die mittleren Gleichimgen (11)
_, 1 f-log«,,
v^'.' Ojj cxi ca^
geben. Eine wichtige Anwendung dieser Gleichimg ist die folgende.
Es sei
eine indefinite binäre Form {a^^a^_^ — a^^- < 0) von der Krümmung
Null: durch eine reelle Transformation der Veränderlichen kann dieselbe
auf die Form
2(i^<^dx^dx^
gebracht werden, wozu nach Zerlegung von f in seine (reellen) Linear-
factoren :
/•= {adx^ + ßdx^)(:/dx, + ödx^)
nur
x;=Jk{ttdx^ + ßdx^), x^'=fn(jdx, + ddx^),
1
«12 = Hl~
in dem
54 Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
gesetzt zu werden braucht, wenn A bezw. /» ein Multiplicator (integrie-
render Factor) von adx^ -f- ßdx^ bezw. ydx^ -\- ödx.^ ist. Wenn aber,
wie wir annahmen, K=0 ist, so folgt aus (IV):
WO X^ eine Function von x^ allein und Xg eine von x^ allein ist.
Setzen wir nun:
y 2yx ^^1 = 2/1 , y 2/x, ^^/= ^„
so ergiebt sich:
a-^^dx-^ + 2 «12^^! ^^2 + «22 ^^2^ =^ ^2/1^2/2-
Um ?/^ und ?/2 wirklich zu finden, brauchen wir nur zu beachten,
dass es in diesem Falle einen Multiplicator von ccdx^ -\- ßdx^ — wir
bezeichnen ihn mit e" — giebt, dessen reciproker Wert e~^ Multipli-
cator von ydXi-{-ddx2 ist, und dass demnach die Gleichungen be-
stehen :
g(e-^V) ^ c{e-''8)
durch welche die partiellen Differentialquotienten ~j „ - bestimmt
^ <7a?i cx^
werden, da a.8 — /3y=|=0 ist. Also ergeben sich mittels einer Qua-
dratur V und mittels zweier weiterer y^ und f/g. Wir haben demnach
das Ergebnis: Eine indefinite binäre Form von der Krümmung
Null kann lediglich durch Ausführung von Quadraturen in
ein Product zweier Differentiale transformiert werden*).
§ 30. Cubische Covariante (/', g)) zweier simultaner quadratischer
Diflferentialformen /' und 9?.
Wir kehren nun wieder zur Betrachtung des allgemeinen Falles
von n Veränderlichen zurück und untersuchen zwei simultane quadra-
tische Formen:
/ ^ Clr üdXrdX^j
r s
(p =^ hrsdXrdXs
*) Für eine dcfinite Form von der Krümmung Null ist das Resultat ganz
ähnlich; nur sind in diesem Falle 2/1, 2/2 konjugiert imaginär. Wird dann
2/1 =« + *ß, Z/ä = « — i§
gesetzt, so geht die Form mittels Quadraturen in den Ausdruck äa^ -f d^^ über.
(Vgl. 6. Kap., § 87.)
§ 30. Cubische Covariante zweier quadratischer Ditferentialfonnen. 55
auf die Bildung einer simultanen cubi sehen Differentialeovariante hin,
die für die Flächentheorie sehr wichtig ist. Setzen wir hierzu voraus,
dass sich /' und cp beim Uebergange von den Veränderlichen x zu
den x' in
f^'S^a'rsdx'rdx,, (p'=^KsdXrdXs
rs rs
verwandeln, differenzieren wir alsdann die Gleichung (vgl. (13) auf S. 39):
Ks =^, iik c^ a:;:'
C ^i C Xj^
dx'dx.
nach Xt und setzen wir für die zweiten Differentialquotienten die durch
die Gleichungen (I) (§ 24, S. 43) bestimmten Werte, so erhalten wir:
(34)
ex'
ikX
;T*;.-2(;'}k«=
wo die Christoffel'schen Symbole für /' und die transformierte Form
f gebildet sind. Diese Gleichung zeigt, dass wir in der cubischen Form:
iki.
dXidXkdxx
bereits eine Simultancovariante von /" und qp erhalten haben. Für
unseren Zw^ck jedoch ist die zu bildende Form die folgende:
Von der Gleichung (34) subtrahieren wir diejenige, welche aus
ihr durch Vertauschung von s mit t hervorgeht. Dann ergiebt sich:
c x\ ex.
s-;?+^{';:}'*':.-2'{;T^"=
ikl
'c b; ,. ch
ex,
'^+2{':W'-2{':v
dx- CX^ CX2^
'*'" ' ex' ex' ex'
Setzen wir demnach:
(35) 6,.,=^'-^+2 ,i*"--2ur-'
so ist die in den drei verschiedenen Systemen von Differentialen dXr,
d^^^Xs, d^^^Xt trilineare Foim:
^hrstdXrd<^'>Xsd^^^Xt
eine Simultancovariante von f und (p. Dieselbe möge mit
56 Kd]). 2. Quadratische Ditterentialforraen.
r s t
bezeichnet werden, wo &;,,< die durch Gleichung (35) angegebene Be-
deutung hat. Diese Invariante heisse die für die Form qo in bezug
auf /■ gebildete trilineare Form.
Wir sehen, dass, wenn 9? = /' gesetzt wird, die trilineare Form
(/', qi) identisch verschwindet. Im allgemeinen drückt nun wegen
der Invarianteneigenschaft von (/', (p) das identische Ver-
schwinden derselben eine Beziehung zwischen den beiden
Grundformen /* und q) aus, die bei einer Transformation der
Veränderlichen ungeändert bleibt.
Die Ausdrücke mit drei Indices hrst besitzen die durch die folgen-
den Gleichungen charakterisierten Eigenschaften:
hst + hts = 0,
Orst -j~ ^str -\- Otrs = 0.
Aus der ersten derselben folgt, dass diejenigen hrst gleich Null
sind, deren beide letzten Indices einander gleich sind.
Im Falle n = 2 haben wir nur vier hrst, die nicht identisch ver-
schwinden, und zwar
^112? ^1217 ^212? ^2217
von denen jedoch die beiden ersten, sowie die beiden letzten einander
entgegengesetzt gleich sind. Hier wird das identische Verschwin-
den der trilinearen Form (/j (p) durch die beiden Gleichungen:
^12 = 0, &221 = 0
oder, wenn nach (35) entwickelt wird, durch das folgende Glei-
chungssystem ausgedrückt:
(V)
dxj^
Cjhi
cb^
ex.
ex»
§ 31. Gleichzeitige Beduction zweier binärer quadratischer
Differentialformen auf Orthogonalformen.
Wir betrachten zwei simultane binäre quadratische Formen:
cp = \^ dx-^ -\- 21^2 dxi dx^ + &22 dx/,
und setzen wenigstens von der ersten voraus, dass ihre Discriminante
a = %i«22 — ^12^ ^^^ ISImU verschieden sei.
In den Ausdrücken:
§ 31. Reduction zweier quadratischer Formen auf Orthogonalformen. 57
haben wir zwei algebraische Simiütaninvarianten von /' und g?*).
Bilden wir die Jacobi'sche Functionaldeterminante:
\^dx^ + &i2^^2 &i2^^i + ^22 ^^2 r
so haben wir eine Form, die bei einer beliebigen Transfonnation der
Veränderlichen mit der Substitiitionsdeterminante 3/ als Factor repro-
duciert wird, also gerade so, wie es bei der Quadi-atwui-zel aus a der FaU
ist (vgl. S. 39). Daraus folgt, dass die quadratische Form:
Q ^ 1 I «ll^^l + <hsdx^ 012^^1 + «22^^ I
y«ii«i2— «1«" : &ii^^i + \^dx^ hi^dxi 4- h^dr^
eine (irrationale) Simultancovariante von f und cp ist. Für diese dritt«
Diflferentialcovariante :
0 = c^idxi^ 4" Ci^dxid:q -\- c^dx^^
lässt sich unter der Voraussetzung, dass a^^ nicht gleich XuU ist, die
Discriminante 4qjC22 — c\^' identisch auf die folgende Fonn bringen:
4CiiC^ — Cj= — — I «11^22 — «22^11 — ^ («11*12 — «12^l)j +
+ ^.(«11^2— «12^l)'j •
Wir setzen nun voraus, dass die Form f definit, d. h.
«11^22 — «12" >^
sei, dann folgt, dass ^c^iC^ — ^12" negativ ist. Auch kann dieser Aus-
druck nicht gleich Null sein, wofern nicht die Proportion h^^ : h^^ : h^^
= ffjj : aj2 : «22 besteht, d. h. wofem sich nicht 9} nur durch einen
Factor von /' unterscheidet.
Die quadratische Differentialgleichung:
0 ==0
zerfällt denmach, wenn wir diesen Fall ausschliessen, in zwei verschie-
dene reelle lineare Gleichimgen:
(a) adxi -\- ßdx^ = 0,
(b) ydXi -\- ddx^ = 0.
Bezeichnen wir mit
Xi= Const., X2= Const.
*) H und K sind die Coefficienten der ersten und zweiten Potenz der Con-
stanten k in dem Quotienten
A ; «11 + ^i-ii «12 + ^"^s
58 Kap. 2. Quadratische Differentialformen.
die bezüglichen Integrale der Gleichungen (a) und (b) und führen wir
dieselben als neue Veränderliche x-[, x^ ein, so ergiebt sich in den
transformierten Formen :
gleichzeitig
0^12'= 0; ^12'= 0-
In der That muss sich die Co Variante:
y**' 1 &11' dx-^ -|- ?)i2' ^^2' ^12' (^^1 + ^22' '^^2'
der Voraussetzung zufolge, abgesehen von einem Factor, auf das Pro-
duct dx^dx{ reducieren, und es ist demnach:
^11 ^12 ■ ^12 ^n ^^ ^7
y^) I '7, ' '7, ' n
l ^^12 ^^22 %2 ^12 ^
Multiplicieren wir die erste dieser Gleichungen mit h^^^ die zweite mit
&j/ und addieren wir, so kommt:
^2'(%l'^22'— «22' ^ll') = 0-
Da die Folgerung %i'&22' — ^22' ^11'= ^ auszuschliessen ist, weil sonst
aus den beiden letzten Gleichungen die Proportion:
^11 * ^12 • '^22 """^ %1 • %2 * ^22
folgen würde, so haben wir mit Notwendigkeit l>i2 = 0; wonach aus
(c) auch «12'"= ö folgt.
Umgekehrt sehen wir wegen der Invarianteneigenschaften von 0
sofort, dass, wenn bei einer Transformation der Veränderlichen x^, x^ in
neue Veränderliche x^, x^ in den transformierten Formen /", 95' gleich-
zeitig «12'= Ö7 ^12= ^ i^^7 ^^^ Integrale von (a) und (b) gerade
Xy== Const., x,^= Const. sind. Wir haben demnach den Satz: Sind
zwei binäre quadratische Differentialformen gegeben, von
denen wenigstens die eine definit ist, so können in ihnen
durch eine reelle Transformation der Veränderlichen die
Mittelglieder gleichzeitig eliminiert werden. Die neu ein-
zuführenden Veränderlichen sind diejenigen, welche gleich
Constanten gesetzt die Integrale der Gleichung 0=0 liefern.
Es ist klar, dass in dem Ausnahmefall, in welchem die beiden
Formen einander proportional sind, diese Elimination auf unendlich
viele Weisen möglich ist.
Kapitel III.
Krunimliiiige Coordiuaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
Krammlinige Coordinaten auf einer Fläche. — Linienelement. — Winkel einer
Cmre anf der Fläche mit den Parameterlrnien. — ChristoffeFsche Symbole,
Diiferentialparameter und Krünimungsmass. — Isothermensysteme. — Isometrische
Parameter. — Satz von Lie. — Conforme Abbildung einer Fläche auf die Ebene
oder einer Fläche auf eine andere. — Isothermensysteme auf den Rotationsflächen.
— Stereographische Polarprojection der Kugel. — Doppelte orthogonale Kreis-
systeme auf der Kugel und in der Ebene. — Darstellung der Bewegungen der
complexen Kugel in sich mittels linearer Substitutionen (Cayley).
§ 32. Krummlinige Coordinaten auf einer Fläche.
Eine Curve, die sich unter gleickzeitiger Deformation stetig im
Raiijne bewegt, erzeugt eine Fläche. Zur analytischen Bestimmung
einer Fläche können wir durch ein ähnliches Verfahi-en gelangen, wie
wir es in § 1 für die Curven eingeschlagen haben. Hierzu setzen wir
voraus, dass die Coordinaten eines beweglichen Curvenpunktes:
x = x{u)j y = y(u), 2 = z(ii)
ausser von der Veränderlichen u, deren einzelne Werte die einzelnen Punkte
der Curve festlegen, von einem Parameter v abhängen, d. h. (^in
einem gewissen Bereiche endliche und stetige) Functionen der Ver-
änderlichen tt, V sind, so dass
(1) x = x(u,v), y = y{u,^)j z = 2(u,v)
gesetzt werden kann.
Jedem speciellen Werte i\ von v entspricht eine specielle Curve:
X = x(u, t\), y = y{u, i\), z = z(u, v^);
ändert sich v stetig, so bewegt sich diese Curve stetig im Räume imd
beschreibt so eine Fläche, die durch die Gleichungen (1) analytisch
60 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
definiert ist. Durch Elimination von u und v aus den drei Gleichungen
(1) ergiebt sich offenbar eine Relation:
f(x, y, z) = 0,
und dies ist die gewöhnliche Gleichung der Fläche.
Diese Fläche ist von dem System der eben betrachteten Curven
bedeckt, von denen jede einem speciellen Werte von v entspricht und
deshalb eine Curve v = Const. oder kurz eine Curve v heisst.
Nun ist klar, dass, was bezüglich der Gleichungen (1) von der
Veränderlichen v gesagt worden ist, auch für die Veränderliche u gilt.
Erteilen wir also u einen constanten Wert m^, so liegt die Curve:
ganz auf der Fläche, und wenn sich u stetig ändert, so bewegt sich
diese Curve und beschreibt die Fläche. Wir erhalten so ein zweites
System von Curven auf der Fläche, die wir als die Curven z« = Const.
oder die Curven u bezeichnen.
Ein Flächenpunkt P ist bestimmt, wenn in ihm die Werte u^, v^
der Veränderlichen u, v bekannt sind. Anders ausgedrückt: jeder Funkt
P ist als Schnittpunkt der beiden Curven:
bestimmt, von denen die eine dem System u, die andere dem System
V angehört. Die Parameterwerte u^, v^ heissen die krummlinigen
Coordinaten des Punktes, während die Curven m, v als Parameter-
linien bezeichnet werden.
Eine Gleichung zwischen den Coordinaten des beweglichen Punktes P:
(2) ^(u,v) = 0
beschränkt offenbar die Bewegung desselben auf eine auf der Fläche
gezogene Curve; wir sagen demnach, dass (2) die Gleichung dieser
Curve ist.
Die Zahl der krummlinigen Coordinatensysteme, die auf einer ge-
gebenen Fläche:
(3) f(x,y,z)^0
gewählt werden können, ist unendlich gross. Wir erhalten jedes der-
selben, wenn wir die Coordinaten eines beweglichen Punktes x, y, z
durch zwei unabhängige Veränderliche w, /3 so ausdrücken, dass wir durch
Elimination von « und /3 aus den drei diesbezüglichen Gleichungen:
X ^ x{a, ß), y == y{a, ß), z = z(a, ß)
wieder zur Flächengleichung (3) kommen. Sobald ferner ein krumm-
liniges Coordinatensystem (^t, v) auf der Fläche bereits fest bestimmt
§ 33. Linienelement der Fläche. 61
ist, erhalten wir in der allgemeinsten Weise ein neues, («, ß), wenn wir
Uj V gleich zwei von einander unabhängigen Functionen von a, ß:
u = ii(a, ß), V = v{a, ß)
setzen. Dabei ist zu bemerken, dass sich, wenn z. B. ii{c(,ß) nur eine der neuen
Yeränderlichen, etwa nur a enthielte, die Parameterlinien ii bei einer
solchen Transformation nicht ändern würden, da a mit ii constant wäre,
und umgekehrt; nur der Parameter, welcher die einzelnen Curven inner-
halb des Systems festlegt und der vorhin n war, würde in a übergehen.
Endlich bemerken wir, dass bezüglich der Functionen:
x(u, v), y(u, v), z(ti, v),
welche die Cartesischen Coordinaten der Flächenpunkte geben, im Fol-
genden stets vorausgesetzt wird, dass sie in dem ganzen Aende-
rungsbereich für u, v endlich und stetig seien und auch end-
liche und stetige erste, zweite und dritte partielle Differen-
tialquotienten nach u und i; besitzen, ausgenommen höchstens
in singulären Punkten oder längs isolierten singulären Curven.
Die ki-ummliniffen Coordinaten, die wir auf diese Weise ein-
gefühi-t haben, heisseu auch Gaussische Coordinaten. Dieselben
sind für das Studium der Eigenschaften der Flächen sehr voi-teilhaft,
da sie ihi-er Natur nach mit der Fläche an sich, ohne Rücksicht auf
die Lage der Fläche im Räume, innig verknüpft sind.
§ 33. Linienelement der Fläche.
Denken wir uns auf der Fläche eine beliebige Curve:
(a) (p{u, v) = 0
gezogen und bezeichnen wir ihr Bogenelement mit ds, so haben wir:
ds^ = dx^ -f dy- -f dz^,
worin für x, y, z die Werte (1) einzusetzen und in diesen u und v
durch die Gleichung (a) zu verbinden sind. Alsdann haben wir:
dx^=^ du -\-^J^ dv, dy = ^- du -j- . dv, dz = ."' die 4- >- dv.
cu ' cv ' ^ ca ^ cv cu ' cv
Setzen wir nun mit Gauss:
\cu/ ' \c%i/ ' \cul
(4)
so erhalten wir:
T-, cx cx . cy cy , cz cz
cu cv ' cu cv ' cu cv
62 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
(5) ds^ = Edu' -\-2Fdudv-]- Gdv%
wo wegen der Gleichung (a) zwischen u und v die Differentiale du
und dv durch die Relation:
^ du-\- X— dv == 0
du ' dv
verbunden sind.
Da der durch die Gleichung (5) gegebene Ausdruck für ds für
jede beliebige auf der Fläche liegende Curve gilt, so wird er als
das Linienelement der Fläche bezeichnet.
Die quadratische Differentialform:
Edu^ + 2Fdu dv + Gdv^,
die gleich dem Quadrat des Linienelements ist, heisst die erste
quadratische Fundamentalform. Ihre Discriminante:
EG
dy dz
2
dz dx
2
dx dy
F' =
du du
dy dz
+
du du
dz dx
+
du du
dx dy
dv dv
dv dv
dv dv
die wir abgekürzt in der Form;
EG — F^ =
dx^ dy dz
du du du
dx dy dz
dv dv dv
schreiben, ist positiv, d. h. die Form selbst ist definit.
Es leuchtet ein, dass ihre Coefficienten E, F, G, die durch die
Gleichungen (4) gegeben sind, endliche und stetige Functionen von
u, V sind und nach den getroffenen Voraussetzungen auch endliche und
stetige erste und zweite partielle Differentialquotienten besitzen. Ferner
sind E, G, sowie EG — F^ stets positiv, und unter
Ye, Yg, Yeg~-^^^^
werden wir im folgenden stets die positiven Werte der Wur-
zeln verstehen.
In jedem Punkte einer Parameterlinie u oder v unterscheiden wir
die positive Richtung der Curve von der entgegengesetzten negativen
und setzen als positive Richtung der Curven u diejenige fest, nach
welcher der andere Parameter v wächst, ebenso als positive Richtung
der Curven v diejenige, nach welcher der Pai*ameter u zunimmt. Da-
raus folgt, dass, wenn dSu, ds^ die positiven Bogenelemente der Curven
Uj V bedeuten, nach (5)
dSu = ]/(^(7r, ds^ = Y^<^'^
ist.
§ 33. Linienelement der Fläche. 63
Bezeichnen
cos (u, x), cos (Uj y), cos (w, z)
cos (v , ar) , cos (t; , y) , cos (v , z)
die Cosinus der (positiven) Richtungen der Tangenten der Parameter-
linien Uj V, so haben wir demnach:
(b){
Für den zwischen 0 und % gelegenen Winkel to, der in einem Punkte
der Fläche von den positiven Richtungen der durch den Punkt gehen-
den Parameterlinien m, v gebildet wird, haben wir:
cos a = cos(i<, x) cos(y, x) + cos {it, y) co%{v, y) + cos (m, z) cos(i;, z)
oder zufolge der obigen Gleichungen und (4):
(6) cosa, = -|=;
daraus folgt weiter:
(6*) sm» = i^-j^=-,
WO die Wurzelwerte wie gewöhnlich positiv zu nehmen sind. Aus (6)
folgt: Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür,
dass die Parameterlinien auf einander senkrecht stehen, ist,
dass in dem Ausdruck (5) für das Quadrat des Linienelements
F=0 ist.
Bemerkung. — Wir betrachten das von den vier Parameterlinien
n^ u _|_ ^u^ i:^ i- _j_ (]i- auf der Fläche gebildete unendlich kleine Vier-
eck; dasselbe kann bis auf unendlich kleine Grössen höherer Ordnung
als Paralleloon-amm antjesehen werden. Da
yjE du, yO dv
die Längen seiner Seiten sind, während der von den beiden ei*sten Seiten
u, V eingeschlossene Winkel w durch (6*) gegeben ist, so ist sein
Flächeninhalt gleich
yEG—F^dudv,
woraus der Satz folgt: Das Flächenelement da der Oberfläche
ist durch den Ausdruck:
dö = yEG—F- du dv
gegeben.
"64 Kap. 8. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
§ 34. Winkel einer riäcliencurve mit den Parameterlinien.
Wir betrachten eine beliebige auf der Fläche gezogene Curve C,
für welche die positive Richtung des Bogens s beliebig festgesetzt
sein möge. Behufs der unzweideutigen Bestimmung der Winkel, welche
die Curve C in jedem Punkte mit den Parameterlinien u, v bildet,
denken wir uns in jedem Flächenpunkte P die Tangentialebene gelegt
und definieren als die positive Seite dieser Ebene diejenige, auf welcher
die Drehung der positiven Tangente der Curve v in die Lage der Tan-
gente der Curve u um den oben angegebenen Winkel co in positiver
Drehungsrichtung, die für uns diejenige von rechts nach links sein
möge, erfolgt*). Dieses vorausgeschickt, bezeichnen wir mit d- den
zwischen 0 und 27t gelegenen Winkel, um den sich die positive
Richtung der Tangente der Curve v in positivem Sinne in der Tan-
gentialebene drehen muss, um mit der positiven Richtung der Tan-
gente der Curve C zusammenzufallen.
Wenn ein beweglicher Punkt M längs C fortrückt, so können
seine krummlinigen und seine Cartesischen Coordinaten ti, v, x, y, z
als Functionen von 8 aufgefasst werden, und wenn wir mit
cos(C, ic), cos(C, ^), cos(C, 0)
die Richtungscosinus der Tangente der Curve C bezeichnen, so haben
wir demnach:
/ \ /y-y N cx du 1 dx dv /v , _, , oy du , cv dv J-m
(c) cos (6, x) = -„—-, — \- 7^- -, - , ~ ;cos (C,y) =^ -^^~ -, 4- -/- -,- , _2
^^ V 7 / cuds ^ cvds'M" \ y^J cu ds ' dv ds x^
rp N cz du j^ cz'dv clz-
^ ' ^ du ds~^ cv ds^ -dLs
also :
cos %" = cos (0, X) cos (f , X) -f- cos (0, ^) -f- cos (v, ^) -f- cos (C, z) cos {v, £)
oder wegen der Gleichungen (b) des vorigen Paragraphen:
1 /t-, du , T-, dv'
Ye
Nun besteht zufolge der Gleichung (5) die Identität:
EV^ds^-^ds/^ E \ds) ^' ^
(7) cos^= -~(^^'*+ i^ ,
^ ^ -/TT. l f^s ' ds
*) Hierbei halten wir an der schon § 7 (S. 12) bezüglich der Orientierung der
Axen getroffenen Vereinbarung fest; wir setzen nämlich voraus, dass auf der posi-
tiven Seite der aji/- Ebene die positive Richtung von OY links von derjenigen
von OX liegt.
§ 34. Winkel einer Flächencurve mit den Parameterlinien. 65
woraus folgt:
sm 0- = + ^ -;=
— YE ds
Die Zweideutigkeit des Vorzeichens wird dadurch beseitigt, dass
sin -d- nach der von uns getroffenen Vereinbarung über das Messen von
O' positiv ist, wenn v mit s wächst, negativ im entgegengesetzten
Falle. Wir haben also:
(7 *) sm «• = ^ T^r — - — •
^ ^ YE ds
Hieraus und aus (6) und (6*) des vorigen Pai-agi-aphen ergiebt sich auch:
(8) sm(cj — ^) = -p=
^ ^ ^ ^ YG ds
Wie aus der Gleichung:
(9) tg» = yEG^T-^J_;^^^
hervorgeht, hängt der Neigungswinkel einer auf der Fläche gezogenen
Curve gegen die Parameterlinien nur von dem Verhältnis der Zu-
nahmen du, dv der krmmnlinigen Coordinaten längs der Curve selbst ab.
Stehen die Farameterlinien auf einander senkrecht {F = 0), so
gehen unsere Gleichimgen in die einfacheren über:
(10) cos*=ys^';, sin» = VG% tg»=y'|^.
Wir wollen nun annehmen, dass auf der Fläche S von einem
Punkte M der Curve C eine zweite, zu C orthogonale Curve C aus-
gehe, und Wolfen die Bedingimg für die Orthogonalität der beiden
Curven aufzustellen suchen.
Im Pimkte 31 sind die Richtungscosinus der Tangent« an C durch
die Gleichungen (c) gegeben. Wenn wir mit ds das Bogenelement von
C'j mit ÖHy dv die Zimahmen der krummlinigen Coordinaten längs C
bezeichnen, so haben wir analog:
//T \ ex du . cxSv frt- \ cy Su , cy Sv
cos (O , a;) = ;^- ^r- + ^-- ^r- , cos ((; , y) = 7^ -T- + ^ T7 '
^ ' '' cu 8s * cc 6s^ V > ^/ Cit Ss ' cv os
//T \ dz du , cz dv
cos (C , ^) = o- ^^ — r "^^ ^^ •
^ f ^ du ds ' cv ds
Die Orthogonalitätsbedingung:
cos(C, x) cos (C, X) + cos ((7, y) cos (C, y) -\- cos (0, z) cos (C, z)=-=0
wird demnach:
(11) Edudii + F(dudv + dvdn) -f- Gdvöv = 0.
Dieses ist also die Bedingung dafür, da.ss die Linienelemente,
Bianchi, Differentialgeometrie. 5
66 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
die vom Punkte (u, v) der Fläche nach den beiden unendlich benach-
barten Punkten (u-{- du, v -{- dv), (u -\- du, v -\- 8v) ausgehen, auf ein-
ander senkrecht stehen.
Mittels der Gleichung (11) können wir leicht folgende Aufgabe lösen:
Gegeben ist eine Schar von cxd^ Curven auf der Fläche; ge-
sucht wird die Differentialgleichung ihrer orthogonalen Tra-
jectorien. Es sei die Gleichung der gegebenen Curvenschar, nach
der willkürlichen Constanten c aufgelöst:
cp{u, v) = c.
Sind öu, dv die Zunahmen der krummlinigen Coordinaten eines
Punktes (ii, v) längs der durch den Punkt gehenden Curve g? = c, so
ist offenbar:
oder:
du : dv = ,^: — q— ;
cv du
und (11) giebt als gesuchte Differentialgleichung der orthogonalen
Trajectorien die folgende:
(12) (e '/ -F^.'')du + (f i^- - G ?'') dv = 0.
^ ^ \ dv cuJ ^ \ ov cuJ
Es ist jedoch hervorzuheben, dass wir, auch wenn die Curven der
gegebenen Schar nicht direct bekannt, sondern nur durch eine Diffe-
rentialgleichung erster Ordnung:
31du + Ndv = 0
definiert sind, wegen der Proportion:
Jf:iSr=?-?:|^
cti> cv
die Differentialgleichung der orthogonalen Trajectorien unmittelbar in
der Form:
(13) {EN — EM) du + {FN — GM) dv = 0
angeben können.
§ 35. Christofferselie Symbole, Differentialparameter und
Krümmungsmass.
In den im vorstehenden Paragraphen behandelten Fragen, so-
wie in allen denjenigen, die nur die sogenannte Geometrie auf der
Fläche betreffen, treten ausschliesslich die Coefficienten E, F, G der
ersten Fundamentalform auf. Es dürfte daher jetzt zweckmässig sein,
§35. Christoifersche Symbole, DifFerentialparameter und Knimmungsmass. 67
die expliciten Werte der Christofferschen Symbole, der Differential-
parameter und des Krümmungsmasses für unsere Form:
Edu^ + 2Fduclu + Gdv-
zu berechnen, in der jetzt u = Xi, v = x^,
«u = ^7 ^'i2 = F, a^ = G
ist; wir haben dann nach dem 2. Kapitel (S. 37):
G . F
A — -
A,,=^
EG—F^'
A^^
E
EG — F'-'
Die Christofferschen Symbole erster und zweiter Art haben nun nach
S. 43 die in nachstehender Tabelle zusammengefassten Werte:
Tl l1 _ 1 a^ Fl 2l ^ 1 ^ j; r2 2l ^cF _ 1 cG
LlJ~~2cir' LlJ~~'2cr' LlJ et 2 r«'
[l ll _ rF _ 1 cE fl 2l £ f^ [2 2l ^ J^ c^
L 2 J "" f « 2 cv' L 2 J 2 e« ' L 2 J 2 cc '
A){
fiil
{V)
r« fr
2F
^1'
22\
Uli
2(£G — F^
g^^-f'S-
cv cu
2{EG — F^ '
<-<• ff fu
r-
CU Cu cv
2 {EG — F*)
2 j
fl2\
\2j
(221
\2 J
2{EG — F')
E^^-Fi^
cu cv
~2iEG — F*) '
rc ftt fc
' 2{EG — F*)
Füi- die beiden Difierentialparameter einer willkürlichen Function
(p und den gemischten Differentialparameter zweier willkürlichen Func-
tionen ff, ip ergeben sich nach S. 41, 47 bezüglich die Ausdi-ücke:
(14) A,(jp =
(15) A,^ =
E(i'^y-2Ft^i''-+G(i^y
\cv/ cu cv \JDU/
yEG—F^
du
EG - F*
g'^-f'^
cu cv
yEG — F^
+
cv
E
Cq>
Cq)
YEG
,^„x , . f r rr \cu cv '^ cv cu' cu cu
(16) v(9', ^) = =
EG
Für das Krümmungsmass unserer Fundamentalform (deren geo-
metrische Bedeutung wir später als Ki-ümmungsmass der Fläche er-
kennen werden), erhalten wir nach (UI), § 29, S. 53, wenn wir für die
68 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
Symbole i 2 | ' i 2 I ^^^ "^ ^^^ Tabelle (A) angegebenen Werte ein-
setzen, den Ausdruck:
F dE 1 cG-
(17) K=~--^=^\
^ ^ 2yEG-F^\i
2yEG — F^'Xcu \_EYEG — F^ dv YEG — F^ du_
+
+ f
dF 1 dE F dE-
dv\_YEG~—F^^ du YEG—F^dv E}/EG— F^ dujj
Treffen wir nun die besondere Annahme, dass die Parameterlinien
auf einander senkrecht stehen, d. h. F = 0 sei, so wird der vorstehende
Ausdruck für K:
(18) ir=--i.(A/i im + A(_^-:]^)|.
^ ^ YEG\du\yE du / ^ cv\yG dv J)
Ist noch specieller ausser F == 0
E= G = l
(was, wie wir bald sehen werden, für jede beliebige Fläche zu errei-
chen ist), so ergiebt sich für K der sehr einfache Ausdruck:
(19) ^=-h (-'^^^- + --!-) •
^ ^ 2i \ cu^ ' Cv^ I
§ 36. Einführung neuer krummliniger Coordinaten.
Mittels der Differentialparameter können wir die Aufgabe lösen,
die Coefficienten der transformierten Form der Grundform:
Fdu" -^'IFdudv^ Gdv^
zu berechnen, wenn statt der Veränderlichen u, v willkürliche neue,
9), '4', eingeführt werden. Es sei nämlich
EJ(p^ -{-2F^d(pdip -{- G,d4>''
die transformierte Form. Zufolge der Fundamentaleigenschaft der Diffe-
rentialparameter sind die für die Grundform berechneten Werte von
^19^? V(<P, ^), \^
gleich den für die transformierte Form berechneten. Für letztere ergiebt
sich aber aus (14) und (16):
daraus folgt:
und es ist demnach:
(20)
f^i =
§ 36. Einführung neuer krummliniger Coordinaten.
69
A,qpAit(»]— V'W, V>)^
F,
G.
A,qp
V'C'P, '^)'
Wie man sieht, ist die Bedingung dafür, dass die neuen Parameter-
linien:
g) = Const., ^ == Gonst.
einander senkrecht schneiden, die Gleichung:
V(<P, t) = 0,
wie sich in anderer Weise auch nach § 34 ergiebt.
Wir bemerken noch, dass der gemeinsame Nenner in den Glei-
chungen (20) identisch auf die Form:
dtp Cq>
Ai9)Aii^— V2(9J, ili) =
EG—F'
cu cv
du cv
gebracht werden kann.
Die Gleichungen (20) wenden wir nun zum Beweise der schon
vorhin erwähnten wichtigen Eigenschaft au, dass (auf unendlich viele
Weisen) eine solche Transformation der Veränderlichen vorgenommen
werden kann, dass dabei E^ = G^ und F^ = 0 wird.
Zu diesem Zwecke wählen wir für <p eine reelle Losung der par-
tiellen Differentialgleichung:
A^ijP = 0,
d.h.:
AI g" cv 1 I _^l cv cu I
= 0.
Der Ausdruck:
,Ctf
.ctp
E%^-F
cv cu
G^^-F^
du-{-
cu
ctp
cv
dv
y/EG—F' ' yEG — F»
ist alsdann das vollständige Differential einer Function, die wir mit iff
bezeichnen wollen, sodass also kommt:
(21)
du
cif>
dv
E^-F^^
dv du
y/EG - F'
ctp
,Ctp
cu cv
yEG — F'
Diese Gleichungen geben, nach den Differentialquotienten von cp auf-
gelöst :
70 Kap, 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
(21*)
dcp 8v du
dcp du dv
cv ~ yEG^ F^
Daraus folgt, dass die Function ip, die bis auf eine additive Constante
durch (21) bestimmt ist, wieder eine Lösung von:
ist. Wir nennen sie die zu qp conjugierte Lösung.
Es folgt ferner:
und es nimmt demnach, wenn k = ^r — = - — gesetzt wird, die trans-
formierte Form wegen (20) die gewünschte Gestalt:
an.
§ 37. Isothermensysteme.
Das soeben erhaltene Resultat ist von solcher Wichtigkeit, dass
es zweckmässig sein dürfte, dasselbe noch auf einem anderen Wege ab-
zuleiten.
Wir zerlegen die quadratische Form:
ds" = Edw" + 2Fdudv + Gdv^
in ihre beiden conjugiert imaginären Linearfactoren:
ds'=lyEdu+{F-\-iyw^T')^\lyEdu-i-(F-iyEG-F')%l
Aus der Integralrechnung ist bekannt, dass es Multiplicatoren von
(a) yEdu + (F+iyEG-F^^)^
giebt; einer derselben sei ^ -f- iv. Dann haben wir, wenn wir mit
q) -\- ixlj die (complexe) Function bezeichnen, für welche der mit
^ -\~ iv multiplicierte Ausdruck (a) ein vollständiges Differential wird:
(ii-\-iv) \yE du + (F+ iyEG—F') -^\ = d(p-\- idxp.
Demnach wird:
{^—iv)\yEdu+ {F—iyEG — F'')^\ = dtp — idrp.
§ 37. Isothermensysteme. 71
Wenn wir die beiden letzten Gleichungen mit einander miütipli-
cieren und dabei A = -i—, — ^ setzen, so folgt:
u- + V" ' °
(22) d^ = X{d(p- -\- di^^).
Diese besonderen Orthogonalsysteme, in denen das Quadrat des
Linienelementes der Fläche die charakteristische Form (22) annimmt^
heissen Isothermensysteme. Ihre Bestimmung hängt, wie man
sieht, von der Integration der Gleichung:
YEdu + (F + iVEG-F') ^ = 0
oder:
rfs- = Edir + 2Fdudv + Gdv- = 0
ab. Die durch diese Gleichimg bestimmten imaginären Curven auf
der Fläche werden deshalb als Curven von der Länge Null (Mini-
male urven) bezeichnet; sie sind diu-ch die Eigenschaft charakterisiert,
dass ihre Tangenten den imaofinären Kugelki*eis im Unendlichen schneiden.
Die Isothennensysteme ((p, if) besitzen eine charakteristische Eigen-
schaft. Um diese klai-zulegen, beachten wir, dass das Viereck, das auf
der Fläche von den beiden Curven 9, i^- und den unendlich benach-
barten qo -}- dtp, ilf -j- dil' gebildet wird, bis auf imendlich kleine
Grössen höherer Ordnimg als Rechteck angesehen werden kann. Wenn
nun das System (qp, i^-) isotheim ist, wenn ferner 9, ^' um unendlich
kleine coustante Beträge dcp, dip wachsen und femer noch d(p = dil;
genommen wird, so ergiebt sich nämlich sofort: Die Isothermen-
systeme teilen die Fläche in unendfich kleine Quadrate.
Endlich bemerken wir, indem wir zu den Gleichungen (21) zurück
kehren, dass, wenn schon das ursprüngliche System (a, v) isotherm
war, jene Gleichungen einfach in die folgenden übergehen:
tqp drp ctp ciff
eil CO cv cti
Diese Gleichimgen besagen bekanntlich, dass tp -f- ii^ eine Func-
tion der complexen Veränderlichen u -\- iv ist.
Da sich ferner bei der Verwandlung von ^ in — ^ der für das
Linienelement charakteristische Ausdnick (22) nicht ändert, so haben
wir das Ergebnis:
Ist auf der Fläche ein Isothermensystem (qp, ^) bekannt,
so erhält man jedes andere Isothermensystem (qp', ^'), wenn
man
(jp'-f «>'= F{(p + i^)
setzt, wo F das Zeichen für eine willkürliche Function einer
complexen Veränderlichen ist.
72 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
Wir fügen noch hinzu, dass jede complexe Function (p -{- it}}^ die
aus zwei conjugierten Lösungen der Gleichung A^qp = 0 gebildet ist,
als complexe Veränderliche auf der Fläche bezeichnet wird.
§ 38. Isometrische Parameter.
Wenn in einem Isothermensystem, für welches das Quadrat des
Linienelementes der Fläche die Form:
annimmt, ohne dass die Parameterlinien geändert werden, an Stelle
der sie bestimmenden Parameter neue:
%i^ = 95 (w), v^ = ip(v)
eingeführt werden, so geht das Quadrat des Linienelementes in die Form:
ds^ = X{(p'^(u)du^ + t'Hv)dv^)
über, wo der Quotient aus £" = X(p'^{u) und G = k4>'^(v) offenbar ein
Quotient (oder ein Product) von zwei Functionen ist, von denen die
eine nur von u, die andere nur von v abhängt. Ist umgekehrt in
einem Orthogonalsystem (;u, y), für das
(23) ds^ = Edti^-\- Gdv'
ist:
(24) f- = -^-,
wo U Function von u allein,- V von v allein ist, so können wir auch
E=XU, G = IV
setzen, woraus sich
ds^ = X{Udu^+ Vdv^)
ergiebt. Führen wir nun mittels der Gleichungen:
lyudti = th, jyvdv^v^
neue Parameter u^, v^ ein, so erhalten wir für ds^ den Ausdruck:
ds^ = X(dUj^ -\- dv^^).
Wenn also in dem Orthogonalsystem (?«, v) die Bedingung (24)
erfüllt ist, so ist dasselbe gleichfalls isotherm. Die Parameter u^, v^,
mittels deren das Linienelement in die charakteristische Form, bei der
E ^= G ist, gebracht werden kann, heissen isometrische Parameter.
Nach diesen Bemerkungen können wir leicht die Bedingung dafür
angeben, dass die Curven q) = Const. zusammen mit den Orthogonal-
trajectorien ein Isothermensystem bilden. Hierzu ist "notwendig und
§ 39. Satz von Lie über Isothermensysieme. 73
hinreichend, dass sich bei einer passenden Aendenmg des Parameters,
indem q)^ = F((p) gesetzt wird:
Ag^Pi = 0
ergiebt (wegen (12', § 34, S. 66).
Aber aus der Gleichung (15), § 35 (S. 67) folgt sofort:
wo die Striche Differentiationen nach (p andeuten, und also muss
(25) ^- = -^
sein. Die rechte Seite ist eine Function von (p allein, folglich muss es
auch die linke sein. Umgekehrt, ist -^— eine Fimction von (p allein,
so kann F{(p) nach der vorstehenden Gleichung so bestimmt werden,
dass A2-F(9)) = 0 wird; d. h.:
Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass
die Curven g; = Const. zusammen mit ihren Orthogonaltrajec-
torien ein Isothermensystem bilden, ist, dass das Verhältnis
der beiden Differentialparameter von (p eine Function von qp
allein ist.
§ 39. Satz von Lie über Isothermensysteme.
Angenommen, die soeben aufgestellte Bedingung wäre erfüllt, d. h.
es wären in einem doppelten orthogonalen Isothennensystem die Curven
des einen der beiden Systeme
(p = Const.
bekannt, so lassen sich diejenigen des anderen mittels Quadraturen
finden. In der That geben die Gleichungen (21), § 36 (S. 69), wenn
(p durch F{<p) ersetzt wird, die Differential quotienten von ^ :
= - F'ig>)
cu ^^' YEG — F^
G^^- F^
1^ = F'(w) '"' '"
cv ^^^ yEG — F^
F((p) = e
während aus (25)
folgt.
Dieses Ergebnis können wir folgendennassen aussprechen: Wenn
die Curven cp = Const. einem Isothermensystem angehören
74 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
und die Differentialgleichung der Orthogonaltrajectorien
dieser Curven in der Form (S. 66):
v^ Cfp
dfp
cv cu
G
Yeg'
du
ccp
du
F
dv
dü = 0
F^ YEG — F'
geschrieben wird, so hat man für dieselbe in dem Ausdruck:
{i = e
unmittelbar einen Multiplicator.
Mit Lie können wir diese Untersuchungen noch weiter führen
und beweisen, dass, wenn für die Curven eines Isothermen-
systems nur eine Differentialgleichung erster Ordnung:
Mdu + Ndv = 0
bekannt ist, deren Integrale die Curven der einen Schar sind,
ihre Gleichung in endlicher Grestalt mittels Quadraturen ge-
funden werden kann.
Es folgt nämlich aus den Gleichungen (21), § 36 (S. 60), dass
es unter dieser Voraussetzung einen Multiplicator A von Mdu -f- Ndv
giebt, der zugleich Multiplicator von
EN — FM-, , FN—GM
FM -, , FN
du +
ist.
Yeg
Setzen wir für den Augenblick:
^ _ EN— FM
yEG—~F'
dv
N,
FN~ GM
Yeg—f^' ^ y'EG-
so haben wir demnach die beiden Gleichungen:
cjXM) __ cilN)
cv
djXM,)
dv
F'
cu
c{XN,)
cu
Aus ihnen folgt:
(26)
glog^
du
d logX
M,
\cu dv I \ du cv I
MN^ — M^N '
\cu cv I \ du cv }
dv ~~ MN^— M^ N
Es ergiebt sich demnach X mittels Quadraturen*).
*) Es sei bemerkt, dass — MN^ + NM^ = EN^
EG — F^^ 0 nicht gleich Null sein kann.
2FMif,+ GM^ wegen
§ 40. Conforme Abbildung von Flächen. 75
Es ist auch ersichtlich, dass man hier gleichzeitig ein Mittel hat,
aus der Differentialgleichung Mdu-\-Ndv = 0 zu entscheiden, ob ihre
Integralcurven einem Isothermensystem angehören. Zufolge der Glei-
chungen (26) ist dazu notwendig imd hinreichend, dass der Ausdi-uck:
^\cu cv / V cti cv /
M^\ — M^ N
. ^ \du cv ) Vfit cv '
du-^
du
ein vollständiges Differential ist.
§ 40. Conforme Abbildung einer Fläche auf die Ebene oder auf
eine andere Fläche.
Auf einer Fläche denken wir uns ein auf die isometrischen Para-
meter u, V bezogenes Isothennensvstem gegeben, für welches also das
Quadrat des Linienelementes die Form:
ds^ = lidn^ + dv^')
annimmt, und deuten «, r als die rechtwinkligen Cartesischen Coordinaten
% ti eines Pimktes in einer Hilfsebene (Bildebene), indem wir | = u,
rj = V setzen.
Auf diese Weise ordnen wir jedem Punkte P(m, t') der Fläche
oder des Flächengebiets, auf das sich unsere Untersuchungen erstrecken,
denjenigen Punkt P'{^, r^ der Bildebene zu, dessen Cartesische
Coordinaten den kiiunmliuigen Coordinaten von P gleich sind; wir
haben somit eine Abbildung unserer Fläche auf die Ebene. Wir woUen
nun nachweisen, dass bei dieser Abbildung die Winkel erhalten
bleiben (Winkeltreue stattfindet), d. h. dass der Winkel, unter
dem sich zwei beliebige Curven auf der Fläche schneiden, gleich dem-
jenigen ist, den die beiden Bildcurven in der Ebene bilden.
Um dieses einzusehen, brauchen wir uns nur an die Fundamental-
formeln des § 34, speciell an die Gleichung (10) (S. 65) zu erinnern,
die in imserem Falle die Form:
tgtr = :5—
o du
annimmt und erkennen lässt, dass jede auf der Fläche gezogene Curve
die Curven r = Const. unter denselben Winkeln schneidet, wie ihre
Bildcurve in der Ebene die Geraden r, = Const.
Wenn wir allgemein eine Zuordnung zwischen den Punkten P, P'
zweier Flächen (oder Flächengebiete) S, S' festsetzen, derart, dass jedem
Punkte P der einen Fläche S ein Pimkt P' der anderen Fläche S'
76 Kap. 'S. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
entspricht und dass, wenn sich P stetig auf S bewegt, der Bildpunkt
P' sich stetig auf S' bewegt, so sagen wir, dass die eine Fläche auf
die andere abgebildet ist.
Ist die Abbildung eine solche, dass die Winkel erhalten bleiben,
so heisst sie conform oder winkeltreu. Bisweilen wird diese That-
sache auch in der Weise ausgedrückt, dass man sagt, es herrsche bei
dieser Abbildung Aehnlichkeit in den kleinsten Teilen, was offen-
bar der Winkeltreue genau entspricht.
Gemäss dem zu Beginn dieses Paragraphen erhaltenen Ergebnis ist
es klar, dass man behufs Lösung der allgemeinen Aufgabe, eine Fläche
S auf eine andere S' conform abzubilden, nur beide Flächen auf
eine Ebene conform abzubilden und dann die allgemeinste conforme
Abbildung einer Ebene auf eine andere zu bestimmen braucht.
§ 41. Allgemeine Lösung des Problems der conformen Abbildung.
Bei der Lösung der zuletzt gestellten Aufgabe ist der Fall, in
dem die entsprechenden Winkel einander gleich und von gleichem Dreh-
sinn sind, von demjenigen zu unterscheiden, in dem sie zwar auch ein-
ander gleich sind, aber entgegengesetzten Drehsinn haben*). Wir
wählen in den beiden Ebenen ir, n' zwei rechtwinklige Cartesische
Axensysteme OX, OF; OX', OY', und es seien x, y die Coordinaten
eines Punktes P von tc, ferner x' , y' diejenigen des entsprechenden
Punktes P' von %' . Dann wird unsere Abbildung analytisch durch
zwei Gleichungen:
x'=x{x,y), ii'=y'(x,y)
dargestellt, und wir müssen nun die Bedingungen suchen, die den
Functionen x'^ y' von x, y (die wir, ebenso wie ihre partiellen Diffe-
rentialquotienten, in dem abzubildenden Gebiet als endlich und stetig
voraussetzen) auferlegt werden müssen, damit die Abbildung conform
werde.
Betrachten wir eine Curve in %, die von P in beliebiger Richtung
ausgeht, so haben wir für die im positiven Drehungssinne gemessene
Neigung %• ihrer Tangente gegen die x-Axe die Gleichung:
und bei der Bildcurve C entsprechend:
*) Hierbei setzen wir voraus, dass bei beiden Ebenen die positiven Seiten
gemeint und die Coordinatenaxen in gleicher Weise orientiert sind.
Lösung des Problems der conformen Abbildung. 77
dy' , , cy' ,
, , -^ dx-\- J'- dy
(27*) tg»'=p-, = l^, ^^.
^ ^ ° dx ex ^ , OX ,
ex cy
Ist far eine zweite von P ausgehende Curve C^ der Wert von -O-
gleich ■0-j und der entsprechende von -9-' gleich 0^/, so muss im Falle
der directen Winkeltreue
dagegen bei der inversen Winkeltreue
d-^— » = ^' — »^
sein. Daraus folgt im ersten Falle:
im zweiten:
wobei « nur vom Punkte P abhängt und für alle durch den Bruch
-r- bestimmten Richtunoren constant ist.
dx °
Setzen wir zur Abkürzung tgtt = m, so haben wir:
m + ig%
1 + »I ig»
WO die oberen Vorzeichen im ersten, die unteren im zweiten Falle
gelten. Zufolge (27) und (27*) ergiebt sich hieraus die Gleichung:
cy' , cy' dy , dy
ex cy dx — dx
ex , ex dy ^ _ dy
ex ' cy dx ' dx
die also für alle Werte von ^ - gelten soll. Daraus folgen die Be-
ziehungen:
ex — cy ' dy ~^ ex ^
die x'-\-iy' als Function der complexen Veränderlichen x^iy charak-
terisieren. Wir schliessen daraus: Die allgemeinste conforme Ab-
bildung einer Ebene auf eine andere ergiebt sich, wenn die
complexe Veränderliche der einen gleich einer (willkürlichen)
Function der complexen Veränderlichen der andern oder der
zu dieser conjugierten Veränderlichen gesetzt wird. Im
ersten Falle findet directe Winkeltreue statt, im zweiten
sind entsprechende Winkel ebenfalls einander gleich, aber
entgegengesetzt gedreht.
78 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
Wenn wir uns nun an das Ergebnis zum Schluss des vorigen
Paragraphen erinnern^ so folgern wir hieraus allgemeiner: Die all-
gemeinste conforme Abbildung einer Fläche auf eine andere
ergiebt sich, wenn die complexe Veränderliche auf der einen
gleich einer Function der complexen Veränderlichen auf der
anderen (oder der conjugierten Veränderlichen) gesetzt wird.
§ 42. Isothermensy steine auf den Rotationsfläelien.
Die in den vorstehenden Paragraphen enthaltenen allgemeinen Er-
gebnisse wollen wir auf eine Klasse von Flächen anwenden, für die wir
die Isothermensysteme unmittelbar bestimmen können, auf die Rota-
tionsflächen. Als Parameterlinien wählen wir auf einer solchen
Fläche die Meridiane und Parallelkreise. Zum Parameter eines ver-
änderlichen Meridians nehmen wir den Winkel co, den seine Ebene
mit derjenigen eines festen Meridians bildet (Länge), und zum Para-
meter des Parallelkreises seinen Radius r, sodass also der Fall des
(geraden Kreis-)Cylinders einstweilen ausgeschlossen ist. Wählen wir
als ^-Axe die Rotationsaxe und als festen Meridian, von dem aus die
Länge ca gerechnet wird, denjenigen in der a;^- Ebene, so sind die
Coordinaten eines Punktes der Fläche durch die Gleichungen:
(28) X = r cos tö, y == r sinco, z = cp(r)
gegeben, wobei 2 = q)(r) die Gleichung der Meridiancurve ist. Für
das Linienelement ds der Fläche, ausgedrückt durch die Coordinaten
r, to, erhalten wir demnach die Gleichung:
ds^ = (1 + cp'\r))dr^ + r^dco\
Führen wir statt r den von einem festen Punkte gerechneten Meridian-
bogen u als Parameter ein, indem wir
u = I yi -)- (p'^(r)dr
setzen, so haben wir:
r = ip{u),
wo die Natur der Function t/> durch die Gestalt der Meridiancurve be-
stimmt wird, und es ist:
(29) ds^ = du^ -f r^dcoK
Diese Gleichung gilt auch für den Fall des Cylinders, in welchem
a; = r cos CO, y == r sin co, z = u, r = Const.
ist. Da nun r in der Gleichung (29) eine Function von u allein ist,
so folgt hiernach nach § 38 (S. 72):
§ 43. Stereographische Polarprojection der Kugel. 79
Auf jeder Rotationsfläche bilden die Meridiane und die
Parallelkreise ein Isothermensystem.
Schreiben wir femer (29) in der Form:
so sehen wir, dass a und u, = 1 ~ isometrische Parameter sind.
Für jede Rotationsfläche können wir demnach die Aufgabe, sie
auf die Ebene confonn abzubilden, lösen. Setzen wir insbesondere:
1 = «, i?=j^
und betrachten wir |, >/ als die rechtwinkligen Cartesischen Coordinaten
eines Punktes der Bildebene, so haben wir eine conforme Abbildung,
bei der die Meridiane und die Parallelki-eise zu Bildern die zur rj-
bez. |-Axe parallelen Geraden haben*).
§ 43. Stereo graphisctie Polarprojection der Kugel.
Wir betrachten die Kugel:
deren Radius wir der Einfachheit halber gleich der Längeneinheit
gesetzt haben. Sie kann als Rotationsfläche mit der ^-Axe als Drehaxe
aufgefasst werden, und es sind dann die Coordinaten eines Punktes
derselben :
./; = sin u cos v, y = sin u sin v, z = cos u,
wo V die Länge und u die Winkeldistanz des Punktes vom Pol u = 0,
d. h. das Complement der Breite ist: für das Quadrat des Linienele-
mentes erhalten wir ferner den Ausdruck:
ds^ = du- -{- mi^udv^.
Da nun:
r du , , tt
Wi = / -• — = log tg ^
und V isometrische Parameter sind, können wir als complexe Veränder-
liche auf der Kugel t = e-"» + '■^, d. h.
*) Es sei erwähnt, dass bei dieser Abbildung dieLoxodromen, d. h. die-
jenigen Curven auf der Fläche, welche die Meridiane unter constanteni Winkel
schneiden, die Geraden der Bildebene zu Bildern haben. Daraus folgt z. B. der
Satz: In jedem auf einer Rotationsfläche von drei Loxodromenbogen
gebildeten Dreieck ist die Winkelsumme gleich zwei Rechten.
80 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Confoi-me Abbildung.
(30) r = cotg l e^
wählen. Als complexe Veränderliche t, in der Ebene des Aequators
können wir
wählen, wo 9, o)- Polarcoordinaten sind. Wenn wir dann t = ^, d. h.
(31) Q = cotg 2 ? %■ ^=v
setzen, so haben wir eine conforme Abbildung der Kugel auf die
Aequatorebene. Dieselbe ergiebt sich geometrisch wie folgt: Vom Pol
i( == 0 werde der Kugelpunkt Jf (m, v) auf die Aequatorebene nach m
projiciert, dann ist dieser Punkt m gerade der durch die Gleichungen
(31) bestimmte Bildpunkt. Diese Abbildung der Kugel auf die Ebene
wird deshalb als stereographische Polarprojection bezeichnet.
Ausser der Eigenschaft der Winkeltreue besitzt diese Abbildung
noch die andere sehr wichtige Eigenschaft, dass jeder Kreis auf der
Kugel als Bild in der Ebene einen Kreis hat und umgekehrt, wie sich
mittels elementargeometrischer Betrachtungen beweisen lässt*).
Unmittelbar folgt dieses aus den Abbildungsgleichungen (31), wenn
man beachtet, dass die Gleichung eines Kreises auf der Kugel die
Form hat:
a sin u cos v -f- & sin u sin v -\- c cos u -{- d = 0,
wo a, &, c, d Constanten sind, und dass das Bild des Kreises in der
Ebene wegen (31) in Polarcoordinaten die Gleichung:
2aQ cos'Ö' + 26() siu'^ + c{q^ — 1) + (^(?' + 1) = 0
hat, also ein Kreis (oder eine Gerade) ist. Die Umkehrung ist eben-
falls einleuchtend.
§ 44. Doppelte Orthogcnalsysteme von Kreisen auf der Kugel und
in der Ebene.
Mit Hilfe der stereographischen Abbildung der Kugel können wir
leicht die Aufgabe lösen: Alle möglichen doppelten Orthogonal-
*) In sehr einfacher Weise folgendennassen: Zunächst lässt sich, wenn
M, M' zwei Punkte auf der Kugel, m, in die beiden Bildpunkte in der Ebene
des Aequators sind, um das Viereck MM'm' m ein Kreis legen. Wir nehmen
nun an, M beschreibe einen Kreis G auf der Kugel, und M' sei eine specielle
Lage von ilf, m der entsprechende Bildpunkt. Die Kugel, welche durch C und
m' geht, enthält nach dem vorhin Gesagten den Kreis MM'm'm (denn derselbe
hat mit der Kugel drei Punkte gemeinsam), und deshalb ist der Ort des Biklpunk-
tes m der Schuittkreis c dieser Kugel mit der Ebene des Aequators.
§ 44. Orthogonalsysteme Ton Kreisen. 81
Systeme von Kreisen (oder Geraden) in der Ebene zu be-
stimmen.
Ein solches System muss, auf die Kugel projieiert, ein doppeltes
orthogonales System von Kreisen (C), (C) geben. Nim ist sofort
klar, dass die notwendige und hinreichende Bedingimg dafür, dass sich
zwei Kreise auf der Kugel rechtwinklig schneiden, ist, dass die Ebene
des einen durch den Pol der Ebene des andern geht. Da hiemach für
die Kreise des Systems (C) die Pole ihrer Ebenen in der Ebene
jedes Kreises von (C) liegen müssen, so ist ihr Ort eine Gerade g\
durch welche alle Ebenen des zweiten Systems hindurchgehen. Analog
gehen die Ebenen aller Kreise des Systems (C) durch eine Gei-ade y,
die offenbar reciproke Polare von g' bezüglich der Kugel ist.
Daraus schli essen wir, dass die allgemeinste Weise, ein doppeltes
Orthogonalsystem von Kreisen auf der Kugel zu coustniieren, die ist,
dass wir die Kugel durch zwei Ebeneubüschel schneiden, deren Axeii
reciproke Polaren bezüglich der Kugel sind.
Setzen wir zunächst voraus, dass die Gerade g nicht Tangente der
Kugel ist, so schneidet entweder sie oder ihre reciproke Folare g' die
Kugel in zwei getrennten reellen Punkten, die allen Kreisen des be-
züglichen Systems gemeinsam sind. Durch stereographische Projectiou
auf die Ebene erhalten wir:
A) Zwei orthogonale Kreisbüschel, von denen das eine
reelle, das andere imaginäre Scheitelpunkte besitzt.
Ist insbesondere g die Polaraxe der Kugel, so geht das System (A)
in die Geraden eines Büschels und in das System der concentri sehen
Kreise über, deren Mittelpunkt der Scheitel des Büschels ist.
Ist g Tangente der Kugel, so berührt </' die Kugel in demselben
Punkt« und steht auf g senkrecht, und durch stereographische Projection
erhalten wir in der Ebene:
B) Zwei Kreissysteme, die zwei auf einander senkrecht
stehende Gerade in demselben Punkte (ihrem Schnittpunkte)
berühren.
Ist insbesondere der Berührungspunkt von g und g' mit der Kugel
das Projectionscentrum, so haben wir in der Ebene als Grenzfall eiu
doppeltes orthogonales Geradensystem.
§ 45. Darstellung der Bewegungen der complexen Kugelfläehe in
sieh mittels linearer Substitutionen nach Cayley.
Wir denken uns nun die Kugel um ihren Mittelpunkt in sich
gedreht. Indem wir jeden Punkt der Kugel durch den Wert bezeichnen,
Bianchi. Differentialgeometrie. 6
82 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den riächen. Conforme Abbildung.
den die complexe Veränderliche t in ihm annimmt*), sei x' derjenige
Punkt, in den x nach der Bewegung übergegangen ist. Da zwei von
den entsprechenden Punkten x,x' beschriebene Figuren congruent, mit-
hin auch conform sind, so wird x eine Function der complexen Yeränder-
lichen x sein, und wir behaupten nun, dass x' eine linear gebrochene
Function von x:
ist.
Nach den Fiindamentalsätzen über Functionen einer complexen Ver-
änderlichen erhellt dieses sofort daraus, dass x' für jeden Wert von x nur
einen Wert hat und umgekehrt. Elementarer beweisen wir dieses, wenn
wir beachten, dass sowohl auf der Kugel als auch in der Bildebene
jedem Kreise, den x beschreibt, ein von x' beschriebener Kreis ent-
spricht. Nun sind diejenigen conformen Abbildungen der Ebene auf
sich selbst, welche Kreise wieder in Kreise überführen, notwendig durch
lineare Substitutionen gegeben**).
*) Dieses ist offenbar gestattet, da zwischen den Werten der complexen
Veränderlichen x und den Kugelpunkten eine eindeutige Beziehung besteht, ein-
schliesslich des Wertes t = oo, der dem Projectionscentrum entspricht.
**) Dass eine lineare Substitution :
(1) ,'="±±1
die von s' beschriebenen Kreise in solche von z bescliriebene überführt (und um-
gekehrt), lässt sich folgendermassen beweisen:
Bezeichnen wir (mit Her mite) mit a^ die zu einer willkürlichen Grösse a
conjugierte Grösse, so lautet die Gleichung eines von z' beschriebenen reellen
Kreises in der allgemeinsten Gestalt:
Az'z,'+Bz'-^BX+C -^,
wo A und C reelle Constanten sind. Die entsprechende von z beschriebene Curve
hat wegen (1) die Gleichung:
A{az + ^){a,z, + ßj -f B{aZ -f ^){y,z, + 8,) -f B,{a,z, + (3,)(y^ + 8)
-{-C{yz-{-8){y,z,-^8,) = Q
und ist folglich wieder ein Kreis.
Wir bemerken ferner, dass, wenn z^ ein beliebiger fester Punkt der Ebene
ist, die lineare Substitution:
z' = (c = Const.)
z — z^ '
die Kreise, die in dem festen Punkte z.^ eine bestimmte Richtung berühren, in
parallele Gerade überführt, die durch passende Wahl von c einer der Coordina-
tenaxen parallel gemacht werden können. Nach dieser Vorbemerkung stelle nun:
eine conforme Abbildung der Ebene auf sich selbst dar, die die Kreise wieder in
Kreise überführt. Die Parallelen zu den Coordinatenaxen in der 0"- Ebene gehen
§ 45. Bewegungen der Kugel und lineare Substitutionen. 83
Die Determinante der linearen Substitution (32), uÖ — ßy, muss
von Null verschieden sein und kann unbeschadet der Allgemeinheit
gleich Eins gesetzt werden, so dass also
(33) ad — ßr = \
ist. Wir wollen nun untersuchen, welche besonderen Beziehungen
zwischen den Coefficienten u, ß, y, ö bestehen müssen, damit die
Gleichung (32) bloss eine Bewegung der Kugel in sich darstellt. Zu
diesem Zweck drücken wir das Quadrat des Linienelements der Kugel:
ds^ = du^ -\- sin^ udv^
durch die complexe Veränderliche r und ihre Conjugiei-te t^ aus. Da
T = cotg V &'% To = cotg ^ €- '■•'
o 2
ist, so erhalten wir sofort:
ds'= ^^''^'"
Damit (32) eine Bewegung dai-stellt, ist demnach notwendig und hin-
reichend, dass sich
dt' dt/ drdTf,
(r'V+l)* (TT, + 1)»
ergiebt oder auch, da wegen (32) und (33)
, , dz j , <7i
ist, dass
(ar + ß){a^ro + ßo) + {yt -f d){y,t^ + d^) = rr, -{- l
ist.
Diese Gleichung muss für jeden Wert von r bestehen und giebt
daher:
««o + ^^yo^l. «^0 + 7^0 = 0;
/3ao + Ö7o = 0, ßß^ -\- dö,,= l.
in der 2 -Ebene in ein System von Kreisen über, die zwei auf einander senkrecht
stehende Gerade in ihrem Schnitti^unkt berühren. Diese gehen wieder mittels
€
einer passenden linearen Substitution: z' =^ in Parallele zu den Coordina-
s — Zl
tenaxen in der s'- Ebene über.
"Wird z"= a'"-f iy", z'= x'-\- itj' gesetzt, so muss also x" eine Function
von x' oder y' allein und entsprechend y" eine Function von y' oder x' allein
sein, und die Beziehung zwischen z" und z' ist offenbar:
z" = az\
wo a constant (reell oder rein imaginär) ist.
Es ist demnach z" mit z linear verknüpft, was zu beweisen war.
6*
84 Kap. 3. Krummlinige Coordinaten auf den Flächen. Conforme Abbildung.
Wegen (33) reducieren sich diese Beziehungen auf die notwendigen
und hinreichenden Bedingungen:
d = a^, y = — ß^,
d. h.: 8 ist conjugiert zu a, und y ist, abgesehen vom Vorzeichen, con-
jugiert zu ß. Daraus schliessen wir:
Die allgemeinste Bewegung der complexen Kugelfläche
in sich wird durch die Vornahme einer linearen Substitution
mit der complexen Veränderlichen t:
(34) ^'==XM^^' {aa,^ßß,= \)
dargestellt.
Diese Gleichung rührt von Cayley her.
Bei jeder solchen Bewegung (34) der Kugel in sich bleiben die
beiden Punkte, welche den Wurzeln der quadratischen Gleichung:
ß,x^ + (a - a,)t + /3 = 0
entsprechen, fest. Sie liegen offenbar einander diametral gegenüber,
und die Bewegung besteht mithin bloss in einer Drehung um den sie
verbindenden Durchmesser. Für den Winkel 0 dieser Drehung ergiebt
sich leicht die Gleichung:
(35) cos 1 = ^4^*).
*) Die Gleichung (36) ist im Falle ß = ß^ = 0 unmittelbar evideiit. Be-
zeichnen wir nun mit S eine beliebige Substitution (34), mit T eine Substitution
(34), welche die beiden bei S festen Punkte in die Pole t = 0, t = oo verlegt,
so ist die Substitution:
die aus S vermöge der Substitution T hervorgeht, eine Drehung von derselben
Amplitude wie S um die Polaraxe. Dabei ist in S und TST~^ die Summe
des ersten und vierten Coefficienten dieselbe, wie die wirkliche Ausrechnung so-
fort ergiebt, sodass damit Formel (35) bewiesen ist.
Kapitel lY.
Die Fundameiital^leiehaiigeii der Flächentheorie.
Die beiden quadratischen Fundamenteliormen: w. ,,, -.t^'i j i t-.'/j. —
Gleichungen, welche die zweiten Ableitungen von x, y, 2 und die ersten Ablei-
tungen von X, Y, Z geben. — Formeln von Gtauss und Mainardi-Codazzi
zwischen den Coefficienten £", F, G, D, D\ B" der beiden Fundamentalformen.
— Existenz und Eindeutigkeit der Fläche, die zwei solchen gegebenen Funda-
mentalformen entspricht, welche den Gleichungen von Gauss und Codazzi ge-
nügen. — Krümmungslinien. — Radien der ersten Krümmung der auf einer
Fläche gezogenen Curven. — Meusnier'scher Satz. — Eulersche Formel. — Du-
pin"sche Indicatrix. — Totale und mittlere Krümmung. — Conjugierte Systeme.
— Haupttangentencurven (Asymptotenlinien). — Berechnung der
Differentialparameter.
§ 46. Die beiden quadratisctien Fundamentalformen der Fläche.
Bei den im vorigen Kapitel angestellten Untersuchungen über ge-
wisse Eigenschaften der Flächen haben wir nur eine einzige Differen-
tialform auftreten sehen, diejenige nämlich, welche das Quadrat des
Linienelement^s der Fläche darstellt:
f=ds^ = Edu^ + 2Fdudv -f Gdv%
d. h. die erste Fundamentalfonn. Werden jedoch diejenigen Eigen-
schaften untersucht, die der wirklichen Gestalt zukommen, welche die
Fläche im Räume hat, so tritt neben der ersten noch eine zweite
quadratische DifiFerentialform auf, und wie wir sofort sehen werden,
kommt die Flächentheorie, von unserm Gesichtspunkte aus
betrachtet, im wesentlichen auf das Studium zweier simul-
taner quadratischer Differentialformen hinaus.
Behufs Einführung der erwähnten zweiten Differentialform bestim-
men wir zunächst die Cosinus der positiven Richtung der Flächen-
normale; dieselben werden wir stets mit
X, Y, Z
bezeichnen.
86
Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
Wie in § 34 setzen wir fest, dass die positive Seite der Tangen-
tialebene diejenige sein soll, auf der die positive Richtung der Tan-
gente der Curve u links von derjenigen der Tangente der Curve v
liegt *).
Die positive Richtung der Normale ist diejenige, welcher die posi-
tive Seite der Tangentialebene zugewandt ist. Nach bekannten For-
meln der analytischen Geometrie haben wir dann wegen (b), S. 63:
X =
1 dy
YE du
1 dy
VG dv
1 dz
Y E du
1 dz
YG dv
r=
z =
1 dz
VE du
1 dz
VG dv
1 ex
yE du
1 dx
YGd^
1 dx
YE du
1 dx
YGd^
1 cy^
YE du
Yg dv
wo CO der in § 33 definierte Winkel der Parameterlinien ist. Aus der
Gleichung (6*) desselben Paragraphen (S. 63) folgt dann:
(1) X
Yeg — tp
dy_
du
dz
du
dy
dz
CO
do
Y==
Z =
Yeg~ f^
Yeg—f'
dz dx
du du
dz dx
dv dv
dx dy
du du
dx d y
dv dv
Die zweite Differentialform, die wir einführen, ist:
<P = — {dxdX + dydY-\- dzdZ),
wofür wir uns stets der Bezeichnung:
(2) 9) = — ZdxdX''*) = Ddu' + 2I)'dudv + D" dv'
bedienen werden.
Wir geben anschliessend hieran die verschiedenen Formen an,
auf die man die Coefficienten 1), D', D" von (p bringen kann. Aus den
Identitäten:
ex
2
X
0,
yxi^
y^ I cv
0
*) Wir halten immer daran fest, dass auf der positiven Seite der ^y-Ebene
die positive Richtung von OY links von derjenigen von ÜX liegt.
**) Das Summenzeichen Z bezeichnet hier und im folgenden eine Summe
dreier Glieder, von denen das zweite und dritte aus dem ersten dadurch abge-
leitet werden, dass a?, X bezüglich durch y, Y; z, Z ersetzt werden.
§ 46. Die beiden quadratischen Fundamentalformen der Fläche.
87
folgen durch DiflFerentiation nach ii und v die weiteren:
-VT Y ^"'''' —
^. ' CH-
^cX dx
yi Cu du *
'
•^]cX ex
y> ev cu
•^dX dx
y 1 du CO '
yx '-': =
-^ eX CX
y< ev CO
ir haben demnach:
y 1 cu-
^^cX ex
y^i cu du'
)
y 1 euev
_ _ sri eXe^ _
^^ er eu
_ ^dXex
~~ y^' cu cv'
D
■=2'^ '^'
yj^cXcx
y' ev ev
Zufolge der Gleichungen (1) können wir Z), D\ D" auch in Deter-
minantenform schreiben:
(3*) T)
yEG—F*
c*x
d'y
d*z
gü*
du*
du*
dx
du
cy
du
dz
du
dx
cy
dz
do
dv
dv
D'
D"=
c'x
ö^y
c^z
dudo dudv
dudv
1
dx
du
cy^
du
dz^
ysG-
-F»
du
dx
^
dz
d^
dv
dv
d'x
o'y
c*z
W»
dv'
dv*
1
dx
dy^
dz
ywG-
rpt
du
du
du
,
dx
^y_
dz_
dv
dv
dv
Die beiden quadratischen Differentialformen:
/■ = Zdx- ^ Edu- + 2Fdudv + Gdv^,
(p= — ZdxdX = Bdu^ + 2B'dHdv + D"dv^
heissen die erste und die zweite Fundamentalform der Fläche.
Es ist klar, dass dieselben bei einer beliebigen Transformation der
Parameter m, v in die neuen Fundamentalformen übergehen.
§ 47. Formeln für die zweiten Ableitungen von x, y, z und für
die ersten Ableitungen von X, Y, Z.
In diesem Paragraphen wollen wir die grundlegenden Glei-
chungen unserer Theorie aufstellen. Hierzu schicken wir die folgende
88
Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
Bemerkung voraus: Sind Ä, B, C drei beliebige Functionen von u, v,
so können wir, da die Determinante:
OX ex -y.
du dv ^
du dv
dz dv
du dz
Z
YEG — F^
nicht gleich Null ist, drei unbekannte Coefficienten a, ß, y so bestim-
men, dass die Gleichungen gelten:
(a)
j dx . dx , -,^
du ' ^ dv
ri dz , a dz , „
^ = f^ \- ß ^ h vZ.
+ yY,
Nach dieser Vorbemerkung bedienen wir uns für den Augenblick
wieder der Bezeichnung mittels Indices und setzen:
u = u
17 V Mo,
"^12 7
JD^\„ D'
Da nach (4), S. 61:
"^7 dx dx
,^ cu^ cu^
ist, so folgt daraus nach (17), S. 43:
'«'227
I>"=h,,.
V
ex ex
,^j du^ cu^cu^ '
Wenn wir in den Gleichungen (a)
€ U_. d U,.
B = -.^l
cu^cu„
0=— ^ —
dudu^
setzen, dieselben dann der Reihe nach zuerst mit |— , |^ , |l , dann
""^^ ^1^' a^' al^' ^^"" ^i^ ^^ ^7 ^ multiplicieren und jedes Mal
addieren, so folgt:
«11« + «12/5 =
rs
1
hieraus weiter nach (18), S. 43
«12« + «22/5 =
§ 47. Ableitungen von x, y, z und X, Y, Z. 89
«-^^..[7] + ^.[7] = {7},
Tind es ist demnach:
c*j frs\ ex _. \rs\ 2* i^ r -y-
?^^ — 1 1 j f^ + 1 2 j ai*, + ^"-^^
oder kürzer mittels der Bezeiehnimg für die covarianten zweiten Ab-
leitungen (§ 26, Gleichung (22\ S. 46):
Schreiben wir die Formeln (a) in den alten Bezeichnungen mit Rücksicht
auf unsere Ergebnisse, so erhalten wir die erste Gruppe von Funda-
mentalgleichungen :
(I)
c*x \\\\cx . [l l\ ^j; , ^^
?^« = 1 1 I ?^ + \ 2 j ?^ + ^^'
c^x _ (121 gx . fl2|cx , j.,^
j^^Jv — \ 1 j at* + 1 2 j ?^ + ^ ^'
f X
wobei wir diejenigen für y und ^ weglassen, die ganz analog sind und
aus den vorstehenden dadurch hervorgehen, dass X bezgl. durch Y, Z
ersetzt wird.
Die zweite Gruppe von Fundamentalgleichungen ist diejenige,
welche die ersten partiellen DiflFerentialquotienten von X, Y, Z durch
ex ex -wr 1 .. 1 1
7^> o— , A u. s. w. ausdruckt.
Wir setzen in den Gleichungen (a) der Reihe nach entweder
oder
cu cu eil
Ä cX jy cY p dz
cv cv ev
Dann erhalten wir, wenn wir der Reihe nach das erste Mal mit
i— 7 -— > T^j das zweite Mal mit ^r-, ^, ^~, das dritte Mal mit X,
cu cu cu cv cv co' '
T^ Z multiplicieren und jedes Mal addieren, für jeden der beiden Falle
Formeln für k, ß, y. Setzen wir diese Werte a, ß, y alsdann in die
betreffenden Gleichungen (a) ein, so ergeben sich die gesuchten Glei-
chungen:
90 Kap. 4. Die rundamentalgleichungen der Flächentheorie.
(H)
dX ^ FD' — GD dx . FD — ED' cu
du ~ FG~F'^~ du "1" FG — F^ dv
dX FD"— GD' dx . FD — ED" ex
dv EG — F^ du ^ EG— F^ dv '
wo die analogen für X und Y wieder weggelassen sind.
Wie man sieht, sind die Coefficienten der rechten Seiten der
Gleichungen (I) und (II) lediglich mittels der Coefficienten der beiden
Grundformen f und cp gebildet*).
§ 48. Formeln von Gauss und Mainardi-Codazzi zwischen den
Coefficienten E, F, G, D, D', TJ" der beiden Fundamentalformen.
Die sechs Coefficienten der beiden Grundformen,
E, F, G- D, D', D",
sind nicht von einander unabhängig, sondern durch drei wichtige Rela-
tionen verbunden, die wir nun aufstellen wollen. Dazu setzen wir die
Bedingungen für die Integrabilität des Systems (I) an:
dv \duV cuKdudvJ '
d_
du
(b)
d. h
c
Wv
\cvy cv \cu cvl '
g /f2 2Ux f22U.r , -^„^\ 0 (\\^\€X A\^\cx ,j^,^ ^
nebst analogen für y und z. Es ist klar, dass sich unter Benutzung der
Fundamentalgleichungen (I) und (II) selbst die linken Seiten der Glei-
chungen (b) identisch auf die Form:
du ^ ^ dv ^ ' '
,CX , n'CX
a
du ' '^ cv ' '
bringen lassen; es müssen daher gleichzeitig die Gleichungen bestehen:
^dx djc ^^^ ^^.dx.d^ /X=0,
du ' '^ cv ^ ' ' cu ^ ^ dv ^ ' '
«Ü + ^H + r^^o- «'l! + '''lf + /^ = o,
*) Insbesondere ist stets festzuhalten, dass die Christoffel'schen Symbole | ' ^ ,
die in (I) auftreten, bezüglich der ersten Fundamentalform /"gebildet sind.
§ 48. Fonneln von Gauss und Mainardi-Codazzi. 91
Wir haben somit als gesuchte Integrabilitätsbedingungen:
a'=0, /3'=0, y'=0.
Die vier Bedingungen:
|3 = 0, a = 0, ^'=0, a'=0
lauten in den Christoffel'schen Vier-Indices-Symbolen (§ 27, Formel (27),
S. 49) geschrieben wie folgt:
'" J^= {12, 12},
DJ)"—D'-
EG— F*-
DD"— D *
EG — F*
DD"— D*
EG — F*
DD"— D""
F=(ll,211
F= {22, 12
G= (21, 21
EG — F^
Bezeichnet K das Krümmungsmass der ersten Fundamentalform,
so ergeben diese Gleichungen übereinstimmend (Formeln II, S. 52):
mn DD"-D"- ^
d. h. in Worten ausgesprochen: Der Quotient der Discriminanten
der beiden Fundamentalformen <p und f ist gleich dem Krüm-
mungsmass K der ersten Fundameutalform f.
Was die beiden weiteren Bedingimgen:
y = 0, y'=0
betrifft, so lauten dieselben entwickelt:
cD cD' (12\^,/(11\ (I-Ud'-L !^M D"— 0
cD" ^I>' , (221 ^ /f22| \^A\t)' fl2\ ._
Sie besagen nach den Formeln (V) des § 30 (S. 56), dass die für
die zweite Fundamentalform qp bezüglich der ersten f ge-
bildete trilineare Covariante (/', qp) identisch verschwindet.
Die Gleichung (III) ist von Gauss indenDisquisitiones u.s. w. auf-
gestellt worden. Dort finden sieh bereits alle Elemente zur Ableitung
der Gleichungen (IV) vor. Dieselben werden gewöhnlich als die Glei-
chungen von Codazzi bezeichnet, weil sie den von diesem Mathe
matiker aufgestellten völlig äquivalent sind*); in einer anderen Form
sind sie weit früher (1856) von Mainard i abgeleitet worden**).
*^ Annali di matematica, 2. Bd., S. 273 (1868).
**) Giomale dell" Istituto Lombardo, 9. Bd., S. 395.
(IV)
92 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheone.
Mit Hilfe der Gleichungen (20) des § 25 (S. 45), nämlicli;
dlogy EG— F'
du
dlogYEG— F'
dv
22
2
+
+
(12
12
1
können die Gleichungen (IV) auf eine bemerkenswerte Form gebracht
werden. Sie sind nämlich dem folgenden System äquivalent:
(IV*)
dv
du
\[/EG — F\J du \-\/EG — FV ^ \
D
-2/12]
D'
1 2 j ywG
d / D'
+ \'}\
YEG — F'
D"
~F^ 1 2 j YEG— F'
= 0,
(—^- ^ - A/__^:_ \ , (2
Weg — fV dv Kyeg — >v ^ 1 1
22I
D
cv \YEG — F'
12I !>'
] YEG — F'^
+
flll
D"
\ 1 j y^G^ — F^~ \ 1 \ Ym — F
= 0.
Die Gleichungen (III) und (IV), die zwischen den Coefficienten
der beiden Fundamentalformen bestehen, geben die notwendigen und
hinreichenden Bedingungen an, denen diese Coefficienten genügen müs-
sen. Kleiden wir diese Eigenschaft in eine präcisere Form, so gilt
nämlich der folgende Fundamentalsatz:
Sind zwei quadratische Differentialformen:
f = Edu^ + 2Fdudv + Gdv^,
(p = Bdu^ + 2D'dudv + I)"dv^
gegeben, von denen die erste definit ist, so ist es, damit
eine Fläche existiert, die dieselben bezüglich als erste und
zweite Fundamentalform besitzt, notwendig und hinreichend,
dass die Gleichungen (III) und (IV) befriedigt werden. Sind
diese Bedingungen erfüllt, so ist die entsprechende Fläche,
abgesehen von Bewegungen im Räume, eindeutig bestimmt.
Durch den Beweis dieses Satzes, den wir sogleich führen werden,
wird die den Formen /" vmd cp beigelegte Bezeichnung: Fundamental-
formen gerechtfertigt, und es leuchtet ein, dass alle aus der Gestalt
und Grösse der Fläche sich ergebenden Eigenschaften nur von den
sechs Coefficienten der Fundamentalformen abhängen werden. In Ana-
logie mit der für eine Curve eingeführten Bezeichnung: natürliche
Gleichungen können die Gleichungen:
f = Edii? + 2Fdudv -f Gdv^,
(p == I)du^+2I)'dudv -\-B"dv^
kurz die natürlichen Gleichungen der Fläche genannt werden.
§ 49. Existenz der Fläche mit gegebenen Fundamentalformen. 93
§ 49. Existenz und Eindeutigkeit der Placke, die zwei solchen
gegebenen Fundamentalfonnen entspricht, welche den Gleichungen
von Gauss und Codazzi genügen.
Wegen des invarianten Charaktei-s der Fundamentalgleichungen
(DI) und (IV) können wir beim Beweise des soeben ausgesprochenen
Satzes geeignetere neue Parameter u, v einfahren, und zwar wollen
wir im Anschluss an das Ergebnis des § 31 (^S. 58) diejenigen wählen,
welche gleichzeitig F und D' zu Null machen.
Wie wir in dem angeführten Paragraphen gesehen haben, sind
diese neuen Veränderlichen u, v vollkommen bestimmt, ausgenommen
den Fall, in dem die Proportion:
B:D':B"=E:F:G
besteht, die, wie man leicht einsieht, nur im Falle der Kugel (oder der
Ebene)*) gut. Gleich Constanten gesetzt geben die neuen Veränder-
lichen die sogenannten Krümmungslinien der Fläche (vgl. § 52).
*) In der That folgt aus der obigen Proportion:
D = 2£, D'=iF, D"=IG.
Setzt man dieses aber in (IV) ein und berücksichtigt, dass man dann nach (V),
S. 56, identisch hat:
cE cF
cv cu
c_GcF
cu Ci
so folgt:
IVI-+(!VI-r/l)-+!V|^=o,
i+r/i^+in-i?!)--!'/)«-«.
E
dl
Cu
0,
also
F
cl
er
1 =
CU
Const.
0,
Die Gleichungen (U),
§ 47, S.
89,
geben
dann, wenn
gesetzt wird:
l =
1
\R =
Con
ex
du
CU
dx
CV
cv
CV
cz ^dZ
=i( -K—i
CU Cu
Cr CV
Die Integration liefert:
.f = iJX + a, y = iJ r + 6, z = BZ -\- c {a, b, c = Const.).
Demnach ist (x — a)* + (y — fc)* -j- (z — c)^ ^= B^, und dieses ist die Gleichung
einer Engel. Im FaUe i =^ 0 folgt weiter, dass X, Y, Z constant sind, d. h. dass
94
Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
Setzen wir in den Fundamentalgleichungen (III) und (IV*) für die
Symbole ihre wirklichen Werte (Tabelle (A), § 35, S. 67) und für K
seinen durch die Gleichung (18), §35, gegebenen Wert ein, so lauten sie:
VEG "^ du \-[/E du ) ^ ^^- \]/G 8v / ~ '
(V)
YEG "^
d / D
dv \yE
d /D"
du [yG
kYe
B" dYE
G dv
D dy/G
E du
= 0.
= 0.
In jedem Punkte der Fläche, deren Existenz und Eindeutigkeit
wir unter der Voraussetzung, dass die Gleichungen (V) erfüllt sind,
nachweisen wollen, betrachten wir ein rechtwinkliges Trieder, das wir
das Haupttrieder nennen und das von den positiven Richtungen der
Tangenten an den beiden Curven v und u und der Flächennormale
gebildet wird. Bezeichnen wir die Cosinus dieser drei Richtungen be-
züglich mit Xj^, Fj, Z^'^ Xg, Fg, Z,^'^ Xg, Y^, Z^, so haben wir nach
(b), S. G3:
Ye du '
1 dy
X,-=
1 dx
YE du
Y,=
^ 1 ÜX
X,
X
^2 =
F = Y,
G dv
z..
1 cz
YE du
1 dz
YG dv '
z.
Setzen wir in den Fundamentalgleichungen (I) und (II), § 47,
S. 89, für die Christoffel'schen Symbole ihre wirklichen Werte ein,
so erhalten wir die folgenden Gleichungen:
dX,
du
dX,
dv
d_X,
du
dx,
dv
1 dYE -y ■ B ^
YG dv ^~^ YE ^
1 dYG
Ye du
X27
1 dYE -^
YG dv ^'
1 dYG V ] D" ^
YE du ^ ' Y^
die Fläche eine fJbene ist. Wir können dann nämlich unbeschadet der All-
gemeinheit X=0, Y ^= 0, Z = 1 setzen, und aus den Gleichungen (1), S. 86,
folgt dann:
££ __ d^
du ^ dv
0, d. h. z = Const.
§ 50. Beendigung des Existenzbeweises. 95
du ys ^'
cv yo -'
Die unbekannten Functionen Xj, X,, X^ müssen also den folgenden
drei homogenen totalen Differentialgleichungen genügen:
^ ^ » - yo dv ' ^ l y^ au * ^ |/(? ^j '
^ ys ^ yo ^
Demselben System (4) müssen auch die Functionen Y^, Y^, Y^
bez. Z^, Z^, Z5 genügen.
Dabei ist das System (4) unbeschränkt integrabel, da die In-
tegrabilitätsbedingungen zu eben den drei Relationen (V) führen, die
wir als erfüllt voraussetzen.
§ 50. Beendigung des Existenzbeweises.
Stützen wir uns nun auf den bekannten Satz*), dass bei einem
unbeschränkt integi-abeln System von totalen Differentialgleichungen
stets ein Lösungssystem existiert, das für die Anfaugswei-te Uq, r^ der
Veränderlichen u, v willkm-lich gegebene Anfangswerte annimmt, so
können wir unsem Beweis schnell zu Ende führen. Dazu ist nur noch zu
beachten, dass, wenn X^, X^, X3 und X/, X^', X.' zwei verschiedene
oder übereinstimmende Lösungssysteme der Gleichungen (4) sind, wegen
der speciellen Form dieser Gleichungen
X, X/ + X, X; + X3X3' = Const.
ist, da das vollständige Differential dieses Ausdrucks zufolge der Glei-
chungen (4) und der analogen Gleichungen für X/, X^', X3' identisch
verschwindet.
Nach diesen Vorbemerkungen seien Xj, X,, X3; l'^, 1^, Y^'^
Zi, Z.^, Z.^ di-ei Lösungssysteme von (4), die für u = «0, r = r^ in
die neun Coefficienteu einer orthogonalen Substitution:
Xi«» X^^ö) XjW
Y^m lyo) ^-^(0)
Zi««) Z2<») Zg«»)
*) S. z. B. C. Jordan, Trait^ d' Analyse, Bd. 3.
96 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der FHichentiieorie.
Übergehen mögen. Aus der obigen Bemerkung folgt, dass für alle
Werte von u und v die Grössen:
X,
X,
X,
Y.
Y.
Y.
z.
z.
z.
die Coefficienten einer orthogonalen Substitution sein müssen; ins-
besondere wird sein:
Ä7 + Y,' + Z^ = 1,
X,X,+ Y,Y,-j-Z,Z,^0
u. s. w.
Nun sind infolge der Gleichungen (4) selbst die drei Ausdrücke:
y'EX,du-{-yGX,dv, Y'EY.du+yGY.dv, YEZ.du-j-YGZ^dv
vollständige Differentiale. Setzen wir also
X -^fiYEX^du + YGX^ dv), y =f{YE Y,du + j/^ Y, dv) ,
z =f(YEZ,du + Y^Z., dv)
und betrachten wir x, y, z als die laufenden Coordinaten eines Punktes
einer Fläche, so hat diese Fläche in der That die beiden gegebenen
Formen zu Fundamentalformen.
Was endlich denjenigen Teil des Fundamentalsatzes betrifft, der
sich auf die Eindeutigkeit bezieht, so ergiebt sich dieselbe entweder
aus der linearen Form der Gleichungen (4) oder mittels derselben Ueber-
legung, wie wir sie bereits § 8, S. 13, für die Curven angestellt haben.
Bemerkung. Beim Beweise des obigen Satzes haben wir uns der
Einfachheit halber auf ein besonderes System von Parameterlinien
(Krümmungslinien) bezogen; doch ist wohl zu beachten, dass, auch
wenn die unabhängigen Veränderlichen ganz allgemein gelassen wer-
den, als Haupttrieder dasjenige z. B. eingeführt werden kann, das in
jedem Punkte der Fläche von den Halbierungslinien des Winkels
zwischen den Tangenten der Parameterlinien und von der Flächen-
normale gebildet wird. Für die neun Cosinus dieser drei Richtungen
würden wir, wie hier das System (4), ein zufolge der Fundamentalglei-
chungen (III) und (IV) unbeschränkt integrables System totaler Diffe-
rentialgleichungen erhalten, und wie in § 9, S. 15, könnte die Aufgabe,
die Fläche zu bestimmen, auf die Integration einer (totalen) Differen-
tialgleichung vom Riccati'schen Typus zurückgeführt werden. Daraus
folgt das Ergebnis:
Zur wirklichen Bestimmung der zwei gegebenen Funda-
§ 51. Krümmungslinien der Fläche. 97
mentalformen entsprechenden Fläche ist die Integration einer
Differentialgleichung vom Riccati'schen Typus erforderlich.
§ 51. Krümmungslinien der Fläche.
Betrachtet man auf einer Fläche S eine beliebige Curve L und
ei-richtet man längs der Curve die Flächennonnalen, so werden diese im
allgemeinen eine nicht abwickelbare Linienfläche (Regelfläche)
bilden. In dem besonderen Falle, dass diese Linienfläche abwickelbar
ist, d. h. dass die Normalen von S längs L die Tangenten einer ge-
wissen Curve im Räume sind (oder durch ein und denselben Punkt
gehen), wird die Curve L eine Krümmungslinie der Fläche genannt.
Wir sehen sofort, dass nach dieser Definition jede in der Ebene
oder auf der Kugel gezogene Curve als Krümmungslinie der Ebene
bez. Kugel aufzufassen ist, da längs einer solchen die Xormalenfläche ein
Cjlinder bez. ein Kegel ist. Auf jeder anderen Fläche giebt es, wie
wir nun nachweisen wollen, nur eine einfach unendliche Mannigfaltig-
keit von Krümmungslinien, die ein doppeltes Orthogonalsystem stets
reeller Curven bilden.
Wir führen zunächst einige Eigenschaften der Krümmungslinien
an, die direct aus ihrer Definition und den in § 17, Kap. I (S. 30),
angegebenen Sätzen A) und B) über Evoluten folgen.
Ist die Schnittcurve C zweier Flächen für beide eine
Krümmungslinie, so ist der Winkel, unter dem sich die
Flächen längs C schneiden, constant. Umgekehrt, schneiden
sich zwei Flächen unter constantem Winkel und ist ihre
Schnittcurve Krümmungslinie für die eine Fläche, so ist sie
es auch für die andere.
Da femer in der Ebene und auf der Kugel jede Curve Krüm-
mungslinie ist, haben wir als Zusatz:
Schneidet eine Ebene oder eine Kugel eine Fläche S in
einer Krümmungslinie, so schneidet sie S unter constantem
Winkel. Umgekehrt, schneidet eine Ebene oder eine Kugel
eine Fläche S unter constantem Winkel, so ist die Schnitt-
curve eine Krümmungslinie von S.
Demnach sind z. B. auf einer Rotationsfläche die Meridiane und
die Parallelkreise Krümmunorslinien.
Sehen wir nun zu, durch welche analytische Bedingung eine
Krümmungslinie L charakterisiert ist. Längs einer solchen sind «, r;
X, y, z- X, 1', Z als Functionen einer einzigen Yeränderlichen, z. B.
des Bogens s von L, zu betrachten. Ist M(x, y, z) ein Punkt von
B i a n c h i , Differentialgeometrie. 7
dy
ds
dY
— r ^.
ds
ds
dz
dZ
v dr
— Zj -, •
ds
ds
ds
98 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
L und My {x^, j/^, 0^) derjenige Punkt, in dem die Rückkehrkante C^
der Developpabeln, die von den Normalen längs L gebildet wird, von
der Normale des Punktes M berührt wird, so haben wir:
(5) Xj^=x — rX, y^=y — rY, z^ = 3 — rZ,
wo r den algebraischen Wert der Strecke M^M bezeichnet und positiv
oder negativ ist, je nachdem die Richtung von M^ nach M mit der
positiven oder negativen Richtung der Normale zusammenfällt.
Differenzieren wir die Gleichungen (5) nach s und berücksichtigen
wir, dass -^ y -— , -^ - nach Annahme proportional bez. X, Y, Z sind,
da eben die Flächennormale Tangente von 6\ ist, so erhalten wir:
. -r^ dx dX -tr dr
A,X = -^ r --, X-^,
ds ds ds
XY =
XZ =
Multiplicieren wir diese Gleichungen der Reihe nach mit X, Y, Z und
addieren wir, so folgt:
, dr
ds
1 dx dX dy dY dz dZ
also : -— = r —r~ ? -y- = r —j— > ~r = >' -:i
ds ds ds ds ds ds
oder: Längs der Krümmungslinie L muss die Proportion:
(6) dx:dy:dz = dX:dY:dZ
bestehen.
Umgekehrt, wenn längs einer Flächencurve C die Proportion (6)
besteht und r den gemeinsamen Wert der drei Verhältnisse :
dx dy dz
dX ^Jy^JZ
bezeichnet, so sieht man sofort, dass die Gleichungen (5) eine Curve
Ol definieren, deren Tangenten die Flächennormalen längs C sind. Es
ist demnach die Proportion (6) für die Krümmungslinien
charakteristisch.
Auch braucht hier nicht der Fall ausgenommen zu werden, in dem
sich die Curve C^ auf einen Punkt zusammenzieht; es ist dann nur:
dx^ = dy^ = dz^ = 0,
also auch dr = 0, d. h. r == Const.
§ 52. Hauptkrämmangsradien der Fläche. 99
§ 52. Hauptkrti m mtmgsradien der Fläche.
Wir drücken nun die für eine Krummungslinie charakteristischen
Gleichungen:
dx = rdX, dy = rd F, dz = rdZ
in krummlinigen Coordinaten aus. Zu diesem Zwecke sehreiben wir
sie wie folgt:
-;^ du -\- 7^— dv = r (-.^ du -j — ^— dv) .
'^du-^t^ dv = r (i^ du + i^dv),
du * cv \ cit ' cv /'
•
TT- du 4- 7^- rfy == r (^ — du + — — dv) .
cu ' cv \cu ' cv /
Statt dieser Gleichungen können wir auch das äquivalente System setzen,
das sich eronebt, wenn das erste Mal mit t^— > t^j ^, das zweite Mal
® ' cu cu cu^
mit 7^7 r--j ." j das dritte Mal mit X, Y, Z multipliciert und iedes
cv er cv ' ' ^ "'
Mal addiert wird.
Das letzte Mal ergiebt sich eine Identität, und wir erhalten somit
nur die beiden Gleichungen {\g\. § 46):
iJEdu 4- Fdv = — r{D du + D'dv),
^^^ [Fdu + G dv = — r{D'du + D"dv).
Die Elimination von r aus diesen beiden Gleichungen ergiebt als
Differentialgleichung der Krümmungslinien:
^ Edu + Fdv Fdu -]- Gdv j _
^ ^ I Ddu + D'dv D'du + I)"dv I ^ '
Diese Determinante ist genau die Jacobi'sche Form der beiden
Grundformen. Schliessen wir also den FaU:
D:D':I)"=F:F:G,
in dem die Fläche eine Kugel oder eine Ebene ist*j, aus und erinnern
wir uns der Ergebnisse des § 31, Kap. 11 (S. öS), so haben wir den Satz:
*) Zu dem in der Anmerkung zu § 49 (S. 93) hierfür gegebenen analyti-
schen Beweise kann ein einfacher geometrischer leicht hinzugefügt werden. Im Falle
der Proportion D : D' : D" = E : F : G ist wegen (8i jede Curve auf der Fläche
S Krummungslinie. Daraus folgt, dass, wenn M und 3f' zwei beliebige Punkte
von S sind, die Normalen in J/ und M' in einer Ebene liegen. In der That,
durch die Normale in M und durch den Punkt J/' lege man die Ebene, welche
S in einer Curve C schneiden möge. Die Flächennormalen längs C bilden eine ab-
wickelbare Fläche, d. h. sie sind Tangenten einer Evolute von C. Da die Nor-
male Ton M in der Ebene der Curve C Hegt, so liegt auch jede andere Normale
7*
100 Kajj. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
Auf jeder Fläclie giebt es ein doppeltes Orthogonal-
system von Krümmungslinien^ das stets reell ist. Eine Un-
bestimmtheit tritt nur im Falle der Kugel und der Ebene
ein; für diese Flächen ist jede Curve Krümmungslinie.
Durch jeden Plächenpunkt M gehen also zwei Krümmungslinien L^
und L.^, die sich in ihm rechtwinklig durchsetzen. Die Normale von M
berührt die Rückkehrcurve der von den Flächennormalen längs L, er-
zeugten abwickelbaren Fläche in einem Punkte, den wir mit J/j^ be-
zeichnen wollen; dieser Punkt heisst der Krümmungsmittelpunkt
der Fläche in M bezüglich der Krümmungslinie X^ . Desgleichen haben
wir auf der Normale von M einen zweiten Krümmungsmittelpunkt M^
bezüglich L^, und die Strecken:
werden aus einem Grunde, den wir in § 54 einsehen werden, als Haupt-
krümmungsradien der Fläche in M bezeichnet.
Eliminieren wir aus unseren Gleichungen (7) das Verhältnis (hi : dv,
so kommen wir offenbar zu dem Ergebnis:
Die Hauptkrümmungsradien r^ und r^ der Fläche sind in
jedem Punkte als die Wurzeln der in r quadratischen Glei-
chung:
(9) {DD"— D'')r' -f (ED"^ GD — 2FD')r + EG — F'^0
gegeben.
§ 53. Badien der ersten Krümmung der auf einer Fläche gezogenen
Curven und Meusnier'scher Satz.
Wir wollen nun untersuchen, welche Beziehungen zwischen den
Radien der (ersten) Krümmung der unendlich vielen Curven bestehen,
die auf einer Fläche durch ein und denselben Punkt M gezogen wer-
den können.
Es sei C eine solche Curve, längs deren u i'; x, y, B Functionen des
Bogens s der Curve seien. Indem wir für die Curve C die Bezeich-
längs C, insbesondere die von M\ in derselben Ebene. Es schneiden sich dem-
nach alle Normalen von S paarweise, und da sie nicht in einer Ebene liegen
können, müssen sie durch einen Punkt 0 gehen. Liegt 0 in endlicher Entfer-
nung, so ist hiernach S eine Kugel (mit dem Mittelpunkt 0); liegt 0 im Unend-
lichen, so ist S eine Ebene.
*) Es sei daran erinnert, dass r^ und r^ positiv oder negativ gerechnet wer-
den, je nachdem die Richtungen von M^ nach M und von M^ nach M mit der
positiven oder mit der negativen Normalenrichtung zusammenfallen.
§ 53. Krünmmngsradien der Flächencurven, Meusnier'sche? fisdU^ '■ -tOl
nungen des ersten Kapitels beibehalten, erhalten wir' soijliif f^if' di^
Richtungscosinus ihrer Tangente (§ 34, Kap. III):
(10)
ex du , ex dv 3 cy du , dy dv
cos a = ^^ -T- 4- TT- -s- f cos/3 = Tr^^ — \- -t-- -j-
c« ds * ev as "^ cu ds ' ev ds
dz du , ez dv
QOSy = ^^ L __
' cu ds ^ er ds
Bezeichnen wir mit 6 den zwischen 0 und n gelegenen Winkel, der
Ton den positiven Richtungen der Hauptnormale von C und der Flächen-
normale gebildet wird, so haben wir nach den ersten Frenetschen
Formeln (S. 10):
"VT TT- d cos a cos ff
.^M ds Q
demnach zufolge (10) und (3) (S. 87):
cosc Ddu' -^ '2D'dHdF-\- D" dv*
oder:
.^^x cosö Ddu- -\- ^B'dudc -\- D" dv^
Durch die Flächennormale von M und durch die in Jf an C gezogene
Tangente legen wir die Ebene: sie liefert auf der Fläche eine Schnitt-
curre F, die als Normalschnitt längs C bezeichnet werde. Die
erste Krümmimg „ Ton F in 3f wird wieder durch die Gleichung (^11)
gegeben, wenn darin costf = + 1 gesetzt wird, je nachdem die Con-
cavitat von F nach der positiven oder negativen Richtung der Nor-
male liegt. Daraus ergiebt sich sofort die Gleichung:
p = + i? cos 6j
d. h. der Meusnier'sche Satz:
Der Radius der ersten Krümmung einer auf einer Fläche
S gezogenen Curve C ist in jedem Punkte M gleich dem
Krümmungsradius des Normalschnitts längs der Curve C in
M, multipliciert mit dem Cosinus des Winkels, den die
Schnittebene mit der Schmiegungsebene der Curve bildet.
Wir können uns demnach auf die Untersuchung der Normal-
schnitte beschränken.
Für diese wird die Gleichung (11) die folgende:
1 , DrfM^ + -iD'dudv + D"dt^
E~— Edu* -{-2Fdudv -\- Gdv^
Dabei hängt die Wahl des oberen oder unteren Vorzeichens von dem
vorhin erwähnten Umstand ab: bei dieser Wahl ergiebt sich (infolge
der in der Curventheorie getroffenen Festsetzung, dass die erste Krüm-
102 ; ; I^QP- 4. Die Fundamentalgleichungen der Fiächentheorie.
'^Bfuii^ ; stM9^\einen positiven Wert haben soll) als thatsächliclies Vor-
zeichen der rechten Seite in jedem Falle das positive.
Da aber hier für die unendlich vielen Normalschnitte alle Strecken
R auf derselben Geraden, der Normale von M, gemessen werden, auf
der die positive Richtung bereits definiert ist, so dürfte es doch zweck-
mässiger sein, auch B mit einem Vorzeichen zu versehen, und zwar
setzen wir fest, dass R positiv gerechnet werden soll, wenn die Rich-
tung vom Krümmungsmittelpunkt des Normalschnitts nach dem Nor-
malenfusspunkt mit der positiven Richtung der Normale zusammen-
fällt, negativ im entgegengesetzten Falle (s. den vorigen Paragraphen).
Zufolge dieser neuen Festsetzung haben wir in allen Fällen aus-
nahmslos :
1 Ddu^ -\- 2D'dudv -^ D"dv'
(12)
E Edu^ + 2Fdudv -\- Gdv'
§ 54. Euler'sclie Formel und Dupin'sche Indicatrix.
Wählen wir nun die Krümmungslinien zu Parameterlinien und
bezeichnen wir mit r^ bezw. r^ die in § 52 eingeführten Grössen, so
haben wir längs der Krümmungslinien u:
dx = r^ dX, dy = r.^dY, dz = r^ dZ
und längs der Krümmungslinien v:
dx = r^dX, dy == r^dY, dz = r^dZ,
d. h.:
(13)
dx dX dy cY dz dZ
du ^ du du ^ du du ^ l)u
dx_ dX dy dY dz dZ
cv
^ cv cv ^ cv cv ^ cv ^
folglich nach den Formeln (3) S. 87:
(14) 1)= — ^, D'=0, D"= — ~-f
demnach wegen (12):
B ~~ Edu^ -\- Gdv^ rj \ds/ '^ r, \ds/ '
Bedeutet 0' den Winkel, den der betrachtete Normalschnitt mit der
Curve V bildet, so ergiebt sich die Euler'sche Formel:
.^ ^x 1 cos --9' , sin^'9'
1) Gleichungen von Rodrigues.
§ 54. Euler'sche Formel und Dupin'sche Indicatrix. 103
Hieraus folgt munittelbar: )\ und r^ sind die Hauptkrümmungs-
radien der Normalschnitte längs der Krümmungslinien. Diese
Schnitte heissen Hauptschnitte, deshalb r^ und r.,, wie bereits be-
merkt, Hauptkrümmungsradien: die Krümmungsmittelpunkte der
Hauptschnitte sind die beiden am Schlüsse des § 52 betrachteten Punkte
M^ und JLQ- Sie werden die Krümmungsmittelpunkte der Fläche
in M genannt.
Wir untersuchen nun, wie sich der Krümmungsradius B, des Nor-
malschnitts ändert, wenn die Schnittebene gedreht wird. Ein recht
klares Bild von der Art der Aenderung erhält man mit Hilfe der fol-
genden Betrachtungen :
1) Nehmen wir an, es hätten in dem betreffenden Punkte )\ und
r^ dasselbe, z. B. das positive Zeichen. In der Tangentialebene von M
führen wir ein rechtwinkliges Coordinatensystem ein, dessen Axen |, r^
bezüglich mit den Tangenten der Krümmungslinien «, v zusammen-
fallen, und betrachten diejenige Ellipse, welche die Gleichung:
(16) r + v = i
hat.
Die Länge eines Halbmessei*s q der Ellipse, der mit der 7/-Axe
(Tangente der Curve v) den Winkel d^ bildet, ist durch die Gleichung:
1 cos*«- sin »'S-
? ~ ~17~ + ~^
gegeben. Also ist wegen (15)
q' = B.
Es ist daher das Quadrat jedes Halbmessers der Ellipse (16)
gleich dem Krümmungsradius desjenigen Normalschnitts,
dessen Ebene durch den betreffenden Halbmesser gelegt ist.
Aus diesem Grunde wird die Ellipse (16) die Indicatrixellipse ge-
nannt.
Es mag bemerkt werden, dass dieselbe für r^ = r, ein Kreis wird
und also in diesem Falle alle Norm^schnitte durch M denselben Krüm-
mungsradius haben. Der Punkt 31 wird dann ein Kreis- oder Na-
belpunkt genannt. Die einzige Fläche, deren sämtliche Punkte Kreis-
punkte sind, ist die Kugel*).
2) Es mögen nun r^ und r.^ entgegengesetzte Vorzeichen haben,
und um die Ideen zu fixieren, nehmen wir r^ positiv, n negativ an.
Wir betrachten dann in der Tangentialebene die beiden conjugierten
Hyperbeln :
*) In der That muss für eine solche Fläche überall D.D':D"= E: F: G sein.
.!?__
^^
1
-'-2
^;
v'
_
1.
-r.
104 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Plächentheorie.
Mit dem System dieser beiden eonjugierten Hyperbeln erzielen wir die-
selbe geometrische Veranschaulichung wie vorher mit der Ellipse (16).
Die Ellipse (16) im ersten bez. das System der beiden Hyperbeln
(17) im zweiten Falle bilden die Dupin'sche Indicatrix, so genannt
nach dem Namen des Mathematikers, der zuerst die obige geometrische
Deutung der Euler'schen Formel gab.
Es ist zu bemerken, dass im ersten Falle die Fläche in der Um-
gebung von M ganz auf einer Seite der Tangentialebene liegt. Die
Normalschnitte drehen dann nämlich ihre concave Seite sämtlich der-
selben Richtung der Normale zu. Im zweiten Falle dagegen liegt die
Fläche in der Umgebung von M teils auf der einen, teils auf der
anderen Seite der Tangentialebene*), und zwar wenden diejenigen Nor-
malschnitte, deren Ebenen die erste der Hyperbeln (17) in reellen Punk-
ten schneiden, ihre concaven Seiten alle nach der einen, die übrigen,
welche die conjugierte Hyperbel in reellen Punkten schneiden, nach
der entgegengesetzten Seite. Der Uebergang von der einen zu der
anderen Schnittgattung findet dann statt, wenn die durch die Normale
gelegte Ebene durch eine der beiden Asymptoten der Hyperbeln (17) geht,
und es ist dann für den betreffenden Normalschnitt ,, =0, was einen
Wendepunkt dieses Normalschnitts bedeutet. Diese beiden ausgezeich-
neten Richtungen, die in der Tangentialebene von M ausgehen, wer-
den demnach als asymptotische Richtungen oder Haupttangenten
*) Auf einem kürzeren Wege gelangen wir zu demselben Ergebnis folgender-
massen :
Wir betrachten die Tangentialebene im Punkte (w, v) der Fläche und be-
rechnen die Entfernung 8 des unendlich benachbarten Punktes {u -j- '' , v-\- k) (wo
h und Tc als unendlich klein von der ersten Ordnung anzusehen sind) von dieser
Ebene. Wir erhalten:
8 = \{Dh^ + 2D'hk -\- D"k^) + rj,
wo 7] unendlich klein von der dritten Ordnung ist. Das Zeichen von 8 hängt
also von demjenigen von
(a) Bh^ -\-2l)'hk-\- B"k*
ab.
Ist nun DB" — Z)'^ > 0, d. h. ist der betreffende Punkt, wie man sagt,
elliptisch,, so ist die Form (cc) definit, und 8 behält immer dasselbe Zeichen;
ist BB" — B'^ •< 0, d. h. der Punkt hyperbolisch, so nimmt die Form (a),
somit auch (5, positive und negative Werte an.
§ 55. Totale und mittlere Kriimmunfr. 105
bezeichnet. Sie teilen die Fläche in der Umgebung von M in vier
Sectoren, die abwechselnd auf der einen und auf der anderen Seite der
Tangentialebene liegen.
§ 55. Totale und mittlere Krümmung.
Wie wir schon gesehen haben, hängt die Art, wie eine Fläche
S in der Umgebung eines ihrer Punkte gekrümmt ist, aufs engste
von den Werten ihrer Hauptkrümmungsradien )\ und r^ ab. Statt
rj, r^ selbst können auch zur Definition dieser Art der Krümmung
zwei Combinationen von )\ und /•., gegeben werden, aus deren Werten
umgekehrt diejenigen von )\ und r^ berechnet werden können. Die
wichtigsten zu betrachtenden Functionen von r^, }\ sind das Pro-
duct und die Summe der beiden Hauptkrümmungen und — . Wir
bezeichnen sie bezüglich mit
Die erste heisst das Krümmungsmass, die totale oder Gaussi-
sche Krümmung, die zweite die mittlere Krümmung der Fläche.
Erinnern wir uns daran, dass in beliebigen ki-ummlinigen Coordinaten
die Hauptkrümmungsradien die Wurzeln der quadratischen Gleichung
(9), § 52, S. 100, sind, so erhalten wir als allgemeine AVerte von K
und H unmittelbar:
1^ EG — F^ '
(^^) I n- _ 2FD'— ED"— GD
l EG—F'
Die Au-sdrücke rechts sind absolute Invarianten der beiden Funda-
mentalformen (s. § 31, Kap. H)*).
Für die Gaussische Krümmung aber haben wir nun gemäss den
Resultaten des § 48 den höchst wichtigen Satz:
Die Gaussische Krümmung einer Fläche ist gleich der
Krümmung der ersten Fundamentalform.
Diese Eigenschaft der totalen Krümmung, nur von den Coefficien-
ten der Form für das Linienelement-Quadrat abzuhängen, ist es (wie
wir im Kapitel über dieAbwickelbarkeit näher sehen werdend die eben
dieser Krümmung in den geometrischen Anwendungen überwiegende
*) Dieses entspricht der Thatsache, dass die totale und die mittlere Krüm-
mung eine von der Wahl der krummlinigen Coordinaten völlig unabhängige Be-
deutung haben.
106 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
Bedeutung verleiht. Sie wird deshalb auch oft schlechtweg als
Krümmung bezeichnet.
Die Krümmung K ist positiv in den Punkten mit elliptischer,
negativ in solchen mit hyperbolischer Indicatrix; erstere heissen, wie
schon bemerkt, elliptische, letztere hyperbolische Punkte der Fläche.
Im allgemeinen giebt es auf einer Fläche ein Gebiet elliptischer
und ein solches hyperbolischer Punkte, die durch eine Curve para-
bolischer, d. h. solcher Punkte, in denen die Krümmung Null ist,
geschieden werden.
Als Ergänzung zu diesen Bemerkungen wollen wir den Satz be-
weisen: Eine Fläche, die in allen Punkten die Krümmung Null
besitzt, ist eine abwickelbare Fläche.
Dass alle abwickelbaren Flächen die Krümmung Null besitzen,
folgt unmittelbar daraus, dass nach den Sätzen über Curvenevoluten
(§17, Kap. I) die Krümmungslinien einer solchen Fläche die Erzeu-
genden und deren orthogonale Trajectorien sind; von den beiden Haupt-
krümmungen ist die den Erzeugenden zukommende stets gleich Null.
Besitzt umgekehrt die Fläche S die Krümmung Null, so ist
DD"— D'2=0,
und, wenn die Krümmungslinien zu Parameterlinien gewählt werden,
D'=0,
also auch D = 0 oder D"= 0. Angenommen, es wäre:
D = 0, D'= 0.
Nach den Grundgleichungen (II), § 47 (S. 90), ist dann: .
^^^ = 0 ^^=0 ^^ = 0
du 'die 'die '
d. h. X, Y, Z sind Functionen von v allein. Aber aus den Gleichungen:
■\/E du yE du ys du
1 dxdX^^ 1 dy dY _. 1 dzdZ ^
yE du dv yE du dv YE du dv '
von denen die zweite nach (j^), S. 87, aus D'= 0 folgt, ergiebt sich
weiter, dass die Richtungscosinus der Tangente der Krümmungslinie v,
1 dx 1 dy t dz
yE du yE du ' yE d u
Functionen von v allein, folglich längs jeder einzelnen Curve v con-
stant sind. Die Krümmungslinien v sind also gerade Linien, und S
ist nach den angeführten Sätzen über Evoluten abwickelbar.
§ 56. Conjugierte Systeme. 107
Die Annahme:
B"= 0, D'= 0
erledigt sich ganz analog, nur vertauschen dann die Curven n und v
ihre Rollen.
§ 56. Conjugierte Systeme.
Zwei Tangenten einer Fläche, die von einem Punkte M der Fläche
ausgehen, heissen nach Dupin conjugiert, wenn sie bezüglich der In-
dicatrix conjugiert sind.
Beziehen wir uns auf die Krümmungslinien «, v und bezeichnen
wir mit %-, ■&■' die Neigungswinkel der beiden conjugierten Tangenten
gegen die Curve r, so haben wir zufolge der obigen Festsetzungen:
tg^tg^'=- '■^.
Wenden wir femer das Symbol d bei den Zunahmen längs der ersten,
ö bei denjenigen längs der conjugierten Richtung an, so haben wir
nach (10), S. 65: _
^^^ = VEdTc^ ^^^ = VeTu^
demnach:
(19) -du8u-\--ävöv = 0.
Zu den conjugierten Richtungen auf der Fläche werden wir auch
durch die folgende Betrachtung geführt: Es sei C eine beliebige Curve
auf der Fläche S, bezogen auf ein beliebiges krummliniges Coordi-
nat^nsystem (u, v). Die Tangentialebenen von S längs C umhüllen
eine abwickelbare Fläche, die der Fläche S längs C umschrieben ist.
Wir wollen nun beweisen, dass in jedem Punkte von C die Tan-
gente von C und die Erzeugende der umschriebenen Deve-
loppabeln conjugierte Tangenten sind*).
Wir setzen zu diesem Zwecke die Gleichung der Tangentialebene
von S in einem Pimkte {x, y, z) von C an:
(20) (I - x)X-\- {n - y) r+ iX - 2)Z=0.
Hierbei bedeuten |, i;, t, die laufenden Coordinaten. Längs C sind so-
sowohl X, y, z, als auch X, Y, Z Functionen des Bogens s von G
und die sich durch Differentiation von (20) nach s ergebende Gleichung:
*) Insbesondere folgt hieraus: Auf der einer Fläche 5 längs einer
Krümmungslinie C umschriebenen Developpabeln ist die Curve C
Orthogonaltrajectorie der Erzeugenden. Es ist dieses eine charakte-
ristische Eigenschaft der Krümmungslinien und könnte zu ihrer Definition dienen.
108 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
(21) (I _.)« + (,_, )^^>:+(j_,)« = o
giebt mit (20) combiniert die durcb den Punkt (x, ij, z) gehende Er-
zeugende G der genannten Developpabeln. Bezeichnen wir demnach
durch das Symbol d die Zunahmen von x, y, z auf der Fläche in der
Richtung von G und berücksichtigen wir, dass die Richtungscosinus
von G sowohl proportional
Y*^^ y^^^ fydX ^ dZ v^^ -r^«iX
ds ds ' ds ds ' ds ds
als auch proportional öx, dy, 8z sind, so erhalten wir:
dxdX + 8ydY-\- 8zdZ=0
oder, wenn wir x, y, z-^ X, Y, Z durch ?t und v ausdrücken:
(22) Ddu du + B'{du8v + dv du) + D"dvdv = 0.
Werden die Krümmungslinien zu Parameterlinien gewählt, so
stimmt diese Gleichung wegen der Gleichung (14), S. 102, genau mit
(10) überein und beweist die vorhin ausgesprochene Eigenschaft.
Man sieht, dass die Gleichung (22), die besagt, dass die den Zu-
nahmen d, ö entsprechenden Linienelemente conjugiert sind, bezüglich
der zweiten Grundform ebenso gebildet ist, wie die Orthogonalitäts-
bedingung (11), § 34, Kap. (S. 65):
Edu du + F{dudv + dv du) + Gdv dv == 0
bezüglich der Coefficienten der ersten Grundform.
Eine doppelte Curvenschar auf einer Fläche heisst ein conju-
giertes System, wenn in jedem Punkte die Richtungen der beiden
hindurchgehenden Curven conjugiert sind.
Offenbar kann die eine der beiden Scharen willkürlich gewählt
werden. Wenn ihre Gleichung, nach der willkürlichen Constanten c auf-
gelöst, die Form:
(p(u, v) == c
hat, so sind die Curven der zweiten Schar die Integralcurven der Dif-
ferentialgleichung erster Ordnung (vgl. § 34, S. 66, (12)):
(d'^-D' f^) da 4- (Z)'^ - B" P) dv = 0.
\ CV CHl \ CO cul
Insbesondere merke man: Die notwendige und hinreichende Be-
dingung dafür, dass die Parameterlinien selbst ein conjugier-
tes System bilden, ist: Z)'= 0.
Die doppelte Schar der Krümmungslinien ist sowohl orthogonal
als auch conjugiert und die einzige, der diese beiden Eigenschaften zu-
kommen.
§ 57. Haupttangentencurven. 109
§ 57. Haupttangentencurven.
Eine auf einer Fläche liegende Curve heisst Asymptoten- oder
Haupttangentencurve, wenn in jedem ihrer Punkte die Tangente
mit der zu ihr eonjugierten zusammenfällt. Aus {22) folgt, dass längs
einer Haupttangentencurve die Bedingung:
(23) Ddu^ + 2D'du dv + D" dv'' = 0
erfüllt sein muss. Umgekehrt: genügt eine Curve auf der Fläche
der Differentialgleichung (23), so ist sie eine Haupttangentencurve.
Wie die Krümmungslinien bilden auch die Haupttangentencurven eine
(im allgemeinen nicht orthogonale) doppelte Schar, und in jedem
Flächenpunkte fallen die Richtungen der beiden hindurchgehenden
Haupttangentencurven mit den Asymptoten der Dupin'schen Indicatrix
zusammen.
Natürlich sind die Haupttangentencurven nur dann reell, wenn
BD" — D'^<0 ist, d. h. im Gebiet der hyperbolischen Punkte, ima-
ginär im Gebiet der elliptischen Punkte. Nur bei den abwickelbaren
Flächen (§ 55) fallen die beiden Systeme der Haupttangentencurven
zusammen und zwar mit den Erzeugenden.
Wir können nun leicht erkennen, dass aus der obigen Definition
der Haupttangentencurven unmittelbar der Satz folgt:
In jedem Punkte einer Haupttangentencurve A fällt ihre
Schmieguugsebene mit der Tangentialebene der Fläche zu-
sammen. Umgekehrt, besitzt eine Curve A diese Eigenschaft,
so ist sie eine Haupttangentencurve.
Es hat nämlich die der Fläche längs der Haupttangentencurve A
umschriebene Developpable die Tangenten der Curve A, die ihre Rück-
kehrkante ist, zu Erzeugenden.
Umgekehrt, hat die der Fläche längs A umschriebene Develop-
pable diese Curve zur Rückkehrkante, so ist die Curve eine Haupt-
tangentencurve.
§ 58. Laplace'sclie Gleicliung für die Coordinaten x, ij, z der
Flächenpunkt^ bei Zugrundelegung conjugierter Parameterlinien.
Wir wollen nun mit Darboux*) einige wichtige Eigenschaften
der eonjugierten Systeme und der Haupttangentencurven entwickeln.
Angenommen, die Gleichungen:
X = x{u, v), y = yiii, v), z = z{ii, v)
*) Bd. I, S. 127 ff.
110
Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
definieren uns eine auf ein eonjugiertes System (ii, v) bezogene Fläche.
Da dann D'= 0 ist, so giebt uns die mittlere der Fundamentalglei-
chungen (I) des § 47 (S. 89) den. Satz:
Die Cartesischen Coordinaten x, y, z eines beweglichen
Flächenpunktes sind Lösungen ein und derselben Laplace-
schen Gleichung von der Form:
(24) K— 7^ = a . 1-0 7^,
^ '' cucv cu ' cv
b =
12\
2 I
Umgekehrt gilt der Satz:
Sind x{u, v), y{u, v), z{u, v) Lösungen ein und derselben
Laplace'schen Gleichung (24), so bilden die Curven u, v auf
der Fläche:
2 = Z(u, V)
X = x(
u, v),
y = y
{u, v),
ein eonjugiertes System.
In der That ist dann
*
dudv
d^y
du dv
d'z
dudv
dx
du
djj
du
dz
du
dx
dv
d_y_
dv
dz
dv
= 0,
d. h. B'= 0.
Andererseits wollen wir nun annehmen, es wären die Curven u, v
die Haupttangentencurven. In diesem Falle haben wir zufolge (23)
D = 0, D"= 0,
und die Gleichungen (I), § 47, (S. 89) geben den Satz:
Die Coordinaten x, y, g eines beweglichen Flächenpunk-
tes, ausgedrückt als Functionen der Parameter u, v der Haupt-
tangentencurven, genügen gleichzeitig zwei Gleichungen von
der Form:
(25)
d^&
. du^
y dv^
o: ;s \- ß 7^—f
CU ' ^ OV
d& , ^d&
' c u ' cv
fll
ll "
2 2
Umgekehrt: Haben zwei simultane Gleichungen (25) drei linear von
einander unabhängige gemeinsame Lösungen x, y, z *), so definieren
die Gleichungen:
X = x(u, v), y = y{iij v), z = z{u, v)
eine Fläche, die auf ihre Haupttangentencurve bezogen ist.
*) Dazu muss das System (25) unbeschränkt integrabel sein.
§ 58. Laplace'sche Gleichung für x, y, z. 111
Diese Eigenschaften können zum analytischen Beweise des folgenden
Satzes dienen:
Bei den projectiven Transformationen gehen die conju-
gierten Systeme und die Haupttangentencuryen einer Fläche
in ebensolche über*).
Eine projective Transformation ist durch die Gleichungen:
gegeben, wo a, ß, y, d ganze lineare Functionen yon x, y, z, also,
wenn (m, v) ein conjugiertes System ist, Lösungen yon (24) und, wenn
(ti, v) die Haupttangentencuryen sind, Lösungen des Systems {2d) sind.
Wird aber d^'= gesetzt, so geht die Gleichung (24) in eine ana-
loge für ^' über und ebenso das System (25) in ein solches yon
derselben Form, wodurch die behauptete Eigenschaft bewiesen ist. Im
nächsten Kapitel, das yon den Ebenencoordinaten handelt, werden wir
in gleicher Weise sehen, dass auch den dualistischen Transformationen,
insbesondere den Transformationen durch reciproke Polaren im Räume,
die nämliche Eigenschaft zukommt (s. § 73).
L'nter den conjugierten Systemen (?<, v) befindet sich auch das-
jenige der Krümmungslinien. Wir können nun fragen, welche beson-
dere Eigenschaft die Gleichung (24), der x, y, z genügen, besitzt,
wenn man die Krümmungslinien zu gründe legt. Mit Darboux finden
wir, dass in diesem Falle auch X' -\- y~ -\- z^ eine Lösung yon (24) ist.
Setzen wir nämlich:
p = rr* + f^ + Ä*,
so folgt aus den Gleichungen (I), § 47 (S. 89):
cucv \ \ ) cu \ "i ] cv
Also nur, wenn jp = 0 ist, ist p eine Lösung yon (24).
Aus diesem Umstände hat Darboux ei&en eleganten Beweis für
den Satz gefolgert: Bei der Transformation mittels reciproker
Radienyectoren gehen die Krümmungslinien in ebensolche
über. Die bekannten Gleichungen für diese Transformation sind in
ihrer einfachsten Gestalt die folgenden:
*) Geometrisch folgt dieses sofort daraus, dass die einer Fläche längs einer
Curve umschriebene Developpable bei einer projectiven Transformation in die der
transformierten Fläche längs der transformierten Curve umschriebene Develop-
pable übergeht.
112 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
^ x' -\- y^ -i- z*' y ~ x^ -\- y' + z'"' ^ ~ x*"+ y^ -j- z""'
Da nun in dem vorliegenden Falle
Q = x^ -{- 1/ -\r z^
eine Lösung der Gleichung (24) ist, so führt die Transformation:
diese Gleichung in eine andere derselben Art über, der offenbar
, , , . , , , B*
X , y, z j sowie auch x'^ -j- y'^ -\- z"^ = — genügen, da d^ = R^ eine
Lösung von (24) ist*). Nach dem, was wir vorhin gesehen haben,
sind dann auch auf der Ortsfläche des Punktes (x\ y', z') die Curven
u, V die Krümmungslinien.
§ 59. Einige Anwendungen.
Wir machen nun einige Anwendungen von den Ergebnissen des
vorigen Paragraphen.
1) Wir betrachten die Gleichung:
/"f ,= 0 **■)
du cv ^'
Ihre allgemeine Lösung ist die Summe zweier willkürlicher Functionen,
von denen die eine nur von u, die andere nur von v abhängt. Wird
demnach
(26) x = /; (m) + qPi (v) , y = f^ {u) + (f^ {v) , z = f^{u) -\- cp, (v)
gesetzt, so bilden auf der hierdurch definierten Fläche die Curven u, v
ein conjugiertes System. Diese Flächen werden Translations flächen
genannt, weil sie durch die translatorische Bewegung einer Curve er-
zeugt werden, deren sämtliche Punkte infolge der Translation congruente
Curven beschreiben. In der That braucht man dazu nur der Curve:
^ = fi {u), y=f^{u), z = i\ (m)
eine Translationsbewegung zu erteilen, bei der jeder ihrer Punkte eine
der Curve:
congruente Curve beschreibt.
Es ist klar, dass die Art der Erzeugung dieser Flächen eine
doppelte ist, insofern als sie durch Translation entweder einer Curve u
oder einer Curve v entstehen.
*) Darboux, Bd. I, S. 208.
**) Ebenda, S. 98 ff.
§59. Einige Anwendungen. -113
Mit Lie können wir uns die Translationsflächen folgendermassen
erzeugt denken: Wir betrachten die beiden Curven:
dann ist die Fläche der Ort der Mittelpunkte aller Strecken, welche
die Punkte der ersten mit den Punkten der zweiten Curve verbinden.
Wie ersichtlich, ist die Differentialgleichung der Haupttangenten-
curven für die Translationsflächen gegeben durch (vgL (3*), S. 87):
/•x"(«) /"."(**) /"»"Wj \9x"(v) g>,"iv) q>,"{v)
/■/(«) A'(«) rs'(t*)U«^+' /•/(") A'W fs(u) dv'=0.
Wi^) 9>ii^) WC»-') I i 9>i(v) ^ii^) WC^O i
Wenn insbesondere
/; = 0, ^'i = 0
angenommen wird, so werden die Veränderlichen getrennt, d. h.: Für
eine Translationsfläche, deren erzeugende Curven in auf ein-
ander senkrechten Ebenen liegen, ergeben sich die Haupttan-
gentencurven mittels Quadraturen.
2) Wir betrachten zweitens die Gleichung*):
(2i) (u — v) .^^^ = mi^ riTT- Im, n = Const.).
Man sieht sofort, dass für beliebige Werte der Constanten A und a
^ = J.(m — a)'"(t7 — a)»
eine Lösung derselben ist. Setzen wir also:
x = A{u~ a)'" {v — «)" , y = B{u— &)'" {v — &/', z=C{ii— cj" {y — c)",
so erhalten wir eine Fläche, auf der die Curven m, v ein conjugiertes
System bilden. Als Differentialgleichung der Haupttangentencurven
dieser Fläche ergiebt sich die Gleichung:
m{m — l)du- n{n — \)dc*
(tt — a){u — h) (tt — c) (fj — a){jß — h){v — c)
die mittels Quadraturen durch elliptische Functionen integriert wird.
Ist m = ii, so ist die Gleichung der Fläche:
L 1l L
(^)"'(^-^-) + (!)'" (^-«) + {c)"'(«-^^=(«-w-^)(«-^),
und die Integralgleichung der Haupttangentencurven ist in ?<, v alge-
braisch.
Insbesondere betrachten wir den Fall einer Fläche zweiten Gi-ades:
;« = « = 4.
*) Darboux, Bd. I, S. 242.
B i a u c Ii i , UifTereutialgeonictrie
114 Kuj). 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie.
Mit Rücksicht darauf, dass liier u-\-v eine Lösung der Gleichung (27)
ist, erhellt, wenn
^[2 _|_ J52 _|_ c^ _ 0
gesetzt wird, dass die Curven u, v gerade die Krümmungslinien der
Fläche zweiten Grades sein werden, da jetzt x^ -\- y'^ -\- z^ eine Lösung
von (27) ist. Im Einklang hiermit braucht man bei dem Ellipsoid:
nur
ZU setzen, wo ^t zwischen — }^^ und — /3^ und ^' zwischen — /3^ und
— «^ variiert, um alle reellen Punkte des Ellipsoids (in elliptischen
Coordinaten) zu erhalten.
Anmerkung. In den Anwendungen kommen oft die auf die
Hauptkrümmungsradien, die Krümmungslinien und die Haupttangenten-
curven einer Fläche bezüglichen Gleichungen vor, wenn die Gleichung
der Fläche in der gewöhnlichen Form:
z = z{x, y),
bezogen auf rechtwinklige Cartesische Axen, gegeben ist. Um die-
selben zu erhalten, setzen wir in unseren allgemeinen Gleichungen
u = X, V = y
und führen die üblichen Monge'schen Bezeichnungen ein:
dz dz
" dx ^ dy
d^z d^z , c^z
cx^ oxcy cy^
Dann erhalten wir als Coefficienten E, F, G der ersten Grundform:
(a) E=l+p% F = pq, G = 1 -{- q\
Als Richtungscosinus der Normale ergeben sich:
P V 1
w yi + i>^ + 3^ T/i+i>^+-2^ yi + p' + 2'
demnach als Coefficienten D, D', D" der zweiten Grundform:
(c) Z> = ~=^L=, D'== ^ ' =., JD"= ^ ^ ==•
^ ^ yi + p^ + 3^ Vi + p^ + 2' yi +i>' + 2'
Die mittlere Krümmung H und die Totalkrümmung K der Fläche
sind daher durch die folgenden Ausdrücke gegeben:
(d) ^_2i^2^-0+i^!)i^il+J>- .. j^___rt~s^-
§ 60. Berechnung der DiflFerentialparameter.
115
Endlich lautet die Differentialgleichimg der Haupttangentencurven bezw.
Krönimuncrslinien wie folgt:
(f) rda? + 2sdxdy + tdy'- = 0,
{(1 ^f)s-pqr]da^ + {(1 + p^ - (1 + $>} dxdy +
+ {pit-{l-\-^)s)df = 0.
(g)
§ 60. Bereclmuiig der Differentialparameter.
Zum Schlüsse dieses Kapitels geben wir die wichtigen Ausdrücke
für die Differentialparameter von x, y, £, X, T, Z und füi- ihre beiden
Functionen:
g = ^(x^-\-f- + z'), W= Xx + Tu + Zz,
von denen die erste das halbe Quadrat der Entfernung des Coordinaten-
anfangspunktes vom Fläehenpunkte (x, y, z) und die zweite die Ent-
fernung des Coordinatenanfangspunktes von der Tangentialebene darstellt.
Um sie zu berechnen, beziehen wir uns unter Benutzung der In-
varianteneigenschaften der Differentialparameter der grösseren Bequem-
lichkeit halber auf die Krümmungslinien als Parameterlinien, wobei
wir beachten, dass die Determinante:
1 dx 1 cy l cz
y~Edu yEcu YEdu
1 ex 1 dy 1 cz = -\- 1
y^cv yadv y~Gcv
X Y Z
die einer orthogonalen Substitution ist (vgl. S. 63), und uns im vor-
liegenden Falle der Gleichungen (vgl. {13) S. 102):
ex
cX
ex
eX
bedienen.
Da nach (14) und (16), § 35, S. 67 jetzt
ist, erhalten wir:
(28) \x=l-X% A,y=l-Y% A,z = 1 - Z^-,
(29) V(:r, y) = - X Y, V(x, .-) = - XZ, A (y, z) = - YZ.
Femer haben wir:
110 Kap. 4. Die Fundamentalgleichungen der Flächentheoi-ie.
und analog A^ Y, Aj Z, woraus folgt :
A,X+A,r+A,Z=A + ^-
'i '2
Behufs Berechnung von A<^x können wir auf die allgemeine Gleichung
(24), § 26, S. 47, zurückgehen. Dieselbe ergiebt hier:
^ EG F^ '
wo die Xrs die covarianten zweiten Derivierten von x bezüglich der
ersten Grundform sind. Infolge der Gleichungen (I), § 47, ist aber
(vgl. (22), S. 46):
Xii = DX, X12 = D'X, X.22 = B"X,
also:
A — ^-P + ED"— 2FD' ^
^2^ Fa — F^
oder (nach (18), S. 105):
(A) A,x = -HX = - (> + ^-) X.
Diese wichtige von Beltrami abgeleitete Gleichung zeigt (§ 38,
S. 73), dass auf den Flächen von der mittleren Krümmung Null
(Minimalflächen) die Schnitte mit einem System paralleler Ebenen
einem Isothermensystem angehören.
Eine weitere Gleichung, die für die Theorie der Abwickelbarkeit
von grosser Wichtigkeit ist, erhält man, wenn man den Differential-
parameter -(§ 26, S. 48)
/y* /v» _____ /y* *
A ^. •^ll'^JS •^12_
bildet. Für ihn ergiebt sich infolge der obigen Werte von x^^^, x^,y, x.^^
und der Gleichungen (28) der Ausdruck (vgl. (18), S. 105):
(B) A22^ == (1 — Ai^)^= X^K.
Dieses ist eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung für
X (auch y und z genügen ihr), deren Coefficienten nur aus denjenigen
der ersten Fundamentalform gebildet sind.
Einer Gleichung derselben Art genügt auch
p = i(:r^ + y^ + ^^).
In der That finden wir zunächst bei Zugrundelegung der Krümmungs-
linien als Parameterlinien nach (14), S. 67:
Ai9 = 2p— TTl
Beachten wir ferner, dass sich für die covarianten zweiten Differential-
quotienten von Q nach (22), S. 46, sowie wegen der obigen Werte von
/y» /y> /v»
'^11 J 12? "l^'l
§ 60. Berechnnng der DiflFerentialparameter. 117
ergiebt, so haben vrir sofort nach (24), S. 47, und nach (18), S. 105:
femer nach (26), S. 48:
A.„o = l — Wi^ + ^) + ^V'-K.
Durch Elimination von W und W' aus den Ausdrücken für i^j o,
Ag^), Aggp erhalten "svir endlich noch die Gleichung:
(C) Aop — A,,9 = 1 +X(A,p — 2p).
Kapitel Y.
Die sphärische Abhildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
Sphärische Abbildung nach Gauss und ihre Eigenschaften. — Satz von Enneper
über die Torsion der Haupttangentencurven. — Allgemeine Formeln für die sphä-
rische Abbildung. — Die Flächen bezogen auf ihre Haupttangentencurven. —
Formeln von Lelieuvre. — Die Flächen mit positivem Krümmungsmass bezogen
auf ein isotherm-conjugiertes System. — Formeln von Weingarten für die Ebenen-
coordinaten der Flächen. — Flächen mit gegebenem Bilde eines conjugierten
Systems. — Flächen mit einer Schar von Krümmungslinien in parallelen Ebenen.
§ 61. Sphärische Abbildung nach Gauss.
Sehr nutzbringend für das Studium jeder nicht abwickelbaren
Fläche ist eine punktweise Abbildung derselben auf die Kugel, welche
die Gaussische Abbildung heisst und die wir folgendermassen er-
halten: Es sei S eine Fläche, M ein beweglicher Punkt auf ihr; wir
beschreiben eine Kugel und ziehen durch ihren Mittelpunkt den Radius
parallel der positiven Richtung der in 31 auf ;S^ errichteten Normale.
Der Endpunkt M' des Radius heisse das Bild des Punktes M. Wenn
sich 31 auf der Fläche S (oder auf einem Gebiete der Fläche) bewegt,
so bewegt sich sein Bildpunkt 31' auf einem entsprechenden Gebiete
der Bildkugel. Es versteht sich, dass dieses sphärische Bild die Kugel
im allgemeinen mehrfach überdecken wird, nämlich dann, wenn inner-
halb des betreffenden Gebietes von S die Normale von S in verschie-
denen Punkten von S dieselbe positive Richtung hat. Wenn man will,
so kann man im allgemeinen das Gebiet von S in mehrere Teilgebiete
zerlegen derart, dass das sphärische Bild jedes Teilgebietes einblättrig ist.
Der Einfachheit halber legen wir den Mittelpunkt der Kugel in
den Coordinatenanfang und setzen ihren Radius gleich der Längenein-
heit. Dann ist klar, dass, wenn x, y, z die Coordinaten eines Punktes
31 von S sind, diejenigen des Bildpunktes M' auf der Kugel genau
die Cosinus der (positiven) Normalenrichtung, X, Y, Z, sind. Bezeich-
nen wir demnach das Linienelement "der Bildkugel mit ds', so haben wir:
§ 61. Sphärische Abbildung nach Gauss. 119
und setzen wir:
ds'^ = edu- + 2 f du dl- + gdv\
so finden wir mit Hilfe der Fundamentalgleichungen (11), § 47, Kap. IV,
(S. 90) leicht:
(1) c = -{KE+nB). f=-(KF+HD'), g = -{KG-\-RD")*\
d. h.:
\ds'- = —K(Edtt^ + 2FdHdv + Gdv-) —
^^^ [ — EiDdu^ + 2D'dudv + D"^»«).
Im allgemeinen giebt es bei jeder punktweisen Abbildung einer Fläche
auf eine andere ein und nur ein (stets reelles) Orthogonalsystem auf der
einen, das in ein ebensolches auf der anderen übergeht, wofern die Ab-
bildung nicht conform ist, in welchem Falle jedes Orthogonalystem auf
der einen in ein ebensolches auf der anderen übergeht**). Nun sieht
man sofort, dass im allgemeinen dasjenige Orthogonalsystem
auf der Fläche, das bei der sphärischen Abbildung von Gauss
in ein ebensolches übergeht, das der Krümmungslinien ist.
Denn wenn das System (m, v) auf der Fläche orthogonal ist, so
ist ^^=0. Ist das entsprechende auf der Kugel nach (1) orthogonal, so
folgt auch:
HI)'= 0,
also ist (abgesehen von dem Fall H=0) D'= 0, und die Gleichungen:
F = 0, D'= 0 charakterisieren eben das System (u, v) als das der
Krümmungslini en .
Im Falle H= 0 hat jedes Orthogonalsystem auf der Fläche ein
orthogonales sphärisches Bild. Dai-aus folgt: Die sphärische Abbil-
*) K, H bezeichnen wie gewöhnlich die totale und die mittlere Krümmung:
DB'—B"' 2 FD — ED"— GB
EG—F^' EG — F^
**) Dieser Satz ergiebt sich leicht aus den Ergebnissen des § 31, Kap. IT
über simultane binäre quadratische Formen. Es mögen auf den beiden Flächen
zwei entsprechende Systeme (u, v) zu Parameterlinien gewählt werden. Dann
können die beiden (definiten) quadratischen Formen:
ds'- = Edu- + -iFdudv + Gdv-, ds'- = E'du- -{- -iF'dudv + G'dc',
welche die Quadrate der Linienelemente der Flächen darstellen, auf eine und nur
auf eine Weise gleichzeitig auf Orthogonalformen gebracht werden, falls nicht
die Proportion:
E' : F': G' == E : F : G
besteht. Im letzteren Falle ist die Abbildung conform, d. h. alle Orthogonalsysteme
gehen in ebensolche über, und die obige Reduction ist auf unendlich viele Weisen
möglich.
120 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
dung nach Gauss ist nur für die Flächen von der mittleren
Krümmung Null und für die Kugel eine conforme.
Diese wichtige Eigenschaft der Flächen von der mittleren Krümmung
Null, der sogenannten Minimal flächen, bildet die Grundlage für den
Zusammenhang, der, wie wir im weiteren sehen werden, zwischen der
Theorie dieser Flächen und derjenigen der Functionen einer complexen
Veränderlichen besteht.
§ 62. Eigenschaften der Gaussisclien Abbildung und Satz von
Enneper über die Torsion der Haupttangenteneurven.
Aus den Gleichungen (1) können wir noch eine weitere bemer-
kenswerte Folgerung ziehen. Wir nehmen an, das System (u, v) auf
der Fläche wäre conjugiert, d. h. D'= 0. Die Gleichungen (1) geben:
_ GD^ FDD" ED"'
EG—F^' I EG — F^' ^ EG — F^
Bezeichnen wir mit co bez. Sl den Winkel, der von den positiven Rich-
tungen der Parameterlinien in jedem Punkte der Fläche S bez. der
Bildkugel gebildet wird, so folgt aus den Gleichungen (vgl. (6), S. 63):
F f
cos CO = -7= } cos iß = -f- *)
YEG yeg ^
das Ergebnis:
COS.ß = + cos CO,
wo das obere Zeichen für einen hyperbolischen Punkt (bei dem D, D"
verschiedene Zeichen haben), das untere für einen elliptischen Punkt
gilt. Daraus schliessen wir : Bei der sphärischen Abbildung bleibt
der Winkel zweier conjugierter Richtungen auf der Fläche
entweder ungeändert oder er geht in den Supplementwinkel
über, je nachdem der Punkt, von dem die beiden Richtungen
ausgehen, hyperbolisch oder elliptisch ist.
Weniger streng ergiebt sich dieser Satz auch auf Grund der fol-
genden Ueberlegung: Es seien t, t' zwei conjugierte Richtungen auf der
Fläche. Dann erhalten wir, wenn wir mit den Symbolen d bez. d die
nach diesen Richtungen gerechneten Differentiale bezeichnen (vgl. § 56,
S. 108):
^ dxdX+öyclY-}- d2dZ=0.
Da nun dX, dY, dZ den Cosinus der t entsprechenden Richtung auf
der Kugel proportional sind, so folgt, dass diese Richtung auf der Rich-
tung t' senkrecht steht.
Hieraus ergiebt sich, dass für die (auf einander senkrechten)
Hauptrichtungen und nur für diese die entsprechende Rich-
*) Es sei daran erinnert, dass die Vorzeichen der Wurzeln positiv zu nehmen sind.
§ 62. Ennepers Satz über die Torsion der Haupttangentencurven. 121
fcung auf der Kugel der ursprünglichen parallel wird, wie
auch aus den Gleichungen von Rodrigues (§ 54, Kap. IV, (13)) erhellt.
Wir sehen auch^ dass sich nach dem Vorstehenden für die Haupt-
tangentenrichtungen die folgende Definition ergiebt: Die Haupttan-
gentenrichtungen sind diejenigen, welche bei der sphärischen
Abbildung um einen rechten Winkel gedreht werden.
Wir kehren nun zu den allgemeinen Gleichungen (1) zurück und
berechnen das Flächenelement der Kugel (§ 33, S. 63):
d6'= Yeg — /^ dudv.
Wir erhalten:
d6'= KYEG — F^ dudv = Kd6,
wenn d6 das Flächenelement der gegebenen Fläche ist.
Wenn wir also um einen Punkt M der Fläche eine kleine ge-
schlossene Curve ziehen und mit 6 das eingeschlossene Flächenstück-
chen, mit <?' das entsprechende des sphärischen Bildes bezeichnen, so
conTergiert das Verhältnis — , wenn das Flächenstückchen 6 (nach einem
beliebigen Gesetz) unendlich klein wird, gegen den Wert der Total-
krümmung K= im Punkte M. Diese von Gauss gegebene De-
''i '"•
finition des Krümmungsmasses weist, wie man sieht, eine TÖllige Ana-
logie zu derjenigen der Krümmung ebener Curren auf.
Zum Schlüsse leiten wir aus denselben Gleichungen (1) oder (2)
den Satz von Enneper ab: Das Quadrat der Torsion der Haupt-
tangentencurven ist in jedem Punkte gleich der mit entgegen-
gesetztem Zeichen genommenen Totalkrümmung der Fläche.
Zum Beweise braucht nur beachtet zu werden, dass für eine Haupt-
tangeutencurve die Richtungscosinus der Binormale gerade
X, Y, Z
sind und also nach § 5
_L _ ^3:* + dT- -f dZ^ _ ds^
T*~ ds^ ~~ ds'
ist. Wegen der Gleichung (2) aber und unter Berücksichtigung des
Umstandes, dass längs einer Haupttangentencurve nach § 57
Ddu^ + 2D'dudv + D"dv^ = 0
ist, erhalten wir:
fs = — K.
Dieser Satz wird nachher in § 65 weiter ausgeführt werden, wo
unter Berücksichtigung des Vorzeichens der Toi-sion bewiesen werden
wird, dass in jedem (hyperbolischen) Punkte der Fläche die
122 Kap. 5. Die sphärische Abbihhmg nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
beiden Haiipttangentencurven, die sich in dem Punkte durch-
kreuzen, gleiche, aber dem Zeichen nach entgegengesetzte
Torsion haben.
§ 63. Allgemeine Formeln für die sphärische Abbildung.
Für viele Fragen der allgemeinen Flächentheorie ist die Unter-
suchung der Flächen mit gegebener sphärischer Abbildung von
Wichtigkeit. Wir wollen nun in diesem Paragraphen die allgemeinen
Gleichungen aufstellen, die sich auf das Problem beziehen: Wenn die
dritte Differentialform:
(3) ds'^ = edu^ + 2fdudv + gdv^,
gegeben ist, d. h. e, /', g als Functionen von u und v gegeben
sind, sollen die zugehörigen Flächen bestimmt werden.
Zu diesem Zwecke suchen wir die notwendigen und hinreichenden
Bedingungen auf, denen die Coefficienten D, D', D" der zweiten Grund-
form genügen müssen. Sind diese Bedingungen erfüllt und werden
X, Y, Z als bekannte Functionen von u und v vorausgesetzt, so lässt
sich nachweisen, dass sich die entsprechende Fläche mittels Quadra-
turen ergiebt.
^ Zunächst sind die Grundgleichungen (I) des § 47, Kap. IV (S. 89),
angewandt auf die Bildkugel, anzusetzen. Da die Cosinus der nach
aussen gerichteten Kugelnormale eben X, Y, Z sind, so ist die
zweite Grundform bezüglich der Kugel, mit entgegengesetztem Vor-
zeichen genommen, mit der ersten identisch*). Die angeführten Glei-
chungen lauten also in dem vorliegenden Falle:
du' ~~ \ l l cu ^ \ ^ j cv ^ '
(4)
dudv~ \ 1 j git + 1 2 I -- ^ '
c'X _ i22\ dX [221 dX_ Y
cv' "~ l 1 I Yu + 1 2 J cv ^^'
wo der Strich an den Christoffel'schen Symbolen andeuten soll, dass
dieselben aus den Coefficienten e, f, g der dritten Grundform (3) ge-
bildet sind**).
*) Es wird hier also als positive Seite der Kugel die äussere genommen
und in Uebereinstimmung mit den grundlegenden Festsetzungen des § 46, Kap. IV,
vorausgesetzt, dass auf dieser positiven Seite die positive it- Richtung links von
der positiven t"- Richtung liegt.
**) Wie immer lassen wir auch hier die analogen Gleichungen in Y und Z weg.
§ 63. Allgemeine Formeln für die sphärische Abbildung. 123
Wir setzen nun die Grundgleichungen 11 (§ 47, Kap. IV, S. 90) an,
aber in anders aufgelöster Form, wobei wir mittels der Gleichungen
(1), § 61 > die Coefficienten e, f, g einfuhren, und finden:
(ex fP' — gP cX fP — eP' cX
(6)
. Fm eg — P cii^ eg — P cv
(^) \cx fP"-gP'cX . fP'-eD"dX
\cv eg — f- cu ' eg — P dv
Nun drücken wir in den Integrabilitätsbedingungen:
^(£^)_^(i^) = 0 U.S.W.
cv \cu/ cu \c v/
die zweiten Differentialquotienten von X mittels der Gleichungen (4)
aus und setzen für die Differentialquotienten der Coefficienten e, f, g
ihre Werte in den Christoffelschen Symbolen ein. Nach einfachen
Umformungen finden wir als die gesuchten Bedingungen*):
|lf-^i^--{V}'^+[|V}'-{V}]^'+{Vk=o,
te-w+}?r^+[m'- {?}>'- {v}'^-o.
Dies sind genau die Codazzi'schen Gleichungen (I\^, § 48,' Kap. IV
(S. 91), wenn an Stelle der ersten Grundform die dritte gesetzt wird.
Genügen ihnen D, D', D", so ist die entsprechende Fläche wirklich
vorhanden und ergiebt sich mittels Quadraturen aus den Gleichungen
(5). Wir kommen somit zu dem einfachen Ergebnis: Sind die
beiden Differentialformen:
Bdu^ + 2D'dudv + D"dv,
edu^-\- 2fdudv -{- gdv^
gegeben, von denen die zweite definit ist und die positive
KrümmungEins besitzt, so ist dafür, dass eine Fläche existiere,
*) um diese Rechnung in aller Kürze durchzuführen, setze man für den
Augenblick:
fP'-gP „ fP-eP' fP"- gP' _ p fB'- eP" _ ^
woraus folgt:
Me -{- yf= - P, Mf + Xg = Pe + Qf == - P\ Pf-{- Qü = - D'.
Als Integrabilitätsbedingungen erhält man die Gleichungen:
^-i-ivr-+rvr--+!V)''^^^-<'^=».
die unmittelbar in die Gleichungen (6) des Textes übergehen.
124 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
welche dieselben als zweite und dritte Grundform besitzt,
notwendig und hinreichend, dass die Codazzi'schen Gleichun-
gen (6) erfüllt sind. Die betreffende Fläche ist eindeutig
bestimmt und ergiebt sich, wenn X, Y, Z als Functionen
von u und v bekannt sind, mittels Quadraturen aus den Glei-
chungen (5).
Die Bestimmung von X, Y, Z, wenn nur die Coefficienten e,f,g
bekannt sind, hängt von einer Riccati'schen Gleichung ab (§ 50, Kap. IV).
Wie in § 48 (S. 92) sieht man, dass die Gleichungen (6) auch in
der folgenden Form geschrieben werden können:
+ 1^^]'^-^- 2(12)'-^=+^^^^'- ^"
(G*)
Veg-r
^ 1 1 J Veg-r \ 1 j V^-P^ \ 1 j Veg-r
Endlich leiten wir die Gleichungen ab, die uns die Werte für
geben, wenn r^ und r^ die Hauptkrümmungsradien der Fläche sind.
Als die quadratische Gleichung, durch die sie bestimmt werden, erhalten
wir nach Formel (9); § 52, S. 100, die folgende:
0) (eg — P)r^ + (eD"+ gB — 2fD')r + DI)"— D'^ = 0.
Also ist:
2/"Z)'— eD"— gD
(8)
**i + ^i
eg-r
_ DD"— B""
i'2 ~ eg — r
r.,r>
Aus den Gleichungen (1), § 61, finden wir für die Coefficienten des
Quadrates des Linienelementes der Fläche die Werte:
(9) l^=~ (*"i + ^'-^^ — n^2^; F= — (r, + r,)D' — r,rj,
\ Q^_(^^^_^ r.,)B"— r^r^g.
§ 64. Die näclien bezogen auf ihre Haupttangentencurven.
Diese allgemeinen Gleichungen wenden wir auf zwei Fälle von
besonderem Interesse an. Im ersten Falle nehmen wir als Parameter-
linien u, V auf der Kugel die Bilder der Haupttangentencurven
§ 64. Die Flächen bezogen auf ihre Haupttangent encurven. 125
der Fläche, von der wir also, indem wir uns auf reelle Grössen be-
schränken, annehmen, dass sie, wenigstens in dem betreffenden Gebiet,
nur hyperbolische Punkte besitze.
AVir haben in diesem Falle:
B = 0, IJ"= 0.
Setzen wir nun:
'•i'"2 = — Q',
d. h. bezeichnen wir mit j das Krümmungsmass der Fläche, so
erhalten wir aus (8):
77=^. = Q*)-
yeg — f-
Die Codazzi'schen Gleichungen (6*) lauten:
(10) i^„_2{v}', H'F=-2{-};
wobei die geometrische Bedeutung von q durch die Gleichung:
(11) ^ = -v^
gegeben ist.
Wir haben also das zum ei-sten Mal von Diui**) gefundene Er-
gebnis:
Damit die sphärischen Curven u^ v die Bilder der Haupt-
tangentencurven einer Fläche seien, ist notwendig und hin-
reichend, dass die für das Linienelement der Kugel berech-
( 1 2 1 ' f 1 •'' 1 '
neten Symbole i i [ 7 ] «' i ^^r Gleichung:
genügen.
Ist diese Bedingung erfüllt, so wird q durch die Gleichungen (10)
bis auf einen constanten Proportionalitätsfactor bestimmt. Wir erhalten
dann mit Rücksicht auf die Gleichungen (5) den Satz:
Die zugehörige Fläche ist ihrer Gestalt nach mittels
Quadraturen durch die Gleichungen:
*) Wir lassen hier das doppelte Zeichen weg und betrachten die Grösse p,
die durch die folgenden Gleichungen (10) definiert ist, als positiv. Die Aende-
rung des Zeichens von D' bedeutet nur eine Aendei'ung der Zeichen der rechten
Seiten in (5), d. h. es ist die Fläche nur durch die zum Coordinatenanfangspunkt
symmetrisch gelegene Fläche zu ersetzen.
**) Annali di matematica, Ser. 2, Bd. 4.
12G Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
( ex gf cX Qc dX
I ()u '\/p.n — /* riu l/«,
(13)
yeg — /* du Yeg — /"* d'i
I dx
{ cv
Q9
dx
+
9f dX
yeg — P du Yeg — P cv
bestimmt.
Die Gleichungen (8) werden dann:
I ^fQ 2
yeg — f^
und folglich die Gleichungen (9):
Für das Quadrat des Linienelements der Fläche ergiebt sich
also der Ausdruck:
(14) ds' = Q\e du^ — 2fdu dv + gdv').
Es mag noch auf die einfachen Beziehungen hingewiesen werden, die
jetzt zwischen den für die Fläche bez. Kugel gebildeten Christoffel'schen
I und ? bestehen. Aus der Tabelle (A), § 35,
S. 67, finden wir auf einfache Weise.*):
*) Es mag hier eine Reihe von einfachen und allgemeinen Gleichungen an-
gegeben werden, die von Weingarten bemerkt und dem Verfasser brieflich mit-
geteilt worden sind. Wir nehmen die vier Gleichungen (vgl. § 46):
^ '^^dx dX , '^-^ox dX -^^dx dX
X / dii du ' X / du dv ' X . dv du''
j.„ -^7 dx dX
X f dv cv
und differenzieren jede derselben einerseits nach u und andererseits nach v.
Wenn wir dann für die zweiten Differentialquotienten von x die durch die Grund-
gleichungen (I), S. 89, gegebenen Werte und ebenso für diejenigen von X die
Werte (4), S. 122, einsetzen, so erhalten wir die in Rede stehenden Gleichungen,
die wir in der folgenden Tabelle zusammenstellen:
^-iv}-+r/i-+i?r-+i\^i-^
cu
dB
dB'
\ ov
l 1 J ^ + l 2 J ^ + l 1 J ^ + 1 2 i ^ '
(a)
§ 65. Zweiter Beweis des Satzes von Enneper.
fjll\ flll' ..[121' (22| f22\' .^(IJI'
( 1 J = \ 1 I - - 1 2 r 1 2 j = 1 2 J - - 1 1 J '
127
(121
lll
(121'
ii r
UM fii\'
il2j --l2 j'
(12) (121'
I2I =-\2\'
22\
1 (
(22\'
ll)'
§ 65. Zweiter Beweis des Satzes von Enneper.
Wir zeigen zunächst, wie sich aus diesen Gleichungen wieder der
in dem bereits in § 62 angedeuteten Sinne vervollständigte Satz von
Enneper ergiebt.
Wir betrachten auf der Fläche S die Haupttangentencun'en v,
deren Bogenelement dSg infolge der Gleichung (14) durch
dSc = Q Y^ du
gegeben ist.
Für die Curve v erhalten wir unter Beibehaltung der in der
Curvenlehre gebrauchten Bezeichnungen:
lex 3 ^ cy 1 cz
cosa= — ;=r~' cos p ^= — 7=7^' cosy = — — — 7
Qye cu Qye cu gye c it
d. h. infolge der Gleichungen (13):
f cX _ ye cX
|/e yeg — /"* cu Yeg — /"* cv
_f cY^ _ yj cY
y e yeg — f- cu yeg — f- cv
f cz yj cz
cosa ==
cos /3 =
cosy =
V^ Veg — r cu y~eg — f- cv
Femer ist, da die Schmiegungsebene der Curve v mit der Tangential-
ebene der Fläche zusammenfällt,
cos A = + X, cos ft = + F, cos v = + Z,
und demnach:
iT - i 1 i ^ + l 2 J ^ + l 1 J ^ + l 2 / ^ '
)" (2 21 [2 21 (221' f22)'
cD"
c
CD
Durch geeignete Combination dieser acht Gleichungen ergeben sich wieder
die Codazzi'schen Gleichungen sowohl bezüglich der ersten als auch der dritten
GrundfoiTu (S. 91 und S. 123). Wird in den obigen Weingarten'schen Gleichungen
D und D" gleich Null gesetzt, so ergeben sich unmittelbar die Gleichungen (a)
des Textes.
128 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
COs|
COS ^ cos V
cos ß cos y
= +
Y
dY
V~^
dY
f
cZ
Ye dZ
V^y^il—Pcu y'eg — Pdv Yeyeg—pcu yjg — pcv
Analoge Gleichungen bestehen für cos?; und cos ^. Ist „r die Tor-
sion der Curve v, so kommt nach den Frenet'schen Formeln (S. 10):
= ^^ cos
d cos X
= +
]/e jLj
'V cos|
du
d. h. infolge der obigen Gleichung:
X
q^i
cX
du
yj ^8x
In cv
Y
dY
du
yj dY
z
d_Z
du
yj cz
yeg — /* cv yeg — f^ cv
Es ist aber nach § 41, S. 88, oben:
X Y Z
dX cY cZ
du^ du du
d_X dY cZ^
dv dv dv
yeg — /■* dv
demnach ;
(15)
Veg-r,
= +
Wird entsprechend mit jr die Torsion der Haupttangentencurven
u
u bezeichnet, so finden wir:
(15*)
Wie man sieht, geben diese Gleichungen wieder den Enneper'schen
Satz und beweisen ferner, dass die beiden durch einen Flächenpunkt
gehenden Haupttangentencurven zwar gleiche, aber dem Zeichen nach
entgegengesetzte Torsionen haben.
§ 66. Haupttangentencurven auf den Minimalflächen.
Die Gleichungen des § 64 geben, angewandt auf zwei wichtige
Klassen von Flächen, die wir weiterhin untersuchen werden, nämlich
auf die Minimalflächen und die pseudosphärischen Flächen, unmittelbar
einige bemerkenswerte Sätze.
§ 66. Hanpttangentencurven auf den Minimalflächen. 129
Wie bereits erwähnt, werden als Minimal flächen diejenigen
Flächen bezeichnet, bei denen in jedem Punkte die Hauptkrümmungs-
radien gleich und dem Vorzeichen nach entgegengesetzt sind. Ihre
Haupttangentencurven sind reell und stehen auf einander senkrecht,
da die Dupin'sche Indicatrix in jedem Punkte ans zwei (conjugierten)
gleichseitigen Hyperbeln besteht. Da hier
sein muss, so folgt f=0, also auch F=0 nach S. 126, d. h. die
Curven m, v bilden, wie bereits bemerkt, auf der Fläche und im sphä-
rischen Bilde ein Orthogonalsystem. Weiter folgt aber aus der Glei-
chung (12), da wegen (A), S. 67
, < (12\' 1 cloge fl-2\' 1 clogg
ist, die Gleichung:
c* löge c* logg
cucv cucv
Dieselbe besagt (nach (24), § 38, S. 72), dass die sphärischen
Curven u, v isotherm sind. Durch Aenderung der Parameter m, v können
wir ohne weiteres e gleich g machen. Dann folgt aus den Gleichungen
(b) und (10), § 64, S. 125 :
1
Die Quadrate der Linienelemente auf der Kugel und auf der Fläche
erhalten dann bezüglich die Formen:
Also: Sowohl die Haupttangentencurven einer Minimalfläche
als auch ihre sphärischen Bilder sind Isothermensysteme.
Die vorstehenden Ausdrücke lassen wiederum erkennen, dass die sphä-
rische Abbildimg nach Gauss für die Minimalflächen conform ist. Da
nun femer alle Isothermensysteme auf der Kugel bekannt sind, so er-
geben sich alle Minimalflächen aus den Gleichungen des Paragraphen 64
mittels Quadraturen.
§ 67. Haupttangentencurven der pseudosphärisehen Flächen.
Wir betrachten Flächen mit constantem negativen Krüm-
mungsmass:
K= i (o = Const.).
Diese Flächen werden auch als pseudosphärische Flächen und g als
ihr Radius bezeichnet. Aus den Gleichungen (10) folgt:
Bianchi, Differentialgeometrie. U
130 Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
1 J '12
d. h. nach (A), S. 67
'^ cv ' du ' ' ov du '
demnach:
1^ = 0, ^ = 0.
ov ' cu
Da somit e eine Function von u allein und g eine solche von v allein
ist, so kann durch Aenderung der Parameter u, v einfach
e=l, g = l
gemacht werden, und es ergiebt sich, wenn mit cj der Winkel der
Haupttangenten auf der Fläche bezeichnet wird:
(16) ds^ = Q^(du^ + 2cos ö du dv -\- dv^),
(16*) ds"^ == du^ — 2cos (o du dv -\- dv'^.
Wir betrachten nun auf der pseudosphärischen Fläche S das Vier-
eck, welches von vier Haupttangentencurven :
U = Uq, U =^ U^, V = i'o, V = V^
gebildet wird.
Da Qdu das Bogenelement der Curven v und Qdv dasjenige der
Curven u ist und da q constant ist, so haben die beiden Gegenseiten:
v = %, v = v^
die Länge q{uj^ — Uq) und die beiden andern Seiten die Länge
Qivj^ — Vq). Es besteht also der Satz:
In jedem krummlinigen Viereck, das von vier Haupttan-
gentencurven einer pseudosphärischen Fläche gebildet wird,
sind die gegenüberliegenden Bogen einander gleich.
Zufolge (16*) ist ferner klar, dass den sphärischen Bildern
der Haupttangentencurven dieselbe Eigenschaft zukommt.
Wir bemerken noch, dass beide Eigenschaften für die pseudo-
sphärischen Flächen charakteristisch sind. In der That, wenn diese
Eigenschaft von den Curven u, v auf der Kugel vorausgesetzt wird, so
besagt dieses, dass e, g durch Aenderung der Parameter u, v gleich
fl2l fl2]
Eins gemacht werden können, woraus sich ]/|=0; l9|=0 und
also infolge der Gleichungen (10) q = Const. ergiebt. Berücksichtigt
man andrerseits die Gleichungen (a), § 64, S. 127:
fl2\ J12r fl2\ (121'
1 1 J = - 1 1 1 ' 1 2 J = - 1 2 p
SO gelangt man offenbar zu derselben Schlussfolgerung, wenn man vor-
aussetzt, dass die in Rede stehende Eigenschaft den Haupttangenten-
curven Uj V auf der Fläche zykommt.
§ 68. Formeln von Lelieuvre. 131
Die Aufgabe, die pseudosphärischen Flächen zu bestimmen, deckt
sich mit der, auf der Kugel diejenigen Systeme von Gurren «, v zu
finden, für die das Quadrat des Linienelementes den Ausdi-uck (16*)
annimmt, d. h. diejenigen Systeme zu finden, welche die Kugelober-
fläche in krummlinige Vierecke teilen, deren Gegenseiten einander
gleich sind. Wenn man nun mit Hilfe der Gleichung (IT), § 35,
Kap. ni (S. 68), die Eigenschaft ausdrückt, dass die Krümmung der
Form (16*) gleich Eins (oder diejenige der Form (16) gleich jj
ist, so findet man für a die charakteristische Gleichung:
(17) i^^ = sinc.
Jeder Lösung a dieser partiellen Differentialgleichung entspricht
eine pseudosphärische Fläche mit gegebenem Radius q und umgekehrt *).
§ 68. Formeln von Lelienvre.
Die Gleichungen (13) des § 64 (S. 126) gestatten eine von Le-
lieuvre**) angegebene elegante Transformation, die füi* die Theorie
der unendlich kleinen Verbiegungen von grosser Wichtigkeit ist.
Diese Transformation der Gleichungen (13) ergiebt sich unter Berück-
sichtigung der Identitäten ***) :
*) Es folgt nämlich aus dem allgemeinen Satze des § 48, dass, wenn co der
Gleichung (17) genügt, zu der Kugel das Linienelement-Quadrat (16*) gehört. Ist
CO gegeben, so hängt die Bestimmung der entsprechenden pseudosphärischen
Fläche von der Integration einer Riccati'schen Gleichung ab (§ 50).
**) Bulletin des Sciences Mathematiques, Bd. 12, S. 126.
***) Diese Identitäten sind besondere Fälle der folgenden für eine beliebige
Fläche geltenden:
cz yCy E ex Fex
cu cu "~ y^EG — F* cv yEG ^^F^ c u\
cz cy F ex G ex
X — ^ TT — ^=
cv cv yEG — F^cv yEG — F^ ( «
die dadurch bewiesen werden, dass man für X, Y, Z ihre Werte (1), § 46,
Kap. IV, einsetzt. So ist z. B.:
-rr££ _ y £y _ 1 iez /cz ex cz cx\ _ ey^/exey cxcy\\
du cu yEG — jP* \cu\cucv cv cu) cu\cu cv cv cu)\
yEG- F' \dv[_\cuJ \cuj \cuj _\
ex Fex ex .cy^cy cz cz~\\
cu I ctt cv cu cv Tu cv \\
E ex F ex
yEG — F'cv yEG — F* du
132 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
(a)
Ve9
^^ +
P du
dx
__e cX
Yeg — /■* cv
f dX
cu du
Y'/' + Z^-I.
CV dv
\\/eg — p du Yeg — p dv
Die Gleichungen (13) können demnach auch folgendermassen geschrie-
ben werden:
CX
du
^= — 9
C£
du
^ = — 9
Y Z
ar c_z_
du du
Z X
dZ dx
CX
d V
= + Q
du
X
dz_
du
= — (>
Wird
du
Y
7^- ^ -h P
CV ' *^
Y Z
cY dz
dv dv
Z X
dZ dx
dx d_Y^
du du
cz
dv
CV
X
CV
Y
= + P
£X dY
dv dv
nun
VqX=1, ■VQY=ri, VqZ^I
gesetzt^ so ergeben sich die Lelieuvre'schen Formeln:
(18)
CX
du
' du
V
t
dn^
du
du
t
1
El
du
du
cz
du
CE, CT]
du du
CX
dv
dv
dz
dv
= +
= +
+
n
t
dri
dv
dt
dv
t
^
El
dv
dv
1
V
dv
dri
dv
Nun sind X, Y, Z infolge der mittleren der Gleichungen (4), § 63,
S. 122, und infolge der Gleichungen (10), § 64, S. 125, Lösungen der
Laplace'schen Gleichung:
C^(p
du
clogY^ dcp . c log Yq ^ _i_ f
"' du dv ' ' ^
0
dudv '
Da dieselbe gleiche Invarianten besitzt*), so geht sie, wenn
gesetzt wird, in die folgende über:
d^d-
(19)
wo
M
1 d^YQ
Yq dud\
dudv
f ist.
= JfO-,
*) Vgl. Darboux, Bd. 2, S. 27.
§ 68. Formeln von Lelieuvre. 133
Daraus folgt: In den Lelieii vre'schen Formeln (18) sind
I, r^, t, drei particiliare Lösungen der Gleichung (19).
Nun gilt aber auch umgekehrt der Satz: Kennt man drei
linear unabhängige particulare Lösungen |, ?j, t, einer will-
kürlich gewählten Laplace'schen Gleichung von der Form:
Mi- = M»,
cucv '
wo M eine beliebige Function von u und v ist, so ergeben
die Gleichungen (18) mittels Quadraturen eine Fläche, auf
der die Ciirven ?<, v die Haupttangentencurven sind und deren
Krümmungsmass K in jedem Punkte durch
gegeben ist.
In der That ist leicht zu sehen, dass die Bedingungen für die
Integrabilität der Gleichungen (18) für die Lösungen |, ?;, ^ von (19)
identisch erfüllt sind; auf der sich ergebenden Fläche:
X = x(u, v), y = y(u, v), z = z{u, v)
sind I, >;, % infolge der Gleichungen (18) den Richtungscosiniis der
Normale proportional- Demnach ist, wenn
Q = ^' + r^ + ^'
gesetzt wird:
X=4=' ^=^-' ^=-7='
y? v7 y?
und die Gleichungen:
y^ I cu cu ' X ) cv cv '
die aus den Gleichungen (18) folgen, beweisen eben, dass die Ciirven
u, V die Haupttangentencurven sind. Setzt man femer noch :
dX'- + dY' + dZ' = edu^ + 2fdudv + gdv-,
so kommt man von den Gleichimgen (18) wieder zu den Gleichungen
(13), sodass der Beweis geführt ist.
Nach dem vorstehenden Satze können wir mit Hilfe von geeig-
neten Gleichungen (19) unendlich viele Flächen erhalten, auf denen
wir unmittelbar die Haupttangentencurven kennen. Wenn wir z. B.
die Gleichung:
C U C V
nehmen und die drei particiliaren Lösungen
l = V, ?J = 1^' (f), t= H'
wählen, wo i'(v) eine beliebige Function von v ist, so ergiebt die
Integration der Gleichungen (18):
134 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
(20) X = — uiIj(v), y = UV, z =J (vip'iv) — ■^{v))dv.
Diese Gleichungen definieren uns eine Fläclie, auf der die Haupt-
tangentencurven v offenbar Gerade sind, welche die ^-Axe senkrecht
kreuzen, d. h. ein gerades Conoid. Wegen der Willkürlichkeit der
Function il)(v) ist die Fläche (20) auch das allgemeinste gerade Conoid.
§ 69. Die Flächen bezogen auf ein conjugiertes System.
Der zweite besondere Fall, auf den wir die allgemeinen Gleichungen
des § 63 anwenden wollen, soll derjenige sein, in welchem die Curven
u, V auf der Kugel die Bilder eines conjugierten Systems auf
der Fläche sind.
Da dann D'= 0 ist, so nehmen die Gleichungen (6) (S. 123) fol-
gende einfache Gestalt an:
(21)
Wenn ein System (m, v) auf der Kugel willkürlich gegeben ist, so
giebt es unendlich viele Flächen, für die dasselbe ein conjugiertes
System ist. Eine beliebige dieser Flächen ergiebt sich, wenn für D und
D" zwei Functionen von u und v genommen werden, die den Glei-
chungen (21) oder den nach (20), S. 45, äquivalenten Gleichungen:
genügen, und wenn alsdann x, y, s mittels Quadraturen aus den Glei-
chungen (5) (S. 123) bestimmt werden, die in diesem Falle lauten:
dx D ( dx . .ax\
\~9 d^-\-t f,}^
(22)
du eg — f^
dx D" / , ,.dX dX\
\ ' ' cu cv /
[dv eg — P
und entsprechend für y und z.
Aus den Gleichungen (8) (S. 124) ergiebt sich:
(23) r, + r2 = — -^^~t|?, r^r^ =
eg-P ' ^^ eg-r
Die Gleichungen (9) ebenda ergeben :
^ ^ eg — P' eg — p' eg~P
§ 69. Flächen bezogen auf ein conjugiertes System.
135
Irs]
Bereclinen wir mittels dieser Ausdrücke die Symbole \ [ für die
Fläche, so finden wir unter Berücksichtigung der Gleichungen (21)*):
ffll\ clogl) fll\'
(25)
{7h
"5- 1 2 j '
(221
\-2|
fl2l
\2j
f log J"
cv
■':■}''
D |22\'
Er 1 1 J'
22|
Uli
B" }12\' /ll\ D |12\'
- 15-12 1' l2 j =-B^\l]'
Wir nehmen nun im besonderen an, dass das System (m, v) auf
der Kugel orthogonal sei und demnach die Gurren ?/, v Krümmimgs-
linien der Flächen seien (vgl. § 61, S. 119). Es ist dann f = 0 und
also nach (23):
D = — e}\, D"=—gr^.
Wenn wir dieses in den Gleichungen (21) einsetzen und gleichzeitig
die Werte der Christofferschen Symbole nach § 35 entwickeln, so er-
halten wir:
du
(26)
cv
er
!- = (>•!
\ CU ^ -
ajogj^
^^ cv
. giogv7
^^^ du
Die Aufgabe, die Flächen mit gegebenen sphärischen Bil-
dern der Krümmungslinien zu bestimmen, wird demnach bei
dieser Art der Behandlung auf die Integration des Systems (26) zurück-
geführt.
Eine elegantere und mehr symmetrische Methode wird sich dem-
imchst aus den Gleichungen für die Ebenencoordinaten der Fläche ergeben.
§ 70. Flächen mit positiver Krümmung bezogen auf ein
isotherm - conjugiertes System.
Auf einer Fläche (oder auf einem Flächenstück) mit positiver Total-
krümmung giebt es unendlich viele conjugierte Systeme, für welche
die zweite Grundform:
Ddu^ + 2D'dudv + B" dv^-
die isotherme Gestalt (§ 38) annimmt, d. h. für die bei geeigneter Wahl
der Parameter u und v
. D = D", D'= 0
*) Die folgenden Gleichungen des Textes ergeben sich auch unmittelbar aus
den in der Anmerkung § 64, S. 126, angegebenen, wenn darin D' gleich Null ge-
setzt wird.
136 Kap. 5. Die sphärisehe Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
wird. Der Kürze halber nennen wir solche Systeme isotherm-
conjugiert. Wir wollen nun für diese Systeme, die in vielen Be-
ziehungen bei den Flächen mit elliptischen Punkten dieselbe Rolle
spielen, wie das System der Haupttangentencurven bei den Flächen mit
hyperbolischen Punkten, die zugehörigen Gleichungen aufstellen. Ins-
besondere können wir, ohne auf die Realität der Parameterlinien zu
verzichten*), für die genannten Flächen ein System von Gleichungen
ableiten, die den Lelieuvre'schen (§ 68) vollkommen analog sind.
Wird in den Gleichungen des vorigen Paragraphen D = D" an-
genommen, ferner:
D
B"
V^g
= 9
P Veg-r
gesetzt, so ergiebt Einsetzen in den Gleichungen (21*):
(2^) -^
fll (22
llj+ll
C logQ
(22
.12
+
WO die geometrische Bedeutung von q durch die Gleichung:
1
(27*)
K =
gegeben ist. Die Gleichungen (22) lauten
i' dx Q / ^. cX
\ cv
(28)
(-
cu cv /
, ,.dX cX
-r f e —
Cu dv
Veg - f
wonach sich £", F, G berechnen lassen, sodass
ds^ = Q^ißdu^ — 2fdudv -{- edv^)
folgt.
Also: Damit ein System (w, v) auf der Kugel das Bild eines
isotherm-conjugierten Systems auf einer Fläche sei^ ist not-
wendig und hinreichend, dass die Christoffel'schen Symbole
I I , für das Linienelement auf der Kugel berechnet, der
Bedingung:
*) Da die Differentialgleichung der Haupttangentencurven die Form:
du^ ^ dv^ = 0
annimmt, so sind die Gleichungen der Haupttangentencurven in endlicher Gestalt:
u -\- iv = Const., u — iv = Const.
"Wenn wir dieses berücksichtigen, können wir gleichfalls den analytischen Ueber-
gang von den Gleichungen des vorigen Paragraphen zu denjenigen dieses Para-
graphen bewerkstelligen.
§ 70. Isotherm -conjugierte Systeme. § 71. Formeln dafür. 137
gnii)' (221'-] rrf22\' (iin
genügen. Ist dieselbe erfüllt, so ergiebt sich die zugehörige Fläche
ihrer Gestalt nach aus den Gleichungen (27) und (28) mittels Qua-
draturen.
Es mag noch bemerkt werden, dass, wenn D = D", D'= 0 ist,
die Coordinaten x, y, z eines Flächenpunktes wegen der Gleichungen
(I) des § 47, Kap. IV (S. 89), folgenden beiden simultanen Gleichungen
genügen :
f*ö- (l2\r* , (l2\fa-
~ 1 1 Jäi+ 1 2 j^7'
CV.CV
cu"- cv^
r(ii\ f22nr* niil
22
1 2 IJ c»
c9
Umgekehrt, bilden zwei Gleichungen von der Form:
= a^ ho 7^1
CUCV fl* ' cv
ru' cv' CU ' '^ Ct7
ein unbeschränkt integrierbares System*), und sind
drei linear von einander unabhängige Lösungen derselben, so bilden
die Curven ii, v auf der Fläche:
X = x(u, v), ij = y{Uj v\ 0 = z{u, v)
ein isotherm -conjugiertes System**),
§ 71. Formeln für isotherm -conjugierte Systeme.
Mit Hilfe der Identitäten (a) in § 68 können wir wieder die
Gleichungen (28) in andere, den Lelieuvre'schen vollkommen analoge,
transformieren. Setzen wir nämlich:
(29) >VX=|, Y^Y=r,, YqZ=%,
so gehen dieselben infolge der soeben erwähnten Identitäten über in:
*) Ein System wie das obige im Text kann höchstens vier linear von
einander unabhängige Lösnngen besitzen (mit Einschluss der Lösung: ■O' = Const.);
ist dieses der Fall, so ist es eben unbeschränkt integrierbar.
**) Aus dieser Bemerkung ergieht sich nach einer ganz analogen Beweis-
methode wie in §58, S. 111: Die isotherm-conjugierten Systeme gehen
bei projectiven Transformationen in ebensolche über.
138 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
(30)
dx I
^2/ _ I
du ~ "T~
V
l
dv
t
l
dv
dv
dl
du
+
^
n
dv
dr\
dv
ex
dv
dy_
dv
dj_
dv
V
t
djl
du
du
l
l
du
d^
du
1
V
du
drj
du
Nun genügen X, Y, Z den Gleichungen (4) in § 63. Addieren
wir die erste und dritte derselben und berücksichtigen wir die Glei-
chungen (27), so sehen wir, dass X, Y, Z Lösungen der Gleichung:
|> -f |!^- + ^-^p-^ 1^ + l'^^ 1^ + (ß + ^) 9^ = 0
du^ ' cv^ ' du du ^ dv dv ^ ^ ' ^■'^
sind. Diese geht, wenn
gesetzt wird, über in:
(31)
wobei
-\/q (p = ^
''^ + ?S = M».
du'
dv'
M
- (ß + ^)
ist. Infolge der Gleichungen (29) sind |, ?^, 2; drei particuläre Lö-
sungen von ihr.
Umgekehrt: Ist eine Gleichung von der Form:
d^& , ?r-&
M&,
du' ' dv'
wo M eine beliebige Function von u und v ist, gegeben, und
kennt man drei linear von einander unabhängige Lösungen
I, 7], £;, so ergiebt sich aus den Gleichungen (30) mittels
Quadraturen eine Fläche:
X = x{u, V), y = y(;ii, v), s = z{ii, v),
auf der die Curven m, v ein isotherm-conjugiertes System
bilden. Der Beweis ist derselbe wie in § 68, und auch hier ergiebt
sich nach (27*), S. 136, dass das Krümmungsmass K der Fläche durch
(32) K^+ '
gegeben ist.
iV' + n' + tr
Beispiel. Man betrachte die Gleichung:
^^^^ du' ^ dv'
d'& ■ d'& __r.
1 a,,2 ^
. § 72. Formeln von Weingarten fiir die Ebeneneoordinaten. 139
und wähle die Lösungen:
wo tt eine beliebige Lösung von (33) ist, deren conjugierte ß be-
kanntlich durch die Bedingungen:
ca cß ca cß
cu cv cv du
bestimmt ist. Die Gleichungen (30) ergeben dann integriert:
, ca u* -f- *'* a ^"
' cu ^ 2 '^ cu
und bestimmen eine Fläche, auf der das System (m, v) isotherm-con-
jugiert ist. Setzt man z. B.
a = — hv. ß = hu,
so erhält man das Rotationsparaboloid:
^ == ^IF^ ('* = Const.).
Die Curven ?t, v des isotherm-conjugierten Systems sind in diesem
Falle die (congruenten) parabolischen Schnitte der Fläche mit Ebenen,
die den Hauptebenen parallel sind.
§ 72. rormeln von "Weingarten für die Ebeneneoordinaten
der Fläche.
An die Theorie der Abbildung einer Fläche auf die Kugel können
naturgemäss die Fonneln für die Tancrential- oder Ebenencoor-
dinaten angeschlossen werden, zu deren Behandlung wir nun über-
gehen *).
Wir denken uns eine (nicht abwickelbare) Fläche als Enveloppe
ihrer Tangentialebene und geben, um sie zu bestimmen, die Coor-
dinaten dieser Ebene als Fimctionen zweier Parameter (krummliniger
Coordinaten) it, i\ Zu Coordinaten der Ebene wählen wir zweckmässig
die Coefficienten ihrer Gleichung in der Normalform:
d. h. die Richtungscosinus X, Y, Z der Flächennormale und den Ab-
stand W der Tangentialebene vom Coordinatenanfangspunkt. X, Y, Z, W
sind als Functionen von u und v bekannt, also auch die Coefficienten
e, f, g des Quadrates des Linienelements (3), § 63, auf der Bildkugel.
Wir wollen nun die Coordinaten x, y, z des Berührungspunktes der
*) Weingarten, Ueber die Theorie der auf einander abwickelbaren Ober-
flächen (Festschrift etc. 1884).
140 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordi^ten.
Tangentialebene berechnen. Zu diesem Zwecke differenzieren wir die
Gleichung:
(a) xX-\-yY-j- 0Z=W
*
nach a und v und erhalten so:
(b)
dx
du
8Y
du
^-- +yli- + ^l~ =
dz
' du
dW
du
dX . dY . dZ dW
^ - — r y Q h ^ Q- =
dv dv
demnach durch Auflösung des linearen Systems (a), (b) nach x, tj, z:
W Y Z
dW dY dZ
du du du
dW dY dZ
dv dv 'dv
Veg - r
oder wegen der Identitäten (a) in § 68 und nach (1), § 46;
WX -j-
eg-r
dWdX
du du
f (^K g^ , dWdX
' \du dv ' dv du
, dWdx]
"*" ^ dv dv I
Dieser Ausdruck und die analogen für y und 0 lassen sich auch
folgendermassen schreiben:
(34) x=WX+V{W,X), y=WY-\-W(W,Y),
z= WZ-\-V(W, Z),
wo der gemischte Differentialparameter V (ebenso wie die weiteren,
auf die wir stossen werden) für die gegebene Form des Linienelement-
Quadrates auf der Kugel,
edii' -\- 2f(ludv -{-gdv%
berechnet ist (vgl. § 35, S. 67).
Für die so bestimmte Fläche können wir ferner die Coefficienten
D, D', B" der zweiten Grundform leicht berechnen.
Aus den Gleichungen (b) folgt nämlich mittels nochmaliger Diffe-
rentiation nach u und v wegen (3*) in § 46:
D =
Vd'x
nr ^
^ ^ ~du
d^W
du' '
i>'=2
d^_
dudv
D"
.^!— *' dv' dv' '
d'W_
dudv
d'W
wofür sich auch unter Berücksichtigung der Grundgleichungen (4), § 63,
schreiben lässt:
§ 73. Flächen mit gegebenem Bilde eines conjugierten Systems. 141
cu-
(35) {
wo die Wrs die covarianten zweiten Differentialquotienten von TT' be-
züglich der Form:
edu--^2fdu(h-\-gdv^
sind (nach 22,., S. 46).
Als Gleichungen zur Bestimmung der Summe und des Products
der beiden Hauptkrümmungsradien erhalten wir weiter aus den Glei-
chungen (8), §63 (S. 124), die folgenden:
„ I ,. _ 9^11 — ^f^ii + eW^^ _L 9 TOT
»i-t-^— eg — p -T ^ yy ,
12 e^ _ /s ~r eg — f- '
oder:
r, -fr, = A,Tr+2Tr,
(36)
^ ^ [ }\r, = TF^ -f TFA, TT' + A., TF,
wo die zweiten Differentialparameter A^, A.,,, wie gesagt, für die
Grundform :
edu^-\-2fdudv-\-gdv^
zu berechnen sind. (Vgl. (24), S. 47.)
Von den beiden Ausdrücken (36) ist der erste wegen seiner Ein-
fachheit besonders bemerkenswert: im folorenden machen wir von
ihm einige wichtige Anwendungen.
§ 73. Flächen mit gegebenem Bilde eines conjugierten Systems.
JWir nehmen nun an, es sei das System (m, v) auf der Fläche ein
eonjugiertes. In diesem Falle muss Z)'= 0 oder infolge der mittelsten
der Gleichungen (35)
sein, d. h. W muss eine Lösung der Laplace'schen Gleichung:
(37) ^=p2|'a^ {i2|'a^_
sein, von der auch (nach (4) in § 63) X, Y, Z particulare Lösungen
sind.. Also: Wenn das System (?/, i) conjugiert ist, so sind die
Ebenencoordinaten X, Y, Z, W Lösungen ein und derselben
142 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
Laplace'schen Gleichung (37). Umgekehrt sieht man sofort: Sind
die Ebenencoordinaten X, Y, Z, W Lösungen ein und der-
seben Gleichung von der Form:
= a ^ \- 0 ^ \- cd-,
/i -9/. ' y^ 41 • /
cudv du ' cv
so ist das System {u, v) auf der Fläche ein conjugiertes.
Die bereits in § 69 berührte Aufgabe, die Flächen mit gege-
benem sphärischen Bilde eines conjugiertes Systems (u, v)
zu bestimmen, wird somit auf die Integration der Laplace'schen
Gleichung (37) zurückgeführt; jede (linear von X, Y, Z) unabhängige
Lösung derselben liefert uns eine Fläche, die der gestellten Bedingung
genügt.
Wir erwähnen noch, dass, wenn das System (ti, v) auf der Fläche
dasjenige der Haupttangentencurven ist, gleichzeitig D = 0, D"== 0
ist, d. h. dann ist W ebenso wie X, Y, Z eine gemeinsame Lösung
der Gleichungen:
du^ ~~ 1 1 j cu "1" 1 2 J a« ^^'
a^ _ j22\'a^ f22)'a^_
dv^ ~ \ 1 \ cu^ {2 \ dv ^^•
Aus diesen Entwickelungen ergiebt sich der analytische Beweis des
in § 58 (S. 111) ausgesprochenen Satzes: Bei den dualistischen
Transformationen des Raumes gehen die conjugierten Systeme
und die Haupttangentencurven einerFläche in ebensolche über.
Hierbei brauchen wir uns, da nach dem angeführten Paragraphen
der analoge Satz für projective Transformationen gilt, nur auf eine
besondere Reciprocität zu beschränken, und wir wählen diejenige
dualistische Transformation, die jeder Ebene des Raumes:
lX-i-Yri + ^Z=W
ihren Pol bezüglich der Kugel:
d. h. den Punkt mit den Coordinaten:
_ X _J__^
^ — jy^' y -\\r^ ^ ^
zuordnet.
Wenn das System (u, v) ein conjugiertes System auf der Enveloppe
der Ebenen (X, Y, Z, W) ist, so geht die Gleichung:
-6 — cT = a ^ hOö rcO',
cucv cu * cv ' '
§74. Flächen mit einer Schar Krümmungslinien in parallelen Ebene. 143
der X, Yj Z, W genügen, mittels der Transformation:
& = W(p
in eine Gleichung:
cucv cu ' "^ ov
über, der die Coordinaten oc, y, z des Poles genügen. Es bilden daher
auf der Ortsfläche des Punktes {x, y, z) nach § 58, S. 110, die Curven
M, V ein conjugiertes System.
In ganz ähnlicher Weise erledigt sich der Fall der Haupttangenten-
curven.
§ 74. Flächen mit einer Sckar Krümmungslimen in parallelen
Ebenen.
Wir haben allgemein gesehen, dass die Bestimmung der Flächen
mit gegebenem sphärischen Bilde (j(, v) eines conjugierten Systems mit
der Integi-ation der Laplace'schen Gleichung (37) gleichbedeutend ist.
Insbesondere gilt dieses von der Aufgabe, die Flächen mit gege-
benen sphärischen Bildern der Krümmungslinien zu bestim-
men. Und um hiervon eine einfache Anwendung zu geben, wollen
wir jetzt alle diejenigen Flächen bestimmen, die (wie die Ro-
tationsflächen) eine Schar Krümmungslinien in parallelen
Ebenen besitzen.
Für jede dieser Curven ist das sphärische Bild offenbar ein Kreis
in einer der Cm-venebene parallelen Ebene*); es sind demnach die
gesuchten Flächen durch die Eigenschaft gekennzeichnet, dass die sphä-
rischen Bilder ihrer Krümmungslinien ein System von Meridianen und
Parallelkreisen auf der Bildkugel sind. Daraus folgt, dass die Krüm-
mungslinien des zweiten Systems gleichfalls eben sind und dass ihre
Ebenen die ersteren Ebenen und die Fläche rechtwinklig schneiden.
Sind nun, wie gewöhnlich,
X = sin u cos r, Y =^ sin h sin r, Z = cos u
die von den Parametern u, v der Parallelkreise und der Meridiane ab-
hängigen Coordinaten eines Punktes der Bildkugel und ist also:
ds"^ = du^ -\- sm^udv-
der Ausdruck für das Quadrat des Linienelementes der Kugel, so wird
die zu integrierende Gleichung (37) nach Tabelle (A), § 35, folgende:
= cotg u
cucv <=■ cv
*) Es sei daran erinnert, dass in jedem Punkte einer Krümmungslinie ihre
Tangente derjenigen des sphärischen Bildes parallel ist (vgl. § 62).
144 Kap. 5. Die sphärische Abbildung nach Gauss. — Ebenencoordinaten.
Ihr allgemeines Integral ist gegeben durch:
W = smucp(v) -j- xp(u),
wo (p{v), ^(w) willkürliche Functionen von v bez. u sind. Die Glei-
chungen (34) liefern uns also für die gesuchten Flächen die Gleichungen :
x = cosvq)(v) — smvq)'(v) -\- cos v [i^ (ii) simi -|- ^'(m)cosm],
y = smvq){v) -f- cosvq)'(v) -\- sin -y [i^ (m) sin m -f- •j^'(w) cosm]^
0 = '^(u) cos u — l/''(*0 ^^^ **•
Die Ebenen der Curven v = Const. sind senkrecht zu einem
gewissen Cylinder, den sie längs der Erzeugenden schneiden. Die
Axe dieses Cylinders ist der ^-Axe parallel, und sein Schnitt mit der
rr «/-Ebene wird durch die Curve:
' X = cosv(p{v) — smvq)'{v\
(38)
(a) , .
\y = sin v(p(v) -j- cos vcp'iv)
gegeben. In jeder der erwähnten Ebenen sind die Gleichungen der
Curve V, bezogen auf die Normale der Curve (a) als 7j- und auf die
Erzeugende des Cylinders als ^-Axe, offenbar:
rj = -i{;(ti) sin (^ii) -f- i^\u) cos u.
[ ^ = t{u) cos (u) — i^'(^) sinw.
Wegen des Auftretens der beiden willkürlichen Functionen cp{u)
und iIj(u) bleibt sowohl die Gestalt des (Leit-)Cylinders (a) als auch
diejenige des Querschnittes (b) willkürlich, und es entstehen dem-
nach die gesuchten Plächen auf folgende Weise: Man nehme eine
Cylinderfläche, zeichne in einer Ebene TT eine beliebige Curve
r und eine beliebige Gerade v und bewege TT so, dass v der
Reihe nach mit den Erzeugenden des Cylinders zusammen-
fällt und dabei TT normal zum Cylinder bleibt; dann beschreibt
die ebene Curve F die gesuchte Fläche.
Eine solche Fläche heisst eine Gesimsfläche mit cylindrischer
Abwickelung (nach Monge: moulure)*). Ihre Krümmungslinien
sind die verschiedenen Lagen der Curve F und die Schnitte mit
Ebenen, die auf den Erzeugenden des Leitcylinders senkrecht stehen.
Wenn wir die Bezeichnungen unwesentlich abändern, nämlich mit v
*) Im allgemeinen werden diejenigen Flächen als Gesimsflächen (mou-
lure s) bezeichnet, bei denen die Krümmungslinien der einen Schar in Ebenen
liegen, die zur Fläche normal sind. Sie entstehen durch die Bewegung einer
ebenen Curve, deren Ebene, ohne zu gleiten, auf einer beliebigen abwickelbaren
Fläche rollt.
§ 74. Flächen mit einer Schar Krümmungslinien in parallelen Ebenen. 145
den Bogen des Querschnittes z = 0 des Leitcylinders, mit a den Winkel
zwischen der Tangente des Schnittes und der a:-Axe, mit
X = x{v), y = y(v)
die Gleichungen des Schnittes des Cylinders mit der Ebene z = 0,
endlich mit
die Gleichungen der erzeugenden Curve, bezogen auf ihren Bogen m,
bezeichnen, so erhalten wir als Gleichimgen der Fläche offenbar:
(39) X = x(v) + sin aU, y = y{v) — cos aU, z= 1 Yl — U'^ du,
also für das Quadrat des Linienelementes den Ausdruck:
(40) ds' = du^ + (l + §)' dv\
wo i?= JR(i) der E^rümmungsradiüs des Querschnittes des Leitcylinders ist.
Bianchi, Sifferentialgeometrie. 10
Kapitel VI.
Geodätische Krümmung. — Greodätisclie Linien.
Tangentiale oder geodätische Krümmung. — Bonnet'sclier Ausdruck. — Liouville-
scher Ausdruck für die Krümmung K. — Geodätische Linien. — Verschiedene
Formen ihrer Differentialgleichung. — Geodätisch parallele Linien. — Geodätische
Ellipsen und Hyperbeln. — Geodätische Torsion einer Curve. — Allgemeine Sätze
über die Integration der Differentialgleichung der geodätischen Linien. — Geo-
dätische Linien auf den Liouville'schen Flächen, insbesondere auf den Rotations-
flächen. — Satz von Gauss über die Totalkrümmung eines geodätischen Dreiecks.
— Doppelte Orthogonalsysteme von Curven mit constanter geodätischer Krümmung.
§ 75. Tangentiale oder geodätisclie Krümmung orthogonaler
Parameterlinien.
Wir betracliten auf einer Fläche S eine Curve C, die von einem
Punkte M der Fläclie ausgeht, und projicieren die Curve senkrecht auf
die Tangentialebene in M. Die Krümmung ihrer Projection y im
Pimkte Jlfheisst die tangentiale oder geodätische Krümmung*) der
Curve C im Punkte M, und der zugehörige Krümmungsmittelpunkt m
der Curve y wird als Mittelpunkt der geodätischen Krümmung
der Curve C bezeichnet, während die Strecke Mm, deren reciproker
Wert die geodätische Krümmung ist, den Nfimen Radius der geo-
dätischen Krümmung führt. Wir bezeichnen diesen Radius mit
Qff = Mm
und beachten, dass er von M aus in der Tangentialebene in der zur
Curve C normalen Richtung gemessen wird, nachdem auf der Normale
der positive Sinn festgelegt worden ist. Wir wollen daher Qg das
positive oder negative Vorzeichen erteilen, je nachdem die Richtung
von M nach m den positiven oder den negativen Sinn hat. Bezeich-
nen wir ferner mit — die (wie gewöhnlich absolut genommene) erste
*) Der Grund für die zweite Bezeichnung wird später (§ 80) erkannt werden.
§ 75. Geodätische Krümmung orthogonaler Parameterlinien. 147
Krümmung der Curve C in M und mit s den Winkel, den die positive
Richtimg der Hauptnormale der Curve C in M mit der eben fest-
gelegten positiven Richtung in der Tangentialebene normal zur Curve
C bildet, so haben wir:
1 ^ cos £ ^.
9~g Q
Wir wollen nun den Ausdrack für die Tangentialkrümmung einer
auf einer Fläche gezogenen Curve ableiten, wenn die Curve in krumm-
linigen Coordiuaten dui-ch die Gleichung:
q>(Uj v) = 0
gegeben ist. Wir betrachten zunächst den Fall, in dem die Para-
meterlinien H, r auf einander senkrecht stehen, also
ds- = Edu- + Gdv-
ist, und suchen die Ausdrücke für die geodätischen Krümmungen dieser
Parameterlinien, die wir mit
— bez. —
bezeichnen wollen. Infolge der obigen und der bereits früher hin-
sichtlich der positiven Richtungen der Parameterlinien getroffenen Fest-
setzungen kommen diesen Krümmungen vollkommen bestinmite Vor-
zeichen zu.
Für eine Curve u = Const. haben wir unter Beibehaltimg der
gewöhnlichen Bezeichnungen aus der Curvenlehre (Kap. I):
dSu = yO dv,
lex a 1 cy 1 cz
cos a = —= — y cos ö = —=z ^j cosy = —= — •
YGcv yOcü VGdv
Hieraus ergiebt sich durch eine neue Differentiation nach dem Bogen
der Curve u und unter Berücksichtigung der Frenet'schen Formeln:
cos 4 1 ^ / ^ ^-^'X cos ri 1 c / 1 cy\
^^^ YGcvXYGcvJ' q ~~ yGcv\yGct)'
cos J 1 ^ / 1 ^^\
Q yGcv\yGcv)'
wo Q der (absolut genommene) Radius der ersten Krümmung der Curve
u = Const. ist. BQeraus folcrem wir:
*) Es ist dieses die Meusnier'sche Gleichung (§ 53, Kap. IT), angewandt auf
die Curve C und den Querschnitt y durch den Gy linder, der C auf die Tangen-
tialebene projiciert. Man sieht, dass der Mittelpunkt m der geodätischen Krüm-
mung derjenige Punkt ist, in welchem die Axe des Schmiegungskreises im
Punkte M der Curve C die Tangentialebene schneidet.
10*
148 Kap. VI. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
1 cos f ■^^ cos ^ 1 dx 1 sr^dx c /
dx d / l dx
e« ~~ ? ~^ Q y'E cu~ YEG^ du dv\yG dv
Nun ist:
-^^dx d / 1 dx\ 1 '^^dxd^x
wegen:
dudv\yG dvj VG^dudv^
y 1^1^ = 0.
X ; du cv
Ferner ergiebt sich aus der letzten Gleieliung durch Differentiation nach v :
^J du dv^ .^J dv dudv 2 du
Also ist:
QN 1 = i_dyG
^ ^ Qu yEG du
und analog:
Q*N l_ ^dyE
^ \ Qv yEG dv
§ 76. Bonnets Ausdruck für die geodätische Krümmung.
Die Ausdrücke (1) oder (1*) können wir durch Einführung der
Differentialparameter auf eine andere Form bringen. Wir haben nämlich :
1 E 2 y_g,^ du^E V ? K / E du
weil F gleich Null ist und nach § 35, sodass der Ausdruck (1) auch in
der Form :
^ ^ Qu y\u \ y L^u)
geschrieben werden kann.
Nunmehr können wir leicht in ihrer ganzen Allgemeinheit die
Aufgabe lösen: Eine Fläche ist auf ein beliebiges System von
Parameterlinien m, v bezogen, für die das Quadrat des Linien-
elements die Form:
ds" = Edu^ + 2Fdudv + Gdv^
annimmt, und es ist ferner die Gleichung:
q)(u, v) = Const.
einer Schar von Curven auf der Fläche gegeben; es soll die
geodätische Krümmung — dieser Curven berechnet werden.
Um auch das Vorzeichen von q^ eindeutig zu bestimmen, treffen
wir die Festsetzung, dass als positive Richtung normal zu einer Curve
§ 76. Bonnets Ausdruck für die geodätische Krümmung.
149
q) = Const. in der Tangentialebene diejenige gewählt werden soU, längs
welcher der Parameter cp wächst. Wählen wir zu Parameterlinien die
Curven (p = Const. und ihre Orthogonaltrajectorien ^ = Const., so
nimmt das Quadrat des Linienelements die Gestalt:
ds- = E.dcp' + G^dij;^
an, und wir haben wegen der Gleichung (1)
1 ^ 1 gj/g^
Q^~~ yE^G^ cq>
oder wegen der Gleichung (2)
(3)
Wegen der grundlegenden Eigenschaft der Diiferentialparameter
ist es gleichültig, ob wir sie in den neuen Coordinaten ((p, ^) oder in
den alten (m, v) berechnen, und es giebt uns demnach die vorstehende
Gleichung den gesuchten Auschiick. Die Entwickelimg der rechten
Seite giebt nach § 35:
yEG—F-
_1
Gi^-F
cu
Cq)
CO
yEG—F-
cv
f'J-'
c
-G'ß-F'''
+
cu
cv c
Yeg—f^ L Veg— f^ c u \y Ai cp
' cv \ YEG—F' J _
:E^X-F'y
+
+
cv
cu c
g'^-f'^
^EG— FM^«» \}/(£^^^F^VÄ7^
yEG- F* cv VVA,qp/_
+
vl/(£(? — F^A,
Wir erhalten somit für die geodätische Krümmung den Bonnet-
schen Ausdruck:
(4)
.Cq>
g'^
cu
v^w^^^w^^:i'
+
c. «^qP
Cfp
FV^-E
cu cv
y^m~-
^f'^'-^ + g
cu cv
\cu/ /
Hierin ist die rechte Seite nach (3) ein Differentialparameter von (p. Dieser
Umstand zieht eine sehr wichtige Eigenschaft der geodätischen Ki-üm-
mung nach sich, deren geometrische Bedeutung wir in der Theorie
der Abwickelbarkeit der Flächen auf einander erkennen werden.
150 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
Sind die Curven:
q) = Const.
niclit durch eine endliclie Gleichung, sondern durch eine Differential-
gleichung erster Ordnung:
Mdu + Ndv = 0
bestimmt, so können wir offenbar ihre geodätische Krümmung eben-
falls nach Gleichung (4) berechnen, indem wir berücksichtigen, dass
dff d(p
du ' cv
= M:N
ist. Es folgt also:
(4*)
ywä
+
FN— GM
+
JV"2 — 2FMN + GM
FM — EN \ \
cvXyEN^- — 2FMN -\- GM';
§ 77. Liouvilles Ausdruck für die Krümmung einer Fläche.
An die vorstehenden Ausdrücke schliesst sich ein weiterer bemer-
kenswerter an, der von Liouville für das Krümmungsmass K einer
Fläche, ausgedrückt durch die geodätischen Krümmungen
der Parameterlinien gegeben worden ist. Aus der Bonnet'schen Glei-
chung (4) erhalten wir:
(8)
1
1
c
CO
~ c
du
cVG
Qu
1
Yeg-
1
-F^
du
dVE
Qv
YEG-
-jP*
cv
Indem wir rechts für die Differentialquotienten der Coefficientcn
ihre Werte in den Christoffel'schen Symbolen nach (A), S. 67, ein-
setzen, erhalten wir die gleichbedeutenden Ausdrücke:
(5*)
YEG — F^ J22
Gy'G
9.
Yeg — f^ jii
eYe
Nun benutzen wir den Ausdruck (III), § 29 (S. 53), für das Krüm-
mungsmass K:
K =
Yeg—f^
'1. (Vl^Lull f 1 1|\ A (Y^G-F^ f 1 2
pv \ E 1 2 jy cu\ E \ 2
§ 77. LiouviUes Ausdruck für die Krümmung einer Fläche. 151
den wir infolge der zweiten der Gleichungen (5*) auch folgendennassen
schreiben können:
Mittels der bekannten Gleichungen (S. 63);
führen wir den Winkel H zwischen den Parameterlinien u, v ein. In-
dem wir nämlich die erste dieser Gleichungen nach v differenzieren und
für sin.Q den durch die zweite Gleichung gegebenen Wert einsetzen,
erhalten wir:
cSl_ 1 ["££ _ Z. £^ _ Z. £^1 .
~ J^ ~ YEG— F^lcD -IE cv 2G cv]
Wenn wir rechts für die Differentialquotienten der Coefficienten die
Werte in den Christofferschen Symbolen einsetzen, so folgt:
-77 = G li j + E 1-2 j
oder wegen der ersten der Gleichungen (5*):
yWG^^F- ( 1 2 1 ^ _ yG^ _ f ß .
E 1 -2 I Q, cv
Mithin nimmt der Ausdruck (a) die elegante und symmetrische Gestalt:
(^) ^"VEG^^TF^ Icucv ^ cu\ e„ '^ev\Q, M
an. Dieses eben ist der Liouville'sche Ausdruck.
Falls die Parameterlinien auf einander senkrecht stehen [p, = -J j
lautet er:
j_ ^ /J_\ , J_ A/-L\ 4- 1 ^=^-1^ + i^ -4^^^
"" VE ch\Qu) "^ VG cv \9j "^ Qu VEG cu Qc VEG cv
oder auch infolge der Gleichungen (1), (1*) mit Rücksicht darauf, dass
YEdit, yadv
die Bogenelemente ds„ dSu der Parameterlinien sind:
*) Eine unmittelbare Folgerung aus dieser Gleichung ist der Satz: Nur auf
den Flächen mit constantem negativem Krümmungsmass (den pseu-
dosphärischen Flächen) giebt es doppelte Orthogonalsysteme von
Curven von der Beschaffenheit, dass die Curven jedes Systems die-
selbe constante geodätische Krümmung besitzen.
152 Kaj). 6. Geodätische Krümmung. — Geodätisclie Linien.
§ 78. Geodätisclie Linien.
Eine auf einer Fläche S gezogene Curve L nennen wir eine
geodätische Linie von S, wenn in jedem Punkte von L die Haupt-
normale der Curve mit der Fläch ennormale zusammenfällt; mit anderen
Worten: die geodätischen Curven sind die Curven mit der Tangential-
krümmung Null*).
Von dieser Definition ausgehend wollen wir die Differentialglei-
chung der geodätischen Linien aufstellen.
Angenommen, G wäre eine solche Curve, so denken wir uns die
krummlinigen Coordinaten (iij v) eines beweglichen Punktes von G als
Functionen des Bogens s von G ausgedrückt und haben sofort die Be-
ziehung:
Für die Curve G haben wir unter Anwendung der üblichen Be-
zeichnungen des Kapitels I:
dx du , dx dv ^ ^V du , dv dv
cos a == >, - -^ — \- Q--^-' cos ö = >,— ^ — \- -J- -,- )
ou ds ' cv ds '^ cu ds ' cv ds
dz du , ds dv
cos y = 5— -^ — \- ^^ -T~-
' du ds ' dv ds
Durch nochmalige Differentiation nach s und mit Rücksicht darauf,
dass infolge der Voraussetzung
cos I = + X, cos '»?==+ ^7 cos 2; = + Z
ist, ergiebt sich infolge der Grundgleichungen (I), § 47, Kap. IV (S. 89),
und nach den Frenet'schen Formeln:
1 X dx d^u j^ dx d^v 1^ flll^a; ^^ (lll^o; j^ y-j-^ A^^'V_L
— 'J ~"dü ds^ ~^ dv ds^ ~^ \_\ 1 j du ~^ \ 2 } d^ '^ J Ufs) '
+ 2
[{22] dx. i22\dx. -nn^l/dvX
+ l\l\ d'u+ \2Jd^ + ^ -^jKdl)
cu ' [ 2 } cv '
du dv j^
ds ds '
2 .
nebst analogen Gleichungen für Fund Z. Daraus und aus (11), §53,
S. 101 ((? = 0), folgt, dass für eine geodätische Linie die charakte-
ristischen Gleichungen gelten müssen:
*) Wenn auf der Fläche eine Gerade liegt, so braucht man nur die zweite
Definition anzuwenden, um zu erkennen, dass sie eine geodätische Linie ist.
(8)
§ 78. Geodätische Linien. 153
S+{V}(^)+M\1^l^+{"}(4-:)=o-
Diese zusammen mit der Gleichung (7) bestimmen den Verlauf
der geodätischen Linien auf der Fläche.
Für die Gleichungen (8) können wir auch diejenigen setzen, welche
sich aus ihnen ergeben, wenn wir das eine Mal die erste mit E, die
zweite mit F, das andere Mal die erste mit F, die zweite mit G mul-
tiplicieren und jedesmal addieren, d. h. nach (18*), S.44, die Gleichimgen:
^d*u , ^ d^v . Vi l"| (du\^. ^ [l 2l du dv [2 2"| (dv\^_ ^
Diese Gleichungen können nach (A), S. 67, in der folgenden einfacheren
Form geschrieben werden:
^ oAI-p^j- r^\ — i^ f—Y-l. 9 £Z ^* ^ _l_ £^ I^Y
"^dsK ds '^ dsl ~~ cu \ds) "T" - f!* rfs ds "•" cu \ds)'
« d /„ du , ^ dv\ _ cE (duy, 9 ^ ^ ^ I ^ (^Y *\
^rfiV^ ds "T" ^ rfs/ ~ Cü \ds) "T" -^ gt? ds ds "T" cv \dsJ • >
(9)
Wollen wir endlich die Differentialgleichung der geodätischen Linien
ansetzen, indem wir als den die einzelnen Curvenpimkte bestimmen-
*) Es mag darauf hingewiesen werden, dass von den beiden Gleichungen (9)
oder auch (8) die eine eine Folge der andern und der Gleichung (7) ist. Durch
Differentiation der letzteren nach s ergiebt sich nämlich die Identität:
^ ' ds ^ ds
wo
" ~ ds \ ds ~^ dsJ cu \ds/ " c u ds ds du \ds/ '
^ " ds \ ds ds/ dv \ds/ " dv ds ds cv \ds/
gesetzt ist.
Aus dieser Identität (a), die für jede beliebige auf der Fläche gelegene
Gurre gültig ist, folgt, dass, abgesehen von den Parameterlinien m, v,
für jede beliebige Curve die eine der beiden Gleichungen (9):
c = 0, ß = 0
die andere nach sich zieht. Handelt es sich aber darum, die Eigenschaft, dass
eine der Parameterlinien, z. B. eine Curve v = Const. , eine geodätische Linie
ist, zum Ausdruck zu bringen, so müssen wir die zweite Bedingung ß ^ 0 an-
setzen, da die erste, a ^ 0, in diesem Falle identisch erfüllt ist.
154 Kap. 6. Greoclätische Krümmung. — Geodätische Linien.
den Parameter nicht gerade die Bogenlänge wählen, sondern ihn will-
kürlich lassen, so brauchen wir nur aus den Gleichungen (8) die fol-
gende abzuleiten:
(10) dudH — dvd^u + 1^} du"" + (2 1^2^} — l^^\)duhlv +
+ {[\'}-^\'])äuä.^-[\'}äv'-0,
die offenbar giltig ist, welches auch die unabhängige Veränderliche
sein mag. Nehmen wir insbesondere 11 als unabhängige Veränderliche
und denken wir uns die Gleichung der geodätischen Linie in der Form:
geschrieben, so erhalten wir, wenn wir
/ du „ d^v
dv ' du^
setzen, zur Bestimmung der geodätischen Linien die Differentialgleichung
zweiter Ordnung:
(10*) ."_ {v}. ■» + ({-} -2 {-)).-^ +
+ (2{?}-{V})^'+{V}-o-
Aus diesen verschiedenen Gestalten der Gleichung der geodätischen
Linien ergiebt sich: Auf jeder Fläche giebt es doppelt unend-
lich viele geodätische Linien; eine solche Linie ist bestimmt,
wenn ein Flächenpunkt, durch den sie hindurchgehen soll,
und die Richtung, die sie in diesem Punkte hat, gegeben sind.
§ 79. Kürzeste Flächencurve zwischen zwei gegebenen Punkten.
Auf die Theorie der geodätischen Linien werden wir auch durch
die folgende Aufgabe aus der Variationsrechnung geführt: Auf einer
Fläche sind zwei Punkte Ä und B gegeben; gesucht wird die
kürzeste Linie, die auf der Fläche Ä mit B verbindet. An-
genommen, G sei die gesuchte Linie, so müssen wir nach den Regeln
der Variationsrechnung die Bedingung dafür aufstellen, dass die erste
Variation der Länge des zwischen A und B gelegenen Bogenstückes
von G gleich Null wird, sobald G, die Endpunkte Ä, B als fest ge-
dacht, eine unendlich kleine Gestaltsänderung erfährt. Wenn wir nun
u und V längs G durch den Bogen s von G ausdrücken, so müssen wir also :
B
djds = 0
§ 79. Kürzeste Flächencture zwischen zwei gegebenen Punkten. 155
setzen, wo u und v durch die Gleichung verknüpft sind:
Wenden wir die Regeln der Variationsrechnung an^ so erhalten
wir auf diese Weise genau die Gleichungen (9); daraus schliessen wir:
Die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten der Fläche ist
notwendigerweise eine geodätische Linie, d. h. die Haupt-
normale der Curve muss in jedem Punkte mit der Flächen-
normale zusammenfallen.
Es ist jedoch zu beachten, dass, wenn auf einer geodätischen Linie
G zwei Punkte Ä und B willkürlich angenommen werden, durchaus
nicht behauptet werden darf, dass G die kürzeste Linie sei, die auf der
Flache A mit B verbindet. Diese Eigenschaft findet, wie wir dem-
nächst sehen werden, nur dann statt, wenn ^-1 und B einander hinrei-
chend nahe sind und die Linie G innerhalb eines hinlänglich kleinen
Gebietes liegt. Als Beleg braucht man nur auf einer Kugel einen
solchen Bogen eines grössten KJreises (der hier eben geodätische Linie
ist), der grösser als die Halbperipherie ist, oder auf einem geraden
Kreise ylinder einen Bogen einer Schraubenlinie, der mehr als einen
halben Umgang auf dem Cylinder macht, zu betrachten, um sich
geometrisch von der Richtigkeit unserer Behauptung zu überzeugen.
Die bleibende Eigenschaft der geodätischen Linien während ihres ganzen
Verlaufes ist diejenige, von der wir, um sie zu definieren, im vorigen
Paragi-aphen ausgegangen sind; die andere, dass sie nämlich den kür-
zesten Weg zwischen zweien ihrer Punkte angiebt, gilt im allgemeinen
nur für hinreichend kui-ze Bogen.
§ 80. Gaussische Form der Differentialgleichung der geodätischen
Linien.
Gauss hat die Difierentialgleichung der geodätischen Linien durch
Einführung des Xeigimgswinkels 0- der geodätischen Linie gegen die
Curven v auf eine bemerkenswerte Form gebracht. Messen wir d-
genau so wie in § 34, Kap. IH, so haben wir die Gleichungen:
(a) cos^ = -i-(i;^* + F'^Y sin^ = >^^5EZ:i^-.
yE\ds* dsP YE ds
Setzen wir nun voraus, dass die betreffende geodätische Linie
nicht eine Curve v = Const. ist, so können wir die Bedingimg dafüi-,
dass sie eine geodätische Linie ist, mittels der ersten der Gleichimgen
(9) (s. die Anmerkung zu S. 153) aufstellen. Dieselbe lässt sich wie
folgt schreiben:
156 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
(b) 2dsd(yE cos'Ö-) = ^^ du' -j- 2I- dudv + lß- dv\
^ ^ ^' ^ cu ' du ' cu
Femer haben wir infolge der Grleicbungen (a) selbst:
2ds d(yE cos d) = ^ {Edu + Fdv) dE — 2 YEG — F' dv dd- =
^ a¥ ^^*'+ Tv ^** ^^ + E ^^ (a¥ ^^ + If ^^) ~ ^ V-SG^ — i^' dv dd:
Indem wir dieses in (b) einsetzen, das beiden Seiten gemeinsame Glied
^- du' lieben und dann durch 2dv, das nach der Voraussetzung
nicht gleich Null ist, dividieren, erhalten wir die Gaussische Gleichung:
iyE(r:rw^d^ = \^-l^^du+l^d.) +
(11)
-f- - ^— du — -^— du — - -^— dv.
' 2 cv du 2 du
Dieselbe gilt, wie unmittelbar ersichtlich ist, auch in dem zuerst
ausgeschlossenen Falle einer geodätischen Linie v == Const.
Stehen insbesondere die Curven ^*, v auf einander senkrecht, so
erhalten wir die einfachere Gleichung:
YEG d^^li^du-ll^dv,
' 2 cv 2 du '
die wir auch in der Form:
(11*) rf» = 1 iV£\;„ _ _L LVff rf,
^ ^ ya CV ye du
schreiben können.
Mittels dieser Gleichungen können wir eine zweite Definition der
tangentialen oder geodätischen Krümmung einer Curve geben, durch
welche die letztere Bezeichnung gerechtfertigt wird. Es sei l eine be-
liebige Curve auf S] wir betrachten einen Punkt M dieser Curve,
nehmen einen zweiten M sehr nahe gelegenen Punkt Jf' auf l an und
ziehen in M und M' die l berührenden geodätischen Linien, die sich
in einem Punkte N schneiden und einen sehr kleinen Winkel A^ mit
einander bilden werden. Dividieren wir Aj durch die Länge A^ des
Bozens MM', so können wir beweisen, dass der Grenzwert des
A
Verhältnisses ^*, wenn sich M' dem Punkte M unendlich
s
nähert, gleich der geodätischen Krümmung der Curve l im
Punkte M ist.
Zum Beweise nehmen wir die Parameterlinien u, v senkrecht auf
einander an. Es seien ferner u=^0 die Curve l und (0, v), (0,v-\-dv)
die beiden Punkte ilf bez. M' auf der Curve l. Es seien endlich g,g'
§ 80. Gaussische Differentialgleichung der geodätischen Linien. 157
die geodätischen Linien, die / in M und M' berühren, also K ihr
Schnittpunkt. Bezeichnen wir noch mit P den Punkt, in dem die
geodätische Linie g die Curve v -j- dv unter dem Winkel y 4" ^^
schneidet, da -O' in ilf gleich y ist. Nach (11*) ist dann:
j/G cv yE du
Da du gleich Null ist, so kommt:
y/E du
Das unendlich kleine Dreieck M'NP kann aber bis auf unendlich
kleine Grössen höherer Ordnimg als geradlinig angesehen werden, und
der Yon g mid g' gebüdete Winkel bei N wird durch fZö- angegeben.
Femer ist:
Bogen MM'= ds,, = yädv
und folglich:
lim ^ = — = ^ gy^.
Dieser Wert stimmt mit dem in § 75 (S. 148) für die Tangential-
krümmung — der Curven w berechneten Werte (1) genau überein.
^"
Auf diese zweite Art definiert ist die geodätische Krümmung einer
auf einer Fläche gelegenen Curve die natürliche Verallgemeinerung des
Begriffs der gewöhnlichen Krümmung einer ebenen Curve, wenn die
Geraden (die geodätischen Linien) der Ebene durch die geodätischen Linien
der Fläche ersetzt werden.
Auch folgt daraus eine weitere charakteristische Eigenschaft der geo-
dätischen Krümmimg, der zufolge sie auch Abwickelungskrümmung
genannt werden kann. Es besteht nämlich der Satz: Die geodäti-
sche Krümmung einer auf einer Fläche S gelegenen Curve L
ist gleich der gewöhnlichen Krümmung derjenigen ebenen
Curve, in die L übergeht, wenn die der Fläche S längs L um-
schriebene abwickelbare Fläche S in eine Ebene ausgebreitet
wird. Da sich nämlich S und E längs der Curve L berühren, so hat
die Curve L die mindiche geodätische Krümmung, mag sie nun als zu
S oder als zu Z" gehörig betrachtet werden. Bei der Abwickelung von
27 in eine Ebene bleiben aber die Längen der Seiten und die Winkel
der auf H gezeichneten Figuren ungeändert, und es vei'wandeln sich
die geodätischen Linien von E in die Geraden der Ebene.
158 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätisclie Linien.
Wenden wir diesen Satz z. B. auf die Bestimmung der geodäti-
schen Krümmung eines Parallelkreises auf einer Rotationsfläche an und
berücksichtigen wir, dass in diesem Falle die umschriebene abwickel-
bare Fläche ein Rotationskegel ist, der mit der Fläche die Drehaxe
gemeinsam hat, so kommen wir zu dem Ergebnis:
Der Radius der geodätischen Krümmung eines Parallel-
kreises auf einer Rotationsfläche ist gleich dem Stück der
Meridiantangente zwischen dem Berührungspunkt und der
Drehaxe.
•
§ 81. Geodätisch parallele Linien.
Die Differentialgleichung der geodätischen Linien kann nur in
wenigen besonderen Fällen integriert werden; trotzdem kann man, von
der Differentialgleichung selbst ausgehend, einige wichtige Eigenschaften
dieser Linien ableiten, und mit diesen wollen wir uns jetzt beschäftigen.
Wir betrachten zunächst eine einfach unendliche Schar von geo-
dätischen Linien und ihre orthogonalen Trajectorien. Dieses doppelte
Orthogonalsystem wählen wir als Coordinatensystem (i(, v), und wir
setzen voraus, dass die Curven v die geodätischen seien. Dann haben wir:
und nach Voraussetzung (vgl. (1*), S. 148):
1^ 1_ dys
d. h.:
'# = 0
cv
oder:
Ve=u,
wo U eine Function von u allein ist. Wir ersetzen nun den Para-
meter n, der die einzelnen orthogonalen Trajectorien bestimmt, durch
fUdu. Dann nimmt das Quadrat des Linienelementes die charak-
teristische Form:
(12) ds^ = du^ -f Gdv^
an, aus der sich sehr wichtige Folgerungen ziehen lassen. Betrachten
wir den Bogen einer beliebigen geodätischen Linie r, der zwischen
zwei festen Curven des Systems w, etwa
liegt, so ist seine Länge durch das Integral:
= 0,
%Sl. GeoÜüaA ^anJLi^ Umem. 159
fdm = «j — «,
se^Atm, ^s TOB r «hb aaUöBgig uL Dans folgt der Saiz:
A) Die Bogen, die *uf den geodätischen Linien r tob
zweien ihrer orthogonalen Trajeetorien ausgesehnitten wer-
den, haben sämtlich gleiche Länge.
Dienr Saix bnoi aaA m der fulgfiidfii Paanmig mmgui^othtn
werden:
B) Werden dvreh die Punkte einer Cmrre L die orthogo-
nalen geodätischen Linien g gezogen und «af mllen diesen
von L aus Bogen ron gleieker Länge abgetragen, so ist der
<Jrt der Endpunkt« dieser Bogen wieder eine orthogonale
Trajeetorie der geodätisehen Linien g*).
Ans dieaeM Gnade ^revdot die orthogowahn TEafeetoden einer
ein&di n&endüdMn Sciar toi ffodiütrhm. liuen geodltisck
parallel genanL BenMikemeii iit der Audraek für die Gauä-
sdie EröHBn^ K ier FBcke in den gi nwtliiirlif w Coorfinaten m, w
da: Caofknnga (12). Er lautet nack «Beickng (18), & 68:
.13, ^=_^^.
I G cm*
Wir wollen nun die Bedingung dafin- anfatefl«, das dne einfiidi
unendlidie Currenadiar, d^^ai Gleifhung
f>(«, r , = ConsL
iflft^ ans geo£tiKk paialkden Cnrren faest^L Wäklen vir die Cnrren
f» = CQ«L nal ikie ni ihnftimakTi Tk^^eeftoden #r = CoMt. na Bun-
^M:»>mK^0m^ SO niHHt das QnMil ■! des T." ' i1m».wIh £e Fonn:
ds' = E^d^ -h G^d^
am, nnd es iit natk §S§:
A,v = ^-
Fol^iik eikaiten vir dafib^ daes £e Cnrren # gooditinrkf nein aidkn:
A,f.=/'(v),
wo /«(f») eine Fnnetion vwi f> aliein ist. Alai»:
(«, r) £e Bagea aller Own
Ti^nftefim n, anl i^ gkick laaig
In 4er Itet, lAUt waam des
T^ainriariB ai
CH5-
160 Kap. G. Geodätische Krümmunc^. — Geodätische Linien.
Damit die Curven cp = Consfc. geodätisch parallel sind,
ist notwendig und hinreichend, dass sich
. ,, A,{cp)=fl<p)
ergiebt.
Führen wir unter dieser Voraussetzung statt des Parameters (p
den von einer festen orthogonalen Trajectorie an gerechneten Bogen d-
der geodätischen Linien ijj als Parameter ein, d. h. setzen wir:
so erhalten wir:
Ai^= 1.
Wir haben somit das wichtige Ergebnis:
Ist die Function d-(u, v) ein Integral der partiellen Diffe-
rentialgleichung:
so sind die Curven '9'=Const. geodätisch parallel, und es ist
%• der von einer festen Curve %" = Q'q an gerechnete Bogen
der orthogonalen geodätischen Linien.
§ 82. Geodätisclie Kreise.
In Satz B) des vorigen Paragraphen ist die Curve L willkürlich.
Wenn wir annehmen, dass sie um einen Flächenpunkt 0 beschrieben,
sehr klein und geschlossen ist, wenn wir sie ferner um 0 immerfort
zusammenziehen und schliesslich auf diesen Punkt zusammenschrumpfen
lassen, so ergiebt sich aus Satz B) der folgende:
Werden auf den geodätischen Linien, die von einem
Punkte 0 ausgehen, von, 0 Bogen von gleicher Länge abge-
tragen, so ist der Ort der Endpunkte dieser Bogen eine zu
allen diesen geodätischen Linien orthogonale Curve.
Das Quadrat des Linienelementes der Fläche nimmt, wenn diese
geodätischen Linien und ihre orthogonalen Trajectorien zu Parameter-
linien gewählt werden, ebenfalls die Gestalt (12) an.
Auf strengere und directere Art können wir den letzten Satz wie
folgt beweisen: Als Parameter v, der die einzelnen von 0 ausgehenden
geodätischen Linien bestimmt, wählen wir den Winkel, den eine ver-
änderliche geodätische Linie des Büschels mit einer festen bildet, und
als Curven u den Ort der Endpunkte der geodätischen Bogen, die in
der Länge u von 0 aus abgetragen werden. Das Quadrat des Linien-
elementes der Fläche möge dann die Gestalt:
ds^ = Edu^ -{- 2Fdudv + Gdv"^
annehmen.
§ 82. Geodätische Kreise. 161
Da nun das Bogenelement der geodätischen Linien gleich du ist,
so haben wir sofort: E = l, und da die Linien r geodätische sind, so
ist (§ 77, ^bj):
e„ ya-F^du
und folglich:
wo g) eine Function von r allein bezeichnet. Wenn nun x^, y^, Sq die
Coordinaten Ton 0 sind, so reducieren sich die Functionen:
für ?( = 0, was auch v sein mag, auf die drei Constanten Xqj yQj Zq.
Es ist daher:
(1^) =0, (^) =0, (^) =0,
also auch:
(i^)„=o=0.
Da nun aber F von m unabhängig ist, so folgt hieraus, dass F
überhaupt gleich KuU ist, d. h. die Gurren it, v stehen auf einander
senkrecht, wie behauptet wurde. Das Quadrat des Linienelements
nimmt daher auch hier die Gestalt an:
ds^ = du^ + Gdv\
Aber die Function G besitzt in dem vorliegenden Falle besondere
bemerkenswert« Eigenschaften. Zu diesem Zwecke entwickeln wir
x{u, v), y(xi, c), z{ii, r)
in der Umgebung von 0 nach Potenzen von u, wobei wir nur bis zu
den zweiten Potenzen von n gehen und das Coordinatensystem so
legen, dass der Anfangspunkt mit 0, die ^-Axe mit der Flächennor-
male und die a-Ase mit der Tangente der geodätischen Linie r = 0
in 0 zusammenfällt. Wir haben dann bei passender Wahl des Parameters v:
X = u cos r -f- f 1 ?
y=u sin v + s^,
u- .
WO fi, f^, fg bezüglich u unendlich klein von der dritten Ordnung
sind und q den Radius der ersten Krümmung der geodätischen Linie
v = 0 bezeichnet. Daraus folgt :
G=ii' + ri,
wo ri unendlich klein von der dritten Ordnung in u ist, und also:
(T^)«=o=o, (^)„ = i.
Bianchi, Differentialgeometrie. 11
162 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
Berücksichtigen wir ferner die Gleichung (13), nach der
ist, so folgern wir daraus weiter:
wo Kq das Krümmungsmass der Fläche in 0 ist.
Entwickeln wir "j/Ü nach Potenzen von m, so erhalten wir dem-
nach die Gleichung:
(14) yG = u-^-4-....
In dem Falle, den wir augenblicklich betrachten, werden die
Curven u = Const., welche die Eigenschaft besitzen, dass alle ihre
Punkte von dem festen Punkte 0 gleichen geodätischen Abstand haben,
geodätische Kreise*) genannt. Der Punkt 0 heisst ihr Mittelpunkt,
und der constante geodätische Abstand ihr Radius.
Aus der Gleichung (14) erhalten wir für den Umfang C eines
geodätischen Kreises mit dem unendlich kleinen Radius w, nämlich für
c=fyadv,
ü
den Wert:
(15) C=:2nu~'^f^ + ,,
wo £ von höherer als dritter Ordnung in u ist.
Aus der geodätischen Form (12) des Quadrates des Linienelements
können wir endlich den Beweis des folgenden Satzes ableiten: Für zwei
Punkte A und B, die in hinreichend kleiner Entfernung auf
einer geodätischen Linie g angenommen werden, ist diese
Linie in der That der kürzeste Weg, auf dem man auf der
Fläche von A nach B gelangen kann.
Betrachten wir nämlich in der Gleichung (12) für u, v einen
-*) Wegen der eben genannten Eigenschaft sind die geodätischen Kreise die
natürliche Verallgemeinerung der Kreise in der Ebene. Geht man jedoch von
der anderen Eigenschaft des gewöhnlichen Kreises aus, dass er nämlich eine con-
stante Krümmung besitzt, so wird man dazu geführt, als geodätische Kreise die
Curven mit constanter geodätischer Krümmung zu definieren. Einige
Autoren, wie Darboux, stellen gerade diese zweite Definition auf. Was zu
beachten ist, ist der Umstand, dass die beiden Definitionen, die sich im Falle der
Ebene (und allgemeiner der Flächen mit constantem Krümmungsmass) decken, für
eine allgemeine Fläche Curven ganz verschiedener Art charakterisieren.
§ 83. Greodätische Ellipsen und Hyperbeln. 163
Aenderuugsbereich, in dem die Function G eindeutig, endlieli und
stetig ist, und sind
zwei Punkte, die in diesem Bereich auf der geodätischen Linie i" ge-
wählt sind, so ist die Länge des geodätischen Bogens AB durch den
Ausdi-uck:
•«1
J^dti = «1 — «0
«o
gegeben. Für eine andere Curve:
welche dieselben Punkte Ä und B verbindet und ganz in dem betrach-
teten Bereiche liegt, ist die Länge des Bogens zwischen A und B durch
du
gegeben, und dieser Wert übertrifft offenbar den Wert jdu = u^ — Hq,
da G positiv ist. "^
§ 83. Greodätische Ellipsen und Hyperbeln.
Auf einer Fläche S nehmen wir zwei Curreu C und C an, die
nicht geodätisch parallel sind, und wählen als Parameterlinien «, v die
geodätischen Parallelen zu C und C, als Parameter u die geodätische
Entfernung von der Grundcurve C und als Parameter v diejenige
von der Grundcurve C. Wenn
ds^ = Edu^ -f 2Fdudv + Gdv^
der Ausdruck für das Quadrat des Linienelements ist, so müssen wir
nach dem Schlussergebnis des § 81
A^ti ==1. A^r = 1,
d.h.
^- = 1 ^^=1
EG — F- ' EG — F*-
oder
E=G, F=yE{E—l)
setzen.
Wird mit o der Winkel der Parameterlinien bezeichnet, so ist
demnach (vgl. S. 63):
E=G=-X-. F=4^
8m* ü) sin- 10
und folglich:
11*
164 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
f-tf^ -7 2 ^^^ ~l~ 2 cos Gj du dv -\- dv'^
sin* (o
Führen wir nun als neue Parameterlinien die Curven:
u -\- V ^= Const., u — V = Const.
ein und setzen wir noch:
u -\- V = 2a, u — V =^ 2ß,
so erhalten wir:
(17) ds' = -^^ + ^^^-
sm^ -- cos*~^
2 2
Die neuen Parameterlinien stehen also auf einander senkrecht^
d. h.: Auf jeder beliebigen Fläche bilden die Ortscurven der-
jenigen Punkte, für welche die Summe oder die Differenz
der geodätischen Entfernungen von zwei festen Grundcurven
constant ist, ein Orthogonalsystem (Weingarten).
Wenn die Curven C und C durch unendliches Zusammenziehen
auf Punkte einschrumpfen, so ist das soeben betrachtete System die
Verallgemeinerung des Systems confocaler Ellipsen und Hyperbeln in
der Ebene. Es werden daher auch allgemein die Curven:
a = Const., ß = Const.,
welches auch die Grundcurven sein mögen, geodätische Ellipsen
und Hyperbeln genannt.
Der Ausdruck (17) für das Quadrat des Linienelements gilt nach
dem Vorstehenden für jede Fläche. Es ist klar, dass, wenn es auf diese
Form gebracht ist, die Curven a = Const., ß = Const. geodätische
Ellipsen und Hyperbeln bezüglich gewisser zweier Grundcurven sind.
Um das Quadrat des Linienelements einer gegebenen Fläche wirklich
auf die Form (17) zu bringen, braucht man nur die geodätischen Linien
der Fläche und ihren Bogen zu kennen. Somit werden wir z. B. für
die Ebene und die Kugel in der allgemeinsten Weise das Quadrat des
Linienelements auf diese Form bringen können*).
§ 84. Torsion einer geodätisclien Linie.
Eine geodätische Linie ist durch den in einer gegebenen Kichtung
erfolgenden Durchgang durch einen Punkt P bestimmt (vgl. § 78). Wir
stellen uns die Aufgabe, aus diesen beiden Elementen einer geodätischen
*) In betreff der hierauf bezüglichen wirklichen Gleichungen s. Darboux,
2. Bd., S. 422.
§ 84. Torsion einer geodätischen Linie. 165
Linie g ihre Torsion ^ in P nebst dem zugehörigen Voi*zeichen zu
berechnen.
Für eine solche creodätische Linie ist unter Beibehaltung der
üblichen Bezeichnungen:
ex du , cxdv o cy du , cy dv
cos a = TT— -5 — \- 7.— -5- 7 cos p = ^^ — r ^^~ j~" »
cu ds ^ cc ds ^ cu ds * cv ds
cos r = :^— 3 — h — j
' Cu ds ■ ' CO ds
cz cu j^ cz dv
du ds •' CO d
cos 5 = + X, cos 1? = + -^j ^^^ ^ = + ■^,
: COST? cos ^ — \ cu cu/ ds — \ cv cv/ ds
also:
cos ß cos y
cos 1^ cos 5 j
nebst analogen Ausdrücken für cosft und cosv. Unter Berücksichti-
gimg der Identitäten (§ 68, S. 131 Anmerkung):
du cu yEG—F^\ cu cv)'
Z£l - T'^ = —J=(G^^ - F '-^)
CK CV \EG — F^\ cu cv)
ersriebt sich:
, cu cv du , cu cv dv
cos A — T~ =^ ~T~ =z=z=^ ■
— yEG—F*- ds — yEG—F^' ds
, cu cv du , cu cv dv
cos u= -\ =
— yEG—F'- ds— YEG—F'' ds
fI^-eU^ g\^-f^^
cu cv du , cu cv dv
cos V = -I , h
yEG—F- ds — yEG—F' ds
Aber nach den Frenet'schen Formeln ist:
•^-7 d cos I
T. ^
rfcosi '^ ^ (cXdu , cXdv\
cos A -^^ = H-^ ^««Mt7 rf7 + 77 -Ts)
Wenn für cosA, cos^, cosv die obigen Werte eingesetzt werden, so
fällt die Zweideutigkeit des Vorzeichens fort und es ergiebt sich (nach
S. 87) als der gesuchte Ausdruck:
1 (FD _ ED')du' + (GD — ED")dudv +{ßD'— FD")dv*
(18)
T^ {Edu*--\- 2Fdudv + Gdc')yEG-F-
Derselbe giebt also die Torsion derjenigen geodätischen Linie an, die durch
den Flächenpunkt (m, v) in der durch das Verhältnis ^ bestimmten
Richtung hindurchgeht.
166 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
Der Zähler dieses Ausdrucks ist, wie man sieht, genau die Jacobi-
sche Determinante der beiden Grundformen:
Bdu -\- D'dv B' du -\- B" dv
Edu + Fdv Fdu + Gdv
die, gleich Null gesetzt, die Differentialgleichung der Krümmungslinien
liefert. Daraus ergeben sich die folgenden leicht auch direct zu be-
weisenden Sätze*):
1) Wenn eine Krümmungslinie eine geodätische Linie
ist, so ist sie eben.
2) Jede ebene geodätische Linie ist eine Krümmungslinie.
§ 85. Geodätische Torsion einer Flächencurve.
Die Ergebnisse des vorigen Paragraphen führen dazu, für eine
beliebige auf einer Fläche gezogene Linie L in jedem ihrer Punkte
noch ein weiteres geometrisches Element einzuführen, dessen Betrach-
tung von Wichtigkeit ist, die sogenannte geodätische Torsion.
Nach Bonnet wird mit diesem Namen die Torsion derjenigen geodä-
tischen Linie bezeichnet, welche die Curve L in einem Punkte P be-
rührt**). Die geodätische Torsion „ einer Curve L ist durch den
9
Ausdruck (18) gegeben, wobei unter du, dv die Zunahmen der krumm-
linigen Coordinaten längs L zu verstehen sind.
*) Werden die Krümmungslinien als Parameterlinien gewählt, so nimmt die
Gleichung (18) die einfachere Gestalt an (vgl. § 54, S. 102):
/l l\du dv /l 1\ ^ . ^
>^^^ \S-y,)-dsdi =[t,- t,) ^«^^ «-^'
d. h.:
2 V'-i 'V
rj, „ . , sin2'9'.
Hieraus geht hervor, dass die Richtungen der Krümmungslinien das Büschel
der von P ausgehenden geodätischen Linien in zwei Teile zerlegen; die geodä-
tischen Linien der einen Schaar sind alle rechts, diejenigen der anderen alle
links gewunden. Zwei auf einander senkrechte geodätische Linien haben dem
absoluten Wert nach gleiche, dem Zeichen nach entgegengesetzte Torsion. Die-
jenigen geodätischen Linien, welche die Winkel zwischen den Hauptrichtungen
halbieren, haben die grösste Torsion, nämlich — 1 1 .
**) Er sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung „geodätische Torsion"
der Bezeichnung „geodätische oder tangentiale Krümmung" nicht analog ist, da
sich sonst rückwärts als die tangentiale Krümmung der geodätischen Linie gerade
diejenige ergäbe, die wir die normale Krümmung genannt haben, während sie
doch nach Definition gleich Null ist.
§ 85. Geodätische Torsion einer Flächencurve.
167
Aus dieser Gleichung folgt für die Krümmungslinien offenbar die
weitere Definition:
Die Krümmungslinien sind diejenigen Curven, die in
jedem Punkte die geodätische Torsion Null besitzen.
Wir sehen mm, dass aus der Gleichimg (18) speciell für die
geodätischen Torsionen „-, -^ der Paramet^rlinien die Ausdrücke
folgen :
J_ GD'— FD"
T..
(19)
gYeg — f^
FD — ED'
Ey/EG — F^'
und, wenn überdies die Curven u, v auf einander senkrecht stehen,
(F=0):
J__ 1_ D'
T.. ~ T.
'EG
(19*)
woraus hervorgeht, dass zwei von einem Punkte ausgehende und auf
einander senkrechte geodätische Linien gleiche, aber dem Vorzeichen
nach entgegengesetzte Torsion haben. (Tgl. die vorletzte Anmerkung.)
Wir wollen nun die Beziehung aufsuchen, die zwischen der geo-
dätischen und der absoluten Torsion einer beliebigen auf einer Fläche
gezogenen Cui-ve besteht. Der Einfachheit halber wählen wir zu diesem
Zwecke ein orthogonales System als Pai-ameterlinien u, r, und die in
Rede stehende Curve L sei eine Curve des Systems u. Mit 6 bezeich-
nen wir den Winkel, den die Flächennormale mit der Hauptnonnale
von L bildet, imd also auch denjenigen Winkel, um welchen in der
Noi-malenebene eines Punktes P von L die positive Richtung der
Flächennormale in positivem Sinne gedreht werden muss, um mit der
positiven Richtung der Hauptnormale von L zusammenzufallen*). In
den gewöhnlichen Bezeichnungen haben wii*:
cosa
1 ex g ^ cy
■} cos ^ = *
yGcv
YG ci
cosy
1 £2
yG cv
j, ^ , sin c 8 a:
cos t = cos 6 X -\ ;r— }
* YE du
^r , sine cy
COS>i = COSöl +~7=-^f
yE cu
cos^ = cos aZ + -i^—>
yE du
*) Natürlich ist als positive Seite der genannten Normalenebene diejenige
anzusehen, welche der positiven Richtung der Tangente von L zugewandt ist.
168 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
cos A = — sm <? X + — r- , cos tt = — sm6 Y-4 ^^~ ,
VE du ^ ^ -[/E du
r, 1 cos 6 dz
cos V = — smaZ -\ — -^ — j
' yE du
also nach den Frenefschen Formeln für die absolute Torsion ,., der
Curve u:
1 '^1 j.(Zcos;i 1 ^;-y f.dcosX D' 1 da
- = > cos ^ j — = — — >' cos t = ,
T jiLi äs^ yo jiLi ^ dv yeg ya dv
wofür auch wegen (19*)
geschrieben werden kann.
Dieses ist die Gleichung, um deren Ableitung es sich handelte; sie
zeigt uns, dass die geodätische Torsion mit der absoluten für alle die-
jenigen Curven und nur für solche zusammenfällt, deren Hauptnormale
gegen die Fläche um einen constanten Winkel geneigt ist. Zu dieser
Klasse von Curven gehören die geodätischen Linien und die Haupt-
tangentencurven; für die ersteren ist 6 gleich Null (oder gleich jt), für
die letzteren gleich — • Im allgemeinen bilden die Curven dieser Art,
die einem constanten Werte von 6 entsprechen, wie die geodätischen
Linien eine zweifach unendliche Mannigfaltigkeit, ausgenommen in dem
Grenzfalle ^ = -^ (der Haupttangentencurven) *),
§ 86. Allgemeine Sätze über die Integration der Differentialgleichung
der geodätischen Linien.
Indem wir nun zu der Differentialgleichung der geodätischen
Linien zurückkehren, wollen wir einige allgemeine Sätze angeben, die
ihre Integration betreffen**).
Zunächst bemerken wir, dass die Bonnet'sche Gleichung (4*),
§ 76, sofort auf den folgenden Satz führt:
A) Wenn die durch die Differentialgleichung erster Ord-
nung:
Mdu-}-Ndv = 0
definierten Curven geodätische Linien sind, so lassen sich
ihre orthogonalen Trajectorien durch eine Quadratur be-
stimmen.
*) Infolge des in der Anmerkung zu § 84 Gesagten folgt hieraus weiter,
dass die beiden von einem Punkte ausgehenden Haupttangentencurven gleiche
und dem Vorzeichen nach entgegengesetzte Torsion haben.
**) Darboux, 2. Bd., S. 424 tt".
§ 86. Integration der Differentialgleichung der geodätischen Linien. 169
Es ist nämlich die Diiferentialgleichung der orthogonalen Trajec-
torien durch (§ 34, S. 66, (13)):
(^Ey— F3I)di( + {FN— GM)dv = 0
gegeben, und wegen der eben angeführten Gleichung (4*) ist nach der
Voraussetzung:
d / FN-GM \_^( EN-FM \
^ \yEN^--2FMX+GMV cv \yEN'-2FMN-\-GM'J
d. h. der Ausdruck:
YEN^ - 2FMN-{- GM'- yEK*- — 2FMX+ GM'
ein vollständiges Differential Setzen wir also:
r(EX— FM)du + {FN— GM)dv ^
^("; ^) —J YEN* — 2FMN + GM~'
so ist d- das gesuchte Integral. Dies folgt auch so: Wir haben offenbar
folglich ist nach § 84 die Gleichung der gesuchten orthogonalen Tra-
jectorien: ^ = Const. Dabei ist ^ der von einer festen orthogonalen
Trajectorie an gerechnete Bogen der geodätischen Linie.
Wir nehmen nun an, es sei eine solche Lösung & der partiellen
Differentialgleichung :
Ai^ = l
bekannt, die eine wesentliche, d. h. in d- nicht additiv auftretende will-
kürliche Constante a enthält. Wird die Gleichuug: A^»=l oder:
E i^Y- 2Fi^i^ + G (i^y= EG - F^
\cv/ cudv ' \chI
nach dem Parameter o, der nur in ^ enthalten ist, differenziert, so
ergiebt sich nach § 35:
Dieses beweist, dass für jeden bestinmit^n Wert von a die Gleichung:
(21) l!-^
in der h eine willkürliche Constante bedeutet, die zu den Curven
0- = Const. orthogonalen geodätischen Linien dai-stellt (vgl. § 36). Die
Gleichimg (21) enthält die beiden willkürlichen Constanten a und 6
und ist die allgemeine Gleichung der geodätischen Linien der Fläche.
Um dieses zu beweisen, braucht man nur zu zeigen, dass eine Curve:
0- = Const.
170 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
durch einen beliebigen Punkt der Fläche in beliebiger Richtung gelegt
werden kann. Es kann nun das Verhältnis ^— : >,- nicht unabhänffiff von a
du cv ^ ^
r& SO"
sein, denn da ausserdem ts— und >. durch die Gleichung: A. O- = 1
' du cv Ol
verbunden sind, würden ja sonst beide Grössen von a unabhängig und
also a in Q' additiv enthalten sein. Ist aber {uq, Vq) ein beliebiger
Punkt der Fläche, so stellt die Gleichung:
d'{u, V, a) = ^{uq, Vq, a)
eine Curve d' = Const. dar, welche von {iIq, Vq) ausgeht. Ihre Rich-
^ A, g A.
tunff in diesem Punkte hängt von dem Verhältnis ö— ' 0— ab , das bei
o ° ou cv '
der Aenderung von a alle Werte annehmen kann*). Wir haben also
den Satz:
B) Ist von der partiellen Differentialgleichung:
Ai'^ = l
eine Lösung d- mit einer wesentlichen Constanten a bekannt,
so ergiebt sich die allgemeine Lösung der Differentialglei-
chung der geodätischen Linien mittels Differentiation in der
Form:
wobei 1) eine zweite willkürliche Constante ist. Der Bogen
jeder geodätischen Linie ist gleich der Differenz der Werte,
welche die Function -9" in den beiden Endpunkten annimmt.
§ 87. Jacobi's Satz über die Differentialgleicliung der geodätischen
Linien.
Auf Grund der letzten Ergebnisse können wir mit Jacob i be-
weisen, dass man von der Differentialgleichung zweiter Ord-
nung der geodätischen Linien nur eine intermediäre Integral-
gleichung erster Ordnung mit einer willkürlichen Constanten
a zu kennen braucht, um mittels Quadraturen die Gleichung
dieser Curven in endlicher Gestalt zu erhalten. Es sei nämlich
durch
dv ^ s,
eine solche bekannte intermediäre Integralgleichung dargestellt. Setzen
wir dann in dem Satze A) des vorigen Paragraphen
M= — q), N=l,
*) Darboux, 2. Bd., S. 428.
§ 87. Jacobi's Satz. §88. Geod. Linien auf den LiouTÜle'schen Flächen. 171
SO sehen wir, dass der Ausdruck:
(E 4- F(p) rfit + (F + gqp) dv
yE-\-2F(p + Gqp-
ein vollständiges Differential ist. Setzen wir also:
_ r {E + F(p)du-\-{F+ G(p)dv
so ist nach Satz B)
TT- = 0
ca
die Gleichung der geodätischen Linien in endlicher Gestalt.
Dieses Ergebnis benutzen wir jetzt zum Beweise des Satzes: Bei
den Flächen mit dem Krümmungsmass Null (den abwickel-
baren Flächen) lässt sich die Differentialgleichung der geo-
dätischen Linien mitteÄ zweier Quadraturen integrieren.
Wir schreiben nämlich die Differentialgleichung der geodätischen
Linien in der Gaussischen Form (§ 80, S. 156):
2}/EG—F*-\E cu cv cuj
' 2l/£(?— F*V^ cv cu)
wo iif der Winkel zwischen den geodätischen Linien und den Ciirven
r ist. Gemäss der Gleichung (17), § 35, S. ^^, besagt die Bedingung:
K = 0, dass die rechte Seite dieser Gleichung ein vollständiges Diffe-
rential ist. Durch eine Quadratur ergiebt sich sofort eine intermediäre
Integi*algleichuug mit einer wülkürlichen Coustanten a:
^ = fiii, v) + a,
und eine zweite Quadratur giebt die Gleichung der geodätischen Linien
in endlicher Gestalt. Mit anderen Worten: Hat eine quadratische
Differentialform :
Edi(r -\-2Fdudv-^ Gdv'-
die Krümmung Null, so genügen zwei Quadraturen, um sie auf die
Normalform da^ -\- dt/ zu bringen. (Vgl. dasselbe Problem in § 29.)
§ 88, Geodätische Idnien auf den Liouville'seh.en Flächen.
Es giebt eine Klasse von Flächen, die in ihrer ganzen Allgemein-
heit zuerst von Liouville betrachtet worden sind und bei denen das
Verfahren, das durch die Sätze in § 86 für die Integration der Diffe-
rentialgleichung der geodätischen Linie angegeben wurde, vollständig
1 72 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
durchführbar ist. Es sind dieses diejenigen Flächen, bei denen das
Quadrat des Linienelements auf die Form:
(22) ds^ = { a (w) + ß{v) ] (du^ + dv^)
gebracht werden kann, wo a{u) eine Function von u allein und ß{v)
eine Function von v allein ist. Für diese besondere Form des Qua-
drates des Linienelements geht die Gleichung:
nach § 35 über in:
Wir suchen ihr dadurch zu genügen, dass wir ^ gleich der Summe
zweier Functionen setzen, von denen die eine nur von u, die andere
nur von v abhängt:
%= U-^ ¥.•
Dieses giebt:
ü'^ — a{u) = ß{v) — V'^ = a,
wo a eine willkürliche Constante ist. Wird also
(23) ^= j ya{ii) + a du + fyß{v) — a dv
gesetzt, so ist Q' eine Lösung von t^^^.= 1 mit der wesentlichen Con-
stanten a, und folglich (§ 86) erhalten wir als Gleichung der geodä-
tischen Linien in endlicher Gestalt:
(24) 2 ^ = f—A'i ip f
da J |/o;(t<) -{- a J
Vm
dv ,
während uns (23) ihren Bogen d- giebt. Wir fügen überdies hinzu,
dass, wenn mit ^ der Winkel zwischen den geodätischen Linien und
den Curven v bezeichnet wird,
, , dv
ist, woraus infolge von (24) die Gleichung:
(25) ß(v)cos^ip — a(^f) sin^^ =a
hervorgeht, die uns ein intermediäres Integral erster Ordnung der Glei-
chung der geodätischen Linien auf den Liouville'schen Flächen giebt.
Dini*) hat bemerkt, dass der Ausdruck (22) für das Quadrat des
Linienelements dadurch gekennzeichnet werden kann, dass man sagt:
Die Parameterlinien u, v bilden ein isothermes System von
*) Sopra un problema della rappresentazione geografica di una
superficie sopra un' altra. Annali di Matematica, Bd. III, 1869.
§ 89. Geodätische Linien auf den Rotationsflächen. 173
geodätischen Ellipsen iTnd Hyperbeln. Um dieses zu beweisen,
fokren wir statt der Parameter u, v andere ein, indem wir
setzen, sodass
('^r+r^)=«(«)+/»w
wird. Setzen wir noch:
. OD du m dv
sm — = -— === j cos -r- = ^= f
2 >/«(«) + ß(r) 2 |/a(M) + ß(r)
SO nimmt der Ausdruck (22) die charakteristische Gestalt (17) aus
§ 83 an:
2 ""^ 2
wodurch unsere Behauptung bewiesen ist. Umgekehrt ist sofort ein-
leuchtend, dass, wenn ein Orthogonalsystem von geodätischen Ellipsen
und Hyperbeln auch noch isotherm ist, durch Einfuhnmg neuer Para-
meter das Linienelement auf die Liouville'sche Form gebracht werden kann.
Wir können demnach sagen: Die Liouville'schen Flächen
sind diejenigen Flächen, auf denen es ein isothermes System
von geodätischen Ellipsen und Hyperbeln giebt*).
§ 89. Geodätische Linien auf den Eotationsflächen.
Zu der Klasse der Liouville'schen Flächen gehören die Flächen
zweiten Grades und die Rotationsflächen, auf denen nämlich die Ki-üm
mungslinien ein isothermes System geodätischer Ellipsen und Hyper-
beln bilden.
Wir wenden die Ergebnisse des vorigen Paragraphen auf den letz-
teren Fall, d. h. auf das Quadrat des Linienelements:
ds- = rfw- + r'-dv-
(vgl. § 42) an, das wir auf die isometrischen Parameter:
«X =J ^, V
beziehen, wodurch wir erhalten:
ds^ = r\du,^ -f- dv-).
*) Die diesem Buche gesteckten Grenzen gestatten uns nicht, hier auf die
neueren wichtigen Resultate einzugehen, die verschiedene Mathematiker bezüglich
der Theorie der LiouTÜle'schen Flächen erhalten haben, iasbesondere auf die Kri-
terien dafür, ob eine gegebene Fläche zu dieser Klasse gehört.
174 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
Dieser Ausdruck für das Quadrat des Linienelements ergiebt sich aus
dem Liouville'sclien (22), wenn darin
a(uj) = r\ ß{v) = 0
gesetzt wird.
Die Constante a in der Gleichung (23) muss in dem vorliegenden
Falle für die reellen geodätischen Linien einen negativen Wert haben.
Wird also
a = — k^
gesetzt, so lautet die Gleichung (24) der geodätischen Linien in end-
licher Gestalt:
(26) v=-\-lf /^ -{-5^
und die Gleichung (23), die den Bogen s der geodätischen Linien
giebt :
(27) .. = + Ä.., + ftllnJ^ äu = f-lß-^.
Es ist klar, dass das einfach unendliche System von geodätischen
Linien, das sich aus (26) für einen festen Wert von k und ver-
änderliches b ergiebt, aus lauter congruenten Curven besteht, die durch
Drehung um die Axe mit einander zur Deckung gebracht werden
können.
Die intermediäre Integralgleichung (25) liefert uns die Gleichung:
(28) r sin xl; = 1i,
d. h. den Clairaut'schen Satz: In jedem Punkte einer auf einer
Rotationsfläche gezogenen geodätischen Linie ist das Pro-
duct aus dem Radius des betreffenden Parallelkreises und
dem Sinus des Neigungswinkels der geodätischen Linie gegen
den betreffenden Meridian constant.
Besitzt die Fläche einen grössten Parallelkreis vom Radius i?, so
ist für jede reelle geodätische Linie der Wert der Constanten Ic kleiner
als R. Die Curve verläuft ganz innerhalb der Zone, in der die Radien
der Parallelkreise nicht grösser sind als h^ wie aus der Gleichung (28)
hervorgeht.
§ 90. Gauss' Satz über die Totalkrümmung eines geodätischen
Dreiecks.
Indem wir nun zu der allgemeinen Theorie der geodätischen Linien
zurückkehren, betrachten wir mit Gau.ss ein geodätisches, d. h. ein von
drei geodätischen Bogen gebildetes Dreieck ABC, das ein Stück der
Fläche S einschliessen wird. Wir berechnen seine Totalkrümmung
§ 90. Totalknunmung eines geodätischen Dreiecks. 175
(Curvatura integra), d. h. das über das ganze Dreieck erstreckte
Doppelintegral :
wo dö das Flächenelement und K wie gewöhnlich das Krümmungs
mass bezeichnet.
Als Parameterlinien v wählen wir die von der Ecke A ausgehen-
den geodätischen Linien und als Parameter v den Winkel, den sie mit
der festen geodätischen Linie AB {v = 0) bilden. Als Cm-ren m wäh-
len wir die orthogonalen Trajectorien der Curven v (die geodätischen
Kreise um A) und rechnen den Bogen u der geodätischen Linien vom
Punkte A aus. Da dann das Quadrat des Linienelements durch
ds'~ = du^ -j- Gdv^
gegeben ist, so genügt die Fimction yG den Bedingungen (§ 82):
(29) (m=„ (l^^r^-
Da femer (nach S. 159 u. 63)
X= — -^^^, d6=yGdudv
ist, so kommt:
A
(30) 2'=//-^'"'^'-=/""/-^''».
0 0
WO A den Dreieckswinkel an der Ecke A bedeutet.
Längs der geodätischen Linie BC, als deren positive Richtung
wir diejenige von B nach C festsetzen wollen, ist die Gaussische Diffe-
rentialgleichung der geodätischen Linien (Formel ',11*), § 80, S. 156)
erfüUt, d. h.:
(31) dd- = — ^dv.
* A
Bezeichnen wir die Dreieckswinkel in B und C mit B und C, so
haben wir demnach:
O'b = TT jB, O'c = C,
wo d-Bj 9c die Werte von d- in B bez. C sind.
Nun giebt uns Gleichung (30):
A
0
=/{(m=.-^}--
176 Kap. G. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien,
d. h. gemäss (29) und (31):
A
A
^=f{dv-\-dQ) = A^&c — ^B = A + B-\-G—7t.
0
In dieser bemerkenswerten Gleichung ist der Satz von Gauss
enthalten:
Die Totalkrümmung eines geodätischenDreiecks ist gleich
dem Ueberschuss seiner Winkelsumme über zwei Rechte (dem
sphärischen Excess).
Dieser Ueberschuss ist positiv, wenn alle Punkte im Innern des
Dreiecks elliptisch sind, negativ, wenn sie hyperbolisch sind, und gleich
Null im Falle der abwickelbaren Flächen. Schliesslich bemerken, wir
noch, dass, wenn das Krümmungsmass K der Fläche constant ist, der
vorstehende Satz als besonderen Fall den folgenden liefert:
Auf einer Fläche mit constantem Krümmungsmass ist
der Flächeninhalt eines geodätischen Dreiecks dem Ueber-
schuss der Winkelsumme desselben über zwei Rechte pro-
portional.
§ 91. Doppelte Orthogonalsysteme von Curven constanter
geodätisclier Krümmung.
Wir schliessen dieses Kapitel mit der Ableitung einiger einfacher
Sätze über Curven mit constanter geodätischer Krümmung.
Wir nehmen an, dass in einem auf einer Fläche S befindlichen
doppelten Orthogonalsystem (w, v) jede Curve des Systems u sowohl
wie jede Curve des Systems v constante geodätische Krümmung be-
sitze. Ist
ds^ = Edu^ ^ Gdv^
der Ausdruck für das Quadrat des Linien Clements, so haben wir der
Voraussetzung zufolge (§ 75, S. 148):
^ ^ YEG du ' }/EG dv '
wo ü eine Function von u allein, V eine Function von v allein ist.
Daraus folgt:
du cv
oder :
djvVG) ^ d{uyE) _
du dv
Demnach ist
§ 91. Orthogonalsysteme constanter geodätischer ErGmmung. 177
UyEdu+VYGdv
das vollständige Differential einer Function (p, und dabei ist:
Werden diese Werte in (a) eingesetzt, so ergiebt sich zur Bestimmung
von qp die eine Gleichung:
C*9J Cqp cqp
dntjv Zv, dv
deren allgemeine Lösung
^ = - log[a(M) -f ^(t;)]
ist, wo «(m), /3(r) willkürliche Functionen von u bez. v sind. Daraus
ergiebt sich für das Quadrat des Linienelements der Ausdruck:
^^ ~"[a(tt) + ß(r)]«L 0"* ^ y* J
oder durch Einführung neuer Parameter Mj, r^:
(32) rf^ = ^J+iV,).
Wir haben also nach § 37, S. 71, den Satz:
Ein doppeltes Orthogonalsystem von Curven mit con-
stanter geodätischer Krümmung ist stets isotherm.
Auch besteht der umgekehrte Satz:
Sind in einem doppelten Isothermensystem die Curven
des einen Systems Curven mit constanter geodätischer Krüm-
mung, so sind es auch diejenigen des zweiten Systems.
Wählen wir nämlich isometrische Parameter, so hat das Quadrat
des Linienelements die Gestalt:
Nun ist nach S. 148:
und von den beiden Bedingungen:
*) Falls die Punctioneii CT, F nur Constanten sind, erhält ds' die Form:
''«' = ,„« f ?..^« ^^< + äv*) (a, 6= Const.) ,
mid gehört zu einer pseudosphärischen Fläche vom Erömmongsmasä
^= — (a* + 6*).
(VgL die Anmerkung S. 151.)
Bianchi, Differentialgeometrie. 12
178 Kap. 6. Geodätische Krümmung. — Geodätische Linien.
ist, wie ersichtlicli, die eine eine Folge der anderen.
Es ist klar, dass die liier betrachteten doppelten Orthogonal-
systeme nur auf besonderen Flächen wirklich vorhanden sind. Insbe-
sondere giebt es in der Ebene und auf der Kugel unendlich viele
solcher Systeme, und in § 44, Kap. III, haben wir die Aufgabe, alle
diese zu bestimmen, bereits geometrisch gelöst.
Kapitel TU.
Auf einander abwickelbare Flächen.
Biegsame Flächen. — Gaussischer Satz von der Un Veränderlichkeit des Krümmungs-
masses bei Verbiegung. — Kriterien dafür, ob zwei gegebene Flächen auf ein-
ander abwickelbar sind. — Fall der Flächen xon constantem Kriinimungsmass.
— Abwickelbarkeit eines Stückes einer Fläche von constantem Krümmungsmass
auf ein beliebiges anderes Stück derselben Fläche. — Flächen, die eine stetige
Verbiegung in sich gestatten. — Auf einander abwickelbare Rotationsflächen. —
Schraubenflächen und Satz von Bour. — Die partielle Differentialgleichung zweiter
Ordnung, von der die Verbiegung einer gegebenen Fläche abhängt. — Allgemeine
Sätze über Verbiegung. — Bonnets Satz von der Möglichkeit, eine Fläche so
zu verbiegen, dass die Haupttangentencurven des einen Systems Haupttangenten-
curven bleiben.
§ 92. Definition der Abwickelbarkeit von Flächen auf einander.
Wie in der ebenen und in der sphärischen Geometrie die Eigen-
schaften der in der Ebene oder auf der Kugel gezeichneten Figuren
ohne Rücksicht auf ihre absolute Lage im Räume untersucht werden,
ebenso kann eine analoge Untersuchung für jede beliebige Fläche S
angestellt werden. Diejenigen Eigenschaften nun, welche nur die Grössen-
und Lagenbeziehungen der auf der Fläche gezeichneten Figuren inso-
weit betreffen, als sie auf der Fläche gelten, machen die Geometrie
der Fläche aus.
Unter diesem Gesichtspunkt können zwei der Gestalt nach sehr
verschiedene Flächen dieselbe Geometrie haben. So ist es klar, dass
die Sätze der ebenen Geometrie immer noch grültiof sind, wenn die
Ebene, in der die Figuren gezeichnet sind, auf einen Cylinder, einen
K^el oder eine beliebige andere abwickelbare Fläche aufgewickelt
gedacht wird.
Um das Wesen derjenigen Eigenschaften, welche die Geometrie
einer Fläche ausmachen, wohl zu erfassen, denke man sich zweck-
mässiger Weise die Fläche aus einer unendlich dünnen, vollkommen
biegsamen, aber undehnbaren Hülle gebildet.
12*
180 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
Diejenigen Eigenschaften, welche sich nicht ändern, wie die Fläche
auch verbogen werden mag, fallen in ihre Geometrie, die übrigen
haften der Gestalt und der wirklichen Lage der Fläche im Räume an.
Zwei Flächen S, S', deren Punkte P, P' einander so zugeordnet
werden können, dass die entsprechenden Linienelemente gleich werden,
haben dieselbe Geometrie, weil dann auch die endlichen Bogen, die
Winkel und die Flächenräume der Figuren auf S den entsprechenden
Stücken der Figuren auf S' gleich sind. In diesem Falle heissen die
beiden Flächen S, S' auf einander abwickelbar, womit gesagt
werden soll, dass die eine Fläche (oder ein Stück von ihr) durch blosse
Verbiegung, ohne Riss oder Faltung, auf die andere ausgebreitet werden
kann. Damit aber diese Abwickelung für wirklich ausführbar gehalten
werden kann, muss offenbar das Vorhandensein einer stetigen Aufein-
anderfolge von Gestaltsänderungen der biegsamen Fläche S, welche von S
zu S' hinüberleitet, nachgewiesen werden.
Wenn für zwei Flächen S, S' die Ausdrücke für die Quadrate der
Linienelemente gegeben sind:
ds^ = Edu^ + 2Fdudv + Gdv\
ds'^ = E'du'^ + 2F' du'dv'-^ G' dv\
so muss man, um zu erkennen, ob sie auf einander abwickelbar sind,
untersuchen, ob zwischen den Punkten {u, v) der einen und den Punkten
(u', v') der andern eine solche Zuordnung möglich ist, dass sich die
Gleichheit der Linienelemente:
ds== ds'
ergiebt.
Für die Abwickelbarkeit der beiden Flächen auf einander ist es
demnach notwendig und hinreichend, dass die Differentialformen:
Edu^ + 2Fdudv + Gdv^
E'du'^ + 2F'dudv'-\- G'dv'^
in einander transformierbar sind.
"«^
§ 93. Gaussischer Satz von der Unveränderlichkeit des Krümmungs-
masses bei Verbiegung.
Aus den obigen Betrachtungen ergiebt sich, dass die Geometrie
der Fläche schon durch den Ausdruck für ihr Linienelement oder durch
ihre erste Grundform:
(1) Edu^ + 2Fdu dv + Gdv^
vollkommen bestimmt ist. Mit anderen Worten, die unendlich vielen
Gestaltsänderungen, die eine Fläche S beim Verbiegen erleiden kann.
§ 93. Unveränderlichkeit des Krümmungsmasses bei Verbiegxmg. 181
haben die erste Grundform gemeinsam; jede einzelne von ümen wird
dann erst durch ihre zweite Grundform (Kap. IV) näher bestimmt.
Wenn die Geometrie einer Fläche als durch das Linienelement der
Fläche definiert behandelt wird, so ist von jeder besonderen Flächen-
gestalt, die dem Linienelement wirklich entspricht, abzusehen. Ana-
lytisch haben wir eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit, die von den
beiden Yariabeln u, v erzeugt wird und deren Elemente fPunkte) von
je einem Weriepaar {Uq,v^ bestimmt werden: die Entfernung ds zwischen
zwei einander unendlich nahen Punkten (?*, y), (« -|- dti, v -j- dv) be-
stimmt sich nach der Grundform (1), und der Winkel 0- zwischen den
beiden Linienelementen ds, ds, die den Punkt {i(, v) mit den Pimkten
(m -\- du, V -\- dv)j (m -\- du, V -\- dv) verbinden, aus der Gleichung
(vgl. § 34):
EduSu+ F(dudv -\- dvdu) -\- Gdcöti
cos 0- = !— ^ j—i '
dsos
Zwischen der zweidimensionalen Mannigfaltigkeit und den Wertepaaren
(uq, Vq) haben wir somit ein eindeutiges Entsprechen.
Der Aenderungsbereich, den wir für u, v betrachten, soll stet« ein
solcher sein, dass innerhalb desselben die Functionen E, F, G samt
ihren ersten und zweiten partiellen Differentialquotienten eindeutig,
stetig und endlich und ferner JE", G, EG — F- positiv sind. Der
Winkel ra der Parameterlinien, der durch die Gleichungen:
F . VEG—F*-
coacj = , > sin c) = = —
yEG yEG
bestimmt ist (vgl. § 34, S. 63), ändert sich demnach in dem betreffenden
Bereich stetig zwischen Ound rc, ohne jemals diese Endwerte zu en-eichen.
Bei diesen allgemeinen Untersuchungen finden die Begriffe Diffe-
rentialinvarianten und Differentialparameter, die wir im zweiten Kapitel
behandelt haben, eine unmittelbare wichtige Anwendung. Die Krüm-
mung einer Fläche ist eine Diff'erentialinvariaute der Form (1): ihr
Wert in jedem Punkte hängt nur von den Coefficienten der Form (1)
ab und bleibt demnach derselbe, wie die Fläche auch verbogen werden
mag (vgl. § 55).
Daraus ergiebt sich der grandlegende Satz von Gauss: DasKrüm-
mungsmass einer Fläche bleibt bei einer beliebigen Yerbie-
gung der Fläche ungeändert. Dieses Ergebnis lässt sich auch noch
in folgender Fassung aussprechen: Sind zwei Flächen auf einander
abwickelbar, so haben sie in je zwei entsprechenden Punkten
gleiches Krümmungsmass.
Dieses ist die Eigenschaft, welche, wie bereits anderwärts (S. 105)
182 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
bemerkt worden ist, dem Gaussischen Krümmungsmass bei den geo-
metrischen Anwendungen überwiegende Bedeutung verleiht.
Wir betrachten nun einen DifPerentialparameter der Form (1),
der eine oder mehrere willkürliche Functionen
(p, t '■■
enthält. Der Wert, den er in jedem Punkte der Fläche annimmt, ist
von den Coordinaten, die zu seiner Berechnung verwandt werden, un-
abhängig und bleibt bei jeder beliebigen Verbiegung der Fläche der-
selbe. Werden cp, ip . . . gleich Constanten gesetzt, so ergeben sich auf
der Fläche ebensoviele Curvensysteme, und der DifFerentialparameter
stellt einen mit diesen Curven unzertrennlich verbundenen Ausdruck
dar, der sich nicht ändert, wie die Fläche auch verbogen werden mag.
Betrachten wir z. B. die geodätische Krümmung - der Curven
(p = Const. Sie ist (§ 76, (3), S. 149) durch den Differentialparameter
gegeben. Daraus folgt: Die geodätische Krümmung einer auf
einer Fläche gelegenen Curve ändert sich nicht, wenn die
Fläche verbogen wird.
Insbesondere gehen die geodätischen Linien einer Fläche S bei
einer Verbiegung von S in die geodätischen Linien der neuen Fläche
über. Diese Thatsache folgt übrigens auch direct aus der charakte-
ristischen Eigenschaft einer geodätischen Linie (§ 82, S. 162), die
kürzeste Linie zu sein, die sich auf einer Fläche zwischen zwei ein-
ander hinlänglich nahen Punkten ziehen lässt. Hieraus ergiebt sich
ein neuer Beweis für die Unveränderlichkeit der geodätischen Krüm-
mung bei einer Verbiegung, wenn man sich der in § 80, S. 156, für
die geodätische Krümmung gegebenen Definition bedient.
Wir wollen hier noch bemerken, dass sich aus letzteren Ueber-
legungen ein anschaulicher Beweis für die Unveränderlichkeit des
Gaussischen Krümmungsmasses bei einer Verbiegung ergiebt. Betrachtet
man nämlich einen geodätischen Kreis mit unendlich kleinem Radius u,
dessen Mittelpunkt ein Flächenpunkt P^ ist, so ist sein Umfang C bis
auf unendlich kleine Grössen von höherer als der dritten Ordnung
infolge des Ausdrucks (15), § 82 (S. 162), in der Form:
gegeben, wo Kq das Krümmungsmass der Fläche in Pq ist. Wie die
Fläche auch verbogen werden mag, C ändert sich nicht, also auch nicht Kq .
§ 94. Kriterien für die Abwickelbarkeit von Flächen auf einander. 183
§ 94. Kriterien dafür, ob zwei gegebene Flächen auf einander
abwickelbar sind.
Mit Hilfe der Theorie der Differentialparameter können wir in
der einfachsten Weise die Aufgabe lösen: Gegeben sind zwei Flächen
S, S': es ist zu untersuchen, ob dieselben auf einander ab-
wickelbar sind: und wenn dieses der Fall ist, sollen die da-
rauf bezüglichen Gleichungen aufgestellt werden.
Analytisch ist die Aufgabe mit der Frage nach der Transformier-
barkeit zweier gegebener Differentialformen:
Edu- + 2Fdu dv + Gdi:^^
E'dxi'- + 2F'dudv'-\- G'dv'^
in einander gleichbedeutend (§ 92). Nun nehmen wir an, es seien
(p(u, v) = (fXu, üO,
zwei unabhängige Beziehungen zwischen u, v, u, v\ welche das Gesetz
dai-stellen, nach dem unter der Voraussetzung der Abwickelbarkeit der
Flächen auf einander die Punkte der einen Fläche denen der anderen
entsprechen. Infolge der Eigenschaften der Difierentialparameter müssen
wir haben:
(3) A,9> = A;9', V(9,V) = V'(9'>'), A,,^. = A,>',
wo die Striche andeuten, dass die Differentialparameter auf den rechten
Seiten für die zweite Form gebildet sind. Damit die Flächen auf ein-
ander abwickelbar seien, ist es also erforderlich, dass die Gleichungen
(2) die Gleichungen (3) zur Folge haben. Diese notwendige Bedingung
ist für die Abwickelbarkeit auch hinreichend. Aus dem Ergebnis in
§ 86 (S. 69, i20') folgt nämlich, wenn für die erste Form cp, iL' und für
die zweite 95', i^«' als neue Veränderliche eingeführt werden:
E'dtr- + 2F'du'dv-\- G'dv' = A>Wi:im^f^rf^;rf^+A,V^^'
und wegen der Gleichungen (2), (3) sind die rechten Seiten einander
gleich.
Nach dieser Vorbemerkung schliessen wir vorerst den Fall aus, dass
eine der beiden Flächen constantes Krümmungsmass besitze. Bezeich-
nen wir die Krümmungsmasse der beiden Flächen mit Ki^ii, r) bez.
K'{u'j v'\ so liefert uns der Gaussische Satz unter der Voraussetzung,
184 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
dass die Flächen auf einander abwickelbar sind, sofort eine Beziehung
von der Form (2) in der Gleichung:
(4) K{u, v)==K{u',v').
Ferner ist einleuchtend, dass jeder für die Function K gebildete
Differentialparameter gleich dem entsprechenden für K' berechneten
sein muss. Wir nehmen zunächst die Beziehung:
(5) A,^=A/^',
die mit (4) combiniert zu den nachstehenden drei Fällen Anlass geben
kann:
1. Die Gleichungen (4) und (5) widersprechen einander;
dann sind die Flächen nicht auf einander abwickelbar.
2. Die Gleichungen (4) und (5) sind mit einander ver-
träglich und von einander verschieden. In diesem Falle ist es
nach dem, was wir oben gesehen haben, damit die Flächen auf ein-
ander abwickelbar seien, notwendig und hinreichend, dass die Glei-
chungen (4) und (5) die weiteren:
V(JBr, L,K) = V\K', A,'K'), A,(A,K) = A/(A/X')
nach sich ziehen, was durch algebraische Rechenoperationen entschieden
werden kann.
3. Die Gleichungen (4) und (5) lassen sich auf einander
zurückführen.
Dieses tritt ein, wenn A^K eine Function von K und A/J5l' die-
selbe Function von K' ist.
§ 95. Fläclien, die auf Rotationsflächen abwickelbar sind.
In dem zuletzt betrachteten Falle:
(a) A,K=fiK), A,'K'=f{K')
wählen wir statt (5) die andere Beziehung:
(5*) A,E^A,'K'
und führen die Aufgabe wieder auf algebraische Eliminationen zurück,
wofern nicht der weitere Fall eintritt, der durch die Gleichungen:
(b) A,K = x{K), a;k'=i{k')
gekennzeichnet ist.
Es erübrigt also nur noch, den einzigen Fall zu betrachten, in
dem die Gleichungen (a) und (b) zusammen bestehen.
§ 95. Auf Rotationsflächen abwickelbare Flächen. 185
Da dann „ ^
ist, so bilden die Curven gleichen Krümniungsmasses K= Const. mit
den orthogonalen Trajeetorien
• ,^. z= Const.
ein Isothermensystem (§ 38, S. 73).
Die Function ^(?t, i;) ergiebt sich mittels Quadraturen aus den
Gleichungen (§ 39, S. 73):
HO
du~^ YEG-F'
c
t^rS)
(iO
(JT)
dK OU CV
ct~ y/EG—F
Daraus folgt nach (14), S. 67:
J /(Jn
dK
und somit nach S. 183;
Edir--\- 2Fdudv + Gdv' = ^
rftO* dK^ , e «^ -^f^ . dv>
ß
/(■«■)
dK
I
Da die Functionen / und x ^ür die zweite Fläche dieselben bleiben,
so kommt dieser Fläche dieselbe Form für das Linienelement zu, das
andererseits zu einer Rotationsfläche gehört (vgl. S. 79).
Also: Wenn die Beziehungen (a) und (b) bestehen, so sind
die beiden Flächen auf dieselbe Rotationsfläche und also
auch auf einander auf einfach unendlich viele Weisen ab-
wickelbar.
Um in diesem Falle die wirklichen Gleichungen für die Abwickel-
barkeit zu finden, sind, wie wir gesehen haben, zwei Quadraturen
erforderlich.
§ 96. Fall der Flächen von constantem Krümmu n gemäss .
Bei der in den beiden vorstehenden Paragraphen gegebenen Lö-
sung der ersten Aufgabe aus der Lehre von der Abwickelbarkeit zweier
Flächen auf einander haben wir den Fall ausgeschlossen, dass die eine
Fläche constantes Krttmmungsmass besitze. Damit in diesem Falle die
186 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
beiden Flächen auf einander abwickelbar seien, ist es erforderlich, dass
die zweite Fläche dasselbe constante Krümmungsmass besitzt. Nun ist es
sehr bemerkenswert, dass in diesem Falle das Kennzeichen, das der
Graussische Satz liefert, für die Abwickelbarkeit auch hinreichend ist, d. h. :
Zwei Flächen mit demselben constanten Krümmungsmass
sind auf einander abwickelbar.
Für den Fall der Flächen mit der Krümmung Null haben wir
dieses Ergebnis bereits in § 55, S. 106, nachgewiesen, wo wir gesehen
haben, dass eine derartige Fläche auf die Ebene abgewickelt werden
kann. Hier wollen wir einen zweiten Beweis dafür geben, den wir
sofort auch auf die Flächen mit nicht verschwindendem constantem
Krümmungsmass ausdehnen.
Wir ziehen auf einer Fläche vom constanten Krümmungsmass K
eine geodätische Linie L und wählen als Parameterlinien die zu L
orthogonalen geodätischen Linien und deren orthogonale Trajectorien,
als Parameter u den Bogen der geodätischen Curven v, gerechnet von
der Curve L ab, die demnach die Curve u = 0 ist, und als Parameter
V den Bogen der Curve L, gerechnet von einem festen Punkte dieser Curve
an. Das Quadrat des Linienelements nimmt dann nach § 81 die Form:
ds^ = dii^ -\- Gdv^
an. Da die geodätische Krümmung der Curve u = 0 gleich Null ist, so
ist nach (1), S. 148: _
w (T) =0-
^ ^ ' \ du /m=o
Ferner ergiebt sich, da das Bogenelement der Curve u == 0 gerade dv ist:
iß) _ (1^51-.= 1-
Nun haben wir (vgl. S. 159):
und da der Annahme nach K constant ist, so erhalten wir, wenn wir
die drei Fälle:
K=0, K>0, K<0
unterscheiden, folgende Ergebnisse:
1) Ist K=0, so kommt:
YG = q)(v) . II -\- tß(v),
wo (p{v), 1p (v) Functionen von v allein sind. Aber aus (a) und (/3) folgt:
sodass sieh
ds^ = du^ -\- dv"^,
d. h. das Quadrat des Bogenelements der Ebene ergiebt.
§ 96. Flächen von constantem Krümm ungsmass. 187
2. Ist JST > 0, so setzen wir
K=^, {R reeU)
und erhalten aus (y):
YG = 9 (v) eos ^ + ^(t?) sin ^ 7
femer aus (a) und (/S):
Demnach ist hier:
(6) ds- = di(^-{-cos^'^ dv-.
Dieses ds~ gehört zur Kugel vom Radius B\ also: Alle Flächen
mit positivem constantem Krümmungsmass ^ sind auf die
Kugel vom Radius B und also auch auf einander abwickelbar.
3. Ist Ä^ < 0, so setzen wir
Dann giebt Gleichung {y)'.
yO = (p{v) cosh j. + ^'(^) sinh ^j
und infolge von (a) und (/3) ist:
Also: Das Quadrat des Linienelements jeder pseudosphärischen
Fläche vom Radius R kann auf die Form:
(7^ ds^ = du^ + cosh^ " dv^
gebracht werden.
Daraus folgt, dass alle diese Flachen auf einander abwickelbar sind.
§ 97. Abwiekelbarkeit eines Stückes einer Fläche von constantem
Krünunungsmass auf ein beliebiges anderes Stück derselben Fläche.
Die soeben gewonnenen Ergebnisse können nicht allein auf zwei
verschiedene Flächen mit demselben constanten Krümmungsmass, son-
dern auch auf zwei Stücke ein und derselben Fläche mit constantem
Krümmungsmass angewandt werden. Wir erhalten alsdann den wich-
tigen Satz:
Jedes Stück einer Fläche von constantem Krümmungs-
mass ist auf irgend ein anderes Stück derselben Fläche ab-
wickelbar, in der Weise, dass zwei beliebige Punkte A, B
des ersten Stücks mit zwei beliebigen Punkten Ä', B' des
188 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
zweiten zur Deckung gebracht werden können, wofern nur
die geodätische Entfernung zwischen Ä' und B' gleich der-
jenigen zwischen Ä und B ist.
Für die Flächen von verschwindendem oder positivem constantem
Krümmungsmass ist der Satz ohne weiteres klar, da ja die Ebene und
die Kugel, worauf dieselben bezüglich abwickelbar sind, die genannte
Eigenschaft besitzen. Um ihn auch für die pseudosphärischen Flächen
in aller Strenge zu beweisen, wählen wir das eine Mal als die geodä-
tische Linie L des vorigen Paragraphen die Curve AB und erhalten:
ds^ = du^ + cosh^ ^- dv^,
wo der Bogen v der Curve AB von A ab gerechnet werden soll, so-
dass A die Parameter w = 0, v = 0 hat. Indem wir hinsichtlich der
zweiten geodätischen Linie A' B' ebenso verfahren, erhalten wir:
ds'^ = du'^ -j- cosh^ -^ dv^.
Wird nun einfach
gesetzt, so ergiebt sich:
ds"^ = ds^,
und dem Punkte A oder (0, 0) entspricht der Punkt A' oder (0, 0),
dem Punkte B oder (0, l) der Punkt B' oder (0,1), wenn l die über-
einstimmende Länge der Bogen AB und A'B' ist. Demnach ist die
Fläche so auf sich selbst abwickelbar, dass A mit A' und B mit B'
zur Deckung kommt, wie behauptet wurde.
Dieser Satz besagt, dass jede auf einer Fläche von constantem
Krümmungsmass gezeichnete Figur vermöge blosser Yerbiegung auf
ein beliebiges anderes Stück der Fläche verlegt werden kann, ohne
dass die Winkel und die Linien- und Flächengrössen eine Aenderung
erleiden.
Für die Geometrie der Flächen von constantem Krümmungsmass
gilt also im allgemeinen ebenso wie für die Ebene und die Kugel das
Prinzip der Deckung der Figuren. Es ist dieses die Grundlage
der Analogien, die zwischen der Geometrie der drei Flächengattungen
bestehen, wie wir im folgenden sehen werden. Ferner ist es auch nach
dem Gaussischen Satze klar, dass für keine andere Fläche dasselbe
Prinzip gelten kann.
Aus unseren Ausführungen folgt, dass zwei Flächen S, S' mit
demselben constanten Krümmungsmass auf dreifach unendlich viele
Weisen auf einander abwickelbar sind. Sind die beiden Flächen ge-
geben, so müsste man, um eine dieser Arten der Abwickelbarkeit
§ 97. Abwicklung v. Flächen const. Krümm. § 98. Pseuodosphär. Flächen. 189
zu finden, die Differentialgleichung der geodätischen Linien
integrieren. Ist das Krümmungsmass gleich Null, so wird die Auf-
gabe mittels Quadraturen gelöst (§ 87, S. 171): in den anderen Fällen
lässt sie sich, wie in einem anderen Kapitel gezeigt werden wird*),
auf die Integration einer Differentialgleichung erster Ord-
nung vom Riccati'schen Typus zurückführen.
§ 98. Das Linienelement der pseudosphärischen Fläelien.
Wir kehren nun zu dem Ausdruck (7), S. 187, für das Quadrat
des Linienelements zurück, der zu jeder pseudosphärischen Fläche vom
Radius R gehört. Zusammen mit diesem Ausdruck, der als ein solcher
Ton hyperbolischem Typus bezeichnet wird, ist es hier zweck-
mässig, noch zwei andere ebenso wichtige Ausdrücke für das Quadrat
des Linienelements zu betrachten, die als solche von elliptischem be-
züglich parabolischem Typus bezeichnet werden.
Wir betrachten einen (gewöhnlichen) Punkt P einer pseudosphä-
rischen Fläche und wählen als Parameterlinien die von P ausgehenden
geodätischen Linien v und ihre orthogonalen Trajectorien m, als Para-
meter V den Winkel, den eine veränderliche geodätische Linie des
Büschels mit einer festen bildet, und als Parameter u den von P aus
gerechneten Bogen der geodätischen Linien. Das Quadrat des Linien-
elements erhält dann die Gestalt:
ds- = du- -\- Gdv',
und es ist (§ 82, S. 161):
{yo) =0, (y^ =1.
Nun ist, wie wir in § 96 gesehen haben,
YQ = g)(v) cosh ^ -j- i>{v) sinh ^ j
und die voraufgehenden Bedingungen geben:
tp(v) = 0, i(f{v) = B.
Demnach ist:
ds^ = du^~ + R- sinh^-^di-.
Dieses ist ebenfalls ein Ausdnick fiir das Quadrat des Linienelements, der
zu jeder pseudosphärischen Fläche vom Radius B gehört, und wird
als ein solcher von elliptischem Typus bezeichnet.
*) S. Kap. XVI, § 243.
190 Kaj). 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
Endlich wählen wir als Curve i in § 96 statt einer geodätischen
Linie eine Linie mit der constanten geodätischen Krümmung ^•
Eine solche Curve auf einer pseudosphärischen Fläche heisst Grenz-
kreis*). Wir haben dann ebenfalls:
ds^ = du^ -\- Gdv^, yCr = cp(v) cosh -^ -|- i>(v) sinh ^ •
Da im jetzigen Falle
cpOv) sinh -i^i -\- tpiv) cosh ^
cp(v) cosh ^ 4- ibhA sinh —
sein muss, so ergiebt sich:
(p(v) == i(j(v) = 1. ,
Demnach ist:
2m
ds^ = du^ -f- e dv^.
Diesen dritten Ausdruck bezeichnen wir als einen solchen von para-
bolischem- Typus.
Fassen wir also unsere Ergebnisse zusammen, so haben wir auf
den pseudosphärischen Flächen vom Radius R die folgenden drei typi-
schen Ausdrücke für das Quadrat des Linienelements gefunden:
2m
A) Parabolischer Typus: ds'^ = du^ -\- e dv^.
B) Elliptischer Typus: ds^ = dw" + W sinh^ ^ dv\
C) Hyperbolischer Typus: ds^ = du^ -\- cosh^ ^ t?t?l
§ 99. Rotationsflächen eonstanter Krümmung.
Wir wollen nun die gestaltlich einfachsten pseudosphärischen Flächen,
solche nämlich, die zugleich Rotationsflächen sind, untersuchen.
Ihr ds" hat, auf die Meridiane und Parallelkreise bezogen, die Form:
/ M m\2
ds" = du^ + (o /+ C'e" -^ j dv\
Wir unterscheiden drei Fälle, je nachdem von den beiden Constanten
G, C eine gleich Null ist oder beide verschiedene oder beide dasselbe
Vorzeichen haben. Ersetzen wir den Parameter v durch cv^ (c = Const.),
so erhalten wir die drei Ausdrücke von den bezüglichen Typen A), B), C):
*) Es ist leicht einzusehen, dass es auf jeder pseudosphärischen Fläche dop-
pelt unendlich viele Grenzkreise giebt. Eine ausführlichere Untersuchung dieser
Verhältnisse wird jedoch erst in Kapitel XVI angestellt werden.
§ 99. Rotationsflächen constanter Krümmung. 191
I) ds' = du^ + e'' JV;
U) ds^^ du^ + ;.2 sinli^ J dv,^,
m) ds^ = du^ + A^ cosh^ ^ di\^ (l = Const.),
die wir drei Rotationsflächen zuordnen^ auf denen u der Meridianbogen
und i\ die Länge ist. Bezeichnen wir mit r den Radius des Parallel-
kreises und wählen wir die £ -Achse als Drehaxe, so haben wir in den
drei Fällen für die MeridiancuiTe bezüglich:
_u /* / Ju
I) r = e^ ,=J yi-^^eUu,
II) r = X sinh ^, z = jy \ — ^ cosh^ ^ du,
ni) r = k cosh ^j z = I yl — ^ sinh- ^ dw.
Wir untersuchen nun die Gestalten der drei Meridiancurven.
Im Falle I) können wir die Integration mittels gewöhnlicher Func-
tionen ausführen. Wird
u
e = i2 sin 9?
gesetzt, so ist (p der Winkel zwischen der Tangente der Meridiancurve
und der z-Axe, und die Gleichungen:
r = R sing), z = rJ ^^^ d<p = R (logtg ^ -f costp)
geben uns die Coordinaten eines Punktes der Cui-re als Functionen
des Parameters tp.
Die durch diese Gleichungen bestimmte Curve, welche die s-Axe
zur Asymptote hat und die Eigenschaft besitzt, dass das zwischen dem
Berührungspunkt und der Asymptote gelegene Stück ihrer Tangente
constant, gleich R, ist, wird als Tractrix bezeichnet. Die eben ge-
nannte Eigenschaft kann direct aus der Gleichung der Curve, sowie
auch aus der Thatsache gefolgert werden, dass die geodätische Krüm-
mung der Parallelkreise auf der zugehörigen Rotationsfläche con-
stant, gleich ^, ist (vgl. § 80, S. 158). Diese Fläche heisst Pseudo-
sphäre (siehe Fig. 1) und hat unter allen pseudosphärischen Flächen
die einfachste Gestalt*).
*) Die drei folgenden Figuren sind dem Verzeichnis der von L. Brill in
Darmstadt hergestellten Modelle entnommen.
192
Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
Fall II): Elliptischer Typus, Um eine reelle Fläche zu erhalten,
muss man
B
<1
annehmen. Wird dementsprechend A = JR sin o; ge-
setzt, so darf cosh^ „- höchstens gleich -. ,- wer-
' B, ° sm-cc
den. Demnach liegen die Radien r der Parallelkreise
zwischen
r = 0 und r = R cos a .
Ist r = 0 , so ist -1— = sin a . Daher schneiden alle
' du
Meridiane die Rotationsaxe im Punkte m=0 unter dem
Winkel a. Dieser Punkt ist ein Knotenpunkt (conischer Punkt) der Fläche.
Die Coordinaten eines Punktes der Meridiancurve lassen sich durch
elliptische Functionen eines Parameters t mit dem Modul k = cos cc
ausdrücken. Wir setzen nämlich:
Flg. 1. PseudoSphäre.
k
sinh j^ = -TT cn(r, Ic)
und erhalten:
r == Bk CUT, 5
= B¥ fi
Je'
sn^TcZr = B
J
K
Z{r)
WO
Z{r) =
&{r)
r^2K
die Jacobi'sche Function und J, K die bekannten Constanten aus der
Theorie der elliptischen Functionen sind. Der Curvenzug von t = 0
bis t = 2K ist in der Figur 2 abgebildet;
jedesmal wenn x um AK wächst, kehrt
derselbe Curvenzug periodisch wieder. Die
zugehörige Rotationsfläche besteht aus un-
endlich vielen congruenten, durch Verschie-
bung längs der Axe aus einander hervor-
gehenden Teilen. Die grössten Parallelkreise
vom Radius r = B cos a sind Rückkehr-
curven der Fläche, da die Punkte t =2mK
(m ganz) Rückkehrpunkte der Meridian-
curve sind.
Fall III): Hyperbolischer Typus.
In diesem Falle haben wir:
T=0
Fig. 2.
Pseudosphärische Botationsfläche
vom elliptischen Typus.
r = X cosh
B
dr X • li ^
du B B
§ 100. Fläche constanter Krümmung auf Rotationsflächen abgewickelt. 193
Der grösste Wert, den u auf dem reellen Zuge der Curve annimmt,
bestimmt sich aus der Gleichung:
. , tt B
sinh^=-^,
und die Radien der Parallelkreise liegen zwischen dem kleinsten Werte
A und dem grössten Werte Y R' -\- l^ .
Setzen wir hier:
]/i2* + A- S k'
so können wir die Coordinat^n eines beweglichen
Punktes der Curve durch elliptische Functionen des
Parameters r ausdrücken mittels der Gleichungen:
r = |dnr, »- = f (^ r - Z(r)) •
Die Gestalt der Curve von r = 0 bis t = 2 ^ ist Fig. s.
in Fig. 3 abgebildet. Wächst t um 2K, so kehrt der- B^^atioLfläche*
TL/-, • T 1 • 1 -r\- "iT-»! vom hrperboliächen
selbe Lurvenzug periodisch wieder. Die grössten raral- Typus,
lelkreise, die den Werten t = 2mK (m ganz ) ent-
sprechen, sind Rückkehrcurven der F^che, und die kleinsten, die den
Werten r= {2m -j- 1)K entsprechen, sind geodätische Linien.
§ 100. Abwickelung einer Fläclie constanter Krümmung auf eine
Rotationsfläche .
Die soeben betrachteten drei Arten pseudosphärischer Rotations-
flächen sind von einander verschieden, und es ist nicht möglich, eine
von ihnen auf eine solche von anderer Art so abzuwickeln, dass sich
die beiderseitigen Parallelkreise decken. Um sich hiervon zu über-
zeugen, braucht man nur zu beachten, dass beim parabolischen Typus
die Parallelkreise Curven mit der constanten geodätischen Krümmung
^ sind, während diese geodätische Krümmung beim elliptischen Typus
>^, beim hyperbolischen dagegen <^ ist. Nach dem allgemeinen
Satze (§ 96) jedoch ist jede pseudosphärische Fläche vom Radius It
auf jede der Flächen Ij, 11), Ul) abwickelbar. Wir wollen diese Ai-t
der Verbiegung jeder pseudosphärischen Fläche in eine pseudosphäri-
sche Rotationsfläche näher untersuchen und bemerken dazu folgendes:
a) Auf einer pseudosphärischen Fläche S ziehe man einen Grenz-
kreis und betrachte die zu demselben orthogonalen geodätischen Linien.
Durch Biegung kann der Fläche die Gestalt einer Pseudosphäre erteilt
B i a n c h i , Differentialgeometrie. 1 3
194 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
werden, für welche die soeben gezogenen geodätischen Linien die Meri-
diane werden (vgl. S. 190).
b) Auf der pseudosphärischen Fläche S nehmen wir einen Punkt P
an und betrachten die von P ausgehenden geodätischen Linien, sowie
die zu ihnen orthogonalen geodätischen Kreise. Wählen wir die Para-
meter u^ V ebenso wie in § 98, S. 189, so haben wir:
dSy^ = du^ -f- R^ sinh^ dv'^.
Durch Vergleichung mit dem Quadrat des Linienelements der Rota-
tionsfläche vom elliptischen Typus (S. 191):
ds^^ = du^^ -f- A^ sinh^ ^ dv^^
erhalten wir als Gleichungen für die Abwickelung der beiden Flächen
auf einander:
l
Daraus ergiebt sich, dass, wenn die Länge v^ auf der Rotationsfläche
11) einen vollen Umgang von 0 bis 2 n macht, der Winkel v das Inter-
vall von ^' = 0 bis v=^2n^u\a durchläuft, das kleiner als 2;r ist.
Es genügt also schon ein Stück von >S.um P, um einen Mantel der
Fläche II) vollständig zu bedecken. Ferner giebt es auf der Fläche
II) kein Gebiet, das dem Teile von S jenseits des geodätischen Kreises
vom Radius
u = sect cosh \— — 1
\sin a/
entspricht; derjenige Teil von >S^ um P, der in die Gestalt eines Man-
tels der Fläche II) gebracht werden kann, wird also von einem geo-
dätischen Sector begrenzt.
c) Im Falle der Fläche III) vom hyperbolischen Typus ist der
kleinste Parallelkreis eine geodätische Linie, und wir können daher
eine beliebige pseudosphärische Fläche S auf die Fläche III) so ab-
wickeln, dass sich eine willkürliche geodätische Linie g auf S mit dem
kleinsten Parallelkreis deckt. Derjenige Teil von 8, der sich auf einen
Mantel der Fläche III) wirklich abwickelt, ist ein Streifen, der von
zwei zur Curve g geodätisch parallelen und von ihr überall gleich weit
entfernten Curven begrenzt wird, die nach der Verbiegung die gröss-
ten Parallelkreise (Rückkehrcurven) des Mantels geworden sind. An den
Enden der geodätischen Linie g wird der Streifen von zwei zu g ortho-
gonalen geodätischen Linien begrenzt, die sich nach der Verbiegung
zu einem einzigen Meridian des Mantels zusammenschli essen. Die Länge
und die Breite des Streifens hängen nur von dem Radius ab, den man
für den kleinsten Parallelkreis wählen will.
§ 101. Flächen, die eine stetige Verbiegung in sich zulassen. 195
§ 101. Flächen, die eine stetige Verbiegung in sich zulassen.
Die fundamentale Eigenschaft der Flächen von constantem Krüm-
mungsmass, die wir in § 97 nachgewiesen haben ^ lässt sich folgender-
massen aussprechen:
Das Linienelement jeder Fläche von constantem Krüm-
mungsmass lässt oc^ Transformationen in sich zu.
Wir fragen nun, ob es noch andere Flächen giebt, die stetige Ver-
biegungen in sich zulassen. Wenn es solcher Verbiegungen doppelt
unendlich viele ^be, so könnte durch geeignete Verfügung über die
beiden Transformationsparameter jeder Punkt der Fläche in jeden be-
liebigen anderen Punkt (eines passenden Gebiets) verlegt werden: nach
dem Gaussischen Satze besässe die Fläche ein constautes Krümm ungs-
mass, und die vorausgesetzten Verbiegungen wären also in dreifach,
nicht allein doppelt unendlicher Zahl vorhanden.
Femer ist klar, dass jede auf eine Rotationsfläche abwickelbare
Fläche wenigstens eine stetige Verbiegung in sich zulässt, entsprechend
der Drehvmg der Fläche, auf die sie abwickelbar ist, um die Axe.
Es ist nun von Wichtigkeit, dass auch der umgekehrte Satz
besteht:
Jede Fläche S, die eine stetige Verbiegung in sieh zu-
lässt, ist auf eine Rotationsfläche abwickelbar.
Besitzt die Fläche S constantes Krümmungsmass , so ist der Satz
bereits durch die Untersuchungen in den vorigen Paragi-aphen bewiesen.
Im gegenteiligen Falle müssen sich während der angenommenen stetigen
Verbiegung die Curven L, längs deren das Krümmungsmass K ein
und denselben Wert hat, nach dem Gaussischen Satze in sich selbst
verschieben. Und da nun diese Biegung von einem sich stetig ändern-
den Parameter abhängt, so kann jeder Punkt einer Curve L in jeden
beliebigen anderen Punkt derselben Curve verlegt werden; daraus folgt,
dass die Curven L constante geodätische Krümmung besitzen. Femer
verschieben sich die zu einer Curve L geodätisch parallelen Curven wäh-
rend der Verbiecrunff offenbar ebenfalls in sich selbst. Aus diesen
Ueberlegungen ergiebt sich der obige Satz ohne Schwierigkeit, denn
in der That lässt sich beweisen:
Wenn eine Fläche S ein System von Curven L besitzt,
die geodätisch parallel sind und von denen jede constante
geodätische Krümmung hat, so ist sie auf eine Rotationsfläche
abwickelbar, deren Parallelkreise die Biegungscurven der
Curven L sind.
13*
196 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
Man wähle nämlich als Coordinatensystem das von den Curven L
(u = Const.) und von den dazu orthogonalen geodätischen Linien
(v = Const.) gebildete. Dann nimmt das Quadrat des Linienelements
die Form: „ „ ^ „
ds^ = du^ + Gdv^
an. Nun ist nach Voraussetzung (vgl. S. 148):
= ^^ — = a)(w),
also:
yä = JJY,
wo TJ eine Function von u allein und V eine Function von v allein
ist. Wird dann
/ Ydv = v^
gesetzt, so ergiebt sich sofort das Quadrat des Linienelements einer
Rotationsfläche (vgl. § 42):
ds^ = dir -j- U^dvi^.
§ 102. Auf einander abwickelbare Rotationsflächen.
Wir wollen nun einige einfache Beispiele von auf einander ab-
wickelbaren Flächen betrachten und zunächst untersuchen, ob zwei
Rotationsflächen S, S^^ auf einander abgewickelt werden können.
Aus dem Gaussischen Satze folgt vorerst, dass sich die Parallel-
kreise von S mit denjenigen von 8^ und dass sich also auch die beider-
seitigen Meridiane decken müssen. Ausgenommen sind natürlich die
Flächen von constantem Krümmungsmass, aber die nachfolgenden Unter-
suchungen gelten auch für diese Flächen, wenn noch die Bedingung
hinzugefügt wird, dass sich die Parallelkreise der einen Fläche mit
denjenigen der anderen decken sollen.
Wenn das Quadrat des Linienelements von S durch
ds^ = du^ -f~ r'^dv^
und dasjenige von /S^ durch
dSj^ = du-^ -\- Yydv^
gegeben ist, so können wir ohne weiteres % = u setzen, indem wir
die Meridianbogen von zwei entsprechenden Parallelkreisen ab rechnen.
Um die beiden Linienelemente in einander zu transformieren, muss
man v.^ = v^ {v) setzen und diese Function durch die Bedingung :
bestimmen.
^iW-^'-<^)
§ 102. Auf einander abwickelbare Rotationsflächen. 197
Hieraus ergiebt sich:
r^ = Tir, v^ = -^ (k willkürlich constant).
Wenn also r = (p(u) die Gleichung der Meridiancurve von S ist, so
sind die Coordinaten eines Punktes der Meridiancurve von S^ gegeben
durch :
r = A-(p(w), 2 =fVl — r-<p'^{u) du.
Daraus folgt: Jede Rotationsfläche kann auf oc^ Weisen so
verbogen werden, dass sie eine Rotationsfläche bleibt.
Wir untei-suchen nun des näheren, in welcher Weise sich die
Fläche S^ auf S abwickelt. Setzen wir Z: < 1 voraus, so zeigt die
Gleichung:
V = ]ci\ ,
dass, wenn die Länge i\ auf Sj^ einen ganzen Umgang vollendet hat,
wobei sie gleich 2jt wird, die Länge v gleich 2Ji:i < 2% wird. Wenn
also die Fläche 5^ auf die Fläche S abgewickelt wird, so wird letztere
nicht ganz bedeckt, sondern es bleibt ein Stück (Zweieck) frei, das
zwischen zwei Meridianen liegt, deren Ebenen einen Winkel von der
Amplitude 27c(l — Je) bilden. Um 5^ auf S auszubreiten, muss man
also S^ längs eines Meridianes aufschneiden, öjßfnen und dann so
verbiegen, dass die Schnittränder zwei bestimmte Meridiane auf S
werden. Beachtet man, dass die geodätische Krümmung der Parallel-
kreise und die Totalkrümmung der Fläche bei der Verbiegung unge-
ändert bleiben, so sieht man sofort, dass in zwei einander ent-
sprechenden Punkten die Krümmung der Meridiancurve von S gi-össer
als diejenige der Meridiancurve von S^ ist.
Der Fall ^' > 1 lässt sich offenbar auf den vorigen zurückführen,
wenn wir umgekehrt S id. S^ verbiegen, was ja darauf hinauskommt,
dass A" durch -,- ersetzt wird. Hierbei ist aus S ein Zweieck heraus-
zunehmen und darauf die Stetigkeit der Fläche in der Weise wieder-
herzustellen, dass man die beiden Grenzmeridiane des herausgenomme-
nenen Zweiecks durch Verbiegung zu einem einzigen vereinigt.
Femer ist zu bemerken, dass jedem Punkte der Meridiancurve von
S ein reeller Punkt der Meridiancurve von S^ entspricht, so lange
A-v— <1 ist, was wegen der obigen Gleichungen immer der Fall ist,
wenn J: < 1 ist. Ist jedoch /.•>!, so schliessen die Parallelkreise,
denen der Wert -v- für ;;=— entspricht, auf S eine Zone ein, welche der
thatsä<?hlich auf S^ abwickelbare Teil von S ist. Nach der Verbiegung
198 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
werden die Grenzparallelkreise dieser Zone Rückkehrparallelkreise für
S^j d. h. solche, auf denen die Meridiane Rückkehrpunkte haben.
§ 103. Beispiel: Rotationsflächen constanter Krümmung.
Als Beispiel betrachten wir die Verbiegungen der Rotationsflächen
von constantem Krümmungsmass.
a) Für die Kugel vom Radius Eins kann
r = cosM
gesetzt werden. Es sind dann die Coordinaten längs der verbogenen
Meridiane durch die Gleichungen:
r = Je cos u, ^ = j y 1 — ^^ si^^ ^^ ^**
gegeben.
Wir können dieselben durch elliptische Functionen eines Para-
meters t ausdrücken. Zu diesem Zwecke setzen wir, wenn Z; < 1 ist
costt == cn(T, Ti) und erhalten:
r = ^cnr, ^ = ( 1 — ^) ^ ~h ^(^)-
Ist Ä; > 1 , so führen wir -,- statt Ti ein und erhalten, indem wir
setzen:
dnr
^ = -1-'
k
cos w = dn (t, Ti)
Im Falle Tc<Cl ergiebt sich eine spindelförmige Fläche, deren Meridiane
die Axe in einem (konischen) Punkte unter dem Winkel a = arc sin Ti
treffen. Im Falle /c > 1 liegt eine Zone vor, die von zwei kleinsten
Rückkehrparallelkreisen begrenzt ist. Die drei nachstehenden Figuren
4, 5, 6 stellen die den drei Fällen entsprechenden Flächen dar. Auf der
mittleren, der Kugel, ist die Zone angegeben, die sich auf die ganze
Fläche in Fig. 6 abwickelt.
b) Die Pseudosphäre besitzt die merkwürdige Eigenschaft, dass
alle ihre Rotationsbiegungsflächen mit ihr identisch sind, was sich
daraus ergiebt, dass die geodätische Krümmung der Parallelkreise con-
stant gleich „ ist. Im Falle des Einschrumpfens der Parallelkreise
(Ti < 1) wird der grösste (Rückkehr-)Parallelkreis ein kleinerer Parallel-
kreis, und es bleibt demnach die zwischen diesem und dem grössten
Parallelkreise gelegene Zone unbedeckt. Bei der umgekehrten Yerbie-
gung wird ein kleinerer Parallelkreis zum Rückkehrparallelkreis; um
jedoch diese Verbiegung zu bewerkstelligen, muss man zuerst die Zone
§ 103. Verbieg, t. Rotationsfl. const. Er. § 104. Theor. v. Bourüb. Schraubenfl. 199
zwischen diesem und dem wirklichen Rückkehrparallelkreis aus der
Pseudosphäre herausschneiden.
Fig. 4.
Fig. 5.
Die Verbiegrung von pseudosphärischen Rotationsflächen der anderen
beiden Arten führt auf Flächen von demselben Typus. Dabei ändert
sich im Falle der Flächen vom elliptischen Typus der Offuimgswinkel
an der Spitze (ain konischen Punkt \, bei denjenigen vom hyperboli-
schen Typus der Radius des kleinsten Parallelkreises.
§ 104. Theorem von Bour über Schraubenflächen.
Das Ergebnis in § 101 gestattet eine unmittelbare Anwendung
auf eine wichtige Klasse von Flächen, die als Schrauben flächen
bezeichnet werden. Dieselben werden von einer ebenen oder doppelt
200 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
gekrümmten Curve erzeugt, der eine doppelte Bewegung erteilt wird,
eine drehende um die Axe und eine fortschreitende parallel zur Axe,
deren Geschwindigkeiten in einem constanten Verhältnis zu einander
stehen. Die verschiedenen Punkte der erzeugenden Curve beschreiben
dabei sämtlich Schraubenlinien, deren gemeinsame Axe die Axe der
Schraubenfläche ist und die alle gleiche Ganghöhe haben. Wenn wir
beachten, dass sich bei der Schraub ung, vermöge deren die Fläche
erzeugt wird, die ganze Fläche in sich selbst bewegt, so brauchen
wir nur den Satz in § 101 anzuwenden und kommen dann zu dem
eleganten, von Bour herrührenden Ergebnis:
Jede Schraubenfläche ist auf eine Rotationsfläche ab-
wickelbar-, die Schraubenlinien decken sich dabei mit den
Parallelkreisen der Rotationsfläche.
Da sich jede Schraubenlinie unendlich oft auf den entsprechenden
Parallelkföis aufwickelt, so ist es klar, dass die Rotationsfläche von der
Schraubenfläche unendlich oft überdeckt wird.
Von diesem Satze wollen wir nun einen directen Beweis geben,
um auch die wirklichen Abwickelungsgleichungen zu erhalten. Hierzu
bemerken wir, dass, wenn durch die Axe eine Ebene gelegt wird, auf
der Schraubenfläche eine Schnittcurve (Meridianprofil) entsteht,
welche die Schraubenfläche erzeugt, wenn ihr eben die Schraubung um
die Axe erteilt wird, durch welche die Fläche erzeugt wurde. Eine
Schraubenfläche ist also bestimmt, wenn ihr Meridianprofil und der
Parameter der Schraubung gegeben sind.
Als ^-Axe werde die Axe der Schraubenfläche gewählt, mit q der
Abstand eines Punktes des Meridianprofils von der Axe bezeichnet,
und es sei
^ = <p{q)
die Gleichung des Meridianprofils. Wir bezeichnen ferner mit v den
Winkel, um den sich nach einer beliebigen Zeit die Ebene des Meri-
dianprofils gedreht hat, und mit m das Verhältnis der Geschwindigkeit
der fortschreitenden Bewegung zur Rotationsgeschwindigkeit. Die Coor-
dinaten x, y, z eines beweglichen Punktes der Schraubenfläche sind
dann als Functionen von q und v durch die Gleichungen:
X =^ Q cos Vj y = Q Bixiv, z = ffio) -\- '^v
gegeben, aus denen
ds^ = [1 -f- (p'^o)] dQ^ + 2m(p'(Q)dQdv + (q' + m^)dv^
folgt.
Wir führen nun statt der Parameterlinien v andere Linien v^ ein,
indem wir
§ 105. Beispiele von Schraubenflächen. 201
, / tp'(Q)dQ
setzen, wobei Je eine willkürliche Constante ist. Dann ergiebt sich:
ds^- =
'^+'^^^dQ^-^k\Q^- + m^dv,^
Vergleichen wir dieses Quadrat des Linienelements mit
ds,' = [1 + iL'''(r)]dr- + r-dL\%
d. h. mit demjenigen einer Rotationsfläche, deren Meridiancnrve durch
die Gleichung:
gegeben ist, so können wir beide einander gleich machen, wenn wir
zwischen r, ^(r), q, ffio) folgende Beziehungen aufstellen:
l[i + -^"«](l^) = i + fi^'
Diese Gleichungen beweisen wieder den Bour'schen Satz. Femer sieht
man, dass, wenn eine Schraubenfläche oder eine Rotationsfläche will-
kürlich gewählt wirdj die Rotationsflächen bez. die Schraubenflächen, auf
die sie abwickelbar ist, durch Quadi-aturen gefunden werden können. Im
ersten Falle ergiebt sich nämlich »/^"'(r) durch Elimination von (>, im
zweiten (p'(q) durch Elimination von r.
§ 105. Beispiele zur Abwickelung von Schraubenflächen auf
Rotationsflächen.
Wir wenden nun die Gleichungen (8) auf zwei einfache Beispiele an.
1) Das Meridianprofil sei eine zur Axe senki-echte Gerade; die
erzeugte Schraubenfläche ist die bereits in § 19, S. 32, betrachtete
Minimal-Schraubenregelfläche. Wir haben in den Gleichungen (8)
in diesem Falle 9)'((>) = 0, also:
1 + *"(••) = (^) = ,.v^
Wenn die willkürliche Constante Je gleich Eins gesetzt wird, so folgt:
dr
= *(r) = ,„ / -=
V'
und durch Ausfühiimg der Integration:
r = m cosh —
m
Die Meridiancurve der Rotationsfläche ist demnach eine gewöhnliche
Kettenlinie, deren Leitlinie die Drehaxe ist.
202 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
Die zugehörige Rotationsfläche wird Catenoid genannt Die Er-
zeugenden der Schraubenfläche decken sich bei der Abwickelung mit
den Meridianen^ und die Axe q = 0 wird der Kehlkreis r = m des
Catenoids.
2) Das Meridianprofil sei eine um den Winkel a zur Axe geneigte
Gerade; ihre Gleichung ist dann:
S = Q cotg a .
Wenn also in (8)
fp\Q) == CotgCC
gesetzt wird^ so ergiebt sich:
1 + ^'^r) :
., , (r^ — h^m^) cotg^ a
^2 (^2 _ ^.2^„2)
Setzen wir die willkürliche Constante h gleich cotga, so erhalten wir:
, w \ r tg a
yr'^ — m^ cotg* cc
Die Gleichung der Meridiancurve der Rotationsfläche ist also:
^ = tg a yr^ — m^ cotg^ a
oder:
' 1.
m^ cotg* a m*
Die Rotationsfläche ist daher ein einschaliges Rotationshyper-
boloid. Man sieht leicht, dass sich bei der Abwickelung die Axe
p = 0 der Schraubenfläche mit dem Kehlkreis des Hyperboloids und
die Erzeugenden der Schraubenfläche mit der einen Schar der Er-
zeugenden des Hyperboloids decken.
§ 106. Das allgemeine Problem der Verbiegung von Flächen.
Wir gehen nun zu der Behandlung einer zweiten und wichtigeren
Aufgabe aus der Lehre von der Abwickelbarkeit der Flächen auf ein-
ander über, die folgendermassen lautet: Alle Flächen zu finden,
die auf eine gegebene Fläche abwickelbar sind, oder: Alle
Flächen mit gegebenem Linienelement zu finden.
Diese schwierige Aufgabe kann vollständig nur in wenigen beson-
deren Fällen gelöst werden, die in späteren Abschnitten dieses Buches
behandelt werden sollen. Doch gestatten es die allgemeinen Sätze
über partielle Difi'erentialgleichungen, sehr wichtige allgemeine Sätze
bezüglich der gestellten Aufgabe abzuleiten. Und mit diesen eben
§ 106. Allg. Probl. d. Verbiegung. § 107. Part. Diffgl. 2. 0. für die Verbiegung. 203
wollen wir uns beschäftigen, soweit dieses die Grenzen der Kürze, die
wir uns gfesteckt haben, zulassen*').
Der erste Weg, die vorliegende Aufgabe in Angriff zu nehmen,
ergiebt sieh naturgemäss aus den Grundgleiehungen der Flächentheorie
(Kap. IV). Wenn die erste Grundform:
Edu^-i-2Fdudv + Gdv^
gegeben ist, so gehört zu jeder Fläche mit diesem Quadrat des Linien-
elements eine zweite Grundform:
Ddu^ + 2D'dudv + I)"dv^,
imd die Functionen D, D', D" müssen den Gleichungen (HT), (J^j
§48, S. 91, d. h. der Gaussischen imd den beiden Codazzi'schen
Gleichungen, genügen. Umgekehrt, wenn D, D', D" drei Functionen
von u und v sind, die den drei genannten Gleichungen genügen, so
giebt es eine zugehörige Fläche mit dem gegebenen Linienelement,
und die wirkliche Bestinunuug der Fläche hängt in letzter Linie von
der Integration einer Riccati'schen Gleichung ab (§ 50, Kap. lY).
Würden wir also z. B. das Linienelement einer Rotationsfläche
nehmen, also
ds- = dir -f- r-dt^
setzen, wo r nur von ii abhängt, so könnten wir den genannten Grund-
gleichungen genügen, wenn wir für D, D', D" Functionen von u allein
wählen würden. Die auf die Rotationsflächen abwickelbaren Flächen,
die wir auf diese Weise finden würden, sind gerade die Schrauben-
flächen (§ 104)**).
§ 107. Partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, von der die
Verbiegung einer gegebenen Fläche abhängt.
Weit wichtiger als die obige Methode ist diejenige, zu deren Ent-
wicklung wir nun übergehen, indem wir uns dabei auf die Ergebnisse
in § 60, Kap. IV, vor aUem auf die Gleichung (B), S. 116, stützen.
Für jede Fläche:
X = x{u, v), y = y{u, v), z = z(u, v)
mit gegebenem Quadrat des Linienelements:
*) Vollständig durchgeführt findet der Leser die Aufgabe im 3. Bande der
Le^ons von Darboux, S. 263 ff.
**) Zum Beweise braucht man nur zu beachten, dass in diesem Falle sowohl
die erste als auch die zweit« Grundform die stetige Transformation in sich:
u'= tt, v'^ V -f- Const.
zulassen. Da also die Fläche eine stetige Bewegung in sich gestattet, ist sie eine
Schraubenfläche.
204 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
(9) dx" + dy'' + dz'' = Edu' + 2Fdudv + Gdv^
besagt die so eben erwähnte Gleichung^ dass jede der drei unbekannten
Functionen x, y, z der partiellen Differentialgleicbung zweiter Ordnung:
(10) L^^x = {\ — t,^x)K
genügt, deren Coefficienten allein aus JE", F ^ G und deren ersten und
zweiten Differentialquotienten gebildet sind*).
Nun ist es wichtig, mit Darboux zu bemerken, dass die Glei-
chung (10) folgende Bedeutung hat:
Ist x(;u, v) eine Lösung der Gleichung (10), so hat die qua-
dratische Form:
— dx^ + Edtt^ + 2Fdu dv + Gdv' =
= [E-{'j^)']äu'+2[F-%%\äuä. + [G- (|-:)^j ä.^
die Krümmung Null.
Um dieses auf die einfachste Art zu beweisen, werde
x = u^ F =0
gesetzt, was offenbar wegen der Invarianteneigenschaft unserer Glei-
chung erlaubt ist. Die Gleichung (10) lautet dann:
flll [22l |12P ^.^ ..^
Wenn hierin für die Christoffel'schen Symbole die wirklichen Werte
aus § 35:
l]~2E'du' \l]~'2E8v' \lj~ 2E~du
eingesetzt werden, so ergiebt sich:
cu cu ' \cv / ' ^ -^
Nun ist in orthogonalen Parametern u, v (§ 35, S. 68, Formel (18)):
(11) iE^G^K = E ri^ f + m] + G k^ i^ + m
^ ^ cv dv ' \cu/ ' du du ^ \dv/
— 2EG
*) Unter Anwendung der Monge'schen Bezeichnungen p, g; »', s, i{ für die
ersten und zweiten Differentialquotienten der unbekannten Function (vgl. S. 114)
lautet die Gleichung:
== K[EG — F'- (Eq^— 2Fpq+ Gp^)]
und hat die Ampere'sche lineare Form bezüglich rt — s*, r, s, t.
§ 108. Verbiegung einer Fläche mit einer starren Curve. 205
Die vorige Gleichung, mit G multipliciert, lautet dann:
+ «(£ - 1) [Hl^ + (If)^] - 2£G(£ - 1) [g + |!^] = 0.
Werden die Glieder, die sich aufheben, weggelassen und wird noch
durch E dividiert, so ergiebt sich die äquivalente Gleichung:
(^-i)[ifi?+{i4r]+«Ki?+(i?)']-
die wiederum infolge von (11) besagt, dass die Form:
{E—l)du^-{- Gdv-
die Krümmung Null hat.
Nach dieser Vorbemerkung nehmen wir an, es wäre uns eine
Lösung x(h, v) der Gleichung (10) bekannt. Wir woUen dann sehen,
ob es eine zugehörige reelle Fläche mit dem gegebenen Linienelement
giebt. Da dann die Differentialform:
(12) Edu^ + 2Fdu dv + Gdv"" — do^
die Krümmung Null besitzt, so ist es, damit es zwei andere reelle
Functionen y{u, v), z{u, v) giebt, die der Gleichung (9) genügen, not-
wendig und hinreichend, dass die Form (12) eine definite, d. h.
oder
A^x < 1
ist. Wird diese Bedingung als erfüllt vorausgesetzt, so ergeben sich
nämlich y und z mittels Quadraturen nach § 87, S. 170. Also: Jeder
reellen Lösung xiii, v) der Gleichung (lOj, die ausserdem der Un-
gleichheit AyX<il genügen muss, entspricht eine reelle Fläche
mit dem gegebenen Linienelement. Ist diese Lösung bekannt,
so ergiebt sich die zugehörige Fläche mittels Quadraturen.
§ 108. Verbiegung einer Fläche mit einer starren Curve.
Wir beschäftigen uns nun mit der folgenden Frage: Wenn eine
Fläche 5^ gegeben und auf ihr eine Curve F gezogen ist, kann
dann die Fläche verbogen werden, ohne dass die Curve F
verzerrt wird?
Unter der Voraussetzung, dass dieses möglich ist, sei S^ eine der
Jiz-t Jl/ •
Vi
= y,
z, = z,
dx^ dx
du du
du
dii
dz^ __ dz
du du
dx^ dx
dv dv
dv
dv
dz^ dz
dv dv
x, = x.
Y.
= r,
z, = z
206 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
Gestalten, die S bei der Verbiegung annimmt, wobei JT starr bleibt.
Wir können dann die geänderte Gestalt S^ als von der ursprünglichen
S so wenig abweichend annehmen, dass die Normalen von S^ und S ein-
ander beliebig nahe sind. Beachtet man nun aber, dass F auf S^ und
8 dieselbe geodätische Krümmung hat, und erinnert man sich an die
Beziehung, die zwischen der geodätischen und der absoluten Krüm-
mung besteht (§ 75, S. 147), so kann man daraus sofort schliessen,
dass längs F die Normalen von S^ und S zusammenfallen.
Nun nehmen wir der Einfachheit halber auf S und S^^ ein ortho-
gonales Coordinatensystem (u, v) an, und es sei
die Gleichung der Curve F. Durch Beifügung des Index 1 unter-
scheiden wir die auf S^ bezüglichen Grössen. Dann haben wir offenbar:
' für V = 0.
Betrachten wir nun z, B. x^ und x, so sind dieses solche Lösungen
derselben partiellen Differentialgleichung zweiter Ordnung (10), die für
i; =z= 0 in ihren Werten und in denjenigen ihrer ersten Differential-
quotienten übereinstimmen. Wenn wir nun beweisen, dass auch die
drei zweiten Differentialquotienten von x^ für v = 0 mit den
entsprechenden von x übereinstimmen, so ist infolge der all-
gemeinen Sätze über die Lösungen partieller Differentialgleichungen*)
nachgewiesen, dass x-^ und x für alle Werte von u und v überein-
stimmen. Da derselbe Schluss für i/i; 2/5 ^xy ^ wiederholt werden kann,
so folgt, dass Sy und S zusammenfallen.
Li der That folgt aus den Anfangsbedingungen:
dx, dx dx, dx /„.. ..^
du du ■ dv dv ^ ^
unmittelbar durch Differentiation nach w.
^1 == ^ l!^i__ = ^'^ (für V = 0) .
du^ du^' dudv dudv ^ -' '
Die Grundgleichungen (I) der Flächentheorie, § 47, S. 89, ergeben
mithin, dass für v == 0
B,=^B, b;^b'
*) Vgl. z. B. Groursat, Vorlesungen über die Integration der partiellen
Differentialgleichungen erster Ordnung, deutsch von Maser, Leipzig 1893, S. 21.
§ 108. Verbiegung einer Fläche mit einer starren Curve. 207
ist. Die aus (III), S. 91, folgende Gleichung:
BD"— D- = A A"— A''
giebt also, wenn darin v = 0 gesetzt wird:
BD'= BD;' (für V = 0).
Daraus folgt:
(A")-o = (2>")r=o,
wofern nicht (Ar=o = 0 ist. Wird dieser Fall ausgeschlossen, so
ergiebt sich aus der dritten der Gleichungen (I), S. 89:
^ = ^ (für r = 0),
er- er- ^ '
wie wir beweisen wollten. Daher fallen B^ und S zusammen.
In dem ausgeschlossenen Falle (Ar=o = 0 ist nach S. 109 die
Curve V = 0 eine Haupttangentencurve von S\ wir können also den
Satz aussprechen: Wenn auf einer biegsamen Fläche S eine
Curve r starr bleibt, so kann die Fläche nicht verbogen
werden, vorausgesetzt, dass die Curve T keine Haupttangen-
tencurve von S ist.
Falls r eine Haupttangentencurve ist, so folgt aus weiteren Eigen-
schaften der partiellen Differentialgleichungen, wie hier nur kurz erwähnt
werden kann, dass es in der That möglich ist, die Fläche ohne Ver-
zerrung der Curve zu verbiegen. Es ist dieses eine eigentümliche
Eigenschaft der Haupttangentencurven, weshalb sie auch als Fal-
tungslinieu bezeichnet werden. Diese Eigenschaft, die sie vor jeder
anderen Curve der Fläche auszeichnet, ist im Gnmde genommen eine
Folge davon, dass auf jeder Fläche 5 die Haupttangentencurven die
Charakteristiken der partiellen Differentialgleichung (10) sind, von
deren Lösung die Verbiegung von S abhängt*) (Darb oux, 3. Bd., a. a. 0. ).
*) Wird die Gleichnng (10) in der in der Anmerkung zum vorigen Para-
graphen gegebenen Form (S. 204) :
$(r, s, f) = 0 "
geschrieben, so geht die Differentialgleichung der Charakteristiken:
-:r— du^ 7^- dudv 4- -^— rti' = 0
et es er
infolge der Gleichungen (I), S. 89, eben in diejenige der Haupttangentencurven:
Ddu- -i-2D'dudv -\- D"dv- = 0
über. (Vgl Darb oux, 3. Bd., S. 252.)
208
Kap. 7. Auf einander abwickelbare Fläclien.
§ 109. Verbiegung, bei der eine gegebene Curve in eine andere
gegebene Curve übergeht.
Der soeben bewiesene Satz führt naturgemäss zu der Frage: Ist
es möglich, eine Fläche S' so zu verbiegen, dass eine gege-
bene Curve C auf ihr eine vorgeschriebene Gestalt F an-
nimmt?
Zunächst bemerken wir, dass, wenn die gesuchte Vorbiegung möglich
sein soll, die absolute Krümmung von F in jedem Punkte nach S. 147
grösser als die geodätische Krümmung von C in dem entsprechenden
Punkte (oder mindestens ihr gleich) sein muss. Diese Bedingung setzen
wir als erfüllt voraus und betrachten auch einstweilen den Fall der
Gleichheit der absoluten und geodätischen Krümmung von F als aus-
geschlossen, in welchem Falle F auf der Biegungsfläche eine Haupt-
tangentencurve wäre.
Unter der Voraussetzung, dass die gesuchte Verbiegung möglich
ist, sei S die Biegungsfläche, auf der wir ein orthogonales Coordinaten-
system (m, v) wie im vorigen Paragraphen annehmen, so dass F die
Curve v = 0 ist. Ferner setzen wir der grösseren Klarheit halber fest,
dass der Parameter u der von einem bestimmten festen Punkte
der Curve F gerechnete Bogen dieser Curve sein soll, so dass wir
E=l (für v = 0)
haben. Mit 6 bezeichnen wir den Winkel, um den sich die positive
Richtung der Normale von S in der Normalenebene von F in positivem
Sinne drehen muss, um mit derjenigen der Hauptnormale von F zu-
sammenzufallen. Indem wir für die Curve F die üblichen Bezeich-
nungen der Curventheorie (Kap. I) beibehalten, haben wir dann für v = 0:
dx
du
cosa =
cos /S = ö—
dz
cos y = K—
' du
COS I = X cos 6
sin 6 dx
ya dv'
cost;
Y cos 6 —
(13) {
cos "c, = Z cos 6
sin G dy
ya dv'
sin 6 dz
YG dv'
cos A = =
cos ff dx
yo dv
X sin ö, cos fi =
cos V
Nun ist nach (I), S. 89, und nach (A), S. 10:
111 aa;
c^x
d^^
cu
+
ll\ ?a; j^
cos 6 dy -xr '
--= -^ — Z sin 6,
ya dv '
cos 6 dz n '
— -rr Z Sin^.
ya dv
cos I
§ 109. Verbieg., bei der eine geg. Curve in eine andere geg. Corve übergeht. 209
nebst den analogen Gleichungen für y und z. Da nun nach § 35:
ist, so schliessen wir aus dem Vergleich mit den Gleichungen (13):
(15)
D =
sin G
Q
für r = 0.
Da die absolute Krümmung — und die geodätische Krümmung
— von r bekannt sind, so liefert die zweite dieser Gleichungen für den
unbekannten Winkel 6 zwei Werte, die sich zu tt er^nzen.
Wir denken uns einen von diesen Werten, von denen jeder that-
sächlich zu einer entsprechenden Fläche S führt*), für 6 ausgewählt
und erhalten ausserdem aus den Gleichungen (13) die Anfangswerte von
ex cy cz
cc er icv
(16)
cv
= — YG (sin 6 cos I -|- cos 6 cos A),
cv
' für r = 0.
= — YG (sin 6 cos 1] -\- cos 6 cos fi),
^ = — YG- (sin 6 cos t -4- cos 6 cos v)
Auch ist es zweckmässig, die Werte von X, Y, Z längs F anzugeben.
Es sind dies die folgenden:
ix = cos 6 cos I — sin 0 cos k, \
Y = cos 6 cos 1^ — sin ö cos u , J für r = 0.
^ = cos ö cos ^ — sin 6 cos v )
Aus (16) folgt, dass wir für die Lösungen x, y, z der Gleichung (10):
A.„^ = (1 — AiO-)^
ausser den Anfangswerten der Functionen selbst und ihrer ersten Ab-
leitungen nach v auch diejenigen der zweiten Differentialquotieuten
c-x c^x ,
du* cucv
c^y c^y .
7= i J -^ TT- 1
cur cucv
cw
kennen. Die partielle Differentialgleichung (10), der sie genügen,
*) Dass die gestellte Aufgabe auf diese Weise zwei verschiedene Lösungen
hat, widerspricht nicht dem Satze in § 108, da ja die beiden Flächen S, die sich
so ergeben, auf einander abwickelbar sind und die Curve F bei der stetigen Yer-
biegung der einen Fläche in die andere schliesslich ihre anfangliche Gestalt
wieder annimmt, sich jedoch in den Zwischenstadien ändert.
Bianchi Differentialgeometrie. 14
210 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
liefert mindestens für zwei von ihnen die Anfangswerte der zweiten
Differentialquotienten
d^x d^y d^z
dv^ dv^ dv^
Entgegengesetzten Falls würden nämlich wegen der Form der Glei-
chungen (10) von den Gleichungen:
cosg _d^x _ jllj^, [lll^
+ 1 2 ]dv'
cos ij d'^y {ll\dy
Q du^ \ 1 \ du
Q ~~ du- [ 1 j du'^ [ 2 i dv
für V = 0 zwei gelten^ und nach den vorhin entwickelten Gleichungen
(13)j (14) würde z. B., wenn die letzten beiden als richtig angenom-
men werden, für v = 0 folgen: Y=0, Z =^ 0. Die Curve F wäre
demnach der Querschnitt eines der x-Axe parallelen Cylinders und
der Winkel 6 ein Rechter, also die Curve F entgegen der Voraus-
setzung eine Haupttangentencurve.
Unbeschadet der Allgemeinheit können wir also insbesondere vor-
aussetzen, dass für die Function x(u, v) der Anfangswert von -^—^ be-
stimmt sei.
§ 110. Erledigung dieses Problems der Verbiegung.
Nach dieser Vorbemerkung suchen wir eine Lösung x^ (u, v) der
Gleichung (10) von der Beschaffenheit, dass sich für v = 0
(a) x^ =^ X, ö~^ = — yCr (sin 6 cos | -j- cos a cos A)
ergiebt, wo <? einen der beiden oben festgesetzten, aus der zweiten der
Gleichungen (15) entnommenen Werte hat. Da durch diese Anfangs-
werte und durch die partielle Differentialgleichung (10) die Werte der
drei zweiten Differentialquotienten von x^ für v = 0 bestimmt werden,
so liefern uns die in § 108 erwähnten allgemeinen Sätze über partielle
Differentialgleichungen das Ergebnis, dass es eine und nur eine Lösung
Xj^ der Gleichung (10) giebt, die den Anfangsbedingungen genügt. Für
diese Lösung ist für v == 0:
^1 ^1 = {-^y+ G (^)' = ßo^' " + (^^^ <? cos ^ + cos 6 cos Xf =
= 1 — (cos 6 cos I — sin ö cos A)^ < 1 ,
und die Bedingung A^^Tj < 1 ist demnach in einem gewissen zwei-
dimensionalen Gebiet {u, v) erfüllt. Nach dem Satze am Schlüsse von
§ 110. Erledigung dieses Problems der Verbiegung. 211
§ 107 entspricht also dieser Lösung a'^ der Gleichung (10) eine Fläche
Si mit dem gegebenen Linienelement, und wir wollen nun nachweisen,
dass auf S^ die Curve v = 0, die wir mit C^ bezeichnen, ihrer Gestalt
nach genau mit der gegebenen Curve F übereinstimmt, wozu wir nur
nachzuweisen brauchen, dass Ci und F bei gleichem Bogen u gleiche
Flexion und Torsion haben (§8, S. 12). Indem wir wie gewöhnlich
durch den Index 1 die auf 5^ bezüglichen Ausdrücke unterscheiden,
haben wir analog der letzten Formel auf S. 208:
Wenn v gleich Null gesetzt wird, so ergiebt sich nach (13) und (14):
1 1 ^^ _i_ T) X ^^'^ ^^^ ^ cosg ^ __ sing dx
Nun ist 6 durch die zweite der Gleichungen (15) bestimmt und X
(der getroffenen Annahme zufolge) nicht gleich Null. Daraus folgt:
(A)r = 0 =
COS ff
9
(-Di)r=o ist aber nach S. 102, abgesehen vom Vorzeichen, die Krüm-
mung des die Curve Cj berührenden Normalschnitts. Da femer die
geodätische Krümmung von Q gleich — ist, so ist die abso-
lute Krümmung von C, gleich der aboluten Krümmung — von F.
Um zu beweisen, dass das Nämliche mit den beiden Torsionen
-=-> -ji der FaU ist, erinnern wir daran (§ 85, S. 168), dass
' J___ AI _<?£
T, ~ YG d«
ist. Wird nun die zweite der Gleichungen (a) nach u differenziert, so
ergiebt sich nach den Frenet'schen Formeln:
(ß) ^ ^ = ^ — (sin ö cos I + cos 6 cos l) — »
— YG (cos 6 cos I — sin <y cos X) -r- -{-
I -. /TT • /cos a , cos l\ -, /7=7
-f yG sm 6 y 1- -y-j — yG cos 0
Andrerseits ist nach (I), S. 89:
^^=\i j e^+ 1-2 jä^ + A^i-
COSJ
T
dui
Wird hierin v gleich Null gesetzt und berücksichtigt, dass nach S. 67
und 148
14*
21^ K^ap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
1 2| ^ / 1 dE\ ^ _ Z]/^ ^ /ya sin c\
2 i,,=o~ \2G^ awA=o ~ \y'G du A=t)
ist, so folgt nach (16) und (16*) für v = 0:
f V d'^x. VG sin ff dVCr , . j. , ,s ,
W ä^^ = -— ^ COS « -g-^ (sin (? cos i + cos (? cos K) +
-f- Z)/ (cos <? cos I — sin (? cos A) .
Durch Vergleichen der Werte (/3) und {y) von >r — J-^ erhalten wir für
T ya du
demnach genau:
Wir haben somit den Satz bewiesen: Es ist (auf zwei verschie-
dene Arten) möglich, eine Fläche S so zu verbiegen, dass
eine Curve C auf ihr eine willkürlich gegebene Gestalt P an-
nimmt, wofern die erste Krümmung von T in jedem Punkte
grösser als die geodätische Krümmung von C in dem ent-
sprechenden Punkte ist.
§ 111. Verbiegung, bei der eine gegebene Curve Haupttangen ten-
curve oder Krümmungslinie wird.
Es bliebe nun noch der Ausnahmefall zu betrachten, dass die ab-
solute Krümmung von T gleich der geodätischen von G ist. Wenn
die Verbiegung möglich ist, so ist T Haupttangentencurve der Bie-
gungsfläche und also (nach dem Enneper'schen Satze, S. 121) ihre Tor-
sion in jedem Punkte gleich der Quadratwurzel aus dem mit entgegen-
gesetztem Zeichen genommenen Krümmungsmass K in dem entsprechen-
den Punkte von G.
In diesem Falle geht demnach die gestellte Aufgabe in die fol-
gende über: Eine Fläche so zu verbiegen, dass eine auf ihr
gegebene Curve G nach der Verbiegung eine Haupttangenten-
curve T wird. Aus dem soeben Gesagten ergiebt sich, dass die Gestalt
der Curve T vollkommen bestimmt ist, und wir beschränken uns hier
auf die blosse Angabe, dass die gesuchte Verbiegung in der That mög-
lich ist und daher auf unendlich viele Arten bewerkstelligt werden
kann (nach § 108, S. 207).
Indem wir zu dem im vorigen Paragraphen aufgestellten allgemeinen
Satze zurückkehren, können wir daraus den folgenden ableiten:
Eine Fläche S kann auf unendlich viele Arten so verbogen
S 111. Besondere Art der Verbiegimg. §112. Bonnets Theorem üb. Verbiegung. 213
werden, dass eine auf ihr gegebene Curve C Krümmungslinie
der neuen Fläche wird.
Um dieses nachzuweisen, brauchen wir hierzu nach S. 98 nur die
Bedingung aufzustellen, dass längs der neuen Gurre F die Proportion:
dx.dy'.ds = dX.dY:dZ
besteht, die mit Rücksicht auf die Gleichungen (16*) einfach
dff _ _ 1
rfM ~ T
giebt. Es kann demnach die Function 6 von u willkürlich angenom-
men und die Curve F nach der Verbiegung durch die charakteristischen
Gleichungen :
1 1 2. ^
g Q^ sin 6 T du
bestimmt werden. Wird die Fläche so verbogen, dass die Curve C in
die Gestalt F übergeht, so ist letztere eine Ki-ümmungslinie der Bie-
gungsfläche. Durch Elimination von 6 erkennt man, dass die unendlich
vielen Gestalten F. welche die Curve C annehmen kann, wenn sie bei
der Verbiegung Kfümmimgslinie wird, der Differentialgleichung erster
Ordnung zwischen q und T:
m-'rV^A0
genügen. Insbesondere giebt es imter diesen unendlich vielen Gestalten
F noch immer unendlich viele, die ebene Krümmungslinien sind. In
diesem Falle nämlich bi-aucht der Grösse 6 nur ein beliebiger, zwischen
0 und — (die Endwerte ausgenommen") gelegener constanter Wert er-
teilt zu werden. Hat, noch specieUer, die Curve F constante geodä-
tische Krümmung, so nimmt sie, wenn sie eine ebene Krümmimgslinie
wird, Kreisfonn an.
§ 112. Theorem von Bonnet über die Möglichkeit, eine Fläche so
zu verbiegen, dass die Haupttangentencurven der einen Schar eben-
solche Curven bleiben.
Wir prüfen schliesslich noch die folgende Frage: Kann eine
Fläche S so verbogen werden, dass die Haupttangentencurven
der einen Schar nach der Verbiegung Haupttangentencurven
bleiben?
Unter der Voraussetzung, dass dieses möglich sei, beziehen wir
die Fläche auf ihre augenblicklichen Haupttangentencurven w, v und
nehmen an, dass die Curven ii nach der Verbiegung Haupttangenten-
214 Kap. 7. Auf einander abwickelbare Flächen.
curven bleiben. Die Antwort auf unsere Frage ergiebt sich ohne
Schwierigkeit, wenn wir uns der Ergebnisse in § 64, S. 125, in be-
treff der Haupttangentencurven einer Fläche erinnern. Es seien
7) 7) ' 7) "
die Werte von B, B', B" nach der Verbiegung. Dann haben wir
nach der Annahme
folglich nach (III), S. 91, und (11), S. 125:
A'^ __7r —A: l1
EG— F^ ' YEG — F^
Die zweite Codazzi'sche Formel giebt, in der zweiten Form (IV*),
§ 48, S. 92, geschrieben:
_■!/ Al___\ , |22| A _ 2 /i 2l A' 0
Nun ist nach den in § 64 angegebenen Gleichungen (10) und (a)
diogQ 9(121' ofl2|
und daher geht die vorhergehende Gleichung über in:
{"}
?[A = o.
Nehmen wir B^ = 0 an, was besagt, dass auch die Curven v
Haupttangentencurven bleiben und demnach JE, F, G, e, f, g ihre
Werte behalten, so ist die neue Fläche mit der alten identisch (§64).
Ist dagegen
so sind die Curven u nach (10), S. 154, geodätische Linien, und da
sie auch Haupttangentencurven sind, so sind sie notwendig Gerade*).
Die Fläche ist daher eine Linienfläche, und die gesuchten Verbie-
gungen sind diejenigen, bei denen die Erzeugenden starr bleiben. Im
Falle einer Linienfläche jedoch ist diese Verbiegung in Wirklichkeit
auf unendlich viele Arten möglich. Es ist dann nämlich nur noch
die erste der genannten Gleichungen (IV*), § 48, zu erfüllen, die nach
(10) und (a) in § 64 lautet:
*) Dass eine Curve C, welche Haupttangentencurve und geodätische Linie
ist, eine Gerade sein muss, folgt daraus, dass im entgegengesetzten Falle die
Schmiegungsebene von C gleichzeitig Tangential- und Normalebene der Fläche
sein würde. Umgekehrt ist jede auf einer Fläche liegende Gerade gleichzeitig
Haupttangentencurve und geodätische Linie.
§ 112. Bonnets Theorem über Verbiegung. 215
A ( A \ . (2 2) A 0
?P \yEG — F\/ \ 2 jyEG—F'-
Es ist klar, dass, wenn D^ eine Lösung dieser Gleichung ist, die all-
gemeinste die Form
Di9)(u)
hat, wo €p(u) eine willkürliche Function von u ist.
Wir haben also den folgenden von Bonnet herrührenden Satz:
Es ist unmöglich, eine Fläche S so zu verbiegen, dass die
Haupttangentencurven der einen Schar Haupttangentencurven
bleiben, falls nicht S eine Linienfläche ist, deren erzeugende
Geraden jene Haupttangentencurven sind.
Im Falle einer Linienfläche dagegen sind solche Verbiegungen,
bei denen die Erzeugenden starr bleiben, möglich, und zwar hängen sie
von einer willkürlichen Function ti ab.
»
Kapitel YIII.
Verbiegung der Linienflächen.
Auf einander abwickelbare Linienflächen. — Linienelement einer Linienfläche. —
Strictionslinie und darauf bezügliche Sätze von Bonnet. — Haupttangentencurven
der zweiten Schar. — Formel von Chasles. — Biegung der Linienflächen nach
der Methode von Minding. — • Methode von Beltrami und die darauf bezüglichen
Fundamentalgleichungen. — Problem, eine Linienfläche derart zu verbiegen, dass
eine auf ihr gegebene Curve eine Haupttangentencurve oder eine ebene Curve
oder eine Krümmungslinie wird. — Linienflächen, die auf Rotationsflächen ab-
wickelbar sind.
§ 113. Auf einander abwickelbare Linienfläclien.
Die besonderen Verbiegungen der Linienflächen, deren Möglichkeit
wir am Schlüsse des letzten Kapitels erkannt haben, bieten ein beson-
deres Interesse, und ihrem Studium, das mit sehr einfachen Mitteln
möglich ist, wollen wir dieses Kapitel widmen. Vor allem aber wollen
wir mit Bonnet beweisen, dass mit der Untersuchung dieser Ver-
biegungen die allgemeine Aufgabe gelöst wird, alle Linienflächen zu
finden, die auf eine gegebene Linienfläche abwickelbar sind.
Es gilt nämlich der folgende Satz von Bonnet: Wenn zwei
Linienflächen, die nicht durch Verbiegung aus ein und der-
selben Fläche zweiten Grades hervorgegangen sind, auf ein-
ander abwickelbar sind, so müssen sich die Erzeugenden der
einen mit denjenigen der anderen decken.
Dass die Biegungsflächen der Flächen zweiten Grades mit reellen
Erzeugenden eine Ausnahme von diesem Satze bilden, erhellt daraus,
dass eine Fläche zweiten Grades infolge ihrer Eigenschaft, eine doppelte
Schar geradliniger Erzeugenden zu besitzen, so verbogen werden kann,
dass man entweder die Erzeugenden des ersten Systems gerade lässt
und die anderen krümmt, oder umgekehrt.
Den genannten Satz beweisen wir folgendermassen auf einfache
Weise: Es seien S, S^ zwei auf einander abwickelbare Linienflächen,
§ 113. Auf einander abwickelbare Linienflächen. 217
und wir nehmen an, dass beim Abwickeln den Erzeugenden u von S
die Erzeugenden v von S^ nicht entsprechen. Nehmen wir dann auf
S, Si die Curven w, v als Parameterlinien an, so haben die beiden
Flächen S, Si die erste Fundamentalfonn gemein. Wenn wir mit
iDchr + 22)' dudv + D" dv\
^^^ \D^du^ + 2B^dudv + B"dt^
die bezüorlichen zweiten Fundamentalformen bezeichnen, so haben wir
D"= 0, jDi = 0, da die u auf S und die r auf S^ Haupttangenten-
curven sind. Da ferner nach dem Gaussischen Satz die beiden Discri-
minanten der Fonnen (1) gleich sind, so ist:
d;=±b'.
Nun bringen wir zum Ausdnick, dass die beiden Formen (1) den Codazzi-
schen Gleichungen (IV*), § 48 (^S. 92), genügen, wobei wir beachten,
dass die «, v geodätische Linien sind und also nach Formel (10), S. 154:
(22} _ flll_o
1 1 j - 1 2 j - ^
ist. Daraus folgen die Gleichungen:
A/ -P' \ . O fl2l ^
cv\^EG—F'-) ' \ 1 j }/EG—F*
cu\yEG—Fy \ 2 J yEG—F*-
Sie zeigen uns, dass die Codazzi'schen Gleichungen auch erfüllt sind, wenn
wirD und D gleich Null setzen und D' den alten Wert lassen. Es existiert
demnach eine di-itte auf S und S^ abwickelbare Fläche S^, welche die
H, c zu Haupttangenteneurven hat. S.^ ist also in doppelter Weise eine
Linienfläche und folglich eine Fläche zweiten Grades, wie zu beweisen war.
Was mm die auf Flächen des zweiten Grades abwickelbaren
Linienflächen anbelangt, so ist nach dem Vorstehenden (vgl. auch
§ 112) klar, dass ihre Erzeugenden sich mit der einen oder der anderen
Schar der Erzeugenden der Fläche zweiten Grades decken.
§ 114. Iiinienelement einer Linienfiäclie.
Der Untersuchung der Abwickelbarkeit von Liuienflächen auf ein-
ander schicken wir einige allgemeine Betrachtungen über diese Flächen
voraus.
Auf einer Linienfläche S denken wir uns eine beliebige Curve C
gezogen, die wir als Directrix betrachten und nur der Bedingung
unterwerfen, dass sie alle Erzeugenden schneiden soll. Zur Bestimmung
der Linienfläche S wird es dann genügen, wenn die Curve C und in
= 0,
= 0.
218 Kap. 8. Verbiegung der Linienflächen.
jedem ihrer Punkte die Richtung der hindurchgehenden Erzeugenden
gegeben ist.
Seien v der von einem festen Punkte der Directrix C gerechnete
Bogen dieser Curve, p, q, r die laufenden Coordinaten eines Punktes
von C, ausgedrückt als Functionen von v, während l, m, n die Rich-
tungscosinus der durch den Punkt {^p, g, r) von G hindurchgehenden
Erzeugenden bezeichnen und ebenfalls bestimmte Functionen von v sein
mögen. Wir bezeichnen ferner mit u den algebraischen Betrag desjenigen
Stückes der Erzeugenden, das zwischen dem Punkt (|), g, r) der Directrix
und einem beliebigen Punkt [x, y, z) der Erzeugenden liegt. Die
Gleichungen:
(1) X = p -\-lu, y == q -j- mu, z = r -\- nu
definieren uns die Fläche 8, da sie x, y, z als Functionen von u, v aus-
drücken. Wir berechnen das Linienelement von S, deuten zu diesem
Zwecke die Differentialquotienten nach v durch Striche an und setzen:
r V^ + m'2 + w'2 = M\
(2) \l' p -\- m q -\- n r' = N ,
\ Ip' -\- mq -\- nr' = cosO-,
wo M, N, d" Functionen von v sind und -0' offenbar den Neigungs-
winkel der Erzeugenden gegen die Directrix bedeutet. Zu diesen
Gleichungen sind noch die folgenden hinzuzufügen:
P -\-m'-\-n' =1,
(2*)
Für das Quadrat des Linienelements der Fläche erhalten wir den
Ausdruck:
(3) äs' = du^ + 2cos -e- dudv + {M^u'' + 2 Nu + l)dv''.
Wir bemerken nun zunächst folgendes: Die Differentialgleichung der
orthogonalen Trajectorien der Erzeugenden ist nach S. 66:
du -\- cosd'dv = 0;
durch Quadratur folgt hieraus sofort die Integralgleichung dieser ortho
gonalen Trajectorien:
u -{- f cosd^dv = Const.*).
Betrachten wir eine Erzeugende v und die unendlich benachbarte
V -f- dv, und bezeichnen wir mit d(p den unendlich kleinen Winkel,
den sie mit einander bilden, so haben wir offenbar:
*) Dieses Ergebnis ist offenbar nur ein besonderer Fall des Satzes A)
in § 86, S. 168.
§ 114. Linienelement einer Linienfläche. § 115. Strictionslinie.
d(p^ = dl^ + dm- + cln\
219
d.h.:
(4) d(p = Mdv.
Bezeichnen wir femer mit d6 ihren unendlich kleinen Minimalabstand
und mit U den Wert von u im Fusspimkt dieses Minimalabstandes auf
der Erzeugenden v, so haben wir nach bekannten Formeln der ana-
lytischen Geometrie:
l in n
V m n'
d6 =
M
dv.
Andrerseits ist:
folglich:
Setzen wir sodann:
A =
so erhalten wir:
p q_ r ^
l m n \ = M^ sin^ 0- — N^,
V m' n
VM^ sin* a- — 2V^ ,
de = =7 dv.
M
1 m n
1
n l
^ 1
ni n
>
B =
n' V
>
c= \
l m I
T ' 1»
l in \
U =
p' l -\- V dv A
q m -\- m' dv B
r' n + n dv C
^2 + ^ _|_ (7
imd mit Vernachlässigung der unendlich kleinen Glieder in der zweiten
Reihe:
(6) ^=-W'-
§ 115. Strictionsliiiie und darauf bezügliche Sätze von Bonnet.
Die durch ein und denselben Punkt des Raumes parallel zu den
Erzeugenden einer Linienfläche gezogenen Geraden bilden den so-
genannten Leitkegel. Wählen wir als Kegelspitze den Coordinaten-
anfang und durchschneiden wir den Kegel mit einer Kugel vom Radius
Eins um den Anfangspunkt, so soU die Schnittcurre die sphärische
Indicatrix der Erzeugenden genannt werden. Ihr Bogenelement
ist offenbar d(p = Mdv.
Der Fusspunkt des kleinsten Abstandes der Erzeugenden v Ton
220 Kap. 8. Verbiegung der Linienflächen.
der benaclibarten heisst der Mittelpunkt der ersteren. Der Ort dieser
Mittelpunkte bildet eine für die Untersuchung der Linienflächen sehr
wichtige Curve, die den Namen Strictionslinie führt. Nach (6) ist
ihre Gleichung:
(7) M^u-{-N=0.
Für den Fall iV^ = 0 fällt sie mit der Directrix zusammen.
Die Strictionslinie ist stets eindeutig bestimmt, ausser für den Fall,
dass gleichzeitig M und N gleich Null sind ; dann ist die Fläche nach der
ersten der Gleichungen (2) cylindrisch. Bei den abwickelbaren Flächen,
die nach (5) durch die Gleichung:
charakterisiert sind, fällt nach (6) die Strictionslinie mit der Rückkehr-
kante zusammen.
Für die geodätische Krümmung — der Directrix u = 0 haben wir
Po
nach der Formel (5) in § 77, S. 150, den Ausdruck:
i- = 1 /^ / F\ _ gy^\
Po yEG—FAdv\\/G) du J
Indem wir darin wegen (3)
^=1^ i^=cos'^, G = Mhi^-{-2Nu+l
setzen, erhalten wir den Wert:
1_ _ N d&
Po sin ■9' ~r" (ly
Hieraus folgt, dass, wenn von den drei Grössen
Po ' ' dv
zwei identisch gleich Null sind, die dritte es ebenfalls ist. Geome-
trisch ausgedrückt, liefert dieses Ergebnis den Satz von Bonnet:
Besitzt eine auf einer Linienfläche gezogene Curve zwei
der folgenden drei Eigenschaften: 1) geodätische Linie,
2) Strictionslinie zu sein, 3) die Erzeugenden unter constan-
tem Winkel zu schneiden, so besitzt sie auch die dritte.
Es ist klar, dass eine Linienfläche, auf der eine solche Curve vor-
handen ist, der Ort einer Geraden ist, die eine Curve (Strictionslinie)
senkrecht zur Hauptnormale schneidet und mit dieser Curve einen con-
stanten Winkel bildet. Insbesondere wird es nur für eine Linienfläche,
die der Ort der Binormalen einer Curve ist, zutrefi'en, dass die Stric-
tionslinie eine Orthogonaltrajectorie der Erzeugenden ist.
Nehmen wir endlich als Directrix eine Orthogonaltrajectorie der
§ 116. Haupttangentencurven der zweiten Schar.
221
Erzeugenden, so ist ^= -, und wir erhalten für die geodätische
Krümmung der Curven u = Const. den Wert:
l^_ iLf'u + N
9„ "~ Jtf*tt» + 2iVtt + 1 ■
Daraus folgt nach (6), dass die Strictionslinie auch als der Ort der-
jenigen Punkte der Linienfläche definiert werden kann^ in
denen die geodätische Krümmung der Orthogonaltrajecto-
rien der Erzeugenden srleich Null ist.
§116. Haupttangentencurven der zweiten Schar. Formel von Chasles.
Auf jeder Linienfläche sind die Erzeugenden die Haupttangenten
curven des einen Systems, wie geometrisch einleuchtet (§ 112). Ana-
lytisch wird dieses durch die Berechnung der Coefficienten D, D\ D"
der zweiten Fundamentalformel sofort bestätigt. Wir finden nämlich
nach S. 87:
D = 0, D'-
yM-u^-^2Nu-\-8m-9
yM*u^ -\-2Nu-\- sin' 9
D"=
yM*u* + 2 ^tt -J- sin* ^
m n
l m n
p-{-l'ii q'-\-m'u r'-\-n'u
V m n
l m n ^
P a r' I
p"-{-l"u q"-\-m"i( r" -\- n" t(
l m n
p'-\- l'u q'-\- m'u r' -\- n'u
Die Differentialgleichung der Haupttangentencurven des zweiten Systems
ist also nach S. 109:
2D'du -j- D"dv = 0
und hat demnach die Riccati'sche Form:
wo a, bj c Functionen von v allein sind. Die bekannte Eigenschaft
einer Gleichung von diesem Typus, dass das Doppelverhältnis (u^ «., n.^ uj
von vier particulären Lösungen eine Constante ist, Kefert unter Berück-
sichtigung der Bedeutung von w unmittelbar den Satz von Paul
Serret: Das Doppelverhältnis der vier Punkte^ in denen eine
beliebige Erzeugende vier feste Haupttangentencurven des
zweiten Systems schneidet, ist constant.
Femer sieht man, dass man nur eine der Haupttangenten-
222
Kap. 8. Verbiegung der Linienflächen.
curven des zweiten Systems zu kennen braucht, um die übri-
gen mittels Quadraturen zu bestimmen.
Die Werte der Richtungscosinus X, Y, Z der Normale sind durch
die Gleichungen gegeben:
X =
m n
q'-\- m'u r'-\- n'u
yM^u^-\-2Nu-\-am^d-
Y
n l
r'-\-n'u p'-\~l'u
yM^u^-{-2Nu + sin* 9
l m
p' -\- V u q -\- m'u
ym^u^ -j-2Nu +"sin* «•
Bezeichnen wir mit Xq, Yq, Zq die Werte von X, Y, Z im Mittel-
punkt w = — ^Tj^ , mit Sl den (zwischen 0 und tc gelegenen) Winkel,
den die beiden positiven Richtungen (X, Y, Z), (Xq, Yq, Zq) mit ein-
ander bilden, so erhalten wir, da cos Sl = XXq -\- YYq -\- ZZq ist,
den Wert:
cos iß =
ym^sin^» — N"
MyW'u^ +2Nu-{- sin*«-
Da die Werte der Wurzeln und M selbst positiv zu nehmen sind,
so ist ersichtlich, dass il stets spitz ist, wie geometrisch leicht voraus-
zusehen war.
Nehmen wir nun der Einfachheit halber an, dass die Directrix
eine Orthogonaltrajectorie der Erzeugenden sei. Wir haben dann:
Wenn wir an Stelle von v den Parameter
v^ ==CMdv
einführen (sodass also v^ nach S. 219 den Bogen der sphärischen In-
dicatrix der Erzeugenden bedeutet) und gleichzeitig
ß
setzen, so sind a und ß Functionen von v^, und das Quadrat des
Linienelements nimmt die Form:
(8) ds^ = du' + [(u — af -f ß^]dv,'
au. Die frühere Gleichung für cos ü wird:
cos Sl = — — 5
y{u — ccy + ß^
daraus folfft die Formel von Chasles:
§ 116. Formel von Chasles. § 117. Verbiegung einer Linienfläche nach Minding. 223
(9)
in der Sl stets zwischen — ^ ^^^^ ~l~ o ^^ nehmen ist und sein
Vorzeichen von der Richtung abhängt, in der sich die Tangentialebene
dreht, wenn sich der Berührungspunkt vom Mittelpunkt nach dem be-
trachteten Punkte hin bewegt.
Aus (9) ziehen wir sofort einige bemerkenswerte Folgerungen.
Lassen wir die Tangentialebene des Mittelpunktes ti = cc der Erzeu-
genden^!' um diese Erzeugende um den Winkel Sl rotieren, so wird
sie die Fläche in einem Punkte (n^, i), der durch die Gleichung:
«1 — tt = ß tgSi
bestimmt wird, berühren und im Punkte (?<,, t?), der durch
Mg — a = — ß cotg Sl
gegeben ist, auf ihr senkrecht stehen; daraas folgt:
(«1 — a){i(, — a) = — ßK
Es bestimmt also jede Ebene durch irgend eine Erzeugende auf
dieser Erzeugenden zwei Punkte P^, P^, in denen sie bezüghch die
Fläche berührt und auf ihr senkrecht steht. Dreht sich die Ebene um
die Erzeugende, so liefert das Punktepaar P^, P^ eine Involution,
deren Centrum der Mittelpunkt ist.
Schliesslich bemerken wir, dass sich aus (8) für das Krümmungs-
mass K nach S. 68 der Ausdruck:
K =
f-
ergiebt. Er ist stets negativ, wie es auch natürlich ist, da die Haupt-
tangentencurven reell sind. Längs jeder Erzeugenden, für die ß nicht
gleich Xull ist, nimmt der absolute Wert von K im Mittelpunkte sein
Maximum an und nähert sich der Null, je weiter man sich vom Mittel-
punkt entfernt.
§ 117. Verbiegxing einer Limeufläche nach der Methode von Min ding.
Wir kommen nun zu der eigentlichen Aufgabe dieses Kapitels,
nämlich zur Bestimmuncr aller Linienflächen mit oreffebenem Linien-
dement, das wii- in der allgemeinen Form (3) annehmen. Dann sind
auch ^, M, N als Functionen von v gegeben, und die Aufgabe wird
darin bestehen, die sechs unbekannten Functionen p, q, r, Z, fw, n
der Veränderlichen v allein so zu bestimmen, dass die fünf Funda-
mentalgleichungen :
(10) jP+»r+»==l.
\l ' -\- m - -f- « - = Jz-;
224 Kap. 8. Verbiegung der Liiiienflächen.
Zj)' -f- ^'^Q'' + wr' =cosO',
V p' -{- m' q' -\- n' r' = N
erfüllt werden.
Für die Behandlung unserer Aufgabe ergeben sieb zwei verschiedene
Methoden, je nachdem wir zunächst l, m, n als bekannt annehmen und
p, q, r suchen oder umgekehrt p,q,r als bekannt annehmen und l, m, n
suchen. Im ersten Falle steht uns die Methode von Minding zu
Gebote, die zu folgenden Ergebnissen führt:
Es seien l, m, n drei Functionen von v, die den beiden Gleichungen
(10) genügen. Die Gleichungen (11) geben dann die Werte für ^', q, r ,
und aus diesen erhält man durch Quadraturen p^ q, r.
Genügt man der ersten Gleichung (10) dadurch, dass man setzt:
l = sin 03 cos ip, m = sin co sin ijjj n = cos gj,
wo (0 und ip Functionen von v sind, so ist nur noch die zweite der
Gleichungen (10) zu befriedigen. Sie ergiebt:
co'^ -j- ^'^ sin^ Gj = M^,
woraus mittelst einer Quadratur für ^ die Gleichung:
J sin CO
folgt, in der co willkürlich bleibt. Die Willkürlichkeit, die der Lösung
infolge des Vorhandenseins der willkürlichen Function io{v) anhaftet,
kann geometrisch dahin gedeutet werden, dass der Fläche 8 durch
Verbiegung ein willkürlich angenommener Leitkegel zugewiesen wer-
den kann.
In der That genügen die Coordinaten l, m, n eines Punktes der
gegebenen sphärischen Indicatrix den Gleichungen (10), falls zwischen
dem Bogen fp dieser Indicatrix und dem Bogen v der Directrix die Relation :
9? = CMdv
aufgestellt wird. Der Leitkegel der entsprechenden Fläche hat dann die
durch die Wahl von o? bestimmte Gestalt.
Wir bemerken ferner, dass sich durch Auflösung des Systems (11)
nach p, q , r' ergiebt:
p= Z cos -^ H — "— ^
(-[c,\ I , ^ , m' N -[- B •[/ M^ sin^ & — N
K^'^J ■ {q=mcosd'-\ =- — 71/2
ncos&-\ = — *— ^,
§ 118. Methode von Beltrami. 225
Darin ist wie auf S. 219
\ m fi ^ \ n l ^ \ l m \
m n n l l m \
gesetzt.
Da mm nach S. 219
ist, wenn die Fläche nicht in die Ebene abwickelbar ist, so führen die
beiden Wertsysteme für p\ q\ r', die dem doppelten Vorzeichen der
Wurzel entsprechen, zu zwei wesentlich verschiedenen Flächen.
Wir haben demnach das Ergebnis:
Jede Linienfläche kann so verbogren werden, dass ihr
Leitkegel eine willkürlich gewählte Gestalt annimmt, und
zwar auf zwei verschiedene Arten.
Die zu der Bestimmimg der beiden Biegimgsflächen erforderlichen
Rechnungen bestehen lediglich in Quadi-aturen.
§ 118. Methode von Beltrami und die darauf bezüglichen
Fundamentalgleichungen.
Xach der vorstehenden Methode lassen sich alle auf eine gegebene
Linienfläche abwickelbaren Linienflächen wirklich bestimmen. Wollte
man jedoch die willkürliche Function (o{y) so bestimmen, dass sie einer
gegebenen Bedingimg genügt, so wüi'de man in den meisten Fällen auf
unüberwindliche Schwierigkeiten stossen.
Es ist dann die zweite Methode, zu deren Entwickelung wir nun
übergehen und die von Beltrami*) herrührt, vorzuziehen.
Diese Methode besteht darin, dass man zunächst feststellt, was für
Gestalten die Directrix bei einer Verbieorunor der Fläche annehmen
kann. Für jede dieser Gestalten bestimmt sich die Gestalt der ent-
sprechenden Fläche auf Grund der Ueberlegung, dass sich die geodä-
tische Krümmung imd der Winkel O- bei einer Yerbiecruncr nicht ändern.
Da die allgemeine Lösung der Aufgabe eine wiRkürliche Function ent-
hält, so ist von vom herein klar, dass die möglichen Gestalten der
Directrix notwendigerweise an eine Bedingung geknüpft sind, die eben
gestellt werden muss.
Wir betrachten eine dieser Gestalten der Directrix, für die wir
die in der Curventheorie gebrauchten Bezeichnungen beibehalten. Nen-
nen wir 6 den Neigungswinkel der Schmiegimgsebene der Directrix
gegen die Tangentialebene der Fläche, so haben wir:
*) Sulla flessione delle superficie rigate. Annali di Mat. 1865, 7. Bd., S. 105.
Bianchi, üiffeTentialgeometrie. 15
226
Kap. 8. Verbiegung der Linienflächen.
il = cos d- cos a -\- sin ■9- (cos 6 cos | -|- sin 6 cos A),
w = cos d- cos /3 + sin 'O'(cos 0 cos »j + sin ^ cos fi),
n = cos -9- cos y -\- sin '9'(cos 6 cos ^ -}- sin ö cos v).
Berechnen wir T, w', n' mit Hülfe der Frenet'schen Formeln, so redu-
cieren sich die Fundamentalgleichungen (10) und (11), denen l, m, n
genügen müssen, auf die beiden folgenden:
- , , cos ö N
Q
sin &
sin' *(*'+ «;") + "
COS 'S- , / ■ r^\r , sin ff sin 'ö'
1- (cos 0 sm O") -] j,
+
oder:
(14)
(15)
+
cos a
Q
(sin(? sin-O-)'-
N
sin-ö'
cos ö sin 'S-
0-', **)
= Jf2*)
cos ■9' , / • ^\/ 1 sine sin ■O-
f- (cos a sm d-) -f-
T
+
(sin 6 sin '&■)'-
+
cos ö sin 0'
T
= M^ — N\
Die Unbekannten in unserer Aufgabe sind 6, q, T. Es ist klar,
dass, wenn man den Wert für 6 aus (14) in (15) einsetzt, letztere
Gleichung in eine Relation:
(1«)
/■(". p- T' ;;;) -
0
übergeht, die eine Beziehung zwischen den Radien der ersten und
zweiten Krümmung der verbogenen Directrix herstellt.
Jeder Curve, deren Flexions- und Torsionsradius der Gleichung (16)
genügen, entspricht eine specielle Verbiegung der Linienfläche, deren
Elemente aus den Gleichungen (14) und (13) zu berechnen sind. Die
vorliegende Aufgabe hängt demnach mit einer anderen aus der Curven-
lehre zusammen, nämlich mit der Aufgabe, eine Curve aus ihren natür-
lichen Gleichungen zu bestimmen (vgl. 1. Kap., S. 13 u. f.).
*) Mit (cos er sin -9')', (sine sin^)' werden der Kürze halber die Differential-
quotienten von cos 0 sin ■9', sine sin# nach v bezeichnet.
**) Dieses besagt nach S. 147, dass die geodätische Krümmung der Directrix
bei der Verbiegung ungeändert bleibt.
§ 119. Verbiegung, bei der eine Curve Haupttangentencurve wird. 227
§ 119. Problem, eine Linienfläche derart zu verbiegen, dass eine
auf ilir gegebene Curve eine Haupttangentencurve wird.
Von den voraufgehenden allgemeinen Ergebnissen maelien wir
nun die hauptsächlichsten Anwendungen.
Wir stellen uns zunächst die Aufgabe, die Linienfläche so zu ver-
biegen, dass die Directrix eine Haupttangentencurve wird. Wir müssen
dann 6 gleich Null (oder gleich jt) setzen, und es ergiebt sich also aus (14):
WO natürlich das Vorzeichen der rechten Seite durch die Bedincninor
bestimmt ist, dass der Wert für g positiv sein muss. Die Gleichung
(15) giebt dann:
(b) —'
T sin*^
Also: Jede Linienfläche kann so verbogen werden, dass eine
beliebig auf ihr gezogene Curve Haupttangentencurve wird.
Die verbogene Directrix bestimmt sich aus den natürlichen
Gleichungen (a), (b).
Betrachten wir den besonderen Fall, in dem die Directrix eine
geodätische Linie ist. Dann ergiebt sich:
- = o,
d. h. die verbogene Directrix ist eine Gerade. Es folgt somit:
Jede geodätische Linie einer Linienfläche kann durch
Verbiegung der Fläche zu einer Geraden werden.
Um für diesen Fall einfache Gleichungen zu erhalten, wählen wir
die verbogene Directrix als s-Axe und haben dann:
p = 0, q = 0, r=v, n^cosd-.
Setzen wir noch:
Z = sin 0^ cos tp, m = sin 0- sin ^,
%o folgt aus
Z'^ + m- + n- = M'- •
wie auf S. 224:
^ = / - — ^~i — dv.
J sm &
Für die Biegungsfläche haben wir also nach (1), S. 218, die Gleichungen:
X = u sin 0- cos t/», y ^ u sin O" sin ip, z = v -\- u cos 0^.
Ist insbesondere O- gleich -, d. h. ist die Fläche der Ort der Binor-
malen der Directrix, so ist die Biegungsfläche ein gerades Conoid (vgl.
S. 134), und da in diesem Falle l, w<, n die Richtungscosinus der Bi-
15*
228 Kap. 8. Verbiegung der Linienflächen.
normale sind, also nach Definition von M und nach S. 8 die Grösse
M gleich rj, ist, wo ^ die Torsion der ursprünglichen Directrix be-
deutet, so ergiebt sich:
*=J-T-
Besitzt nun noch specieller die ursprüngliche Directrix constante Tor-
sion, so ist das Biegungsconoid die Minimal-Schraubenregelfläche.
Werden umgekehrt alle Linienflächen gesucht, die sich auf die
Schraubenfläche:
X = u COS j- , y = u sm -, - , s = v
abwickeln lassen, für die das Quadrat des Linienelements
ist, so ist p = 0, g = 0, r = v, l = cos , , w =^ sin -,-, w -= 0, also
nach (2), S. 218, und (14), S. 22Q:
M=l, N=o, ^ = 1, .^;.
Hiernach ergiebt Gleichung (15):
1 1
T ~ k '
Also: Die auf die Minimal-Schraubenregelfläche vom Para-
meter k abwickelbaren Linienflächen sind alle von den Bi-
normalen der Curven constanter Torsion , erzeugten Flächen
und auch nur diese.
Wir setzen endlich voraus, dass die Directrix der beliebig gegebenen
Linienfläche eine Orthogonaltrajectorie der Erzeugenden sei. Machen
wir sie durch Verbiegung der Fläche zu einer Haupttangentencurve,
so sind ihre Hauptnormalen die Erzeugenden der Biegungsfläche. Also:
Durch Verbiegung einer Linienfläche können die Erzeu-
genden die Hauptnormalen einer beliebigen ihrer Orthogonal*
trajectorien werderf.
§ 120. Problem, eine Linienfläclie derart zu verbiegen, dass eine
auf ihr gegebene Curve eben oder eine Krümmungslinie wird.
Wir wollen nun die Fläche so verbiegen, dass die Directrix ^t = 0
eben wird. Hierzu braucht nur in der Gleichung (15) j, gleich Null ge-
setzt zu werden, was eine Differentialgleichung erster Ordnung:
ip iv, Q, y-j = 0 zur Bestimmung von q liefert. Daraus schli essen wir:
§ 120. Verbiegung, bei der eine Curve eben oder eine Krümmungslinie wird. 229
Es ist auf 'x.^ Arten möglich, eine Linienfläche so zu ver-
biegen, dass eine beliebige Curve auf ihr eben wird.
Ist insbesondere die gegebene Curve eine Orthogonaltrajectorie der
Erzeugenden, also 9- gleich " > j. gleich NuU, so wird Gleichung (15):
woraus durch Integration
6 = fyiP^^N^ dv
folgt. Die ebene Biegungscurve bestimmt sich aus Gleichung (14), die
cos e
ergiebt.
Endlich imtersuchen wir, ob es möglich ist, eine vorgegebene Curve
durch Verbiegimg zu einer Krümmungslinie zu macheu. Es sind
X = cos 6 cos A — sin 6 cos §, 1' = cos 6 cos ^ — sin <y cos ij,
Z = cos 6 cos V — sin 6 cos ^
die Richtungscosinus der Flachennormale längs der verbogenen Direc-
trix, rmd wir haben, da die Krümmungslinie nach S. 07 Evolvente der
von den Flächennonnalen eingehüllten Curve ist und daher hier in der
letzten Gleichung auf S. 28 für u, c, s die Werte — sinö, costf, u zu
setzen sind:
1 de
T~~d~v'
Eliminieren wir - und ~ mit Hilfe dieser und der Gleichung (14)
aus (15), so erhalten wir zur Bestimmung von 6 eine Differential-
gleichimg erster Ordnung. Hierbei ist natürlich vorausgesetzt, dass d-
nicht gleich ^ sei, denn sonst würde die FKche developpabel sein*).
Daraus folgera wir: Es ist stets möglich, eine Liuienfläche
so zu verbiegen, dass eine beliebige Curve auf ihr eine Krüm-
mungslinie wird, wofern die Curve nicht eine Orthogonal-
trajectorie der Erzeugenden ist.
Wir bemerken femer, dass, wenn die gegebene Cui-ve eine geodä-
tische ist, sie beim Uebergange in eine Krümmungslinie eben wird,
wie geometrisch nach S. 166 einleuchtet. Dieses ei^ebt sich auch
aus unseren Formeln. In der That ist dann nach S. 152 a gleich
~, also nach obigem Wert von „ auch gleich Null, und (15) wird:
*) Dieses wird auch durch die eben angestellte Rechnung bestätigt, da die
linke Seite von (15) gleich Xull werden würde.
230 Kap. 8. Verbiegung der Linienflächen.
wodurch q und also aucli die Biegungscurve bestimmt wird.
§ 121. Linienfläclien, die auf Rotati onsfläclien abwickelbar sind.
Zum Schluss beschäftigen wir uns mit der Frage: AVelche
Linienflächen sind auf Rotationsflächen abwickelbar?
Eine solche Fläche muss eine stetige Verbiegung in sich zulassen,
während deren sich das ganze System der Erzeugenden in sich ver-
schieben muss (S. 216). Dabei braucht wegen der Stetigkeit der Ver-
biegung auch der Fall der auf Flächen zweiter Ordnung abwickelbaren
Flächen nicht ausgenommen zu werden.
Die Linienfläche sei auf ihre Erzeugenden und deren orthogonale
Trajectorien bezogen, sodass d- gleich |- ist. Führen wir / 3Idv als
neues v ein, so hat das Quadrat des Linienelements nach S. 222 die
Form:
ds"" = du^ + [(u — aiv)y + ß^{v)] dv\
Während der als stetig vorausgesetzten Verbiegung verschiebt sich die
Strictionslinie in sich, schneidet daher die Erzeugenden unter constan-
tem Winkel und ist also eine geodätische Linie (S. 220); ferner ist
längs derselben die Krümmung der Fläche constant, gleich Kq. Nun
ist längs der Strictionslinie u = a nach (18) auf S. 68:
TT __ ^
woraus sofort
ß{v) = Const. = Ä;
folgt. Bezeichnen wir sodann den (constanten) Neigungswinkel der Er-
zeugenden gegen die Strictionslinie mit o, so haben wir:
, 1 du 1 ,. .
cotg«= ß-2-, = -j,cc{v),
demnach:
u(v) = livcotgco,
da wir die additive Constante in u mit hineinziehen können.
Das Quadrat des Linienelements der gesuchten Flächen ist also
von der Form:
(17) ds^ = dti' + [{ii — Tiv cotg coj + Ä;2] dv\
Für Gj = gehört das Linienelement zu der Minimal -Schrau-
benregelfläche vom Parameter li, für ca^-^ zum einschaligen Rota-
§ 121. Linienflächen, die auf Rotationsflächen abwickelbar sind. 231
tionshyperboloid, dessen Meridianhyperbel die Halbaxen a und b hat,
wo a = ^cotgw, b = k ist, wie man leicht einsieht*). Also: Die
einzigen auf Rotationsflächen abwickelbaren Linienflächen
sind die Biegungsflächen der Minimal-Schraubenregelfläche
und des einschaligen Rotationshyperboloids.
Die ganze Klasse der Flachen der ersten Art ist bereits in § 119
als diejenige charakterisiert^ welche die von den Binormalen der Curven
constanter Torsion gebüdeteu Flächen umfasst.
Für die Flächen der zweiten Art giebt es einen eleganten, von
Laguerre heiTührenden Satz, zu dem wir in der folgenden Weise
gelangen: Wir setzen in (17):
-. — = t\ , u — k V cotg CO = u,
und erhalten für das Quadi-at des Linienelements der in Rede stehen-
den Fläche den Ausdiiick:
f/5- = du,' + 2cos cj du, dv, + i^''''^'"" + l) dv,-.
Durch Vergleichen mit den ursprünglichen Bezeichnungen (S. 218)
haben wir dann:
„ -,, sin £0 -.T r\
(ö = », 21= -jT- , A = 0.
Setzen wir diese Werte in (15) ein und beachten wir dabei, dass
6 gleich — ist , so erhalten wir:
, . cos (o j^ sin 0) sin ta
(18) -j- -h -^ — —jT-^
woraus der Satz folgt (vgl. S. 32):
Die Curven, in die der Kehlkreis des einschaligen Rota-
tionshvperboloids bei einer Deformation der Fläche, bei der
die Erzeugenden Gerade bleiben, verbogen wird, sind ßer-
trand'sche Curven.
Hieraus folgt eine Bestätigimg der vorhin ei-wähuten Eigenschaft,
dass das vorstehende Quadi-at des Linienelements zum einschaligen
Rotationshyperboloid gehört. In der That, wenn die Strictionslinie
eben wird (§ 120), so ist „ gleich Null und nach (18)
Q =Jc cotgo.
Die Strictionslinie wird also ein Kreis mit dem Radius Ärcotgcj, imd
die Fläche ist offenbar ein einschaliges Rotationshyperboloid, das die-
sen Kreis zum Kehlkreis hat.
*) Den directen Nachweis überlassen wir dem Leser.
Kapitel IX.
Evolntenfläclie und Weiiigarten'scher Satz.
Allgemeine Eigenschaften der beiden Mäntel der Evolutenfläche. — Evoluten-
mittelfläche einer Fläche nach Ribaucour. — TF- Flächen, deren Hauptkrünimungs-
radien durch eine Gleichung verbunden sind. — Sätze von Ribaucour über das
Entsprechen der Haupttangentencurven und Krümmungslinien auf den beiden Män-
teln der Evolutenfläche. — Bestimmung der Krümmungslinien einer TF- Fläche
mittels Quadraturen. — Die beiden Mäntel der Evolutenfläche einer TF- Fläche
sind auf Rotationsflächen abwickelbar (Weingarten'scher Satz). — Umkehrung des
Weingarten' sehen Satzes. — Besondere Formen des Linienelements der Kugel,
die den "PF- Flächen entsprechen. — Anvs^endung auf die Bestimmung der Mini-
malflächen : )\ -\-r^ = 0 und der Weingarten' sehen Flächen : 2 (r^ — r^ ) = sin 2 {r^ -\-i\)-
— Evolventen- und Ergänzungsflächen der pseudosphärischen Flächen.
§ 122. Die geodätischen Linien der Evolutenfläche, die den
Krümmungslinien der Evolventenfläche entsprechen.
Im ersten Teile dieses Kapitels nehmen wir die Untersuchung der
allgemeinen Eigenschaften der Flächen wieder auf, um dann die Er-
gebnisse auf eine besonders wichtige Gattung von Flächen anzuwenden.
Wir haben auf S. 100 gesehen, dass auf der Normale in jedem Punkte
M einer Fläche S zwei besondere Punkte Jl^, M^ liegen, nämlich die
Hauptkrümmungsmittelpunkte der Fläche oder die Krümmungsmittel-
punkte der beiden Hauptschnitte durch M. Bewegt sich der Punkt
M auf der Fläche S, so beschreiben die Krümmungsmittelpunkte Ji^ , M.^
eine Fläche, welche die Evolutenfläche der Fläche S heisst, während
die Fläche 8 die Evolventen fläche heisst. Die Evolutenfläche be-
steht offenbar aus zwei Mänteln 5^, S^, von denen der eine vom Krüm-
mungsmittelpunkt J/j, der andere vom Krümmungsmittelpunkt M^
beschrieben wird.
Wir können die beiden Mäntel S^, S.^ auch auf folgende Weise
erzeugen: Wir betrachten eine Krümmungslinie C von S', die Flächen-
normalen längs 0 bilden nach S. 97 eine abwickelbare Fläche, deren Rück-
§ 12-2. Geod. Linien d. Evolutenfl., d. d. Krümmungsl. d. Evolventenfl. entspr. 233
kehrciirve F eben der Ort der Krümmimgsiiiittelpuiikte der C berührenden
Normalschnitte ist. Lassen wir die Curve C nach und nach in alle
Krümmimgslinien dei-selben Schar übergehen, so beschreibt ihre Evo-
lute r einen Mantel der Evolutenfläche.
Vermittelst einfacher geometrischer Betrachtungen wollen wir nun
einige grimdlegende Eigenschaften der Evolutentlächen ableiten imd
zunächst den Satz beweisen:
Die Rückkehrcurven der abwickelbaren Flächen, welche
die Örter der Plächennormalen längs der einzelnen Krüm-
mungslinien der Fläche sind, sind geodätische Linien der
Evolutenfläche.
Zum Beweise bemerken wir zunächst, dass jede Normale der Evol-
ventenfläche die Evolutenfläche in zwei Punkten berührt, und zwar den
ersten Mantel S^ im ersten Ki-ümmungsmittelpuukt J/^, den zweiten
Mantel S^ im zweiten Krümmungsmittelpunkt M^. Wir betrachten
nun ein Boffenelement MM' einer Krümmungslinie der zweiten Schar.
Die Normalen in 31 und M' schneiden sich (bis auf unendlich kleine
Grössen höherer Ordnung) im zweiten Krümmuugsmittelpunkt JX, und
berühren den ersten Mantel S^ in den bezüglichen auf ihnen gelegenen
ersten Krtimmimgsmittelpunkten M^ und J//.
Die Ebene MM.,M' enthält also zwei verschiedene Richtungen
J/^J/o imd J/jJ//, die von M^ ausgehen und S^ berühi-eu, imd ist
folglich die Tancrentialebene des ersten Mantels in J/.. Daraus folgt
unmittelbar:
Die Normale des ersten Mantels S^ in M^ ist der Tangente
der ersten Krümmungslinie in M parallel. Entsprechendes
gilt für den zweiten Mantel S^.
Ist nun Ci eine Krümmungslinie der ersten Schar und F^ die
Rückkehrcui-ve der von den Flächennormalen von S längs Q ei-zeugten
abwickelbaren Fläche, so ist die Tangente von C^ in M der Haupt-
normale der Evolute F^ parallel. Hiermit ist der vorhin ausgesprochene
Satz bewiesen.
Femer können wir leicht auf einem der Mäntel der Evolutenfläche,
z. B. dem ersten, die zu diesen geodätischen Linien F^ orthogonalen
Trajectorien bestimmen. Ist nämlich f^ eine von diesen orthogonalen
Trajectorien auf S^ , ferner t die entsprechende Curve auf S, so erzeugen
die Normalen von S längs t eine Linienfläche, auf der die Curven t
und t^ orthogonale Trajectorien der Erzeugenden sind. Das zwischen
t und t^ liegende Stück MM^ dieser Ei-zeugenden ist demnach constant,
wenn M längs t fortrückt (Satz A», S. 159), d. h. längs der Curve t
auf S ist der erste Hauptkrümmungsradius r^ constant. Also:
234 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten'scher Satz.
Die orthogonalen Trajectorien der geodätischen Linien,
die auf einem der Mäntel der Evolutenfläche von den Nor-
malen der Evolventenfläche umhüllt werden, entsprechen
denjenigen Curven auf der Evolventenfläche, längs deren der
betreffende Hauptkrümmungsradius constant ist*).
Hierbei ist der Fall ausgeschlossen, dass der in Rede stehende
Hauptkrümmungsradius auf der ganzen Fläche S constant ist. In diesem
Falle reduciert sich aber, wie gezeigt werden wird, der entsprechende
Mantel der Evolutenfläche auf eine Curve.
§ 123. Formeln für die Evolutenfläche.
Wir wollen nun die vorstehenden grundlegenden Eigenschaften
auf analytischem Wege bestätigen und aus ihnen andere von grosser
Wichtigkeit ableiten.
Am einfachsten lassen sich die dazu erforderlichen Rechnungen
durchführen, wenn wir die Evolventenfläche S auf ihre Krümmungs-
linien u, V beziehen. Bezeichnen wir mit
ds' = Edu^ + Gdv^
das Quadrat des Linienelements, mit r^, r^ die den Curven u, v bezüg-
lich entsprechenden Hauptkrümmungsradien, so haben wir (§54, S. 102):
D = — -, D'=0, D"= — ^,
und die Codazzi'schen Formeln werden in unserem Falle einfach (vgl.
die beiden letzten Gleichungen (V), § 49, S. 94):
oder:
(1) {
cv\r^J r^ dv ' du \ r^ J r^ du
(^l _ 1) ^J^V^ _ i (}\ _ 0
\7-i r^/ ou ^ du\r^/
Was die Gaussische Gleichung anbetrifft, so lautet sie ((18) in § 35,
S. 68):
*) Es dürfte nicht überflüssig sein, darauf hinzuweisen, dass der hier gege-
bene Beweis für die Eigenschaft, dass die Curven i\ = Const. die orthogonalen
Trajectorien der Curven Fj sind, von der anderen Eigenschaft, dass die Curven
Fj geodätische Linien sind, unabhängig ist. Es ergiebt sich aus ihm sogar ein
neuer Beweis für letztere Thatsache, wenn berücksichtigt wird, dass wegen der
Eigenschaft der Evolventen (S. 27) der Bogen der Curven F, , der zwischen zwei
orthogonalen Trajectorien derselben liegt, für alle gleich ist (vgl. § 81, S. 159,
Anmerkung).
§ 123. Formeln für die Evolutenfläche. 235
^^ r^r, yEGlcu\yE du / ' c » \|/Ö cv /J
In den Gleichungen (1) können wir an Stelle von JS, G die Coeffi-
eienten e, g des Linienelement-Quadrates der Kugel,
ds' = edu^ + gdi",
einführen, und zwar mittels der Gleichungen (13), § 54, S. 102:
cX _ 1 ex
cu r^ cu
cY
cu
1 cy
r, cu'
cZ_
cu
1 cz
r, cu
(3)
cX_ 1 CX
CO fj cv'
cY_
cv
cZ_
cv
1 f2
Es ergiebt sie
h:
e =
E
G
9 = -.
•
Daher lassen sieh die Gleichungen (1) auch folgendermassen schreiben:
(*^i — ^i) —cr„ ?;i — ^y
1^ ^ 1 2/ f „ I cu
Diese Gleichungen haben wir bereits in § 69, S. 135, erhalten.
Wir können sie sofort zur Bestimmung derjenigen Flächen be-
nutzen, für welche einer der Hauptkrümmimgsradien coustant ist.
Es sei z. B.
r.2 = Const.
Dann folgt aus (1) und (4):
1^ = 0, 1^ = 0,
cv ' fP '
d. h. die Cui-ven v = Const. sind auf der Fläche und auf der Kugel
geodätische Linien (vgl. S. 158). Es liegt also eine Curve v = Const.
der Fläche 5 in einer zui- Fläche nonnalen Ebene (nach § 84, S. 166),
und da sie einen constanten Hauptkrümmungsradius
besitzt, so ist sie ein Kreis vom Radius B,. Wir constniieren die
Kugel, die diesen Ki-eis als grössten Kreis hat 5 sie berührt die Fläche
S längs des Kreises, und es ist daher B die Enveloppe einer Kugel
von constantem Radius i?, deren Mittelpunkt eine Raumcurve durch-
läuft. Eine solche Fläche heisst Kanal- oder Röhren fläche. Um-
gekehrt ist klar, dass für jede Röhrenfläche vom Radius i2 einer der
Hauptkrümmimgsradien constant , gleich B , ist. Von den beiden Män-
teln der Evolutenfläche reduciert sich der den Kreisen entsprechende
236 Kap. 9. P>ol Utenfläche und Weingartcn'scher Satz.
offenbar auf die Axe der Röhrenfläche, d. h. auf den Ort der Mittel-
punkte der umhüllten Kugeln. Der zweite Mantel ist, wie sich geo-
metrisch ergiebt, die Polardeveloppable der Axe (S. 23).
§ 124. Weitere Eigenschaften der Evolutenfläche.
Bezeichnen wir mit x^, y^, z^ die Coordinaten des ersten Krüm-
mungsmittelpunktes 1/j, so haben wir*):
(5) 3c^^x — r,X, y^=y — r,Y, z,==z—r,Z,
woraus sich durch Diiferentiation infolge der Gleichungen (3) ergiebt:
(6)
Bezeichnen wir überhaupt durch Hinzufügung des Index 1 die auf
den ersten Mantel S^ der Evolutenfläche bezüglichen Grössen, so erhal-
ten wir, da die Normale der Tangente der zweiten Krümmungslinie
parallel ist:
(7) V _ 1 ^-^ V '^ ^y y 1 dz
yGcv yOcv ^ YGdv
Gleichungen, die den zweiten in § 122 angeführten Satz beweisen.
Ferner erhalten wir nach (6):
(8) i^ = i,(i-;^y+(|r.)^, r,^^% o^^i^,
demnach:
(9) ds,' = \e(i - ;i) + (|I^)'1 clu^ + 2 -!^ 1^ du dv + (|^)^/r.
L \ r^/ \cuj J ' cu cv ' \dv J
Werden zu Parameterlinien auf S^ die Curven a = Const. und
r^ = Const. gewählt, so geht Gleichung (9) über in:
cu \ rj cu
du ^'
du
-(1
rj du
du ^'
%
dz,
cu
-(1
_ ^j\ ^1
rj du
-'Az,
cu '
y dv 'dv ^'
dv
_dr,
dv
Y,
dz,
dv
- P z
dv
2
du^.
(9*) ds,' = dr,'+E[l~'^)
woraus hervorgeht, dass auf S^ die Curven u geodätische Linien und
die Curven r^ = Const. ihre orthogonalen Trajectorien sind (vgl. § 122).
Berücksichtigen wir die Gleichungen (§ 49, S. 94):
(10) ^-~i = -L. ^yj^ . Jl. ^£ i^ ^ ^___ ^ V^ 1 dx :• ya ^
du ya dv yE du' dv ~~ ys du ' ys du r, '
*) Man erinnere sich des Sinnes, in dem r, gerechnet wird. (S. 100, Anm.
§ 124. Weiteres über die Evolutenfläche. § 125. Radius d. geod. Krümmung. 237
dazu die analogen für Y^ und Z^, so erhalten wir für die Wei*te von
A, A', A"
infolge der Gleichungen (6) nach (3), S. 87, die Ausdrücke:
B = ^cx,cX,^ VE dys /^ r,\
1 ^ cu cu ya ^r \ rj'
T\ ' 'VT ^^1 C^
^ XI cv du
7) "— _ "V ^ ^5 — _ 1^ ^Ti .
^ _^J CV cv Tj CV
Eliminieren wir aus dem Werte für A denjenigen für —!:-- mittels der
ersten der Gleichungen (1), so haben wir:
(11) A = ^/.4r., i), = o, i);-=_V«|i.
yG r^ cv r^ cv
Da A' gleich Null ist, so sehen wir sofort, dass auf dem ersten
(und ebenso auch auf dem zweiten) Mantel der Evolutenfläche
diejenigen Curven u, v, welche den Krümmungslinien der
Evolventenfläche entsprechen, ein conjugiertes System bilden.
Dieses folgt auch unmittelbar daraus, dass auf S^ die Tangenten
der Curven n längs einer Curve r eine abwickelbare Fläche erzeugen,
deren Rückkehrcurve die entsprechende Curve v auf dem zweiten Mantel
S^ ist (S. 107).
Merken wir uns noch, dass sich für das Krümmungsmass K^ von >Sj
(12) K,
C)\
DiD^"—Di^_ 1 Yv
dv
ergiebt.
Entsprechend erhalten wir für das Krümmungsmass K^ des zweiten
Mantels S^ den Wert:
(12*)
K,=
an
1 du
(r, — r.)* cr^
cu
§ 125. Beltramis Constniction des Radius der geodätischen
Krümmung.
In diesem Paragi-aphen geben wir eine von Beltrami herrührende
Constniction für den Radius der geodätischen Krümmung einer belie-
bigen auf einer Fläche gelegenen Curve, die für die Theorie der Evo-
lutenflächen unmittelbar ein wichtiges Ergebnis liefert.
238 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten'scher Satz.
Auf einer Fläche S betrachten wir eine Schar von oo^ geodäti-
schen Linien g^ und es sei L eine Curve, deren Tangenten denjenigen
der geodätischen Linien g conjugiert sind. Die Tangenten der Curven
g längs L erzeugen eine abwickelbare Fläche^ deren Rückkehrcurve wir
mit r bezeichnen wollen. Es sei t irgend eine dieser Tangenten^ M
ihr Berührungspunkt mit S und m derjenige mit der Rückkehrcurve F.
Wir wollen beweisen, dass der Punkt m der Mittelpunkt der
geodätischen Krümmung in M füv diejenige orthogonale Tra-
jectorie der geodätischen Linien g ist, welche durch M geht.
Wir wählen zu diesem Zwecke auf S als Parameterlinien v die
geodätischen Linien g und als Curven u ihre orthogonalen Trajectorien.
Bei passender Wahl des Parameters u erhalten wir für das Quadrat
des Linienelements von S nach S. 158 den Ausdruck:
ds^ = diC^ -\- Gdv^,
und der Radius Qu der geodätischen Krümmung der Curven u ist
nach Grösse und Vorzeichen durch die Gleichung (§ 75, S. 148):
1 _ _ 1 dG
Q^~ 2G du
bestimmt. Nun seien x, y, z die Coordinaten von Jf und ^, t], t,
diejenigen von m. Setzen wir ferner den algebraischen Wert der
Strecke Mtn gleich r, so erhalten wir:
5- , dx I ^2/ t. , dz
* ' ou' ' ^ ' du' ® ' du
Verschieben wir M längs der Curve L und bezeichnen wir mit d
die entsprechenden Zunahmen, so ergiebt sich:
At ^ A,/ _4_ ^ A^, _J_ Ar ^■^- 4- r i^- <^M -I- -^—~ fiv\
^ du * 8v ' du ' \du^ ' dudv n
^ ^ = 1-^ d w + 1^ ^ ^ + ^ ^ 1^ + ^ (1^ <^ ^ + #?- ^ ^) ,
' du ' 8v ' du ' \du^ ' ducv 7'
Öt =^ y^ 8u-\- J'- dv + ör i^ 4- r (2— « ^^ + 0 — -- ^^) •
' cu ' cv ' cu ' \cu^ ' cucv I
Nun sind d|, 8r\^ Öt, den Richtungscosinus der Tangente t der Rück-
kehrcurve T proportional; wenn wir daher die vorstehenden Glei-
chunffen der Reihe nach mit 7.— , 7^ , ;, multipliciereu , sie dann
° cv ' cv ' dv ^ '
addieren und dabei die Gleichungen:
^düdv~' ^ \dv) "~ ' jiLJ dv dudv ~ 2 du '
"S^dx d^x ^
.^mJ 'dv 8u^
§ 126. ETolventen- und ETolutertmittelfläche nach Ribaucour. 239
berücksichtigen, so erhalten wir:
' 2 cti '
d. h.:
l_ 1 dG
T~ IG du'
Es stimmt also r der Grösse und dem Vorzeichen nach mit Qu
nberein, was zu beweisen war.
Nachdem so der Satz von Beltrami bewiesen worden ist, be-
trachten wir wieder den ersten Mantel S^ der Evolutenfläehe einer
Fläche S. Auf S^ sind die orthogonalen Trajectorien der geodätischen
Linien h = Const. die Curven r^ = Const., während die Ciirven, deren
Tangenten den Tangenten der Curven u conjugiert sind, die Curven v
sind. Also: Der Mittelpunkt der geodätischen Krümmung
einer auf S^ gelegenen Curve r^ = Const. in einem Punkte il/j
ist der entsprechende Punkt 3f^ auf dem zweiten Mantel S^.
Daraus folgt, dass der Radius der geodätischen Krümmung
der Curven )\ = Const. auf Si oder der Curven n = Const. auf
S^ (bis auf das Yorzeichen") durch die Differenz r^ — r^ der
Hauptkrümmungsradien der Evolventenfläche gegeben ist.
§ 126. Evolventen- und Evolutenmittelfläche nach Eibaucour.
Im Znsammenhange mit der aus den beiden Mänteln iSj, S^ be-
stehenden Evolutenfläche einer Fläche *S wollen wir nun kurz noch
eine zu 5 in enger Beziehung stehende Fläche betrachten, deren Unter-
suchung von Ribaucour herrührt und die wir mit diesem Mathe-
matiker als Evolutenmittelfläche von S bezeichnen wollen. Wir
betrachten den in der Mitte zwischen den beiden Krümmungsmittel-
punkten J/^, J/^ von S gelegenen Punkt 31^: die Ebene, welche in Mq
auf der Linie M^M^ senkrecht errichtet, d. h. durch Mq parallel der
in M an die Evolventenfläche S gelegten Tangentialebene gelegt wird,
heisse Mittelebene. Als Evolutenmittelfläche von S werde nun
die Enveloppe 21 der Mittelebene bezeichnet. L'mgekehrt nennen wir
S die Evolventenmittelfläche von E.
Die Coordinaten des Mittelpunktes Mq von M^M^ sind offenbar:
Wird mit a der (algebraische) Abstand der Mittelebene vom Coor-
dinatenanfangspunkt bezeichnet, so ist daher:
240 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten' scher Satz.
Die Sumnie UXx stellt nun den Abstand des Coordinatenanfangs-
punktes von der Tangentialebene der Evolventenfläche S dar. Bezeich-
nen wir diesen Abstand mit W, so haben wir demnach:
Nun ist nach den Weingarten'schen Gleichungen in Ebenencoordinaten
(§ 72, (36), S. 141):
wo der zweite Diiferentialparameter A^' W bezüglich des Linienelements
der Bildkugel von S berechnet ist*). Daraus aber folgt:
(13) cD^-iA/TT.
Durch diese Gleichung, die für jedes beliebige System von Para-
meterlinien gilt, wird offenbar die Aufgabe gelöst: Zu einer gegebenen
Evolventenfläche die Evolutenmittelfläche zu finden. Da
nämlich W bekannt ist, so lässt sich aus (13) cj berechnen und dann
durch die Gleichungen (34), § 72, S. 140 (wo ra für W zu setzen ist),
die Evolutenmittelfläche U bestimmen.
Die umgekehrte Aufgabe: Für eine gegebene Fläche U die-
jenigen Flächen zu finden, deren Evolutenmittelfläche 2J ist,
lässt sich mit Hilfe der Gleichung (13) auf eine bekannte Aufgabe der
Analysis zurückführen. Wird nämlich auf U ein beliebiges Coordina-
tensystem (u, v) gewählt, so kennen wir a als Function von u und
V und müssen W aus der partiellen Differentialgleichung:
(14) A,'W=^ — 2co
bestimmen. Jede Lösung derselben giebt offenbar eine Lösung der ge-
stellten Aufgabe. Ist insbesondere eine der Evolventenmittelflächen
bekannt, z. B. diejenige, welche der Lösung W^ von (14) entspricht,
und wird
gesetzt, so ist die Bestimmung der anderen Evolventenmittelflächen
auf die Integration der Gleichung:
(14*) A/ß = 0
zurückgeführt.
*) Man beachte, dass sich S und 2 Punkt für Punkt infolge der Parallelität
der Tangentialebenen entsprechen und dass daher das Linienelement der Bildkugel
für S und Z das iJ^leiche ist.
§ 127. Flächen, deren Hauptkrmnmimgsr. durch eine Gl. verbunden sind. 241
Man braucht nur als Coordinatensystem (u, v) ein solches zu
wählen, dem auf der Kugel ein isothermes System entspricht, um die
Gleichungen (14), (14*) in die aus der Analysis wohlbekannten Ge-
stalten :
WO /" eine bekannte Function von m, v ist, bezw.
u^ ) g„i -1- ^p* — ^
zu bringen, nach S. 72 u. 67.
Wenn sich die ETolutenmittelfläche auf einen Punkt reduciert, so
sind die Evolventenflächen die von Appell*) untersuchten Flächen, bei
denen die Mittelebenen durch einen Punkt gehen. Sie entsprechen den
Lösungen der Gleichung (15*).
§ 127. T^"- Flächen, deren Hauptkrümmungsradien durch eine
Gleichung verbunden sind.
Wir wollen nun die allgemeinen Sätze über Evolutenflächen auf
eine wichtige Klasse von Flächen anwenden, auf diejenigen nämlich,
deren Hauptkrümmungsradien r^, r^ durch eine Gleichung:
mit einander verbunden sind. Der Kürze wegen bezeichnen wir
jede Fläche dieser Art als eine TF-F lache.
Auf die TF- Flächen werden wir sofort bei der Untersuchung der
folgenden Frage geführt: Wir ordnen zunächst die Punkte der beiden
Mäntel 5^, S^ der Evolutenfläche einander so zu, wie es sich aus
ihrer geometrischen Construction von selbst ergiebt, d. h. wir ordnen
*) American Journal of Mathematics , 10. Bd. In demselben Bande hat
Goursat die allgemeinen Flächen untersucht, die in imseren Bezeichnungen die
durch die Gleichung:
fj 4- r, = n W (n = Const.)
ausgedrückte Eigenschaft besitzen. Ihre Bestimmung hängt von der Gleichung:
A,' W =(n — 2)W
ab. Die Gleichung (13) wird für diese Flächen:
ü) = ^— ^
und beweist, dass die Evolutenmittelfläche einer Goursat'schen Fläche wieder
eine der ursprünglichen ähnliche und zu ihr ähnlich gelegene Goursat'sche Fläche ist.
Es ist dieses offenbar eine charakteristische Eigenschaft der Goursat'schen
Flächen.
Bianchi, DifTerentialgeometrie. 16
242 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten'scher Satz.
jedem ersten Hauptkrümmungsmittelpunkt M^ der Evolventenfläche den
zweiten Hauptkrümmungsmittelpunkt iltfg zu. Dann fragen wir: Wann
tritt der Fall ein, dass sich auf den beiden Mänteln der Evo^
lutenfläche die Haupttangentencurven entsprechen? Dazu ist
notwendig und hinreichend, dass die Coefficienten der zweiten Grund)-
form von S^^ denjenigen der zweiten Grundform von S.^ proportional sind.
Nun ergiebt sich aus den Gleichungen (11) für S^: '
A : A': A"= Er^'i^^O:- Gr,
ov
^ dv
C1\
du
cv
du
und daher für S^ entsprechend:
7) • D'- D "= Fr ^ ^^ ■ 0 ' — Gr ^ ^'^^
Die gestellte Bedingung hat also die Beziehung:
= 0
zur Folge, die besagt, dass r^ und r^ durch eine Gleichung verknüpft
sind. Wir haben also den Satz von Ribaucour: Die notwendige
und hinreichende Bedingung dafür, dass sich auf den beiden
Mänteln der Evolutenfläche die Haupttangentencurven ent-
sprechen, ist, dass die Evolventenfläche eine TF-Fläche ist.
Es leuchtet ein, dass man, anstatt vom Entsprechen der Haupt-
tangentencurven auf >S^^, Sc^ zu reden, auch sagen kann, jedem con-
jugierten System auf S^ entspricht ein ebensolches auf S^. Auf diese
Weise wird dem Begriff des Entsprechens auch dann eine reelle Fas-
sung gegeben, wenn die Haupttangentencurven auf S^, S^ imaginär sind.
Auch mag noch bemerkt werden, dass, da auf den beiden Mänteln
S^, S.2 den Krümmungslinien der Evolventenfläche, wie beschaffen sie
auch sein mag, zwei conjugierte Systeme entsprechen, nur die Bedin-
gung gestellt zu werden braucht, dass noch einem anderen conjugierten
System auf S^ Avieder ein conjugiei-tes System auf S2 entsprechen soll,
damit der soeben betrachtete Fall des Entsprechens vorliege*).
Tritt nun noch die weitere Bedingung hinzu, dass den Haupt-
tangentencurven der beiden Mäntel einer Evolutenfläche die Haupt-
tangentencurven der Evolventenfläche entsprechen sollen, deren Diffe-
rentialgleichung nach S. 102 u. 109
*) Es braucht nämlich nur auf die beiden zweiten Grundformen von S^ , . S^
das Ergebnis in § 31, S. 58, angewandt zu werden. (Vgl. auch S. 119, zweite
Anmerkung.)
§ 128. Satz von Ribaucour über Krüimnungslinien der Evolutenfläche. 243
ist, so ergeben sich sofort die beiden Bedingungen:
du ' cv '
woraus der Satz folgt: Bei den Evolutenflächen der Flächen
von constantem Krümmungsmass, und nur bei diesen, ent-
sprechen den Haupttangentencurven der Evolventenfläche
die Haupttangentencurven auf den beiden Mänteln der Evo-
lutenfläche.
Wir bemerken endlich, dass die Gleichungen (12), (12*), auf die
Krümmungsmasse der beiden Mäntel der Evolutenfläche einer TF- Fläche
angewandt, geben:
( j^ 1 dr^
(r, - r,)* dr, '
1 dr^
(16) {
K^ = —
(»•i — r^Y dr^
Hieraus folgt somit der bemerkenswerte Satz von Halphen, der in
der Gleichung:
(17) ^.^-(rr^.7'
zum Ausdruck kommt.
§ 128. Satz von Ribaucour über das Entsprechen der Krüimnungs-
linien auf den beiden Mänteln der Evolutenfläche.
Ein anderer Satz von Ribaucour lässt sich auf einfache Weise
aus unseren allgemeinen Gleichungen ableiten. Dieser Satz bezieht
sich auf den Fall, dass sich die Krümmuugslinien auf den beiden
Mänteln der Evolutenfläche einer Fläche entsprechen. Die Differential-
gleichung der Krmnmungslinien auf dem ersten Mantel, nämlich:
1 Ej^dii + F^dv F^du + G^dv
i D,du + D.'dv D.'du + I),"dv
lautet, mit Benutzung der Gleichungen (9) und (11) entwickelt:
= 0,
(18) Er^^^di^-^ EG(r,-r,f-{-Gr,'{^)' + Er,''''^''-^
dv cv
diidv -\-
-{-Gr.^-Ai''' dv' = 0.
' ^ cu cv
Als Differentialgleichung der Krümmungslinien auf dem zweiten Mantel
S.y ergiebt sich ebenso:
16*
244 Kap. 9. Evolutenfläche und Wein»aj-ten'scher Satz.
(18*) -Er/|5 '^- du'- + [EG{r,- ..)^ + £.,»(»^f + G./ ^ §>;;
(ludv -f-
' ^ du cv
Sollen sich die Krümmungslinien auf beiden Mänteln entsprechen, so
müssen die beiden Gleichungen (18), (18*) übereinstimmen, was sofort
die Bedingungen:
dr^ dij. dr^ dr^
du du cv dv
oder: r^ — rg = Const. liefert. Also: Nur für die beiden Mäntel
der Evolutenflächen derjenigen TF-Flächen, deren Hauptkrüm-
mungsradien durch die Bedingung:
r, — r., = R (R= Const.)
verknüpft sind, trifft es zu, dass sich die Krümmungslinien
entsprechen. Die Gleichungen (16) lassen ausserdem erkennen, dass
in diesem Falle die beiden Mäntel der Evolutenfläche Flächen
von demselben negativen constanten Krümmungsmass, nämlich
= — ^ sind*).
Wir folgern hieraus, dass sich im vorliegenden Falle auch die
H aupttangentencurven auf den beiden Mänteln entsprechen, und ferner
dass die entsprechenden Bogen solcher Haupttangentencurven
einander gleich sind. In der That haben wir nach Gleichung (9*):
ds,' = dr,' + ^, (r.
— r^)'^ du^,
ds^^ = dr^^ + — , (^2
- r,f dv^-
und da dr^^ = dr,/ und ausserdem längs der Haupttangentencurven
(§ 127, S. 242)
Er.^du' = Gr^^dv'
ist, so folgt wirklich:
ds^^ = ds^^.
Diese letzte Bemerkung rührt von Lie her. Die soeben abgelei-
teten eleganten Eigenschaften sind einer wichtigen Verallgemeinerung
fähig, die wir in der Folge zur Kenntnis bringen werden.
*) Die Gleichungen (16) zeigen auch, dass nur bei den Evolutenflächen der
Flächen: rj — r^ = Const. und der Minimalflächen die Krümmungsmasse der Leiden
Mäntel in entsprechenden Punkten gleich sind.
§ 129. Lies Satz über die Krümmungslinien der TT'- Flächen. 245
§ 129. Lies Satz über die Bestimmung der Krümmungslinien
der TF- Flächen mittels Quadraturen.
Lie hat bemerkt, dass auf jeder ir-Fläche die Krümmungs-
linien mittels Quadraturen bestimmt werden können. Den
Lie'sehen Beweis werden wir später geben; hier wenden wir uns zum
analytischen Beweise von Weingarten. Wir erinnern zu diesem
Zwecke daran, dass sich die Differentialgleichung der Krümmungslinien
einer Fläche S ergiebt, wenn die quadratische Covariante der beiden
Grundformen, nämKch:
_ 1 Edu + Fdc Fdu + Gdv \
^ ~ yEG-TF' Bdu -f D'dv D'du + D"dv f
gleich Null gesetzt wird (S. 99). Bezeichnen wir mit K^ die Krümmung
dieser Difierentialform und wählen wir zu ihrer Berechnimg die Krüm-
mungsliuien als Parameterlinien, indem wir nach (23) u. (24), S. 134,
E^er,' , F = (), G = gr,' ,
I) = — er„ D'=0, D"=-gr,
setzen, so erhalten wir:
tl.' = Ve(/{rj^ — r^)dudü,
demnach (§ 29, S. 53, Gleichung (IV)):
^ ^ 1 rrMogVe , cnogYg , c'log(r, — r^)l
'^ (fj — r,)yegL dudv cucv cucv J
Nun ist aber infolge der Gleichungen (4), § 123, S. 235:
g^logVe
dudv
g'logVg ^
cucv
und daher:
er.
c
cv
du
»■l
or,
c
cu
cv
r.
— n
K, =
dr^ di\
du dv
i du dv
Also Dach S. 242: Für die TT-Flächen, und nur für diese, hat die
Form il? die Krümmung Null. Der obige Satz von Lie folgt nun-
mehr aus § 29, S. 54, sofort, da die Form tl' offenbar indefinit ist.
Bezüglich der Haupttangentencurven einer TT- Fläche ist ein ent-
sprechender Satz nicht bekannt, ausser in den beiden besonders inter-
246 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten'scher Satz.
essanten Fällen der Minimalfläehen und der pseudosphärischen Flächen.
Für die ersteren besitzt die zweite (indefinite) Grundform:
Bdu^ + 2D'dudv + D"dv^
die Krümmung Null, und für die letzteren wird diese Grundform, mit
(/•j — r^) multipliciert, ebenfalls eine Form von der Krümmung Null
(vgl. § 66, 67). Daraus folgt dann, dass sich ihre Haupttangenten-
curven mittels Quadraturen ergeben.
§ 130. Weingartens Satz über die Abwickelbarkeit der beiden
Mäntel der Evolutenfläelie auf Rotationsflächen.
Die wichtigste und fruchtbarste Eigenschaft der TT-Flächen ist
diejenige, welche sich in dem schönen Satze von Weingarten ausspricht:
A) Jeder Mantel der Evolutenfläche einer Tl^-Fläche ist
auf eine Rotationsfläche abwickelbar, deren Bestimmung
lediglich von der Gleichung abhängt, welche die Haupt-
krümmungsradien r^, ^2 ^^^ Evolventenfläche W mit ein-
ander verbindet.
Der Beweis ergiebt sich unmittelbar aus den grundlegenden Ent-
wickelungen der Paragraphen 124 und 125. Es sind nämlich auf dem
ersten Mantel S^ die Gurven r^ = Const. geodätisch parallel (S. 239),
und da der Radius ihrer geodätischen Krümmung,
eine Function von r^ allein ist, so besitzen sie auch constante geodä-
tische Krümmung. Also ist S^ auf eine Rotationsfläche abwickelbar
(§ 101, S. 195).
Da ferner die Function
lediglich von der Gleichung abhängt, die r^ und r^ mit einander ver-
bindet, so ist auch der zweite Teil des Satzes einleuchtend.
Direct ergiebt sich der Satz aus der Gleichung (9*), § 124, S. 236:
ds,^ = dr^' + J5 (l - -*;^y dii'.
Berechnen wir nämlich
dr^ , dv dr^ ' i\ — r^
~dv
mit Berücksichtigung der ersten der Gleichungen (1), S. 234, so er-
halten wir:
§ 130. Weingartens Satz. § 131. Beltnuuis Satz über Normalensysteme. 24:7
nog[yw(i_J)] ^ ^^
er, n—r/
Also ist:
— - — \-<p(")
/<p{u)
e du ersetzen, so ergiebt sich demnach
der Satz:
Das Quadrat des Linienelements auf dem ersten Mantel S^
der Evolutenfläche einer TF-Fläche ist durch den Ausdruck:
(19) ds,^ = di\^ + e -^ "' - '' rf«=
gegeben. Es ist klar, dass der zweite Mantel S^ der EvolutenÜäche
auf eine Rotationsfläche abwickelbar ist, deren Linienelement-Quadrat
durch
(19*) ds^^ = dr^^ + c ^ '* - "^ dv^-
gegeben ist.
Aus dem eben bewiesenen Satze von Weingarten können wir in
der Weise, wie es Lie gethan hat, wieder den Satz in § 129 ableiten.
Wir kennen nämlich auf S^ unmittelbar die Curven r^ = Const.;
mittels einer Quadratur (% 39, S. 74") ergeben sich die orthogonalen
Trajectorien, denen auf der Evolventen- TF- Fläche die Krümmungslinien
des ersten Systems entsprechen. Ahnliches gilt für diejenigen des zweiten
Systems.
§ 131. Beltramis Satz über die Normalensysteme von Flächen,
die zugleich Flächen berühren.
Wie Weingarten selbst gezeigt hat, ist neben Satz A) auch die
Ümkehrung desselben richtig, bis auf einen Ausnahmefall, auf den wir
später zurückkommen werden. Zum Beweise stellen wir die folgenden
von Beltrami herrührenden geometrischen Ueberlegungen an*):
Auf einer beliebigen Fläche »S* nehmen wir eine Schar von oc}
Gurven y an und betrachten das von den Tangenten der Curven ge-
bildet« Strahlensystem. Damit diese Strahlen die Normalen einer
Fläche 27 seien, ist notwendig, dass die Curven g geodätische Linien
sind, da einer der Mäntel der Evolutenfläche von E dann eben die
*) Ricerche di analisi appheata alla geometria. (Giomale di Matematiche,
2. u. 3. Bd.)
248 Kap. 9. Evolutenfiäche und Weingarten'scher Satz.
Fläche S ist (S. 233). Wir wollen nun beweisen, dass diese Bedingung
auch hinreichend ist. Es seien die Curven g geodätische Linien und
t eine ihrer orthogonalen Trajectorien. Wir betrachten die oo^ Evol-
venten C der Curven g, die von t ausgehen. Der Ort dieser Evolventen
C ist nun eine Fläche U, welche die Tangenten der Curve g zu Nor-
malen hat. In der That, ist 31 P ein Stück einer der Tangenten, das
zwischen dem Berührungpunkt M mit einer geodätischen Linie g und dem
Schnittpunkt P mit 2J liegt, so ist es auch in P normal zur Evolvente C.
Lassen wir M längs einer Orthogonaltrajectorie t' der Curven g wan-
dern, so bleibt MP beständig gleich dem zwischen t und t' liegen-
den Bogen der Curven g, und daher ist auch der Ort der Endpunkte
P auf 27 in P normal zu MP. Da also die Tangente MP in P
Normale zweier verschiedener von P ausgehender Curven auf 2 ist, so
ist sie auch Normale von 27, was zu beweisen war.
Wir haben also das Ergebnis: Die notwendige und hinrei-
chende Bedingung dafür, dass eine Schar von oo^ Tangenten
einer Fläche S das Normalensystem einer und daher unend-
lich vieler (paralleler) Flächen 2J bildet, ist, dass die auf S
von diesen Geraden umhüllten Curven geodätische Linien sind.
Ofienbar ist S ein Mantel der Evolutenfläche einer Fläche 2J, und
einer der Hauptkrümmungsradien von U ist gleich dem Bogen der geodäti-
schen Linien g, gerechnet von einer festen orthogonalen Trajectorie t-
Der zweite Mantel S' der Evolutenfläche von U heisse die Ergän-
zungsfläche zu ;S^ bezüglich der geodätischen Linien g. Dieselbe
kann auch als der Ort der Mittelpunkte der geodätischen Krümmung
der zu den Curven g orthogonalen Trajectorien f definiert werden (S. 238).
§ 182. Beweis der Umkehrung des Weingarten'sehen Satzes.
Wir können nun die Umkehrung des Weingarten'sehen Satzes
leicht beweisen. Es sei nämlich S eine auf eine Rotationsfläche ab-
wickelbare Fläche, und wir nehmen an, die geodätischen Linien g,
die bei der Abwickelung in die Meridiane übergehen, seien
keine geraden Linien. Die oo^ Tangenten der Curven g sind dann
nach dem Vorstehenden die Normalen einer Fläche 2J. Wenn wir mit
ds^ == du^ -\- (p^(u)dv^
das Quadrat des Linienelements von S, bezogen auf die geodätischen
Linien g oder v = Const. und auf ihre orthogonalen Trajectorien, und
mit r^, ^2 die Hauptkrümmungsradien der Evolventenfläche bezeichnen,
so haben wir nun:
§ 132. Umkehrg. d. Satzes v. Weingarten. §133. Sphär. Linienel. zu TT- Flächen. 249
Tj = u -\- Const.,
.also nach (19), S. 247:
n — »"s 9'(«)
Es sind daher )\ und ;% dnrch eine Gleichung verbunden, deren Natur
lediglich von der Beschaffenheit der Function cp, d. h. von der Rota-
tionsfläche abhängig ist, auf welche die Fläche S abwickelbar ist. S ist
also Evolutenfläche einer TF- Fläche.
Der ausgeschlossene Fall kann in der That eintreten, und die Unter-
suchungen des Kapitels "STII (§ 119 — 121) über die Linienflächen er-
ledigen ihn vollständig. Wenn nämlich die geodätischen Linien g, die
Biegungscurven der Meridane, Gerade sind, so ist die Fläche der Ort der
Binormalen einer Curve constanter Torsion, und die Rotationsfläche,
auf die sie abwickelbar ist, das Catenoid (§ 105, S. 202). Wir
können also die Umkehrang des Weingarten'schen Satzes folgender-
massen aussprechen:
B^ Mit Ausnahme der Linienflächen, welche die Orter
der Binormalen der Curven mit constanter Torsion (und also
auf das Catenoid abwickelbar sind), kann jede andere auf
eine Rotationsfläche abwickelbare Fläche als der eine Mantel
der Evolutenfläche einer TF-Fläche aufgefasst werden.
§ 133. Besondere Formen des Linienelements auf der Kugel, die
den TF- Flächen entsprechen.
Die in den vorstehenden Paragi-aphen abgeleiteten Sätze lassen
erkennen, dass die beiden Aufgaben, aUe Biegungsflächen der Rotations-
flächen zu finden bezw. die TT- Flächen zu bestimmen, vollkommen
gleichbedeutend sind. Letztere Aufgabe kann nun wieder, wie Wein-
garten gezeigt hat, auf die Bestimmung deijenigen besonderen Systeme
von orthogonalen Curven auf der Kugel zurückgefühi-t werden, für
die das Quadrat des Linienelements die Form:
ds'^ = edu^ + ydv^f
wo g eine Function von e allein ist, annimmt.
Zum Beweise berücksichtigen wir, dass sich die Gleichungen (4)
in § 123 für den FaU, dass die Fläche zur Gattung der IF-Flächen
gehört, folgendermassen schreiben lassen:
c log Ve ^^ c_ r dr^
cv cvj Ti — r,
c log Vg ^^ i_ r dr^
cu chJ r, — )\
250 ' ' Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten'schcr Satz.
Wenn wir nun integrieren und die Parameter u, v durch passende
andere ersetzen, können wir
(20) y^=e^'-^-'-^, yg = e^'---'^
machen. Es ergiebt sich demnach eine der beiden Grössen e, g als
eine Function der anderen.
Es ist zweckmässig, die Integralzeichen aus diesen Gleichungen zu
eliminieren. Dazu setzen wir, angenommen, dass r^ und also auch
Ye nicht constant ist,
' a '
dann sind Yg, r^, r.^ Functionen von a. Die erste der Gleichungen
(20) giebt:
dr, , dr. d^u
a. j, 1 also : -,— = — a -^-^ ;
da da da^
und die zweite:
Setzen wir
so folgt daraus:
Vg =4;r-
dTi
da
r, = ^(a)-a^'{a), Yd
1
Wir können demnach unser Ergebnis so fassen:
C) Wenn eine W-Fläche nach der Gaussischen Methode
auf die Kugel abgebildet wird, so können die Parameter ii, v
ihrer Krümmungslinien so gewählt werden, dass das Quadrat
des Liriienelements der Kugel die Form:
(21) ds'^ = '^''l -\- '^''^
»'\a)
annimmt, wo a eine Function von u und v ist und die Haupt-
krümmungsradien r^, rg der TF-Fläche durch die Gleichungen:
(22) ^2 = ^(«), r^ = ^{a) — a%' {a)
gegeben sind.
Es gilt nun auch der umgekehrte Satz:
C*) Wenn das Linienelement-Quadrat (21) zur Kugel vom
Radius Eins gehört, so giebt es eine zugehörige TF-Fläche,
die auf die Kugel abgebildet das sphärische System (m, v) zu
Bildern derKrümmungslinien hat und deren Hauptkrümmungs-
radien durch die Gleichungen (22) gegeben sind.
I
§ 134. Anwendung auf zwei Klassen von T>'- Flächen. 251
Dieses folgt unmittelbar daraus, dass dann die Grundgleichungen
(4), S. 235, erfüllt sind.
Wir fügen nocli hinzu, dass sich, wenn X, Y, Z als Functionen
von u und v bekannt sind, die TF- Fläche mittels Quadraturen durch
die Gleichungen ergiebt (vgl. (3), S. 235):
-" = / ('•» If ^" + *■! ^al^*')' ^ = / (^^ 1?^" + '■^ l^^*')'
=/('
r/^du + rj.^dv)
Verfahren wir mit den Gleichungen (1), S. 234, in derselben Weise
wie soeben mit den Gleichungen (4), so erhalten wir die folgenden
Sätze, die wir nur anführen wollen:
D) Das Quadrat des Linienelements einer TT-Fläche, be-
zogen auf die Krümmungslinien (m, «), kann auf die Form:
(23) rf^ = ^,^+ ^''
gebracht werden, wo ß eine Function von u und v ist. Die
Hauptkrümmungsradieu der TF-Fläche sind dann durch die
Gleichungen:
(24) l=Hß), y-»iß)-ß^'(ß)
gegeben.
D*) Wenn das Linienelement-Quadrat-(23) so beschaffen
ist, dass sich für seine Krümmung der Wert:
K=Hß)[»(ß)-ß»'m
ergiebt, so gehört es zu einer TT-Fläche, deren Hauptkrüm-
mungsradien durch die Gleichungen (24) gegeben siud.
In der That sind dann die Gaussische Gleichung und die Codazzi-
sehen Gleichungen erfüllt.
§ 134. Anwendung auf die Bestimmung der Minimalflächen:
r^ -\- r^ = 0 und der Weingarten'schen Flächen : 2 (r^ — r^) =
In der Anwendung der vorstehenden Ergebnisse, insbesondere der
Sätze C) imd C*), beschränken wir uns vorläufig auf zwei Fälle, in
denen mittels Quadraturen die vollständige Klasse von TT^- Flächen,
deren Hauptkrümmungsradien durch eine gegebene Gleichung verbun-
den sind, also auch nach dem Weingartenschen Satze die vollständige
Klasse von Flächen, die auf eine gegebene Rotationsfläche abwickelbar
sind, bestimmt werden kann.
252 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten'scher Satz.
Der erste Fall ist derjenige, in dem das System {u, v), für welches
das Quadrat des Linienelements der Kugel die Form (21) annimmt, ein
isothermes ist. Dann kann man einfach
setzen, sodass man nach (22) erhält :
Die entsprechenden Flächen sind ausschliesslich Minimalflächen und
zwar alle Minimalflächen und ergeben sich mittels Quadraturen. Da
das Catenoid eine Rotationsminimalfläche ist, so sind die Evolutenflächen
der Minimalflächen auf die Evolutenfläche des Catenoids, d. h. auf die-
jenige Rotationsfläche abwickelbar, welche die Evolute der Kettenlinie
zur Meridiancurve und die Leitlinie zur Drehaxe hat*). Von diesen
Rotationsflächen können wir also mittels Quadraturen alle Biegungs-
flächen erhalten.
Ein zweiter Fall ergiebt sich aus den Sätzen in § 83, S. 164,
über die geodätischen Ellipsen und Hyperbeln.
Wir können nämlich das" Quadrat des Linienelements der Kugel
in der allgemeinsten Weise auf die Form:
(25) ds'' = -^'-- + — -- ,
2 2
die ja zum Typus (21) gehört, bringen, wenn wir in (21)
a == sm -„- j %■ {a) = cos -^
a.'/ \j 1 + COS Ü3 ,
-o" (a)aa = — ~ acj,
. s 0) -f- sin CO
'^(«) = 4
folgt. Die Gleichungen (22) geben dann:
/cxr>\ oi -f- sin CO CO — sin co
(26) ^2 = — ^1 ' ^1 = i —
und als Gleichung, welche die Hauptkrümmungsradien der entsprechen-
den T^- Fläche verbindet:
(27) 2(^2 -r,) = sin 2(^2 + r,).
Wir können demnach mittels Quadraturen auch die vollständige Klasse
setzen, woraus
*) Für beide Mäntel der Evolutenfläche einer Minimalfläche ergiebt sich aus
den Gleichungen (19) und (19*):
ds^ = da^ -f ad^\
§ 135. EvolTenten- und Ei^nzungsflächen der pseudosphärischen Flächen. 253
dieser TF- Flächen bestimmen, obgleich die Relation, die hier zwischen
den Hauptkrümmungsradien besteht, ziemlich verwickelter Art ist.
Die beiden Mäntel der Evolutenfläche dieser TT" Fläche haben
infolge der Gleichungen (19) und (19*), S. 247, als Linienelement-
Quadrate :
dSi^ = - (sin* Y ^^^ ~^~ ^^^^ Y ^** / '
ds^- = — (cos*y da^ -\- 4 sin* ^ dv^j ;
sie sind also (da ds^^ in ds^ übergeht, wenn co durch :r — « und u
durch V ersetzt wird) auf einander und auf ein und dieselbe Rotations-
fläche abwickelbar. Auch von dieser speciellen Rotationsfläche können
wir demnach alle Biegungsflächen durch Quadratiu'en bestimmen.
Wir werden auf diese Ergebnisse in einem der nächsten Kapital
zurückkommen, wenn wir die elegante geometrische Construction von
Darboux entwickeln, mittels deren man alle TF- Flachen der Klasse
(27) erhält.
§ 135. Evolventen- und Ergänztmgsflächen der pseudosphärischen
Flächen.
Zum Schluss wollen wir aus dem Weingarten'schen Satze einige
Folgeningen ziehen, welche die pseudosphärischen Flächen betrefien, die
ja zu den TF- Flächen gehören.
Alle Evolutenflächen der pseudosphärischen Flächen sind auf ein
und dieselbe Rotationsfläche, die Evolutenfläche der Pseudosphäre, d. h.
auf das Catenoid, abwickelbar; also:
Jeder Mantel der Evolutenfläche einer pseudosphärischen
Fläche ist auf das Catenoid abwickelbar.
Wir betrachten nun auf einer pseudosphärischen Fläche eins der
unendlich vielen Systeme von geodätischen Linien r, für welche, so-
bald sie mit den orthogonalen Trajectorien als Farameterlinien gewählt
werden, das Quadrat des Linienelements eine der drei Formen vom
parabolischen, elliptischen oder hyperbolischen Typus annimmt (§ 98,
S. 190):
(I) ds- = du- -j- e dv-,
(n) ds'- = du' + R' sinh-^ ^ dv%
(m) ds'- = du- + cosh^ ^ dv\
Jedesmal sind die Tangenten der geodätischen Linien v die Normalen
einer (Evolventen-) TT^-Fläche, und wir wollen nun feststellen, durch was
254 Kap. 9. Evolutenfläche und Weingarten' scher Satz.
für eine Gleichung dementsprechend die Hauptkrümmungsradien r^, r^
jeder solchen TF- Fläche verbunden sind. Fassen wir die pseudosphä-
rische Fläche S als den ersten Mantel der Evolutenfläche der TF^ Fläche
auf und vergleichen wir die Ausdrücke (I), (II), (III) für das Quadrat
des Linienelements mit dem Ausdruck (19), S. 247, indem wir i\ statt
u setzen:
so müssen wir die beiden Linienelemente einander gleich setzen, also
ti = r^ -{- C, V = kVi (C, X = Const.)
annehmen. Als Relation zwischen r-^ und r.^ finden wir somit ent-
sprechend den drei Fällen:
(F) r,-r, = B,
(ir) r, — r, = R tangh *"^^,
(Iir) r,—r,==R cotgh *"^i - •
Der Wert von C in den beiden letzten Gleichungen hängt von der
betrefienden speciellen Evolventenfläche 2J ab. Wir fragen nun: Auf
was für Rotationsflächen sind die bezüglichen Ergänzungs-
flächen von S in den drei Fällen abwickelbar?
Im ersten Falle ergiebt sich die Antwort sofort aus dem Batze auf
S. 244; offenbar ist die Ergänzungsfläche in diesem Falle wieder eine
pseudosphärische Fläche vom Radius B. Diesen wichtigen Satz (aus
dem in Kapitel XVII Folgerungen werden gezogen werden) können
wir nach § 125 auch so aussprechen: Der Ort der Mittelpunkte
der geodätischen Krümmung einer Schar paralleler Grenz-
kreise auf einer pseudosphärischen Fläche ist wieder eine
pseudosphärische Fläche.
Indem wir nun zu den beiden anderen Fällen übergehen, sehen
wir, dass sich für das Quadrat des Linienelements des zweiten Mantels
der Evolutenfläche nach Gleichung (19*), § 130, im Falle (II)
im Falle (III)
ds^^ = tangh^ ^i-i- dr,-' -\ ^STc'
Jti
ds^^ = cotgh* *^i-i— dr^^ -\ r jTt
ü
ergiebt. Die Meridiancurven der zugehörigen Rotationsflächen können
in den beiden Fällen bezüglich durch die Gleichungen :
§ 136. Evoluten- und Ergänzungsflächen der pseudosphärischen Flächen. 255
B
yiEt^k^ + 1
R
sm
tp, z = R flog tang ^ + cos tp] ,
, qp, z = R\ log tang „ + cos w
sin
definiert werden, wo l' eine Constante ist. Vergleicht man diese Glei-
chungen mit den früheren (§ 99, S. 191):
)• ^ R sin tp, z = -iRl log tang ^ -(- cos (p\ ,
so sieht man. dass die erste Curve die Projection der gewöhnlichen
Tractrix auf eine durch die Asymptote gelegte Ebene ist; wir bezeich-
nen sie als verkürzte Tractrix. Die zweite Curve hat dagegen zur
orthogonalen Projection auf eine durch die Asymptote gelegte Ebene
die Tractrix selbst und werde als verlängerte Tractrix bezeichnet.
Also: Die Ergänzungsflächen einer pseudosphärischen
Fläche in den drei Fällen (I), (11), (III) sind auf Rotations-
flächen abwickelbar, die bezücrlich die crewöhnliche. die ver-
kürzte oder die verlängerte Tractrix zur Meridiancurve und
die Asymptote zur Drehaxe haben.
'Kapitel X.
Strahlensysteme (Coiigruenzen).
Strahlensysteme. ^ Grenzpunkte und Hauptflächen. — Isotrope Congruenzen von
Ribaucour. — Abwickelbare Flächen und Brennpunkte des Strahlensystems. —
Strahlensysteme von Normalen. — Beltrami'scher Satz. — Malus-Dupin'scher Satz.
— Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde der Hauptflächen. — Strahlen-
systeme mit gegebenem sphärischen Bilde der abwickelbaren Flächen. — Glei-
chungen, die sich auf die beiden Brennfläehen beziehen. — Pseudosphärische
Strahlensysteme. — Guichard'sche Strahlensysteme. — Guichard'sche und
Voss'sche Flächen.
§ 136. Strahlensysteme.
Die Theorie, welche wir in dem vorliegenden Kapitel entwickeln
wollen, hat zum Gregenstande die Systeme von doppelt unendlich vielen
Geraden, die so im Räume verteilt sind, dass durch jeden Punkt des
Raumes oder eines gewissen Raumgebiets eine Gerade oder eine end-
liche Zahl von Geraden des Systems hindurchgeht. Derartige Systeme
von oo^ Geraden (Strahlen) werden kurz als Strahlensysteme oder
auch als Strahlencongruenzen oder einfach als Congruenzen be-
zeichnet. Die Gesamtheit der Normalen einer Fläche ist nur ein beson-
derer Fall eines solchen Systems.
Diese Theorie, die aus Fragen der geometrischen Optik hervorge-
gangen ist, hat für die Flächenlehre immer mehr an Bedeutung gewon-
nen, und es scheint nicht zweifelhaft, dass sie in Zukunft noch viel
mehr zu den Fortschritten der Geometrie beizutragen bestimmt ist.
Wir werden hier, im Anschluss besonders an die classische Arbeit
von Kummer*), die Grundlagen der Theorie entwickeln und in diesem
und den folgenden Kapiteln die hauptsächlichsten Anwendungen geben.
*) Allgemeine Theorie der geradlinigen Strahlensysteme. (Grelles Journal,
Bd. 57.)
§ 186. Strahlensysteme. § 137. Formeln für Strahlensvsteme. 257
Wir beschäftigen uns zunächst damit, das Strahlensystem analytisch
zu definieren. Zu diesem Zwecke schneiden wir das ganze Strahlen-
system durch eine Fläche S und betrachten für jeden Strahl des Systems
denjenigen Punkt, in welchem (oder einen von denjenigen Punkten, in
welchen) er von S geschnitten wird, als Anfangspunkt. Die Fläche S
beziehen wir auf ein krummliniges Coordinatensystem («, r) und
definieren das Strahlensystem analytisch in der Weise, dass wir die
Coordinaten .r, y, z des Anfangspunktes und die Bichtungscosinus des
Strahles, die wir mit
X, r, z
bezeichnen, als Functionen von w und v ausdrücken.
Yon den Functionen x, y, z setzen wir voraus, dass sie samt
ihren partiellen Differentialquotienten endlich und stetig seien.
Ziehen wir durch den Mittelpunkt der Kugel:
x^ + f + ^' = 1
den Radius parallel der positiven Richtung des Stnihles des Systems,
so sind X, 1", Z die Coordinaten seines Endpunktes Jl/^. Diesen
Punkt betrachten wir als das sphärische Bild der Geraden («, v) des
Strahlensystems. Durchläuft die Gerade (</, v) das System, so beschreibt
der Punkt J/j das sphärische Bild des Strahlensystems.
Die Coordinaten |, ?;, ^ jedes Punktes P auf dem Strahl («t, v)
sind durch die Gleichungen:
(Ij l = x^tX, r^=y-^tY, l = z + tZ
gegeben, wo t die Abscisse des Punktes P auf dem Strahl ist und
vom Anfangspunkte P^ oder (x, y, z) ab gerechnet wird.
§ loT. Formeln für Strahlensysteme.
Mit Kummer führen wir die folgenden Fundamentalfunctionen ein:
(2; ^(-r-^- y.'^^'^^F, yim^G,
^ ^ ^^ \ru/ j^, cu CV ' .^mJ \cv/ '
/q ^7 c Xcx '^cXcx , 'VTfX ex ^
^ "^ ^m c n c 11 ' .^mJ euer ' .^— ' cv cu ' '
2
^ cX ex
9,
ev ev
mit Hilfe deren sich die beiden quadratischen Differentialformen aus-
drücken:
(4; ds^- =^d:r- = Edtr + 2Fdn dv + G dvK
(5) '^dxdX = e dir + ( / + f) du dv + gdv\
die wir die beiden Grundformen nennen. Die erste stellt das Quadrat
BiancUi, Differentialgeometrie. 17
258
Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
des Linienelements des sphärischen Bildes dar; offenbar giebt ds^ auch
den unendlich kleinen Winkel zwischen zwei auf einander folgenden
Erzeugenden (u, v\ (ii -\- du, v -\- dv) an.
Wir bezeichnen ferner mit dp die unendlich kleine Länge des
kleinsten Abstands des Strahles (u, v) von dem unendlich benachbarten
Strahl, mit cosa, cos&, cosc die Richtungscosinus dieses kleinsten Ab-
stands und endlich mit r den Wert der Abscisse t im Fusspunkt von
dj) auf dem Strahl (u, v) und haben dann:
cosa : C0S& : cosc = (YdZ^ZdT): {ZdX—XdZ) : (XdY— YdX),
= [(
dz
du
cX
du
cY
du
Zil)du + (Y'^
du
XS^)du-^
du
dx
du
du-\- (X
dv
dX
dv
oY
Z V, dv
dv
X 1- ) dv
cv
Y^i^)dv
dv
Wegen der Identitäten in § 68 (S. 131, 3. Anm.) kann man schreiben:
cos a : cos h : cos c =
dX
dv
dY
dv
F l^) du - (al^ -F'^) dv
du/ \ du dv J
F
du
\ du — (
G
djY
du
F -/') dv
dv
dv
Fi^)du-(a-l^-F^ß)dv
cuj \ du dv j
und daraus folgt:
{
(6)
cosa =
C0S& =
cos c ==
E
dx
dv
v,— ] du 4- { .
cul \
r^dX
i
dv
dx
G V^ ) dv
du j
YEG—F^ yEdu^ -\-2Fdudv -\- Gdv^
(E -^ F-„ ) du-}- (F^ G „1 dv
\ dv du/ \ dv du/
yEG—F^ yEdu^ + 2Fdudv + Gdt
{.
dz_
dv
dZ_
du
) du-\- (
F
dZ
dv
G
dz
du
) dv
Nun ist:
yEG—F^ yEdu^ + 2Fdudv + Gdv^
dp = ^ cos adx
oder infolge obiger Gleichungen:
(7)
dp =
Edu + Fdv Fdu -\- Gdv
yjEG - F» ds, edu + fdv fdu + gdv
§ 138. Grenzpunkte und Hauptebenen. 259
Da r die Abscisse des Fusspunktes von dj) auf dem Strahl (m, v)
ist, so folgt, wenn t diejenige des Fusspunktes auf dem Strahl
{u-\-du, v'-\-dv) bedeutet:
X + rX. + dj) cos a = X -\- dx -\- t(X -\- dX)
nebst entsprechenden Gleichungen in y^ z oder:
rX -j- dp cos a= dx -\- t{X -j- dX),
rY ■\- dp cosh = dy -\- t{Y -\- dT),
rZ -f- dp cosc = dz -\- t(Z -\- dZ ).
Diese Gleichungen geben, der Reihe nach mit X, Y, Z multipliciert
und dann addiert:
t^=r — ^ XdXy
d. h. t unterscheidet sich, wie es auch natürlich ist, unendlich wenio-
von r. Wenn wir die Gleichungen dagegen mit dX, dY, dZ mul-
tiplicieren und dann addieren, so erhalten wir:
^dxdX+ {r —^ Xdx) ^dX^ = 0.
Also ist mit Vernachlässigung der unendlich kleinen Glieder höherer
Ordnung:
ZdxdX
~ 2dX*
d. h.
/QN r = — ^^"* + (f+Ddudv -f gdv*
^^ Edu^ -\-2Fdudv -{- Gdv'
§ 138. Grenzpunkte und Hauptebenen.
Die soeben abgeleiteten Gleichungen führen zu bemerkenswerten
Folgerungen, zu denen wir am einfachsten dadurch gelangen, dass wir
eine geeignete Transformation der knimmlinigen Coordinaten (u,v) vor-
nehmen. Hierzu schliessen wir zunächst den Fall aus, dass die beiden
Grundformen (4) und (5) einander proportionale Coefficienten besitzen,
d. h. dass die Proportion:
E:F:G = e-J^:g
bestehe. Dann kann mittels einer bestimmten reellen Transformation
der Coordinaten u, v gleichzeitig (§ 31, S. 58)
gemacht werden.
Angenommen, diese Transformation wäre ausgeführt, so wird die
Gleichung (8):
(S*) r=— g<^"* + gdv^
^ ^ ■ Edu^-\-Gdv''
17*
260 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
Bezeichnen wir mit r^, r^ diejenigen Werte von r, welche bezüglich
(lvj= 0, du = 0 entsprechen, so erhalten wir:
^ 9
wo der getroffenen Annahme zufolge der Fall r^ = r., ausgeschlossen
bleibt. Gleichung (8*) lässt sich dann in der Form:
/j^N , Ei\ du^ -j- ^''a <^^^
^^•^ *" ■" ~ Ech? ''-f'G dv' '
schreiben, und wenn z. B. r^ > r^ vorausgesetzt wird, so ist:
^ ' ~Edu'^ Gdv' 2 jE;dMä_j_ q^^»'
woraus
folgt.
Wir bezeichnen mit L^ bez. ig die Fusspunkte der kleinsten Abstände
des Strahls (u, v) von den beiden unendlich benachbarten Strahlen
(u -f- du, v), {iij v -\- dii)-^ ihre Abscissen sind r^, r^. Nach dem
Obigen fällt der Fusspunkt des kleinsten Abstandes des Strahles (h , v)
von jedem andern unendlich nahen Strahl (u -\- du, f -f- dv) zwischen
die Punkte ij, und Zg; dieselben werden deshalb Grenzpunkte ge-
nannt.
Wenn wir mit
cos«!, C0S5^, COSCj,
bez. ^
COS «2, COS 62, COS 6*2
die Werte von cos a, cos&, cosc in den Grenzpunkten L^, L^ bezeich-
nen, so erhalten wir gemäss den Gleichungen (6):
cos «^
1 ax
ya dv
cos «2
demnach :
__ 1 dX
~~ yE du
cos fej
1 dY
~~ ya dv '
COSCj
1 dz
ya dv '
COS&2
y'E du '
cos C.2
1 dz
yE du
costtj cos «2 -\- cosh^ cos(f>2 -j- cos6\ cos 6*2 = 0.
Also ergiebt sich der Satz: Die Richtungen der kleinsten Ab-
stände des Strahles (u, v) von denjenigen beiden Strahlen
des Strahlensystems, für welche die Fusspunkte dieser Ab-
stände in die Grenzpunkte Lj^, L.^ fallen, stehen auf einander
senkrecht.
Ilauptebenen des Strahles (t*, v) werden diejenigen Ebenen ge-
nannt, welche durch diesen Strahl senkrecht zu jenen beiden Minimal-
abständen gelegt werden. Der obige Satz lässt sich dann auch so aus-j
§ 139. Isotrope Congruenzen von Ribaucoar. Hauptflächen. 261
sprechen: Die beiden Hauptebenen eines jeden Strahles stehen
auf einander senkrecht.
Wir können nun die Gleichung (9) in einer anderen Form schrei-
ben, wenn wir den Winkel a einführen, den der kleinste Abstand djy
des Strahles (m, v) vom Strahl (ii -\- du, v -{- dv) mit dem auf den
Grenzpunkt ^ bezüglichen Abstand d}^ bildet. Wir haben nämlich:
„ VE du
cos a = 2j cos a cos «i =
YEdu* -\- Gdv*
Edu' . ^ Gdv
cos' o = p j— i— r-v^j— 7 sm*o =
Edtt'-\-Gdv^- '''^ ,~ EdH'--\-Gdc^
Somit entsteht aus (9) die Hamilton 'sehe Gleichung:
(10) r = >\ cos* ö -(- y% sin^ cj .
§ 189. Isotrope Congruenzen von Ribaucour. Hauptflächen.
Wir untersuchen nun den Ausnahmefall:
e'J±f-:g = E:F:Cr.
Die Betrachtungen des vorigen Paragraphen bleiben auch dann noch
gültig, mit dem einzigen Unterschiede, dass die dort vorgenommene
Transformation hier auf unendlich viele Weisen möglich ist. Da sich
t\ = r^ ergiebt. fallen die Grenzpunkte Lj. L^ auf jedem Strahl in
einen einzigen Punkt zusammen, und in denselben Punkt fallen auch
die Fnsspunkte aller Minimalabstände des Strahles von den unendlich
benachbarten Strahlen. Diese merkwürdigen Strahlensysteme sind zu-
erst von Ribaucour untersucht worden, der ihnen den Xamen iso-
trope Congruenzen gegeben hat. Ihr Studium bietet ein hohes
Interesse wegen ihrer Beziehungen zu den Minimalflächen, die wir
demnächst entwickeln werden.
Wir machen hier die folgenden Bemerkungen: Eine Gleichung:
(p(u, r) = 0
zwischen den Coordinaten w, v eines Strahles irgend eines Strahlen-
systems stellt eine Linienfläche dar. deren Erzeugende Strahlen des
Systems sind, oder kurz ausgedrückt eine Linienfläche des Strahlensystems.
Bei jeder Linienfläche einer isotropen Congruenz fällt offenbar die
Strictionslinie mit dem Ort der Grenzpunkte ihrer Strahlen zusammen.
Bei einer allgemeinen Congruenz dagegen tritt dieses nur bei den
beiden Scharen von Linienflächen:
u = Const., V = Const.
262 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
ein, wenn u, v die im vorigen Paragraphen eingeführten Veränderlichen
sind. Die Strictionslinie ist für jede Fläche v = Const. der Ort des
Grenzpunktes L^ auf den entsprechenden Strahlen und ebenso für eine
Fläche u = Const. der Ort des Grenzpunktes L^. Die Linienflächen
dieser beiden Scharen werden daher als die Haupt flächen des Strahlen-
systems bezeichnet. Im Falle der isotropen Congruenzen und nur in
diesem Falle ist jede Fläche des Systems eine Hauptfläche.
Wenn wir im Falle einer isotropen Congruenz als Curven (m, v)
auf der Kugel ein Orthogonalsystem und als Ausgangsfläche die Orts-
fläche der Grenzpunkte wählen, welche die Mittel fläche des Strahlen-
systems genannt wird, so haben wir:
r,=r^ = 0,
daher:
e = 0, /• + r=0, ^ = 0,
d. h. es ist identisch:
dxdX-\- dydY-\- d2dZ=0.
Wenn also die Mittelfläche S auf die Kugel abgebildet wird, nicht nach
der Gaussischen Methode, sondern in der Weise, dass parallel der Rich-
tung des Strahles des Systems ein Kugelradius gezogen wird, so zeigt
die obige Gleichung, dass jedes Linienelement von S auf dem ent-
sprechenden der Kugel senkrecht steht. Somit ergiebt sich der Satz
von Ribaucour:
Die Mittelfläche einer isotropen Congruenz entspricht
der Kugel durch Orthogonalität der Elemente.
Umgekehrt leuchtet ohne weiteres ein, dass, wenn eine Fläche S
durch Orthogonalität der Elemente der Kugel entspricht, eine isotrope
Congruenz entsteht, wenn durch die Punkte von S zu den Radien
nach den entsprechenden Punkten der Kugel Parallele gezogen werden.
Endlich bemerken wir, dass, wenn von der Mittelfläche von S aus
auf jedem Strahl eine constante Strecke t abgetragen wird, sodass
^ = x-\-tX, rj = y-\-tY, t = z + tZ
die Coordinaten des Endpunktes sind, das Linienelement-Quadrat der
Ortsfläche der Endpunkte durch
gegeben ist und sich demnach nicht ändert, wenn t durch — t ersetzt
wird. Die beiden Flächen S^, S^, die entstehen, wenn die Strecke t
nach beiden Seiten abgetragen wird, sind also auf einander abwickel-
bar, wobei sich die Punkte auf demselben Strahl entsprechen und die
Entfernung zweier entsprechender Punkte constant gleich 2 t ist. Um-
§ 140. Gleichung zur Bestimmung der Grenzpunkte. 263
gekehrt ist klar, dass, wenn bei einem Paar auf einander ab-
wickelbarer Flächen die Entfernung der entsprechenden
Punkte constant ist, die Verbindungslinien der entsprechen-
den Punkte eine isotrope Congruenz bilden.
§ 140. Gleichung zur Bestimmung der Grenzpunkte.
Wir kehren nun zu den allgemeinen Ergebnissen in § 138 zurück,
die wir dadurch erhalten haben, dass wir ein besonderes System von
Veränderlichen einführten, solche nämlich, die gleich Constanten ge-
setzt die Hauptflächen des Strahlensystems liefern. Wir wollen mm
die Veränderlichen u, v als beliebig gewählt voraussetzen und die grund-
legende Gleichung aufstellen, welche die Abscissen r^, r^ der Grenzpunkte
giebt. Die Diiferentialgleichung der Hauptflächen ergiebt sich (§ 31,
S. 57), wenn die Jacobische Covariante der beiden Grundformen (4)
und (5), d. h. die Determinante:
I Edu + Fdv Fdu + Gdv
\ edu-\-^dv f^du-\-gdv
gleich Null gesetzt wird. Sie lautet demnach:
(^K){^^E—eF)du'-\-(gE-eG)dudv-\-[gF-^^^G)dv' = 0.
Für diejenigen Werte von ^, welche dieser Gleichung genügen,
lässt sich die Gleichung (8), nämlich:
{edu + ^i^ dv) du-\- {^^^ du + gdv) dv
^^ {Edu -flFdv)du + {Fdu + Gdv)dv^ '
wie folgt schreiben:
edu + ^^dr f±Ldu + gdv
*""= Edu + Fdv "" Fdu -\- Gdv
Es ist daher:
(Er -^e)du+ [Fr + ^^) dv = 0,
(Fr + ^) du + {Gr -{-g)dv = 0.
Durch Elimination von du und dv aus diesen beiden Gleichungen
ergiebt sich für r die quadratische Gleichung:
(B) {EG-F')r^- + [gE-(f+nF-\- eG]r + eg - (f^) =0,
deren Wurzeln die Abscissen der beiden Grenzpunkte sind.
= 0
264 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
§ 141. Abwickelbare Flächen und Brennpunkte des Strahlensystems.
Wir untersuchen nun, ob es unter den Linienflächen des Strahlen-
systems abwickelbare Flächen giebt. Für eine solche Fläche:
(11) cp{u, v) = 0
muss dp, d. h. infolge der Grleichung (7)
I Edu + Fdv Fdu -{- Gdv
I edu -f- fdv f du -\- gdv
oder entwickelt:
(C) (f'F -- eF) du'' + \(/F + (/•'— /■) F—eG] dudv +
+ {gF — fG)dü' = 0
sein. Also: Die Strahlen des Strahlensystems können in zwei
(reellen oder imaginären) Scharen von abwickelbaren Flächen
angeordnet werden.
Zu derselben Differentialgleichung (C) der abwickelbaren Flächen
des Strahlensystems gelangen wir auch auf die folgende Weise , die
uns ausserdem noch ein anderes wichtiges Element liefert: Wir nehmen
an, es wäre die Gleichung (11) die einer abwickelbaren Fläche des
Strahlensystems, und bezeichnen mit q die Abscisse des Punktes F, in
dem der Strahl {u, v) die Rückkehrcurve der Fläche (11) berührt.
Dann sind die Coordinaten von F:
,Xj =x •{- qX, y, = 7/ + p r, g^ = 3 -\- qZ.
Wenn wir diese Gleichungen differenzieren, wobei wir u und v
als durch die Gleichung (11) verknüpft voraussetzen, so sind der An-
nahme zufolge dx^, dy^, dz^ proportional den Grössen X, Y, Z, und
wir erhalten demnach:
dx-^ QdX=lX, dy-\rQdY^XY, dz -{- QdZ= IZ,
wenn A ein (unendlich kleiner) Proportionalitätsfactor ist.
Multiplicieren wir diese drei Gleichungen der Reihe nach das erste
Mal mit ^ , ^ , o— , das zweite Mal mit ,-, , k , ^ , und addie-
reu wir sie jedesmal, so erhalten wir:
edu -\- fdv + Q(Edu -\- Fdv) = 0,
- . fdu + gdv + Q(Fdu + Gdv) = 0.
Durch Elimination von q ergiebt sich genau die Differential-
gleichung (C) der abwickelbaren Flächen des Strahlensystems. Werden
dagegen du und dv eliminiert, so ergiebt sich für q die quadratische
Gleichung:
§ 141. Abwickelbare Flächen und Brennpunkte des Strahlensystems. 265
(D) (EG-F')Q'-\-[gE-if+f)F-\-eG^Q-\rC'J-tr=^-
Ihre Wiu-zeln q^, q^ sind offenbar die Abscissen der beiden Punkte
F^, F^, in denen der Strahl («, v) die Rückkehrcurve der einen oder
der andern durch ihn hindurchgehenden abwickelbaren Fläche der
beiden Scharen berührt. Diese beiden Punkte werden die Brenn-
punkte des Strahles («, v) genannt und können auch als diejenigen
beiden Punkte definiert werden, in denen der Strahl (u, v) von den
beiden unendlich benachbarten Strahlen, die der einen bez. der andern
abwickelbaren Fläche angehören, geschnitten wird*). Sie sind reell
oder imaginär, je nachdem die abwickelbaren Flächen des Strahlen-
systems reeU oder imaginär sind.
Vergleicht man die Gleichungen (B) und (D), so folgt:
d. h. der Mittelpunkt der Grenzpunkte fällt mit demjenigen
der Brennpunkte zusammen. Dieser Punkt wird deshalb der
Mittelpunkt des Strahles genannt, und der Ort der Mittelpunkte heisst
die Mittelfläche. Aus den Gleichungen (B) und (D) folgt femer:
Also ist:
(n — »-a)' — (?i — 9if = -Wg^F'- '
Wird demnach mit 2(Z die Entfernung der Grenzpunkte und mit
2d diejenige der Brennpunkte bezeichnet, so ist:
(12) 'P-^' = i^ß^^-
Wenn also die beiden Brennpunkte reell sind, so liegen sie, wie
auch aus § 138, S. 260, folgt, zwischen den Grenzpunkten.
Der Einfachheit halber wählen wir die Mittelfläche als Ausgangs-
fläche. Dann lautet, wenn
r^ = d, ^2 = — d
gesetzt ist, die Hamilton'sche Gleichung (§ 138, S. 261):
r = d cos 2 w ,
woraus hervorgeht, dass, während der Fusspunkt des kleinsten Ab-
standes zwischen dem Strahl (u, v) und einem unendlich benachbarten
Strahl die Strecke zwischen den Grenzpunkten von -{- f? bis — d durch-
läuft, der Winkel o von 0 bis ^ wächst, wobei er den Wert ^ im
*) Das Schneiden findet nur bis auf unendlich kleine Grössen höherer Ord-
nung ."»tatt, d. h. dp ist in I\ und F, von höherer als der ersten Ordnung unend-
lich klein.
266 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
Mittelpunkt des Strahles annimmt. Bezeichnen wir mit o^, cog seine
Werte in den Brennpunkten
so haben wir:
demnach ist:
cos 2 03^ = -r j cos 2 OJg = -
«1 + «2 = 9
)
Als Brennebenen werden diejenigen Ebenen bezeichnet, welche durch
den Strahl und durch die beiden ihn schneidenden unendlich benach-
barten Strahlen gelegt werden. Somit folgt: Die Winkel der bei-
den Brennebenen werden durch dieselben Ebenen halbiert
wie die Winkel der beiden Hauptebenen.
Bezeichnen wir den Winkel der beiden Brennebenen mit
r = «2 — «1 = 2 — 2gJi,
so haben wir infolge der obigen Gleichungen:
(13) smy==-^) cosy
d
§ 142. Brennflächen des StraMensystems.
In Verbindung mit einem gegebenen Strahlensystem sind fünf
Flächen zu betrachten, nämlich die Mittel fläche, der Ort der Mittel-
punkte, die beiden Grenzflächen, die Orter der Grenzpunkte, und
endlich die beiden Brenn flächen, die Orter der Brennpunkte*). Die
ersten drei sind stets reell, die letzten beiden nur für Strahlensysteme
mit reellen abwickelbaren Flächen. Das Strahlensystem wird dann
von den gemeinschaftlichen Tangenten der beiden Brennflächenmäntel
S^ und ;S^2 gebildet. Da die beiden Brennpunkte F^, F^ die Berührungs-
punkte des Strahles mit den Brennflächen 8^, S^ sind, so sind die
Brennebenen offenbar die Tangentialebenen der Brennflächen in JP\,i^2-
Die Strahlen des Systems umhüllen auf S-^ eine Schar von oo^ Curven,
nämlich die Rückkehrkanten JT^ der abwickelbaren Flächen der einen
der beiden Scharen; Ahnliches gilt für S^. Man sieht sofort, dass
die Schmiegungsebene der Curve F^ im Punkte F^, durch den sie hin-
*) Bei vielen Untersuchungen ist es vorteilhaft, noch eine sechste, von
Ribaucour als Mittelenveloppe eingeführte Fläche zu betrachten, nämlich die
Enveloppe derjenigen Ebenen, welche auf den Strahlen in den Mittelpunkten senk-
recht stehen (Mittelebenen).
§ 142. Brennflächen des Strahlensystems. 267
durchgeht, auch Tangentialebene von S^ in F., ist. Die beiden Seharen
von abwickelbaren Flächen des Strahlensystems schneiden jede der
Brennflächen in einem conjugierten Curvensystem. (Nach S. 107.)
Können die Brennflächen zusammenfallen? Ist dem so,
so fallen die auf der Brennfläche Von den Strahlen umhüllten Curven
mit ihrem eigenen conjugierten System zusammen, d. h. sie sind die
Haupttangent^ncurven der einen Schar. Femer lässt sich leicht nach-
weisen, dass dann die Entfernung 2d der Grenzpimkt« durch
gegeben ist. wo K das Krümmungsmass der Brennfläche ist.
Man wähle nämlich als Ausgangsfläche die Brennfläche, als Para-
meterliuien die in Rede stehenden Haupttangentencurren v und ihre
orthogonalen Trajectorien u, und es sei
ds' = E'du--{- G'dv^
das Quadrat des Linienelements der Brennfläche. Für die Coefficienten
der zweiten Grundform haben wir nach (III), S. 91:
^ = 0. #^ = -^'-
Wir bilden die Richtungscosinus der Tangenten der Parameterlinien:
V 1 ex ^ 1 cy y 1 cz
^ ywcu Y^' cu yWcu
-rr 1 ex V 1 dy ^ l dz
^fW cv VG' cv yW ev
und folgern aus den Gleichungen (I), S. 89, mit Rücksicht auf (A), S. 67:
cu ~ YG" ev ^' cv YW du - YE'
Da nun X^, Y^, Z^ gerade die Richtungscosinus des Strahles
(m, v) sind, so finden wir für die Grundgrössen (2), (3), S. 257:
V]/G^ cv /' Y^'G' dv du
\Ye' du J e'
_ . ay^ ^ ., ^ yWdY~G'
demnach :
268 Kap. 10, Strahlensysteme (Congruenzen).
Die Gleichung (B), S. 263, giebt also, da ihr mittleres Glied gleich
Null ist:
1 D'*
ir^ ~~ W G' "" '
was zu beweisen war.
§ 143. Normalensysteme. Malus -Dupin's eher Satz.
Ein Strahlensystem heisse ein Normalen System oder eine Nor-
malencongruenz, wenn es eine Fläche und folglich (§ 131, S. 248)
eine Schar von oo^ Flächen giebt, die zu allen Strahlen normal sind.
Wenn ein Strahlensystem eine Normalencongruenz ist, so muss es
möglich sein, in den Gleichungen (1), S. 257, für t eine solche Function
von u und v zu wählen, dass die Ortsfläche des Punktes (|, )j, t,) zu
den Strahlen normal wird. Dann müssen die Difi'erentiale c?|, r/ry, dt,
der Bedingung:
Xdl + Ydn -{- Zdi ^ 0
genügen. Nun ist:
di = dx-\-Xdt-{-tdX, dri=dy+Ydt+tdY, dt=dz--\-Zdt-\-tdZ,
daher lautet die gestellte Bedingung:
dt-{-^Xdx=0.
Setzen wir noch:
(14) f^=2'x|^ ^"=2^1^'
so haben wir zur Bestimmung von t die Gleichung:
cU^ — (Udu+Vdv),
derzufolge die gestellte Bedingung die Forderung:
(15) 1- = '/
liefert, die wegen der Gleichungen (3) auch in der Form:
(15*) / = /•'
geschrieben werden kann.
Unter der Voraussetzung also, dass die Gleichung (15) oder (15*)
erfüllt ist, giebt es eine Schar von (parallelen) zum Strahlensystem
orthogonalen Flächen, die durch die Gleichung:
(16) t = Const. ~-f(Udu + Vdv)
bestimmt sind.
Wenn f gleich /" ist, so ist nach (12) und (13):
d = d, > = Y '
§ 143. NormalensTsteme. Malus -Dupin'scher Satz. 269
und umgekehrt folgt aus der einen oder der anderen von letzteren Glei-
chungen: f=f. Also:
Dafür, dass ein Strahlensystem eine Xormalencongruenz
sei, ist die notwendige und hinreichende Bedingung, dass
die Brennpunkte mit den Grenzpunkten zusammenfallen oder
anders ausgedrückt, dass die Brennebenen auf einander senk-
recht stehen *j.
Die beiden Brennflächen eines Xormalensystems fallen offenbar
mit den beiden Mänteln der Evolutenfläche der zu den Strahlen ortho-
gonalen Flächen zusammen.
Die Gleichung (15) bringen wir auf eine andere Form, indem wir
die Winkel a, ß einführen, die der Strahl («, v) mit den Parameter-
linien V, u der Ausgangsfläche S bildet. Ist
ds- = E'diC- -f 2F'dudv -f G'dv-
das Quadrat des Linienelements dieser Fläche, so haben wir:
cos
X ex U j "v:! i ca: V
a = ^ ^= ^ = -== > cos /3 = ^
Daher lässt sich Gleichung (15) so schreiben:
...„V ciVWcoio) ciVW' cosö)
Wird diese Gleichung als erfüllt angenommen, so giebt die Gleichung (16):
(18) t = Const. — fW'E' cos u du + YG' cos ßdv).
In diesen Gleichungen treten nur die Winkel er, ß und die Coeffi-
cienten des Linienelement -Quadrats der Ausgangsfläche auf Beltrami
hat daraus die folgenden interessanten Schlüsse gezogen: Indem wir
die Bedingung (17) als erfüllt annehmen, denken wir uns die Fläche
S verbogen, wobei das Strahlensystem mit der Fläche fest verbunden
ebenfalls imd zwar so verändert wird, dass sich die Winkel a, ß nicht
ändern. Die Bedingung (17) bleibt dann stets erfüllt, und der Wert
(18) für t ändert sich bei der Verbiegimg nicht. Somit ergiebt sich
der Beltrami sehe Satz:
Wenn die von den Funkten einer Fläche S ausgehenden
Strahlen eines Normalensystems von einer der Orthogonal-
flächen 27 begrenzt gedacht werden, so ist bei jeder Yerbie-
gung der Fläche S. bei der die mit der Fläche fest verbunden
*) Dieser Satz ergiebt sich auch unmittelbar aus den geometrischen Betrach-
tungen in § 131.
270 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
gedachten Strahlen ebenfalls ihre Lage ändern, der Ort der
Endpunkte der Strahlen stets eine zu den Strahlen ortho-
gonale Fläche*).
Aus der Gleichung (17) lässt sich ferner leicht der Malus-Du-
p in 'sehe Satz ableiten:
Wenn ein von Lichtstrahlen gebildetes Normalensystem
eine beliebige Anzahl von Reflexionen oder Refractionen er-
fährt, so bleibt es immer ein Normalensystem.
Wir nehmen nämlich als Ausgangsfläche S die reflectierende oder
brechende Fläche, als Parameterlinien u auf S diejenigen Curven, welche
von den orthogonalen Projectionen der Strahlen auf die Tangentialebenen
von S umhüllt werden, und als Curven v ihre orthogonalen Trajec-
torien. Dann haben wir:
TT ^ TT
wenn y der Winkel des Strahles mit der Normale von S ist. Die Glei-
chung (17) wird nun:
g(]/^siny) _
du ~~ '
und wenn sie erfüllt ist, so ist sie es auch noch dann, wenn mittels
der Bedingung:
sin ;/'= n sin y (n = Const.)
y durch y' ersetzt wird, wodurch der Satz bewiesen ist.
§ 145. Strahlensy steine mit gegebenem sphärischen Bilde der
Hauptflächen.
Wir kehren nun zu den allgemeinen Strahlensystemen zurück, um
nach einander zwei Aufgaben zu behandeln, die als die Verallgemeine-
rung der folgenden betrachtet werden können: die Flächen mit gege-
benem Bilde der Krümmungslinien, d. h. die Normalensysteme mit
gegebenem sphärischen Bilde der abwickelbaren Flächen (§ 74, Kap. V)
zu bestimmen. Für ein Normalensystem fallen die abwickelbaren
Flächen mit den Hauptflächen (S. 262) zusammen, während im Falle
eines allgemeinen Strahlensystems die beiden Scharen von einander
*) Es mag bemerkt werden, dass, da in den Gleichungen (17) und (18) nur
E' und G' auftreten, die biegsame Fläche S auch als nur teilweise undehn-
bar, d. h. nur längs der Curven u, v als undehnbar angenommen zu werden
braucht. Auch bei diesen allgemeineren Verbiegungen behält der Beltrami'sche
Satz seine Giltigkeit.
§ 145. StrahlensTsteme mit gegebenem sphärischen Bilde der Hauptfläohen. 271
verschieden sind. Wir müssen uns daher nach einander mit folgenden
beiden Aufgaben beschäftigen:
1) die Strahlensvsteme mit gegebenem sphärischen Bilde
• der Hauptflächen,
2) die Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde
der abwickelbaren Flächen zu bestimmen.
Zunächst wollen yrir uns mit der ersten Aufgabe beschäftigen, die
stets eine reelle Bedeutung hat, mögen nun die abwickelbaren Flächen
reell oder imaginär sein.
Das System (m, v) auf der Kugel, das Bild der Hauptflächen,
muss ein orthogonales sein (§ 138, S. 261). Es sei also
ds- = Edu^ + Gdv^
das Quadrat des Linienelements des sphärischen Bildes. Als Ausgangs-
fläche nehmen wir die Mittelfläche (S. 265), so dass die Unbekannten
unserer Aufgabe die Coordinaten x, y, z des Mittelpunktes des Strahles
(m, V) sind. Nach Voraussetzung müssen wir
F=0, /-ff=0, eG + gE = 0
haben, und wenn mit '2r die Entferaung der Grenzpunkte bezeichnet
wird, ist also wegen der auf S. '2^() für )\ und r^ gefundenen Werte:
(19) > ^— -rr- = rE, x,^^-^^ = — r(jr,
^ ^ .^_/ CV, ext ^ ^mi CV CV '
^7 CX cX . ^icx cX ^
^^ CV CM .^i du CV
Wir fuhren nun eine neue unbekannte Function (p ein, indem wir
(20) f = '2U''^ = -pV^' r^-^rJ^ä^-fV^
setzen. Die geometrische Bedeutung von (p ergiebt sich unmittelbar
aus der Gleichung (D) in § 141 (S. 265), da, wenn mit 2q die Entfer-
nimg der Brennpunkte bezeichnet wird,
(21) cp^ = n - Q'^
folgt.
§ 146. Lösung der gestellten Aufgabe.
Aus der ersten der Gleichungen (20) berechnen wir - S -,
indem wir beachten, dass infolge der Gleichungen (4), S. 122,
c^ _ \ll\cX ill\cX ^,.
dtt* ~ \ 1 \ du ~T~ \ 2 \ CV ^^
272 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
und ferner infolge der ersten der Gleichungen (19)
ji-J dudv du cv .^J duW 1 j du ' \ 2 j dv)
ist. Daraus ergiebt sich mit Berücksichtigung wieder der Gleichungen •
(19) und (20):
' cv .^mJ cv
In unserem Falle ist aber nach (A), S. 67 :
(I2l jlll dlogVEG im , (I2l.
Daher folgt:
/x ^ y.cx _ 1 c{rl!) -\/(? dcp
^^^ ^ ^dv ~ E "c'v ~ V Ed^'
Ebenso ergiebt sich durch Differentiation der zweiten der Gleichungen
(20) nach v:
(b) yx'.^=-y^^:^^+y^-l^.
^ ^ .^^ cu G du ^ f G cv
Nun brauchen wir nur die Gleichungen (a), (b) mit (19), (20) zu com-
1 • • j ■, ex dy cz ex cy dz n -... , ,,
Dimeren und nach 7^ , ^-, t^— t t^-, ^ , ^ auizulosen, um zu erhalten:
cu^ du^ du^ dv^ öv^ cv '
i ex cX _ -i/E ^X r t/E dcp _ 1 dJjG)
^Ju V G ^ cv ^ i V G cv G du _
, du
(22)
X,
\dx__ cX -i/G_ S^ \'_^/G_d_^_.l_dirE)
[ dv ^ Jv ~^ V ~E ^cu ^ [_ V E cu'T~ E dv \
X:
dazu analoge Gleichungen in y und 0.
Umgekehrt, sind r, (p zwei solche Functionen von u und v,
dass die Integrabilitätsbedingungen für die Gleichungen (22) erfüllt
sind, so bestimmen diese Gleichungen mittels Quadraturen ein Strahlen-
system mit gegebenem sphärischen Bilde der Hauptflächen. Entwickeln
wir nun wirklich die Integrabilitätsbedingungen für die Gleichungen
{^2\ indem wir dabei die Grundgleichungen (4), S. 122, welche die
zweiten Differentialquotienten von X, F, Z geben, sowie die Gleichungen
(A), S. 67, berücksichtigen, so finden wir, dass sie sich auf folgende
einzige Bedingung zwischen r und cp reducieren:
C23) 2 ™---- -I- — ^^— -\- — ^^"g^ I y g'log(-£^G^) ^
^ ^ dudv '^ du dv ' dv du ' dudv
= yEGiA,<p^2cp),
§ 146. Lösung d. gestellten Aufgabe. § 147. Anwend. auf isotrope Strahlensyst. 273
wo As, 9 der zweite Differeutialparameter von 93:
^^^ = 1 r± (1/« «?) + A (yi £?)]
-^ yEGlcu\r E cuJ cv\r Gcv/J
ist. Man sieht also, dass die gestellte Aufgabe hinsichtlich ihrer Lö-
sung eine grosse Willkür gestattet insofern, als ;• oder (p willkürlich
gewählt und dann qp bez. r aus der partiellen Diflferentialgleichuncr
(23) bestimmt werden kann.
Soll das StrahlensTstem insbesondere eine Normalencongnienz sein
so haben wir qp = 0, und die Gleichung für r wird:
C24) ^'j 1 c log VE cr^ . clog^G cr^ , ^. c^logVEG ^
^ ' cucv' cv eil ' cu cv ~^ cudv
Dies ist genau die adjungierte*) Gleichung der Gleichung:
(25) ^-!_^- _ ^^QgV'^ ^TT _ aogj^^^ ^— = 0
^ ^ ducv cv cu cu er '
von deren Lösimg, wie wir in § 73 gesehen haben, dieselbe Aufgabe
abhängt. Bekanntlich sind die Integrationen der Gleichung (24) und
ihrer adjungierten (25) analytisch äquivalent.
§ 147. Anwendung auf isotrope Strahlensysteme.
Hinsichtlich der Anwendung der Gleichung (23) beschränken wir
uns hier auf den Fall eines isotropen Strahlensystems (§ 139), wo r = 0
ist. Die Bestimmung der isotropen Strahlensysteme hängt infolge (23)
von der Lösung der Gleichung:
A,(y) + 295 = 0
ab, die nach den Weingarten'schen Gleichungen für Ebenencoordinaten
(vgl. (36), § 72, S. 141) auch als die Differentialgleichung der Minimal
flächen in Ebenencoordinaten gedeutet werden kann.
Nun hat Ribaucourin der That die Theorie der isotropen Strahlen-
systeme vermittelst des folgenden grundlegenden Satzes zu derjenigen
der Minimalflächen in Beziehung gebracht:
Die Mittelenveloppe**) eines isotropen Strahlensystems
ist eine Minimalfläche.
Dieser Satz folgt mit Leichtigkeit aus unseren allgemeinen Glei-
chungen (22), in denen wir, da es sich jetzt um ein isotropes Strahlen-
system handelt, für das die Hauptflächen unbestimmt sind, die Ortho-
*) S. Darboux, 2. Bd., S. 71 u. f.
**) Vgl. die Anmerkung zu § 142 (S. 266).
B i a D c h i , Uifferentialgeometrie. lg
274 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
gonalcurven u, v auf der Bildkugel willkürlich wählen können; wir
nehmen sie als isotherm an, indem wir nach S. 72
E=a = X, r = 0
setzen.
Alsdann werden die Grleichungen (22):
dx -V <?9 cX
•K— == A. ^— — op -rj— j
cn cv ^ cv
dx -xr dcp , dX
cv cu * ^ du
Wenn wir mit W den Abstand der Mittelebene vom Coordinatenanfangs-
punkt bezeichnen, so ist ferner:
also:
dW _ c^ 1 V ^
du dv '^ .^Lu du '
dW _ d(p .^ dX
CV du ' .^mJ cv
Daraus folgt:
a-r gnr __ y p^ d^x\ _ __ ^a yxX
du^ + dv^ ~Zj^'\du^ ^ dv'J~~ ^^^x^,
d. h.
du- ' dv^ ' '
wodurch der Ribaucour'sche Satz bewiesen ist.
§ 148. Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde der
abwickelbaren Flächen.
Wir kommen nun zu der zweiten in § 145 gestellten Aufgabe, die,
wie wir sogleich sehen werden, eine weit geringere Willkür bei ihrer
Lösung gestattet. Die wichtigen Ergebnisse, die wir jetzt ableiten
wollen, verdanken wir Guichard, der auf folgende Weise zu ihnen
gelangt ist*):
Es sei
ds'^ = Edu^ + 2Fdudv + Gdv^
das gegebene Quadrat des Linienelements auf der Kugel, wo die Curven
?i, V die Bilder der abwickelbaren Flächen des Strahlensystems sind.
Wir nehmen auch hier als Ausgangslläche die Mittelfläche des Systems,
indem wir als Unbekannte die Coordinaten x, y, s, des Strahlmittel-
*) Surfaces rapportees ä leurs lignes asymptotiques et congruences rappor-
tees a leurs developpables (Annales Scientiflques de l'ficole Normale Superieure,
t. VI, 3e Serie).
§ 148. Strahlensysteme m. gegeb. sphärischen Bild d. abwickelbaren Flächen. 275
punkts wählen. Bezeichnen wir mit 2q die Entfernung der Brenn-
punkte von einander, so sind
X -f qX, ij + Q r, Z -\- qZ
die Coordinaten des einen und
x — qX, v — qY, z — qZ
die des anderen Brennpunkts. Wir nehmen an. dass der erste den
Curven v = Const., der zweite den Curren u = Const. entspreche. Dann
müssen wir haben:
cu ' cu ' cu '
er 'er 'er '
wo h, I geeignete Proportionalitätsfactoren sind. Schreiben wir diese
Gleichungen wie folgt:
ex /■ c Q\ -^ cX
cu \ cu/ ^ cu
(26)
V \ 'er' ' ^ cv
dazu die analogen in y, z, und stellen wir dann die Integrabilitäts
bedingungen auf:
c (cx\ c /cx\
-=— \^=r-\ = 7=— („—; u. s. w.,
er \cu/ cu \cv/ '
wobei wir berücksichtigen, dass nach (4), S. 122,
c*X \i2\cX . (l2\cX j^^
euer [ 1 } cu ' [ 2 ) er
ist, so erhalten wir:
(a) t- -1^-2 Ä + 2pF= 0,
^ '' er cu euer ' ^ '
Demnach werden die Gleichungen (26):
(27) j <"" Icu^ l 2 j «^ J ^ cu
I CX [cQ . .-, fl2\ 1 „ . eX
und die Gleichung (c) giebt, wenn in ihr für /, h die Werte (/3) ein-
gesetzt werden, für q die Gleichung:
18*
276 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
^"^^hudv^ \ 1 ] du^ [2 l dv ^ldu\ 1 l ^ cv\2 l +^J(> — '!•
Umgekehrt j ist p eine Lösung dieser Gleichung, so liefern die Glei-
chungen (27) mittels Quadraturen ein entsprechendes Strahlensystem,
für welches das Bild der abwickelbaren Flächen das gegebene ist.
Wie man sieht, ist die Laplace'sche Gleichung (28), von deren
Lösung die Aufgabe abhängig ist, die adjungierte der Gleichung:
ducv { 1 ] cu ( 2 J cv ' ' • .
von deren Lösung, wir in § 73, S. 141, gesehen haben, die Bestimmung
derjenigen Flächen abhängt, welche das System {u, v) zum sphärischen
Bilde eines conjugierten Systems haben. Diese beiden Aufgaben sind
also gleichbedeutend.
§ 149. Formeln für die beiden Brennflächen.
Wir wollen nun die Grössen berechnen, die sich auf die beiden
Mäntel der Brennfläche beziehen, und müssen dazu ein Gleichungen,-
system ableiten, das uns später bei anderen Untersuchungen von Nutzen
sein wird.
In jedem Punkte (w, v) der Kugel betrachten wir das recht-
winklige Trieder, das von der Kugelnormale und den beiden Rich-
tungen, welche die Winkel der Parameterlinien w, v halbieren, gebildet
wird. Die Cosinus der letzteren beiden Richtungen mögen mit
-^17 ^17 ^IJ
bezeichnet werden. Bedeutet noch ß den Winkel dei- Kugelcurven
M, V, der durch die Gleichungen (vgl. S. 63):
COS Sl = ,-Zi^ 7 Sm il = ' -r~-T-r
Yeg Yeg
bestimmt ist, so erhalten wir sofort:
(29)
'~ 27in^ W^^ y^ ^^'
2
X— ^ / 1 gx ■ 1 dx
^2 — Sl
2 cos
2
nebst analogen Gleichungen in Y und Z.
Die Gleichungen, die wir ableiten sollen, drücken die partiellen
DiÖ'erentialquotienten der neun Richtungscosinus:
§ 149. -Formeln für die 1>eiden Brennflächen. 277
linear durch die Cosinus selbst und durch die Coefficienten des Qua-
drats des Linienelements auf der Kugel aus. Aus den Gleichungen
(29) ergiebt sich sofort:
i^= yEsm^X,-\-YE cos^ X,.
cX
Demnach ist:
.^ -yGsm^X.+ VGcos^X,.
Sm -rr-
Nun berechnen wir die beiden Summen:
Infolge der Gleichungen (29) und der soeben aufgestellten ist:
^ - r« 2sinSl^\_yG dv cu\yE cu) ys cu cu\yG cv/J
Dia nach (b), S. 63,
^ 1 cX 1 cX
cos Sl = y ^= -— • -7= -^r-
^ ys cu yo cv
ist, so ergiebt sich hieraus mittels Differentiation nach u\
^ y^^ cu\^/E cu) cu ^ yjE cu cu\yG ccj'
so dass sich die vorherige Gleichung auch so schreiben lässt:
V X ^ = — ^ [sin Ä -^ + — V — — /^ —\]
^ ^ cu -isinSll CH YE ^ cu duKyG cc/j'
Wird mit Berücksichtigung der Gleichung (S. 275):
c'X _ \l'l\ cX (12|£X_ ^^
duicv ~ \ 1 i du ^ \ 2 l dv
entwickelt, so ergiebt sich:
278 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
l
2 sin (ß
'sinß ^:^ + 4. j^ f 1 21 , ^ f 1 2\ _ _F r2^1
die YEG \ 1 1 I 1 2 j 2G du\
Nun ist nach (A), S. 67:
ai. -^LsJ-"'^ 1 1 i + ^^1 2 r
also :
rWl2\ fl2| 1*^ ^G^ J^^G=-FMl2l r^.2ofl2l
Daher erhalten wir:
S;i^ dX, ^^dX, 1 dSl -,/E ii2\ . ^
Entsprechend ist:
Diese beiden Gleichungen geben, mit den Gleichungen auf S. 277, oben,
und den Identitäten:
combiniert, sofort das gesuchte Gleichungensystem:
(30)
11= VEsm^_.X,+yE,o.^.X,,
Ä^-= AX,-VE,os'i_.X, ^^ = -i^x,-v'G».^x,
wo zur Abkürzung
gesetzt worden ist.
Es mag bemerkt werden, dass sich infolge der in § 77 (S. 150)
entwickelten Gleichungen Ä und B auch durch die geodätischen Krüm-
mungen — , - der Parameterlinien folgen dermassen ausdrücken:
Die Gleichungen (30) geben, wenn das Linienelement der Kugel
gegeben ist, für X, X^, X.^ das bereits in § 50, S. 96, erwähnte
§ 149. Formeln für die beiden Brennflächen. § 150. Fortsetzung. 279
System von totalen Differentialgleichungen, das unbeschränkt iut^grierbar
ist; seine Integration hängt von der Integi-atiou einer Riccati 'sehen
Gleichung ab.
§ 150. Fortsetzung.
Wir kehren nun zu der Guichard'schen Aufgabe und den Guichard
sehen Gleichungen zurück, in denen der Winkel Sl der Kugelcurven
«, c auch denjenigen der Brennebenen darstellt *). Die Gleichungen
(27) lauten nach (30):
(32)
Wir bezeichnen mit S^ S^ die beiden Brennflächen, mit Xi, Pi, z^,
bez. X,, y^, z^ die Coordinaten der Brennpunkte F^, F^, sodass
x^=x-\-QXy y^ = y-i-QY, z^=z-\-qZ-
x^= X — qX, y^ = y — qY, z^ = z — qZ
ist; femer bezeichnen wir mit
Ex, Fl, Gl, Z>i, Di, Dl",
J^, -^2} ^i'i J^if JJ^ 7 ■*-^i
die Coefficienten der beiden Grundformen von S^ bez. S^. Infolge der
Gleichungen (30), (31) finden wir:
f
o .
du
^ = - 2 {Yl pX-21/Gsin J (»X, + 2 j/G cos| (,X„
^^ == 2 {\/} QX—2yE sin y • qXi - 2 ^Ecos^ ■ qX„
'^=-2[ii+{?}.]x.
*) Die Kugelcurven m, c sind die Bilder der Tangenten der Rückkehrcurven
der im Strahlensystem enthaltenen abwickelbaren Flächen, woraus sich die
Richtigkeit unserer Behauptung sofort ergiebt. Analytisch gelangt man zu dem-
selben Ergebnis, wenn man beachtet, dass
e = — p£, f=QF, f=—QF, g = QG
ist und also Gleichung (B), S. 263.
Q* EG — r
r» EG
giebt.
= sin'ß
280 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
Daraus ergeben sich sofort die Gleichungen:
(33)
und analog:
du
+ {^M^ ^^— MVK[I:+IV}
{V}+(^J, E,G,~F,^=16G^f^^ + [
(33*),
K
4p2
.1 2 j +^:
, ^;=
4 1^'^,
CP , (12
ä^+ 1 1 f^
G^„ = 4
dv "t"
{V^j.J, ^;«,-F/=i6£,=[||+{V}
"1 2
9
Wir bezeichnen nun mit 1^, -f^i, ^^ die Richtungscosinus der Nor-
male von S^, mit ^^, tj^, l^ diejenigen der Normale von S^. Dann
haben wir:
li = cos -~X^-\- sin — X2
^2 = cos ~ Xj — sin — X^ .
2 2?
2"
Wir berechnen alsdann:
i>2=-y.^^P> D:=~yiki^, n"___y_^i,^
und finden:
A = 2yEsin^[||+{-}p],
(34)
A'=0, D,"=—2yGsmSl
aV + 1 ^ P
•*)
Die Krümmungsmasse K^, K^ der beiden Mäntel sind nach Formel
(in), S. 91, durch die Ausdrücke gegeben:
*) Die Gleichungen !>/= 0, Z>/= 0 sind der analytische Ausdruck der be-
kannten Eigenschaft der Curven m, v, auf beiden Brennflächen ein conjugiertes
System zu bilden. Die Werte von D^" -wmX I), lassen sich auch in der Form:
!>/'=
2Gt
D, = -
2£:q
schreiben.
(35)
K,=-
K,
% 150. Fortsetzung. 281
1 1 -411 +yl {?)•-]
iQ
fö+{vM
Wir führen hier zwei Sätze an, die sich unmittelbar aus unseren
Gleichungen ergeben und die sich auf zwei bemerkenswerte Klassen
von Strahlensystemen beziehen. Die Systeme der ersten Klasse, denen
wir eins der nächsten Kapitel (Kap. 12) widmen werden, sind diejenigen,
bei welchen auf den beiden Mänteln der Brennfläche die Haupttangenten-
curven einander entsprechen: die Systeme der zweiten Klasse sind die
jenigen, bei welchen den Haupttangeutencui-ven auf dem einen Mantel
ein conjiigiertes System auf dem anderen Mantel entspricht. Im ersten
Falle muss nach S. 109 die Proportion:
A: A': A"= A: A': A",
im zweiten nach S. 108 die Gleichung:
A A"+ A Di"-'^ A' A' = 0
bestehen. Mit Rücksicht auf die Gleichungen (34), (35) ergiebt sich
in diesen Fällen für das Product KiK^ der Ausdruck:
K^K^^ + i^)''
WO das obere Vorzeichen im ersten, das untere Vorzeichen im zweiten
Falle gilt. Da nun ^-^ die Entfernung der Grenzpunkte von einan-
der ist, können wir folgenden Satz aufstellen:
Bei den Strahlensystemen der ersten Klasse ist das Pro-
duct der Krümmungsmasse der beiden Brennflächenmäntel
in zwei entsprechenden Punkten gleich dem reciproken Werte
der vierten Potenz der Entfernung der Grenzpunkte, bei den
Strahlensystemen der zweiten Klasse ist es derselbe Ausdruck
mit entgegengesetztem Vorzeichen.
Man sieht, dass für die Systeme der ersten Klasse der in diesem
Falle von Ribaueour herrührende Satz nur eine Verallgemeinenmg
des Halphen'schen ('S. 243, Gleichung .17)) für die beiden Mäntel der
Evolutenfläche einer Tf''- Fläche ist. Für die Strahlensysteme der zweiten
Classe hat zuerst Waelsch den betreffenden Satz angegeben*).
*) Comptes Rendus de rAcademie 118. Bd., S. 736.
282 Kap. 10. Strahlenyysteme (Congruenzen).
§ 151. Pseudosphärische Strahlensysteme.
Wir wenden die allgemeinen Gleichungen des voraufgehenden Para-
graphen noch auf zwei besondere Fälle an. Zunächst stellen wir uns
die Frage: Giebt es Strahlensysteme, bei denen die Entfernung
der Brennpunkte und die Entfernung der Grenzpunkte gleich-
zeitig constant ist? Aus § 128, S. 244, wissen wir, dass es Nor-
malensysteme dieser Art in der That giebt, nämlich diejenigen, welche
von den Normalen einer T^- Fläche gebildet werden, deren Haupt-
krümmungsradien Ti, r^ durch die Gleichung:
r^ — ^2 = Const.
verbunden sind.
Jetzt, bei der Behandlung der allgemeinen Frage, müssen wir in
den Gleichungen des voraufgehenden Paragraphen
Q = Const., iß = Const.
annehmen. Dann werden die Gleichungen (35):
TT — TT — _ ii^^ .
^1 ^2 4p2 ?
und da eben
sin Sl
die Entfernung der Grenzpunkte ist, so haben wir den Satz: Wenn
in einem Strahlensystem die Entfernung der Brennpunkte
sowohl als auch diejenige der Grenzpunkte constant ist, so
sind die beiden Brennflächen pseudosphärische Flächen, deren
Radien gleich der Entfernung der Grenzpunkte sind.
Die Strahlensysteme dieser Art, deren Vorhandensein für alle Werte
von Q und Sl wir später nachweisen werden, heissen pseudosphä-
rische Strahlensysteme. Hier wollen wir unter der Voraussetzung,
dass es solche wirklich giebt, noch einige Eigenschaften bezüglich des
Entsprechens der Punkte auf den beiden Mänteln der Brennfläche ab-
leiten. Als Differentialgleichung der Haupttang entencurven finden wir
auf beiden Mänteln aus den Gleichungen (34):
Edu' — Gdv' = 0,
sodass die Haupttangentencurven auf den beiden Mänteln einander ent-
sprechen. Ferner ergeben sich für die Quadrate der Linienelemente
ds^, ds^ nach (33) und (33*) die Ausdrücke:
ds^^ == 4^^ ( I 2 I ^^ — 1 1 I ^^/ "^ (^(^v^
ds^^ == 4 p
( { V } du — } Y^ \dvy ^ Edu'
§ 151. Pseudosphärische Stxahlensjst«me. 283
und daraus folgt, dass die Bogen entsprechender Haupttaugenteucurven
einander gleich sind. Aus den Gleichungen (33) und (34) erhalten
wir als Differentialgleichung der Krümmungslinien auf beiden Mänteln:
Wir haben somit den Satz: Auf den beiden Mänteln der Brenn-
fläche eines pseudosphärischen Strahlensystems entsprechen
die Krümmungslinien einander, ebenso die Haupttangenten-
curven, und es sind überdies entsprechende Bogen der
letzteren einander gleich*).
*) Erwähnenswert sind die Folgerungen, die sich aus den Gleichungen in
§ 146 für die sphärischen Bilder u, v der Hauptflächen eines pseudosphärischen
Strahlensystems ergeben. Da r und q, also auch qp = }/r* — 9' constant sind, so
geht Gleichung (23), S. 272, über in :
cHogVEG = 9 y^ _ cosaVEG.
cucc r
Also: Das Quadrat des Linienelements der Kugel, bezogen auf die
Bildcurven m, v der Hauptflächen eines pseudosphärischen Strah-
lensystems, nimmt die Form:
(a) ds'^ = Edu^ -\- Gdc'-
an, wo das Product YEG eine Lösung der Liouville'schen Gleichung:
(b) ^lM^ = cosßl/^G (a = Const.)
cucv
ist.
Umgekehrt ist gemäss § 146 klar, dass, wenn das Linienelement der Kugel
auf die Form (a) gebracht und dabei Gleichung (b) erfüllt ist, es ein entspre-
chendes pseudosphärisches Strahlensystem giebt.
Ist insbesondere das pseudosphärische System ein Normalensystem, so ist
fl = -— , — ß-K — — == 0, und VEG kann ohne weiteres gleich Eins gesetzt wer-
2 cucv ' ^ SB
den. Werden dann u, v als rechtwinklige Cartesische Coordinaten eines Punktes
in einer Bildebene aufgefasst, so liegt hier eine flächentreue Abbildung der Kugel
auf die Ebene vor, bei der dem Orthogonalsyst^m der Parallelen zu den Coordi-
natenaxen in der Bildebene ein Orthogonalsystem auf der Kugel entspricht.
Zu diesen Ergebnissen würde man direct in der Weise gelangen, dass man
nach Satz (C), S. 250, die sphärischen Bilder der Krümmungslinien derjenigen
TT- Flächen zu bestimmen suchte, bei welchen die Diß"erenz der Hauptkrümmungs-
radien constant ist.
Bemerkenswert ist noch der Fall ß = 0; dann wird das Strahlensystem von
den Tangenten der einen Schar Haupttangentencurven einer pseudosphärischeu
Fläche gebildet (vgl. § 142, S. 267).
284 Kap. 10. Strahlensysteme (Congruenzen).
§ 152. GuiChard'sche Strahlensysteme. Guichard'sche und Voss'sche
Flächen.
Die zweite Frage, die wir uns vorlegen, ist die folgende*):
Bei welchen Strahlensystemen schneiden die abwickelbaren
Flächen die Brennflächen in Krümmungslinien?
Für diesen Fall müssen wir
F, = 0, F, = 0
haben, und es ergeben sich also infolge von (33) und (33*) (unter
der Voraussetzung, dass sich die Brennflächen nicht auf Curven redu-
cieren) als notwendige und hinreichende Bedingungen:
fl2i __ (l2l __
- Nun besagen diese (§67, S. 130), dass die sphärischen Curven
ti, V die Bilder der Haupttangentencurven einer pseudosphärischen
Fläche sind, und somit haben wir das Ergebnis: Die gesuchten
Strahlensysteme sind sämtlich und ausschliesslich diejenigen,
welche zum Bilde der abwickelbaren Flächen die Bildcurven
der Haupttangentencurven einer pseudosphärischen Fläche
'haben.
^ Da dann (§ 67)
E = G =\, also F = cos 5i
gesetzt werden kann, so lautet die Laplace'sche Gleichung, die q be-
stimmt, nach (28), S. 276:
Jeder Lösung q dieser Gleichung entspricht ein Strahlensystem
der eben betrachteten Art; wir wollen diese Systeme Guichard'sche
Strahlensysteme nennen.
Für die Quadrate der Linienelemente der beiden Mäntel der Brenn-
fläche eines Guichard'schen Systems ergeben sich aus den Gleichungen
(33) und (33*) die einfachen Ausdrücke:
ds^^ = 4Q^^du^ -\- 4 iJ-j dv'\
In der Gleichung (36) bedeutet Sl nach § 67, S. 131, eine beliebige
Lösung der Gleichung:
'^ — ^~ == — sm Sl.
*) Vgl. Guichard a. a. 0.
§ 152. Guichard'sche Strahlensysteme. Guichard'sche u. Voss'sche Flächen. 285
und mit Guichard maff bemerkt werden, dass ;= — , -7^ particuläre
Lösungen der Gleichung (36) sind; einer der beiden Brennflächen-
mäntel ist für diese Lösungen eine Kugel.
Auf der Guichard'schen Fläche S^ haben die Krümmungslinien
r = Const. die Strahlen des Systems zu Tangenten. Es möge nun F,
» O Ol
die Evolutenfläche von S^ bezüglich der Curven v = Const. sein. Die
Normale in einem Punkte von J\ ist dann dem entsprechenden Strahl
des Guichard'schen Systems parallel; und da nun die Curven Hj r auf
r^ conjugiert sind, so besitzt die Fläche F^ die Eigenschaft, dass bei
ihrer Gaussischen Abbildung auf die Kugel das Bild ihres conjugierten
Systems 11, r mit demjenigen der Haupttangentencurven einer pseudo-
sphärischen Fläche zusammenfällt. Xun braucht man nur auf die Glei-
chungen (25), § 69, S. 135, zui-üokzugreifen, um zu sehen, dass, wenn
. (rsl
mit I . [ die für die Fläche F^ gebildeten Christofferschen Symbole
bezeichnet werden,
nir«' {Vir«
ist, d. h. dass die Curven u, v auf der Fläche F^ geodätische Linien sind.
Die Flächen dieser Art, auf denen es ein von geodätischen Linien ge-
bildetes conjugiertes System giebt, sind zuerst von Voss*) untersucht
worden und sollen als Voss'sche Flächen bezeichnet werden. Also:
Jede Guichard'sche Fläche hat als einen Mantel der Evo-
lutenfläche eine Voss'sche Fläche.
Umgekehrt sieht man sofort: Die Evölventenflachen einer
Vöss'schenFläche bezüglich der einen öder der andereif Schar
geodätischer, ein conjugiertes System l)ildender Linien sind
Guichard'sche Flächen.
Wir werden später auf die Eigenschaften der in diesem Paragra-
phen betrachteten Flächen und auf ihre Beziehungen zu den pseudo-
sphärischen Flächen zurückkommen.
*) Sitzungsberichte der Münchener Akademie der Wissenschaften, März 1888.
Kapitel XI.
Unendlicli kleine Verbiegnngen der Flächen und Entsprechen
durch Orthogonalität der Elemente.
Zusammenhang der Aufgabe der unendlich kleinen Verbiegungen mit der Frage
nach Paaren von Flächen, die sich durch Orthogonalität der Elemente entsprechen,
sowie nach Paaren von auf einander abwickelbaren Flächen. — Grundlegende
Gleichungen von Weingarten. — Die charakteristische Function qp und die charak-
teristische Gleichung. — Die bei einer unendlich kleinen Verbiegung associierten
Flächen. — Zurückführung der charakteristischen Gleichung auf die beiden Nor-
malformen: -^ — ^— = Md-, -„— ^ + -K— s- = M&. — Das coniugierte System, das
cucv cu^ cv^ '' °
bei einer unendlich kleinen Verbiegung conjugiert bleibt. — Eigenschaften der
Flächen, die einander durch Orthogonalität der Elemente entsprechen. — Die
Ribaucour'schen Strahlensysteme. — Kurze Angabe einer zweiten Methode, die
Aufgabe der unendlich kleinen Verbiegungen zu behandeln.
§ 153. Zusammenliang der Aufgabe der unendlich kleinen
Verbiegungen mit der Frage nach Paaren von Flächen, die sich
durch Orthogonalität der Elemente entsprechen, sowie nach Paaren
auf einander abwickelbarer Flächen.
In dem vorliegenden Kapitel wollen wir die Untersuchung der
Deformationen biegsamer und nicht dehnbarer Flächen wieder auf-
nehmen und zwar die unendlich kleinen Verbiegungen derselben
betrachten. Die vielfachen Beziehungen dieser Theorie zu der allge-
meinen Flächentheorie j insbesondere zu der Theorie der Strahlensysteme,
sowie andrerseits ihr enger Zusammenhang mit den partiellen Diffe-
rentialgleichungen von der Laplace'schen Form verleihen diesen Unter-
suchungen ein ungemein hohes Interesse.
Wir entwickeln zunächst die Grundformeln unter Anlehnung an
die Abhandlung von Weingarten im 100. Bande von Grelles Journal.
Für die Fläche S, deren unendlich kleine Verbiegungen wir unter-
suchen wollen, behalten wir unsere alten Bezeichnungen bei. Der
Punkt P oder (pc, y, z) von S erfahre bei der betreffenden unendlich
§ 163. Zwei endliche Fassungen d. Aufg. d. unendlich kleinen Verbiegungen. 287
kleinen Verbiegiing eine Verschiebung, deren Componenten nach den
Coordinatenaxen die Grössen
ex, sy, b1
sein mögen, wo x, y, z bestimmte Functionen von u, v sind und £
eine unendlich kleine Oonstante ist, deren Potenzen von der
zweiten an vernachlässigt werden können. Nach der Verbie-
giing ist der Punkt P in den Punkt P' gerückt, der die Coordinaten
A"'= X -f- *ä"? y'= y -\- aij y z'= z -\- ss
hat, und da nach Voraussetzung
dx' -h dy'- + dz'- = dx'- -\- dy- -f dz-
sein muss, so ergiebt sich:
(1) dxdx -f- dydy-{-dzdz = 0.
Dieser Gleichung hat Moutard die folgende einfache und wichtige
geometrische Deutung gegeben:
Man betrachte x, y, z als Coordinaten eines Raumpunktes P; wäh-
rend P die Fläche S beschreibt, beschreibt dann P eine Fläche S, die
Punkt für Punkt der Fläche >S entspricht, und zwar ist zufolge der
Gleichung (1) das Entsprechen ein derartiges, dass zwei entsprechende
Linienelemente von S und S auf einander senkrecht stehen. Umgekehrt,
ist S eine Fläche, die durch Orthogonalität der Elemente der Fläche
S punktweise entspricht, so ergiebt sich daraus eine unendlich kleine
Verbiegung der Fläche S.
Man kann also der Aufgabe der unendlich kleinen Verbiegungen
einer Fläche S folgende endliche Fassung geben: Die Flächen S zu
bestimmen, die der Fläche S durch Orthogonalität der Ele-
mente entsprechen*).
*) Es mag gleich hier bemerkt werden, dass jeder Fläche S stets eine Ebene
S zugeordnet werden kann, die ihr durch Orthogonalität der Elemente entspricht.
Hierzu braucht man nur die Pimkte der Fläche S auf die Ebene orthogonal zu
projicieren und das Bild in der Ebene um einen rechten Winkel um einen festen
Mittelpunkt zu drehen. Wählen wir als diese Ebene die ^ -Ebene und als
Drehungsmittelpunkt den Coordinatenanfangspunkt , so haben wir:
^ = + y, y = — '^, J = o,
wodurch die Gleichung (1) in der That erfüllt wird. Der Punkt (x, y, z) ist
nach der Verbiegung in den Punkt
X -\- ty, y — sx, z
gerückt, d. h. die unendlich kleine Verbiegung ist in diesem Falle bloss eine
Drehung um die ;e-Axe. Wir fügen noch hinzu, dass, wie sich leicht nachweisen
^88 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
Eine zweite endliche Fassung derselben Aufgabe ergiebt sich aus
den folgenden Ueberlegungen : es werde
gesetzt, wo t eine Constante ist. Werden |, ?j, t, als Coordinaten eines
bewegliehen Punktes einer Fläche H aufgefasst, so erhalten wii- für
das Quadrat des Linienelements dieser Fläche nach (1):
f7|^ + dri^ + dt^ = dx' + dp'^ + d^' + f {dx" + df + dz'') ,
d. h. einen Wert, der sich nicht ändert, wenn t durch — t ersetzt
wird. Betrachten wir also die Ortsfläche H' des Punktes
^'=x—tx, Yi'=y — ty, t;=y — rz,
so sind H und Z" auf einander abwickelbar, wobei sich die Punkte (|, ^, ^),
(I', ^', t,') entsprechen. Der Mittelpunkt der Strecke, die zwei ent-
sprechende Punkte von E, U' verbindet, ist der Punkt P oder [x, y, z)
von S, während die Richtung dieser Strecke die Richtung der Ver-
schiebung angiebt, die P erfährt.
Umgekehrt seien 2^, 2J' zwei auf einander abwickelbare Flächen,
und I, Tj, ^5 I', rj', t,' die Coordinaten zweier entsprechender Punkte.
Setzt man dann :
so ist:
dx d'x -j- dy dy -\- dz dz = 0.
Also: Sind zwei Flächen 2;, 2J' auf einander abwickelbar, so
ist die Ortsfläche S des Mittelpunktes der Verbindungslinie
zweier entsprechender Punkte einer unendlich kleinen Ver-
biegung fähig, bei der jeder Punkt von S in der Richtung
dieser Verbindungslinie verschoben wird.
§ 154. Die charakteristische Function q) und die charakteristische
Gleichung.
Wir kommen nun zu der analytischen Behandlung unserer Auf-
gabe, die in der Bestimmung dreier solcher unbekannter Functionen
X, y, z von u, v besteht, dass die Gleichung (1) oder die drei Glei-
chungen:
lässt, die angegebene Con^truction die allgemeinste ist, die einer Fläche S eine
Ebene zuordnet, welche ihr durch Orthogonalität der Elemente entspricht.
§ 154. Die charakteristische Function qp u. die charakteristische Gleichung. 289
yrra-rS_. V^j^^^O ^ ^1^ £^ + V ^ £^ = 0
erfallt werden.
Um dieses Gleichungensystein srinmetrisch zu behandeln, führt
Weingarten die Invariante des Differentialausdrucks
bezüglich der ersten Grundform der Fläche S,
ds- = Edu- + 2Fdu dv + Gdv^,
als Hilfsfiinction tp ein, indem er nämlich
_— =L=/— V^— — — V^^^
^ ^ iySG— F'Xcv ^ du cu ^ ^^J
1 / <^ ££ £X -^ ££ CX\
2>/i:(? — F*\^ cv cu ^ cudv)
setzt. Diese Function (p, die Weingarten die Verschiebungs-
function nennt, wollen wir als die charakteristische Function
bezeichnen. Wie Volterra bemerkt hat*), besitzt sie eine einfache
kinematische Bedeutung: sie giebt nämlich die nach der Normale ge-
nommene Componente der Drehung au, die ein Obei-flächenelement von
S bei der Verbiegung erfährt.
Die letzte der Gleichungen (2) lässt sich durch die beiden ersetzen:
Bilden wir mit Hufe der ersten den Ausdruck
ciffVEG — F*)
cu
indem wir berücksichtigen, dass infolge der ersten Gleichimg (2)
"^dx c'x 'S^gx c^x
j^ duCUCV ^ CK cucv
ist, und indem wir unter Beachtung der früher (S. 92) gefundenen
Gleichung:
die Fundamentalgleichungen (I), § 47, S. 89, benutzen, so finden wir:
(4) £qp
CU yEG — F-
*) Sulla deformazione delle superficie flessihili ed inestendibili. Rendiconti
della Reale Accad. dei Lincei, Sitzung vom 6. April 1884.
Bianchi, Differentialfteometrie. 19
290 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
Bilden wir analog aus der zweiten Gleichung (3)
dv
so ergiebt sich:
Wird der kein Interesse bietende Fall, dass die Fläche 8 abwickelbar
ist, ausgeschlossen, d. h.
BJ)"— D'2 4= 0
vorausgesetzt, so geben die Gleichungen (4) und (4*) nach
aufgelöst ;
2'
D^i^-D't^ D"|?_D'^9'
/rx 'VT -Y^^ ^^ ^'^ 'VT T^^aj ^it dv
^ ^ ^ du~~ KyEG — F^ ' ^ dv ~~ k^EgZTW
wo wie gewöhnlich K das Krümmungsmass der Fläche S bedeutet.
Nun brauchen die Gleichungen (2), (3) und (5) nur combiniert
zu werden, damit sich durch Auflösung die folgenden ergeben:
(
(6)
\ cv cvl \ du du!
^^ ~ KyiEG — F^
D'L i? - X f*^) - D" L 1^ - X p)
ex \ ov cvl \ du oul
cv KYEG—F^
dazu analoge für y und z. Hieraus erhellt, dass sich, sobald die
charakteristische Function g) bekannt ist, die Fläche S, die der Fläche
S durch Orthogonalität der Elemente entspricht, mittels Quadraturen
ergiebt.
Nun folgt aus den Gleichungen (5) weiter:
_a^( du dv ) I AI g^ g^ \ _^dxdx _^dxdx
du V KyEG — F^ J dv \kYKG^F^ J ~~ ^ dv du jLJ du W
und wenn rechts für -^5— ? -^— die Werte eingesetzt werden, die sich
du dv ° '
aus den Fundamentalgleichungen (II), § 47, S. 90, ergeben, so folgt:
Die charakteristische Function q) muss der folgenden
partiellen Differentialgleichung zweiter Ordnung, die wir
als die charakteristische Gleichung bezeichnen wollen, ge-
nüsren:
(7)
YEG—F*
§ 155. ümformttng der charakteristischen Gleichung. 291
d I gtt cv_ I 1 ^1 cv cu
)u\ KVEG — F* J dv \Ki/EG — F*
a
L^u V kYeg — f' J ' ao VÄ:yFö—
2FD'— ED"— GD
EG— F*
9'.*)
§ 155. Umformung der charakteristischen Gleichung.
Wir wollen nun beweisen, dass jedem Integral q) dieser Gleichung
eine Lösung der Aufgabe entspricht. Hierzu bemerken wir, wie in
der Anmerkung zu S. 287, dass, wenn
'^ = + y, y = — x, z = o
gesetzt wird, die Gnmdgleichung (1) erfüllt ist. Der entsprechende
Wert der charakteristischen Function q> ist
daher besitzt die Gleichung (7) die particulären Lösungen
X, F, Z.
Hierauf lässt sich sofort nachweisen, dass, wenn tp eine Lösung
der Gleichung (7) ist, die Gleichungen (6) den Integrabilitätsbedingungen
genügen und mittels Quadratui-en eine Fläche S ergeben, die der Fläche
>S durch Orthogonalität der Elemente entspricht.
Aus dem soeben Bemerkten folgt weiter, dass diejenigen unend-
lich kleinen Yerbiegungen der Fläche S, die nur in einer Bewegung
bestehen, den Lösungen
^ = aX -\-bY -\- cZ (a, h, c = Const.)
der charakteristischen Gleichung (7) entsprechen.
Wir bringen nun die Gleichung (7) auf eine für die Anwendungen
sehr wichtige Form. Dieselbe ergiebt sich, wenn die Coefficienten
e, f, 9,
die bei der sphärischen Abbildung von S auftreten, eingeführt werden.
Wird die Gleichung {!) mit YWG^ F^ . ^eg—f multipliciert und
wird dabei berücksichtigt, dass nach S. 121
K^EG — F' = ± Veg—p
ist, so folgt:
^ no . iFD— ED"— GD ..^,. ..., ^ ..
*) Der Coefficient von w, =^ s^i , giebt die mittlere Krümmung
H von S an.
19*
292 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. d. Orthog. d. El.
JD'
du\yeg— f^du j/Vg
B' dcp
dv [yeg — p dv
— Pdv) ~^
-^{eD"+gI)
2fl)')cp = 0.
Werden die Christofferschen Symbole V ^ \ für das sphärisclie Bild
mit Strichen versehen und die Gleichungen (6*), § 63, S. 124, be-
rücksichtigt, so geht obige Gleichung über in:
B'
du-
dcp
du
2D'
du dv
oder nach S. 46, (22):
0*) D"l9>n+e<p]
d^ + '^_
d(p
du
22' '
1
dcp
dv
dcp
dv
|12
\22Ydcp
I2 I dv+^'P
+ f<P
+
2-D' [9>i; + M + ^ [9^22'+ y<p] = 0,
wo die Symbole gp^/, qo^^', 9^22' ^^^ covarianten zweiten Diffe-
rentialquotienten der charakteristischen Function (p bezüg-
lich des Linienelements der Kugel bedeuten. Wird die charak-
teristische Gleichung in dieser Form geschrieben, so ist gemäss den
Gleichungen (4), § 63, S. 122, klar, dass, wie vorhin bemerkt, X, Y, Z
particuläre Lösungen von ihr sind.
Wir bemerken nun, dass, wenn wir die Fläche S^ wie in § 72,
Kap. V, durch die Ebenencoordinaten
X, Y, Z, W
bestimmen, d. h. mit W den Abstand der Tangentialebene vom Coor-
dinatenanfangspunkt bezeichnen, infolge der Gleichungen (35) des an-
geführten Paragraphen die charakteristische Gleichung (7*) wie folgt
lautet:
(8) (Tr,/+ g Tr)(^,/+ ecp) - 2(W,,'+ fW){cp,,'-i- fcp) +
Da sie in W und q) symmetrisch ist, so lehrt sie uns, dass, wenn
mit Sq die Enveloppe der Ebenen:
xX-i-yY-\-0Z=<p
bezeichnet wird, ebenso, wie cp die charakteristische Function für eine
unendlich kleine Verbiegung der Fläche ;S' ist, W die charakteristische
Function für eine unendlich kleine Verbiegung von S^ ist.
V*) I n ;i,.i j o n '^7,. ^., j^ 7^ " /7«2
§ 156. Die bei unendlich kleinen Yerbiegxingen assocüerten Flächen. 293
§ 156. Die bei einer unendlich kleinen Verbiegung assocüerten
Flächen.
Um die charakteristische geometrische Beziehung zwischen zwei
solchen Flächen S und Sq zu erkennen, bemerken wir, dass, wenn
wir dieselben einander Punkt für Punkt durch Parallelismus der Nor-
malen entsprechen lassen, und wenn wir mit
Ddu- + 2D'dudv + D" dv\
D^du- + 2DQ'dudv + D«" dv^
bezüglich die beiden zweiten Grundformen von S und S^ bezeichnen
und dabei berücksichtigen, dass
— Do = <pu'+ e(p, — Dq= 9)12'+ f9, — A"= ^'22'+ 9^
ist, die Gleichung (8) in die folgende übergeht:
(8*) D"Do + DDo"— 2D'2)o'= 0.
Dieselbe besagt, dass die simultane Invariante dieser beiden Differential-
formen gleich Null ist. Geometrisch ausgedi-ückt heisst dieses, dass
den Haupttangentencurven auf der einen Fläche ein conjugiertes System
auf der anderen entspricht, wie mau auf Grund der Invariant^neigen-
schaft der Gleichung (8*) sofort daraus ersieht, dass, wenn J) = D"=0
ist, Do= 0 folgt.
Wenn sich umgekehrt die beiden Flächen S und Sq durch Paralle-
lismus der Normalen in der Weise entsprechen, dass den Haupttan-
gentencurven auf der einen ein conjugiertes System auf der anderen
entspricht, so ist infolge der Gleichung (8) oder der äquivalenten (7*)
sofort klar, dass der Abstand eines festen Raumpunkts von der Tan-
gentialebene der einen die charakteristische Function für eine unend-
lich kleine Verbiegung der anderen ist. Wir sagen dann, dass die
Flächen S, Sq ein Paar associierte Flächen sind.
Wir sehen nun, dass, wenn von zwei assocüerten Flächen die eine
ein positives Krümmungsmass besitzt, die andere sicherlich ein nega-
tives hat, wie aus der Gleichung (8) hervorgeht, denn wird darin z. B.
i)'= 0 angenommen und D, D" dasselbe Vorzeichen beigelegt, so
folgt daraus, dass Dq und Bq" entgegengesetzte Vorzeichen haben.
Dagegen kann einer Fläche mit negativem Krümmungsmass sowohl
eine solche mit negativem wie mit positivem Krümmungsmass associiert
sein. Eine der beiden assocüerten Flächen S, Sq wenigstens besitzt
demnach reelle Haupttangentencurven, nehmen wir z. B. an, die Fläche
Sq. Wir wählen dann als Parameterlinien ?/, v auf Sq die Haupttan-
gentencurven, denen auf S ein conjugiertes System entspricht. Aus
294 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
den Formeln für die sphärische Abbildung, Kap. V, insbesondere den
Gleichungen (13) und (22), S. 126 und 134, erkennt man sofort, dass
die Beziehungen zwischen den Coordinaten x, y, z-^ ^o? ^o; ^o zweier
entsprechender Punkte auf S und S^ wie folgt lauten:
(9)
' dx , dXf^ dy , dy^ dz , dz^
GU OV ÖU ÖV CU GV
dx dxr. dy dy^ dz dz^
OV CU OV CU OV ou
wo l, m passende Functionen von u, v sind.
Wir betrachten ferner dasjenige conjugierte System (a, ß) auf S,
dem auf Sq ebenfalls ein conjugiertes entspricht, indem wir nämlich
als Veränderliche a, ß diejenigen einführen, durch die sich die beiden
simultanen Formen (a) als Summen von Quadraten darstellen lassen.
Dieses System ist sicher stets reell, wenn eine der beiden Flächen
elliptische Punkte hat, d. h. wenn eine der beiden Formen (a) definit
ist. In diesen Veränderlichen cc, ß gelten nach § 69 die Gleichungen:
!dX(, dx dyo dy dz^ dz
da ■ dcc dcc dcc da da
, dx^ dx dy^ cy dz^ dz
[ dj "" ~ ^ a ß ' dß ~ '^^ d^ ' dj ~~'^dß'
Hierin ist r eine Function von a, ß, die durch die Gleichungen:
Q ^x 8JLogr _^ _ 2 1 1 2 1 0 log r 9 1 1 2 \
da l 2 J ' dß l 1 )
bestimmt ist, wo die Symbole rechts für das Linienelement von S in
den Parametern a, ß berechnet sind.
Wir sehen demnach, dass die an den Curven a, ß auf S und S^
in zwei entsprechenden Punkten gezogenen Tangenten einander parallel
sind und dass die Laplace'sche Gleichung für die beiden conjugierten
Systeme (a, ß) auf S und S^^ gleiche Invarianten besitzt.
Die Gleichungen (10) können auch in der folgenden Form ge-
schrieben werden:
e
(V+^) = K^o - ^l
dß
wo A und ^ Proportionalitätsfactoren sind. Sie lehren uns, dass, wenn
wir das von den Verbindungslinien entsprechender Punkte P, Pq zweier
§ 157. Zilrückfiihrung d. Charakter. Gleich, auf ihre beiden Normalformen. 295
associierfcer Flächen gebildete Strahlensystem betrachten, die abwickel-
baren Flächen desselben die Flächen a = Const. und /3 = Const. sind
und dass die Brennpunkte J\, T^^ deren Coordinaten
— r 1 — r
bez. , , ,
a?o -\-rx yo + ry z^ -f rz
1 + r ' 1 + r ' 1 + r
sind, die Strecke P Pq harmonisch teilen. Also: Die abwickelbaren
Flächen des von den Verbindungslinien entsprechender Punkte
P, Pq zweier associierter Flächen S, Sq gebildeten Strahlen-
systems schneiden jede dieser Flächen in einem conjugierten
System mit gleichen Invarianten; auf jedem Strahl teilen die
Brennpunkte die Strecke PPq harmonisch.
§ 157. Zurückfülirung der charakteristischen Gleichung auf ihre
beiden Normalformen.
Wir kehren mm im Falle einer gegebenen Fläche S zu der
charakteristischen Gleichung (7*) für die unendlich kleinen Verbie-
gungen zurück und wollen dieselbe durch zweckmässige Wahl der Para-
meterlinien u, V in eine Form bringen, die wir als die Normalform
bezeichnen.
1. Wir setzen zunächst voraus, dass die Fläche S entgegengesetzt
gerichtete Hauptkrümmungsradien besitze, und wählen als Parameter-
linien die Haupttangentencurven u, v. Da dann D = 0, D"= 0 ist,
so lautet die Gleichung (7*):
oder, wenn wir mit Hilfe der Gleichungen in § 64, S. 125, entwickeln:
/19\ g'y 1 1 clogQ Ctp . 1 C logg aqp 1 .• _ rv
Ist (p eine Losung der Gleichung, so lauten die allgemeinen Glei-
chungen (6), welche die der Fläche S durch Orthogonalität der Ele-
mente entsprechende Fläche S bestimmen:
cu ^ \ cu ^ cu/
ex (ir^ 0^
cv "\ cv ^ dv)
(13)
Nun wenden wir die Transfonnation an, deren wir uns in § 68, S. 132,
zur Ableitimg der Lelieuvre'schen Formeln bedient haben, d. h. wir
ersetzen die unbekannt« Function tp durch
296 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
Die Gleichung (12) geht dann über in:
(14)
d''&
M&, M =
1 ayp
dudv ' "j/p du dv
und die Gleichungen (13) lauten dementsprechend:
/,
(15)
dx
du
l
%•
di
d&
du
du
dx
dv
1
-9-
ai
dO-
dv
dv
analog in y und z, und zwar ergeben sich diese letzteren, wenn | der
Reihe nach durch ri und t, ersetzt wird. Erinnern wir uns nun daran,
dass l, rj, t, selbst in den Lelieuvre'schen Formeln (18), S. 132, drei
particuläre Lösungen der Gleichung (14) sind. Jede andere von ^, rj, t
linear unabhängige Lösung -O- giebt eine wirkliche unendlich kleine
Verbiegung der Fläche, während sich entgegengesetzten Falls, wenn
sich & linear aus i, yj, t, zusammensetzt, nur eine Bewegung ergiebt.
2. Es sei nun S eine Fläche mit positivem Krümmungsmass. Wie
in § 70 führen wir als Parametersystem (m, v) ein isotherm-con-
ju giert es System ein. Die charakteristische Gleichung wird dann:
d. h. (§71, S. 138):
(16) p, + ^-^ + ^-^ 1^ + ^ l^ + {e-}-g)cp = 0,
^ ^ du^ ' cv^ ' du, du ^ dv dv ' ^ ' "^^ ^ '
und aus den Gleichungen (6) ergiebt sich;
dx
(17)
( dx / dJi
dv/
dX
du
X
du)
Durch die Transformation:
geht die charakteristische Gleichung (16) über in;
(18) 0 + IV^ = ^^^ ^ =
Y^ V ?«* dv'^
(e+^r),
und als die Gleichungen, welche die Fläche S bestimmen, ergeben sich:
^9)
dx
du
#
l
d%'
dl
dv
dv
dx
dv
d^ a|_
du du
nebst analogen, in denen x^ % bezüglich durch ^, -rj; z, t, ersetzt sind.
Wir können also dieses Ergebnis folgendermassen aussprechen:
Die Gleichung, von der die Aufgabe der Bestimmung der
§ 158. Conjug. System, das bei unendl. kleinen Verbiegungen conjug. bleibt. 297
unendlich kleinen Yerbiegungen einer Fläche S abhängt,
lässt sieh auf die Normalform:
1*1- = 2f» be.w. r^ + Üt = M9
bringen, je nachdem die Fläche S ein negatives oder ein
positives Krümmungsmass besitzt.
So können wir z. B. für alle Flächen, die den Gleichungen:
cucv ' cu^ ' cv
entsprechen, die Aufgabe, ihre unendlich kleinen Yerbiegungen zu be-
stimmen, vollständig lösen, insbesondere für die geraden Conoide (§68)
und für das Rotationsparaboloid (§ 71).
§ 158. Das conjugierte System, das bei einer unendlich kleinen
Verbiegung conjugiert bleibt.
Wir betrachten zwei associierte Flächen S, Sq und wählen als
Parameterünien auf Sq die als reell vorausgesetzten Haupttangenten-
curven u, »; die ihnen entsprechenden Curven auf S bilden ein con-
jugiertes System. Die charakteristische Function (p für die entsprechende
imendlich kleine Verbiegung der Fläche S genügt (da J) = 0, D"=0
ist) den beiden Gleichungen (§ 156. S. 293):
C'q> (lll'rqp , (lll'cqp
Nun sei S die bei derselben unendlich kleinen Verbiegung der Fläche
S durch Orthogonalität der Elemente entsprechende Fläche. Dann er-
halten wir infolge der Gleichungen (6) die Beziehungen:
du Veg — f*\ cv ov )
dx D" /-trCCp cX^
cv Yeg ^ f*\ cu
Bilden wir
c-x
dudv
\ cu cu)
unter Berücksichtigung der Gleichungen (6*), § 63, S. 124
c (B \ _|22r -p _|iir_^:i
cv \^eg - r-J [2] Veg-r \ 2 j Veg -
c / B" \ f-22r -p (iiT -p"
298 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
SO ergiebt sich:
a^^ ^ _ (11]'!)" a^ _ (2 2|' 1) dx_
dudv~~ 1 2 I Bdu \ 1 I B" dv '
Aber nach den Gleichungen (25), § 69, S. 135:
/i2l /ll\'j>" /12\ f22VD
\l]=-~\^] B^ l2l=-lli^
kann diese Gleichung wie folgt geschrieben werden:
d'^x ^ 1 1 2 j dx . 1 1 2 \ a«
dudv~~ \ 1 \ 'dii '^ [ 2 \ dv
Daraus ergiebt sich, dass auch auf S das System (u, v) conjugiert ist,
und ferner, dass die Laplace'sche Gleichung auf S dieselbe ist wie auf
S. Des weiteren sehen wir, dass derselben Laplace'schen Gleichung:
d^& fl2l d» , fl2l a«-
={?m+f
wegen der Identität (S. 289):
'V"' dx ?^ _|_ "^V^ dx dx ^
^L: du dv ' .^J dv du
auch der Ausdruck
xx -}- yy -\- 2z
genügt. Wenn wir nun zu der auf S. 288 gegebenen zweiten endlichen
Fassung der Aufgabe der unendlich kleinen Verbiegungen zurückkehren
und die beiden auf einander abwickelbaren Flächen 2^, 2J' betrachten,
welche die Ortsflächen der Punkte:
^=^x-^tx, n = y-^ty, ^ = z-{-tz\
bezgl. ^ \ (i= Const.)
i,'=^x — tx, rj'= y — ty , ^'= 0 — t0]
sind, so sehen wir, dass auch auf U und 2J' das System (u, v) con-
jugiert ist und dass die Laplace'sche Gleichung immer dieselbe bleibt.
Von dieser ist ausser |, rj, ^; |', n]', ^' auch der Ausdruck
(r + v' + l') - {l" + n" + n = ^Kxx + ^^ + ^^)
eine Lösung*).
*) Vgl. Koenigs, Comptes Rendus de l'Acad. des Sciences, Bd. CXVI, S. 569
(1893). Der Satz von Koenigs ergiebt sich übrigens sofort daraus, dass auf den
zwei auf das gemeinsame conjugierte System bezogenen und auf einander ab-
wickelbaren Flächen die Laplace'sche Gleichung dieselbe ist. Wenn
9 = W + ri' + t'). Q'=m'' + n'' + i'')
gesetzt wird, so folgt (§ 60, S. 116):
Qu = F, 912'= F.
Hieraus könnten wir umgekehrt die Ergebnisse des Textes folgern.
§ 158. Conjug. System, das bei unendl. kleinen Verbiegungen conjug. bleibt. 299
Insbesondere gilt dieses für einen unendlich kleinen Wert e von t,
woraus sich der Satz ergiebt:
Das conjugierte System auf einer Fläche S, das den Haupt-
tangentencurven der einer Fläche S bei einer unendlich klei-
nen Verbiegung associierten Fläche Sq entspricht, bleibt bei
dieser Verbiegung conjugiert. Auf der Fläche 5, die der
Fläche S durch Orthogonalität der Elemente entspricht, ent-
spricht diesemSystemwiederdas homologe conjugierte System.
Betrachten wir umgekehrt bei einer unendlich kleinen Verbiegung
einer Fläche S dasjenige conjugierte System, welches bei der Verbie-
gung conjugiert bleibt*). Ihm entspricht auf der associierten Fläche
Sq das System der Haupttangentencurven. Wir können also das Er-
gebnis so aussprechen:
Damit ein conjugiertes System auf S bei einer unendlich
kleinen Verbiegung von 5 conjugiert bleibe, ist es notwendig
und hinreichend, dass sein Gaussisches sphärisches Bild auch
dasjenige der Haupttangentencurven einer Fläche Sq ist. Die
Flächen S, Sq sind dann bei dieser Verbiegung associiert.
Ist insbesondere das conjugierte System das der KrümmungsKnien,
so geht die soeben aufgestellte Bedingung in die über, dass das sphä-
rische Bild der Krümmungslinien ein Isothennensystem sein muss.
Die associierte Fläche Sq ist dann eine Minimalfläche**).
§ 159. Eigenschaften von Flächen , die einander durch Orthogo-
nalität der Elemente entsprechen.
Wir wollen nun einige Eigenschaften von Paaren einander durch
Orthogonalität der Elemente entsprechender Flächen S, S entwickeln.
*) In jedem Falle, ausser in demjenigen einer blossen Bewegung (bei der
offenbar jedes conjugierte System conjugiert bleibt), ist dieses System eindeutig
bestimmt und sicher reell, wenn die Fläche, die verbogen wird, ein positives
Kriimmungsmass hat. Bezeichnen wir nämlich mit 8D, 8D\ SD" die Varia-
tionen von D, D', D" bei der Verbiegung, indem wir das gemeinsame conju-
gierte System als nicht eindeutig bestimmt voraussetzen, so muss die Proportion:
SB : SD': SD'= D : D' : D"
bestehen, und da femer
8J)D"— D'^) = D8D"-\- D"8D — 2D'SD'= 0
ist, während DD"— D'- nicht gleich Null ist, so folgt daraus:
SD = 8D'= SD"=0.
**) S. Weingarten, Sitzungsber. der Königl. Akad. d. Wissenscb. zu Berlin,
28. Jan. 1886.
300 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
Wir setzen zunächst voraus, dass die Fläche S ein positives Krüm-
mungsmass besitze, und wählen wie in § 157 als Parameterlinien u^ v
auf S ein isotherm- conjugiertes System. Die Gleichungen (19)
können nun so geschrieben werden:
«^'^ du dv \9/' » dv ~~ du \>/ ■
Daraus folgt:
d ( 1 dx\ . d / 1 dx\ ^
a« W^ diJ "^ dv W* dv/ ~ ^
oder:
d-x . d^x fj^log^O-^S , iy dlog& dx
du^~^cv^ du du ' " dv dv
nebst analogen Grleichungen in y und s. Bezeichnen wir andrerseits
mit I I die Christoffel'schen Symbole für die Fläche S und analog
mit D, D', Z)"; X, Y , Z die Coefficienten der zweiten Grundform
und die Richtungscosinus der Normale von S, so haben wir infolge
der Grundgleichungen (I), § 47, S. 89:
dazu analoge Gleichungen in y und z. Durch Vergleich dieser mit
der obigen Gleichung ergiebt sich:
jTll , \¥i\ aiog^** (iil , (2^1 aiog^^
1 1 1 + 1 1 J = -du'' 1 2 ( + \ 2 1 = —d~^'
B 4- B"= 0.
Die letzte dieser Gleichungen sagt uns, dass JD und D" einander gleich,
aber dem Vorzeichen nach entgegengesetzt sind, woraus folgt: Einer
Fläche S mit positivem Krümmungsmass entsprechen durch
Orthogonalität der Elemente nur Flächen S mit negativem
Krümmungsmass*).
Wie im Falle von Paaren associierter Flächen (§ 156), so ist auch
hier leicht einzusehen, dass einer Fläche S mit negativem Krümmungs-
mass durch Orthogonalität der Elemente Flächen sowohl mit positivem
wie mit negativem Krümmungsmass entsprechen.
Zweitens setzen wir voraus, dass die Fläche S ein negatives Krüm-
mungsmass besitze, und wählen die Haupttangentencurven als Parameter-
linien u, V. Die Gleichungen (15), § 157, S. 296, können dann folgen-
dermassen geschrieben werden:
*) Die Fläche ~S kann nur dann die Krümmung Null besitzen, wenn D = 0,
Z>'==0, D"= 0 ist, und geht dann in eine Ebene über (vgl. § 153).
§ 159. Eigensch. v. Fln., die einander durch Orthog. d. Elem. entsprechen. 301
1 dx d_ / I \ 1 ex c_ /J^\
Daraus folgt:
oder:
d^x dlog^dx I d\og&^ ex
dudv dv du du dv
Also: Den Haupttangentencurven einer Fläche S mit negati-
vem Krümmungsmass entspricht auf jeder Fläche S, die S
durch Orthogonalität der Elemente entspricht, ein conju-
giertes System mit denselben Invarianten.
Umgekehrt setzen wir nun voraus, dass es auf einer Fläche S ein
conjugiertes System mit denselben Invarianten gebe, für das also
j 1 2 \ clog» Tl 2 1 dlog-
\ 1 J ~" cv ' 1 2 J ~ du
ist, wo & eine passend gewählte Function von m, v ist.
Werden ^, ^/, ^ mittels Quadraturen aus den Gleichungen bestimmt:
a^ /j^\ _ j_ ax A_(3\ ^ i ^
du\9/ 9*cu' dv\9/ 9^cv'
A (l.\ = ^l£l A (A\ = i- ^
du\9/ »*du' cv\9/ 9'dv'
so sind diese Grössen Lösungen der nachstehenden Gleichung für &:
d'e ^ /dnog» , J_ ^ ^\ 0
dudv \ dudv 'd-^dudv/
Folglich (§ 68, S. 133) bestimmen die Lelieu vre' sehen Formeln:
ox I ^ „ ex I „ „
d-u = -\in. ^1' ^^1^ 1^
\ cu cu \ \ dv dv
u. s. w.
eine Fläche S, auf der die Curven u, v die Haupttangentencurven
sind und die durch Orthogonalität der Elemente der Fläche S ent-
spricht. Wir sehen also, dass die Frage nach den unendlich
kleinen Yerbiegungen einer Fläche S gleichbedeutend ist mit
der Bestimmung der conjugierten Systeme mit gleichen In-
varianten auf S.
302 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
§ 160. Die Ribaucour'schen Strahlensysteme.
Ribaucour hat zuerst eine wichtige Klasse von Strahlensystemen
betrachtet, zu denen wir in der folgenden Weise gelangen:
Es seien S, S zwei Flächen, die einander durch Orthogonalität der
Elemente entsprechen. Ziehen wir durch die Punkte der einen von
ihnen, sagen wir S, Strahlen parallel den Normalen in den entsprechen-
den Punkten von S, so erhalten wir ein Strahlensystem der erwähn-
ten Art.
Diese Strahlensysteme bezeichnen wir als Ribaucour'sche Strah-
lensysteme und die Fläche S, deren Normalen den Strahlen parallel
sind, als erzeugende Fläche.
Wir wenden nun die allgemeinen Gleich ungen des Kap. X auf die
in Rede stehenden Ribaucour'schen Systeme an. Berücksichtigen wir
zu diesem Zwecke die Gleichungen (6), § 154, S. 290:
\ dv du/ ^ ' \ ^u dvJ
dx
du ~~ ~Ye^^~p
dx
\ dv du! ^ ' \ dv du/
dv Veg-r
und setzen wir in den Kummer'schen Bezeichnungen (Kap. X, S. 257):
_ _^d^dX 7-__'^dxdX f'__^^^^ - __^dx_dX
■^J du du ' ' ^J dv du' ' j^J du dv' ^ j^ dv dv
so finden wir:
fD — eD' TT fD'— eD" ^ gD — fD'
yeg — f yeg — f yeg — P
gB'—fD"
yeg — r
Die Gleichungen (B), S. 263, und (D), S. 265, die bezüglich die
Abscissen der Grenz- und Brennpunkte bestimmen, lauten hier*):
(20) 4 "^ '
'*) Beim Einsetzen in die angeführten Gleichungen (B), (D) müssen die in
denselben mit E, F, G; e, /", f, g bezeichneten Grössen bezüglich durch e, /', g:
^1 fi /', g ersetzt werden.
§ 160. Ribaucour'sche Strahlensyst. §161. Sätze üb. Ribaucour' sehe Strahlens. 303
wenn mit )\. ;% die Hauptkrümmungsradien der erzeugenden Fläche S
bezeichnet werden*).
Die Gleichung (C), § 141, S. 264, welche die abwickelbaren
Flächen des Strahlensystems bestimmt, wird hier:
(21) Ddu\-{- 2D'du dv + D"dv^- = 0.
Wir haben also das Ergebnis:
Bei jedem ßibaucour'schen Strahlensystem ist die Aus-
gangsfläche Ä, welche durch Orthogonalität der Elemente
der erzeugenden Fläche >S^ entspricht, die Mittelfläche des
Strahlensystems. Die abwickelbaren Flächen des Strahlen-
systems entsprechen den Haupttangentencurven der erzeu-
genden Fläche S und schneiden folglich (§ 159) die Mittel-
fläche S in einem conjugierten System mit gleichen Inva-
rianten.
§ 161. Satze über Eibaucour'sche Strahlensysteme.
Die eben erwähnte Eigenschaft der Ribaucour' sehen Strahlensysteme,
dass nämlich ihre abwickelbaren Flächen die Mittelfläche in einem con-
jugierten System schneiden, ist für diese Strahlensysteme charakteris-
tisch, denn es besteht der Satz:
Jedes Strahlensystem, dessen abwickelbare Flächen die
Mittelfläche in einem conjugierten System schneiden, ist ein
ßibaucour'sches Strahlensystem.
Zum Beweise stellen wir die folgenden von Guichard herrühren-
den Betrachtungen au: Wir gehen zu den Gleichungen (27), § 148,
S. 275, zurück, aus denen sich die Coordinaten x, y, z des Mittel-
punkts ergeben:
X Q ^^
(22) - -- ■--
worin q eine Lösung der Gleichung (28), S. 276:
(2«)a+{?m+{VHl+[Ä{?}+ÄM+/;
p = 0
*) Um die Richtigkeit der Gleichungen des Textes nachzuweisen, berücksich-
tige man die folgenden (S. 124, (8)):
2fI)'—eD'—gD BD"— D*
^1 I ''s ZZ i« ^ '"i '"s ^
eg-r ' "~ eg-r
304 K.ap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
bedeutet. Wir bringen nun die Eigenschaft zum Ausdruck, dass auf
der Mittelfläche S die Spuren u, v der abwickelbaren Flächen des
Strahlensystems ein conjugiertes System bilden. Hierzu ist notwendig
und hinreichend, dass es zwei solche Functionen P, Q von m, v gebe,
dass X, y, 2 Lösungen derselben Laplace'schen Gleichung:
'öudv du~^ ^ dv
(24)
sind. Bilden wir nun wirklich -^ — ^^ aus einer der Gleichungen (22),
wobei wir (23) und die Gleichung (S. 122, (4)):
duov \ 1 ) cu ' { "i ) cv '
berücksichtigen, so erhalten wir:
dx
ex
ducv
8v "1"
12
1 \^
+
\dv \ 2
du
0
du
+
Li +
du
dX
+
Q +
i2\ a_p
2 1 dv
du
X-.
analoge Gleichungen bestehen für y und iz.
sind also durch die Gleichungen:
Die Functionen P und Q
(25)
P =
{?} +
1 dg
Q
in + i
2 j ^ ?
dQ
Q cv " 12 j ' q du
bestimmt und müssen noch der weiteren Bedingung:
dv
_A!i2n _, ii2|ae_
a^ 1 1 jj^ "I 1 2 j a«
1 2 \ a e
1 I du
genügen, die sich für die Werte (25) von P und Q auf
redu eiert. Diese Gleichung besagt, dass die sphärischen Bilder der
Developpabeln des Strahlensystems auch die Bilder der Haupttangenten-
curven einer Fläche sind (§ 64, S. 125). Auf diese Weise ist eben
Guichard zu dem Satz gelangt:
Damit die Developpabeln eines Strahlensystems dieMittel-
fläche S in einem conjugierten System schneiden, ist es not-
wendig und hinreichend, dass ihre sphärischen Bilder auch
die Bilder der Haupttangentencurven einer Fläche S sind.
Nun ist ferner leicht einzusehen, dass diese Fläche S durch Ortho-
gonalität der Elemente der Mittelfläche S des Strahlensystems ent-
§ 162. Besondere Klassen von Ribaucour' sehen Strahlensystemen. 305
spricht, das demnach ein Ribaucour'sches ist. Bezeichnen wir näm-
lich mit
das Krümmungsmass von S, so gelten die Gleichungen (§64, S. 125,(10)):
^ log i? o 1 1 2 \ c log i? o 1 1 2 1
"ä^^ = — - 1 2 J ' -TfT = ~ '^ 1 1 j '
und für die Coordinaten x, y, 'z eines Punktes von S ist (S. 126, (13)):
du Yeg — /*\ du dvj
ex B /j.dX dX\
TT- = ,- If g ~ ]n. s. w.
cv yeg — p\ cv du/
Diese Gleichungen geben, mit den Gleichungen (22) combiniert:
"^cjcd^ ^ '^ oxdx^ ^ ^^ dxdx ."^ ex c X ^
.^J cu cti ' .^J dv cv ' .^J du cv 'j^ cv c ii
und beweisen dadurch eben, dass S und S einander durch Orthogona-
lität der Elemente entsprechen*).
§ 162. Besondere Klassen von Ribaucour'schen Strahlensystemen.
Wir wollen nun einige besondere Klassen von Ribaucour'schen
Strahlensystemen betrachten.
Es gehören hierher die isotropen Congruenzen (§ 139, S. 261).
Man sieht nämlich sofort ein, dass die isotropen Congruenzen
diejenigen speciellen Ribaucour'schen Congruenzen sind,
deren erzeugende Fläche eine Kugel ist.
Ihre analytische Darstellung ergiebt sich am einfachsten, wenn
man berücksichtigt, dass die Haupttangent encurven der Mittelfläche
einer isotropen Congruenz reell sind (§ 159) und einem conjugierten
System mit gleichen Invarianten, d. h. einem Isothermensystem auf
der Kugel entsprechen. Gehen wir umgekehrt von einem beliebigen
Isothermensystem auf der Kugel aus, so finden wir aus den Gleichungen
zum Schlüsse des § 159, S. 301, mittels Quadi-aturen die allgemeinste
isotrope Congruenz oder, was auf dasselbe hinauskommt, die allgemeinste
unendKch kleine Verbiegung der Kugel.
*) Wir sehen, dass die am Schlüsse des vorigen Paragraphen angefühi-te
Eigenschaft, dass das conjiigierte System (w, r) auf der Mittelfläche eines Ribau-
cour'schen Strahlensyst^ms gleiche Invarianten besitzt, auch sofort aus der
Gleichung (25) folgt, da ?^ = ?^ ist.
cv cu
Bianchi, Differentialgeometrie. 20
i)OQ Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. EL
Die Guichard'schen Strahlensysteme (§ 152, S. 284), deren ab-
wickelbare Flächen dieselben sphärischen Bilder wie die Haupttangen-
tencurven einer pseudosphärischen Fläche haben, können nun offenbar
als Ribaucour'sche Strahlensysteme mit pseudosphärischer
Erzeugungsfläche definiert werden.
Wir wollen nun untersuchen, ob es Ribaucour'sche Normalen-
systeme giebt. Die sphärischen Bilder ihrer abwickelbaren Flächen
bilden in diesem Falle ein Orthogonalsystem, und da dasselbe auch das
Bild der Haupttangentencurven der erzeugenden Fläche sein muss, so
ist folglich diese eine Minimalfläche. Die Bilder der Krümmungslinien
der zu den Congruenzstrahlen normalen Flächen bilden ein Isothermen-
system. Umgekehrt bilden die Normalen einer Fläche, bei der die
Bilder der Krümmungslinien ein Isothermensystem sind, ein Ribaucour-
sches Strahlensystem.
Endlich bemerken wir, dass es unter denjenigen Ribaucour-
schen Strahlensystemen, die eine gegebene Fläche 8 zur Er-
zeugenden haben, unendlich viele giebt, deren Mittelfläche
eine Ebene ist.
Um sie alle zu erhalten, brauchen wir nur wie folgt zu verfahren
(§ 153, S. 287, Anmerkung): Wir projicieren alle Punkte von S ortho-
gonal auf eine Ebene n, drehen das ebene Bild der Fläche um einen
rechten Winkel um einen festen Punkt der Ebene und ziehen durch die
Punkte des neuen Bildes Parallele zu den Normalen von S. Ist ins-
besondere die Fläche S eine Minimalfläche, so ist das auf diese Weise
erhaltene Strahlensystem nach dem soeben Gesagten ein Normalen-
system; die zu den Strahlen normalen Flächen sind in diesem Falle
die Bonnet'schen Flächen, bei denen die zwischen den beiden
Krümmungsmittelpvmkten in der Mitte gelegenen Punkte in einer Ebene
liegen.
Aus diesen Betrachtungen folgt, dass bei einer orthogonalen Projec-
tion der Haupttangentencurven einer beliebigen Fläche auf eine Ebene
ein ebenes System mit gleichen Invarianten entsteht und dass umge-
kehrt jedes derartige ebene System die Orthogonalprojection der Haupt-
tangentencurven einer gewissen Fläche ist*). *
*) Koenigs, Comptes Rend. de l'Acad. d. Sciences, Bd. CXIV, S. 55. Der
von Koenigs gegebene Satz ist insofern allgemeiner, als er sich auf eine belie-
bige Centralprojection der Haupttangentencurven bezieht. Derselbe folgt sofort
aus dem im Texte betrachteten Specialfall, wenn man berücksichtigt, dass bei
projectiven Transformationen die Haupttangentencurven und die conjugierten
Systeme mit gleichen Invarianten in ebensolche Curven bezw. Systeme übergehen.
§ 163. Zweite Meth. zur Behandig. d. Aufgabe d. unendl. kl. Verbiegungen. 307
§ 163. Kurze Angabe einer zweiten Methode, die Aufgabe der
unendlich kleinen Verbiegungen zu behandeln.
Wir schliessen dieses erste Kapitel über die unendlich kleinen
Verbiegungen mit der kurzen Entwicklung einer zweiten Methode,
diese Aufgabe zu behandeln, welche sich unmittelbar aus den allgemei-
nen Sätzen in Kap. IV ergebt. Die Flache S, deren unendlich kleine
Verbiecningen wir bestimmen wollen, denken wir uns durch die beiden
Gmndformen (§ 48, Kap. IV)
Edu- + 2Fdudv + Gdv^,
Bdu^ -f 2D'dudv + D"dv^
definiert. Bei jeder unendlich kleinen Verbiegung von S bleibt die
erste Fonn ungeändert*, die Coefficienten der zweiten erfahren unend-
lich kleine Aenderungen, die wir mit
ÖD = ed, dD = sd', dD"= ad"
bezeichnen wollen, wo f eine unendlich kleine Constante ist und
d, d'j d" drei näher zu bestimmende Functionen von u und v sind.
Sobald d, d\ d" bekannt sind, erfordert die Bestimmung der ent-
sprechenden unendlich kleinen Verbiegung nur noch Quadraturen. Nun
ergeben sich die notwendigen und hinreichenden Bedingimgen, denen
die Unbekannten d, d\ d" genügen müssen, unmittelbar durch Variation
der Gaussischen Gleichung (DI) und der Codazzi'schen Gleichungen (IV)
(§ 48, S. 91). Sie lauten:
(27) l)"d — 2D'd'-\- Dd"= 0,
(28) -
i^-l^-{?}^+[{V}-{^^}]^'+{VW"=o,
K+{vw+[m-{v}]^'-{v^"=o*).
cd c
cu c
Die Gleichungen (2'^^ lassen sich auch in die zweite Form der Co-
dazzi'schen Gleichungen (IV*), § 48, S. 92, bringen:
*) Hieraus folgt sofort wieder, dass die Frage nach den unendlich kleinen
Verbiegimgen der Kugel mit der Bestimmung der Minimalflächen gleichbedeutend
ist. Ist nämlich S eine Kugel, so sind D, D', D" proportional E, F, G, und
jedes Wertsystem, welches den Gleichungen (27) und (28) genügt, giebt die Coef-
ficienten der zweiten Grundform einer Minimalfläche.
20*
308 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
d
(28*) •
L / ^ \ ^ /
— 2
Weg
12l ^
2 J ywg~-
— FV 1 2 I y^G^ — i^2
iil <^"
+
F^ ^ 1 2 ) y^t?— F^
0,
a
d"
du\yWG — F'
\ g / J'_ \ [ (221 ^ _
7 at? V|/-E^ö^— i^v 1 1 J V^G — F^
~2l'H
d'
+ {V}
d"
= 0.
1 j yeg — f' ' 1 1 j y.£;(?— F*
Bezeichnen wir mit x, y, 's die Coordinaten eines Punktes der
associierten Fläche S, so lässt sich leicht beweisen, dass x, y, 's durch
Quadraturen aus den Formeln
idx d' dx d ex
du~~ yEG^^^^ du yEG— F^ dv '
dx d" dx d' dx
\dv ~ YEG—F^ 'du ~ yWG^^F^^'
sowie den analogen für y^ z zu berechnen sind. Hieraus findet man
(29)
yEG—F^du
r y
die Verschiebungsfunction
und die unendlich kleine Verbiegung selbst allein durch Quadraturen,
wie oben (S. 307) behauptet wurde.
Diese allgemeinen Entwicklungen wollen wir nun auf einige Bei-
spiele anwenden.
Erstens behandeln wir nach dieser Methode wiederum die schon
in § 158 beantwortete Frage: Ist es möglich, eine Fläche S einer
solchen unendlich kleinen Verbiegung zu unterwerfen, dass
ein ursprünglich conjugiertes System {u,v) conjugiert bleibt?
Wählen wir dieses System (ii, v) als Parametersystem, so haben
wir der Voraussetzung zufolge:
i)' = 0, d'=0.
Also giebt Gleichung (27):
d=^XD, d"== — ?.D",
wo X einen geeigneten Factor bedeutet. Werden diese Werte in die
Grleichungen (28) eingesetzt und wird dabei berücksichtigt, dass D und
D" den Gleichungen (S. 134, (21)):
dP" __ |l2l ^„_ |22\
du ~ [2 \ -^ 1 1
genügen, so ergiebt sich:
D
§ 164. Anwendungen der zweiten Methode. 309
clogl _ 2D J2 2| clogX ^ 2D" (lll
"TjT "" I>" 1 1 r c'v D i 2 J
oder infolge der Gleichungen (25), § 69, S. 135:
cu l 2 j cv { 1 ]
wo die Symbole ^^\ , \ \ 1 f^ das Linienelement der Kugel berech-
net sind.
Die fragliche Verbiegung ist demnach möglich, wenn
öu l 1 j et? ( 2 j
ist, was wieder den Satz in § 158 liefert.
§ 164. Anwendungen der zweiten Methode.
Zweitens untersuchen wir, ob es möglich ist, eine Fläche unend-
lich wenig so zu verbiegen, dass ihre Hauptkrümmungsradien sich
nicht ändern. Da sich ja bei jeder Verbiegung die Totalkrümmung
nicht ändert, so braucht nur die Bedingimg, dass sich auch die mittlere
Krümmung nicht ändern soll, hinzugefügt zu werden. Werden die
Krümmungslinien als Parameterlinien gewählt, so lautet die soeben an-
gegebene Bedingung (nach S. 105, .18 ):
Sie Uefert, mit (27) (vgl. S. 102):
combiniert, und unter Ausschluss des Falles der Kugel die Gleichungen:
d = d"= 0.
Aus den Gleichungen (28*) ergiebt sich dann:
und als notwendige imd hinreichende Bedingung für die gesuchte Ver-
biegung erhalten wir:
gu 1 1 j cv \ 2 \
oder mit Rücksicht darauf, dass i^^ == 0 ist:
cucv
310 Kap. 11. Unendl. kleine Verbiegg. d. Flächen u. Entspr. durch Orthog. d. El.
Dieses besagt nacli S. 129, dass die Krümmimgslinien u, v ein Isother-
mensystem bilden. Wir baben also den von Weingarten angegebenen
Satz: Damit eine Fläche einer unendlich kleinen Verbiegung
unterworfen werden kann, bei der sich ihre Hauptkrümmungs-
radien nicht ändern, ist es notwendig und hinreichend, dass
ihre Krümmungslinien ein Isothermensystem bilden.
Schliesslich wollen wir noch die Frage nach den unendlich kleinen
Verbiegungen einer beliebigen Linienfläche S nach dieser Methode
behandeln.
Als Parameterlinien auf S wählen wir die Erzeugenden v und die
Haupttangentencurven u des zweiten Systems und haben dann:
Gleichung (27) giebt: d'= 0, und die Gleichungen (28) gehen über in:
dd fl2"
dv ~ { 1 )^'
Dieses System lässt sich offenbar durch Quadraturen integrieren. Da
aber die Bestimmung der Haupttangentencurven des zweiten Systems
einer Linienfläche im Allgemeinen die Integration einer Riccati'schen
Differentialgleichung (nach § 116, S. 221) erfordert, so haben wir:
Die Bestimmung der unendlich kleinen Verbiegungen einer
beliebigen Linienfläche lässt sich auf die Integration der
Riccati'schen Differentialgleichung ihrer Haupttangenten-
curven und darauf folgende Quadraturen zurückführen.
Sind insbesondere die Haupttangentencurven der Linienfläche be-
kannt, so werden also aUe unendlich kleinen Verbiegungen der Fläche
durch Quadraturen bestimmt.
Kapitel XII.
W- StraWensysteme.
0*9
Moutard's Satz über die Laplace'schen Gleichungen von der Form: - — ?r— = 3f0- .
^ cucv
— TT'- Strahlensysteme, d. h. Strahlensysteme, auf deren Brennflächenmänteln die
Haupttangentencurven einander entsprechen. — Ihre Ableitung aus den unendlich
kleinen Verbiegungen der Brennfläche. — Verallgemeinerung des Halphen"schen
Satzes. — TF- Normalensysteme, die der Gleichung: - — :-— = 0 oder: - — ^ + -7^—^ = 0
cucv cu cv^
entsprechen. — Sätze von Darboux über diejenigen TT'- Flächen, deren Hauptkrüm-
mungsradien durch die Gleichung: r, — '"i = jT ^"^ [^"(*'i"l'*'j)] verbunden sind. —
Bestimmung aller auf das Rotationsparaboloid abwickelbaren Flächen. — Tr-Strahlen-
sjsteme, deren Brennflächenmäntel in entsprechenden Punkten gleiches Krümmungs-
mass haben. — Sätze von Cosserat über die assocüerten Flächen dieser Brennflächen.
§ 165. Moutard's Satz über die Laplace'sch.en Gleichungen von
der Form : ^—^ = MQ^ .
cu c V
In diesem zweiten den unendlich kleinen Verbiegungen gewidmeten
Kapitel werden wir uns speeieU mit einer neuen Klasse von Strahlen-
systemen beschäftigen, die mit diesen Verbiegungen in engem Zusam-
menhange stehen. Dieselben ergeben sich am einfachsten aus der geo-
metrischen Deutung des Moutard'schen Satzes über Differential-
gleichungen von der Form:
cucv ' cu* ' cv* '
von denen ja, wie wir gesehen haben, die Aufgabe der unendlich
kleinen Verbiegungen abhängt.
Zu diesem Zwecke leiten wir zunächst kurz das schöne Ergebnis
Moutard's ab.
Ist 0- eine beliebige Lösung der Gleichung:
(1) ^ = ^^
312
Kap. 12. TT- Strahlensysteme.
und R eine bestimmte particiiläre Lösung derselben, sodass
(2) #^ = MB
ist, so ergiebt sich infolge von (1) und (2):
d__
dv
%• R
^ du
d- R
d& dB
d& dB
du du
dv dv
0.
Bezeicbnen wir daher mit i^ eine geeignete Function von u und v, so
können wir setzen:
^ R
dij) dtp
K— == dO" dB 7 Q— ^^
du -; — _ — . ov
(3)
^
R
dd'
dB
dv
dv
Schreiben wir diese Gleichungen in der Form:
J_ ^ _ _ A (^\ Jl.^ — Ä.(?\
B^du~ duXBJ' B^ dv ~ dv\BJ^
so sehen wir, dass ^ seinerseits der Laplace'schen Gleichung:
du \B^ dv) "• dv \B^ du)
genügt. Führen wir statt der unbekannten Function ip eine andere,
O-^, ein, indem wir
^ = R^^
setzen, so nimmt obige Gleichung wieder die Moutard'sche Form (1)
an; sie wird nämlich:
du dv
M, = R
dudv \B/
(1*)
WO
ist.
Wir bezeichnen nun die Gleichung (1*) als die mittels der
particulären Lösung R gebildete Moutard'sche Transformierte
der Gleichung (1). Infolge der Gleichung (4) ist klar, dass der
reciproke Wert von R eine particuläre Lösung der Gleichung (1*) ist,
sodass die Gleichung (1) wieder die mittels der particulären Lösung
"7? gebildete Moutard'sche Transformierte der Gleichung (1*) ist. Die
beiden Aufgaben, die Gleichungen (1) und (1*) zu integrieren, sind
äquivalent, da nach dem Vorstehenden zwischen ihren allgemeinen
Lösungen d' und d'^^ die Beziehungen:
^^) "J^T' — — ^ dl,\'B)' ~dr~ — ^ d^ \B)
§ 165. Moutard's Satz über gewisse Laplace'sche Gleichungen. 313
bestehen, aus denen sich, wenn ■9- bekannt ist, mittels Quadraturen O-^
ergiebt, und umgekehrt.
Wir wollen auch die entsprechenden Gleichungen für die Gleichung:
(6)
n+i;s=iif»
du
dv'
entwickeln, die übrigens in die Gleichung (1) übergeht, wenn u + iv
und u — iü als unabhängige Veränderliche gewählt werden. Ist R eine
particuläre Lösung von (6), und setzen wir:
0)
^.=4m)+&M
so ist die Integration der Gleichung (6) äquivalent mit der Integration
der nachstehenden Transformierten:
cu- ' cv- ^ ^'
(6*)
in Anbetracht der Gleichungen:
§ 166. Geometrische Deutung des Moutard'schen Satzes.
Mit Hilfe der Lelieuvre'schen Formeln und der Formeln für un-
endlich kleine Yerbiegimgen können wir dem Moutard'schen Satze eine
bemerkenswerte geometrische Deutung geben. Es seien |, »j, ^ di-ei
particuläre Lösungen der Gleichung (1), E eine vierte Lösung. Wir
betrachten nun die Fläche S, die durch die Lelieuvre'schen Formeln:
(9)
dx
cu
n
t
[du
du
dx
n
t
dv
*-*
cv
etc.
definiert ist, und die von ihr unendlich wenig verschiedene Biegungs-
fläche, die der neuen Lösung entspricht. Sie ist durch die Gleichungen
(15), § 157, S. 296:
dx
dii
n cB. ^ = -
du du
1
B
dv
cB
dv
etc.
definiert, welche die Coordinaten x, y, z eines Punktes der Fläche
S geben, die der Fläche S durch OrthogonaUtät der Elemente entspricht.
Wird
(10) x = R^„ y = Rvi, ~^ = ^ix
ai4
Kap. 12. TT- Strahlensysteme.
gesetzt, so sind 1^, rj^, 2;^ zufolge (5) drei durch Moutard'sche Trans-
formation aus I, 7j, 2; hervorgegangene particuläre Lösungen der Glei-
chung (1*). Wir construieren nun wieder mittels der Lelieuvre'schen
Formeln eine auf ihre Haupttangentencurven u, v bezogene Fläche S^,
die bis auf eine Translation durch die Gleichungen:
(11)
du
Vi
^1
du
du
dx^
dv
Vi
ti
drii
dt.
dv
dv
und analoge in ^/i und z^ definiert ist.
Verfügen wir über die additiven Constanten in x^, y^, z^ in geeig-
neter Weise, so können wir beweisen, dass die Fläche S^ in eine solche
Lage im Räume gebracht werden kann, dass sie und S zusammen die
beiden Mäntel der Brennfiäche eines Strahlensystems sind, dessen
Strahlen die beiden Flächen in entsprechenden Punkten berühren.
Aus den Gleichungen (9) und (11) folgern wir nämlich:
(12)
(12*)
d{x^ —
X)
cu
d{x^ —
X)
du
V
l
^1
^1
dri
du
dt
du
du
du
Vi
ti
V
e
drii
dv
dk
dv
—
dv
cv
dt
dv
Nun ergeben sich aus den Gleichungen (5) die folgenden
(13)
du
R
= — (i + ii) g^
cv
R
R
du
d{t,+ t)
du
d (t?i — Tj)
dv
dv
= -(v + Vi)j^'
dB
= -(t+ Q
dv
Daraus folgt:
V — Vi t—ti
dv idrji dt_ . dti
du '~ du du ~'~ du
0,
V + Vi
S + ^i
drji dri
dtr dt
dv dv
dv dv
= 0
nebst analogen Gleichungen, die sich durch cyclische Vertauschung
ableiten lassen. Subtrahieren wir die letzten Gleichungen bezüglich
von den Gleichungen (12) und (12*), so erhalten wir:
§166. Geom. Deutung d.Moutard'schen Satzes. §167. TT- Strahlensysteme. 315
c ( Ji — x) d_
cu du
d{x^ — a;) o 1 *Ji ^i
cv
IL a.
Bei passender Verfugung über die additiven Constanten in ^Cj, y^, r^
können wir also sofort setzen:
(14t) x,=x+\^ ^ |, y, = y+|^ ^ |, ^1 = ^+ ^ ^
Betrachten wir nun die durch diese Gleichungen bestimmte Fläche S^
in ihrer Beziehung zur Fläche S, so beweisen uns die Gleichungen:
i{x^ — x) + ri (yi — y) + e(^i— •?) = 0,
ii(^i — x) + Vi(yi — y) + ^i(^i — ~"^ = 0;
da I, 7?, ^ den Richtungscosinus der Normale von S, ^i, r]i, ^i den-
jenigen der Xoi-male von S^ proportional sind, dass die Gerade, die
zwei entsprechende Punkte F und iv,, (x, y, z) und {x^j y^ z^y
Ton S und S^ verbindet, in F die Fläche S und in F^ die Fläche S^
berührt. Femer gilt der wichtige Satz: Auf den beiden Mänteln
S, Si der Brennfläche dieses Strahlensystems entsprechen
einander die Haupttangentencurven oder, was auf dasselbe
hinauskommt, die conjugierten Systeme.
§ 167. TF- Strahlensysteme.
Diejenigen Strahlensysteme, auf deren Brennflächenmänt^ln die
Haupttangentencurven (oder die conjugierten Systeme) einander ent-
sprechen, mögen TT'- Strahlensysteme heissen, in Analogie mit dem
Falle der Xormalensysteme dieser Art, wo die zu den Strahlen
normalen Flächen eben die in Kap. IX als TF- Flächen bezeichneten
Flächen sind.
Für eine Fläche >S mit positivem Krümmun^mass können wir
ohne Einführung imasfinärer Grössen Gleichungen ableiten, die den
obigen vollkommen analog sind, wenn wir die Fläche auf ein isotherm-
conjugiertes System beziehen (vgl. § 70, 71, S. 135 — 139).
Sind §, Vi, ^ drei Lösungen der Differentialgleichung:
(15) i^ + C^ = Jtf*,
so ist die Fläche S durch die Gleichungen:
(16)
dx
n
%
dn
dt
dv
dv
dx
cv
V
t
du
du
und die analogen in y und z bestimmt. Bedeutet R eine vierte Lösung
von (15), so definieren die Gleichungen (§ 157, S. 296, (19)):
316
Kap. 12. W- Strahlensysteme.
dx
du
R
i
dB
ai
dv
dv 1
dx
dv
B
1
dB
du
du
etc.
eine unendlich kleine Verbiegung der Fläche 8. Wird wieder
X = Bl^, y = Rrj^, S = Rti,
gesetzt, so ist:
(17)
jLl ^ C -^5 )
dv
Es erhellt sofort, dass die Gleichungen (14) wieder ein "PT- System
ergeben, denn da ja hier nach dem obigen
du
%
ex
dril
a^i
dv
dv
dx^
dv
Vi
^1
die
du
etc.
ist, so entsprechen einander auf den beiden Brennflächenmänteln S und
S^ die conjugierten Systeme.
Beachten wir nun, dass infolge der Gleichungen (10) |, ij, t den
Componenten x, y, z der Verschiebung, die der Punkt F(x, y, z) bei
der betreifenden unendlich kleinen Verbiegung von S erfährt, propor-
tional sind, so können wir unser Ergebnis in dem folgenden Satze
aussprechen: Man betrachte eine beliebige unendlich kleine
Verbiegung einer Fläche S und ziehe durch jeden Punkt von
8 in der Tangentialebene denjenigen Strahl, welcher auf der
Richtung der Verschiebung, die der Punkt erfährt, senk-
recht steht; dann ist das so construierte Strahlensystem ein
W^System.
Dieser Satz erleidet natürlicherweise in einem Falle eine Aus-
nahme, wenn nämlich die angegebene Construction anstatt eines Systems
von oü^ Strahlen ein System von nur oo^ Strahlen liefert. Dieses tritt
nur dann ein, wenn die Fläche 8 eine Linienfläche ist und die Rich-
tung der Verschiebung eines jeden Punktes bei der betreffenden Ver-
biegung auf der durch den Punkt gehenden Erzeugenden senkrecht
steht. Es Hesse sich leicht nachweisen, dass jede Linienfläche unend-
lich kleine Verbiegungen dieser Art gestattet.
§ 168. Ableitung aller TT- Strahlensysteme aus unendlicli kleinen
Verbiegungen der Brennfläcken.
Guichard, von dem die obigen Formeln für die TT- Systeme
herrühren^ hat auch bemerkt, dass sie die allgemeinsten TF- Systeme
§ 168. T?^- Strahlensysteme bei unendl. kleinen Verbiegungen d. Brennflächen. 317
liefern. Wir wollen jetzt dieses wichtige Ergebnis beweisen, das
wir auf Grund des obigen Satzes auch folgendermassen aussprechen
können :
Jeder Brennflächenmantel eines TF-Strahlensystems ist
einer unendlich kleinen Verbieguug fähig, bei der die Ver-
schiebung eines jeden Punktes parallel zur Normale in dem
entsprechenden Punkte des anderen Mantels erfolgt.
Beim Beweise fassen wir den FaU ins Auge, in dem die Haupt-
tangentencurven ii, v auf beiden Mänteln S, S^ reell sind, da sich
der andere Fall ganz analog erledigt. Sind (a;, i/, z), (iCi, ^j, z^) zwei
entsprechende Punkte von S, S^, so definieren wir die beiden Flächen
durch die Lelieuvre'schen Formeln:
(18) S = -
dx
(19) '^ =
V
t
dn
dt
du
du
Vi
?i
du
du
dx
~dv
= +
CT] et
dv dv
! ^1 ^x
T^ = 'T \cni cti \>
\ cv cv \
wo I, rj, t'i ^i, Vi) ^1 ^^^ Richtungscosinus der Normalen von S und
Si in den beiden entsprechenden Punkten bezüglich proportional sind.
Wird
^'-hv'+i'- P, ^i' + Vi' + ti' = Qi
gesetzt, so sind
(20)
Q ^ er
die Krümmungsmasse von S und S^ (nach S. 133).
Nach Voraussetzung ist:
I {x, — x) + ri {y, — y)-\rt(3i — z) = 0,
^^(x,— x)-\-r}i{yi — y)-\-ti(^i — ^) = 0;
wir können demnach, wenn wir mit m einen geeigneten Proportiona-
litätsfactor bezeichnen.
(21) x^ — x^m
I "^1 ^1
yi — y^fn
z-, — z = m
li Vi
setzen. Werden diese Gleichungen nach u diiferenziei-t, die so entstan-
denen Gleichungen der Reihe nach mit |, ?;, t,, sodann mit ^j, ly^, tx
multipliciei-t und addiert, so ergiebt sich:
318
Kap. 12. TF"- Strahlensysteme.
(a)
1
n l
du
Vi ti
du du
= m
1
V
t
^1
Vi
ti
du
dr]
du
du
^
V
e
li
Vi
ti
= m
^
drj
K
du
du
du
1
^
e
5i
Vi
e^
2m
dr\^
du
du
(b)
Wird bezüglich v ebenso verfahren, so folgt:
il '?! tl
H dn dt
dv dv dv
I V ^
ii Vi ti
^ll. ^ ^
2«? dv dv
V
t
Vi
ti
= m
dvi
dv
dv
1
^1 ^1 ?1
dj_ d_n dj_
dv dv dv
V
Vi
= m
Nun können die beiden Determinanten:
1 ^
l
il %
li
>
2m du
du
1
V i
ii
Vi ^1
^
dn H
2«J
dv dv
nicht gleichzeitig gleich Null sein, denn sonst wäre:
es bestände demnach die Proportion:
^i'Vi'^i=^'V't,
und weil die Normalen in entsprechenden Punkten von S, S^ parallel
sind, so würden die beiden Flächen zusammenfallen, was wir aus-
schliessen. Die Gleichungen (a) und (b) ergeben folglich:
m^ = 1 ,
und wir können ohne weiteres'
m = 1
setzen, indem wir entgegengesetzten Falls die Zeichen von Ij, t^j, ^^
ändern.
§ 168. TT'- Strahlens jsteme bei unendl. kleinen Verbiegtmgen d. Brennflächen. 319
Wir erhalten demnach die Gleichungen:
die nach u und v differenziert und unter Berücksichtigung der Glei-
chungen (18) und (19) die folgenden Proportionen liefern:
du ' du ' du ~^ ^1 • ' ^'1 • ^ ^1'
Bezeichnen wir also mit a, ß zwei geeignete Functionen von u und r,
so können wir setzen:
Wenn wir die ersten drei Gleichungen nach v, die drei letzten nach u
differenzieren, darauf entsprechende Gleichungen addieren und uns er-
innern, dass I, rjj ^ Losungen ein imd derselben Laplace'schen Gleichung:
(24) XS- = 3Id-
^ ^ cucv
sind, so erhalten wir:
\ '^ cv c u/ ' \cv cu/^'^'
\ ^ cv cu/ ' \cv cur "'
(2M- 2aß -i^-^t = ß^-m e,.
\ ^ cc c 11/ \cv cu/ '1
Da die Proportion:
unmöglich ist, so folgt:
1^ — ^ = 0
cv cu, '
2M=2aß + y^-\-'J^-
'^ ' cv 'du
Bezeichnen wir also mit R eine neue Function von u und v, so
können wir
c log-R a ^ log-R
cu " cv
setzen. Weil nun die zweite der obigen Gleichunofen in
cucv
320 Kap. 12. TF- Strahlensysteme.
übergeht, so ist hiermit bewiesen, dass JR eine Lösung der Gleichung
(24) ist. Nun lassen sich die Gleichungen (23) auf die Gleichungen
(13) des vorigen Paragraphen zurückführen, und der Satz ist somit
bewiesen.
§ 169. Verallgemeinening des Halphen'sclien Satsses.
Die obigen Gleichungen führen sofort zum Beweise des bereits in
§ 150, S. 281, erhaltenen Satzes, der die von Halphen für die TF-Nor-
malensysteme nachgewiesene Eigenschaft (§ 127, S. 243, Gleichung (17))
auf alle TF- Systeme ausdehnt.
Bezeichnen wir nämlich mit 6 den Winkel der beiden Brenn-
ebenen in einem TT- System, dessen Brennilächenmäntel S und S^ seien,
so haben wir:
^^1 + VVi + Ui =VQii cosö,
wo Q, pi die durch die Gleichungen (20) gegebene Bedeutung haben.
Daraus folgt wegen der Gleichungen (14):
(x^ — xf + («/i — yf + (^1 — gf = QQ, sin2 ö,
und da nun
d=y(x,-xy + (y,-yy + (^^-^y
die Entfernung der beiden Brennpunkte und folglich
~. — = Vq p,
sm 6 r «r s 1
die Entfernung der Grenzpunkte angiebt, so ergiebt sich aus (20) die
Gleichung:
(24) KK.^i'^y
und hieraus der erwähnte Satz:
Bei jedem Tf-Strahlensystem ist das Product der Krüm-
mungsmasse der beiden Brennflächenmäntel in zwei ent-
sprechenden Punkten gleich dem reciproken Wert der vierten
Potenz der Entfernung der Grenzpunkte.
Die Ergebnisse der voraufgehenden Paragraphen liefern eine einfache
o-eometrische Deutung für den Moutard'schen Satz (S. 312, 813). Man
lege nämlich eine Moutard'sche Gleichung (1) vor, von der B eine par-
ticuläre Lösung sei, mittels deren (1) nach dem angegebenen Verfahren
in die neue Gleichung (1*) transformiert wird. Bezeichnen wir mit
l, ri, t, drei particuläre Lösungen der Gleichung (1), so können wir
nach den Lelieuvre'schen Formeln (9) eine zugehörige, auf ihre Haupt-
tangentencurven u, v bezogene Fläche 5^ construieren, für die Gleichung (1)
§ 169. Verallgemeinerung des Halphen' sehen Satzes. 321
die Gleicliimg der unendlich kleinen Verbiegungen ist. Entsprechend
der gewählten Losung R haben wir, um von (1) zu (1*) zu gelangen,
eine unendlich kleine Verbiegung der Fläche 5, für die wir nach
dem Satze auf S. 316 ein zugehöriges TF- Strahlensystem construieren.
Für den zweiten Brennflächenmantel S^ ist die Gleichimg der unendlich
kleinen Verbiegungen gerade die nach der Moutard'schen Methode
Transfonnierte (1*). Hieraus folgt: Für die beiden Brennflächen-
mäntel eines TF-Strahlensystems sind die Aufgaben, ihre
unendlich kleinen Verbiegungen zu bestimmen, äquivalent.
Wir bemerken nun, dass jede projective Raumtransformation ein
TF- System offenbar wieder in ein solches überführt, und da nun eben
die Frage nach den unendlich kleinen Verbiegungen einer Fläche S
mit der Bestimmung derjenigen TF- Systeme, für welche S ein Brenn-
flächenmantel ist, zusammenfällt, so ergiebt sich, dass, wenn alle
unendlich kleinen Verbiegungen einer Fläche S bekannt
sind, das nämliche für alle durch projective Transformation
aus S hervorgehenden Flächen gilt. Dieses folgt auch aus der
Bemerkung in § 159, S. 301, unten, nach der die genannte Aufgabe
mit der Bestimmung der conjugierten Systeme mit gleichen Invarianten
auf S zusammenfällt 5 es bleiben nämlich die conjugierten Systeme mit
gleichen Invarianten bei projectiven Transformationen erhalten.
§ 170. Neuer Beweis des 'Weingarten'sclien Satzes.
Wir wollen nun zeigen, wie auch der Weingarten'sche Satz über
die Evolutenflächen der TF- Flächen und seine Umkehruns aus dem
Ribaucour'schen Satze (§ 127, S. 243) und aus der allgemeinen, in den
vorhergehenden Paragraphen für die TF- Strahlensysteme angegebenen
Constiniction folgen. Hierzu schicken wir zunächst eine Untersuchung
voraus, deren Ergebnisse uns sehr bald von Nutzen sein werden, indem
wir uns die Frage stellen: Welche Flächen S gestatten eine un-
endlich kleine Verbiegung in sich?
Da die Verschiebung eines jeden Punktes von S tangential längs
der Fläche erfolgt, so wählen wir als Curven u diejenigen, welche auf
S von diesen Richtungen umhüllt werden, und als Curven v ihre
Orthogonaltrajectorien, sodass das Quadrat des Linienelements von S
durch
ds- = Edu^ + Gdv^
gegeben ist. Bezeichnen wir, wie in § 153, S. 287, mit
ex, sy, sz
die Componenten der Verschiebung, so haben wir nach Voraussetzung:
Bian Chi, Differentialgeometrie. 21
322 Kap. 12. F"- Strahlensysteme.
- l dx _ ^ cy - l dz
worin A ein geeigneter Proportionalitätsfactor ist. Nun liefern die
Bedingungen (S. 289):
"^dxdx ^ ^7 dx dx ^ >yT /dx dx . ex dx\ ^
die Grleichungen :
^_o —==0 1 g^ ^ 1 dya ^
dv~~ ' dv~ '' X 8u~~ ya du
Aus ihnen ergiebt sich, dass
; E=l, k = yG = r
gesetzt werden kann, wo r eine Function von u allein ist. Daraus
folgt: Die gesuchten Flächen sind ausschliesslich die auf Ro-
tationsflächen abwickelbaren Flächen.
Wird ferner der Wert der charakteristischen Weingarten'schen
Function (S. 289)
1 / "VT dx dx 'VT dxdoc\
^ 2r\.^^dvdu jLJducvJ-
berechnet, so ergiebt sich sofort fp = — ^~*)- Also: Für jede Fläche
S, die auf eine Rotationsfläche mit dem Linienelement-Quadrat
abwickelbar ist, ist der Wert der charakteristischen Func-
tion gp, welche die Verschiebung der Fläche in sich angiebt,
,. , dr
proportional -r- ■
Nach dieser Vorbemerkung nehmen wir an, es liege eine TF- Fläche
vor, deren Normalen also ein TF- System bilden. Nach dem Satze
in § 168, S. 317, gestattet jeder Mantel der Evolutenfläche eine unend-
lich kleine Verbiegung in sich und ist deshalb auf eine Rotationsfläche
abwickelbar (Weingarten'scher Satz).
Umgekehrt, ist S eine auf eine Rotationsfläche abwickelbare Fläche,
so bilden die Tangenten der Biegungscurven der Meridiane nach dem
Satze in § 167 ein TF"-(Normalen-)System, woraus die Umkehrung des
Weingarten'schen Satzes folgt.
1 '"vi d'^x dx
*) Es erffiebt sich nämlich qp = > -^— ^- -,^- und durch Differentia-
^ ° r jmmJ ducv Vit
n ^\^ Idxy „ , "V d'^x ex dr
tion von: G = > 1^.— I = r^ nach it: 7 ^ — ö- >^ = ' T~ '
j^ \cv/ ^^-"i oudvcv du
§171. TT'-Strahlensysteme, die der Gleichung: 9^^^ = 0 entsprechen. 323
§ 171. TF- Strahlensysteme, die der Gleichung:
cuct
= 0 entsprechen.
Wir geben nun einige bemerkenswerte Beispiele von TF- Strahlen-
systemen an, die uns zu wichtigen von Darboux*) herrührenden Er-
gebnissen führen.
Als Moutard'sche Fundamentalgleichung wählen wir die Gleichung:
=^ = 0
ex
Fi
ex
cv
und construieren mittels dreier particulärer Lösungen:
(26) l=ü{^) + <p,{v), V=fM + <P,iv), t=f,iu) + <PM
nach den Lelieuvre'schen Formeln:
fM + <pM fM + vM
die entsprechende Fläche S, deren Haupttangentencurren die Curven
u, V sind. Auf die Gleichung (25) wenden wir die Moutard'sche Trans-
formation mittels der particulären Lösung: i? = 1 an, sodass die trans-
formierte Gleichung mit (25) selbst übereinstimmt. Construieren wir
nun nach den Gleichungen in § 166, S. 314, das entsprechende TF-Sjstem,
für das S der eine Brennflächenmantel ist, so ergiebt sich aus den Glei-
chungen (13) (S. 314) für den zweiten Mantel S^i
(26 *) ii = (f^ (v) — /i («) , ni = <P2 (^0 — A («) ; ti = <P3 (^0 — fz (w) ,
und es ist folglich nach S. 315, (14):
9'2 (v) — fi («) <P3 i^) — Ü («)
9z{^) — fM vM — /i(w)
«PsC») + fM 9>M + /i(w)
9i (v) + fi (m) <P2 («') + A («♦)
1=^ + 2
l<p,{v)
^c^o
JM
fM
9>M
9i(^)
/"sOO
/iCt*)
9>i(v)
<pM
/;(«)
fM
Wir bezeichnen nun mit Sq die Mittelfläche dieses TF- Systems imd mit
Xqj yQ, Zq die Coordinaten jedes Strahlenmittelpunkts. Aus den Glei-
chungen:
— 5l±_? « _ yi + y
^0
Za =
z^-\-z
*) Le9ons, 3. Bd., S. 372 u. f.
2V
324 Kap 12. TF- Strahlensysteme.
d aus den vorstehenden folgt:
7) ^q ^ _
^ du
dv
92 (^) 93 (V)
^X^) 9äXf^)
nebst analogen Gleichungen für Pq und Zq. Wie wir sehen, ist die Mittel-
fläche Sq dieses TF- Systems eine Translationsfläche, deren erzeugende
Curven die Curven u, v sind (§ 59, S. 113). Ferner erhellt sofort,
dass fj^j f^, f^ den Richtungscosinus der Binormale der Curve v auf Sq
und cp^, (p2, (p^ denjenigen der Binormale der Curve u proportional
sind, woraus folgt, dass jeder durch einen Punkt P von Sq gehende
Strahl des TF- Systems die Schnittlinie der beiden Schmiegungsebenen
der durch P gehenden Curven m, v ist.
Umgekehrt legen wir nun eine beliebige Translationsfläche Sq
vor, die durch die Gleichungen:
(28) x, = F,{u) + ^M, y,= F,{u) + ^,{v), ,,= F,(u)+0,{v)
bestimmt sei, und wollen beweisen, dass durch passende Wahl der
Functionen fi, f^, fVi 9i} 92) 9z ^i^ Gleichungen (27) in die Glei-
chungen (28) übergeführt werden können. Der Einfachheit halber
wählen wir als Parameter w, v auf Sq die Bogen der Parameterlinien,
d. h. wir setzen:
^i»+^2»+^3''(^)=l.
Indem wir für die Curven u, v auf Sq die üblichen Bezeichnungen
aus der Curvenlehre beibehalten und den betreffenden Ausdrücken den
Index u oder v beifügen, je nachdem sie sich auf die Curven u = Const.
oder V = Const. beziehen, brauchen wir in der That nur
/i == ]/!'» cos Xe, f2 = YT^ cos ft„, /"g = YT'^ cos Vrf
(29) , . . .
(Pi = y — Tu cos Xu, 9^2 = y— Tu cos ^u, 9^3 = y~ Tu cos Vu
zu setzen, damit die Gleichungen (28) und (29) zusammenfallen.
Wir haben demnach den Satz von Darboux: Wird durch
jeden Punkt einer Translationsfläche Sq die Schnittgerade
der beiden Schmiegungsebenen der durch diesen Punkt hin-
durchgehenden erzeugenden Curven gezogen, so entsteht ein
TT^-Strahlensystem, auf dessen Brennflächenmänteln die Haupt-
tangentencurven den erzeugenden Curven von Sq entsprechen.
Uebrigens sehen wir, dass, wenn diese Construction reell sein soll,
die Torsionen der beiden erzeugenden Curven dem Zeichen nach ent-
gegengesetzt sein müssen.
§ 172. TT- Normalensysteme besonderer Art. 325
§ 172. TF-Nonnalensysteme, die der Gleichung: ö — ^r- = 0
entsprechen.
Wir imtereuchen nun, ob es unter den im Anschluss an den obigen
Satz construierbaren TF- Systemen Xormalensysteme giebt. Hierzu ist
nach S. 320 notwendig und hinreichend, dass
oder nach S. 323, dass
ist. Daraus ergiebt sieh infolge der Gleichungen (29):
T = T
und da T^ eine Function von u allein, Tu eine solche von v allein
ist, so haben wir das Ergebnis: Die gesuchten Translationsflächen
sind diejenigen, deren erzeugende Curven gleiche und dem
Zeichen nach entgegengesetzte constante Torsionen haben.
Wir wollen nun beweisen, dass die zu den Systemstrahlen ortho-
gonalen Flächen diejenigen Weingarten'schen Flächen (§ 134, S. 252)
sind, deren Hauptkrümmungsradien durch die Relation:
A- {r^ — r^ = sin [Je {r^ -{- rj] (J: = Const.)
verbunden sind. Hierzu bemerken wir, dass die beiden Mäntel der
Brennfläche der Moutard'schen Gleichung:
cu cv
entsprechen und dass R = 1 diejenige Lösung derselben ist, welche
die Verschiebung der Fläche in sich ergiebt. Demnach ist der zuge-
hörige Wert der charakteristischen Weingarten'schen Function infolge
der Gleichungen in § 157, S. 296, durch
gegeben, wenn K = 5 das Krümmungsmass des in Rede stehenden
Mantels S ist. Bezeichnen wir andrerseits mit
das Quadrat des auf die Biegungscurven der Meridiane und Parallel-
kreise bezogenen Linienelement-s von S, so ist infolge der Bemerkung
in § 170, S. 322:
7 ^^
CD = k -j->
^ da
und da nach S. 159, (13),
326
Kap. 12.
W- Strahlensysteme.
1 _ 1 d-'r
Q^ r da^
ist, so folgt
daraus
zur Bestimmung von r als
Function
von
a die
Gleichung:
7 4 M^V
\da/
oder:
demnach :
Wir haben also;
Setzen wir:
d
da
fe)0~
-- — 2k'i
dr
da
\dJ ''
1
(a =
rinnof ^
— «2 — Vr^
v^ionsi.^ .
ds^=
= (a^ -- h^r
')dr^-\-
rhlß\
72 . (O
Ic^r == a sm — j
so folgt hieraus:
ds' = ^ (cos* f dco^ + ^, sin^ I dß^) *),
und dieses ist gerade der Ausdruck für das Quadrat des Linienelements,
den wir in § 134 (S. 253) für den einen Mantel der Evolutenflächen
der angeführten TF- Flächen gefunden haben.
Umgekehrt besitzt jede Fläche, auf der das Quadrat des Linien-
elements in die obige Form gebracht werden kann, als charakteristi-
sche Function für ihre Verschiebung in sich den Ausdruck
Demnach ist B = 1 eine Lösung der entsprechenden Moutard'schen
Gleichung, die folglich die Form:
dudv
hat. Daraus schliessen wir, dass die vorhin angegebene Construction
alle diejenigen TT- Flächen liefert, für welche die sphärischen Bilder
der Krümmungslinien confocale Ellipsen und Hyperbeln sind. Wir
haben somit den schönen Satz von Darboux abgeleitet:
Um alle diejenigen TF-Flächen zu construieren, deren
Hauptkrümmungsradien durch die Relation:
^(»"2 — *"i) = sin UK'^2 + **l)]
*) Die directe Ausrechnung dieser Gleichung bietet keine Schwierigkeit; wir
verweisen jedoch hier in Betreff des directen Nachweises auf Darboux, a. a. 0.
§ 173. TF-Strahlensjsteme, die der Gleichung: 9,^ , + »,, = ^ entsprechen. 327
verbunden sind, betrachte man eine Translationsfläche Sq,
deren erzeugende Curven gleiche und entgegengesetzte con-
stante Torsionen haben. Durch jeden Punkt P von 5« ziehe
man die Schnittgerade der beiden Schmiegungsebenen der
durch Pgehenden erzeugenden Curven. Dieses Strahlensystem
ist ein Normalensystem, und seine Orthogonalflächen sind
die allgemeinsten TF-Flächen der obigen Art.
§ 173. TT- Normalensysteme, die der Gleichung: ^^ + '^— '^
entsprechen.
Wir setzen zweitens die Gleichung:
(A) 1^« + ?^ = ^
an. Es seien |, ??, ^ drei particuläre Integrale, mit denen wir vermöge
der Gleichungen:
dx
dx
V
g
du
dt
du
dv dv
und der analogen in y imd z eine Fläche S constniieren, auf der das
System u, v irothenn-conjugiert ist. Wir betrachten diejenige unend-
lich kleine Verbiegung dieser Fläche 5, welche der Lösung -R = 1 der
Gleichung (A) entspricht, und constniieren das zugehörige TF- Strahlen-
system. Der zweite Brennflächenmantel S, ist durch die Gleichungen
(31) Xi = x-\-
Vi ti i
yi = y+i
Zl= 2 -\-
li Vi
^1 ^1
,n IV "' -'Sei
definiert, wo §„ tj,, t, die zu l, i], t, conjugierten Lösungen von (A)
sind, die den Gleichungen (17), § 167, S. 316:
Mi=^, £lL = _|ietc.
cv
cu
genügen. Die Coordinaten x^, y^, ^o des Mitt^lpimkts eines Strahls
dieses TT- Systems genügen ebenfalls der Gleichung (A).
Um 17-Normalensysteme dieser Art zu erhalten, brauchen wir
nur die Bedingung:
lli + '.>a + ^^i = Ö
aufzusteUen, d. h.: Das durch die Gleichungen (30) und (31)
definierte TT-Strahlensystem ist ein Normalensystem, wenn
die Summe der Quadrate der drei Functionen der complexen
Yariabeln u -\- iv:
328 Kap. 12. TT- Strahlensysteme.
ii + «I, Vi + iv, ^i + it
gleich einer reellen Constanten^ also
(32) (1, + Üf + (Vi + ivf + (ti + iO' = «
ist.
Ist insbesondere a = 0, so ergiebt sich:
ii' + %' + Ci' = r + ^^ + ^^
d. h.:
wenn JST, Ä^ die Krümmungsmasse der beiden Brennflächenmäntel S, S^
sind. Diese Thatsache, verbunden mit der Anmerkung zu § 128,
S. 244, genügt bereits, um nachzuweisen , dass im Falle a = 0 das
W^- System von den Normalen einer Minimalfläche gebildet wird, welche
die Mittelfläche Sq des Systems ist, und dass die Flächen S, S^ nichts
anderes sind, als die Mäntel der Evolutenfläche der Minimalfläche Sq**)-
Um für einen beliebigen Wert der Constanten a auf der rechten
Seite der Gleichung (32) zu untersuchen, auf welche Rotationsfläche
S und analog S^ abwickelbar ist, brauchen wir nur wie im vorigen
Paragraphen zu verfahren, indem wir berücksichtigen, dass für unsere
Fläche S der Wert der charakteristischen Function, welche die Ver-
schiebung der Fläche in sich angiebt,
ist , wenn K = - j das Krümmungsmass ist. Zur Bestimmung von r
als Function von a (§ 172, S. 326) haben wir also hier die Gleichung:
l^. = -*'''(iiy (7. = Co„st.),
dl
demnach :
= h + Jc^r' (b = Const.),
IdrV
\dal
*) Wir sehen übrigens, dass, wenn wir, anstatt die Constante a auf der
rechten Seite der Gleichung (32) gleich Null zu setzen, sie in dem entsprechenden
TT- System rein imaginär annähmen, die Mäntel der Brennüäche immer noch
gleiches Krümmungsmass haben würden.
**) Bei dieser Gelegenheit dürfte die Bemerkung am Platze sein, dass jedem
Orthogonalsystem auf der Evolventenfläche ä^ auf den Mänteln S, S^ der Evo-
lutenfläche ein conjugiertes System, insbesondere jedem Isothermensystem auf 8^
ein isotherm -conjugiertes System auf S, S^ entspricht. Diese Eigenschaft kommt,
wie aus den Gleichungen in § 127 leicht ersichtlich ist, allen Flächen mit con-
stanter mittlerer Krümmung zu.
§ 174. Auf das Rotationsparaboloitl abwickelbare Flächen. 329
und somit für das Quadrat des Linienelements von S:
(33) ds^ = (&-!- l''r^)df" + r^dßK
Umgekehrt ist för jede Fläche S, auf der das Quadrat des Linien-
elements in diese Form gebracht werden kann, der entsprechende
Wert der charakteristischen Function tp gleich — , und da die zugehörige
Moutard'sche Gleichung die Losung R = 1 besitzt, so lautet sie:
^ 4- £!^ = 0
Wir sehen somit, dass unsere TF- Strahlensysteme in ihren Brennflächen
aUe Flächen mit dem gegebenen Linienelement (33) liefern.
§ 174. Bestimmung aller auf das Eotationsparaboloid abwickelbarer
Flächen,
Um nun über die Gestalt der Rotationsfläche, auf die S abwickel-
bar ist, klar zu werden, müssen wir, je nach dem Vorzeichen ron h in
der Gleichung 1^33), das, was wir sofort, sehen werden, dem von — a
in der Gleichung (32) entspricht, verschiedene Fälle unterscheiden.
1) Ist 6 = 0, so wird das Quadrat des Linien elements (33)
ds' = du^ + udß^
und gehört zu den Evolutenflächen der Minimalflächen (§ 134, S. 252,
Anmerkung). Es ist dieses derjenige Fall, welcher, wie wir bereits
vorhin gesehen haben, durch den Wert a = 0 der Constanten in der
Gleichung (32) charakterisiert wird.
2) Sei 5 > 0. Dann können wir imbeschadet der Allgemeinheit
& = 1 , ds' = (!-{- l-^r')dr'' -f r-dß'
setzen, und die zugehörige Rotationsfläche ist das Rotationspara-
boloid (vgl. S. 78):
Setzen wir femer unter Einführung einer Hüfsfunction a
Jc'r = sinh — >
SO folgt:
(34) ds' = c' (cosh* ~ da' -\- sinh^ ^ dv') {c=^)-
Berechnen wir nun die Hauptkrümmungsradien r^, r^ der Evol-
ventenfläche, so finden wir nach den Formeln in § 133, S. 251, ohne
Schwierigkeit:
)
330 Kap. 12. Tr-Strahlensysteme.
/,^r\ CO — sinh CO (o 4- sinh co
(35) r^ = c , r^ = c ~
demnacli (vgl. S. 247) für den zweiten Mantel Sj^ den Ausdruck:
(34*) ds,^ = c^ (sinh* I dco' + cosh^ |- dv^) ,
der, wie sofort einleuchtet, dem Ausdruck (33) für das Quadrat des
Linienelements mit negativem h entspricht.
Ferner ergeben sich für die zu (34), (34*) gehörigen Krümmungen
K, K^ nach S. 243, (16), die Ausdrücke:
K= " , K,=
4c^ cosh* -— 4c^ sinli* —
2 2
Es ist also:
p = 2 c cosh^ — 7 pi = 2 c sinh^ — ;
Q — pi = 2c > 0.
Daher hat die Constante in der Gleichung (32), nämlich
« = ik' + V^' + k') - (1^ + ri^ + a ==Q,-Q,
einen negativen Wert.
Hieraus ist ersichtlich, dass der Fall & < 0, welcher der Wahl
eines positiven a in der Gleichung (32) entspricht, nicht betrachtet zu
werden braucht, und wir können das Ergebnis von Darboux in der
folgenden Fassung aussprechen:
Sind li 4~ *i; % 4~ '^'^j ^1 + *^ d^ßi solche beliebige Func-
tionen der complexen Veränderlichen u -j- iv, die durch die
Gleichung:
(B) (i, + ilf + (^, + irif + {k + Hf == Const.
verbunden sind, so liefern die Gleichungen (30) mittels Qua-
draturen die allgemeinsten auf das Rotationsparaboloid ab-
wickelbaren Flächen, wenn die reelle Constante auf der rech-
ten Seite von (B) negativ ist, andernfalls ihre Ergänzungs-
flächen. Ist ferner diese Constante gleich Null, so ergeben
sich aus den Gleichungen (30) alle Evolutenflächen der Mini-
malflächen.
Schliesslich bemerken wir, dass das Quadrat des Linienelements
der Kugel, bezogen a-uf die sphärischen Bilder der Krümmungslinien
der Evolventenfläche, die charakteristische Form (§ 133, S. 250):
(36) ^,'2__^!^+ ^^^
sinh* ^ cosh^
2
§ 175. TT- Syst. mit gleicher Krümm, in entspr. Punkten d. Brennflächen. 331
annimmt. Wir sehen also, dass sich die Aufgabe, das Quadrat des
Linienelements der Kugel auf diese Form zu bringen, mittels Quadra-
turen lösen lässt.
§ 175. TF- Strahlensysteme, deren Brennflächen in entsprechenden
Funkten gleiche Krümmung haben.
Wir betrachten noch eine zweite Klasse von TF- Strahlensystemen,
von denen die pseudosphärischen (§ 151, S. 282) ein besonderer Fall
sind. Zu diesem Zwecke stellen wir uns die Aufgabe, diejenigen
TF- Systeme zu bestimmen, deren Brennflächenmäntel in entsprechenden
Punkten gleiches Krümmungsmass besitzen, wobei wir uns übrigens
auf den Fall beschränken, in dem die Haupttangentencurven
auf der Brennfläche reell sind-
Wir wählen die Haupttangentencurven als Parameterlinien «, v
und bedienen uns bei der Untersuchung der Gleichungen in § 166,
S. 314. Da nach Voraussetzung
ist, so ist nach S. 317:
(37) ^' + ri' + t' = Ir' + %' + t,' = Q,
femer, wenn 6 den Winkel zwischen den Brennebenen bedeutet, nach
S. 320:
(38) |§, + »,,;, + eei = 9 cos tf.
Nun multiplicieren wir die drei ersten Gleichungen (13), S. 314, der
Reihe nach mit |, r,, t, ebenso mit 1^, j;,, t^ imd addieren sie jedes
Mal. So erhalten wir unter Beinicksichtigung der Gleichungen (37), (38):
,(l-cos«)|?=iä[i|^+2l||],
und hieraus durch Addition:
(39^ £4«^^ = _a + cos5)^i^-
Verfahren wir ebenso mit den drei letzten Gleichungen (13), S. 314,
so erhalten wir:
(39*) '-^^ = (1 - cos 6) y^ *).
*) Werden ^^ ' ^^ durch die Symbole | ^ i '' I V 1 \ ^^ sich auf
das Quadrat des Linienelement« der Kugel beziehen, ausgedrückt, so lauten diese
Gleichungen (vgl. S. 125):
332
Kap. 12. TT- Strahlensysteme.
Aus diesen Gleichungen folgt:
lr[(i +
A d log 9
cos (?) — >r^-^
+
du
1
cos (5) — ö
= 0
oder wegen der Gleichungen (39), (39*) selbst:
demnach :
(40)
dudv
0,
K^ —
[qp(w) + ^{V)y
wenn mit q){u) eine Function von u allein, mit V(^) eine Function
von V allein bezeichnet wird. Also: Wenn bei einem TT-System
die beiden Brennflächenmäntel in entsprechenden Punkten
gleiches Krümmungsmass besitzen, so nimmt dieses Krüm-
mungsmass, durch die Parameter u, v der Haupttangenten-
curven ausgedrückt, die charakteristische Form (40) an.
Im nächsten Paragraphen werden wir beweisen, dass die hier als
notwendig nachgewiesene Bedingung auch hinreichend ist, genauer aus-
gedrückt, dass jede Fläche der Klasse (40) als erster Brenn-
flächenmantel zu oo^ TF-Systemen der gesuchten Art gehört,
deren Bestimmung von der Integration einer Riccati'schen
Gleichung abhängt.
Wir bemerken hier noch, dass die durch die Gleichung (40)
charakterisierten Flächen als besonderen Fall die pseudosphärischen
Flächen umfassen, die in dem Falle, dass (p(u) und ^(v) beide constant
sind, hervorgehen.
Ist nur eine der beiden Functionen (p(u), ^(^), z. B. ip(v)f con-
stant, so sind die Curven gleicher Krümmung Ä'= Const. die
Haupttangentencurven m, von denen also jede (nach dem Enneper'schen
Satze, S. 121) eine Curve constanter Torsion ist. Umgekehrt gehören
alle Flächen, deren Haupttangentencurven des einen Systems Curven
constanter Torsion sind, zu dieser Klasse. Das einfachste Beispiel
einer solchen Fläche ist die Minimal- Schraubenfläche.
(a)
' 3 cos ff
du
d cos 6
dv
= 2(l + cosff){y}',
= -2(1—008(7) [^^] ,
{121' f 1 2 1 '
, Inf besteht die Identität:
(b)
_a_ ji2i'
du i 1
_a_ jl2
cv l 2
i2i'fi2r
§ 176. Zurückfölirung der Bestimmung auf eine Riccatrsche Gleichung. 333
Endlich bemerken wir, dass zu der allgemeinen Klasse (40) alle
geraden Conoidflächen (§ 68, S. 134) gehören.
§ 176. Zurückführong ihrer Bestimmung auf eine Eieeati'sche
Gleichung.
Zum Beweise des angeführten Satzes nehmen wir eine Fläche S
der Klasse (40) und bestimmen den Winkel ö durch die Gleichungen
(39), (39*), die integriert
(41) tangl'l/H?!'
WO Je eine willkürliche Constante ist, geben. Wir erteilen in dieser
Gleichung Ä; einen festen Wert und wollen dann beweisen, dass oc^
solche TT"- Systeme construiert werden können, deren einer Brennflächen-
mantel S ist und deren zweiter Brennflächenmantel S in jedem ent-
sprechenden Punkte dasselbe Ki-ümmimgsmass wie S hat.
Bei diesen Strahlensystemen ist infolge der Gleichung (24), S. 320,
die Entfernung der Brennpunkte
ö = Q sin6 .
Wir betrachten nun in jedem Punkte von S die Richtungen der Krüm-
mungslinien, deren Richtungscosinus wir mit X^, y\, Z^x X,, Y.^, Z^
bezeichnen. Auf der Bildkugel sind nach S. 120 diese beiden Richtungen
die Halbierungslinien der Winkel zwischen den Parameterlinien u, r;
es gelten daher die in § 149 (S. 278) abgeleiteten Formeln, die wir
der grösseren Klarheit halber hier nochmals zusammenstellen*):
(42)
If = l/.-(sin I 2. + cos f :X,) 41 = V5 (- Bin f X, + cos ^ JE,),
^ = -AX-Vesm|x, ^= BX^ + l^smfx,
[^3= 4X.-1/Jc«sfx, ^ = -BX,-y^cos-fX;
*) Die obigen und die umstehenden Formeln beziehen sich auf das Quadrat
des Linienelements der Büdkugel
ds* = edtt'-f 2cosflye5f dudv + gdv*^
und mit — » — sind die geodätischen Krümmungen der sphärischen Curven w , v
Qu ?t.
bezeichnet.
334
Kap. 12. TF- Strahlensysteme.
(48)
Ä =
1 dSl^
~2 'du
Für die Coordinaten x, y, z eines Punktes F von /S geben dann
die Gleichungen (13), § 64, S. 126 :
(44)
' dx
8u
dx
cos — Xi
sm
Xi -j- sin
Xgj u. s.
w.
Bezeichnen wir mit cp den unbekannten Neigungswinkel des Focal-
abstands FF' gegen die von F auf S ausgehende Richtung (X^, Y-^^, ZJ,
so erhalten wir für die Coordinaten x\ y', z von F' offenbar die Aus-
drücke:
X = X -{- q ■&\n 6 (cos ^ X^ -f- sin 9 Xg) ,
(45) I «/' = 2/ -j- 9 sin ö (cos g) F^ + sin 9) Fg) ,
0' = ^ -f~ ? sin (? (cos g) ^1 -j- sin 9? ^2) •
Nun müssen wir ff den Bedingungen unserer Aufgabe unterwerfen.
Hierzu beweisen wir zunächst, dass 9? so bestimmt werden kann, dass
die in F' zur Fläche S' , der Ortsfläche des durch die Gleichungen
(45) bestimmten Punktes F'{x'y y\ z'), gezogene Normale die Rich-
tungscosinus
(X'= cosöX -f- sin (J (cos gp Xg — sin^jX^),
Y' = co^ßY -\- sin ö (cos cpY^ — sin cp Y-^ ,
Z' = cos 6 Z -\- sin ^ (cos (p Z^ — sin 9p Z^
hat; ist dieses bewiesen, so ist die Fläche 8' offenbar der zweite Brenn-
flächenmantel des so construierten Strahlensystems. Bilden wir nun die
beiden Gleichungen:
J
X'
ex
du
ex'
0,
^^ cv '
die eben besagen, dass die Richtung (X', Y, Z') zur Fläche S' nor-
mal ist, so finden wir unter Benutzung der früheren Gleichungen:
(47)
du ' '
dcp ^ ,/-l
sin 6
— cos 6
sin
sm
§ 176. Zuruckführung der Bestimmung auf eine Riecati'sche Gleichung. 335
Wird nun die Identität:
+ ^ = — ye^ sin ß
cA _, cB
cv 'du
berücksiclitigt, die aus der Liouville'schen Formel für das Krümmungs-
mass (§ 77, S. 151), sowie aueli die beiden Gleichungen:
; /t/- 1 — cose\ t/- _. 1 — cos ff fl2l -,/-l + cose (l2l
V sin ff / ' ^ sin ff [ 2 } ' sin ff l 1 I
cv
benutzt, die sich ohne Schwierigkeit aus den Gleichungen (a) (S. 332)
ergeben, so stellt sich heraus, dass die Integrabilitätsbedingung für die
Gleichungen (47) identisch erfüllt ist.
Die Gleichungen (47), die durch eine totale Differentialgleichung
für tangY vom Riccati'schen Typus ersetzt werden können, besitzen
also eine Lösung q) mit einer willkürlichen Constanten.
Es erübrigt nun noch nachzuweisen, dass für einen beliebigen von
den Werten qp, die diesen Gleichungen genügen, das construiei-te Strahlen-
sjstem zur TF- Klasse gehört, denn dann folgt aus dem Satz S. 320
unmittelbar, dass das Krümmungsmass von S' gleich demjenigen vou
S ist. Es braucht also nur nachgewiesen zu werden, dass auch auf
der Fläche S' die Gurren ?(, v Haupttangentencurven sind, d. h. dass
die beiden Gleichungen:
^^ du cti ' -^-^ cv cv
bestehen. Wird die Rechnung ausgeführt, so ergiebt sich, dass die
Gleichungen genau in die beiden Gleichungen (a), S. 332, die 6 bestim-
men, übergehen.
Wir bemerken schliesslich, dass wir wegen der bekannten Eigen-
schaften der Riccati'schen Differentialgleichung nur eine pai-ticiüäre Lösung
der Gleichungen (47) zu kennen brauchen, um die allgemeine Lösung
mittels Quadraturen zu finden. Hiernach gilt für die neu abgeleiteten
Flächen der Klasse (40) dasselbe, wie für die Ausgangsfläche, und es
sind nur Quadraturen erforderlich, um das Verfahren unbegi-enzt oft
anzuwenden. Können wir ferner für die Ausgaugsfläche alle unendlich
kleinen Verbiegungen bestimmen, so gilt nach dem Satze von Moutard
das nämliche für alle abgeleiteten Flächen. Dieses ist nun eben der
Fall, wenn wir als Ausgangsfläche S die Pseudosphäre, die Minimal-
Schraubenregelfläche oder das gleichseitig - hyperbolische Paraboloid,
336 Kap. 12. TF- Strahlensysteme.
die Vertreter der drei vorhin betrachteten Typen von Flächen (40),
wählen *).
§ 177. Sätze von Cosserat.
Die associierten Flächen der in den beiden voraufgehenden Para-
graphen betrachteten Flächen besitzen eine bemerkenswerte charakte-
ristische Eigenschaft, die von Cosserat entdeckt worden ist**). Um
dieselbe zu finden, stellen wir uns die Frage: Welche Flächen kön-
nen so verbogen werden, dass ein ursprünglich conjugiertes
System {u, v) conjugiert bleibt? Als Parameterlinien auf der ge-
suchten Fläche S wählen wir das conjugierte System (ii, v). Da D'= 0
ist, lauten die Codazzi'schen Grleichungen (S. 91, (IV)):
'l^+{V|^"-{?}^=o,
(48)
'''■■+ I?l^-(?li5"=0.
Nach der Verbiegung ist D' immer noch gleich Null, und da das
Product DD" ungeändert bleiben soll, so können wir die neuen Werte
von D und D" mit
bezeichnen. Setzen wir sie in die Gleichungen (48) ein und berück-
sichtigen wir diese mit, so finden wir für die unbekannte Function A
die beiden Gleichungen:
du
(i)={v}#.(i-^)' i^-{\'m-^)
statt A führen wir mittels der Substitution: A^ = 1 H eine andere
unbekannte Function v ein. Wenn wir uns dabei der Gleichungen
(25), S. 135:
[22\ D /12\' [lll D" (12\'
\il^ = -i2r 121 n = - 1 1 j '
in denen die Symbole rechts für das Quadrat des Linienelements der
Kugel gebildet sind, erinnern, so erhalten wir:
*) Hinsichtlich der weiteren Ausführung vergleiche man die Abhandlung
des Verfassers in den Annali di Matematica, 2. Serie, 18. Bd. (1890).
**) Comptes Rendus de l'Acad. des Sciences, 12. u. 19. October 1891.
§ 177. Sätze von Cosserat. § 178. Beispiele. 337
Jede Losung v dieser Gleichungen liefert eine Lösung der Auf-
gabe; da nun aber diese Gleichungen in v linear sind, so können sie
nicht mehr als eine Lösung haben, wofern sie nicht unbeschrankt in-
tegrierbar sind und dann unendlich viele Lösungen haben. Damit letz-
terer Fall zutrifft, ist es notwendig und hinreichend, dass
ist, d. h. die Fläche S muss nach S. 332 die Associierte einer Flache der im
vorigen Paragi-aphen betrachteten Klasse sein. Wir haben also gefunden :
Wenn eine Fläche S mehr als eine solche Verbiegung
gestattet, bei der ein ursprünglich conjugiertes System con-
jugiert bleibt, so gestattet sie eine stetige Aufeinanderfolge
solcher Yerbiegungen. Diese Flächen S sind sämtlich und
ausschliesslich die Associierten derjenigen Flächen, deren
Krümmungsmass K, ausgedrückt durch die Parameter der
Haupttangentencurven, die Form (40)
[9(«) + ^{v)y
hat.
Nach den Entwickelungen der voraufgehenden Paragraphen sind
wir im Stande, lediglich durch Quadraturen beliebig viele Flächen zu
finden, die der hier betrachteten Yerbiegungen fähig sind.
§ 178. Beispiele.
Diese allgemeinen Ergebnisse wollen wir auf drei Beispiele anwenden.
1) Das auf der Kugel von den Meridianen und den Parallelkrei-
sen gebildete System genügt den Bedingungen (50). Daher gestatten
alle Gesimsflächen mit eylindrischer Abwickelung (§ 74, S. 144) eine
stetige Aufeinanderfolge von Yerbiegungen, bei denen ihre KJrümmungs-
linien beständig Krümmungslinien bleiben. Umgekehrt lässt sich unter
Benutzung der Gleichungen (50) leicht nachweisen, dass dieses die
einzigen Flächen sind, die solcher Yerbiegungen fähig sind. Diejenige
Fläche, der sie associiert sind, ist die Rotationsminimalfläche, d. h. das
Catenoid.
2) Wir betrachten das gleichseitige hyperbolische Paraboloid, das
zur Klasse (40) gehört.
Da die sphärischen Bilder seiner Erzeugenden grösste (geodätische)
Kreise sind, so ist
{V) = o,
1 1 I - ^'
B i a n c h i , Differentialgeometrie.
338 Kap. 12. TT- Strahlensysteme.
demnach für die dem Paraboloid associierten Flächen (§ G9, S. 135,
Formeln (25)):
fl2l ^ (12\_^
Dieselben sind also nach S. 137, oben, Translationsflächen, deren
erzeugende Curven, wie leicht ersichtlich, eben sind und in lotrechten
Ebenen liegen. Umgekehrt ist jede Translationsfläche dieser Art eine
Associierte des gleichseitigen hyperbolischen Paraboloids. Es gehört
demnach zu jeder solchen Translationsfläche eine einfach unendliclie
Schar von Flächen derselben Klasse, die auf einander abwickelbar sind.
3) Schliesslich betrachten wir eine beliebige pseudosphärische
Fläche 8. Ihre Associierten sind Voss'sche Flächen, auf denen die
Bilder der Haupttangentencurven von S ein conjngiertes System geo-
dätischer Linien bilden. Jede Voss'sche Fläche kann somit in stetiger
Weise so verbogen werden, dass das conjugierte geodätische System
conjugiert bleibt. In diesem Falle ist die im voraufgehenden Para-
graphen mit A bezeichnete Function eine Constante, woraus erhellt,
dass sich bei der Verbiegung die erste und die zweite Krümmung der
geodätischen Linien bei dem einen System mit einer Constanten, bei
dem anderen mit dem reciproken Wert derselben multiplicieren.
Kapitel XIII.
Die normalen Kreissysteme.
Bedingung dafür, dass eine Schar von oc* Curven eine Schar Orthogonalflächen
hat. — Normale Kreissysteme oder Cykelsysteme. — Grundlegende Sätze von
Rihaucour. — Dreifaches örthogonalsystem von Flächen, das zu einem normalen
Kreissystem gehört. — Cyklische Strahlensysteme, die von den Axen eines nor-
malen Kreissystems gebildet werden. — Bedingungen dafür, dass ein Stnihlen-
8yst«m cyklisch ist. — Strahlensysteme, die auf unendlich viele Weisen cyklisch
sind. — Das Cykelsystem, in dem alle Kreise gleich gross sind. — Ausdruck für
das Linienelement des Baumes, bezogen auf ein normales Kreissystem. — Be-
stimmung der sphärischen Bilder der Abwickelbaren eines cyklischen Strahlen-
svstems.
§ 179. Bedingung dafür, dass eine Schar von cc- Curven eine
Schar Orthogonalflächen hat.
In engem Zusammenhange mit der Lehre von den geradlinigen
Strahlensystemeu und den unendlich kleinen Verbiegungen der Flächen
steht die Theorie, die wir in dem vorliegenden Kapitel behandeln
wollen und die sich auf Scharen von oc- Kreisen bezieht, die
eine Schar Orthogonalflächen besitzen.
Eine solche Kreisschar werde kurz ein normales Kreissystem
oder auch nach der Bezeichnung Ribaucours, von dem diese Theorie
entwickelt worden ist, ein Cykelsystem genannt.
Wir schicken unserer Untersuchung die Ableitung der Bedingung
voraus, der eine Schar von oo- Curven im Räume, eine sogenannt«
Curvencongruenz, genügen muss, damit es eine Schar von Flächen
gebe, die zu diesen Curven orthogonal sind*). Wir schreiben die Glei-
chungen der Congruenzcurven in der Form:
(1) I = |(m, », t), n = i?(w, V, t), l = S(m, f , t),
*) Vgl. Beltrami, Ricerche di analisi appUcata alla geometria. Giomale
di Mat^matiche, 2. Bd.
22*
340 Kap. 13. Die normalen Kreissysteme.
WO II, V zwei willkürliclie Parameter sind, deren einzelne Werte Uq, Vq
eine Curve 6^ der Schar eindeutig bestimmen, während die Variable t
dann die Punkte der Curve festlegt.
Wir wollen nun annehmen, dass es eine zu den Curven orthogo-
nale Fläche U gebe, und es sei
(2) t=t(u, v)
diejenige Function von u, v, die wir, um E zu erhalten, in die Glei-
chungen (1) einsetzen müssen. Durch einen Punkt (|, i^, ^) dieser
Fläche, der den Werten u = Uq, v = Vq entspricht, geht die Curve der
Schar
I = IK, v^, t), ri = ri{uQ, VQ,t), t = t (mo, v^, t) ,
und die Richtungscosinus ihrer Tangente sind proportional
c^ dn dj
dt' dt' dt'
Nach der Voraussetzung muss also
(3) ^äl+^ä, + ^äi^O
*ein, worin di,, drj, dt, aus den Gleichungen (1) zu berechnen sind und
für t der Wert (2) einzusetzen ist. Nun setzen wir:
^-2(Mf' ^-2^' y-2lt2-
Dann nimmt die Gleichung (3) die Gestalt an:
(4) . Tdt + Udu + Väv = 0.
Der gesuchte Wert t muss als Function von u, v dieser totalen Diffe-
rentialgleichung genügen. Damit es also eine Schar von Flächen 27
gebe, die zu den Curven orthogonal sind, ist es notwendig und hin-
reichend, dass die Gleichung (4) unbeschränkt integrierbar sei, d. h.
dass für alle Werte von t, u, v ihre Integrabilitätsbedingung :
(5) T P-F- - m + u{% - m + rm- m = o
^ '' \CV du/ ' \0t CVl ' \du dt 1
erfüllt sei. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, so kann es nur ein-
zelne Flächen geben, die zu den Curven orthogonal sind; dieses ist
dann der Fall, wenn die Gleichung (5) für t einen oder mehrei-e
Werte liefert, die der Differentialgleichung (4) genügen.
§ 180. Normale Kreissysteme und Sätze von Ribaucour.
Wir nehmen nun an, die Congruenz (1) werde von Kreisen ge-
bildet. Um sie analytisch zu definieren, brauchen wir nur die Coor-
dinaten a\, y^, z^ des Kreismittelpunkts, den Radius H und die
§ 180. Normale Kreissysteme und Sätze von Ribaucour. 341
Lage der Kreisebeue, d. h. die Richtimgscosinus des auf sie errichteten
Lotes, die wir mit a, ß, y bezeichnen wollen, als Functionen von «, v
anzugeben. Wird dieses Lot im Mittelpunkt des Kreises errichtet, so
nennen wir es die Axe des Kreises, und wie sich bald herausstellen
wird, müssen wir mit der Betrachtung des normalen Kreissystems die-
jenige des von den Kreisaxen gebildeten Strahlensystems verbinden.
In der Ebene des Kreises (u, i) ziehen wir zwei auf einander
senkrechte, im übrigen willküi-liche Durchmesser und bezeichnen ihre
Richtungscosinus bezüglich mit «j, ß^, y^^ «g, ^, y^ Bezeichnen wir
noch mit t den Winkel zwischen einem Radius des Kreises («, v) und
der Richtung («j, /3i, yj, so lauten die Gleichungen (1) in unserem
Falle:
[I = rTi + 'R{a^ cosf + ttj sinO,
(6) U = !/i + -R(/5i cos« + /32 sinO,
l^ = -^1 + ß(yi cos^ + Vi sin 0-
Unter Berücksichtigimg der Relationen:
erhalten wir als totale Differentialgleichung (4):
Die Integrabilitatsbedingung nimmt hier die Gestalt:
(8) .4 + J5 sin i + C cos < = 0
an, wo ^, -B, O Functionen von « und v allein sind. Es giebt also
nur dann eine Schar von cc^ Flächen, die zu den Kreisen orthogonal
sind, wenn identisch
^ = 0, 5 = 0, C=0
ist. Entwickelt liefern diese Bedingimgen die folgenden di-ei Grund-
gleich ungen:
(U) i^[2'-s -2 "4^ -^-^^ --^«»Ä + Ä^«.!^ -
342 Kaj). 13. Uic normalen Kreissysteme.
(III) ll[
"VI dcc^ "VT ^iCj "V7 ^oTj "VI dXi _, ^ "VT ^ajj
8 "VT ^iCi"! "VT dx^ dB . "VT ciCi dB ,. ^s
Wenn sie nicM identisch erfüllt sind, so liefert die Gleichung (8)
höchstens zwei Flächen, die zu den Kreisen orthogonal sind, woraus
sich der Satz von Ribaucour ergiebt:
Sind die Kreise einer Schar von cx)^ Kreisen zu drei ver-
schiedenen Flächen normal, so sind sie es zu einer ganzen
Schar von oo^ Flächen.
Es dürfte femer hervorzuheben sein, dass die Grleichung (7), wenn
A = tang -^
als Unbekannte eingeführt wird, die Riccati'sche Form:
dA = (aÄ' + ö^ + c)du + {a A"" + l' A + c')dv
annimmt, wo a, h, c; «', h', c' bekannte Functionen von u, v sind.
Man braucht also nur eine der zu den Kreisen orthogonalen Flächen
zu kennen, um alle übrigen mittels Quadraturen zu finden.
Die Eigenschaft der Riccati'schen Gleichung, dass das Doppel-
verhältnis von vier particulären Lösungen A^, A^, A.^, A^ constant
(unabhängig von u, v) ist, findet hier die entsprechende geometrische
Deutung in dem Satz von Ribaucour:
Vier Flächen aus der zu einem Kreissystem orthogonalen
Schar bestimmen auf allen Kreisen des Systems je vier Punkte,
deren Doppelverhältnis constant ist**).
§ 181. Formeln für normale Kreissysteme.
Wir betrachten ein normales Kreissystem und wählen als Aus-
gangsfläche S eine der Orthogonalflächen. Diese Fläche S beziehen
wir auf ihre Krümmungslinien, indem wir unter Beibehaltung unserer
üblichen Bezeichnungen (§ 49, S. 94)
^ 1 dx ^ 1 dx
X-, = —=L ■ 7 -A-o = — — ^ --- U. S. W.
^ Yb du ^ ya dv
P 7? r\ ff
*) Durch Auilösunsr der letzten beiden Gleichunaren nach ^-^ — und -^^—
' du dv
könnten diese drei Gleichungen leicht in eine Form gebracht werden, in der nur
die Kichtungscosinus o; , ß , y der Kreisaxe anstatt «i , ßi , yj ; «2 , ßg , y^ auftreten
würden.
**) Es ist nämlich A= tang -.^ der Parameter des Büschels, das vom Endpunkt
des Radius {a^, ßj, y^) aus die Punkte des Kreises projiciert.
§ 181. Formeln für normale Kreissysteme. 343
setzen. Wir haben dann nach (4), S. 95, und (14), S. 102, die Gleichungen:
cu
du »•* "
(p)
cu
1 cYe
ya cv
Xr,
cX Vg ^
YE cu -
cv
cX, ^ 1 cVG -^
?e VE "=■■ '
VG
cu
Durch jeden Pimkt P von S geht ein Kreis («, v) des Systems
normal zu S hindurch. Um ihn zu bestimmen, brauchen wir nur
seinen RadiiLS R und den Winkel cp anzugeben, den die Spur seiner
Ebene in der Tangentialebene mit der Richtung (Xi, Yj, Z^) bildet.
Für die Coordinaten x^, y^, s^ des Mittelpunktes haben wir dann:
Xi = X -\- B{cos(pXj^ + sin 9X2) ,
(10) yi = y + R{cos(pY^ + sm(pY^),
.Zi = 3 -\- B{cos(pZi + sin cp Z^) .
Als die oben benutzte Richtung (a^, ß^, yj wählen wir die der erwähn-
ten Spur imd demnach als Richtimg (a^, ß^, y.) die der Normale (X, Y, Z)
von S. Dann haben wir:
(11) «^ = cosgjXi + sinqpXg, cc, = X.
Berechnen wir mittels (11) und (9) die Summen in der totalen Diffe-
rentialgleichung (7), so finden wir wegen (13), S. 102:
cB
2«^W = — ^cosqp, z^cv- — vr
cv
aimp,
2"^"^
YE cos cp
YG SUKp
Also lautet die totale Differentialgleichung (7) wie folgt:
(12) .*=[sin*(A|f + l^^)+i^^(l+cosO]<*« +
und die Integrabilitätsbedingungen (I), (H), (III) reducieren sich auf
die beiden folgenden:
344
(IV)
Kap. 13. Die nornuilcn Kreissysteme.
■ d fyo sinqpX d /^/E cos qp\ ,
du \ ~B / ~ ov \ R 7 ~~ '
d /|/6^ sinqp l\ c /yiE cos cp 1 \ i
du \ Ä TJ ~ 'dv \ B üj •"
+ i^^ sm 9 cos 9? ( ^
§ 182. Laplace'sche Gleichung, von der die normalen Kreissysteme
abhängen.
Ist die Fläche S eine Kugel, so sind die beiden Gleichungen (IV)
genau dieselben, und die entsprechenden Kreissysteme ergeben sich
leicht auf Grund des Satzes in § 180, wenn noch eine Fläche S' will-
kürlich angenommen und diejenige Schar von oo^ Kreisen construiert
wird, die gleichzeitig zur Kugel S und zur Fläche S' normal sind.
Denn da die Kugel zweimal als zu den Kreisen normale Fläche zählt,
so besitzt dieses System drei Orthogonalflächen und ist daher nach
S. 342 stets ein normales System. Dieselbe Betrachtung gilt insbe-
sondere auch für den Fall, dass an Stelle der Kugel S eine Ebene
tritt, wie sich auch aus der Anwendung einer Transformation mittels
reciproker Radienvectoren ergiebt.
Wir setzen nun voraus, dass die Fläche B keine Kugel sei, und
lösen unter Zuhilfenahme der Gleichungen (§ 123, S. 234, (1)):
du\ r, J r« du ov \ i\ J r, dv
(a)
die Gleichungen (IV) nach ^^-~ und — - auf.
du
dv
Dann erhalten wir:
(IV*)
dB ü . {dq> 1 dyE\ t/„
-:r-= B cot cp l^^—y^j—YEcoscp,
CU \CU yCr CV /
o == — U tang cp\~ -\ — ; — I — y 6r sm ro .
CV ^^ \cv ^ yE du / ^
Infolge der ersten der Gleichungen (IV) muss der Ausdruck
ein vollständiges Differential sein. Wenn wir noch mit ip eine unbe-
kannte Hilfsfunction bezeichnen, können wir demnach
yE cos qp 1 ^ T/> yO sin 9 1 dtp
B ip du B ip dv
setzen. Dann liefert die zweite der Gleichungen (IV) unter Berück-
sichtigung der eben angeführten Gleichungen (a) für ip die Laplace'sche
Gleichung:
§ 182. Laplace'sche Gleichung der normalen Kreissysteme. ' 345
/yx c-rp ^^ c log yE cjp . c log|/g r^
' cuct cv ftt' cu cv
Ist umgekehrt ^ eine Lösung dieser Gleichung, so ergiebt sich ein
entsprechendes Cykelsystem aus den folgenden Gleichungen:
{ 1 1 (C log t/>\2 , 1 (c log 1*\2 . ,
\ ^ YE cu YG cv
Wird die Function if; eingesetzt und tang wie oben gleich A gesetzt,
so geht die totale Differentialgleichung (12) in:
dA^lA llog (I) - " Ü?l*) rf„ +hl i„ 1^) _ 1 lj?^)j„
\ CU °\tb/ Tj cu / ' \ cv ^\ip/ Ti cv I
über und ergiebt mittels einer Quadratur:
(VI) tang \=^\c- r(A i± du + "^^ ^ dv) }
{C eine willkürliche Constante).
Von der Laplace'schen Gleichung (V) hängt auch die Bestimmung
derjenigen Flächen ab, welche dieselben sphärischen Bilder der Krüm-
mungslinien haben, wie die Fläche S. Daraus geht hervor, dass die
Aufgabe, die zu einer bestimmten Fläche S normalen Kreis-
systeme zu finden, mit der Bestimmung derjenigen Flächen
gleichbedeutend ist, welche mit S die sphärischen Bilder der
Krümmungslinien gemein haben*). Offenbar sind
^, y, ^, a^ + r + z- + c
particuläre Lösungen der Gleichung (V); die entsprechenden Kreisysteme
sind die vorhin betrachteten, die von den zur Fläche S und einer festen
Ebene (Coordinatenebene) oder einer Kugel normalen Kreisen gebildet
werden. Die Kugel selbst wird reell oder imaginär, je nachdem die
Constante c < 0 oder > 0 ist. Ist c = 0, so gehen alle Kreise durch
einen Funkt.
*) Die Gleichung, auf deren Integration wir die Aufgabe, die Flächen mit
gegebenen sphärischen Bildern der Knunmungslinien zu bestimmen, zurückgeführt
haben, ist eigentlich die folgende (s. S. 141, unten):
g'TT ^ c \ogyK cW c log ^G' cW
ducv cv cu CU cv ^
worin E', G' die CoefBcienten beim Linienelement der Kugel sind; aber die Lö-
sungen dieser Gleichung sind mit denjenigen der Gleichung (V) des Textes durch
die einfachen Beziehungen verbunden:
cW _ 1 r^ cW^ l^d-tl}
cu r, ctt' cv r, cv
346 Kd\>. IH. Die normalen Kreissysteme.
§ 18o. Dreifaches Ortho gonalsystem von Flächen, das zu einem
normalen Kreissystem gehört.
Ist P ein Punkt einer Fläche S, die zu einem normalen Kreis-
system orthogonal ist, so ziehen wir an die Krümmungslinien v = Const.,
u = Const. die Tangenten PÄ und PB. Es seien dabei Ä und B
die Punkte, in denen die Tangenten die Axe des durch P gehenden
Kreises C schneiden. Bezeichnen wir mit 1^, 7]^^ ^^^ Ig? %? tu die
Coordinaten von Ä bez. B, so finden wir unmittelbar:
'1 ' cos qp 1 ' " -^ ' cos q3 1 ' '1 ' cos qp ^ '
'■^ ' sm qp ^ ' '^ -^ ' sm qp - ' ^■^ ' sin qp ^
Durch Differentiation der ersten Gleichungen nach v, der zweiten nach
II und unter Berücksichtigung der Gleichungen (9) und (IV*) er-
giebt sich:
-Q : -^- : -o--- =0 : ^-^ : o = (cos cpA, — sm odA, ) :
üv ov ov du du du v "r j f 1/
: (cos (pY,^ — sin (p Y■^) :
: (cos cpZ^ — sin q)Z^) .
Da die drei letzten Ausdrücke die Uichtungscosinus der Kreisaxe
sind, so erhellt nach S. 264, dass die beiden Punkte Ä, B die Brenn-
punkte dieser Axe in dem von den Kreisaxen gebildeten Strahlensystem
sind; die Developpabeln des Strahlensystems sind folglich reell und ge-
hören zu den Krümmungslinien der Fläche S.
Wir betrachten nun alle Flächen Z", die zu den Kreisen ortho-
gonal sind, und die beiden Scharen von Ortsflächen der Kreise •
u =^ Const. und v = Const.,
welche wir mit E^, U^ bezeichnen. Dann können wir leicht den Satz
von Ribaucour beweisen: Die drei Flächenscharen 27, 27^, 21,
bilden ein dreifaches Orthogonalsystem.
In der That, betrachten wir eine Fläche U^ (11 = Const.). Sie
schneidet alle Flächen 2J orthogonal längs Krümmungslinien von U, die
folglich nach S. 97 auch für U^ Krümmungslinien sind. Daraus folgt,
dass auf 2J^ die Krümmungslinien die Kreise C und deren Orthogo-
naltrajectorien sind. Die Normale der Fläche 2J^ in P ist also die Tan-
gente PA der Krümmungslinie v von 2J, und ebenso ist die Normale
von 2^2 die Tangente PB der Curve u auf 27, woraus sich die Rich-
tigkeit des Satzes ergiebt.
Ferner sehen wir, dass, wenn wir mit 2 9 die Entfernung AB der
§ 184. Cyklische Strahlensysteme. 347
Brenupuukte bezeichnen, zwischen dem Abstand d des Kreismittelpunkts
vom Mittelpunkt der Axe und dem Kreisradius II die Beziehung:
R^ -1- d' = Q-
besteht, sodass wir, unter 6 einen reellen Winkel verstehend,
d = Q cos 6 , R = Q sine
setzen können.
§ 184. Cyklische Strahlensysteme.
Nach dem Obigen besitzt das von den Axen eines normalen Kreis-
systems gebildete Strahlensjstem stets reelle Developpabeln, und es
gehören zu diesen die Krümmungslinien der zu den Kreisen orthogo-
nalen Flächen. Wir bezeichnen ein Strahlensjstem als cyklisch,
wenn es ein normales Ki-eissystem giebt, dessen Axen die Strahlen des
Strahlensystems sind. Wir wollen nun die Bedingung dafür aufstellen,
dass ein gegebenes Strahlen System cyklisch ist. Wie wir sehen werden,
hängt diese Bedingung nur von den sphärischen Bildern der Develop-
pabeln des Strahlensystems ab, und wir woUen hier, wo wir nur den
allgemeinen Fall betrachten, annehmen, dass diese Bilder zwei ver-
schiedene Scharen von Curven u, v seien.
Indem wir auf die Guichard'schen Gleichimgen (§ 148 if., S. 274)
zurückgehen, aus denen sich die Strahlensysteme mit gegebenen sphä-
rischen Bildern der Developpabeln:
(14) ds'^ = Edu^ -\- 2Fdu dv + Gdv""
ergeben, erinnern wir daran, dass q, die halbe Entfernung der Brenn-
punkte, der Laplace'schen Gleichung (S. 276):
a^)a^l»+ {?}!!+ {ym + [Ä{M+Ä{V}+^]^-o
genügt, imd dass umgekehrt jeder Lösung q dieser Gleichung ein
Strahlensystem der verlangten Art entspricht, für das die Coordinaten
X, y, 3 des Mittelpunkts eines Sti^ahls mittels Quadraturen durch die
Gleichungen (32), S. 279:
(16)
dx
du
dx
gegeben sind. Bezeichnen wir, wie vorhin, mit
d = Q cos 6, II = o sin 6
348
Kap. 13. Die normalen Kreissysteme.
die Entfernung des KreLsmittelpiinkts {x^, ijy, z^ vom Strahlmittel-
punkt {x, y, z) und den Radius, so müssen wir in unseren allgemeinen
Gleichungen (S. 341)
Xy^ == X -\- qX cos 6 , yy=y-\-QY cos 6 , ^i = -^ + qZ coh 6
setzen, können also ohne weiteres
cu
Xo
annehmen. Unter Benutzung der Gleichungen (30), S. 278, erhalten
wir nun zunächst:
(17)
A{(,(l + cos^)}+2{'/}(,]x-
— yE sin - q{\ — cos 6)Xy — yi^ cos i;^ 4) (1 — cos (f)X,^ ,
dv
1 2
_g^{9(l-cos(?)} + 2|7)^JX-
— YG- sin ^(1 -f- cos ö)Xi -|- ]/Z?cos ^, p (1 + cos 0)X^ ,
demnach als totale Differentialgleichung (7), S. 341, die folgende:
(18)
dt =
yj5;tang^ cosl^ + . ) + Ä
ß
du —
yCr cot ,^ cos ( t
worin nach (31) und (31*) auf S. 278
1 dSl
1) + ^
dv.
^ =
2 du
, -i/E /12I . „ y'E 1 fSl
2 dv ^ V E [ 2 ] Q^ 2 dv
ist. Diese totale Differentialgleichung besitzt die bemerkenswerte Eigen-
tümlichkeit, dass sie lediglich von den sphärischen Bildern der Deve-
loppabeln des Strahlensystems abhängt. Daraus folgt: Alle Strah-
lensysteme, die mit einem cyklischen Strahlensystem die
sphärischen Bilder der Developpabeln gemein haben, sind
gleichfalls cyklisch.
Wenn wir nun die Integrabilitätsbedingungen für die Gleichung
(18) ansetzen und dabei berücksichtigen, dass
^ + |-^- = -yj^sinß
ov ' ou '
ist (vgl. S. 335), so finden wir als Bedingungen:
§ 185. Strahlensysteme, die auf unendl. viele Weisen cyklisch sind. 349
A(l/G cotf ) = VE {Vj cot- cos ß - ]/G {V} tg • ,
Wenn die Differentialquotienten der Coefficienten durch die Christoffel'-
schen Symbole ausgedrückt werden, so lauten diese Bedingungen so:
fc COSff c\/ i\ f 1 ^l
-^ = 2(cos^-l) .^ ,
(19) .
\d C0S6 .-., ... 1 -21
Aus diesen Bedinomncfen folcrt weiterhin die Gleichung:
(.(1-21 . f 1 2 1 \ (12) - 1 1 2 1
<;t7 CU J CU * CV 11112)
aus der wir (wofern sie keine Identität ist) für cos 6 einen eindeutig
bestimmten Wert erhalten: und die Congnienz ist cyklisch (reell), wenn
dieser Wert für cos 6 dem absoluten Betrage nach kleiner als Eins
ist und den Gleichungen (19) genügt. Also: Einem cyklischen
Strahlensvstem kann im alloremeinen nur ein normales Kreis-
System zugeordnet werden, dessen Axen die Strahlen sind.
§ 185. Strahlensysteme, die auf unendlich viele "Weisen cyklisch
sind.
Das soeben gewonnene Ergebnis erleidet eine sehr bemerkenswerte
Ausnahme, wenn die Gleichung (20) eine Identität ist, d. h. wenn
C fl2l_ c (12) _ fl2\|l2\
äii 1 1 j - a7 \ 2 1 - ^ 1 1 j 1 2 j
ist. Diese Bedingungen charakterisieren die sphärischen Curven m, v
als Bilder der in den §§ 175 ff., Kap. XTT, untersuchten Flächen, deren
Krümmungsmass durch den Ausdruck
(A) K=-
gegeben ist. Wir sehen also, dass die einzigen Strahlensysteme,
die in mehr als einer Weise und daher auf unendlich viele
Weisen cyklisch sind, diejenigen Ribaucour'schen Congruen-
zen sind, deren erzeugende Flächen Flächen der Klasse (A^
sind.
350 Kap. 13. Die normalen Kreissysteme.
Aus der Gleichung (20) folgt ferner, dass dieses die einzigen
cykli sehen Ribaucour'schen Strahlensysteme sind. Unter diesen cyk-
lischen Strahlensystemen sind die bemerkenswertesten die Guichard'-
schen, deren erzeugende Flächen pseudosphärische Flächen sind und
deren Developpabeln folglich die beiden Brennflächen längs Krümraungs-
linien schneiden (§ 152, S. 284). Da für diese Strahlensysteme \'^\
und I ^ \ gleich Null ist, so kann der Winkel 6 eine beliebige con-
stante Grösse haben*). Wird insbesondere ö gleich gesetzt, so liegt
der Mittelpunkt jedes Kreises des Systems im Mittelpunkt der Axe,
und sein Radius ist gleich der halben Entfernung der Brennpunkte.
» Eine weitere Eigenschaft dieser Strahlensysteme folgt aus dem
allgemeinen Satze von Ribaucour:
Auf der Fläche, welche die Ebenen der Kreise eines nor-
malen Kreissystems umhüllt, entspricht den Developpabeln
des Strahlensystems der Axen ein conjugiertes System.
Mit Hilfe der allgemeinen Gleichungen der voraufgehenden Para-
graphen ist dieser Satz leicht zu beweisen. Bezeichnen wir nämlich
mit W den Abstand der Ebenen des Kreises (u, v) vom Anfangspunkt,
so haben wir:
W = ^ Xx-\- p cos(?,
und wenn wir die angeführten Gleichungen berücksichtigen, so bestä-
tigt es sich in der That, dass W der Laplace'schen Gleichung:
cucv [ 1 ] du ' [ 2 ] dv
genügt, woraus nach § 73, S. 141, die vorhin angegebene Eigenschaft
folgt.
Insbesondere sind bei den unendlich vielen normalen Kreissystemen,
die sich aus einem Ribaucour'schen Strahlensystem, dessen erzeugende
Flächen zur Klasse (A) gehören, ableiten lassen, die Enveloppen der
Kreisebenen die Associierten der in § 177 betrachteten Flächen S. Ist
noch specieller die Fläche S pseudosphärisch, so sind die entsprechen-
den Enveloppen Voss'sche Flächen.
*) In Betreff der Eigenschaften der zu den Kreisen orthogonalen Flächen
vergleiche man die Abhandlung des Verfassers in den Annali di Matematica,
2. Serie, 18. Bd.
§ 186. Die normalen Kreissysteme gleich grosser Kreise. 351
§ 186. Die normalen Kxeissysteme gleich grosser Kreise.
Eine andere sehi- bemerkenswerte Klasse von normalen Kreis-
systemen ist die von Ribaucour entdeckte, bei der die Radien der
Kreise aUe einander gleich sind. Um solche Systeme zu construieren,
nehmen wir eine pseudosphärische Fläche S vom Radius R und be-
schreiben in jeder ihrer Tangentialebenen um den Berührungspunkt als
Mittelpunkt einen Kreis mit dem Radius II . Aus den Eigenschaften
der Evolutenflächen folgt, dass die cc^ pseudosphärischen Flächen,
welche die Ortsflächen der Mittelpunkte der geodätischen Krümmung
für die Scharen von parallelen Grenzkreiseu auf S sind (vgl. § 135,
S. 254), in der That Orthogonaltrajectorien dieser Kreise sind, sodass
die Kreise ein Cykelsystem bilden.
Wollen wir umgekehrt untersuchen, ob dieses die allgemeinsten
normalen Kj-eissysteme mit constantem Radius sind, so brauchen wir
nur auf die Gleichungen (IV*), S. 344, zurückzugehen und dabei in
ihnen B gleich Const. zu setzen. Lassen wir den Fall, dass (p gleich 0
oder ' ist*), unberücksichtigt, so ergiebt sich aus ihnen:
aqp y^sinqp 1 cYE
cu~ R }/G dv ^
gqp yO cos (f 1_ O yö
cv B YE cu
und als Integrabilitatsbedingung erhalten wir:
R* y/EG \diAyE cu / "■ cv \YG cv / \ '
woraus wir nach (V), S. 94, folgern, dass die zu den Kreisen nonnalen
Flächen pseudosphärische Flächen mit dem Radius R sind. Die Un-
tersuchung lässt sich nun leicht zu Ende führen durch den Nachweis,
dass die Enveloppe der Kreisebenen wieder eine pseudosphärische Fläche
ist und dass die Kreismittelpunkte die Berührungspimkte sind. In der
That folgen aus diesen Gleichungen und den Gleichungen (9), (10),
(S. 343), sofort die Beziehungen:
*) Die Cykelsysteme mit constantem Radius, die diesem Falle, dessen Er-
örterung wir hier übergehen, entsprechen, ergeben sich folgendermassen: In einer
Ebene zeichne man eine Schar von cc* congruenten Kreisen und lasse dann die
Ebene auf einer abwickelbaren Fläche roUen' Das entstehende Kreissystem ist
das gesuchte. (Vgl. die beiden Bemerkungen des Verfassers über Cykelsysteme
im Giomale di Matematiche, 21. u. 22. Bd.)
352 Kap. 13. Dio normalen Kreissysteme.
^{co,cpX, - sincpX,) 1^- = 0, ^ (cos (pX - sin q>X,) 'f^ = 0 .
Demnach hat die Ortsfläche der Kreismittelpunkte die Kreisaxe zur
Normale und stellt somit mit jeder pseudosphärischen Fläche des
Orthogonalsystems die vollständige Evolutenfläche einer Normalencon-
gruenz vor, bei der die Entfernung der Brennpunkte constant, gleich
R^ ist. Daher ist sie selbst eine pseudosphärische Fläche mit dem
Radius R (vgl. S. 244). Aus dem Gesagten ergiebt sich nun, dass die
Normalen einer pseudosphärischen Fläche ein cyklisches Strahlensystem
bilden. Hieraus folgt nach dem allgemeinen Satze in § 184, S. 348,
dass bei jeder Fläche, die dieselben sphärischen Bilder der Krümmungs-
linien hat wie eine pseudosphärische Fläche, das von den Normalen
gebildete Strahlensystem cyklisch ist. Es ist leicht einzusehen, dass
dieses die einzigen cyklischen Normalencongruenzen sind. Setzen wir
nämlich in den allgemeinen Gleichungen für A und 5, S. 348,
Si = "^
2 '
so ergiebt sich wegen (1) und (1*), S. 148:
1 2 1 _ ^ Jpg Ve 1 1 2 1 _ g log yo
1 j ~~ ^8 V ' 1 2 j "■ du
Daher lauten die Gleichungen (19):
c log sm — ^ , ,^
° 2 c log YG
du du
d log cos - Ol /,,
" 2_ d log YE
dv cv
Es kann also durch Einführung neuer Parameter m, v ohne weiteres
]/^ = cos ^ 7 "j/G^ = sin Y
gesetzt werden. Nun sind die Curven *t, ?;, für die das Quadrat des
Linienelements der Kugel die Form:
ds'^ == cos^ 'dn^-\- sin^ ^^ dv^
annimmt, gerade die Bilder der Krümmungslinien einer pseudosphäri-
schen Fläche, wie sich aus dem Satze C), § 133, S. 250, ergiebt. Also:
Die Flächen, deren Normalen eine cyklische Congruenz bil-
den, sind sämtlich und ausschliesslich diejenigen, welche
mit den pseudosphärisclien Flächen die Bilder der Krüm-
mungslinien gemein haben.
Wir sehen ferner, dass sowohl die zu den Kreisen orthogonalen
§ 187. Linienelement des Raumes bezogen auf ein Kreissystem.
353
Flächen als auch die Enveloppe der Ebenen dieser Kreise wieder zu
derselben Klasse gehören.
§ 187. Ausdruck für das Linienelement des Raumes, bezogen auf
ein normales Kreissystem.
Wir kehren nun zu den allgemeinen normalen Kreissystemen (§ 183)
zurück. Ist t eine beliebige Lösung der Gleichung (18), so ergeben
sich die zu den Kreisen orthogonalen Flächen aus den Gleichungen:
I = x-{- qXcos 6 -{- q sintf(Xi cos^-f" ^ sin^),
(21) V= y -\~ 9 5^ cos 6 -{- p sin <?( Fl cos < + Y^ sin <),
^ = z -^ qZ cos 0 -\- Q sin tf(Zi cos t -{- Z^ sin t) .
Nun bezeichnen wir mit w die in f enthaltene willkürliche Constante
Qud betrachten die Coordinaten |, ?/, ^ eines Raumpunkts als Func-
tionen der drei Veränderlichen m, v, w. Durch Differentiation der
Gleichungen (21) und unter Berücksichtigung der Gleichungen auf
S, 278 finden wir Gleichungen von der Form:
ic^
(21*)
Wird
If = .4X+^X, -f CX,,
di
^ = A'X-\-B'X^-\- C'X,_,
ci
^- = ccX, + ßX^ .
(22)
L =
^?
-,/wi. <^ • // I •^\ I 2cosff fl2\
Icp , ,/^ ,<?•/. ß\ 2cos<f fl2l
gesetzt, so ist dabei:
A = (cos6 -{- 1)L, B=costsin6L, C = sintsinöL,
A'= (cos 6 — 1) -3f , B'= cos t sin 6M, C'= sin t sin öM,
. ^ . et
a = — p sm t sm 6 ^ — >
ß = Q cos t sin 6
et
Aus diesen Gleichungen ergeben sich die weiteren:
2(11)^=41.' cos'
2m-
4jtf^sin^
.^ du CV ' ^J CV CMC ' .^ cw cu
B i a D c b i , DifFerentialgeometrie.
23
354 i '■■ Kap. 13. Die normalen Kreissysteme.
Daraus folgt wieder der Satz von Ribaucour:
Die Flächen M==Const., ^ = Const., «<; = Const. bilden
ein dreifaches Orthogonalsystem.
Ferner erhalten wir für das Quadrat des Linienelements des Rau-
mes, ds^ = d^^ -\- dri^ -f- d^^, den Ausdruck
(23) ds^ = 4cos''' y i^ du^ + 4sin2 -^^ M' dv^ + q' sin^ 0 (!^)' d
dw''
§ 188. Bestimmung der sphärischen Bilder der Abwickelbaren
eines cyklischen Strahlensystems.
Die Aufgabe, die Cykelsysteme zu bestimmen, lässt sich in zwei
nach einander zu lösende Aufgaben zerlegen, nämlich:
1) alle Systeme von sphärischen Curven u, v zu bestimmen, welche
die Bilder der Developpabeln eines cyklischen Strahlensystems sind;
2) die Strahlensysteme mit gegebenen sphärischen Bildern der
Developpabeln zu construieren.
Die zweite Aufgabe ist bereits in § 148, Kap. X, behandelt wor-
den; sie kommt, wie wir gesehen haben, auf die Integration der La-
place'schen Gleichung (15) auf S. 347 hinaus.
Was die erste Aufgabe anbetrifft, so können wir sie vollständig
lösen, wenn wir den folgenden Satz benutzen:
Untf-r den cyklischen Strahlensystemen, die ein und die-
selben sphärischen Bilder der Developpabeln haben, können
stets unendlich viele von der Beschaffenheit ausgewählt wer-
den, dass die ihnen entsprechenden Kreise durch einen festen
Punkt des Raumes gehen.
Sind nämlich die sphärischen Curven u, v fest bestimmt, so be-
zeichnen wir mit t^ eine beliebige particuläre Lösung der Gleichung
(18), die dem Werte w = Wq zugehöre. Wir bestimmen q aus den
beiden simultanen Gleichungen:
Z = 0, Jf=0,
d. h. aus den Gleichungen:
dlosQ t/77 , ß • (. ß\ I 2COS0 /12\
-^^ = -YG cot-sm(^o- y) + iZZ-^a | l j'
die infolge der Gleichungen in § 184 (S. 349) der Integrabilitäts-
bedingung Genüge leisten und eine Lösung q der Gleichung (15)
liefern. In dem entsprechenden Cykelsystem haben wir wegen der
Gleichungen (21*):
§ 188. Sphärische Bilder der Devel. eines cyklischen Strahlensystems. 355
|i = 0, 1^ = 0, t^ = 0,
cu 'eil ' cu '
^- = 0, t^ = 0, 'X = 0
cv ' cv ' cv
for t€ = iCq
Demnach reduciert sich die Fläche tc = tr^ auf einen Punkt (^, i^^, t^),
durch den alle Kreise des CykelsYstems hindurchgehen.
Für die sphärischen Bilder der Developpabeln aller cykKschen
StrahlensTsteme erhalten wir also die folgende Gonstruction:
Man nehme eine beliebige Fläche S und ziehe durch
einen festen Raumpunkt 0 die zu S normalen Kreise. Die-
selben bilden ein normales Kreissystem*), und die sphärischen
Bilder der Dereloppabeln des von ihren Axen gebildeten
Strahlensystems sind die allgemeinsten Curven von der ver-
lansrten Art.
*) Durch eine Transformation mittels reciproker Radienvectoren bezüglich
des festen Punktes O geht dieses Kreissystem in das Normalensystem der transfor-
mierten Fläche über.
n*
Kapitel XIY.
Die Minimalflächen.
Greschichtlicher Überblick. — Formeln von Weierstrass. — Algebraische Mini-
malflächen. — Doppelflächen. — Verbiegungen der Minimalflächen, wobei sie Mini-
malflächen bleiben. — Associierte Minimalflächen. — Auf einander abwickelbare
conjugierte Flächen. — Minimalflächen mit ebenen Krümmungslinien. — Minimal-
flächen, die auf Rotationsflächen abwickelbar sind. — Minimal-Schraubenflächen.
— Formeln von Schwarz. — Lösung der Aufgabe, eine Minimalfläche zu con-
struieren, von der ein Streifen gegeben ist. — Besondere Fälle. — Kennzeichen,
ob eine Fläche durch Verbiegung in eine Minimalfläche übergeführt werden kann.
§ 189. Geschichtlicher Überblick bis auf Meusnier.
Die Theorie der Minimalflächen ist heute eins der vollständigsten
und ausgedehntesten Kapitel der Differentialgeometrie. Ihre vielfachen
Beziehungen zur Theorie der Functionen einer complexen Veränder-
lichen und zur Variationsrechnung verleihen den Untersuchungen auf
diesem Gebiet ein hohes Interesse. Die dem vorliegenden Buche ge-
steckten Grenzen gestatten uns nur, die Hauptergebnisse dieser Theorie
zu entwickeln; Leser, die sich in den Gegenstand weiter zu vertiefen
wünschen, finden eine erschöpfende Behandlung in den schönen Vor-
lesungen von Darboux. Daselbst sowie in der Abhandlung von Bel-
trami*) finden sie auch geschichtliche Angaben bezüglich der allmäh-
lichen Entwickelung dieser Theorie. Für unseren Zweck schliessen wir
uns speciell an die kurze Darstellung an, die Schwarz in seinen
„Miscellen aus dem Gebiete der Minimalflächen" gegeben hat.
Die Anfänge der Theorie der Minimalflächen reichen bis auf die
berühmte Abhandlung von Lagrange zurück, in der die Grundlagen
der Variationsrechnung**) entwickelt worden sind. Wir betrachten
*) Sülle proprietä generali delle superficie ad area minima. Memoria dell'
Accademia di Bologna, 7. Bd., 1868.
**) Miscellanea Taurinensia, 2. Bd., 1760—61.
§ 189. Geschichtlicher Überblick bis auf Meusnier. 357
eine geschlossene Curve C und eine von dieser Curve begrenzte Fläche S.
Diese Fläche wird eine Minimal fläche genannt, vrenn sie im Ver-
gleich zu allen unendlich benachbarten, von der Curve C begrenzten
Flächen den kleinsten Flächeninhalt hat.
Ist die Gleichung der Fläche S in der gewöhnlichen Form:
z = z{x, y),
gegeben, so ist der Flächeninhalt von S durch das Doppelintegral
ffVT+V+J'dxdy
dargestellt, und man braucht nur die Principien der Variationsrechnung
anzuwenden, um für z die partielle Differentialgleichung:
-^( , p ) + -( ' Wo
cxKVTTVTYV dy\Vi + p' + q.*J
oder:
(1) (1 + q')r - 2pqs -^ (1 -\- p^ = 0
zu erhalten.
Die geometrische Deutung der Gleichung (1) ist 1776 von Meus-
nier gegeben worden, der bemerkte, dass sie der Ausdruck der Eigen-
schaft der Fläche S ist, in jedem Punkte gleiche, aber entgegen-
gesetzte Hauptkrümmungsradien zu haben i vgl. (d), S. 114). Alle
Flächen nun, die dieser letzteren Bedingung genügen, werden Mini-
malflächen genannt. Diese Bezeichnung ist in der That dadurch ge-
rechtfertigt, dass jeder solchen Fläche bei passend gewählter Begren-
zung die Eigenschaft des Minimums, von der wir ausgegangen sind,
zukommt.
Von Meusnier rührt auch die Entdeckung der beiden zuerst be-
kannt gewordenen Minimalflächen her, nämlich des Catenoids und der
Schraubenregelfläche. Diese ergeben sich unmittelbar, wenn man Lo-
sungen der Gleichung (1) von der Form:
^ = /"(^ + y^) oder 2 = f{^)
sucht.
§ 190. Neuere Untersuchungen über Minimalfläclien.
Monge war der erste, der (1784) die vollständige Lösung der
Gleichung (1) angab; aber die für die Anwendungen wenig geeignete
Form, in der die Integralgleichungen angegeben waren, liess es lange
Zeit zur Entdeckung anderer reeller Minimalflächeu als der beiden
358 Kap. 14. Die Minimalfläclien.
angeführten, von Meusnier gefundenen, nicht kommen. 1834 fand
Scherk die Minimal-Schraubenflächen und die Translationsfläche*):
^ = " - [log cos(a:r) — log cos (a^)] .
Die wichtigsten Fortschritte unserer Theorie beginnen mit dem Er-
scheinen der Arbeiten von Ossian Bonnet (1853 — 60), der eine fun-
damentale Eigenschaft der Minimalflächen, nämlich die, dass ihre sphä-
rische Abbildung conform ist, erkannte und die Integralgleichungen in
eine Form brachte, die alle reellen und unendlich viele algebraische
Minimalflächen abzuleiten gestattete.
18G6 erschienen die wichtigen Arbeiten von Weierstrass, in
denen die Monge'schen Formeln in eine einfache und elegante Form
gebracht sind, welche die Lösung verschiedener grundlegender Fragen
gestattet. In diesen Abhandlungen sind auch wichtige Ergebnisse be-
züglich des sogenannten Plateau'schen Problems (s. nächstes Ka-
pitel) angegeben. Dieses berühmte Problem ist auch in einer nach-
gelassenen Abhandlung Riemanns und in einer Reihe sehr wichtiger
Arbeiten von Schwarz behandelt, die nun im ersten Bande der Werke
dieses Mathematikers gesammelt sind.
Von Untersuchungen nach einer anderen Richtung sind von uns
noch unter den wichtigsten Veröffentlichungen über diesen Gegenstand
diejenigen von Lie**) (1877 — 78) zu erwähnen, der sich besonders mit
den algebraischen Minimalflächen beschäftigt hat.
§ 191. Formeln von Weierstrass.
Wir leiten zunächst die Weierstrass'schen Formeln ab, indem wir
uns auf das Ergebnis in § 184, S. 252, stützen, nach dem jeder iso-
thermen Form des Linienelements der Kugel eine Minimalfläche ent-
spricht, die sich mittels Quadraturen ergiebt.
Es sei u, V ein Isothermensystem auf der Kugel, und wir bezeich-
nen mit
(2) ds'^ = y {du^ + dv")
den Ausdruck für das Quadrat des Linienelements. Sind die Coordi-
*) Diese merkwürdige Minimalfläche ergiebt sich sofort, wenn man Lösungen
der Gleichung (1) von der Form:
sucht.
**) Archiv for Mathematik og Naturvidenskab , 2. u. 3. Bd. Mathematische
Annalen, 14. Bd.
§ 191. Formeln von Weierstrass. . 359
naten X, Y, Z eines Punktes der Kugel als Functionen von u, v be-
kannt, so ergeben sich die Coordinaten Xj y, z des entsprechenden
Punktes der Minimalfläche S nach S. 251 und 102, (13), mittels Quadi-a-
tureu aus den Gleichungen:
(3) ^y='-s(|¥^"-|7'^*')'
Also ist für das Linienelement Ton 8'-
(4) d^ = r^{du^ + dv\
und die Hauptkrümmungsradien von 5 sind
»-27 ^i = — »"ä-
Wir beziehen nun die Kugel in der üblichen Weise auf die Meridiane
und Parallelkreise, indem wir
X = sin ■& cos o, r=sin^sin(D, Z=cosO-
setzen, imd führen die complexe Veränderliche x auf der Kugel (oder
in der Ebene des Aequators):
samt ihrer Conjugierten
X = cot % C«
r„ = cot y ß- '■"
ein (vgl. § 43, S. 80). Drücken wir X, T, Z durch x und t^ aus,
so erhalten wir:
(5) A = ^^^^^, J^— ,„^_|.l ^ rr, + 1
und für das Quadrat des Linienelements der Kugel ds'.
(6) <?>■-' = (T.;+1)-.-
Nach § 41, S. 77, ist nun die complexe Veränderliche
ö = M + ii'
eine Function von x oder der Conjugierten t^: doch ist der eine Fall
von dem andern nicht wesentlich verschieden, und wir können also 6
als Function von r, demnach 6^ als Function von t^ annehmen. Die
Gleichung (2) oder:
ds - = — ^ -j-" dx dxQ
giebt demnach, mit der Gleichung (6) verglichen:
360 Kap. 14. Die Minimalflächen.
2 A dr dtf,
und die Gleichung (4) wird:
Nun führen wir in den Gleichungen (3) t und Tq ein, wobei wir be-
rücksichtigen, dass für eine beliebige, als Function von t und r^ auf-
gefasste Function ^{u, v) die folgenden Gleichungen gelten:
dcda^/l d^ ^^ i c^\ da c^
dt dr^ \2 du ~^ 2 dv/ ^t dtf,'
dadc^/l d^ i d^\ dc^d^
dt dtQ \2 cu 2 cv / dtQ dt '
und erhalten:
dx = A (1 - .^) {^ydr + i (1 - V) {^J är„,
dy = i (1 + r') (f^)' dr - A (1 + V) i^0 dr„ ,
Setzen wir nun
(6*)
1 /do\
2 \dt)
doV ^^^^
und führen wir zur Bezeichnung des reellen Teils einer complexen
Grösse i/> das Zeichen 'Sii> ein, so erhalten wir die Formeln:
(7) x=^m f{l — T^) F{t) dt, y = ^fi (1 + t^) F{x) dt,
0==m f2tF(t)dt,
in denen die Integrale rechts längs ein und desselben krummlinigen
Weges in der complexen r- Ebene erstreckt zu denken sind.
Dieses sind die Formeln von Wei erstras s. Umgekehrt leuchtet
sofort ein, dass, wenn für F(t) irgend eine Function der complexen
Variabein t genommen wird, die Formeln (7) mittels Quadraturen eine
zugehörige Minimalfläche S liefern. Das Linienelement und der (posi-
tive) Hauptkrümmungsradius von S sind durch die Gleichungen:
(8) ds^ = (rro + iyF(t)F^(tQ) dt dt,
und
(9) ,^ = (l!L±i)!yi.(^)F„(r„)
gegeben. Die Krümmungslinien u, v ergeben sich, wenn von dem
Integral
ö=ry2¥(tjdt
§ 192. Algebraische Minimalflächen. 361
der reelle Teil und der Coefficient des imaginären Teils gleich Con-
stanten gesetzt werden; ihre Gleichungen sind demnach:
(10) '3ifY2F{z) dt = Const., mfi V2F(t) dt = Const.
§ 192. Algebraische Minimalflächen.
Die TVeierstrass' sehen Formeln (7) lassen sich in eine besonders
für die Bestimmung der algebraischen Minimalflächen sehr voi-teil-
haft« Form bringen. Wir betrachten zu diesem Zwecke JF{t) als den
dritten Differentialquotienten (p"'(t:) einer Function (p(r), die selbst will-
kürlich bleibt. Werden dann aus den Gleichungen (7) die Integral-
zeichen weggeschafft, so lauten sie:
X = 9l[(l - xW(r) + 2r9'W - 29 W],
(11) ly = gi[t(l + rW(r) - 2it<p'(r) + 2i<p{r)],
\z='Si[2vg>"{t)-2<p'(x)].
Wird nun vorausgesetzt, dass (p(r) eine algebraische Function Ton r
sei, so ist klar, dass uns diese Formeln eine algebraische Minimal-
fläche definieren. Es ist aber wichtig, dass sich umgekehrt jede alge-
braische Minimalfläche auf diese Weise ergiebt. Weierstrass beweist
dieses wie folgt: Es sei
ic = II -\- iv = /'(./■ -|- iy)
eine Function der complexen Veränderlichen x -\- iy, wenn dann in
einem bestimmten Gebiet zwischen x, y und dem reellen Teil
H von w eine algebraische Beziehung besteht, so ist w eine
algebraische Function von x -\- iy.
In der Umgebung eines Punktes, den wir der Einfachheit halber
in den Punkt .r = 0, y = 0 verlegen, sei nämlich ic in eine Taylor-
sche Reihe:
w = «0 + '^u + («1 + ''^i)(^ + ^y) + («2 + ^h){^ + iy)' 4- • • •
entwickelt, worin die a und 6 reeUe Constanten sind, und es sei r der
Radius des Convergenzkreises. Dann gilt für u folgende Entwickelung
nach Potenzen von x und y:
(12) « = «0 + iK + *'&i)(^ + iy) + U<h + ih)(^ + iyf + • • •
+ y(«i — i\){^ — iy) + t(«2 — *M(^ — *yy-\ — •
Nach der Voraussetzung ist
(13) G(u,x,y)^0,
wo G eine ganze rationale Fimction von u, x^y ist. Setzen wir hierin
für u die Reihe (12) ein und entwickeln wir dann nach Potenzen von
362 Kap. 14. Die Minimalflächen.
X un,d y, so sind die Coefficienten jedes einzelnen Gliedes identisch gleicli
Null und bleiben aucb gleicli Null, wenn wir an Stelle von x, y complexe
Grössen x, y setzen, wofern nur die Entwickelung auch nach dem
Einsetzen convergent bleibt. Nun ist dieses zufolge der Art der Con-
vergenz der Potenzreihen sicher mit der aus (12) hervorgehenden Reihe
für M der Fall, wenn die absoluten Beträge von x und y kleiner als
- bleiben. Setzen wir also
-_x-^iy - _x + iy
SO giebt Gleichung (12):
^ = %-\-^{^ — «^o);
wobei Wq = «0 -|" ^^o ^^^j ^^^ Gleichung (13) geht in eine algebraische
Relation zwischen tv und x -f- iy über, w. z. b. w.
Wird nunmehr angenommen, dass die durch die Gleichungen (11)
definierte Minimalfläche algebraisch sei, so bestehen zwischen den
Grössen
X r -)- Tg Y T — Tf,
1 — Z 2 1 — Z 2i
und jeder der Grössen x, y, z algebraische Relationen. Es ist daher
nach dem soeben bewiesenen Satze jede der drei Functionen:
i\{t) = (1 - r^)^"{x) + 2r9,'(t) - 29^(r),
also auch
eine algebraische Function von r.
Wir haben somit das Ergebnis:
Alle algebraischen Minimalflächen ergeben sich aus den
Gleichungen (11), wenn in diesen Gleichungen für (p(r) eine
algebraische Function von t eingesetzt wird.
§ 193. Minim.al- Doppelflächen.
Die Weierstrass'schen Formeln (7) oder (11) bringen in der ein-
fachsten Weise den Zusammenhang zwischen den Functionen einer com-
plexen Veränderlichen und den Minimalflächen zum Ausdruck, da sie
beweisen, dass zu jeder Function F(r) einer complexen Veränderlichen
eine bis auf eine Translation im Räume bestimmte Minimalfläche ge-
hört. Wie wir aber sogleich sehen werden, entsprechen ein und der-
§ 193. Minimal -Doppelflächen. 363
selben Minimalfläche im allgemeinen zwei rei-schiedene Ausdrücke for
die Function F(t).
Vorher geben wir noch einen einfachen Satz an, der sich unmittel-
bar aus der linearen Beschaffenheit der Gleichungen (7) bezüglich -F(r)
ergiebt. In den Gleichungen (7) setzen wir für F{r) der Reihe nach
zwei Functionen qPi(T), 9>2W ^^*^ dann die Function
^^^ — -^-^^^ (m, n constant)
ein. Dadurch erhalten wir den Ton Weierstrass bemerkten Satz:
Wenn zwischen den Punkten zweier Minimalflächen S, S'
eine Correspondenz nach der Gaussischen Methode mittels
paralleler Normalen in zwei entsprechenden Punkten P,P' her-
gestellt und auf jeder Strecke PP' ein Punkt M so gewählt
wird, dass er sie in dem constanten Verhältnis m : ti teilt, so
ist der Ort des Punktes M wieder eine Minimalfläche, die
den Flächen S, S' durch Parallelismus der Normalen ent-
spricht.
Wir wollen nun die oben aufgeworfene Frage untei-suchen, ob ein
und dereelben Minimalfläche einer oder mehrere Ausdrücke für die
Function F(t) entsprechen. Es seien F{t), f{r) zwei Functionen von
r, die auf ein und dieselbe Minimalfläche führen, und t, t' die Wert«
der Argumente für F, f, die ein und demselben Flächenpunkt ent-
sprechen. Die Richtung der r entsprechenden Normale fäUt entweder
mit derjenigen der r' entsprechenden Normale oder mit der entgegen-
gesetzten Richtung zusammen, folglich ist im ersten Falle
t'= r
und im zweiten Falle
wie auch sofort daraus hervorgeht, dass X, Y, Z infolge der Gleichungen
(5) nur dann ihre Zeichen ändern, wenn r durch ersetzt wird.
Unter der ersten Voraussetzung ergiebt sich aus den Weierstrass'schen
Formeln (7)
/•(r) = F(r),
unter der zweiten
-fW = -^/-o(-|)*)
*) Ist f(z) eine analytische Function von r, die ursprünglich durch eine
innerhalb eines gewissen Kreises convergente Potenzreihe definiert ist, so bezeich-
nen wir mit f^ft) die analytische Fimction, die durch diejenige Reihe definiert
ist, welche sich ergiebt, wenn in der ursprünglichen die Coefficienten durch ihre
364 Kap. 14. Die Minimalfläclien.
oder
rw = -f.^.(-:)-
Wir sehen also, dass die beiden im allgemeinen von einander ver-
schiedenen Functionen
F{r), -|.F,(-|)
in den Weierstrass'schen Formeln eingesetzt ein und dieselbe Minimal-
fläche liefern, da die Coordinatendifferentiale in beiden Fällen die-
selben sind.
Besonders interessant ist der Fall, in dem die beiden Functionen
F{r), -vj,{-^)
genau dieselben sind. Dann lässt sich nach dem Obigen das Gebiet der
Minimalfläche in der Umgebung des Punktes entweder durch
Verschiebung mit demjenigen um r zur Deckung bringen oder es fällt
mit ihm direct zusammen. Da im ersten Falle die Fläche eine Ver-
schiebung in sich gestattet, so ist sie mit Notwendigkeit periodisch,
also transcendent. Dieses ist von vornherein ausgeschlossen, wenn z. B.
die Fläche algebraisch ist. Beschreiben wir im zweiten Falle auf der
Bildkugel einen Weg, der vom Punkte t nach dem diametral gegen-
überliegenden führt , so geht der entsprechende Weg auf der
Fläche von einem Punkte P aus und kehrt zu demselben wieder zurück;
aber bei der Rückkehr hat sich der Sinn der Normale stetig in den
entgegengesetzten verwandelt. Man kann also auf der Fläche stetig
von ihrer einen Seite auf die andere gelangen; die Fläche hat demnach
nur eine einzige Seite oder sie ist nach der Bezeichnung von Lie eine
Minimal-Dopp elf lache.
Als Beispiel führen wir die Henneberg'sche Minimalfläche an,
die dem Wert
entspricht und ofi'enbar eine algebraische Doppelfläche ist.
Es ist dieses die einfachste Minimal-Doppelfläche; sie ist von der
5. Klasse und der 15. Ordnung.
conjugierten Werte ersetzt werden, und die also denselben Convergenzkreis hat.
Die Beziehung zwischen f(x) und f^ (r) ist von der ursprünglich gewählten Reihe
unabhängig.
§ 194. Verbiegung der Minimalfl., wobei sie beständig Minimalfl. bleiben. 365
§ 194. Verbiegung der Mini mal flächen, wobei sie beständig
Minimalflächen bleiben.
Jede Minimalfläche kann einer solchen stetigen Verbiegung unter-
worfen werden, bei der sie eine Minimalfläche bleibt. Um diese inter-
essanten Verbieguugen zu finden, stellen wir die folgenden Überlegungen
an: Es seien S, S' zwei auf einander abwickelbare Minimalflächen; in
entsprechenden Punkten sind die Kriimmungsmasse beider Flächen und
also auch die absoluten Grössen der zugehörigen Hauptkrümmungs-
radien einander gleich. Daraus folgt, dass die beiden sphärischen Bilder
von S und S' congruent oder symmetrisch sind. Der zweite Fall
kommt jedoch auf den ersten hinaus, wenn die positive Richtung der
Normale einer von den beiden Flächen geändert wird, und ist andrer-
seits ausgeschlossen, wenn wir auf stetige Weise durch Verbiegung von
der Figur S zui- Figur S' gelangen. Wir können demnach eine der
beiden Flächen, z. B. S', in eine solche neue Lage im Räume bringen,
dass sich die beiden sphärischen Bilder decken und also entsprechende
Punkte von S und S' durch ein und denselben Wert von t bestimmt
sind. Nach dieser Vorbemerkung seien -F(r), /"(r) die entsprechenden
Wert« der Function F in den Weierstrass'schen Fonneln. Da die
Linienelemente der beiden Flächen einander gleich sein müssen, so
folgt aus der Gleichung (8):
F{x)Fo(ro)=fir)fo(ro),
d. h.
F{x)
= 1.
Es ist daher ~pr eine Constante, deren absoluter Betrag gleich Eins
ist. Wir haben demnach:
f(r) = e'^Fit),
wo a eine reelle Constante bedeutet. Da uns femer die Gleichung (8)
umgekehrt beweist, dass das Linienelement ungeändert bleibt, wenn
Fix) durch e"F(x) ersetzt wird, welcher Wert auch der reellen Con-
stanteu a erteilt werden mag, so haben wir das Ergebnis:
Die allgemeinste Verbiegung einer Minimalfläche, bei
der sie beständig eine Minimalfläche bleibt, ergiebt sich,
wenn Fir) in den Weierstrass'schen Formeln (7) durch &" F{t)
ersetzt wird, wo a eine beliebige reelle Constante ist.
Auf diese Weise erhält man aus einer Minimalfläche durch stetige
VerbieoTinsr eine Schar von oc^ Minimalflächen: diese Flächen werden
als associierte Miuimalflächeu bezeichnet.
366 Kap. 14. Die Minimalflächen.
§ 195. Associierte Minimalflächen. Conjugierte Minimalfläclien.
Wir wollen nun die Eigenschaften dieser Yerbiegungen näher
nntersuclien. Die Gleichungen der Krümmungslinien der Fläche S sind:
u = Const., V = Const.,
wenn man
0 = u-{-iv =fy2F{x)dt
setzt (§191, S. 360).
Die Krümmungslinien der dem Werte a, des Parameters entsprechen-
den associierten Minimalfläche Sa haben demnach die Gleichungen:
9ft (e 2 (jj = Const., ^ Kie^ö) = Const.
oder:
u cos ~ V sin - ~ = Const., u sin -^- -\- v cos - = Const.
Also folgt: Den Krümmungslinien der 8 associierten Minimal-
fläche Sa entsprechen auf S die isogonalen Trajectorien der
alten Krümmungslinien für den Winkel „—
Besonders interessant ist der Fall a = 5 dann gehen die Krüm-
mungslinien von S in die Haupttangentencurven von S ^ und umge-
2
kehrt die Haupttangentencurven von S in die Krümmungslinien von
S über. Zwei solche associierte Minimalflächen werden nach Bonnet,
Y
der sich mit diesen Yerbiegungen zuerst beschäftigte, als conjugierte
Minimalflächen bezeichnet.
Werden die Coordinaten eines Punktes der zu S conjugierten
Fläche mit Xq, y^, Zq bezeichnet, so erhalten wir aus den Gleichungen
(7), da dann F(r) durch iF{r) ersetzt wird:
(14) x^ = Süfi (1 — T^) F{t) dt, y^ = — ^f(l-^r^) F{x) dt,
s^= ny^itF{t)ät.
Lassen wir a sich stetig ändern, so verbiegt sich die Fläche
stetig. Bezeichnen wir die Coordinaten des Punktes (x, y, z) nach
der Verbiegung mit Xa, ya, ^a, so haben wir ofi'enbar:
(15) Xa = X cos a -\- Xq sin a, ya = y cos « -f~ 2/o ^"^ ^7
Za = z cos a -\- Zq sin a .
Werden die Integrale in den Gleichungen (7) und (14) zwischen
denselben Grenzen 0 und - genommen, so bleiben der Flächenpunkt
§ 196. Sätze über associierte Minimalflächen. 367
(0, 0, 0) und die Tangentialebene in ilun während der Yerbiegung
fest; jeder Punkt (x, y, z) beschreibt während der Yerbiegung eine
Ellipse, deren Mittelpunkt der feste Punkt ist.
Bringen wir mittels der Gleichungen (15) die Gleichheit der Linien-
elemente von S und Sa zum Ausdruck, so erhalten wir die Beziehung:
(16) dx dxQ + dy dy^ -\- dz dzQ = 0 ,
die sich auch leicht direct beweisen lässt. Sie besagt, dass sich
zwei conjugierte Minimalflächen auch durch Orthogonalität
der Elemente entsprechen (S. 287).
Gleichzeitig sind die beiden Flächen associiert im Sinne des Kap. XI
(S. 293). Wir sehen, dass sich, entsprechend dieser zweifachen Be-
ziehung, in der die Minimalfläche S und ihre Conjugierte zu einander
stehen, für S zwei unendlich kleine Yerbiegungen ergeben: bei der
ersten derselben bleiben die Hauptkriimmungsradien und bei der zweiten
die Krümmungslinien ungeändert (Kap. XI, S. 299).
Endlich sei bemerkt, dass der von zwei entsprechenden Linien-
elementen der Minimalfläche S und der associierteu Fläche Sa gebildete
Winkel constant, gleich a, ist.
§ 196. Satze über associierte Minimalflächen.
Zwei associierte Minimalflächen sind auf einander abwickelbar und
besitzen femer folgende zwei Eigenschaften: ei*stens haben sie in ent-
sprechenden Punkten parallele Xonnalen, und zweitens bilden zwei ent-
sprechende Linienelemente einen constanten Winkel mit einander. Wir
wollen nun umgekehrt beweisen, dass, wenn für zwei auf einander ab-
wickelbare Flächen die eine oder die andere der genannten Eigen-
schaften zutrifft, dieselben notwendiger Weise associierte Minimalflächen
sind *).
Um diesen Satz unter der ersten Yoraussetzung zu beweisen, gehen
wir auf die allgemeinen Formeln für die sphärische Abbildung (Kap. Y)
zurück. Indem wir die beiden auf einander abwickelbaren Flächen
mit S, Sq bezeichnen, berücksichtigen wir, dass zunächst der ersten
Yoraussetzung zufolge S und Sq dasselbe sphärische Bild haben sollen.
Also ist wegen der Gleichung (2), S. 119:
H{I)du'- + 2D'dudv + D"dv^) =EQ{PQdu^ -\-2B^dudv -f B^'dv^),
wenn durch den Index 0 die auf Sq bezüglichen Grössen unterschieden
werden. Daraus folgt entweder sofort, dass
*) Darboux, 1. Bd., S. 326 u. f.
368 > ß^ap. 14. Die Minimalfiächen.
ist, d. h. dass S^ Sq associiei-te Mimmalflächen sind, oder aber es er-
giebt sich:
D^^kD, Dq=ID', B^'^XD", X = ^'
-"o
Die Bedingung K = Kq jedoch giebt unmittelbar (mit Ausschluss des
Falles der auf die Ebene abwickelbaren Flächen, der sich leicht direct
erledigen lässt) :
Daher sind S und Sq congruent oder symmetrisch.
Um den obigen Satz auch unter der zweiten Voraussetzung zu
beweisen, zeigen wir vorerst, dass zwei auf einander abwickelbare
Flächen, die sich auch durch Orthogonalität der Elemente
entsprechen, conjugierte Minimalflächen sind. Hierzu gehen
wir auf die Formeln des § 157 zurück. Haben S und Sq negatives
Krümmungsmass , so beziehen wir sie auf ihre Haupttangentencurven
und berücksichtigen die Gleichungen (13), S. 295. Da /Sund Sq das-
selbe Linienelement haben, so folgt daraus:
also 9 = + 1; demnach ist S infolge der Gleichung (12), S. 295, eine
Minimalfläche, also Sq ihre Conjugierte. Der Fall, dass die Flächen
S und Sq positives Krümmungsmass haben, ist durch die Gleichungen
in § 157, S. 296, von vornherein ausgeschlossen, weil daraus
(p = ±l, e-{-g = 0
folgen würde.
Nachdem nun der Satz für diese besonderen Fälle bewiesen ist,
ist er es auch für den allgemeinen Fall. Wird nämlich
(Ixq^ + ^i/q^ + d^Q^ = dx^ + dtf -j- dz^,
dxQdx + dyQdy -{- dzQdz = eosa(dx^ -f- dy'^ -\- ds^) (a = Const.)
angenommen und
_ Xn — X COS a - y„ — y cos oc - z^ — z cos a
oiTi yv ^ am /v «in /v
gesetzt, so ergeben sich hieraus die Gleichungen:
dx'' -{- dy^ -f- dz^ = dx^ -\- dy^ + dz-,
dx dx -\- dy dy -\- dz dz = 0.
§ 197. Minimalflächen mit ebenen Krümmungslinien. 369
§ 197. Minimalfläclien mit ebenen Kriimmungslinien.
Wir wollen nun einige besondere Klassen von Minimalflächen
untersuchen, zunächst solche mit ebenen Krümmungslinien. Wir
gehen davon aus, dass jede ebene Krümmungslinie einer Fläche zum
sphärischen Bude einen Kreis hat, und umgekehrt (nach S. 97). Um
also Minimalflächen mit einer Schar ebener Krümmungslinien zu
finden, haben wir also nur auf der Kugel eine Schar von oc^ Kreisen
zu wählen und diejenigen Flächen zu bestimmen , welche diese Kreise
und ihre Orthogonaltrajectorien zu sphärischen Bildern der Krüm-
mungslinien haben. In der entsprechenden Laplace'schen Gleichung
(37), § 73, S. 141, ist dann eine der Invarianten gleich Null, und es
lässt sich die Gleichung vollständig iutegi'ieren. Da aber in dem be-
sonderen Falle der Minimalflächen das Curvensystem auf der Bildkugel
nach § 61, S. 120, isotherm sein muss, so besteht auch die zweite
Schar aus Kreisen (§ 91, S. 177).
Daraus folgt, dass auch die Krümmungslinien der zweiten Schar
notwendig eben sind. Infolge des Ergebnisses in § 44, S. 81, er-
hält man die doppelten orthogonalen Kreissysteme auf der Kugel,
wenn die Kugel durch zwei Ebenenbüschel geschnitten wird, die zwei
bezüglich der Kugel reciproke Polaren zu Axen haben. Wir beschäf-
tigen uns vorerst mit dem Grenzfall, in dem diese beiden Geraden
conjugierte (auf einander senkrechte) Taugenten der Kugel sind. Nehmen
wir wieder unsere Formeln (5), S. 359, und setzen wir
T = «4- iß,
also
^~a* + ß»+l' a»-fp»+l' ^ a* + ß* + l'
so sehen wir, dass die Curven c, ß gerade die Schnittkreise der Kugel
mit den Ebenen der beiden Büschel:
x-\-a(z — l) = 0,
y -f ß(z - 1) = 0
sind, deren Axen die durch den Punkt (0, 0, 1) parallel zur y- und
zur iC-Axe gezogenen Kugeltangenten sind. Um zu der entsprechenden
Minimalfläche zu gelangen, müssen wir also F(r) in den Weiei-strass'-
schen Fonneln (7) gleich einer reellen Constanten setzen. Der Wert
dieser Constanten beeinflusst nur die Grössenverhältnisse der Fläche.
Wenn wir daher etwa
F(r) = 3
setzen, so erhalten wir für die entsprechende Fläche:
B i a n c b i , I>ifferentüdgeometrie. 24
370 Kap. 14. Die Minimalflächen.
x = ^a + 3aß^ — a%
(17) y = ß^— 3ß —2a'ß,
Diese merkwürdige Fläche ist von Enneper gefunden worden.
Sie ist von der 9. Ordnung; ihre Krümmungslinien sind ebene Curven
vom Geschlecht Null, und ihre Haupttangentencurven :
a -\- ß = Const., a — ß == Const.
Kaumcurven dritter Ordnung.
§ 198. Enneper'sche Minimalfläche.
Das Quadrat des Linienelements der Enneper'schen Fläche ist durch
gegeben, und es ergiebt sich sofort, dass die Curven constanter
Krümmung:
«2 _|_ ^2 _ Const.
geodätisch parallel sind und constante geodätische Krümmung besitzen,
sodass die Fläche auf eine Rotationsfläche abwickelbar ist (S. 195).
Ferner lässt sich nachweisen, dass alle associierten Flächen der Enne-
per'schen Fläche der Gestalt nach mit ihr übereinstimmen und sich aus
ihr ergeben, wenn sie um die ^-Axe gedreht wird. Diese Eigenschaften
ergeben sich übrigens als besondere Fälle allgemeinerer Eigenschaften,
die im folgenden Paragraphen entwickelt werden.
Darboux*) hat eine merkwürdige Erzeugung der Enneper'schen
Fläche als Ebenenenveloppe gefunden, die wir kurz angeben wollen.
Der Abstand der Tangentialebene der Enneper'schen Fläche (17) vom
Anfangspunkt ist durch
Tr= Xx -]- Yy -\- Zz = Jl^ß.^i
gegeben, und es lautet demnach die Gleichung dieser Ebene:
(18) 2ax + 2ßy + (a^ + ß' — 1)^ -\- S(ß^ — «') -\- ß^ — a^ = 0.
Wir betrachten nun die beiden durch die Gleichungen:
X = 4a, y = 0, z = 2u^ — 1,
x = 0, y = — 4ß, 2 = — 2ß^-\-l
definierten Parabeln, von denen jede die Focalparabel der anderen ist.
Verbinden wir einen beliebigen Punkt der einen mit einem beliebigen
*) Darboux, 1. Bd., S. 318.
§ 199. Bestimmung aller Minimalflächen mit ebenen Krümmungslinien. 371
Punkt« der anderen und legen wir durch den Mittelpunkt der Verbin-
dungslinie die zu ihr senkrechte Ebene, so erhalten wir gerade die
Ebene (18). Daraus folgt:
Die Enneper'sche Fläche ist die Enveloppe der Mittel-
senkrechtenebenen derjenigen Sehnen, welche die Punkte
einer Parabel mit den Punkten der Foealparabel verbinden.
§ 199. Bestimmung aller Minimalfläclien mit ebenen Krümmungs-
linien.
Wir haben nun noch die Gleichungen derjenigen Minimalflächen
mit ebenen Krümmungslinien aufzustellen, welche zu Bildern dieser
Curven auf der Kugel zwei Kreisbüschel haben, deren Axen zwei die
Kugel nicht berührende reciproke Polaren r, r' sind.
Der Einfachheit halber wählen wir diejenige Gerade, welche gleich-
zeitig auf r und r' senkrecht steht, zur 5-Axe und die x- und y-Axe
parallel r bezw. r'. Um die Ideen zu fixieren, setzen wir noch vor-
aus, dass r ausserhalb der Kugel liege, r' also die Kugel schneide.
Dann sind die Coordinaten derjenigen Punkte, in denen r bezw. r' die
^-Axe schneiden,
0, 0, -^ bez. 0, 0, a (a = Const. < 1).
Die Gleichungen der beiden Kreisbüschel lauten dann:
X = X(0 — a),
wenn A, /* die Parameter der beiden Büschel sind. Nun führen wir
mittels der Gleichungen:
zwei neue Parameter ein und erhalten so für Xy Y, Z a\a Functionen
von ti, V die Ausdrücke:
,^ Q,. -y. Vi — o- sin n ^^ }/! — a- siuh v
^ ' cosh r + a cos ti ' cosh v -\- a cos u
y cos tt -|- o cosh V
cosh V ^ a cos t«
Das Quadrat des Linienelements der Kugel,
ds^ = dX'-\-dr--\-dZ%
nimmt, durch die Parameter «, v ausgedrückt, die Form:
7 ,o du- 4- dv-
ds - =
(cosh f -j- a cos u)*
24*
372 Kap. 14. Die Minimalflächen.
an. Wenn wir nun aus den Gleichungen (3), § 191, S. 359, mittels
Quadraturen die zugehörige Minimalfläche berechnen, so erhalten wir
die Gleichungen:
(x==au-\- sinu cosh v,
(21) ly = f^ -j- a cos w cosh «;,
ys = j/l — a^ cos u cosh v .
Ist a gleich Null, so ergiebt sich das Catenoid; ist a verschieden
von Null, so besteht der Schnitt der Fläche mit den zur xy-^hene
parallelen Ebenen aus unendlich vielen congruenten Kettenlinien, deren
Leitlinien der y-Axe parallel sind.
§ 200. Die auf Botationsflächen abwickelbaren Minimalflächen.
Wir lösen nun die Aufgabe, alle Minimalflächen zu bestimmen,
die auf Rotationsflächen abwickelbar sind. Dazu stellen wir die fol-
genden von Schwarz herrührenden Überlegungen an: Es sei S eine
auf eine Rotationsfläche abwickelbare Minimalfläche. Sie gestattet eine
stetige Verbiegung in sich, insbesondere eine unendlich kleine Verbie-
gung, bei der sich die Biegungscurven L der Parallelkreise in sich ver-
schieben. Das sphärische Bild von ;S^ bleibt bei der Verbiegung sich selbst
congruent (S. 365) und erfährt nur eine unendlich kleine Drehung um einen
Kugeldurchmesser. Daraus schliessen wir, dass die sphärischen Bilder
der Curven L die Kreise in den zur Rotationsaxe senkrechten Ebenen sind
und dass auch bei einer endlichen Verbiegung der Fläche S in sich
ihr sphärisches Bild um dieselbe Axe gedreht wird*). Diese Axe
nehmen wir zur 5-Axe. Eine Drehung um diese Axe ist gleichbedeu-
tend damit, dass t durch e^t ersetzt wird, wenn a die Amplitude der
Drehung ist. Da sich nun
ds' = (tto + lfF(t)FQ(tQ)dTdTo
bei dieser Substitution nicht ändern darf, so ergiebt sich:
*) Sollte noch irgend ein Zweifel an der Richtigkeit dieser Folgerung be-
stehen, so betrachte man eine endliche Verbiegung von S in sich, und es sei cc
die Amplitude der entsprechenden Drehung auf der Kugel. Die Amplitude cc
ändert sich stetig, wenn die Verbiegung stetig erfolgt, und wir können daher eine
solche Verbiegung wählen, dass a und 2« incommensurabel sind. Man ver-
fahre dann wie im Texte. Dann ergiebt sich die Gleichung (b), S. 373, in der o: eine
bestimmte , zu 2 tt in keinem rationalen Verhältnis stehende Grösse hat. Wäre
die Function r -^y ^i^^t constant , so würde sie demnach in der Umgebung jedes
Punktes der Ebene unendlich oft denselben Wert annehmen, was keinen Sinn hat.
§ 201. Die Minimal -Schraubenflächen. 373
!F(r)| = |J'(re'-)|,
d. h.
(a) F{te") = e'fiF(t),
wo ß eine reelle Constante bedeutet. Durch logarithmische Differen-
tiation folgt:
(b) ^^"4^^=-^'-
^ ^ Fite'") F(r)
F' (t)
Da also die Function t -^^ längs jedes Kreises in der complexen r-Ebene,
dessen Mittelpunkt in r = 0 liegt, constant ist, so ist sie mit Not-
wendigkeit überhaupt eine Constante.
Es ist also:
wo C und Je zwei Constanten sind, von denen die zweite wegen der
Gleichung (a) reell ist. Daraus schliessen wir:
Die auf Rotationsflächen abwickelbaren Minimalflächen
ergeben sich aus den Weierstrass'schen Formeln (7j, wenn
darin
F{t) = Cr*
gesetzt wird, wo Ar eine beliebige reelle und C eine beliebige
complexe Constante ist.
§ 201. Die Minimal- Schraubenflächen.
Daraus, dass nach S. 360 für die soeben gefundenen Flächen
6=Y2CJ r^ dr
ist, ergiebt sich, dass mit Ausnahme des Falles l' = — 2
±-f 1
/— r^
also das Quadrat des Linienelements
(b) ds^ = t\u- + ü») (efM» + rf»')
ist. Erwägen wir nun, dass
M cos - — t? sin - = Const.,
M sin — -}- v cos - = Const.
374 Kap. 14. Die Minimalflächen.
die Krüinmungslinien der associierten Flächen sind, während sich bei
den Substitutionen:
u'== u cos — V sin „ ,
V = V Hin - -\- V cos ^-
das Quadrat des Linienelements (b) nicht ändert, so sehen wir, dass
die betreffenden Flächen der Gestalt nach mit ihren associierten Flächen
identisch sind. Wie leicht ersichtlich, ergeben sich diese, wenn die
ursprüngliche Fläche um die Axe gedreht wird.
In dem Ausnahmefall Ä = — 2 ergiebt sich nach (7), S. 360:
^ = 9t[0(| + r)], y = ^[iG[\-r)], ^ = -9t[201ogr],
und da, wenn t durch re'" ersetzt wird, s um eine Constante wächst
und X, y m
X cos a — ?/ sin o; , x Bin a -\- y cos a
übergehen, so erhellt, dass diese Flächen Schraubenflächen sind, deren
Axe die .s;- Richtung ist. Aus unseren Betrachtungen folgt auch, dass
dieses die einzigen Minimal-Schraubenflächen sind, da eine solche Fläche
auf eine Rotationsfläche abwickelbar ist und der Gestalt nach mit
ihren associierten Flächen nicht übereinstimmt*). Also: Die Mini-
mal-Schraubenflächen ergeben sich, wenn in den Weierstrass'-
schen Formeln
nr) = °,
gesetzt wird.
Um die Gleichungen für die Minimal-Schraubenflächen in expli-
citer Form anzugeben, setzen wir:
m
C= -r-«'V, t = e-'^ + to>.
m
indem wir mit ~ , e~" die absoluten Beträge und mit ß, « die Ampli-
tuden von C und r bezeichnen, und erhalten so:
IX = m(cos ß cosh v cos o -}- sin ß sinh v sin co) ,
y = w(cos ß cosh V sin a — sin ß sinh v cos co) ,
0 = m(v cos ß -\- CO sin. ß) .
Die ß = 0 entsprechende Fläche ist das C ateno id, und seine
*) Andernfalls würden bei einer Verbiegung der Fläche die Krümmungslinien
ungeändert bleiben.
§ 202. Andere Grestalt der Formeln von Weierstrass. 375
Conjugiert«, welche /3 = — entspricht, die Minimal-Schrauben-
regelf lache (vgl. § 105, S. 201):
z = m aretg — •
Endlich fügen wir noch hinzu, dass die einzige Linienfläche,
die zugleich Minimalfläche ist, diese Schraubenfläche ist
(Satz von Catalan). Bei einer Linienfläche nämlich sind die ortho-
gonalen Trajectorien der Erzeugenden Haupttangentencurven, und es
fallen demnach ihre Hauptnormalen mit den Erzeugenden selbst zusam-
men. Diese Eigenschaft ist nun, wie wir in § 19, S. 32, gesehen
haben, eben für die von den Hauptnormalen der gewöhnlichen Schrau-
benlinie gebildete Fläche charakteristisch.
§ 202. Andere Grestalt der Formeln von "Weierstrass.
Die Weierstrass'schen Formeln (7) (S. 360) können in eine andere
bemerkenswerte Form gebracht werden. Setzen wir:
u =f(l — x')F{r) dt, V = ißl 4- t')F(t) (1t, ic =f2tF(t)dt
und führen wir statt der complexen Veränderlichen t mittels der Glei-
chung: t = cp(t) eine neue Veränderliche t ein, so sind u, f, w Func-
tionen von tj die durch die Relation:
(^) (^)V(|f) + a = o
verbunden sind, und die Weierstrass'schen Formeln gehen über in:
(24) x = m{u), y = ^(v), z = m(tv).
Umgekehrt: Sind u, v, w solche Functionen der complexen
Veränderlichen t, die durch die Relation (23) verbunden sind,
so ergiebt sich aus den Gleichungen (24) eine Minimalfläche*).
Durch eine passend gewählte Transformation der Veränderlichen t
kommen wir nämlich wieder zu den Weierstrass'schen Formeln zurück
Dieses geht übrigens sofort aus den folgenden tJberlegungen her-
*) Diese Gleichungen können wie folgt geschrieben werden:
^ — ^~ ^ y ^ ~~2 — ' 2 '
und die Minimalfläche kann daher als eine Translationsfläche angesehen werden
welche die imaginäre Curve :
und deren Conjugiert« zu erzeugenden Curven hat. Dieses ist die Eigenschaft,
die den auf S 358 angeführten Arbeiten von Lie als Grundlage dient.
376 Kap. 14. Die Minimalflächen.
vor, die umgekehrt zu einer directen Ableitung der obigen Gleichungen
dienen können:
Zerlegen wir t, u, v, w in ihre reellen und imaginären Bestand-
teile, indem wir
t=a-\-iß, u == X -{- ix^, V == y -\- iy^, w = z -\- iz^
setzen, und berücksichtigen wir die Gleichungen:
dx dx.^ dx dx^
aus denen sich infolge der Gleichungen (23) die Beziehungen:
'S^ (cxY_^ (dxy V^£^_n
^ \dcc) ~~^ \dßh ^dacß~^
ergeben, so folgt:
ds' = dx^ + dy' -\-dz'=l {da' + dß'), X =^ (^~)' •
.Die Beltrami'sche Gleichung (A), § 60, S. 116, zeigt dann, dass die
Fläche (24) eine Minimalfläche ist.
Wir bemerken, dass sich die für die Minimalflächen charakte-
ristische Eigenschaft, die durch die eben genannte Gleichung aus-
gedrückt wird, folgendermassen aussprechen lässt: Bei jeder Mini-
malfläche gehören ihre Schnitte mit einer Schar paralleler
Ebenen einem Isothermensystem an; der Abstand einer ver-
änderlichen Ebene der Schar von einer festen Ebene ist der
Parameter der Isometrie.
In jeder der complexen Ebenen ii, v, iv haben wir eine conforme
Abbildung der Minimalfläche (24), und da nun
ds' = \(duduQ -{- dvdvQ -f- dwdw^
ist, wenn Uq, Vq, Wq die im u, v, w conjugierten Functionen sind, so ist
klar, dass das Quadrat des Linienelements der Fläche gleich der halben
Summe der Quadrate der entsprechenden Linienelemente in den Ebenen
u,v,w ist. Riemann hat daraus eine interessante Folgerung gezogen,
indem er in Betracht zog, dass sich bei einer conformen Abbildung
die Flächenelemente wie die Quadrate der Linienelemente verhalten.
Daraus ergiebt sich nämlich der Satz:
Der Flächeninhalt eines Minimalflächenstücks (24) ist
gleich der halben Summe der entsprechenden Flächenräume
in den complexen Ebenen u, v, w.
§ 203. Formeln von Schwarz. 377
§ 203. Formeln von Schwarz.
Aus den Gleichungen des vorstehenden Paragraphen hat Schwarz
in der nachstehend angegebenen Weise andere wichtige Gleichungen
abgeleitet. Wird wie vorhin '
u = a: -f ix^, V = y -\- iy^^ tc = z -{- iz^
gesetzt, so ist:
dx di\ -\- dy dy^ -\- dz dz^ = 0,
femer:
Xdx^ + Ydy^ + Zdz^ = 0,
demnach :
dx^ : dy^ : dz^ = {Zdy — Tdz) : {Xdz — Zdx) : {Ydx — Xdy).
Da femer
dx^^ + dy^^ + dz^^ = dx^ + dy^ -f dz-
ist, so folgt daraus:
dx^ = ± {Zdy - Ydz), dy^ = ± {Xdz — Zdx),
dZi = ±{Ydx — Xdy).
Die Zweideutigkeit des Vorzeichens fällt fort, wenn wir auf die
Ausdrücke für u, v, w als Functionen von r und auf die Gleichungen
(5) in § 191 zurückgehen; es ist nämlich:
du = {\— x')F{t) dt, dv = ?(1 + r^)F{t)dv, dw = 2tF{T)dr,
dx = Y (rfuo + du), dy = - (rfvo + dv), ^-^ = y ('^"^o + ^tc),
dxt= ~ (rf«o — du), dy^ = y {dv^ — dv), dz^ = y {dw^—dw).
Wenn nun z. B. der Ausdruck Ydx — Xdy gebildet wird, so ergiebt .
sich, dass er mit dem für dz^ übereinstimmt. Wir haben also die Glei-
chungen:
dx^ = Zdy — Ydz, dy^ = Xdz — Zdx, dz^ = Ydx — Xdy *),
infolge deren wir die Werte von u, v, w so schreiben können:
u = x-^ if{Zdy — Ydz),
(25) v = V+ iJ{Xdz — Zdx),
IC = z-\- if{Ydx — Xdy).
Dieses sind die Schwarzsehen Fonneln. die sich in der elegantesten
Weise auf die Lösung folgender Aufgabe anwenden lassen: Die Minimal-
*) Stellen vrir die Bedingung dafür auf, dass Ydx — Xdy ein vollständiges
Differential ist, so ergiebt sich wieder die partielle Differentialgleichung (1) der
Minimalflächen (§ 189).
378 Kap. 14. Die Minimalflächen.
fläche zu construieren, die durcli eine gegebene Curve 0 geht
und längs der Curve gegebene Normalen hat.
Beachten wir, dass die unendlich kleinen Teile der Tangential-
ebenen längs der gegebenen Curve C einen Streifen der Fläche bilden,
so können wir der gestellten Aufgabe auch die folgende Fassung geben:
Eine Minimalfläche zu construieren, von der ein Streifen
bekannt ist. Es ist dieses nur ein specieller Fall der Cauchy'schen
Aufgabe über die partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung;
in dem vorliegenden Falle lässt sie sich unter den näher anzugebenden
Bedingungen mittels Quadraturen lösen.
§ 204. Lösung der Aufgabe, durch, einen gegebenen Streifen eine
Minimalfläche hindurclizulegen.
Wir nehmen an, dass der gegebene Streifen ein analytischer
sei, d. h. dass längs des Streifens
X, y, z; X, Y, Z
analytische Functionen der reellen Variabein t, d. h. auch für
complexe Werte von t gültige Functionen seien. Wir führen nun die
Integration in den Gleichungen (25) aus und setzen die Functionen
u, V, tv in der complexen Ebene analytisch fort. Sie sind immerfort
durch die Relation:
(duy . (dvY , (dwY ^
\dtl + Vdt) + l7?TJ = ^
verbunden, die längs der reellen Axe besteht. Die Gleichungen (24)
definieren uns dann eine Minimalfläche, die, wie sofort hervorgeht,
durch die gegebene Curve geht und längs der Curve die vorgeschrie-
benen Tangentialebenen hat*).
Nun ist hervorzuheben, dass die durch einen Streifen definierte
Minimalfläche eindeutig bestimmt ist. Führen wir nämlich wieder
die complexe Veränderliche (§ 191, S. 359)
t = cot -- e"" = ' „
ein, so beschreibt, während der bewegliche Punkt die gegebene Curve
C durchläuft, sein Bildpunkt t auf der complexen Kugelfläche eine
Curve C, die durch die vorgeschriebenen Richtungen der Normalen
*) Es reducieren sich nämlich für reelles t die reellen Teile von u, v, w auf
die Coordinaten der Punkte von C, und die Coefficienten der imaginären Bestand-
teile auf
f(Zdy—Ydz), fiXdz — Zdx), J{Ydx—Xdy).
§ "204. Minimalfläche durch einen gegeb. Streifen. § 205. Besondere Fällo. 379
vollkommen bestimmt ist. Längs dieser Curve C ergeben sich u. v, w
aus den Gleichungen (25) bis auf additive Constanten, und es können
daher diese Functionen auf der complexen Kugelfläche nur auf eine
einzige Weise fortgesetzt werden. Also: Eine Minimal fläche ist
durch einen Streifen eindeutig bestimmt.
Zwei Specialfälle dieses Satzes verdienen besondere Beachtung,
nämlich:
1) Jede auf einer Minimalfläche gelegene Gerade ist eine
Symmetrieaxe der Fläche.
Wird die Fläche nämlich um diese Gerade um 180° gedreht, so
hat sie bei der neuen Lage längs dieser Geraden dieselben Normalen,
fäUt demnach mit der ursprünglichen Fläche zusammen.
Dieser interessante Satz ergiebt sich direct aus den Gleichungen
(25), wenn die betreffende Gerade zur jsr-Axe genommen und also
X = 0, y = 0, z = t
X = cos <y, Y = sin <?, Z = 0
gesetzt wird, wobei 6 eine (analytische) Function von t sein soll.
Dann erhalten wir aus den Gleichungen (25):
II = — / / sin 6 dt, V = i I cos 6 dt, tc = t.
Da nun die Functionen «, v für reelles t rein imaginär sind, so sind
für conjugiert« Werte von t ihre imaginären Teile einander gleich,
ihre reellen Teile ebenfalls gleich, aber mit entgegengesetztem Vor-
zeichen behaftet; daraus folgt, dass jedem Flächenpuukt (x, y, z) ein
anderer, zur ir- Axe symmetrisch gelegener Flächenpimkt ( — x, — y, s)
entspricht.
Die zweite wichtige Folgerung aus dem allgemeinen Satze, die
wir anführen wollten, ist die nachstehende:
2) Schneidet eine Ebene eine Minimalfläche orthogonal,
so ist sie eine Symmetrieebene der Fläche.
§ 205. Besondere Fälle.
Wir woUen nun die allgemeinen Schwarz'schen Formeln auf einige
specieUe Fälle anwenden.
a) Wir nehmen an, es wäre von einer Minimalfläche eine geodätische
Linie C gegeben. Unter Beibehaltung der üblichen Bezeichnungen des
Kap. I für diese Curve setzen wir:
t = s, X=cos|, l'=cosi/, Z=cos5.
Dann geben uns die Schwarz'schen Formeln (25):
380 Kap. 14. Die Minimalflächen.
(26) u = x -{- ij cos Xds, v = y -f- i j cos ^ids, iü = s-\- i j cos v ds.
Betrachten wir die entsprechende Curve C der conjugierten Minimal-
fläche, so haben wir:
x'= j cos Xds, y'= I cos fids, 0'= j cos vds.
Gemäss den Ergebnissen des § 20, S. 33, beweisen diese Glei-
chungen, dass in jedem Punkte der Curve C die erste und die zweite
Krümmung derselben bezüglich gleich der zweiten und der ersten
Krümmung der Curve C ist, d. h. :
Wählt man auf zwei conjugierten Minimalflächen zwei
einander entsprechende geodätische Linien, so ist die erste
Krümmung der einen in jedem Punkte gleich der zweiten
Krümmung der anderen im entsprechenden Punkte*).
Allgemeiner, bemerkt man, dass
X == f cos a ds, y = j cos ß ds, ^' = j cos y ds
ist, so ergiebt sich, dass bei jeder Verbiegung der Minimalfläche, bei
der die Fläche eine Minimalfläche bleibt, die beiden Krümmungen
homogene lineare Functionen der ursprünglichen Krümmungen bleiben
(§ 20, S. 33).
Ist die Curve C eben und wird ihre Ebene zur a;^- Ebene genom-
men, so müssen wir
0 = 0, cosA = 0, cosft = 0, cosv = l
setzen. Dann lauten die Gleichungen (26) einfach:
u = X, V = y, w = is.
Für conjugierte Werte von s behalten die reellen Teile von u und v
ein und denselben Wert, und es liegt demnach die Fläche zur xy-Ehene
symmetrisch, wie auch am Schlüsse des vorigen Paragraphen bemerkt
worden ist.
b) Sollte die Curve C statt geodätische Linie Haupttangentencurve
sein, so hätten wir:
X=cosA, Y=cos(i, Z=cosv,
und es würden somit die Schwarz'schen Formeln lauten:
u = x — i f cos ^ds, V == y — i j cos rjds, w = s — i j cos t,ds.
*) Es lässt sich leicht nachweisen, dass die Minimalflächen die einzigen
Flächen sind, die eine Verbiegung gestatten, bei der sich die beiden Krümmungen
einer jeden geodätischen Linie vertauschen.
§ 206. Kriterium dafür, dass eine Fläche in eine Minimalfl. verbiegbar ist. 381
§ 206. Kriterimn dafür, dass eine Fläclie in eine Minimalfläclie
verbiegbar ist.
Wir schliessen das vorliegende erste Kapitel über die Minimal-
flachen mit der Lösung der Aufgabe: Zu entscheiden, ob eine ge-
gebene Fläche in eine Minimalfläche verbogen werden kann.
Die Entscheiduncr ergriebt sich sehr einfach daraus, dass das Linien-
dement einer auf ihre Krümmungslinien bezogenen Minimalfläche durch
ds'=X{dn- + dv-)
gegeben ist, während das KJrümmungsmass nach S. 359
ist und nach S. 68 die Differentialform:
y^^^^ds^ = du^-^dv-
die Krümmung Null besitzt. Umgekehrt nehmen wir nun an, dass für
eine Fläche (mit entgegengesetzten Hauptkrümmungsradien), deren
Linienelement
ds = YEdu^ + 2Fdudv + Gdv^
ist, die Differentialform
y—K(Edu^ + 21 du dv + Gdv"^)
die Krümmung Null besitze, sodass für passend gewählte Veränderliche
a, ß (die sich nach S. 171 mittels Quadi-aturen finden lassen)
y^^{Edu^ -f 2Fdudv + Gdv-) = da- + dß^
ist. Setzen wir K= — y* , so ergiebt sich:
(27) Edu'- + 2Fdudv -\- Gdv^ = X{da^ -f dß"),
demnach (§ 35, S. 68):
j^_ ^ 1 /g'logX c'logA
d.h.:
8'logX , g'logZ _ ^
ca* • a^» ~ l'
Das Linienelement
V
\- {da' + dß')
gehört folglich zur Kugel vmd also das Linienelement (27) zu einer
Minimalfläche, die sich mittels Quadraturen ergiebt, sobald die Coor-
dinateu X, Y, Z eines Punktes der Kugel als Functionen von a, ß
bekannt sind. Also: Die notwendige und hinreichende Bedin-
gung dafür, dass eine Fläche auf eine Minimalfläche abwickel-
382 Kap. 14. Die Minimalflächen.
bar ist, lautet: es muss die Differentialform, die das Quadrat
des Linienelements der Fläche angiebt, mit der Quadrat-
wurzel aus dem negativen Wert des Krümmungsmasses der
Fläche multipliciert, eine Form von der Krümmung Null
ergeben.
Dieselbe Bedingung können wir in andrer Form durch die Gleichung:
A,log(-^) = 4ir
nach (15), S. 67, ausdrücken. In dieser Fassung wurde sie von Ricci
angegeben, der das soeben abgeleitete Ergebnis zuerst fand.
Beispielsweise sehen wir zu, ob es Linienflächen giebt, die auf
Minimalflächen abwickelbar sind. Bringen wir das Quadrat des Linien-
elements der Linienfläche in die Form (§ 116, S. 222):
ds"^ = du"" + [(u — af + ß^ dv\
so ergiebt sich wie auf S. 223 :
und die obige Bedingung ist nur für constantes a und ß erfüllt, woraus
hervorgeht, dass die einzigen Linienflächen der gesuchten Art diejenigen
sind, welche auf die Minimal-Schraubenregelfläche abwickelbar sind,
d. h. die Ortsflächen der Binormalen der Curven mit constanter Torsion
(nach S. 228).
Kapitel XT.
Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
Wortlaut des Plateau"schen Problems. — Gnindlegende Betrachtungen über die
beiden conformen Abbildungen der Minimalfläche auf die Gaussische Kugel und
auf die Ebene der complexen Veränderlichen c. — Fall einer aus geradlinigen
Strecken bestehenden Begrenzung oder allgemeiner einer Schwarz'schen Begren-
zung. — FaU des von zwei Paar Gegenkanten eines regulären Tetraeders gebil-
deten Vierecks (Schwarz'sche Fläche). — Oktaedemetz auf der Kugel. — Ana-
lytische Darstellung der Gruppe der 24 Drehungen des Oktaedemetzes. — Bestim-
mung Ton F(t) für die Schwarz'sche Fläche : F(z) = ——===^ ■ — Proben
yi — 14T*-f T«
bezüglich der Grenzcurve. — Untersuchung derjenigen Gruppe von Bewegungen
des Baumes, welche die Schwarz'sche Fläche ungeändert lässt. — Eigenschaften
der analytischen Fortsetzung. — Die conjugierte Minimalfläche und die ent-
sprechende Gruppe von Bewegungen. — Sätze von Schwarz über die zweite
Variation des Flächeninhalts eines Minimalflächenstücks.
§ 207. Das Plateau'sche Problem.
Die fundamentale Aufgabe, auf die sich die Theorie der Minimal-
flachen aufbaut, sprechen wir in der folgenden präcisen Fassung aus:
Gegeben ist eine geschlossene Begrenzung; es soll ein
zusammenhängendes Minimalflächenstück construiert wer-
den, das von dieser Begrenzung umschlossen ist und im In-
nern keine singulären Punkte besitzt.
Berühmt sind die Experimente von Plateau, durch die dieser
Physiker die Aufgabe praktisch in der Weise löste, dass er die physisch
dargestellte Begrenzung in die nach ihm benannte Flüssigkeit tauchte.
Die Flüssigkeitslamelle, die zwischen der Begi-enzung ausgespannt
bleibt, weicht in der That gestaltlich sehr wenig von einer Minimal-
fläche ab.
Die Analysis ist weit davon entfernt, das Plateau'sche Problem
allgemein lösen zu können; jedoch ist in dem Falle, dass die Begren-
zung aus geradlinigen Strecken besteht, sowie in einem andern Falle,
384 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
den wir bald angeben werden^ eine Reihe wichtiger Sätze bekannt, die
wir Riemann, Weierstrass und Schwarz verdanken.
Wir beschränken uns hier auf die Entwickelung nur einer Methode,
die sich bei diesen Untersuchungen von selbst bietet und auf der
Theorie der conformen Abbildungen beruht. Diese Methode reicht in
den einfachsten Fällen aus, insbesondere für die Schwarz'sche Minimal-
fläche, die von einem von vier paarweise einander gegenüberliegenden
Kanten eines Tetraeders gebildeten windschiefen Viereck begrenzt wird.
Der Behandlung dieses in vielen Beziehungen so interessanten beson-
deren Falles ist das vorliegende Kapitel hauptsächlich gewidmet.
Die Methode der conformen Abbildungen reicht, wie vorhin be-
merkt, nur in einigen der einfachsten Fälle aus. Der Leser findet in
dem Buche von Darboux (1. Bd., S. 453 u. f.) eine zweite allgemeinere
und weit erfolgreichere Methode entwickelt, auf die wir hier nur kurz
hinweisen können.
§ 208. Conforme Abbildung der Minimalfläche auf die Gaussische
Kugel und auf die Ebene.
Wir betrachten ein von einer geschlossenen Umrandung C be-
gi-enztes Minimalflächenstück Ä und sein sphärisches Bild J5, das in-
folge der fundamentalen Eigenschaft der Minimalflächen nach S. 252 ein
conformes Abbild des Flächenstücks Ä ist. Wir nehmen ferner an,
dass dieses Flächenstück B auf der Kugel einblättrig sei. Indem wir
weiter für die Minimalfläche S wieder die Bezeichnungen des vorigen
Kapitels wählen, führen wir wieder die complexe Veränderliche
0 =fy2Fjt) dt
ein, deren reeller Teil u und deren mit dem Factor i multiplicierter Teil
V, gleich Constanten gesetzt, die Krümmungslien von S geben (S. 359).
Ist, wie wir voraussetzen wollen, die Function 6 innerhalb des
Flächenstücks Ä endlich, stetig und eindeutig, so erhalten wir durch
Ausbreiten der Werte von 6 in einer complexen Ebene von dem Stück
Ä ein neues conformes Abbild B'. Es sind somit das Flächenstück B
auf der Kugel und das Flächenstück B' in der Ebene conform auf
einander abgebildet. Wenn das Gesetz bekannt ist, nach dem die
Punkte beider Stücke einander zugeordnet sind, so ist auch die Fläche
S vollständig bekannt, da wir dann, weil 0 als Function von r gegeben
ist, die Weierstrass'sche Function
kennen, welche die Fläche charakterisiert (S. 360).
§ 209. Fall einer aus geradl. Strecken a. aus Ebenen bestehenden Begrenzung. 385
Sobald also die gegebene Begrenzung C so beschaffen ist, dass
sich sowohl das Flächenstück B auf der Kugel als auch das ebene
Flachenstück B' bestimmen lässt, so lässt sich das Plateau'sche Problem
für diese Begi*enzung auf die bekannte Aufgabe der Analysis zurück-
fuhren: ein gegebenes Flächenstück conform auf ein anderes abzubilden.
Der eben erwähnte Umstand tritt nun. wenio^stens mit einer se-
wissen Unbestimmtheit, dann ein, wenn die Begrenzung C aus gerad-
linigen Strecken besteht. Was nämlich das sphärische Bild B an-
betrifft, so entspricht jeder geradlinigen Strecke r der Begi-enzung C
auf der Begrenzung von B ein Bogen eines grössten Kreises in einer
auf r senkrechten Ebene; das Flächenstück B ist also ein sphärisches
Polygon, dessen Begrenzung von der Lage nach völlig b&stimmten
Bogen grösster Kreise gebildet wird. Betrachten wir zweitens das
ebene Flächenstück B', so ist, da jeder geradlinige Bestandteil der
Begrenzung C eine Haupttangentencurre der Fläche ist, das entsprechende
Stück der Begrenzung Ton B' ebenfalls geradlinig und der einen oder
der anderen Halbierungslinie der Axenwinkel in der Ebene B, nämlich:
u — f = 0 oder u -}- r = 0,
parallel. Das Plateau'sche Problem geht also in dem vorliegenden
Falle in die folgende Aufgabe über: Das sphärische Polygon B auf
das ebene Geradenpolygon B' conform abzubilden.
§ 209. Fall einer ans geradlinigen Strecken und ans Ebenen
bestehenden Begrenzung.
Dieselben Überlegungen gelten auch noch in einem allgemeineren
Falle, der von Schwarz in seinen „Fortgesetzten Untersuchungen
über Minimal flächen"*) folgendermasseu formuliert worden ist:
Gegeben sei eine zusammenhängende, geschlossene Kette
von geradlinigen Strecken und Ebenen: es soll ein einfach
zusammenhängendes, von den geradlinigen Strecken und den
Ebenen der Kette begrenztes Minimalflächenstück bestimmt
werden derart, dass die Fläche die Ebenen rechtwinklig
schneidet.
Die geradlinigen Teile der Begi'enzung C sind Haupttangenten-
curven, und die krummlinigen Teile sind Krümmungslinien in zur
Fläche senkrechten Ebenen. Die sphärischen Bilder der letzteren
Teile sind also ebenfalls Bogen grösster Kreise und zwar in Ebenen,
die den Ebenen der Kette parallel sind. In der ö- Ebene ist also das
*) Monateberichte der Berliner Akademie, 1872. (Werke, 1. Bd., S. 126 u. f.)
Biancbi, Diffarentialgeometrie. 25
386 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
Bild eines solchen Bogens ein der einen oder der anderen Coordinaten-
axe paralleles Geradenstück. Auch in diesem allgemeinen Falle hängt
demnach die Lösung des Plateau'schen Problems von den Gleichungen
ab^ welche die conforme Abbildung eines sphärischen Polygons auf ein
ebenes Geradenpolygon geben.
Betrachten wir z. B. den einfachsten Fall, in dem die Kette von
zwei geradlinigen Strecken AB und ÄC gebildet wird, die in B und
C von einer Ebene begrenzt seien, die von der Fläche senkrecht ge-
schnitten werden soll. Der Minimalflächensector ABC, wie ihn das
Experiment liefert, hat zum Bilde auf der Kugel ein vollkommen be-
stimmtes sphärisches Dreieck. Sein ebenes Bild B' ist ein rechtwink-
lig-gleichschenkliges Dreieck, dessen Hypotenuse einer der Coordi-
natenaxen parallel ist.
Die entsprechende Abbildungsaufgabe wird bekanntlich mittels
hypergeometrischer Reihen gelöst.
Wir nehmen nun an, es wäre uns gelungen, für eine gegebene
Schwarz'sche Begrenzung das Plateau'sche Problem zu lösen. Das ge-
suchte Minimalfiächenstück 2J ergiebt sich aus den Weierstrass'schen
Formeln, indem man die complexe Veränderliche r innerhalb des sphä-
rischen Polygons B wandern lässt. Wir wollen jedoch unter Benutzung
der am Schlüsse des § 204 bewiesenen Symmetriesätze untersuchen,
was eintritt, wenn bei der analytischen Fortsetzung der Function F(t)
die analytische Fortsetzung dieses Flächenstücks betrachtet wird. Über-
schreitet t eine Seite l des Polygons B, der ein geradliniges Stück r
der Schwarz'schen Begrenzung entspricht, so kommen wir auf der Fläche
aus dem Gebiet 2J in das bezüglich der Strecke r zu ihm symmetrische
Gebiet und bleiben in diesem, solange r innerhalb des bezüglich der
Seite l zn B symmetrischen sphärischen Polygons bleibt. Entspricht
der Seite l von B ein krummliniges Stück der Schwarz'schen Begren-
zung in einer zu ZI senkrechten Ebene der Kette, so ist der Schluss
ein ganz ähnlicher; wir gelangen dann aus U in ein neues zu dieser
Ebene symmetrisches Gebiet Z". Somit finden wir bei der analyti-
schen Fortsetzung der Minimalfläche für jede Seite ein neues zu dem
Flächenstück Z symmetrisches und an dasselbe angrenzendes Gebiet.
Auf jedes dieser Gebiete lässt sich dieselbe Schlussweise anwenden.
Somit besteht die analytische Fortsetzung unserer Fläche aus unend-
lich vielen, abwechselnd symmetrischen und congruenten Teilen. Im
allgemeinen enthält ein endliches Gebiet des Raumes unendlich viele
solcher Teile. Um uns davon zu überzeugen, brauchen wir nur den
Fall zu betrachten, dass sich zwei geradlinige Stücke der Begrenzung
unter einem zu jc in keinem rationalen Verhältnis stehenden Winkel
§ 210. Fall d. y. 2 Paar Gegenseiten eines regrnlären Tetraed. gebild. Vierecks. 387
schneiden. Die hier berührte Frage hängt mit derjenigen der Be-
wegungsgruppen zusammen und kann ohne die wirkliche Kenntnis
des von der gegebenen Schwarz'schen Begrenzung eingeschlossenen
Minimalflächenstücks behandelt werden. Wir brauchen nämlich nur
zuzusehen, ob die Spiegelungen gegen die geradlinigen Seiten und
gegen die Ebenen der Begrenzung eine stetige oder eine unstetige
Grruppe erzeugen*).
Der einfachste Fall, in dem die entsprechende Minimalfläche gleich-
massig den Raum durchsetzt, ist nun eben derjenige, zu dessen Behand-
luns wir nunmehr übersehen wollen und in dem die Schwarz'sche
Begrenzung ein von zwei Paar Gegenkanten eines regelmässigen
Tetraeders gebildetes windschiefes Viereck ist.
§ 210. Fall des von zwei Paar Gegenseiten eines regulären
Tetraeders gebildeten Vierecks.
Von den sechs Kanten eines regelmässigen Tetraeders denken wir
uns die beiden Gegenkanten ÄD und BC fortgenommen und betrach-
ten das Minimalflächenstück Z", das von dem windschiefen Viereck
ABDC begrenzt wird.
Wie sich bei dem entsprechenden Plateau'schen Experiment her-
ausstellt, ist diese Fläche symmetrisch zu denjenigen Ebenen, welche
durch die weggedachten Kanten AD und BC senkrecht zu den Gegen-
kanten BC bezw. AD gelegt werden. Sie liegt ganz im Innern des
Grundtetraeders AB CD. Die Tangentialebenen in den vier Ecken
sind gerade die Seitenflächen des Tetraeders, und ihre positiven Seiten
sind für zwei Gegenecken die inneren, für die beiden anderen die
äusseren.
Daraus folgt, dass das sphärische Bild von 2J ein sphärisches
Viereck A'B'D'C ist, dessen Winkel 120" betragen. Um ein solches
Viereck auf der Kugel zu erhalten, brauchen wir in dieselbe nur einen
Würfel einzubeschreiben. Dann sind die vier Ecken einer Würfelfläche
die Ecken des gesuchten Vierecks. Nun sehen wir, dass die Halbie-
rungsebene des Dieders BC die Fläche 2J senkrecht schneidet und
daher in zwei symmetrische Sectoren ABC und DBC teilt. Diese
haben die beiden sphärischen Dreiecke A' B' C und DB' C, in welche
die Diagonale B' C das vorhin betrachtete Viereck teilt, zu sphärischen
Bildern.
Wir können demnach an Stelle unserer Aufgabe die folgende ein-
*) S. die Entwickelongen des Textes. §221 — 222, über die Schwarz'sche Fläche.
388 Kap. 15. Das Plateau'sclie Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
fächere setzen: den kleinsten Sector ABC zu bestimmen, der von zwei
geradlinigen Strecken AB, AC und der Curve BC in einer zur Fläche
senkrechten Ebene begrenzt wird. Das sphärische Bild dieses Sectors
ist das sphärische Dreieck A'B'C, in welchem Winkel A' 120*^,
JB' 60° und C ebenfalls 60° beträgt. Nun ist das ebene Bild des-
selben Sectors in der complexen ö-Ebene (S. 385) ein rechtwinklig-
gleichschenkliges Dreieck ahc, dessen Hypotenuse hc einer der Coordi-
natenaxen in der ö-Ebene parallel ist.
Um die zu unserer Fläche gehörige Weierstrass'sche Function
F(t) zu finden, müssen wir also ö als Function von r so ausdrücken,
dass das sphärische Dreieck A'B'C conform auf das ebene Dreieck
ahc abgebildet wird. Nun fällen wir von A' die Höhe A'H', sodass
wir auf diese Weise das Dreieck A'B'C in zwei symmetrische Drei-
ecke, A' B' H' und A' C H' zerlegen, und teilen wieder jedes dieser
beiden Dreiecke durch die von H' gefällten Höhen H' F' und H' G'
in zwei kleinere symmetrische Dreiecke.
Nehmen wir mit dem ebenen Dreieck abc eine ganz analoge Zer-
legung vor, so ist klar, dass wir nur das sphärische Dreieck B' H' F'
mit den Winkeln von 60°, 45° und 90° conform so auf das ebene
Dreieck hhf mit den Winkeln von bezüglich 45°, 45° und 90° abzu-
bilden brauchen, dass die Ecken einander in der angegebenen Reihen-
folge entsprechen. Die Function dir), die diese Abbildung leistet,
bildet auch, auf das ganze Dreieck A'B'C ausgedehnt, dieses Dreieck
auf ahc ab.
Um diese Abbildung zu bewerkstelligen, bilden wir die beiden
Dreiecke B'F'H' und bfh conform auf die Halbebene einer complexen
Hilfsveränderlichen z so ab, dass der Begrenzung jedes Dreiecks die
reelle Axe entspricht. Dabei können wir noch diejenigen drei Punkte
der reellen Axe in der ^-Ebene, welche den Ecken entsprechen, will-
kürlich annehmen. Wir wollen sie so annehmen, dass
§ -211. Oktaedernetz auf der Kugel. 389
in B', h Z = 0,
in r,f z=l,
in JET, // ^ = c»
ist.
§ 211. Oktaedemetz auf der Kugel.
Die Function z{x), welche die Abbildung des sphärischen Drei-
ecks B'F'IT auf die Halbebene z leistet, ist einfach eine rationale
Function von r vom 24. Grade; ihre Umkehrung r(^) ist die sogenannte
Oktaederirrationalität. Wir wollen nun diejenigen auf die Oktaeder-
irrationalität bezüglichen fundamentalen Gleichungen, welche für unseren
Zweck in Frage kommen, in gedrängter Kürze entwickeln, indem wir
in betreif eines eingehenderen Studiums auf das Buch von Klein: „Vor-
lesungen über das Ikosaeder" verweisen.
In die complexe Kugel beschreiben wir ein reguläres Oktaeder
und projicieren die Seitenflächen des Oktaeders vom Mittelpunkt aus
auf die Kugel. Dadurch wird die Kugelfläche in acht sphärische Drei-
ecke zerlegt, deren Winkel sämtlich Rechte sind. Jedes dieser Dreiecke
zerlegen wir weiter durch die drei Mittellinien in sechs Teildreiecke,
die wir als Elementardreiecke bezeichnen.
Die Kugelfläche ist auf diese Weise in ein Xetz von 48 abwech-
selnd symmetrischen und congi-uenten Elementardreiecken zerlegt. In
jedem derselben beti-agen, wie in dem Dreieck B' IT F' des vorigen
Paragraphen, die Winkel 60», 45» und 90«.
Dieses Netz nennen wir das Oktaedernetz. Um die directe
Congruenz von der Symmetrie zu unterscheiden, denken wir uns die-
jenigen 24 Dreiecke des Netzes, welche dem Dreieck, von dem wir aus-
gegangen sind, congruent sind, schraffiert.
Wir müssen nun das Oktaedemetz auf der Kugel:
in einer bestimmten Weise orientieren. Wir legen zwei Ecken des
Oktaeders in die Pole (0, 0, + 1) i^^^d ^^^ '^on den vier anderen Ecken
in der Äquatorebene £[ = 0 gebildete Quadrat so, dass seine Seiten der
|- und der i;-Axe parallel sind. Vom Pol t = x. projicieren wir das
Oktaedemetz stereographisch auf die Ebene des Äquators. Wenn wir
dann die ebenen Dreiecke, welche die Bilder der schraffierten Dreiecke
des Netzes sind, ebenfalls schraffieren, so erhalten wir die Figur 9.
Die schraffierten Dreiecke des Oktaedemetzes stossen zu je vieren
in den Oktaederecken, zu je dreien in den (auf die Kugel projicierten)
Mittelpunkten der Seitenflächen und zu je zweien in den Mittelpunkten
390 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
der Kanten zusammen. Die directe Überlegung oder auch schon der
blosse Anblick der Figur ergiebt unmittelbar, dass die Werte der com-
plexen Veränderlichen t in diesen Punkten die folgenden sind:
Fig. 9. (Oktaedernetz.)
a) in den Oktaederecken: t = oo, 0, — =e~ ? -~- J" :
]/2 y2
b) in den Mittelpunkten der Seitenflächen: r
1+1/3 — 1 ± |/3
|/2 ")/2
V2
1/2
c) in den Mittelpunkten der Kanten: T^==if:l? i*; (liV^)""^'
]/2
(l±>^2)
1 — i
(i±y2)y^, -(i.+y2)^
>/2 "■ —' ' y-2 "■ —' ' Y'i )
Nun bilden wir drei Polynome in t vom 5., 8. und 12. Grade,
von denen das erste, ca, in den Punkten a), ausser in tt == oo, das
zweite, w, in den Punkten b) und das dritte, x^ ^^ den Punkten c)
von der ersten Ordnung verschwinden soll. Durch wirkliche Ausrech-
nung finden wir sofort:
(1) a = T(l-j-t''), iv=1 — Ut'-\-t\ ;t = l + ^3T^ — 33r8— T^l
§ 212. Conforme Abbildung des Oktaedemetzes. 391
§ 212. Conforme Abbildung des Oktaedemetzes.
Nach dieser Vorbereitung nehmen wir an, dass die Function z(t)
die conforme Abbildung des Fundamentaldreiecks T unseres Xetzes,
dessen Ecken in den Punkten (&. die Figur 9):
liegen und dessen Winkel bezüglich 45®, 60° und 90® betragen, auf
die (positive) halbe ^-Ebene in der Weise leistet, dass, wenn r den Um-
fang des Dreiecks durchläuft, z die reelle Axe durchläuft, wobei den
angegebenen Werten von t in den Eckpunkten der Reihe nach die
Werte X
entsprechen sollen. Wir breiten nun z nach den bekannten Regeln
der analytischen Fortsetzung in der ganzen complexen r- Ebene oder
noch besser auf der ganzen complexen r-Kugelfläche aus, wobei wir
Nachstehendes festsetzen: Jeder Punkt r' der complexen Kugelfläche
gehört einem der 48 Dreiecke des Netzes an. Diesem Punkt« t' ent-
spricht in dem Fundamentaldreieck ein homologer Punkt t, und als Wert
von z in t' müssen wir entweder denselben Wert wie in r oder den
conjugierten Wert annehmen, je nachdem das Dreieck, in dem z'
liegt, dem Fundamentaldreieck congnient oder zu ihm symmetrisch ist.
Die Function 2(t) ist somit auf der ganzen complexen Kugelfläche
ausgebreitet: sie ist auf ihr eindeutig und hat zu singulären Punkten
nur die Punkte a), die Oktaederecken, die für sie Pole vierter Ordnung
sind, ^(t) ist demnach eine rationale Function von t. Da ferner
ihre Nullpunkte gerade in den acht Punkten b) liegen, in denen tc
verschwindet, und von der dritten Ordnung sind, so ergiebt sich sofort
2==C'^„
wo C ein constanter Factor ist. Der Wert von C ergiebt sich un-
mittelbar daraus, dass für r = 1
^t= — 12, CO = 2, „-=1
ist, gleich — ^^^ oder — — • Also lautet die gesuchte Gleichung :
fO\ .= — (1 - Ut^ + O^ ^
^^ - 108t*(1 + r*)* 108 a)*
Femer sind noch die folgenden Gleichungen einzufühi-en : Die Function
z — 1 wird wie z unendlich und verschwindet in den Punkten c), in
denen 1 = ^ ist, von der zweiten Ordnung. Es ist demnach:
392 Kap. 15. Das Plateau'ache Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
2—l = C'^, (C'= Const.).
Aus der Combination dieser Gleichung mit der Grleichung (2) ergiebt
sich die Identität:
108(a^ + M.-='+ 108 0'f = 0,
aus der^ wenn t z. B. gleich Null gesetzt wird,
^ — ~"1Ö8
folgt. Demnach besteht zwischen den Polynomen (1), d. h. to, w, %,
die Identität:
(3) 108a3* + w.'3_^2_o,
die sich auch unmittelbar direct bestätigen lässt. Wir haben also die
Gleichung :
(1+ 33t*— 33r8— T»2)2 ^^
(4) z-\^
108r*(l + r*)* 108 cö*
Aus den Gleichungen (2) und (4) geht hervor, dass der DiiBferential-
quotient ^- in den Nullstellen von iv von der zweiten und in den-
jenigen von y^ von der ersten Ordnung unendlich klein wird. Da er
ferner in den Nullstellen von a von der fünften und für t = oo von
der dritten Ordnung unendlich gross ist, so hat er keine weiteren Un-
endlichkeitsstellen als die eben angeführten. Daraus ergiebt sich bis
auf einen constanten Factor A:
dt (o^
Behufs Bestimmung von Ä beachte man, dass aus der Gleichung (2)
folgt. Es ist also J. = -_• Folglich besteht die Gleichung:
/M <^^ _ Xiv^
^^^ d^~27co''
die sich unter Berücksichtigung der Identität:
, dco n dw ,
dr dt '^
auch direct bestätigen lässt,
§ 213. Analytische Darstellung der Gruppe der 24 Drehungen des
Oktaedernetzes.
Nachdem wir für unsere Abbildung die Gleichung (2) erhalten
haben, können wir leicht nachweisen, dass dieselbe die gewünschte
conforme Abbildung leistet.
§ 213. Anal. Darstellung der Gruppe der 24 Drehungen des Oktaedemetzes. 393
Hierzu schicken wir zweckmässig die folgenden Überlegungen
voraus: Das Oktaedemetz kann mit sich selbst dadurch zur Deckung
gebracht werden, dass ein Elementardreieek des Netzes auf irgend ein
anderes der 23 ihm congruenten Dreiecke gelegt wird. Jede dieser
Drehungen der complexen Kugel in sich wird analytisch infolge der
Cavley'schen Gleichung (§ 45, S. 84) durch eine lineare Transfor-
mation der complexen Veränderlichen r dargestellt. Die 24 linearen
Transformationen oder Substitutionen (einschliesslich der identischen
Substitution), welche den das Oktaedemetz in sich überführenden
Drehungen entsprechen, bilden offenbar eine Gruppe. Sie wird die
Oktaedergruppe (oder Würfelgruppe) genannt. Wir bestimmen
zunächst die wirklichen Ausdrücke für die Substitutionen der Gruppe.
In erster Linie betrachten wir die Drehung des Oktaeders um 90° um
denjenigen Durchmesser, welcher die Punkte r ^ 0 und t = x: rer-
bindet (Polaxe): sie wird durch
t'= ir
dargestellt und liefert, wiederholt angewandt, die vier linearen Sub-
stitutionen (die identische Substitution einbegrififen):
T'=i^t, (r = 0, 1, 2, 3).
Bei einer Spiegelung des Oktaeders an der |-Axe vertauschen sich die
Punkte r = 0 und r = oo, während die beiden Punkte r = -f- 1 und
T = — 1 fest bleiben. Die Spiegelung wird durch die Substitution:
, 1
r
dargestellt, die, mit den vier vorhergehenden combiniert, weitere vier
Substitutionen liefert, so dass wir bis jetzt acht, nämlich:
r = ft.
:'=4 ('•^Ö, 1,2,3)
haben, die in der Oktaedergruppe eine Untergruppe (eineDiedergruppe)
büden. Femer betrachten wir eine Drehung von 120° um die Ver-
bindungslinie der Mitten zweier (paralleler) gegenüberliegender Oktaeder-
flächen. Diese Drehung gehört offenbar mit zur Gruppe. Als Beispiel
wählen wir diejenige Drehung dieser Art, bei der die drei Oktaederecken:
also auch die diametral gegenüberliegenden Ecken:
in der angegebenen Reihenfolge unter einander cjklisch vertauscht
werden.
394 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
Bilden wir für diese Drehung den analytischen Ausdruck nach der
Cayley 'sehen Gleichung:
-'=:zif^ (««„ + ^/3„ = 1),
SO erhalten wir sofort:
— 1 -f i „ i
Also ist:
' y2 r — (1 — ^■)
Aus der Combination dieser Gleichung und der vorhergehenden acht
ergeben sich die 24 Substitutionen der Oktaedergruppe in der folgenden
Normalform :
(6)
^ ' y2 T - (1 — i) ' 1/2 T — (1 + i) ■
ir 1/2 r - (1 - i) ^,_ .^ y2r-(l+ j
(1 + i)T -f- -^2 ' (1 — z)r + y2
(r=0, 1,2, 3).
§ 214. Nachweis für die conforme Abbildung des Oktaedernetzes
vermöge der aufgestellten Gleicliungen.
Wir wollen nun direct nachweisen, dass uns die Gleichung (2)
die gewünschte Abbildung giebt. Hierbei ist zunächst zu beachten,
dass diese Function ^(t) ungeändert bleibt, wenn auf das Argument r
eine beliebige von den 24 Substitutionen (6) der Oktaedergruppe an-
gewandt wird*). Jedem Werte von ^ entsprechen demnach 24 Werte
von T, die durch die Substitutionen (6) der Gruppe aus einem von ihnen
hervorgehen. Die algebraische Function t(^), deren 24 Zweige sich
mittels der linearen Substitutionen (6) aus einem bestimmten Zweige
ableiten lassen, wird nach Klein als Oktaederirrationalität be-
zeichnet.
Auf der Begrenzung eines jeden Elementardreiecks ist die Function
^(t) reell, was nur für ein bestimmtes Dreieck nachgewiesen zu werden
braucht, da 0(r) auf der Begrenzung jedes anderen Dreiecks dieselben
*) Dieses ergiebt sich auch aus der directen Rechnung, da, wie sich leicht
nachweisen lässt, die oben ausgesprochene Eigenschaft für die ersten acht Sub-
stitutionen (6), sowie für die Substitution: t'= — ?^-^ — lL-t_ evident ist. Es
y2-ii-i)
folgt aber auch einfach daraus, dass sich bei diesen Substitutionen die Oktaeder-
ecken wie auch die Mittelpunkte der Seitenflächen unter einander vertauschen.
§ 214. Nachweis für die conforme Abbildung des Oktaedemetzes. 395
Werte annimmt. Nun ist ^'(t) auf den beiden geradlinigen Seiten des
Fundamentaldreiecks T, dessen Ecken in den Punkten:
(.) . = 0, . = >i^, . = ^y2-i)iii-
liegen (§212), offenbar reeU, da ja t* reell ist. Auf der dritten, krumm-
linigen Seite nimmt z{x) dieselben Werte an wie auf der die Punkte
T = - — - — und T ^ 1 verbindenden geradlinigen Seite des homologen
Dreiecks, dessen Ecken in:
V 3 — 1 . 1 + »
x = - — -=— , r=l, r = — ~
}/2 y2
liegen, und ist demnach ebenfaUs reell. Durchläuft x die Begrenzung
des Dreiecks T in positivem Sinne, so durchläuft z die reelle Axe von
— cx) bis -f- oo stets in demselben Sinne, da ja sonst einem reellen
Werte von z mehr als 24 Werte von* x entsprechen würden. Xun
lassen wir r im Innern von T wandern; s wandert dann im Innern
einer der beiden Halbebenen, und da umgekehrt jedem Werte von z ent-
weder im Dreieck T oder in dem bezüglich der reellen Axe zu ihm
symmetrischen Dreieck ein Wert von r entspricht*), so ist klar, dass
jedem Punkte z in dieser Halbebene E ein Punkt t im Dreieck T ent-
^ dz .
spricht. Da nun femer infolge der Gleichung (5) j- innerhalb T nie
XuU oder unendlich wird, ausser in den Eckpunkten, so geht daraus
hervor, dass die Abbildung von T auf E in der That conform ist**).
§ 215. Bestimmung von -F(t) für die Schwarz'sche Minimalfläche.
Um die Schwarz'sche Minimalfläche zu bestimmen, haben wir nun
noch das re^'htwinklig-gleichschenklige Dreieck hfh (§ 210) in der
ö-Ebene, dessen Hypotenuse hli einer der Axen, sagen wir der reellen,
parallel ist, conform auf die positive halbe z-Ebene so abzubilden, dass
in6: ^ = 0, in/": z=\, inÄ: z = oo
wird. Die bekannte Schwarz-Christoffel'sche Formel für die con-
forme Abbildung eines Geradenpolygons auf eine Halbebene giebt:
^dz' z"Hz — 1)
*) Von den 24 Werten r nämlich, die einem Werte von z entsprechen, liegt
in jedem der 24 congruenten Dreiecke des Oktaedemetzes einer.
**) Die Halbebene E ist diejenige, in welcher der Coefficient des imaginären
Teiles von z positiv ist, da sie. wenn die reelle Axe von — cc bis -|-cc durch-
laufen wird, links von ihr liegen muss.
396 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
Da ijj für negativ reelles 0 positiv reell sein muss, so folgt:
C = iÄ' (Ä reell),
demnach:
\dzl //.(^ _ 1)' J ^%(^ _ i)V. ^
Die Weierstrass'sche Function Fix) für die Schwarz'sche Minimal-
Üäche ergiebt sich aus der Gleichung:
Fix) = -1 (^y = '^^ . ^ (^A"-
Öetzen wir hierin für z, z — 1 , -j- ihre durch die Gleichungen (2),
(4), (5) (§ 212) als Functionen von x bestimmten Werte ein, so er-
halten wir bis auf einen constanten reellen Factor**), der nur die
absoluten Grössenverhältnisse der Fläche beeinflusst:
10 '^ yi — 14t* + T»
Die Schwarz'sche Minimalfläche ist demnach durch die
folgenden Gleichungen definiert:
(')
J yi — Ur* + T» ' ^ J y^ — 14t* + t« '
Uz* -f T«
Und nun wollen wir wirklich nachweisen, dass, wenn wir die
Werte von t auf der complexen Kugel auf das Innere eines der sechs
sphärischen Vierecke mit Winkeln von 120" beschränken, die den Seiten-
flächen des eingeschriebenen Würfels entsprechen, wir ein Minimal-
flächenstück erhalten, das von vier paarweise einander gegenüberliegen-
den Kanten eines regelmässigen Tetraeders begrenzt wird.
*) Wird z = t^ gesetzt, so ergiebt sich:
dt
2Ä
^^/>
yt^ — t
Die Integration führt auf Lemniscatenfunctionen , und zwar ist in den Weier-
strass'schen Bezeichnungen
/aa
wo a eine Constante ist und die Invarianten g^ , g^ von p die Werte g^ = 4,
g^ = 0 haben.
**) Es ist zu beachten, dass, wenn t die geradlinige Strecke von r = 0 bis
T =y-^~— durchläuft, soAvohl (---) als auch l/l — 14 r* -f t* reell sind.
yä ' XdvJ ^
§ 216. Analytische Darstellung der Schwarz' sehen Minimalfläche. 397
§ 216. Analytisctie Darstellung der Schwarz 'sehen Minimalfläche.
Das dritte Integral, das in den Gleichungen (7) auftritt, geht durch
die Substitution: t- = t unmittelbar in ein elliptisches erster Grat-
tung über; die anderen beiden sind scheinbar hyperelliptisch, lassen
sich aber, wie wir sofort sehen werden, mittels geeigneter Substi-
tutionen ebenfalls auf elliptische Integrale zurückführen.
Zu diesem Zwecke müssen wir zunächst die Coordinatenaxen um
X — y
|/2
45" um die ^-Axe drehen. Wir thun dieses, indem wir füi-
und — pi-- wieder x bez. y setzen. Dann erhalten wir:
X = vi I — - — =r dx, « = 9t / -J^ ^ dt,
J ]/2 ]/l — 14T*-f-r« ' ^ J V^ ]/l— 14r* + r» '
J y\ - Ur* + T«
Des weiteren treffen wir die Verfügung, dass t innerhalb das-
jenigen sphärischen Vierecks mit Winkeln von 120*^ wandern soll,
dessen Ecken in den Punkten:
a = ^ — ~ — , 6 = ? ' — - — , c = — ^- — ^— , d = ' ^
y-2 |/2 1/2 |-2
liegen , und verlegen femer die gemeinsame untere Grenze der In-
tegrale in den Punkt:
^ _ ^ V 3 — 1
— "— -jö
sodass die Definitionsgleichungen des Minimalflächenstücks , für das
wir den angegebenen Nachweis führen sollen, die folgenden sind:
= SR f\^ ^^^'L_ dr, V = 3J /% , ' + "' dr,
J y2 yi — I4r« + T« ' • J 1/2 ]/l_l4r«+T» '
— a —a
J yi-i4T* + T«
(8)
Dabei müssen wii* in Betracht ziehen, dass sich infolge der Drehung
um 45° um die ^•-Axe aus den Gleichungen (5), S. 359, für die Rich-
tnngscosinus der Flächennormale die Ausdrücke:
CS*) X = * + ^0 + *^^ ~ ^o) Y = ^ + ^0 ~ ^^^ ~ '^o) z = ^^o~ ^
>/2(Tro + l) ' ]'2(rT, + 1) ' rr, + 1
ergeben. Bei der wie vorhin vorgenommenen Abgrenzung des Ande-
rungsbereichs von r schwindet jede Zweideutigkeit aus diesen Aus-
398 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
drücken, wenn wir festsetzen, welchen Wert die Quadratwurzel in
einem Punkte haben soll. Wir wollen, indem wir
yi — 14t* -f- T«
setzen, von vorn herein die Verfügung treifen, dass
F(0) = + 1
sein soll. Da ferner die acht Verzweigungspunkte der Quadratwurzel
in den Würfelecken:
±«, +4, +*■«; ±i
liegen, so sehen wir, dass wir nur in der complexen tr- Ebene vier Quer-
schnitte, nämlich von a bis — , von — a bis , von ia bis — und
von — ia bis , zu führen brauchen, damit F{x) in der so zer-
schnittenen Ebene eine stetige, eindeutige und überall, ausser in den
acht genannten Punkten, endliche Function werde.
§ 217. Besondere Curven auf der Schwarz'schen Minimalfläche.
Wir beginnen unseren Nachweis mit der Bestimmung der Curven,
die auf dem in Rede stehenden Minimalflächenstück der reellen und
der imaginären Axe der t- Ebene, sowie den Halbierungslinien der
zwischen denselben liegenden Winkel entsprechen.
1. Bezeichnen wir mit q eine reelle Veränderliche, so haben wir
längs der reellen Axe:
also: _
(9) X^^J{l-Q^F{Q)dQ, y=-^^^ßl-Q^)F(Q)dQ, Z=j2QF(Q)dQ,
— a — a — a
demnach:
X — ^ = 0.
Ferner ist längs dieser Linie infolge der Gleichungen (8*)
X— Y=0,
d.h.: Die Ebene: x = y schneidet U senkrecht, ist also eine
Symmetrieebene von 2J.
2. Längs der imaginären Axe ist
T = ig, dt = idg.
Wenn wir mit Xq, y^, Zq die Werte von x, y, z in t = 0 bezeichnen,
so haben wir, während x die imaginäre Axe durchläuft:
§ 217. Besondere Curren auf der Schwarz'schen Minimalfläche. 399
0
1 / _
(9*) {y - y« = - j-J (1 - Q')F(Q)dQ) (- a < p ^a),
0
Z —2o =—f2QF(Q)dQ,
0
folglich :
^-\-y = j-Q + Vo-
Längs dieser Curve von 2^ ist infolge der Gleichungen (8*) X-f- l'=0,
d. h. die Ebene: x -{- y ^ Xq -\- Pq ist eine Symmetrieebene von Z".
3. Längs der Halbierungslinie des von den positiven Axenrich-
tungen gebildeten Winkels ist
T = l/t>, dt = yidQj
wo unt^r Y* ^'^^ Wert:
ZU verstehen ist. Es ergiebt sich somit:
0
Der entsprechende Punkt auf der Fläche durchläuft eine zur a:-Axe
parallele Strecke.
4. Längs der zweiten Winkelhalbierenden ist
T==}'^— -Ip, und wegen )/ — /= — ^-
demnach:
x = x^, y = y^-^J-^
(1 + p')de
0
Also durchläuft der Punkt (x, y, z) eine zur y-Xxe parallele Strecke.
Bis jetzt haben wir also erkannt, dass das Minimalflächenstück 27 die
beiden Symmetrieebenen:
x~y = 0, X -{- y = Xq + yo,
und zwei Symmetrieaxen . nämlich die durch (x^^, y^, z^ zu den Coor-
dinatenaxen gezogenen Parallelen, besitzt.
Setzen wir:
400 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
0 a
— a ü
0 a
— a 0
SO erhalten wir:
^0 = ?/o = -^, h = ^•
Im nächsten Paragraphen wird sich weiter i? == — A ergeben ; für jetzt
bemerken wir nur, dass sich aus den Gleichungen (9) und (9*) die
Werte von a;, ^^ ^ in den vier Eckpunkten a, &, c, d durch A und B
ausdrücken lassen. Bezeichnen wir diese Werte durch Beisetzen der
Indices a, h^ c, d, so finden wir nämlich:
■Xa=^2A, ya=2A, Za= 0;
Xo = 2A, y,, = 0 ^ ^6 = 2 J5;
Xc = 0 , y^ = 0 ^ ^^ = 0 ;
Xd= 0, ya = 2A, Zd=2B.
(10)
§ 218. Einfachere Form der Gleichungen der Schwarz'schen
Minimalfläche .
Wie bereits bemerkt, lassen sich die beiden ersten Integrale in
den Gleichungen (8) ebenfalls auf elliptische und zwar, wie wir sofort
sehen werden, auf solche von genau derselben Form wie das dritte
zurückführen. Zu diesem Zwecke bemerken wir zunächst allgemein,
dass, wenn auf das Differential:
a -\- hx -[- cx^ j f r n i.\
-; — - - dt (a, 0, c = üonst.)
eine der 24 Substitutionen der Oktaedergruppe (S, 394):
angewandt wird, dasselbe in das homologe Differential:
yi^^iw*~-\-~'x'''
übergeht, wo das Polynom a-\- h'x'-\- c't"^, gleich Null gesetzt, die-
jenigen Werte von x' zu Wurzeln hat, welche gemäss der angewandten
Substitution den Wurzeln von:
a -{-'bt -\- cx^ = 0
entsprechen. Nun sind in jedem der beiden Differentiale:
,/ : 1 — ix' j t/v 1 -f- ix^ j
y — 1 , dr, yt -^=!z=^^= dt
'^ yi — lix* + T« ' ^ yi — i4r* -f T»
§ 218. Einfachere Form der Gleichangen der Schwarz'schen Minimalfläche. 401
die Wurzeln der gleich Null ffesetzteu Zähler die Indices zweier Gegen-
ecken des Oktaeders, die wir mittels passend gewählter Substitu-
tionen der Oktaedergruppe in die Punkte 0 und oo verlegen können.
Es lassen sich also das erste und das zweite Integi-al in den Gleichungren
(8) (abgesehen von einem Factor) auf das dritte zurückführen. Als ei-ste
Substitution wählen wir diejenige, welche die cyklischen Vertauschungen :
(0, -vT, -v^), (oo, yr, v^)*)
der Oktaederecken zur Folge hat, und als zweite die umgekehrte Sub-
stitution. Als ei-ste Substitution erhalten wir:
(11)
daher als zweite
(11*)
x'-V-i
r-y7
Für diese Substitutionen ergiebt die Ausführung der Rechnung:
(1— IT^dT 'Ix'dx'
V-
|/i — ur« + T» yi
h'
Ux''
d
Fig. 10.
*) Unter }/7 nnd y — t sind st«ts die Werte:
Vi'
zu verstehen.
Bianchi. Differentialgeometrie.
yi
. V^i =
1 — «•
y2
S6
402 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
bezüglicli:
Vi
(1 4- iT^)dr 2t" dr"
(a)
>/l — 14t* + T» "|/l — 14r"* -f t"8
WO nun noch festzusetzen ist, welcher Zweig der Quadratwurzel rechts
gewählt werden soll.
Bleibt der Index von r wie vorhin in dem Viereck ah cd, so
werden die Indices von t' und r" in den Nachbarvierecken cdd'c
bezw. cbh'c' (Fig. 10 auf voriger Seite) liegen. Da nun F(t') und
F(t") genau die in § 216 angegebene Bedeutung haben, so kommt es
darauf an, welches Vorzeichen in den Gleichungen:
]/^(l — it^)F(r)dt = ±2t'F(T')dt',
yi{l + iT^)F{t)dt = + 2T"F(t")dt"
zu wählen ist. Dazu brauchen wir nur zuzusehen, welche Werte in
der Umgebung des Punktes t = 0 gelten, wobei wir die höheren
Potenzen von t vernachlässigen. Wir haben hier:
T = 0, t'== ]/i,
F(o) = + i, F{-yi) =-{-'-%
dr'= — 2idx.
Also ergiebt sich:
y^^ (1 — ix^)F(x)dt = Y^^idt,
2r'F{r')dt'= i^i dt = — ]/— idt.
Ebenso ist:
r"== — yzri^ F(r") = -\-^, dt"=2idt,
yi(l + it^)F(r)dt = Yidt,
2t"F(x")dt"= — Yidx.
Es gilt daher in beiden Gleichungen das untere Vorzeichen. Die Glei-
chungen (8), die E definieren, können also folgendermassen geschrieben
werden:
«' v"
(12) x = — ^f2t'F(t')dr', y = — ^ ßx" F{x")dT",
z= —'Sif2xF(x)dx,
wobei dann festzuhalten ist, dass sich x vom Punkte c aus im Innern
des Vierecks ah cd bewegt und t', x" die entsprechenden Wege in
den Nachbarvierecken cc'd'd, cc'h'h beschreiben.
*) Es ist nämlich F{x) auf der Strecke von 0 bis — |/i stets reell und von
Null verschieden.
n
}}
/
0
V
n
_//
n
n
§ 219. Begrenzungscurven. 403
§ 219. Begrenaungscurven.
Indem wir mit t,,', t^" die zu t', t" conjugierten Grössen bezeich-
nen, schreiben wir die Gleichungen (12) in der folgenden Form:
— a — a
(12*) l y = -fx"F{x':)dx"-ß^'F,(t-)dx^\
— a — a
z= fxF{x)dx +fx,I,{x,)dx,.
— a — a
Xun können wir leicht erkennen, welcher Art die Begrenzung von Z
ist, die der Begrenzung ah cd des Vierecks, in dem sich r bewegt,
entspricht. Durchläuft nämlich r die Strecke c6, so durchläuft, wie
wir sehen,
Xq die Strecke cd,
x' „ ., cd,
cb,
cc,
rr 7
Tq „ „ cc .
Nun ist F(x) längs cc rein imaginär. Es folgt demnach aus den Glei-
chungen (12*) längs cb:
Ebenso ergiebt sich längs cd:
j: = 0, y-\-z = 0.
Die beiden entsprechenden Stücke der Begrenzung von Z" sind
also zwei geradlinige Strecken von gleicher Länge, die einen Winkel
von 60^ mit einander bilden.
Nun brauchen wir nur auf die in § 217 angeführten Symmetrie-
eigenschaften zurückzugehen, um hieraus zu schliessen, dass die Be-
grenzung von Z! aus vier gleich langen geradlinigen Strecken besteht,
von denen jede mit den beiden anstossenden Winkel von 60 *' bildet.
Femer folgt aus demselben Paragraphen, dass auf Z" noch zwei Gerade
liegen, nämlich die Verbindungslinien der Mitten der Gegenseiten. Sie
stehen auf einander senkrecht und schneiden sich im Mittelpunkt des
regulären Tetraeders. Da nun femer infolge des Obigen
a^6 + ^6 = 0, yä-h Zä = 0
ist, so folgt aus den Gleichungen (10):
B= — Ä,
20*
404 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sehe Minimalfläche,
wie behauptet wurde. Die Länge l der Tetraederkante ist also durch
i = 2Ay2 ■
gegeben.
§ 220. Die Gruppe von Bewegungen, welche die Schwarz'sehe
riäche ungeändert lässt.
t
Das Integral j2xF(t)dt, von dem die Bestimmung unserer Fläche
— a
abhängt, geht durch die Substitution x'^ = t m das elliptische Integral:
t , t
/♦ dt /» dt
über, das t als elliptische Function von u mit dem Modul Ä; = (2 — YWf
definiert. Es ergiebt sich nämlich:
t = (2 — ]/3) sn [(2 +]/3) u + K] .
Führen wir so in den Gleichungen (12) elliptische Functionen ein, so
können wir verschiedene Fragen behandeln, die auf die Schwarz'sehe
Minimalfläche Bezug haben, insbesondere diejenigen, welche ihre ana-
lytische Fortsetzung betreffen. In Betreff dieser Untersuchungen ver-
weisen wir auf die Abhandlung von Schwarz, der wir die vorstehenden
Entwickelungen entnommen haben*), und wollen uns hier nur auf den
Nachweis beschränken, dass die Symmetriesätze über Minimalflächen in
Verbindung mit elementaren Betrachtungen über Bewegungsgruppen
die analytische F'ortsetzung der Schwarz'schen Fläche zu verfolgen ge-
statten und insbesondere auf die dreifache Periodicität derselben in
den Richtungen der drei Coordinatenaxen führen.
Die analytische Foi'tsetzung von H ergiebt sich, wenn H nach ein-
ander an jeder ihrer Seiten gespiegelt und wenn mit den angren-
zenden Stücken in derselben Weise verfahren wird.
Indem wir uns nun die Aufgabe stellen, diejenige Gruppe G von
Raumbeweirungen, welche die Schwarz'sehe Fläche in ihrer Gesamtheit
ungeändert lässt, auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen, bemerken
wir, dass bei jeder solchen Bewegung das Fundamentalstück H in ein
congruentes E' übergeht, zu dem wir auch durch successive Spiege-
lungen an den Seiten der E congruenten, nacheinander an Z anstossen-
den Stücke gelangen können. Daher ergiebt sich die allgemeinste Be-
wegung der Gruppe G, welche 2^ in Z" überführt, wenn die durch die
*) Bestimmung einer speciellen Minimalfläche. Werke, 1. Band, S. 6 u. f.
§ 220. Gmppe v. Bewegungen, welche d. Schwarz'sche Fläche nngeändert lässt. 405
angeführten Spiegelungen erhaltene Bewegimg mit einer solchen, die
27 in sich transformiert, combiniert wird. Der letzteren Bewegimgen
giebt es (ausser der Identität) oflFenbar nur drei, nämlich die Spiege-
lungen an den drei Verbindimgslinien der Mitten der Gegenkanten des
regelmässigen Tetraeders, von dem wir ausgegangen sind.
Wir erinnern nun daran, dass sich zwei Bewegimgen des Raumes,
A und B, zu einer dritten Bewegimg zusammensetzen lassen, die
wir mit
BÄ
bezeichnen, wobei wir die zuerst ausgeführte rechts setzen. Bezeichnen
wir mit Ä~^ die zu Ä inverse Bewegung, so wird die Bewegung:
B'=ÄBÄ~'^
als die mittels A transformierte Bewegung B bezeichnet. Nach
einem Satze von Jordan*) ist sie nichts anderes, als die Bewegung
B um diejenige Axe, in welche die Mittelaxe von B bei der Bewegung
A übergeht.
Die Gruppe (t wird demnach dadurch erzeugt, dass die Elementar-
spiegelimgen an den Seiten des Begrenzimgsvierecks von Z" mit den drei
vorhin angeführten Spiegelimgen combiniert werden. Eine wesentliche
Eigenschaft dieser Gruppe, die wir mm nachweisen wollen, ist. dass sie
unstetig ist, d. h. keine unendlich kleinen Bewegimgen enthält**). Sie
enthält als ausgezeichnete Untergruppe vom Index 24 eine Trans-
lationsgruppe, welche durch drei Elementartranslationen von gleichem
Betrage nach drei auf einander senkrechten Richtungen erzeugt wird.
*) Jordan, Sur les groapes de mouvements (Annali di matematica , Ser. 2,
Bd. 2, S. 167.)
Wir geben hier einen kurzen Beweis dieses für unsere Zwecke wichtigen
Satzes. — Es sei r die Mittelaxe von A, r' diejenige von B, und r" die Lage,
die r' nach Ausführung von A einnimmt. Ist P ein beliebiger Punkt des Raumes,
P' die neue Lage von P nach Ausfühnmg von A, und Q derjenige Punkt, in den
P durch die Bewegimg J5 übergeführt wird, so untersuchen wir die Wirkung von
ABA~^ auf den Punkt P", der offenbar ein beliebiger Raumpunkt ist. Durch
die Bewegung BA~ ' geht P' in ^ über. Wenn wir die beiden Punkte P und Q
und die Axe r' betrachten, so sehen wir, dass P vermöge A in P'. r' in r" und
Q in einen Punkt Q' übergeht, der zu P' und r" ebenso liegt wie ^ zu P und
r' . Nun gelangen wir von P zu ^ durch die Schraubung B um die Mittelaxe r',
und es führt demnach dieselbe BewegTing um r" auch P' in ^' über.
**) Die unstetigen Bewegungsgruppen sind von Schön flies behandelt wor-
den (Mathematische Annalen, Band 28, 29).
406 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
§ 221. Ausgezeichnete Untergruppe von Translationen.
Wir denken uns nun das Fundamentalviereck ah cd ebenso orien-
tiert, wie es sich § 217 und 218 ergab, so dass wir, wenn
gesetzt wird, für die Coordinaten der Ecken die Werte:
a EEE {li, l, 0), h = (li, 0, — li), c = (0, 0, 0), d = (0, /.-, — li)
erhalten. Wir bezeichnen dann die Seiten ah, hc, cd, da der Reihe
nach mit 1, 2, 3, 4, mit S^^, S^, S^, S^ diejenigen Bewegungen des
Raumes, welche Spiegelungen an den
Seiten 1, 2, 3, 4 sind, ferner be-
züglich mit S^, Sg die Spiegelungen
an den Verbindungslinien der Mitten
der Gegenseiten ah, cd und ad, hc,
endlich mit 8^ diejenige Spiegelung,
die sich aus der Combination von S^
und Sg ergiebt und an der Verbin-
dungslinie der Mittelpunkte der bei-
den weggedachten Tetraederkanten
ac und hd erfolgt.
Die Elementarsubstitutionen der
Gruppe G sind nun eben:
bi, o^, O3, O4, O5, Og, b-j,
und als analytische Ausdrücke derselben finden wir:
Fig. 11.
Si) x'= 2k — X,
S^ x'= Ic + z,
Sr) X'== X,
5^) x'= li — X,
y'= — y, z'= — X,
y'= — ^, ^'= — y,
y'= 2/1; — y, z'= — k-]rx,
y'= li — y^ s'= —k-^z,
y'== y, ^'= — k — 2,
y'= k — y, z'= z,
wo jedesmal x, y, s die Coordinaten eines beliebigen Raumpunktes P
und x , y , z' die Coordinaten desjenigen Punktes P' bedeuten, in den
P bei der betreffenden Bewegung übergeht.
Nun betrachten wir die beiden folgenden Bewegungen der Gruppe G:
Als ihre analytischen Ausdrücke finden wir:
T'= SqS^S^.
§ 221. Ausgezeichnete Untergruppe von Translationen. 407
T = S,S,S,) x'= X + 21c, y'= y, z'= z,
r= S,Sß^ x'== X, y '= y + 2Ä-, z'= z,
woraus erhellt, dass T, T' zwei Translationen Tom Betrage 21: parallel
der X- bezw. y-Axe sind. Wir bilden femer die Substitution (mit der
Periode 3):
Cr= S^S^ x = k — y, y'= — l—z, z'= x — 2k,
sowie die inverse Substitution:
r=S,S,) x'=2k-\-z, y'=k — x, z'=-k — y,
und transformieren T mittels U, d. h. wir betrachten die Bewegung:
T"= UTü-K
Wie wir sehen, hat T" den Ausdruck:
r')x'=x, y'=y, z'=z-^2k,
d. h. T" ist eine Translation von demselben Betrage 2k parallel der
^-Axe. Die drei Translationen T, T', T" erzeugen die Trans-
lationsgruppe, die wir mit F bezeichnen wollen und deren Opera-
tionen die allgemeine Form:
x'= X -f 2wA-, f/'= y -j- 2nk, z'= z -f 2pk
haben, wo m, n, p beliebige positive oder negative ganze Zahlen sind.
Die Gruppe F ist offenbar eine Untergruppe von G und zwar
eine ausgezeichnete, d. h. sie ist mit allen Operationen von G ver-
tauschbar, wie sofort daraus hervorgeht, dass jede der Elementar-
operationen S^, S^ . . . S-j von G eine Translation von F in eine andere
Translation von F überführt.
§ 222. Nachweis der Unstetigkeit der Bewegungsgruppe der
Schwarz'sclien Fläche.
Wir wollen nun beweisen, dass der Index von F bezüglich G
endlich und zwar gleich 24 ist, nachdem wir die Unstetigkeit von F
erkannt haben werden.
Zu diesem Zwecke führen wir der Kürze der Ausdrucksweise
halber einige Bezeichnungen ein: wir sagen, dass zwei Operationen A
und B von G bezüglich F äquivalent sind, wenn, sobald unter t
eine in F enthaltene Translation verstanden wird,
A = fB,
demnach
B=t-K4.
ist, und bringen diese Äquivalenz in der Schreibweise:
Ä = B
408 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
zum Ausdruck. Nun bemerken wir, dass sich, wenn zwischen vier
Bewegungen von G die Aquivalenzbeziehungen:
Ä^B, Ä'=B'
bestehen, infolge der Vertauschbarkeit von F mit jeder Operation
von G
AA'=BB'
ergiebt. Indem wir nun wie vorhin
setzen, betrachten wir die folgenden zwölf Operationen von G:
U , US, , US, , us^ ,
u-\ u-'s„ u-'s„ u-h%,
von denen zwei beliebige bezüglich F nicht äquivalent sind, wovon
wir uns überzeugen, wenn wir ihre wirklichen analytischen Ausdrücke
bilden. Es sind dies die folgenden:
a)
1) x'= X ,
y
= y
?
z = z 5
S^ x'=x ,
V
= k-
-y,
z = — k — z 5
Äg) x'= k — X,
V
= y
}
z = — k — z 5
S,) x'= k — X,
y
= k-
-y,
/= z •,
U) x'= k — //,
y
= _
k —
^,
z'= — 2k + x;
US,) x'== y
y
= z
}
z'= — 2k + X',
US,) x'^^k — tj,
y
= z
y
z'= — k — X ;
\ US,) x'= y ,
y
=- —
k —
^■?
z'== — k — X ;
, U-') x^ 2k + z,
y
= k-
-X,
z'=— Jc — y-
U-^S,) x= k — z,
y
'=k
-X,
/= - 2k + 1/;
U-'S,) x=^ k — z,
y
= X
J
z'= — h — y]
V
"— 1
S,) x= 2k + z,
y
= X
7
z'= - 2k + y.
Setzen wir dagegen zwei beliebige von den zwölf obigen Opera-
tionen zusammen, so ist ihr Product einer der zwölf Operationen selbst
äquivalent, wie sich einfach aus den Elementaräquivalenzen:
S.UeteUS, , S,U=US, , S,U.i^^US,,
S, U-' EEi U-'S,, s^,u-' -_E U-'S„ S, U-' == U-'S,
ergiebt. Nun giebt es zu der Operation S2 von G in der obigen Zu-
sammenstellung keine äquivalente. Bilden wir also die folgenden zwölf
Operationen von G:
§ 223. Analytische Fortsetzung der Schwarz'schen Minimalfläche. 409
s,u-\ S,U-'S,, S,Ü-'S„ S,U-'S,,
so sind dieselben weder unter einander noch mit den Operationen
12 u) äquivalent, während das Product einer Operation «) mit einer
Operation ß) einer Operation ß) imd das Product von zwei Operationen
ß) einer Operation a) äquivalent ist, wie aus den Elementaräquivalenzen:
^5^2 ^ ^2^7? ^6^2 ^ ^2^6} ^^2 ^ ^2^~*
hervorgeht. Jede Operation von G ist einer (und nur einer) der 24
Operationen a), ß) äquivalent. Um dieses einzusehen, brauchen wir es
nur für die Elemeutarsubstitutiouen von G nachzuweisen. Xun ist:
wonach die angeführte Eigenschaft bewiesen ist.
Jede Substitution von G ergiebt sich demnach, wenn eine der
24 Substitutionen a), ß) genommen wird und auf den rechten Seiten
ihres analytischen Ausdrucks beliebige ganze Vielfache von 2k ad-
diert werden. Demnach ist also der vorhin ausgesprochene Satz be-
wiesen :
Die Bewegungsgruppe G ist unstetig und enthält als
ausgezeichnete Untergruppe vom Index 24 die Translations-
gruppe r.
§ 223. Analytische Fortsetzung der Schwarz'schen Minimal fläche.
Nachdem wir auf diese Weise die Beschaffenheit der Gruppe G,
der Gruppe derjenigen Bewegungen, welche die Schwarz'sche Fläche
ungeändert lassen, erkannt haben, können wir uns leicht eine Vorstel-
lung von der Art imd Weise machen, in der sich das ursprüngliche
Stück Z analytisch fortsetzt imd so die ganze Schwarz'sche Fläche
erzeugt. Die Fläche gestattet, wie wir gesehen haben, drei Elementar-
translationen in sich in der Richtung der drei Linien, welche die Mittel-
punkte je zweier Gegenkanten des regelmässigen Tetraeders, von dem
wir ausgegangen sind, verbinden, imd zwar ist ihr Betrag gleich dem
Doppelten dieses kleinsten Abstandes k zwischen zwei Gegenkanten.
Denken wir uns den Raum in unendlich viele, an einander stossende
würfelformige Zellen mit der Kante 2k geteilt, so brauchen wir von
der Schwarzsehen Fläche offenbar nur denjenigen Teil zu kennen,
welcher innerhalb eines dieser Würfel liegt, da sich in jedem anderen
Würfel ein infolge Translation dem erstbetrachteten Teile congrueuter
Teil befindet.
410 Kap. 15. Das Plateau'eche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
Als Ausgangswürfel betrachten wir den zwischen den sechs Ebenen:
X = ^k, y = 4- k, ^ = + /<^
gelegenen. Von den vier Ecken des regulären Tetraeders abcd (§ 221):
c ~ (0, 0, 0), a - (k, k, 0), h -j {k, 0, —k), d e=. (0, k, - k)
liegen drei, a, h, d, in den Mitten der in der Ecke (/c, /:, — /.:) zu-
sammenstossenden Würfelkaiiten, und die vierte, c, im Mittelpunkt
des Würfels selbst. Die beiden Tetraederkanten ca und hd denken
wir uns weggenommen und betrachten das von dem Viereck ah cd begrenzte
Stück H der Schwarz'schen Fläche. Wir spiegeln nun 2^ an der Seite cd
in Z?i, dann H^ an der neuen Lage von ca in E.^,, dann Zlj an der neuen
Lage von cd u. s. f. Auf diese Weise erhalten wir im Innern des
Würfels sechs Stücke der Schwarz'schen Fläche (Z mit einbegriffen),
die alle einander congruent sind und in der gemeinsamen Ecke c, in
der sie ein und dieselbe Tangentialebene haben, zusammenstossen, wäh-
rend ihre anderen Ecken sämtlich in den Mittelpunkten der Würfel-
kanten liegen*). Die wirklichen Werte für die Coordinaten der Ecken
dieser sechs Stücke sind die folgenden:
^) (0,0,0),
( k, 0,-k), ( /.:, k,
0),
( 0,
k, —k)',
^i) (0, 0, 0),
(-k, k, 0), {-k, 0,
-Je),
( 0,
k,-k)-
Z,) (0, 0, 0),
{-k, k, 0), ( 0, /,:,
^),
(.-k,
0, 70;
-^3) (0, 0, 0),
( i),-k, k), i-k,-k,
0),
(r-k,
0, 70;
^4) (0, 0, 0),
(0, - k, k), (k, 0,
k),
iK-
-/C,0);
^5) (0, 0, 0),
(k, 0,-/0, (0, -/., -
-k),
(k,-
-/., 0).
Nehmen wir nun ein beliebiges der sechs krummen Vierecke 2Ji,
so ist seine analytische Fortsetzung längs einer von c ausgehenden
Seite offenbar eins der 2J selbst; die analytische Fortsetzung von 2Ji
längs einer von dem c gegenüberliegenden Eckpunkt ausgehenden Seite
ergiebt sich dagegen durch eine Translation eines der übrigen sechs
Stücke 2Ji vom Betrage 2k. Um dieses nachzuweisen, brauchen wir
nur das ursprüngliche Stück U zu betrachten, da für die anderen
fünf das nämliche gilt. Die Spiegelung von 2J an ab liefert in der
That das um 2k in der Richtung der x-Axa verschobene Stück Z'i,
und die Spiegelung von 2J an ad ebenso das um 2k parallel der
ij-Axe verschobene Stück 2Jr,.
*) Um von den im Texte angegebenen geometrischen Verhältnissen eine
klare Vorstellung zu erhalten, mag sich der Leser zweckmässig eines festen
Modells der Wiirfelkanten bedienen, in das mittels Fäden die sechs Vierecke,
welche die betrachteten Stücke der Schwarz'schen Fläche begrenzen, eingeschrieben
werden können.
§ 224.' Die zur ßchwarz'schen Fläche conjugierte Minimalfläche. 411
Es besteht demnach das ganze innerhalb des Würfels gelegene
Gebiet der Schwarz'schen Flache aus sechs Stücken Z,; die Fläche
reproduciert sich daher in den übrigen Würfeln periodisch, so dass sie
den ganzen Raum gleichmässig durchsetzt.
§ 224. Die zur Schwarz'schen Fläche conjugierte Minimalfläche.
Hinsichtlich der conjugierten Fläche, die Schwarz ebenfalls unter-
sucht, bemerken wir kurz, dass auch sie bemerkenswerte Eigenschaften
besitzt, die denjenigen der in den voraufgehenden Paragraphen behan-
delten Fläche ganz analog sind*). Insbesondere werden wir sehen,
dass auch diese neue Minimalfläche S' in unendlich viele congruente
krumme Vierecke mit geradliniger Begrenzung zerfällt, und dass in
jedem endlichen Gebiet des Raumes nur eine endliche Zahl solcher
Vierecke liegt. Betrachten wir auf der ursprünglichen Fläche S zwei
von den krummen Vierecken, die längs einer Kante AB zusammen-
stossen, so begrenzen die vier Symmetrieebenen der beiden Vierecke
auf dem von ihnen gebildeten Sechseck ein neues Viereck, dessen
Seiten gleich lange Bogen ebener geodätischer Linien sind und dessen
Winkel in zwei Gegenecken je 00", in den beiden anderen je 90'' be-
tragen. Nun geht auf der conjugierten Fläche S' dieses Viereck in ein
solches mit geradliniger Begrenzung Ober. Daher liegen auf der
Minimalfläche S' unendlich viele krumme Vierecke mit ge-
radliniger Begrenzung, deren Seiten gleiche Länge haben
und deren Winkel in zwei Gegenecken je ÖO*' und in den
beiden anderen je 90® betragen**).
Hiervon ausgehend können wir, ganz analog wie in den vorauf-
gehenden Paragraphen, diejenige Bewegungsgruppe bestimmen, welche
die Fläche S' reproduciert, und also die analytische Fortsetzung jedes
krummen Vierecks von S' untersuchen.
Es sei ABCD ein solches Viereck, dessen Winkel bei A und C
je 60", bei B und B je 90" betragen; wir wollen dann die Seiten AB,
BC, CD, DA mit 1, 2, 3, 4 und die Spiegelungen an diesen Seiten
bezüglich mit <S\, -S'^,, Äj, S^ bezeichnen.
Durch Combination dieser Elementarbewegungen können wir von
*) Ihre Gleichungen ergeben sich aus den Formeln (8), S. 397, wenn von den
Integralen rechts statt der reellen Teile die Coefficienten der imaginären Teile
genommen werden.
•*) Um ein solches Viereck zu erhalten, braucht man nur zwei SeitenflUchen
eines regelnulssigen Oktaeders, die längs einer Kante an einander stoesen, zu
combinieren und die gemeinschaftliche Kante wegzudenken.
412 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Mjnimalfläche.
diesem Viereck zu jedem anderen auf der Fläche gelangen. Wollen wir
also die Elementaroperationen der Gruppe G, welche die Fläche un-
geändert lässt, erhalten, so brauchen wir zu den vorhin genannten
Bewegungen nur noch diejenigen hinzuzufügen, welche das Viereck
AB CD ungeändert lassen.
Nun ist die einzige derartige Bewegung die Spiegelung an der
Verbindungslinie der Mittelpunkte von ÄC und BD, die wir mit S^
bezeichnen wollen.
§ 225. Die Gruppe der conjugierten Fläche.
Bezeichnen wir mit /c]/2 die gemeinsame Länge der vier Kanten,
so ist sofort klar, dass sich bei passender Orientierung des Vierecks
AB CD gegen die Coordinatenaxen für die Coordinaten der Eckpunkte
die folgenden Ausdrücke ergeben:
A EEE (0, 0, 0), B EE {h, 0, h), C EE: (0, 0, 2h), D = (0, h, h).
Daraus folgt, dass die Elementaroperationen der Gruppe G analytisch
durch nachstehende Gleichungen dargestellt werden:
^i) x'= Z , %/== — 1J ,
z'= X
S^) x'= 2h — z, y'= — y ,
z'= 2h -
- X',
S^) x'= — X , y'= 2h — z,
z'= 2h -
-y-.
S^) x'= — X , y'= z ,
z'=y
S5) ^'= y , y'= -^ ;
z'=2h-
- z .
Werden ferner die Beziehungen:
^b^2^o = "^i} ^0^3 ^5
= s,
berücksichtigt, so ergiebt sich, dass die gesamte Gruppe G durch
die drei Elementarsubstitutionen S^, S.^, S^ erzeugt wird.
Nun betrachten wir die beiden in G enthaltenen Substitutionen:
M. = /Sj O^ , K == b>2 >J5 .
Ihre analytischen Ausdrücke sind:
H) x'= 2h — z, ^'^= — X, z'=y\
K)x'=z , y'= — X, z'=2h — y,
und ihre dritten Potenzen die Translationen:
IP) x'=- 2h + X, y'= - 2h + y, z'= — 2h + z;
K') x'=^ 2h 4- X, ?/'= ~2h-\-y, z= 2h + z.
§ 225. Die Gruppe der conjugierten Fläche. 413
Die mittels 5, transformierte Substitution IP ist die neue Translation:
S^mS^^) x'= 2k 4- X, y'= 2A- + y, s'= — 2k + z.
Aus der Combination dieser mit den vorhergehenden folgt, dass in G
die beiden Translationen:
a:'= X -f- 4Ä-, f/'= y , z'= z,
x'= X j y'= y -{- 4A-, z'^ z
enthalten sind. Da femer die mittels S^ transformierte Substitution
K^ diese:
S^K^S^') x'=2k + x, y'=2k-\-y, z'=2k-^z
ist, so geht daraus hervor, dass auch die Translation:
x'= X, y'= y, 2'=z -\- 4A-
zu G gehört.
Die Gruppe G enthält demnach alle Translationen von der Form:
a'= X -}- 2mk, y'= y -\- 2nk, z'= z -j- 2jik,
wo m, n, p ganze Zahlen sind, die entweder sämtlich gerade oder
sämtlich uncrerade. d. h. der Bedinguns:
m ^^n'z^p (mod 2)
unterworfen sind. Die Translationen von der obigen Form bilden
offenbar eine Untergruppe F von G^ und wie wir sofort sehen werden,
sind keine weiteren Translationen in G enthalten*). Zunächst können
wir leicht nachweisen, dass F eine ausgezeichnete Untergruppe von G
ist, da die Elementaroperatiouen von G, nämlich S^^ S^, ^Sj, die Gruppe
r in sich überfuhren. Wie in § 222 teilen wir dann die Operationen
von r in Klassen von bezüglich F äquivalenten Operationen ein.
Setzen wir:
so bilden die drei Substitutionen Sj, S^, S^ mit der identischen eine
Gruppe (Vierergruppe). Setzen wir ferner:
und bilden wir die 24 Operationen:
*) Als Elementartranslationen von F können offenbar die folgenden
drei gewählt werden:
.r*=.T4-4A-, y'=y , s'=Z;
x'=x , j/'= 1/ -f 4Ä-, z'=z;
x'=x-\-'2l\ i/'=j/ + 2Ä-, z'=z-\-'2l-.
414 Kap. 15. Das Plateau'sche Problem und die Schwarz'sche Minimalfläche.
1 ,
s, ,
^2 7
^6 J
u ,
US, ,
US, ,
US, ,
u-\
u-^s,,
u-'s„
u-^s„
s, ,
Sr,S, ,
s^s, ,
Sr,^6 ,
s,u,
s,us, ,
s,us,,
s,us,,
s,u,
s,us, ,
S, US, ,
S, USq ,
so sehen wir, dass dieselben ein vollständiges System von bezüglich F
nicht äquivalenten Operationen bilden. Daraus folgt:
Die Gruppe G enthält als ausgezeichnete Untergruppe
vom Index 24 die Translationsgruppe F.
Insbesondere ergiebt sich hieraus die Unstetigkeit der Gruppe G,
also die Eigenschaft der Minimalfläche 5', in dreifach periodischer
Weise den Raum gleichmässig zu durchsetzen.
§ 226. Die zweite Variation des Flächeninlialts einer Minimalfläche.
Am Schlüsse dieser Betrachtungen über die Minimalflächen kehren
wir zurück zu der Minimumaufgabe, von der wir ausgegangen sind, um
die wichtigen Untersuchungen von Schwarz über die zweite Varia-
tion des Flächeninhalts eines Minimalflächenstücks in ihren Grund-
zügen mitzuteilen*). Aus denselben folgt insbesondere, dass, wenn in
jedem Punkte einer Fläche die Summe der Hauptkrümmungsradien
gleich Null ist, jedes in geeigneter Weise umgrenzte Stück der Fläche
bezüglich der fest gedachten Begrenzung die Minimumeigenschaft, die
zu seiner Definition benutzt wurde, wirklich besitzt.
Es seien S eine auf ihre Krümmungslinien w, v bezogene Minimal-
fläche,
das Quadrat ihres Linienelements, also
ds'^ = -|- (du'- + dv^)
dasjenige des Linienelements der Bildkugel und
r, = A, r^ = — A
die Hauptkrümmungsradien der Minimalfläche.
Wir betrachten ein von einer Randlinie C begrenztes Stück von
S und ein S unendlich benachbartes von derselben Randlinie begrenztes
Flächeustück S\ Auf jeder Normale von S schneidet die Fläche S'
ein unendlich kleines Stück ab, das wir mit £^ bezeichnen wollen, wo
*) Werke, 1. Band, S. 151 u. f.
§ 225. Die zweite Variation des Flächeninhalts einer Minimalfläche. 415
£ eine unendlich kleine Constante und t^ eine Function von u und v
ist, die wir samt ihren ersten partiellen Differentialquotienten in dem
ganzen betreffenden Gebiet von S als endlich und stetig voraussetzen
und die nur längs des Randes C Null werden soU.
Wir vergleichen nun das von C eingeschlossene Flächenstück von
S mit dem entsprechenden von S', wobei wir nur die Glieder berück-
sichtigen, die £ in der ersten und zweiten Potenz enthalten. Für die
Coordinaten des Punktes P' von S', der einem Punkte P von S ent-
spricht, haben wir offenbar die Ausdrücke:
x'= X -f- £xl}X, y'= y -{- ft^» Y, z'= z -\- sil^Z.
Berechnen wir die Coefficienten E', F', G' des Quadrats des
Linienelements von S\ so erhalten wir unter Berücksichtigung der
Gleichungen :
cX 1 ex cX 1 ex
cu X du ov X cv
die Werte:
■r-/ .->C'<p eil)
± = £' 7^ 7=, ?
cu CV
Demnach ist:
Die Differenz der beiden Flächenräume, dS=S' — >S', ist daher bis
auf unendlich kleine Grössen von höherer als der zweiten Ordnung
durch
2 t/)*"
dudv
(13) ^«-y//I(^:)>(I-i)-^
gegeben, wo das Doppelintegral über das in Rede stehende Gebiet von
S oder, was dasselbe ist, über das entsprechende Gebiet auf der Kugel
zu erstrecken ist. Dieses ist der von Schwarz für die zweite
Variation des Flächeninhalts eines Minimalflächenstücks abgeleitete
Ausdruck, aus dem sich mittels einiger Hilfsbetrachtungen die bemer-
kenswerten Folgerungen ergeben, zu deren Ableitung wir nun übergehen.
§ 227. Untersuchung der zweiten Variation.
Wir betrachten eine beliebige andere Minimalfläche, die der Fläche
S durch Parallelismus der Normalen zugeordnet werden möge, und es
sei E dasjenige Stück dieser neuen Fläche, welches dem betreffenden
Stück von S entspricht. Dann sind die beiden Flächenstücke auf ein
416 Kap. 15. Das Plateau'ache Problem und dio Schwarz'sche Minimalfläche.
und dasselbe Stück der Kugelfläche, das wir mit ö bezeichnen wollen,
abgebildet. Bedeutet W den Abstand der Tangentialebene des Stückes
U vom Coordinatenanfangpunkt, so ist W ein Integral der Gleichung
(S. 141, (36)):
(14) ^^;w-\-2W=^o,
wenn ^2W ^^^' ^^^ ^^^ Linienelement der Kugel berechnete zweite
Differentialparameter von W ist.
Nun setzen wir voraus, dass dieses Integral der Gleichung (14)
oder auch der Gleichung:
(14*) £1E.^!Z. ^ = 0
in keinem Punkte des Kugelstückes (J, auch nicht auf dem Rande, ver-
schwinde, was damit gleichbedeutend ist, dass in keinem Punkte des
Stückes 2J die Tangentialebene durch den Anfangspunkt geht. Dann
können wir den Ausdruck unter dem Integralzeichen in der Gleichung
(13) in die Form:
VcuJ "T" \dv) ' X ~~ \_\cu W du) "^ \dv W 8v/ ]
'^ du\W du) '^ dv \W dv }
bringen, so dass das Integral (13) in drei Teile zerfällt, von denen
die letzten beiden identisch gleich Null sind, wie sich ergiebt, wenn
man partiell integriert und berücksichtigt, dass ^ auf dem Rande ver-
schwindet. Es bleibt also
2jJ[_\du W duJ^Xdv W dv J
dudv
übrig, und da, wie die Function i^ auch gewählt werden mag, das
rechts stehende Integral wesentlich positiv ausfällt*), so folgt daraus,
dass jede S unendlich benachbarte und von derselben Randlinie be-
grenzte Fläche S' in der That einen grösseren Flächeninhalt besitzt,
als S. Dieses Ergebnis können wir in der folgenden von Schwarz
gegebenen Fassung aussprechen:
Ein Stück einer Fläche mit der mittleren Krümmung Null
besitzt unter allen ihm unendlich benachbarten und von der-
selben Randlinie begrenzten Flächenstücken sicherlich dann
den kleinsten Inhalt, wenn es ein demselben durch Paralle-
lismus der Normalen entsprechendes Flächenstück M der-
*) Das Integral könnte nämlich nur für tp = cW {c = Const.) verschwinden;
dann würde aber t/» auf dem Rande nicht Null werden.
§ 228. Satz von Schwarz über die zweite Variation. 417
selben Art und von der Beschaffenheit giebt, dass in keinem
Punkte von M die Tangentialebene durch einen im Räume
fest gegebenen Punkt geht.
§ 228. Satz von Schwarz über die zweite Variation.
Wählen wir speciell als neue Minimalfläche die Fläche selbst,
so sehen wir, dass das betreffende Stück von S die Minimumeigen-
schaft wirklich dann besitzt, wenn es, von einem passend gewählten
Punkte des Raumes aus gesehen, als scheinbaren Rand eine Linie hat,
die ganz ausserhalb des betrachteten Gebietes liegt.
Hinsichtlich des sphärischen Bildes 6 dagegen können wir sagen,
dass die Miuimumeigenschaft sicher dann vorliegt, wenn es ein In-
tegral W der Grleichung (14 *j giebt, das iu dem ganzen Gebiet 6,
einschliesslich des Randes, positiv ist. Beachten wir nun, dass z. B.
X, Y, Z
particidäre Integrale der Gleichung (14*) sind, so sehen wir speciell,
dass, wenn das Gebiet 6 ganz innerhalb der Fläche einer Halbkugel
liegt, die obige Bedingung erfüllt ist. Folghch besitzt jedes Stück einer
Fläche mit der mittleren Krümmung NuU, dessen sphärisches Bild
innerhalb einer Halbkugelfläche liegt, die Eigenschaft, dass sein Inhalt
ein Minimum ist.
Schliesslich bemerken wir, dass wir das allgemeine Integral der
Gleichung (14*) angeben können, indem wir die complexe Veränderliche
X = a -{- iß
auf der Kugel einführen (S. 359), wonach sie die Fonn:
^ >' ra* "T~ cß» "T (a« 4- ß« -f- 1)» ~~ ^
annimmt. Da nun W die Entfernung der Tangentialebene einer Mini-
malfläche vom Anfangspunkt ist, so finden wir, wenn wir die Coordi-
naten des Berührungspunktes durch die Weierstrass'schen Gleichimgen
(11), S. 361, ausgedrückt denken und
W = Xx +Yy-\-Zz
berechnen, als allgemeines Integral der Gleichung (15) unter Weglas-
sung des Zahlenfactors 2:
WO f(x) eine willkürliche Function der complexen Veränderlichen t
bedeutet.
Bianchi, BifferentUlgeometrie. 27
Kapitel XYI.
Pseudosphärisclie Greometrie.
Conforme Abbildung der pseudospbärischen Flächen auf die Halbebene. — Dar-
stellung der Bewegungen (Verbiegungen) der Fläche in sich durch lineare Sub-
stitutionen der complexen Veränderlichen. — Andere conforme Abbildung. —
Geodätische Parallelen und Parallelitätswinkel. — Pseudosphärische Trigonometrie.
•»— Überblick über die nichteuklidische Geometrie. — Beltrami'sche Abbildung.
— Flächen, die auf die Ebene geodätisch abbildbar sind. — Für eine gegebene
pseudosphärische Fläche lässt sich die Integration der Differentialgleichung
der geodätischen Linien auf Integration einer Riccati'schen Dift'erentialgleichung
zurückführen.
§ 229. Zweidimensionale Mannigfaltigkeit von constanter Krümmung.
Wir wollen uns nun mit den Flächen von constantem Krümmungs-
mass beschäftigen und beginnen unsere Untersuchungen mit der Ab-
leitung der Grundlagen ihrer Geometrie in dem in § 92, S. 179, fest-
gesetzten Sinne.
Die Geometrie der Flächen mit verschwindender oder positiver
constanter Krümmung fällt mit der gewöhnlichen ebenen oder sphä-
rischen Geometrie zusammen. Wir können und werden uns also in dem
vorliegenden Kapitel auf die Behandlung der Geometrie auf den pseudo-
sphärischen Flächen, oder, wie wir sagen, auf die der pseudosphäri-
schen Geometrie beschränken.
Zu Grunde legen wir unsern Untersuchungen eine conforme Ab-
bildung der pseudosphärischen Flächen auf die Halbebene, die sich bei
den wichtigen analytischen Untersuchungen von Klein und Poin-
care über die automorphen (Fuchs'schen) Functionen als sehr frucht-
bringend erwiesen hat.
Wir definieren das Linienelement der pseudosphärischen Fläche
^ durch die Gleichung (S. 190):
(1) ds^ = du'- -f e'^dv^
§ 230. Conforme Abbildung d. pseudosphärischen Flächen auf d. Halbebene. 419
worin R der Radius der pseiidosphärischen Fläche ist. Bei diesen
allgemeinen Untersuchungen müssen wir von jeder besonderen Flächen-
form, zu der das obige Linienelement wirklich gehört, absehen, insofern
als wir diese Untersuchungen über die allgemeine zweidimensio-
nale Mannigfaltigkeit mit constantem Krümmungsmass anstellen,
für welche die Gleichung (1) das Elemeutargesetz für das Mass des
Abstandes zweier unendlich naher Punkte angiebt (vgl. § 93, S. 181).
Für alle reellen und endlichen Werte von u bleibt die Function:
u
yO = e endlich, stetig und positiv, weshalb wir jedem Paare reeller
und endlicher Werte: ?/ = '<07 *' = '*"o ^i^en reellen und im Endlichen
gelegenen Punkt der Fläche zuordnen, und umgekehrt: imendliche
Werte von u und v liefern unendlich ferne Flächenpunkte.
§ 230. Conforme Abbildung der pseudosphärischen Flächen auf die
Halbebene.
Betrachten wir x,y als rechtwinklige Cartesische Coordinaten eines
Punktes der Bildebene, so geben uns die Gleichungen:
u
(2) x = i\ y = Re~^
die conforme Abbildung, von der vorhin die Rede war. Die reellen
und im Endlichen gelegenen Flächenpunkte entsprechen eindeutig den
Punkten der Halbebene y > 0, die wir die positive Halbebene nennen
wollen: das Bild der unendlich fernen Flächenpunkte ist die x-Axe.
Sie heisse die Grenzgerade*).
Zunächst sehen wir zu, was fiir Curven in der Bildebene den
geodätischen Linien der Fläche entsprechen. Da der Ausdruck für das
Linienelement durch die Gleichung (1) gegeben ist, so ergiebt sich als
Gleichung der geodätischen Linien in endlicher Form (§ 89, S. 174,
Gleichung (26)):
v = -hJc I \ "" -f.6 = + 4^r 1-A-^g «+5,
worin Ä:, 6 zwei willkürliche Constanten sind. Infolge der Gleichungen
(2) hat die Bildcurve in der Ebene die Gleichung:
*) Wir müssen die Bildebene als die Gaussische complexe Ebene, mit einem
einzigen unendlich fernen Punkt, der zugleich unendlich femer Punkt der .r-Axe
ist, auffassen.
•27*
420 Kap. 16. Pseudosphärische Geometrie.
(3) (^-&)^+/ = ^-
Also: Jede geodätische Linie der Fläche wird in einen die
Grenzgerade senkrecht schneidenden Kreis abgebildet, und
umgekehrt. Wir sehen dabei, dass auch die geodätischen Linien:
V = Const. keine Ausnahme bilden, da sie in Senkrechten zur x-Axe
(Kreise mit unendlich fernem Mittelpunkt) abgebildet werden.
Da nun durch zwei Punkte der Halbebene stets ein und nur ein
Kreis geht, der die Grenzgerade senkrecht schneidet, so haben wir das
wichtige Ergebnis: Zwei beliebige Punkte M^ und 31^ der pseu-
dosphärischen Fläche können durch eine und nur eine geo-
dätische Linie verbunden werden.
Wir untersuchen nun, wie sich die wahre geodätische Entfernung
der beiden Punkte M^ und M^ in der Bildebene ausdrückt. Für den
Bogen s der geodätischen Linien haben wir (nach S. 174, (27)):
= Blog
also wegen (2):
Slog[f + Y^-k')+C.
Rechnen wir den Bogen s von dem Punkte aus, dessen Bild der höchste
Punkt: y = Y ^®^ Bildkreises ist, so müssen wir C gleich — R log Je
setzen. Es ist dann:
Mr^ + Wf-^-
Der Ausdruck hinter dem Logarithmenzeichen ist, wie leicht er-
sichtlich, das Doppel Verhältnis von vier Punkten, nämlich von den
beiden Schnittpunkten des Bildkreises mit der Grenzgeraden, seinem
höchsten Punkte und dem Bildpunkte des Endpunktes des Bogens.
Daraus folgt allgemein: Die geodätische Entfernung der
beiden Punkte M^, M^ der Fläche ergiebt sich, wenn der
Logarithmus des Doppelverhältnisses, das die beiden Bild-
punkte m^, m^ auf dem Bildkreise der geodätischen Linie
M^M^ mit den beiden Schnittpunkten dieses Kreises und der
Grenzgeraden bestimmen, mit H multipliciert wird.
Bezeichnen wir mit y^, y^ die Ordinaten von m^, m^, so lautet
§ 231. Bewegungen tiargestellt durch lineare Substitutionen. 421
der Ausdruck für die geodätische Entfernung d der beiden Flächen-
punkte Ml, M^:
iE
5 = i2 log
Vi r Vi
V» — Y V»*
wo im Nenner das obere oder das untere Vorzeichen zu wählen ist, je
nachdem die beiden Punkte m^ , m^ des Bildkreises auf derselben oder
auf vei-schiedenen Seiten des höchsten Punktes dieses Kreies liegen.
§ 231. Darstellung der Bewegungen der Fläche in sich durch lineare
Substitutionen der complexen Veränderlichen.
Wir setzen nun:
u
(o = x-{-iy=v-\- iRe ^
und denken uns die Werte der complexen Veränderlichen a auf der
pseudosphärischen Fläche ausgebreitet, so dass jeder Wert von oj mit
positiverOrdinate einen Flächenpunkt liefert, und umgekehrt. Dann
können wir einen Flächenpunkt direct mit dem zugehörigen Wert der
complexen Veränderlichen w bezeichnen. Im siebenten Kapitel haben
wir gesehen, dass jede pseudosphärische Fläche dreifach unendlich viele
Arten von Abwickelungen auf sich selbst oder Bewegungen (Verbiegungen)
in sich gestattet (S. 188), und nun stellen wir eine Frage, wie wir sie
bereits für die Kugel gestellt hatten (Kap. III, § 45), nämlich die Frage,
wie sich eine solche Bewegung der Fläche in sich, bei der die Punkte
CO in die Punkte w' übergehen mögen, analytisch darstellen wird. Die
Antwort ist der finiher für die Kugel gefundenen ganz analog, ja in
gewissem Sinne sogar noch einfacher, wie wir sehen werden.
Da die von o und a beschriebenen Figuren einander congnient
sind, so ist a eine Function von a. Denn der Fall, dass ca eine
Function der conjugierten Grösse cOq ist, wird ausgeschlossen, wenn wir
annehmen, dass die Verbiegung stetig erfolge und also Winkeltreue
ohne Änderung des Sinnes stattfinde. Es ist also co' eine Function
von 0), die zwar zunächst nur für die Werte von o in der positiven
Halbebene definiert ist; da aber a' für reelles co auch reell ist, denn
die unendlich fernen Punkte der Fläche bleiben bei der Bewegung
unendlich fern, so ist co' für alle Werte von co in der negativen Halb-
ebene durch die Bestimmung gegeben, dass gj' für den zu o conjugier-
ten Wert COq den zu ra' conjugierten Wert coq annehmen soU. Xun
brauchen wir nur noch zu beachten, dass jedem Werte von co ein
422 Kap. 16. Psendosphärische Geometrie.
einziger von co' entspricht und umgekehrt, um daraus schliessen zu
können, dass co' eine lineare Function von co ist:
(5) «'=^^f
^ ' yco -f- 0
Da ferner für reelles co auch co' reell ist, so sind a, /3, y, d reell (ab-
gesehen von einem gemeinsamen Factor, der weggelassen werden kann).
Da weiterhin die Ordinate von co' zugleich mit der Ordinate von o
positiv ist, so ist die Determinante ad — ßy positiv und kann ohne
weiteres gleich -{- 1 angenommen werden.
Drücken wir nun das Quadrat des Linienelements (1) mittels der
complexen Veränderlichen 03 und der dazu conjugierten Veränderlichen
cOq aus, so erhalten wir:
(5*) ds^ = — ; — — Tä da dcor,.
^ ^ (co — a^Y "
Auf Grund dieser Gleichung lässt sich sofort nachweisen, dass die
lineare Substitution (5) mit reellen a, ß, y, d das Linienelement in sich
transformiert. Demnach haben wir das Ergebnis:
Die Bewegungen der pseudosphärischen Fläche in sich
werden durch die auf die complexe Veränderliche co ange-
wandte lineare Substitution mit reellen Coefficienten:
(6) "'=f^' -S-ßy=l,
dargestellt.
§ 232. Bewegungen erster Art.
Für jede Substitution (6) giebt es zwei Werte von «, die fest
bleiben; es sind dieses die Wurzeln der quadratischen Gleichung:
(7) y(o^-\-(d — a)G} — ß = 0.
Nun können, je nach dem Vorzeichen der Discriminante
(d — af + 4.ßy = (a + öf — 4,
drei verschiedene Fälle eintreten.
1) (a -f- d)^ < 4. Die Wurzeln der Gleichung (7) sind conjugiert
complex; die eine liegt in der positiven, die andere in der negativen
Halbebene. Erstere stellt einen reellen und im Endlichen gelegenen
Punkt P der Fläche dar, der bei der Bewegung fest bleibt. In diesem
Falle besteht die Bewegung, die eine elliptische genannt wird, in
einer (mit Verbiegung verbimdenen) Rotation um P.
2) {cc -\- dy = 4. Die Wurzeln der Gleichung (7) sind reell und
fallen zusammen. Dann bleibt ein einziger Flächenpunkt im Unend-
lichen fest, und die Bewegung wird eine parabolische genannt.
§ 232. Bewegungen erster Art. § 233. Bewegungen zweiter Art. 423
3) (a -|- d)^ > 4. Die Wurzeln der Gleichung (7) sind reell und
von einander verschieden. Sind A und B die zugehörigen Bildpunkte
(auf der Grenzgeraden) in der Halbebene, so entspricht dem Kreise über
der Strecke AB als Durchmesser auf der Fläche eine geodätische
Linie, die sich während der Bewegung in sich verschiebt. In diesem
Falle wird die Bewegimg eine hyperbolische genannt: sie besteht in
einem (mit Verbiegimg verbundenen) Schleifen der Fläche auf sich,
bei dem sich eine bestimmte geodätische Linie in sich verschiebt.
Ein ziemlich klares Bild von diesen drei Arten von Bewegungen
erhalten wir, wenn wir die Rotation einer pseudosphärischen Rotations-
fläche vom elliptischen, parabolischen und hyperbolischen Typus um
ihre Axe betrachten (§ 99, Kap. VI).
Es dürfte zweckmässig sein, die erhaltenen Ergebnisse unter Zu-
grundelegung der complexen Kugelfläche oder der complexen Ebene als
typische Fläche mit denjenigen bezüglich der Bewegungen einer Fläche
mit constantem positiven oder verschwindenden Krümmungsmass zu
vergleichen.
In jedem Falle ist der analytische Ausdruck der Bewegung eine
lineare Substitution der complexen Veränderlichen. Für die Kugel
haben wir die Cayley'sche Formel (S. 84):
Bei der Bewegimg bleiben zwei diametral einander gegenüberliegende
Punkte der Kugel fest. Es giebt also nur eine Art von Bewegungen,
die stets wirkliche Drehungen sind.
Für die complexe ^- Ebene werden die Bewegungen durch die
ganzen linearen Substitutionen:
z'= e'"z -\- C {a eine reelle, C eine complexe Constant^)
dargestellt. Sie zerfallen in zwei Art^n, je nachdem e'" von 1 ver-
schieden ist oder nicht; erstere sind Drehungen um einen im Endlichen
gelegenen Mittelpunkt, letztere Translationen.
§ 233. Bewegungen zweiter Art.
Wir betrachten nun diejenigen Bewegungen der pseudosphärischen
Fläche in sich, bei welchen sich die beiden Seiten vertauschen. Wir
wollen sie Bewegungen zweiter Art nennen, während wir die
vorhin betrachteten als solche erster Art bezeichnen*), um den
analytischen Ausdruck für die Bewegungen zweiter Art zu finden,
*) Vgl. Klein-Fricke, Elliptische Modulfunctionen. Leipzig 1890, 1. Bd.,
S. 196 ff.
424 Kap. 16. Pseudosphärische Geometrie.
brauchen wir nur zu beachten, dass die Spiegelung der Fläche an der
geodätischen Linie v = 0 durch die einfache Gleichung:
dargestellt wird. Da sich nun aus der Aufeinanderfolge zweier Be-
wegungen zweiter Art eine Bewegung erster Art ergiebt, so erhalten
wir durch Combination der obigen Gleichung mit der Gleichung (6)
sofort das Ergebnis: Die Bewegungen zweiter Art der pseudo-
sphärischen Fläche werden durch die linearen Substitutionen
mit reellen Coefficienten und der Determinante — 1:
(8) (0="^^—^
dargestellt.
Eine Wiederholung der Bewegung (8) liefert die Bewegung erster
Art:
(a' - ßY)co + ßid - a)
(8*)
~y{d-u)co-\-(S'-ßy)
die, wenn sie nicht bloss die Identität ist, notwendig hyperbolisch
ist, da
(a' + ^2 — 2ßyy = [(« - df + 2]^ > 4
ist. Wollen wir prüfen, ob bei der Bewegung (8) Punkte fest bleiben,
so haben wir zunächst zu beachten, dass ein solcher Punkt auch bei
der Wiederholung der Bewegung fest bleibt und demnach der Wert
von G) für diesen Punkt reell sein muss.
Da nun eben die beiden Wurzeln a der Gleichung:
ya^ — (d-\-ci)a-}-ß = 0
reell und verschieden sind, so ist klar, dass bei der Bewegung (8) zwei
reelle, getrennte und im Unendlichen gelegene Punkte der Fläche fest
bleiben, die auch die festen Punkte im Falle der hyperbolischen Be-
wegung (8*) sind. Die geodätische Linie, die bei der Wiederholung
der Bewegung (8*) fest bleibt, bleibt es auch bei der Bewegung (8)5
alle übrigen geodätischen Linien dagegen ändern ihre Lage.
Wir betrachten nun den besonders interessanten Fall, in dem die
Wiederholung der Bewegung (8) die Identität liefert, was nur dann
eintritt, wenn d =^ a ist. Dann bleiben infolge der Gleichung (8) in
der CO -Ebene alle Punkte des Kreises:
y(x^ -{-y^) — 2KX-\- ß = 0
oder:
(^-7)'+^' = ?
§ 233. Bewegungen zweiter Art. § 234. Abänderung d. conformen Abbildung. 425
fest. Dieser Kreis ist reell und sehneidet die Grenzgerade rechtwink-
lig*). Also: Eine Bewegung zweiter Art mit der Periode 2 ist
nichts anderes als eine Spiegelung der Fläche an einer reellen
geodätischen Linie, deren Punkte sämtlich fest bleiben.
Hieraus folgt dann unmittelbar:
Jede andere Bewegung zweiter Art ergiebt sich als Auf-
einanderfolge einer Spiegelung der Fläche an einer geodä-
tischen Linie und einer Verschiebung der Fläche in sich
längs dieser Linie (einer hyperbolischen Bewegung).
Wir überlassen es dem Leser, diese Ergebnisse mit denjenigen für
Bewegungen der Kugel und der Ebene, bei denen sich die beiden
Seiten vertauschen, zu vergleichen.
§ 234. Abänderung der conformen Abbildung.
Auf die in § 230 benutzte Abbildung der Pimkte der pseudo-
sphärischen Fläche wenden wir nun eine Transformation mittels reci-
proker Radienvectoren an, wobei wir den Pol der Transformation in
die negative Halbebene verlegen. Die Grenzgerade geht dann in
einen Grenzkreis über; die reellen und im Endlichen gelegenen
Flächenpunkte werden auf das Innere des Grenzkreises abgebildet, die
Punkte im Unendlichen auf die Peripherie, während den äusseren
Punkten kein reeller Flächenpunkt entspricht. Die geodätischen Linien
der Flächen werden als Kreise abgebildet, die den Grenzkreis ortho-
gonal schneiden, und die wirkliche geodätische Entfernung zweier
Punkte wird nach einem Gesetz gemessen, das dem in § 230, S. 420,
angegebenen völlig analog ist.
Unter den zum Grenzkreise orthogonalen Kreisen befinden sich
auch die Durchmesser des Grenzkreises: die ihnen entsprechenden geo-
dätischen Linien gehen von einem reellen imd im Endlichen gelegenen
Punkte der Fläche aus. Auf Grund dessen können wir die Formeln
für diese Abbildung ableiten, indem wir von dem elliptischen Ausdruck
für das Quadrat des Linienelements der Fläche (vgl. S. 190):
ausgehen und dasselbe mit dem Quadrat des Linienelements der Ebene
in Polarcoordinaten:
ds^ = dg' + Q-dr-
vergleichen. Xach Einführung der isometrischen Parameter ergiebt
sich die Abbildungsformel:
ß
*; Ist y = 0, so tritt natürlich an Stelle des Kreises die (Jerade: a? = ^,
die auf der Grenzgeraden senkrecht steht.
426 Kap. 16. Pseudosphärische Geometrie.
u
logtgh:^ -j- iv = mQ.ogQ -\- id-) -\- a-\- ib,
wo m, a, b reelle Constanten sind. Da aber auch in der Umgebung
des Punktes (> = 0 Winkeltreue herrschen muss, so müssen wir tri
gleich Eins setzen.
Die Constante b kann gleich Null gesetzt und a durch Änderung
der Grössenverhältnisse der Figur gleich Eins gemacht werden. Dem-
nach lauten die Abbildungsformeln einfach:
(9) ^^tgh^**^, ^ = v,
und es ist der Radius des Grenzkreises gleich Eins, da p = 1 für u = oc ist.
§ 235. Abbildung der Curven von constanter geodätischer
Krümmung.
Die eben betrachtete Abbildung sowie auch diejenige, von der
wir ausgegangen sind, haben mit der stereographischen Polarprojection
der Kugel die wichtige Eigenschaft gemein, die in dem nachstehenden
Satze ausgedrückt ist: Jede Flächencurve von constanter geo-
dätischer Krümmung hat zur Bildcurve in der Ebene einen
Kreis, und umgekehrt.
Zum Beweise bemerken wir zunächst, dass auf jeder pseudosphä-
rischen Fläche (wie auf jeder beliebigen Fläche mit constantem Krüm-
mungsmass) die geodätischen Parallelen zu einer Curve L von con-
stanter geodätischer Krümmung ebenfalls constante geodätische Krüm-
mung besitzen und mit den Orthogonaltrajectorien ein Isothermen-
system bilden. Wir wählen nämlich als Parameterlinien v = Const. die
L senkrecht schneidenden geodätischen Linien und als Parameterlinien
ti = Const. ihre Orthogonaltrajectorien, von denen die Curve m = 0 die
Curve L sein möge, und setzen ferner fest, dass der Parameter v der
Bogen der Curve u = 0, gerechnet von einem festen Punkte der Curve
an, und u der Bogen einer geodätischen Linie, gerechnet von m = 0 an,
sein soll. Dann hat das Quadrat des Linienelements die Form (§ 96,
S. 187):
ds^ = du'^ -\- i(p(v)e''^ -\- ip{v)e ^J dv^.
Da nun die geodätische Krümmung der Curve tt = 0, nämlich nach S. 148
1 1 tp{v) ■ — l/»(t))
Po ~ -R qfW + -v-W'
nach Voraussetzu^ng constant ist, so folgt daraus für das Quadrat des
Linienelements eine der drei typischen Formen A), B), C) des Para-
graphen 98, S. 190, wodurch die Behauptung bewiesen ist.
§ 236. Die drei Arten von geodätischen Kreisen. 427
Ist nach dieser Vorbemerkung L eine auf der Fläche gelegene
Curve constanter geodätischer Krümmung, so haben die geodätischen
Linien, die sie senkrecht schneiden, zum Bilde ein Kreissystem, das
wegen seiner Zugehörigkeit zu einem doppelten Isothermensystem ein
Büschel ist (§ 91, S. 177). Es ist denmach jede Orthogonaltrajectorie
dieser Kreise, insbesondere das Bild der Curve L, ein Kreis des Ortho-
gonalbüschels.
Umgekehrt, ist C" ein Kreis in der Ebene, so bestimmt er zu-
sammen mit dem Grenzkreise (bezw. der Grenzgeraden) ein Kreisbüschel,
dessen Orthogonalkreise Bilder von geodätischen Linien sind, die einem
Isothermeiisystem angehören. Die Orthogonaltrajectorien dieser geodäti-
schen Linien sind folglich Curven constanter geodätischer Krümmung.
§ 236. Die drei Arten von geodätischen Kreisen.
Die Curven constanter geodätischer Krümmung auf der pseudosphä-
rischen Fläche vom Radius It zerfallen, entsprechend den drei vorhin er-
wähnten Ausdrücken B"), A), C) für das Quadrat des Linienelements, in drei
wohl zu unterscheidende Arten. Bei der ersten Art ist die geodätische
Krümmung grösser als -^, bei der zweiten gleich ^, bei der dritten
kleiner als -^ ■ Hinsichtlich ihrer ebenen Bilder unterscheiden sie sich
wie folgt: Nehmen wir als Beispiel die Abbildung auf die Halbebene
und sei
die Gleichung des Bildkreises der Curve L, beachten wir sodann, dass
das Quadrat des Linienelements (5*) der Fläche die Form:
hat, und wenden wir die Bonnet'sche Formel (Kap. VI, S. 149) an,
so erhalten wir für die geodätische Krümmung der Curve L den
Ausdruck :
J__J_ ^
e., B r
Hierdurch werden unsere obigen Folgerungen bestätigt, und femer
wird bewiesen, dass die Curve L zur ersten, zur zweiten oder zur
dritten Art gehört, je nachdem der Bildkreis ganz im Innern der posi-
tiven Halbebene liegt oder die reelle Axe berührt oder endlich die-
428 Kap. 16. Pseudosphürische Geometrie.
selbe schneidet*). Die Curven L der ersten Art sind wirkliche geodä-
tische Kreise mit reellen und im Endlichen gelegenen Mittelpunkten.
Der Bildpunkt des Mittelpunktes in der positiven Halbebene ist der-
jenige Punkt, durch welchen alle die Grenzgerade und den Bildkreis
von L senkrecht schneidenden Kreise hindurchgehen. Im zweiten Falle
liegt dieser Punkt auf der Grenzgeraden, und der zugehörige Flächen -
punkt rückt ins Unendliche-, es sind somit die Curven mit der con-
stanten geodätischen Krümmung -^ als geodätische Kreise, deren Mittel-
punkte unendlich fern liegen, aufzufassen, und sie werden auch als
Grenzkreise bezeichnet. Endlich wollen wir die Bezeichnung „geo-
dätische Kreise" auch auf den dritten Fall ausdehnen; dann sind aber
die Grenzpunkte des die Grenzgerade und den Bildkreis senkrecht
schneidenden Kreisbüschels imaginär, und wir nennen deswegen die
Curven />, deren constante geodätische Krümmung kleiner als -^ ist,
geodätische Kreise mit imaginären Mittelpunkten. Die Kreise
der letzten Art können auch als die geodätischen Parallelen zu einer
geodätischen Linie definiert werden.
Wir bemerken schliesslich, dass sich bei der zweiten Abbildung
die drei Arten von Kreisen hinsichtlich der Bildcurven in der Weise
unterscheiden, dass der Bildkreis entweder ganz im Innern des Grenz-
kreises liegt oder ihn von innen berührt oder ihn schneidet.
§ 237. Der Parallelitätswinkel.
Wir betrachten nun auf der pseudosphärischen Fläche eine geodätische
Linie g und einen nicht auf g gelegenen Punkt o und sehen zu, wie sich
das Büschel der von o ausgehenden geodätischen Linien hinsichtlich der
Curve g verhält. Wir bedienen uns der zweiten conformen Abbildung, die
wir in der Weise vornehmen, dass der Punkt o den Mittelpunkt 0 des
Grenzkreises Fzum Bildpunkt hat (siehe Fig. 12a). Die geodätische Linie
g ist dann in einen Kreis G, der F senkrecht schneidet, und das Büschel
der von o ausgehenden geodätischen Linien in das Strahlbüschel mit
dem Scheitel 0 abgebildet. Es mögen A, B diie Punkte sein, in denen
G und r einander schneiden. Diejenigen Strahlen durch 0, welche in
dem Winkelraum AOB liegen, schneiden G in reellen Punkten, die
*) Im letzten Falle ist, wenn t/» den Winkel bedeutet, unter dem der Bild-
kreis die Grenzgerade schneidet, offenbar:
1 cos 1/)
§ 237. Der Parallelitätswinkel.
429
übrigen nicht. Auf der Fläche entsprechen den Strahlen OA und OB
zwei geodätische Linien oa und oh, die parallel zu g genannt werden,
da ihre Schnittpunkte mit g im Unend-
lichen liegen (siehe Fig. 12 b). Sie bilden
die Scheidegrenze zwischen denjenigen geo-
dätischen Linien des Büschels (o), welche g
in reellen, und denjenigen, welche g in
imaginären Punkten schneiden.
Fällen wir vom Punkte o auf g das
geodätische Lot op, so hat dasselbe den
kleinsten Abstand des Punktes 0 vom
Ki-eise G zum Bilde. Da die Winkel AOF
und BOP einander gleich sind, so ist
auch i aop = iJjop.
Dieser Winkel a = iaop heisst der
Parallelitäts Winkel des Punktes 0 be-
züglich der geodätischen Linie g; er hängt, wie wir sogleich sehen
werden, nur von der geodätischen Entfernung d = oj) des Punktes o
Fig. 12 a.
von der geodätischen Linie g ab. Um die Beziehung zwischen a und
d zu finden, beachten wir, dass sich, wenn unter C der auf OP ge-
legene Mittelpunkt von G verstanden wird, aus dem rechtwinkligen
Dreieck OCA die Gleichung:
CA^ + OA^ = (CP + OPy- = CA^ 4- OF- + 2 CA . OP,
demnach :
CA
ergiebt.
Nun ist :
0.4=1, CA = tga,
und nach den Abbildungsgleichungen (9):
OÄ- — OP'
20P
OP = tgh
2R
Daraus ergiebt sich die gesuchte Gleichung:
430 Kap. IG. Pseudosphärische Geometrie.
(10)
cot a = sink -^ >
XI
die auch in der Form:
(10*)
8
, a R
cot -— = e
geschrieben werden kann.
Also: Durch jeden Punkt o einer pseudosphärischen Fläche
gehen zwei geodätische Linien, die einer festen geodätischen
Linie y parallel sind. Der Parallelitätswinkel a und die
geodätische Entfernung d des Punktes o von g sind durch
die Gleichung (10) oder (10*) mit einander verknüpft.
Je kleiner 8 ist, desto näher liegt a an — , d. h. die beiden geo-
dätischen Parallelen haben das Bestreben, in eine einzige zusammen-
zufallen, wenn sich der Punkt o der Curve g nähert.
§ 238. Geodätische Dreiecke.
Wir betrachten nun ein geodätisches Dreieck oal) auf der Fläche und
führen die zweite conforme Abbildung in der Weise durch, dass der Bild-
punkt der Ecke o in den Mittelpunkt 0 des Grenzkreises fällt (siehe Fig. 13).
Das Bilddreieck OAB wird dann
von zwei geraden Strecken OA
und OB und von dem Bogen AB
eines Kreises gebildet, der den
Grenzkreis senkrecht schneidet. Be-
zeichnen wir mit I) und E die
anderen Schnittpunkte von OA
bezw. OB mit dem Kreise AB,
dessen Mittelpunkt C sei, so haben
wir:
0A.0D = 1, OB.OE=l,
L-A = L ABB, LB = L BBE,
also:
LA-\- LB + L0 = 7t—LAÜ'B.
In Übereinstimmung mit dem
Gaussischen Satze (§ 90, S. 176)
ergiebt sich, dass die Summe
der drei Winkel eines geodätischen Dreiecks kleiner ist als
zwei Rechte. Da der Fehlbetrag gleich dem durch B^ geteilten
Fig. 13.
§ 238. Geodätische Dreiecke. § 239. Pseudosphärisclie Trigonometrie. 431
Flächeninlialt /i (ebenda) und dieser Fehlbetrag in unserer Figur durch
den Winkel a = AC'B gegeben ist, so ist:
Wir sehen fem er, dass jedem geodätischen Dreieck, gleichwie in
der ebenen und sphärischen Geometrie, ein geodätischer Kreis um-
schrieben werden kann: aber in dem vorliegenden Falle kann dieser
Kreis entweder ein wirklicher geodätischer Kreis, d. h. einer mit reellem
Mittelpunkt, oder ein Grenzkreis oder endlich ein KJreis mit imagi-
närem Mittelpunkt sein. Um aus dem ebenen Bilde zu entscheiden,
welcher der di-ei Fälle vorliegt, brauchen wir nur den Kreis AOB zu
construieren und zuzusehen, ob er ganz im Innern des Grenzkreises
liegt oder ihn berührt oder ihn schneidet.
§ 239. Pseudosphärisehe Trigonometrie.
Wie in der sphärischen Geometrie, so ist auch in der pseudo-
sphärischen ein Dreieck durch drei seiner Stücke bestimmt, und es ist
demnach hier der Ort, auf die Beziehungen, welche die drei Seiten
und die drei Winkel mit einander verknüpfen (von einander unab-
hängige giebt es deren drei), d. h. auf die Formeln der pseudosphä-
rischen Trigonometrie einzugehen. Wir bezeichnen ein geodätisches
Dreieck mit ABC, die drei Winkel mit A, B, C, die gegenüberliegen-
den Seiten entsprechend mit a, h, c. Dann ist die ganze pseudo-
sphärische Trigonometrie in der folgenden Bemerkung enthalten:
Die trigonometrischen Formeln für die pseudosphäri-
schen Flächen vom Radius B, ergeben sich aus denjenigen
für die Kugel vom Radius B, wenn in diesen B durch B^ — 1
ersetzt wird.
*) Auf Grund dieser einfachen Gleichung wird der Leser leicht die folgen-
den Sätze beweisen können:
1. Wenn von einem auf einer pseudosphärischen Fläche gelege-
nen geodätischen Dreieck von constantem Inhalt die Grundlinie
der Länge und Lage nach fest bleibt, so ist der Ort der Spitze ein
geodätischer Kreis mit imaginärem Mittelpunkt.
2. Unter den geodätischen Dreiecken, von denen zwei Seiten der
Länge nach gegeben sind, hat dasjenige den grössten Inhalt, in
welchem der Winkel zwischen den beiden gegebenen Seiten gleich
der Summe der beiden anderen Winkel ist.
Auf diesem letzten Satze, der der ebenen und der sphärischen Geometrie ge-
meinsam ist, kann bekanntlich die gesamte Theorie der isoperimetrischen Auf-
gaben aufgebaut werden.
432
Kap. 16. Pseudosphärische Geometrie.
Dadurch gehen die trigonometrischen Functionen der Seiten in
hyperbolische Functionen über.
Zum Beweise des Satzes brauchen wir nur die Richtigkeit der
drei Grundformeln nachzuweisen:
sinh
(11)
(12)
B
sm A
sinh^j
Ja
sin B
COS Ä = sin B sin C cosh
B
smh|^
sin G
— COS B cos C.
die in der angegebenen Weise aus drei Grundformeln der sphärischen
Trigonometrie hervorgehen.
Wir bilden das Dreieck CÄB so auf die Ebene ab, dass der Bild-
punkt der Ecke G in den Mittelpunkt C des Grenzkreises fällt, und
verlängern die geraden Seiten des Bilddreiecks, CA und CB, bis sie
den Bildkreis der dritten
Seite AB zum zweiten
Male in A' bezw. B,
schneiden (Fig. 14), so-
dass wir
CA.CA'=1,
CB . CB'= 1
haben.
Wenn sich die Dia-
gonalen AB'j A'B des
Vierecks ABB'A' in
M schneiden, so er-
halten wir aus den ähnlichen Dreiecken AA'M und BB'M:
AA' : BB'= MA' : MB'= sin A : sin B.
Nach den Abbildungsgleichungen ist nun:
>C
Fig. 14.
CA = tgh
demnach:
2ie
CB = tffh
2i?
AA'=
CA
CA =
sinh
B
1
CB
BB'= ~- CB =
sinh
folglich:
B
§ 239. Pseudosphärische Trigonometrie. 433
Der gemeinsame Wert dieser Verhältnisse ist offenbar auch gleich
sinhA
. ^ ' Somit sind die Formeln (11) richtig.
Um die Formel (12) zu beweisen, berücksichtigen wir die Glei-
chungen :
CB' önA'AB'
CA sinAB'C '
CB sinA'B'B
Aus ihnen folgt:
CA ~ sin B'A'A
CB'
CB
Da nun
^^^^9 a siaA' AB' sin B' A' A
— com 2JJ — sinAB'C sin A'B'B
Ä-\-B-\-C=z — 2AB'C, —Ä-{-B-\-C = jt — 2 ABB,
Ä — B+C=7t — 2B'Ä'A, A-{- B—C=:r~ 2A'AB'
ist, so lässt sich die letzte Gleichung auch folgendermassen schreiben:
A4-B — C A — B + C
cos ' — cos '
coth
a 2 2 cos^ + cos(.B — C)
^R~ ^-fJB + C — ul+^+C'"~ cos 4 + cos(B + C)
cos ' ' — cos — i \ \ J
2
oder:
cos A -\- cos B cos C = sin 5 sin C ( cosh- ^-^ -\- sinh- ^1 ,
eine Gleichung, die mit der Formel (12) übereinstimmt.
Zu demselben Ergebnis können wir direct gelangen, wenn wir die
Sätze von den geodätischen Linien der pseudosphärischen Rotations-
flächen mit dem Quadrat des Linienelements:
ds- = du^ + R- sinh^^ dv^
anwenden. So ergeben sich z. B. die Formeln (11) unmittelbar aus
dem Clairaut'schen Satz (§ 89, S. 174).
Anmerkung. — Bei der Anwendimg der Formeln der pseudo-
sphärischen Trigonometrie ist zu beachten, dass in der pseudosphäri-
schen Geometrie ganz andere Umstände eintreten können als in der
gewöhnlichen Kugelgeometrie, wie z. B., dass eine Ecke oder zwei
Ecken oder endlich alle drei Ecken des Dreiecks ins Unendliche rücken
können. Wenden wir z. B. bei einem in A rechtwinkligen Dreieck die
Fonnel:
tgh -^ = sinh |r tg 5
an und nehmen wir an, dass, während A und B fest bleiben, die Ecke
C ins Unendliche rückt, so folgt:
Bianchi, Differentialgeometrie. 28
434 Kap. 16. Pseudosphärische Geometrie.
lim tgh '-= 1,
6 = 00 ^
und die letzte Gleichung geht in die Gleichung (10) über, die den
Parallelitätswinkel bestimmt.
§ 240. Überblick über die nicht - euklidiselie Geometrie.
In den Hauptsätzen der pseudosphärischen Geometrie, die wir in
den voraufgehenden Paragraphen abgeleitet haben, ist eine nahe Ana-
logie mit denjenigen der ebenen und der sphärischen Trigonometrie
erkennbar. Den Grund dieser Analogieen sowie der Verschiedenheiten
in den drei Geometrieen können wir a priori einsehen. Prüfen wir
nämlich die Axiome und die Grundpostulate der ebenen Geometrie,
wie sie im ersten Buche des Euklid niedergelegt sind, und ersetzen
wir im Falle der pseudosphärischen Flächen die Gerade durch die
geodätische Linie, so sehen wir, dass, wenn wir vom Postulat XII, be-
treffend die Parallelen, absehen, alle übrigen in der pseudosphärischen
Geometrie unverändert gültig bleiben. So verhält es sich insbesondere
mit dem Princip der Deckung der Figuren, sowie auch mit dem, dass
eine geodätische Linie durch zwei ihrer Punkte eindeutig bestimmt
ist. Diejenigen Sätze der ebenen Geometrie, welche vom Parallelen-
postulat unabhängig sind, gelten also auch für die pseudosphärische
Geometrie; die anderen erfahren eine Abänderung dahin, dass sie in
die alten Sätze übergehen, wenn der Radius B der pseudosphärischen
Fläche unendlich gross gemacht wird.
Die obigen Überlegungen beweisen bereits die Nutzlosigkeit der
Versuche, die man angestellt hat, um das Parallelenpostulat zu bewei-
sen. Könnte dasselbe aus den anderen Principien logisch gefolgert
werden, so müsste es auch für die pseudosphärischen Flächen im eukli-
dischen Räume gelten.
Lässt man nun thatsächlich in der ebenen Geometrie das eukli-
dische Postulat fallen, so wird man auf eine sogenannte abstracte
oder nicht-euklidische Geometrie geführt, deren Grundlagen von
Bolyai und Lobatschewsky gelegt worden sind und welche (die
Gerade als unbegrenzt angenommen) mit der pseudosphärischen Geo-
metrie vollkommen zusammenfällt.
§ 241. Beltrami'sche Abbildung.
Derjenige, welcher zuerst nachwies, dass die Sätze der nicht-eukli-
dischen Geometrie auf den pseudosphärischen Flächen eine reelle Deu-
tung finden, war Beltrami in seiner berühmten Abhandlung: Saggio
§ 241. Beltrami'sche Abbildung. 435
d'interpretazione della geometria non-euclidea*). Zu Grunde
liegt diesen Untersuchungen von Beltrami eine Abbildung der pseudo-
sphärischen Flächen auf die Ebene, die zu den vorhin betrachteten in
derselben Beziehung steht, wie die Centralprojection der Kugel zu
der stereographischen Polarprojection.
Wir leiten die Beltrami'sche Abbildung aus derjenigen in § 234
in der folgenden von Klein angegebenen Weise ab: Wir denken uns
eine Kugel, welche die Bildebene im Mittelpunkt des Grenzkreises be-
rührt und deren Durchmesser gleich dem Radius des Grenzkreises ist.
Projicieren wir die Ebene vom gegenüberliegenden Pol aus stereogra-
phisch auf die Kugel, so werden der Grenzkreis in den Äquator der
Kugel, die Punkte im Innern des Grenzkreises auf die untere, die
Punkte ausserhalb^ des Grenzkreises auf die obere Halbkugel projiciert,
und die den Grenzkreis senkrecht schneidenden Kreise (die Bilder der
geodätischen Linien der Fläche) gehen in Kreise über, deren Ebenen
auf der Aquatorebene senkrecht stehen. Xun projiciren wir die Punkte
der unteren Halbkugel orthogonal auf die Aquatorebene und erhalten
so eine Abbildung der pseudosphärischen Fläche auf die Ebene, bei
der das reelle Gebiet ganz auf das Innere des Äquators abgebildet ist
und die geodätischen Linien die Sehnen dieses Grenzkreises zu Bildern
haben. Dieses ist die Beltrami'sche Abbildung. Sie ist um den
Mittelpunkt der Figur herum winkeltreu.
Die Formeln für die Beltrami'sche Abbildung ergeben sich un-
mittelbar aus der analytischen Fassung der angegebenen Klein'schen
Construction. Es sei a der Radius der Kugel, also '2a der des Grenz-
kreises. Dann haben wir gemäss den Abbildungsformeln ^9) in § 234,
S. 426:
Nun bezeichnen wir mit x, y die rechtwinkligen Cartesischen Coordi-
dinaten des vennöge der Beltrami scheu Abbildung entsprechenden
Punktes in der Aquatorebene und mit q^, %^ die Polarcoordinaten.
Dann haben wir:
folglich:
(13) X = a tgh -^ cos V, y = a tgh -^ sin v.
Wählen wir als Parameterlinien auf der Fläche die (geodätischen)
Linien a: = Const., y= Const., so erhalten wir für das Quadrat des
Linienelements der Fläche, nämlich für:
*) Giomale di Matematiche, 6. Bd., 1868.
436 Kap. 16. Pseudosphärische Geometrie.
II
ds^ = du^ -j" -^^ sinh^ -^ dv^ ,
aus den Gleichungen (13) den Ausdruck:
/-IA\ ^.2 _ 7?2 (^' — y^dx^ + 2xydxdy + (ct^ — x^)dy^
1^1^; as — ^ — („2 _ a;2 _ 2/^)^ '
und dieses ist die Fundamentalgleichung von Beltrami. Nach dem
früher Gesagten ist klar, dass in diesen Coordinaten x, y die Gleichung
jeder geodätischen Linie linear ist, und umgekehrt,
§ 242. Flächen, die auf die Ebene geodätiscli abbildbar sind.
Der Ausdruck (14) für das Quadrat des Linienelements der pseudo-
sphärischen Flächen war von Beltrami bereits in einer früheren
Abhandlung gefunden worden*), in der er die Aufgabe gestellt und
gelöst hatte, diejenigen Flächen zu bestimmen, welche auf die Ebene
geodätisch abbildbar sind, d. h. so, dass die geodätischen Linien der
Fläche in Geraden der Ebene abgebildet werden. Er fand, dass die
einzigen Flächen, die einer solchen Abbildung fähig sind, die Flächen
mit constantem Krümmungsmass sind. Dieses wichtige Ergebnis wollen
wir hier kurz ableiten.
Es sei in der Bildebene ein Cartesisches Coordinatensystem (m, v)
gewählt und
ds^ = Edu" + 2Fdudv + Gdv^
das Quadrat des entsprechenden Linienelements der Fläche. Nach der
Voraussetzung ist
D z= au -\- h,
wo a, 1) willkürliche Constanten sind, die allgemeine Litegralgleichung
der geodätischen Linien. Es lautet nun ihre Differentialgleichung,
?;"= 0, in der Gestalt (10*), § 78, S. 154, geschrieben, so:
."={V}.'» + (2{-}-{V})«'^ + ({V}-2{-})./-{V}-
Daraus ergeben sich für E, F und G die Bedingungen:
Nun nehmen wir die Gleichungen (II), § 29, S. 52, für das Krüm-
mungsmass K, die in unserem Falle wie folgt lauten:
*) Annali di Matematica, 7. Bd., S. 186 (1866).
§ 242. Flächen, die auf die Ebene geodätisch abbildbar sind. 437
Differenzieren wir die erste nach v, die darunter stehende nach ti und
subtrahieren wir, so erhalten wir unter Berücksichtigung der Identität:
E cF fl2l^ fl^lx^
sowie der obigen Gleichungen die Gleichung:
(16) ■E|f--f|f = ''-
Verfahren wir ebenso mit dem zweiten Gleichungenpaar (15), so er-
giebt sich:
cv cu
Aus der Combination der beiden letzten Gleichungen folgt:
du ^ cv '
d. h. K = Const., wie behauptet.
Nachdem so der Satz bewiesen worden ist, brauchen wir nur noch
zu beachten, dass, wenn es sich um eine Fläche mit positivem constantem
Krümmungsmass, d. h. um die Kugel, handelt, die gesuchte Abbildung
sich aus der Aufeinanderfolge der Centralprojection und einer Ahnlieh-
keitstransformation der Bildebene ergiebt, und analog brauchen wir im
Falle der pseudosphärischen Fläche nach der Abbildung in § 241 nur
eine Ahnlichkeitstransformation vorzunehmen.
§ 243. Die Riccati'sche Differentialgleichung für die geodätischen
Linien.
In Kap. Vn, § 97, S. 189, haben wir bereits den Satz aufgestellt:
Die Integration der Differentialgleichung der geodätischen
Linien auf einer gegebenen Fläche mit constantem Krüm-
mungsmass kommt auf die Integration einer Differential-
gleichung erster Ordnung von Riccati'schem Typus hinaus.
Wir woUen diesen Satz hier nur für die pseudosphärischen Flächen
beweisen, da im Falle der Kugel seine Richtigkeit schon aus den all-
gemeinen Ausführungen in Kap. IV, § 50, über die Bestimmung einer
Fläche, von der die beiden quadratischen Fundamentalformen gegeben
sind, hervorgeht.
Es sei also
438 Kap. 16. Pseudospliärische Geometrie.
cW = Edu^ + 2Fdudv + Gdv^
das Quadrat des Linienelements einer gegebenen pseudosphärischen
Fläche Ä, deren Radius B, wir der Einfachheit halber gleich Eins
setzen. Um die Aufgabe zu lösen, die geodätischen Linien zu bestim-
men, brauchen wir auf der Fläche nur eine Schar paralleler Grenz-
kreise und die Schar der auf ihnen senkrechten geodätischen Linien,
die von einem gemeinsamen Flächenpunkt im Unendlichen ausgehen,
zu kennen, da wir ja, sobald ein solches System bekannt ist, die con-
forme Abbildung in § 230 vornehmen können und dann alle geodäti-
schen Linien bekannt sind.
Wir bezeichnen nun mit %• den Winkel, den die geodätischen
Linien des angenommenen parallelen Systems mit den Curven v = Const.
bilden, indem wir ihn gemäss der Grundformeln auf S. 65 durch die
Gleichung:
tg '^ — Edu -f Fdv
definieren, wo du, dv die Zunahmen der krummlinigen Coordinaten
^^, V längs einer der geodätischen Parallelen sind. Ist die Function
xt{ii, v) bekannt, so ergiebt sich die Gleichung dieser geodätischen
Linien in endlicher Gestalt durch Ausführung der Integration der
Differentialgleichung :
(a) E sin Q- du + {F sin # — yEG — F^ cos (p) dv = 0,
was nach dem Lie' sehen Satz (§ 39, S. 74) mittels Quadraturen mög-
lich ist. Ebenso lässt sich mittels Quadraturen die Differentialgleichung
der orthogonalen Grenzkreise:
(b) E COS& du + (Fcos d'-j-YEG — F^ smd)dv = 0
integrieren. Nun stellen wir mittels der Bonnet'schen Formel (4*),
§ 76, S. 150, die Bedingungen dafür auf, dass die geodätische Krümmung
der Curven (a) gleich Null, die der Curven (b) gleich Eins ist, und
erhalten so die beiden Gleichungen:
A/i cos^ + V15ZZ sin^) _ _i(y^cos#) = 0,
du\ VE YE /^dv^'^ ' ^
Durch Ausführung der Differentiationen und Auflösen nach -^i -^
sowie unter gleichzeitiger Einführung der Christoffel'schen Symbole und
des durch die Gleichungen:
F . l/EG - F^
cos 03 = . ■■ , sm cj =
■[/EG' ywG
§ 243. Riccati'sche Differentialgleichung der geodätischen Linien. 439
definierten Winkels zwischen den Parameterlinien erhalten wir für die
unbekannte Function ^(w, t) die beiden Gleichungen:
|^ = -|/Ssin(»_a,)-{',^}>g
oder die totale Differentialgleichung:
(15*) d& + [l/E sin ^ + { y } ^ J du +
+ [VG sin (^-co)+['^]^]dv = 0,
die sofort die Riccati'sche Form annimmt, wenn tg-^- als Unbekannte
gewählt wird. Da es einfach unendlich viele geodätische Parallelen
giebt und also die vorstehende Gleichung eine Lösung d- mit einer
willkürUchen Constanten besitzt, so ist a priori ersichtlich, dass die
Integrabilitätsbedingung für die Gleichung (15*) identisch erfüllt ist.
Dieses können wir auch leicht nachweisen, wenn wir die Voraus-
setzung: K= — l berücksichtigen und die Formel (III), S. 53, für
das Krümmungsmass benutzen.
Kapitel XYII.
Transformationen der Flächen mit constantem Krümmnngsmass.
Allgemeine Bemerkungen über die Aufgabe, eine Fläche mit constantem Krüm-
mungsmass zu bestimmen, wenn von ihr ein Streifen gegeben ist. — Die pseu-
dosphärischen Flächen bezogen auf ihre Haupttangentencurven und Evoluten-
flachen. — Existenz der pseudosphärischen Fläche, von der je eine Haupttangen-
tencurve einer Schaar gegeben ist. — Die pseudosphärischen Strahlensysteme und
die Bäcklund'sche Transformation. — Eigenschaften dieser Transformation. —
Entsprechende unendlich kleine Verbiegungen der pseudosphärischen Flächen. —
Complementärtransformation. — Lie'sche Transformation. — Satz von der Vertausch-
barkeit der Bäcklund'schen Transformationen und Folgerungen daraus. — Dinis
pseudosphärische Schraubenfläehen. — Complementärfläche der Pseudosphäre. —
Flächen mit positivem constantem Krümmungsmass. — Hazzidakis' Transfor-
formation. — Flächen mit constanter mittlerer Krümmung. • — Verbiegungen dieser
Flächen, bei denen die Hauptkrümmungsradien ungeändert bleiben.
§ 244. Die zu gegebenen Streifen gehörigen Flächen constanter
Krümmung.
Nachdem wir uns im vorigen Kapitel mit der Geometrie der
Fläclien mit constantem Krümmungsmass beschäftigt haben, wollen wir
nunmehr in diesem Kapitel ihre wirklichen Gestalten im Räume unter-
suchen.
Wir beginnen mit einigen allgemeinen Bemerkungen über die
(Cauchy'sche) Aufgabe, eine Fläche mit constantem Krümmungsmass
K zu bestimmen, wenn von ihr ein analytischer Streifen gegeben
ist (vgl. § 203). Schreiben wir die gewöhnliche Gleichung der Fläche
in der Form:
^ = z{x, y)
und bedienen wir uns für die partiellen Differentialquotienten von 0
der üblichen Monge'schen Bezeichnungen, so erhalten wir als Ausdruck
dafür, dass das Krümmungsmass der Fläche constant, gleich K, ist, die
Differentialgleichung zweiter Ordnung:
(1) rt-~s^=K{l-\-p^-[-(f)\
§ 244. Flächen constanter Krümmung mit gegebenem Streifen. 441
Sind nun eine Curve C, durch welche die Fläche hindurchgehen
soll, und längs der Curve die Tangentialebenen der Fläche gegeben, so
heisst dies: es sind Hings C die Grössen
^, y, ^, p, 9
als (wir setzen voraus: analytische) Functionen eines Parameters, z. B.
des Bogens s der Curve C, gegeben. Die allgemeinen Sätze von
Cauchy*) besagen nun, dass es eine und nur eine analytische Lösung
der Gleichung (1) giebt, die den gestellten Anfangsbedingungen genügt,
mit Ausschluss des Ausnahmefalles, in dem längs C
(2) dp dx-\- dqdy = 0
ist. Nun besagt diese Gleichung, dass die längs C gegebenen Flächen-
normalen mit den Binormalen der Curve selbst zusammenfallen**). Wir
haben also das Ergebnis:
Es giebt eine und nur eine analytische Fläche mit con-
stantem Krümmungsmass K, zu der ein willkürlich gegebener
analytischer Streifen gehört. Eine Ausnahme bildet der-
jenige Fall, in welchem die Tangentialebenen des Streifens
mit den Schmiegungsebenen der Curve zusammenfallen.
Wir beschäftigren uns nun mit dem Ausnahmefall. Dann lehrt
uns die allgemeine Theorie, dass die gestellte Aufgabe nicht lösbar
ist, wenn nicht gleichzeitig mit (2) die Gleichung:
dp dq — K{1 + i)- + q^dx dy = 0
oder infolge von (2) die Gleichung:
(3) dq^ -\- K(l +p'- + q^dx^ = 0
besteht, und dass sie unbestimmt ist, wenn die Gleichungen (2) und
(3) neben einander bestehen. Im Falle eines positiven K ist aber die
Gleichung (3) offenbar unmöglich. Auch geometrisch ist sofort er-
sichtlich, dass dann in Anbetracht der Bedingungen der Aufgabe die-
selbe sinnlos wird insofern, als die Curve C Haupttangentencurve
werden müsste, während doch die Haupttangeutencurven auf den Flächen
mit positivem Krümmungsmass imaginär sind.
*) Vgl. Goursat, Vorlesungen u. s. w., deutsch von Maser, S. 22. — Dar-
boux, Le9ons, 3. Bd., S. 264.
**) Bedienen wir uns nämlich für die Curve C der üblichen Bezeichnungen,
so giebt die Gleichung:
p cos a -\- q cos § — cos */ = 0
differenziert unter Berücksichtigung von (2) die Gleichung:
p cos 1 + 5 cos 7j — cos J =: 0.
442 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krünimnngsmass.
Ist aber K negativ, so setzen wir
und dann besagt die Gleichung (3), dass die Torsion der Curve C con-
stant gleich p- sein muss*); sonst wäre die Aufgabe nicht lösbar, wie
sich auch aus dem Enneper'schen Satze ergiebt.
Setzen wir diese Bedingung als erfüllt voraus, so treten in der
Reihenentwickelung, die sich für die gesuchte Lösung der Gleichung (1)
ergiebt, unendlich viele unbestimmte Coefficienten auf. Solange aber in
diesem Falle die Convergenz der betreffenden Reihe nicht nachgewiesen
ist, bleibt es zweifelhaft, ob die Aufgabe wirklich unendlich viele
Lösungen besitzt, wie es den Anschein hat, und welcher Grad von
Unbestimmtheit ihr anhaftet. Dieses alles werden wir demnächst
genauer untersuchen, und wir werden sehen, dass die Aufgabe in der
That unbestimmt ist, weil noch eine Haupttangentencurve der zweiten
Schar willkürlich gegeben werden kann.
§ 245. Die pseudosphärischen Flächen bezogen auf ihre
Haupttangentencurven.
Das Quadrat des Linienelements einer pseudosphärischen Fläche S,
deren Krümmungsmass wir der Einfachheit halber gleich — 1 setzen,
hat die Form (s. S. 130):
(4) ds^ = du^ -\- 2cos 2» (?M dv -f- dv^,
wo CO (nach S. 131) eine Lösung der partiellen Differentialgleichung:
( 5 ) ö — ö- = sm 2 0)
ist. Bezeichnen wir mit X, Y, Z] X', Y, Z'- X", Y", Z" bezüglich
die Richtungscosinus der Normale und der Tangenten der Krümmungs-
linien u -\- V = Const., u — V == Const., so erhalten wir aus den Glei-
chungen (30), S. 278, das nachstehende Gleichungensystem**):
*) Dieses erhellt sofort aus den Gleichungen:
cos X cos fl,
^ cos i; ' ^ cos V
unter Berücksichtigung der Frenet'schen Formeln.
**) Wir bemerken, dass in den angeführten Gleichungen
ß = 3r — 2(0, ^1 = X', -X^j = X"
zu setzen ist.
§ 245. Die pseudosphär. Flächen bezogen auf ihre Haupttangentencurven. 443
cX
(a)
cu
cX
cv
= X' cos oj -|- X" sin o
= — X' cos GJ + ^" sin o
( cX' -vr-
I -^ — == X
, cu
V cv
I cu
]^= X'
CCO
cu
do»
cv
X' i^
cu
cm
CV
X cos CO
-j- X cos o
— X sin o
— X sin GJ
dazu analoge für Y, Z\ Y , Z' \ T", Z" . Bezeichnen wir mit x, y, z
die Coordinaten des Punktes (m, v) auf der Fläche S, so haben wir
femer:
I p— = — X' sin C3 + X" cos o,
= X sincj -f- ^ coso).
cv
Bedeuten r^, r, die zu den bezüglichen Krümmun^linien n,-\- v^ Const.,
tt — t? == Const. gehörigen Hauptkrümmungsradien von S, so erhalten
wir für dieselben mit Rücksicht darauf, dass sich aus (a) und (b) die
Gleichungen :
CX CX , IcX cX\
2 3— = tgöl ^ ^^— 1'
CU CV ^ VfW cv I
CX ^.Zx
ou~^ cv
, IcX , cX\
cot OJ I ^^ r -< /
\cu ' cv)
ergeben, die Werte:
(6)
yx = — tgo, r, = cotcj.
Hieraus folgt sofort ein Satz, den wir später werden benutzen müssen.
TVir betrachten dazu das (pseudosphärische) Strahlensystem, das von
den Tangenten der einen Schaar Haupttangentencurven, z. B. der
Curven u = Const., gebildet wird, und bilden es auf die Kugel ab.
Sind I, ?j, % die Coordinaten desjenigen Punktes auf der Kugel, welcher
der Bildpunkt des Congruenzstrahls (?<, v) ist, so haben wir:
S = ^ = X' sin (D + X" cos £0,
dv
y sin GJ -j" ^ ^os GJ,
t== yr- = Z' sin GJ -I- Z" cos GJ.
* dv '
dv^
4A4: Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümnumgsmass.
Daraus ergeben sich durcli Differentiation infolge von (a) die Gleichungen :
ö— = — X sin 2 03,
^^ o/v ^'^ V • dco\
yr- = 2[X cos 0) o X SIU 03 t^— I
nebst analogen für ri und t,. Für das Quadrat des Linienelements der
Bildkugel erhalten wir somit den Ausdruck:
(7) ds'^ = (^|2 _|_ ^^2 ^ ^^2 _ sin22o3(?w2 + i^l^JdvK
Wir sehen also, dass die sphärischen Curven u, v, die den Haupt-
tangentencurven der pseudosphärischen Brennfläche S entsprechen, ein
Orthogonalsystem bilden*), in dem das Quadrat des Linienelements
der Kugel die charakteristische Form:
(8) ds'^ = ^m^^du^-\- (II)'
annimmt, wo ^(ii, v) eine Lösung der Differentialgleichung:
(8*) K^f-==sini^
ist.
§ 246. Abwickelbarkeit der Evolutenfläche einer pseudosphärischen
Fläche auf das Catenoid,
Wir wollen nun nachweisen, dass die beiden Mäntel der Evoluten-
fläche der pseudosphärischen Fläche S auf das Catenoid abwickelbar
sind (S. 253), wobei sich vms die Gelegenheit bieten wird, einen be-
merkenswerten Umstand festzustellen.
Betrachten wir z. B. den ersten Mantel 2J^, der zum Hauptkrüm-
mungsradius r^ gehört. Die Coordinaten x-^, y^, 0^ eines beweglichen
Punktes auf 2.\ sind gegeben durch:
x^= X -\- XigG3, y^ = y -{- Y ig C3 , ^^ = s -{- Z tgo.
Durch Differentiation erhalten wir infolge der Gleichungen (a) und (b):
dx^ X da> _. X"
du 008*0) du ' cos CO '
*^^) \dx,_ X djo X"
dv cos* CO ^ü ' cos 00
*) Man kann allgemein fragen, wann bei der sphärischen Abbildung eines
Strahlensystems mit zusammenfallenden Developpabeln den Haupttangentencurven
der Brennfläche ein Orthogonalsystem auf der Kugel entspricht. Es lässt sich
beweisen, dass dieses nur dann der Fall ist, wenn als Brennfläche eine solche
Fläche gewählt wird, bei der die eine Schaar Haupttangentencurven aus Curven
mit constanter Torsion besteht (vgl. S. 332).
§ 246, Abwickelbarkeit der Evolutenfläche auf das Cat^noid. 445
Die Normale von Z^ hat die Richtungscosinus X', Y', Z', wie auch
auch aus den obigen Gleichungen hervorgeht.
Es ergiebt sich sofort die Richtigkeit der Gleichungen:
^7 cxi cX' ^ "^T cx^ cX' ^
.^ du cu ' -^ cv cv '
die der Ausdruck der bekannten Eigenschaft sind (S. 243), dass die
Haupttangentencurven von Z^ den Haupttangentencurven der Evoluten-
fläche S entsprechen.
Bilden wir aus den Gleichungen (9) das Quadrat des Linien-
elements von 2^^ :
dsj^ = dXj^ -\- dy^ -\- dz^^,
so erhalten wir den Ausdiiick:
ds^^ = ^ + -V (f^«2 + '^dudv -f dv"),
^ cos Q) ' COSTCO ^ ' \ / 1
der, wenn
iao = Q , u -\- V = 6
gesetzt wird, die für das Catenoid typische Gestalt:
(10) ds^^ = dg' + (1 + Q')d6^'
annimmt. Nun bilden die Normalen der pseudosphärischen Fläche S
längs einer Haupttangentencui-ve, z.B. längs der Curve r = 0, eine Linien-
fläche U, die ebenfalls auf das Catenoid, also auch auf Z^ abwickel-
bar ist. Die auf einander abwickelbaren Flächen 27 und Z^ berühren
einander längs der gemeinsamen Haupttangentencurve v = 0, und der
Umstand, auf den wir hinweisen wollten, ist der, dass bei der Ab-
wickelung der beiden Flächen Z und Z^ auf einander die
Punkte der gemeinsamen Haupttangentencurve v = 0 sich
selbst entsprechen.
Versehen wir nämlich die auf S längs v = 0 genommenen Grössen
X, y, ^; X, Y, Z mit dem Index 0, so erhalten wir für die Coordinaten
I, 1^, g eines beliebigen Punktes von Z die Werte:
I = --^o + ^^0? n = !/o + ^ i\). ^ = ^0 + ^-^o;
WO t das Stück der Erzeugenden zwischen den Punkten (|, i], 0 und
(^o> 2/o; ^o) ist. Daraus folgt:
(10*) di^ + drf + dX' = df + (1 + t-)dn\
Die durch (10) und (10*) bestimmten Linienelemente sind die-
selben, wenn
t= Q, U = 6
446 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
gesetzt wird, und es ist demnach die Curve, die auf U der Curve
V = 0 von U^ bei der Abwickelung entspricht, durch
gegeben, womit die oben angeführte Eigenschaft nachgewiesen ist.
§ 247. Pseudospliärische Flächen mit zwei gegebenen
Haupttangentencurven.
Nach dieser Abschweifung nehmen wir die am Schlüsse von § 244
aufgeworfene Frage wieder auf. Sie wird durch einen Satz beant-
wortet, der schon von Lie erwähnt und von Bäcklund eingehender
behandelt worden ist; letzterer hat für ihn auch einen auf infinitesimalen
Betrachtungen beruhenden Beweis geliefert*).
Der (auch hinsichtlich des Vorzeichens der Torsion genau gefasste)
Satz lautet wie folgt:
Sind zwei Curven C und C mit den Torsionen -f" 1 bez.
— 1 gegeben, die von ein und demselben Raumpunkt P aus-
gehen, und in ihm die nämliche Schmiegungsebene, dagegen
verschiedene Tangenten haben, so giebt es eine pseudosphä-
rische Fläche vom Radius 1, für welche die beiden Curven
Haupttangentencurven sind.
Zunächst erhalten wir aus dem Ausdruck (4) für das Quadrat des
Linienelements für die geodätischen Krümmungen — , — der Haupt-
tangentencurven u, v (die, vom Vorzeichen abgesehen, gleich den ab-
soluten Krümmungen sind) infolge der Gleichungen (5), S. 150, die
Werte :
1 d2co 1 d2co
Qu dv Qv du
Nehmen wir nun an, dass die Curven 0, C mit den Curven
V = 0 bez. u = 0 zusammenfallen, so ist die Angabe der Gestalt dieser
Haupttangentencurven gleichbedeutend damit, dass — r— für v = 0 als
Function von u und —r— für u = 0 als Function von v gegeben wird.
Da wir ferner den Anfangswert cOq von oj in u = 0, v = 0
kennen, so ist co sowohl längs v = 0 als auch längs u = 0 gegeben.
Da andrerseits 2« eine Lösung der Differentialgleichung:
a*2aj . „
o o = sm2fij
oucv
*) Om ytor u. s. w., S. 19. Lund's Univ. Arsskrift, 19. Bd., 1883,
§ 248. Ansatz zum Existenzbeweis. 447
sein muss, so sehen wir, dass der obige geometrische Satz unter Ände-
rung der Bezeichnungen auf den folgenden Satz der Analysis hinauskommt:
Die partielle Differentialgleichung:
(11) ..^4- = sin 5
besitzt eine Losung z, die sich für y = 0 auf eine gegebene
Function (p{x) von x und für x = 0 auf eine gegebene Func-
tion tp(y) von y reduciert, vorausgesetzt, dass (p(0)= il;(0) ist.
Die Untersuchungen von Picard*) über die Integration der Diffe-
rentialgleichungen durch auf einander folgende Näherungen ermöglichen
es uns, wie wir sofort sehen werden, diesen Satz in aller Strenge zu
beweisen. Hierbei setzen wir zunächst nur voraus, dass die willkürlich
gegebenen Functionen (p(x) und ^(y) endlich und stetig seien und
ebenfalls endliche und stetige erste Ableitungen <p'(x) und ^'(y)
besitzen.
§ 248. Ansatz zum Existenzbeweis.
Wir beweisen nun das Vorhandensein der gesuchten Lösung z in
einem beliebigen endlichen Bereich der beiden unabhängigen Ver-
änderlichen X, y, in dem die für tp{x), if(y) gestellten Bedingungen
erfüllt sein mögen.
Wir gehen aus von der Function:
^1 = <Pi^) + Hy) — 9^(0) = q>{x) + i'{y) — ^(0),
die den Anfangsbedingungen (sich für y = 0 auf q) (x) und für x = 0
auf ii-'(tf) zu redu eieren) sowie auch der Gleichung:
cxcy
genügt. Alsdann bilden wir die Function z^, die denselben Anfangs-
bedingungen und der Gleichung:
c'z,
K — ^— = sm z,
cxcy *■
genügt:
^2 = -^1 4" / / ^^^ h ^^ ^y '
0 0
Aus z^ leiten wir nun eine neue Function:
^s = ^1 +yx^^° ^* ^^ ^^
*) Journal de Mathematiqnes, 1890.
448 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
ab, die den Anfangsbedingungen und der Gleichung:
oxcy ^
genügt. In dieser Weise fahren wir immer weiter fort und bilden so
eine unendliche Reihe von Functionen:
{a) Zy, ^2, Z^,- • • Zn, • • • ,
in der das allgemeine Glied:
y X
^n = ^i -\- f sin Zn-idxdy
U 0
den Anfangsbedingungen und der Gleichung:
iß) 3^ = ^'"''^-'
genügt. Nun behaupten wir: Die Reihe:
(12) 0 = ^^ + (^^ — Z,) + (^3 — ^2) H 1- i^n - ^»-1) H
convergiert innerhalb jedes endlichen Bereichs für x, y
gleichmässig und stellt die gesuchte Lösung der Gleichung
(11) vor*).
§ 249. Beweis der Convergenz für die gefundene Lösung.
Zum Beweise unserer Behauptung bemerken wir zunächst, dass
wegen | sin ^ J < 1
y X
(y) \z2 — ^i\= \ f f ^^^ ^1 dx dy <i\xy\
0 u
ist. Nun ist:
y X
2 sin - ^ cos -—^—^- dx dy:.
y X
ff:
2 2
COS - "T M < 1 ist, während infolge der Gleichung (y)
I ^1/ j
" < 2 ^^^> ^^ haben wir:
\y\ \x\
(d) ks — ^2|<J j \xy\dxdy<j^^^'
U 0
Wird überhaupt als bewiesen vorausgesetzt, dass
und da
sm-^—
*) Die Möglichkeit, somit jede Beschränkung für den Convergenzbereich der
Reihe (12) aufzuheben, verdanken wir einer Bemerkung Lindelöfs über die
Picard'schen Methoden (Comptes Rendus, 26. Februar 1894), die im Texte ver-
wandt wird.
§ 249. Beweis der Convergenz für die gefimdene Lösung. 449
[1 . 2 ... (n - 1)]«
ist, so ist:
z„+i — ^„=1 j 2sm cos dxdy,
und also:
0 u
d. k:
Es gilt folglich die Ungleichung (s) allgemein.
Die gleichmässige Convergenz der Reihe (12) ergiebt sich hierauf
unmittelbar aus der Yergleichimg mit der Reihe:
1 + ^ + (TT^* ~^ (1 • 2 • 3)* "1 l" (1 - 2 • 3 ■ • • n)* "^ '
die in jedem beliebigen endlichen Gebiet für die Veränderliche | = \xy\
gleichmässig convergiert.
Da die Summe der ersten h Glieder der Reihe (12) gleich z„ ist,
so können wir auch sagen, dass z„ mit wachsendem n für alle Punkte
des Bereiches gleichmässig gegen z convergiert. Die Function z ist
sicherlich endlich und stetig imd reduciert sich für y = 0 auf <p(x)
und für x = 0 auf V(!/). Es erübrigt noch zu beweisen, dass sie
eine Lösung der Gleichung (11) ist. Nun gestattet jedes Glied der
Reihe (12) die Bildung der zweiten Ableitung nach x und y, und in-
folge von (ß) lautet die aus diesen zweiten Ableitungen der Glieder
von (12) gebildete R«ihe wie folgt:
j sin z^ + (sin z^ — sin z^) + (sin ^3 — sin ^r^) -j- • • •
^ ^ [ + (sin-?„ — sin;?„_i) -j .
Die Summe der ersten n Glieder von (13) ist gleich sin z„ und
convergiert mit wachsendem n gleichmässig gegen sin 2", wie z^
gegen z. Die Reihe (13) ist demnach ebenfalls gleichmässig conver-
gent, und ihre Summe ist gleich siuz. Also gestattet die durch die
Reihe (12) dargestellt« Function z die Bildung der zweiten Ableitung
;= — ^, und es ist:
cxcy' g,^
cxdy
sm0.
womit der Beweis des oben angegebenen Satzes geführt ist.
Bianchi, Differentialgeometrie. 29
450 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
§ 250. Eindeutigkeit der Lösung.
Wir setzen nun voraus, es seien cp(x), ip(y) analytische Func-
tionen von X bez. y, die sich also in Taylor'sche Potenzreihen ent-
wickeln lassen. Auch sin ^^ lässt sich dann in eine solche, nach
Potenzen von x und y fortschreitende Reihe entwickeln. Wenn wir
nun die Reihe (a) der gebildeten Functionen ^„ betrachten, so sehen
wir, dass jede dieser Functionen in eine solche Potenzreihe entwickelbar
ist. Da die Reihe (12) gleichmässig convergent ist, so können wir
unsere Lösung ^ ebenfalls in eine Potenzreihe:
?;t = CO n = cc
entwickeln. Beachten wir dann, dass die für ,*; gültigen Anfangs-
bedinffungen für x = 0, y = 0 alle Ableitungen vöUiof be-
ex cy
stimmen, so sehen wir, dass die gefundene Lösung die einzige analy-
tische Lösung der Aufgabe ist.
Wir können somit den Satz über pseudosphärische Flächen in
§ 247 folgendermassen vervollständigen:
Sind die beiden gegebenen Curven 0, C analytische
Curven, so giebt es eine und nur eine analytische pseudo-
sphärische Fläche, die sie zu Haupttangentencurven hat.
Wir machen noch darauf aufmerksam, dass der oben eingeschlagene
Weg den Fall, in dem sich eine der beiden Functionen (p{x), ^(y)
oder beide auf Constanten reducieren, nicht ausschliesst. Geometrisch
heisst dieses (nach § 247), dass eine der beiden Curven C, C oder beide
in Gerade ausarten können. Wir haben also das besondere Ergebnis:
Zwei einander schneidende Gerade bestimmen eine und nur
eine (analytische) pseudosphärische Fläche von gegebenem
Radius, die durch sie hindurchgeht.
In diesem Falle erhellt sofort, dass die aufeinanderfolgenden Func-
tionen ^2) ^-ii • • ■ ^ny • • • Functionen des Products xy sind. Dasselbe
ist demnach mit der zugehörigen Lösung z von (11) der Fall.
Zum Schlüsse wollen wir auf einige Folgerungen hinweisen, welche
die Theorie der Abwickelbarkeit und zwar diejenigen Verbiegungen be-
treffen, bei welchen eine Haupttangentencurve starr bleibt (vgl. S. 207) *).
*) Ausführlicher entwickelt findet der Leser diese Folgerungen in einer Be-
merkung des Verfassers in den liendiconti dell' Accademia dei Lincei, Februar 1894.
§ 250. Eindeutigkeit der Lösung. § 251. Pseudosphärische Strahlensysteme. 451
Bleibt von den beiden Curven C, C die Curve C fest, während sich
C beliebig ändert, so sind die auf diese Weise bestimmten im endlich
vielen pseudosphärischen Flächen dei*art auf einander abwickelbar,
dass die Haupttangentencurve C starr bleibt. Wenn femer während
der Änderung von C der Winkel o, den C mit C bildet, fest bleibt,
so bleiben die Hauptkrümmungsi-adieu längs C ebenfalls ungeändert,
und die beiden Mäntel der Evolutenfläche werden so verbogen, dass
die entsprechende Haupttangentencurve starr bleibt.
§ 251. Die pseudosphärischen Strahlensysteme.
Die vorstehenden allgemeinen Sätze verschaffen uns zwar über das
Vorhandensein von Flächen mit constantem Ej-ümmungsmass, die be-
stimmten Bedinoninoren c(enüoren. Gewissheit, oceben uns aber nicht die
O O O O 7 7 0
Mittel an die Hand, einzelne Flächen dieser Art anders als durch
Reihenentwicklungen zu bestimmen. Xun führen für die Flächen mit
negativem constantem Ki-ümmungsmass die Sätze über pseudosphärische
Strahlensysteme (vgl. S. 283 und 332) zu besonderen Transformationen
dieser Flächen, mittels deren sich aus einer bekannten pseudosphäri-
schen Fläche unendlich viele neue ableiten lassen. Indem wir nun zu
dieser Theorie übergehen, fassen wir zunächst die bisherigen Ergeb-
nisse in dem folgenden Satze zusammen:
Ist eine pseudosphärische Fläche S vom Radius JR gege-
ben und ist 6 ein beliebig gewählter Winkel, so giebt es cx:^
pseudosphärische Strahlensysteme, für die S der eine Mantel
der Brennfläche ist. Die Entfernung der Grenzpunkte auf
jedem Congruenzstrahl ist gleich R und die Entfernung der
Brennpunkte gleich R cos(?. Der zweite Brennflächenmantel
S' ist ebenfalls eine pseudosphärische Fläche vom Radius R.
Auf S und S' entsprechen einander die Krümmungslinien
sowie die Haupttangentencurven, und die Bogen entsprechen-
der Haupttangentencurven sind einander gleich.
Wir setzen nun, wie vorhin, R gleich Eins, wählen für 6 einen
beliebigen Wert 6^ und construieren wirklich ein pseudosphärisches
Strahlensystem, für das S der erste Mantel der Brennfläche und cos 6^
die Entfernung der Brennpunkte sei. Es seien femer S^ der zweite
Mantel der Brennfläche, die Punkte F(x,y,z), F^^x^, y^^, s^) zwei
entsprechende Brennpunkte auf S bez. S^ und a^ der Winkel zwischen
der Strecke FF^ und der Richtung (X", Y", Z") der Krümmungs-
linie: u — v == Const. Dann haben wir offenbar:
29*
452 Kap. 17. Transformationen der Fläclien mit constantem Krümmungsmass.
x^ = X -{- cos 0^ (X' sin co^ -f- X" cos co^) ,
(14) I ^1 == ^ -j- cos (?i ( Y' sin co^ -f- Y" cos «J ,
!Z^= S -{- cos ^^ (^Z' sin GJ^ -f- .Z'" cos co^) .
Um die unbekannte Function a^iu, v) zu bestimmen, stellen wir
die Bedingung dafür auf, dass das so construierte Stralilensystem ein
pseudosphäriscbes ist. Dazu differenzieren wir die Gleichungen (14),
berücksichtigen (a), (b), S. 443, und erhalten zunächst:
d (cöi — (o)
du
sin G3 -f- cos 6^ cos C3^
+
(15)
cos CO — cos 6. sin co,
d (Cöi CO)
du
dv
1 C{co.-\-ca)
sm 03 -f- cos ö'^ cos coy ^— V —
+
cos a — cos (j, sm a
d{(o^-\-(o)
dv
X'+
X" — cosöj sin(c3^ -f" 03) X,
X'+
X"-f~ cos ^1 sin («1 — «) X
nebst analogen Gleichungen für y^ und ^i- Stellen wir nun die Be-
dingung dafür auf, dass die Strecke FF^ die Fläche S^ in F^ be-
rührt, d. h. setzen wir die Determinante:
' x^^ — X 2/i — 2/ ^1 — ^
du
dy^ dzi
dv dv
du
dv
du
gleich Null, so finden wir:
cos 6^ sm (föi — CO) -^-^g + cos 6^^ sm (cj^ + ^) — f^ =
= 2sin(cOi + a))sin((Oj^ — co).
Da ferner auf ^S'^ die Curven ti, v Haupttangentencurven und u, v ihre
Bogen sind, so haben wir notwendigerweise:
^m-^' 2'(i?)=i-
also:
cos 6. ~^-\
■■■ du
sm
in(cOj^ -|- ^) = sin^(?i sin^(G3i + co),
cos
d((0-, -\- (a) . / \ • •> ^ • 9 / \
^1 ;n — — ®^^ (^^1 — ^) "^ ^^^^ ^1 ^"^ v^^i — ^■^ •
?tJ
Wenn wir diese Gleichungen mit den vorhergehenden vergleichen, so
sehen wir, dass wir unbeschadet der Allgeraeinheit die Gleichungen für
ü3^ in der Form:
§ 251. Die pseadosphärischen Strahlensysteme.
453
(16)
— ^V ' = — sin((ö, + üj),
CU cos ff, VI' >"
g((Bj -f eo) 1 — sin ff.
cv
- sin (ct)i — cj)
(17)
ex.
schreiben können. Umgekeki-t: Genügt ej^ diesen beiden Bedingungen,
so sehen wir nimmehr unschwer ein, dass das gemäss den Gleichungen
(14) construierte entsprechende Strahlensystem in der That pseudo-
sphärisch ist. Es lauten dann nämlich die Gleichungen (15):
^ß^ = [sin Ol cos{(Oi -\- co) -\- sin 6^ cos oj^ sin((<Ji + g))J X'+
-(- [cos (Ol cos(öi + co) — sin 6^ sin co^ sin (w^ + »)! X" —
— cos (jj sin (gjj -}~ ") ^)
^ = sin cöi cos(aji — w) — sin tf^ cos öj sin (oj — w)J X'-\-
-\- fcos (Dj cos(öi — w) -}- sin tf^ sin a^ sin(a)i — c))J X"+
-j- cos 01 sin(G>i — ö)X;
dazu kommen analoge Gleichungen in y^ und ^i- Demnach erhalten
wir, wenn wir die auf die Fläche 5^ bezüglichen Grössen mit dem
Index 1 versehen (vgl. § 245, (b), S. 44o~^ :
X^ = — X' cos 6^ cos a^ + X c<^s ^1 siii ^i — ^ *i^^ *^i >
Xj' = X' (sin (Oy sin w — sin 6^ cos w^ cos ra) +
-}- X" (cos «1 sin (o -f- sin <?i sin co^ cos ta) -f- Xcos 6^ cos o,
Xi"= X' (sin Oj cos co -|- sin ö, cos cDj sin co) +
-(- X"(cos (Ol cos oj — sin 6^ sin co^ sin co) — X cos öj sin co.
Hieraus folgt:
(19) dXi^ -f diji^ + rf^-i" = f?«- + 2cos 2aii c?« f?y + dv^,
(20) X,X+ r,r+ZiZ=— sin^,,
imd diese Gleichungen liefern den gewünschten Nachweis (vgl. § 151).
(18)
§ 252. Ableitung der neuen pseudosphärischen Flächen durch
Quadraturen.
Die Function c}i{u, v) hat für die transfonnierte pseudosphärische
Fläche Si dieselbe Bedeutung wie o für die ursprüngliche Fläche: sie
giebt nämlich den halben Winkel der Haupttaugent^ncurven auf der
neuen Fläche an. Schon hieraus folgt, dass a^ ebenso wie co eine
Lösung der Gleichung (5):
(A)
ducv
= sin 20-
454 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
ist. Indem wir nun aber unsere Gleichungen vom rein analytischen
Gesichtspunkt betrachten, dürfte es vorteilhaft sein, auf die Folgeiiingen
hinzuweisen, die sich aus ihnen für die Integration der Gleichung (A)
ergeben.
Da (o eine Lösung von (A) ist, so ist für die beiden simultanen
Gleichungen (16), denen o^ genügen muss, die Integrabilitätsbedingung
identisch erfüllt, wie erhellt, wenn die erste dieser Gleichungen nach
V, die zweite nach it differenziert und dann subtrahiert wird. Dem-
nach enthält die allgemeine Lösung co^(UjV) der Gleichungen (16) eine
willkürliche Constante C. Wir können die Gleichungen (16) in die
folgende totale Differentialgleichung für co^ zusammenfassen:
(16*) dco, = ["^^^^ sin(to, + «) + ^g du +
, ri — sin (T. . . s ccol -,
-+- sm(c3, — (o) — V.— dv.
' L cos (7^ ^ ^ ^ cvJ
Wird als Unbekannte
eingeführt, so geht sie in eine Gleichung vom Riccati'schen Typus:
dyl = (aÄ^ + &^ + c)dti + {a'A^ + h'A + c')dv
über, wo a, h, c-, a', h', c bekannte Functionen von u^ v sind.
Wir brauchen also nur eine particuläre Lösung co^ des Systems
(16) oder der Gleichung (16*) zu kennen, um aus ihr mittels Quadra-
turen die allgemeine Lösung ableiten zu können.
Eliminieren wir andrerseits aus den Gleichungen (16) cj, indem
wir sie wie vorhin differenzieren und addieren, so ergiebt sich, dass «^
auch eine Lösung von (A) ist.
Auf diese Weise erhalten wir aus einer bekannten Lösung der
Gleichung (A) durch Integration der Gleichungen (16) eine neue Lö-
sung a^ mit einer willkürlichen Constanten. Gehen wir nun, anstatt
von CO, von co^ aus (wobei wir 6^ ungeändert lassen), so erhalten wir
wieder die Gleichungen:
^-ZLi^i) _ L+_--3. sin («, + «0,
otv cos ffj \ i \ ly?
ai^+jo^ _ 1^ sin ., ^.^ _
cv cos (?j ^ ^ ^■'^
von denen bereits die particuläre Lösung:
§ 253. Bäcklrmd'sche Transformation. 455
bekannt ist. Es ist demnacli nur eine neue Quadratur erforderlich,
um die allgemeine Lösung co^, die eine neue willkürliche Constante C
enthält, zu finden. Hiemach ist klar, dass die unbegrenzte Anwendung
des Transformationsverfahrens unter den getroffenen Voraussetzungen
lediglich successive Quadraturen erfordert. Diese vorläufigen Bemerkungen
werden später in § 259 eine erwähnenswerte Ergänzung finden.
§ 253. Die Bäcklund'sche Transformation.
Die Transformation, mittels der wir von der pseudosphärischen
Fläche S zur abgeleiteten Fläche S^ gelangen, mag nach dem Mathe-
matiker Bäcklund, der sie zuerst in ihrer ganzen Allgemeinheit unter-
sucht hat, die Bäcklund'sche Transformation heissen. Wir be-
zeichnen sie symbolisch mit Ba^, indem wir die Constante 6^, mittels
deren sie gebildet ist, markieren. Somit können wir die bisherigen Er-
gebnisse folgendermassen zusammenfassen:
Mittels der Bäcklund'schen Transformation Bg^ lassen
sich aus einer pseudosphärischen Fläche S einfach unend-
lich viele neue pseudosphärische Flächen ableiten. Es ge-
nügt die Kenntnis nur einer der abzuleitenden Flächen, um
alle übrigen mittels Quadraturen zu finden, und es erfordert
die Anwendung der Transformation Ba^ auf die neuen Flächen
unter dieser Vorausetzung wieder nur Quadraturen.
Wir bemerken femer, dass, wenn P ein beliebiger Punkt von S
ist, die entsprechenden Punkte P^ auf den ersten mittels der Bäck-
lund'schen Transformation Bg^ abgeleiteten Flächen auf der Peripherie
des Kreises liegen, der in der Tangentialebene um P mit dem Radius
cos^i beschrieben ist. Die bekannte Eigenschaft der Gleichungen vom
Riccati'schen Typus, dass das Doppelverhältnis von vier particulären
Lösungen eine Constante ist, wird geometrisch durch den Satz aus-
gedrückt :
Vier mittels einer Bäcklund'schen Transformation Ba^
aus einer pseudosphärischen Fläche S abgeleitete Flächen
schneiden jeden der Kreise, die in den Tangentialebenen von
S um die Berührungspunkte mit dem Radius cos^^ beschrie-
ben werden, in je vier Punkten, deren Doppelverhältnis con-
stant ist.
Es mag femer bemerkt werden, dass diese Kreise isogonale Tra-
jectorien der abgeleiteten Flächen unter dem Winkel — 6^ sind.
456 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
§ 254. Unendlich, kleine Verbiegungen der pseudosphärisclien
Flächen.
Da ein pseudosphärisches Strahlensystem ein 14^- Strahlensystem
ist (vgl. Kap. 12, S. 332), so ist jeder Mantel der Brennfläche einer
unendlich kleinen Verbiegung fähig, bei der sich jeder Punkt parallel
der Normale im entsprechenden Punkte des anderen Mantels verschiebt.
Daraus folgt: Jede pseudosphärische Fläche S ist oo^ unend-
lich kleiner Verbiegungen fähig, bei denen die Richtungen,
in denen sich die Punkte verschieben, gegen die Fläche um
einen beliebigen constanten Winkel 6^ geneigt sind.
Die Verbiegung ist bestimmt, wenn für einen Flächenpunkt die
Verschiebungsrichtung willkürlich festgesetzt wird. Wir bemerken femer
ohne Beweis, den wir dem Leser überlassen, dass die hier betrachte-
ten Verbiegungen einer pseudosphärischen Fläche S die einzigen sind,
bei denen die Richtungen, in denen sich die einzelnen Punkte ver-
schieben, mit den Tangentialebenen einen constanten Winkel bilden.
Wir wollen nun den unendlich kleinen Betrag sq der Verschiebung
suchen, wo q eine Function von u und v und s eine unendlich kleine
Constante ist. Die Bedingungen (vgl. § 154, (2), S. 289):
"^ cx^ Hq^j) ^ '^ ex d(Q X^) ^
.^J du du ' j^J cv dv '
yiox djgX,) yidx djgX,) _ Q
.^mJ du 8v "• -^' dv du
geben infolge der Gleichungen (b) und (18) übereinstimmend:
f g log p 1 -|- sin Cj . . .
—2 - = cos(tOi + ca),
j du cos (Tj \ 1 i y?
! d log p 1 — sin c. / s
^ • = cos(gJi — «).
\^ CV cos ffj ^1 ^
Die Integrabilitätsbedingung ist infolge der Gleichungen (16) iden-
tisch erfüllt, d. h. der Ausdruck:
(1 -f- sin öj) cos(a3j -|- co) du -f- (1 — sin 6^) cos(a3j — co)dv
ist ein totales Differential, und aus den Gleichungen (21) selbst ergiebt
sich (wie auch leicht aus denjenigen in Kap. XI folgt), dass q eine
Lösung der Gleichung für die unendlich kleinen Verbiegungen:
(22) ,— J =pcos2(o
^ ^ dudv ^
ist. Andrerseits folgt aber aus (21) auch:
(21) Soi
^ ^ \ d log Q 1 — sm G.
dud
-(--) = -
V \q / Q
COS 2
w,
§ 254. Unendl. kleine Verbiegg. d. pseudosphär. Fl. § 255. Complementärtransf. 457
woraus erhellt, dass die Lösung q von (22) genau diejenige ist, welche
bei der Moutard'schen Transformation (S. 312) den Übergang von der
Laplace'schen Gleichung:
(23) g^|-^ = ^co3 2o
zur Gleichung:
(23*) ^f- = rcos2cai,
d. h. den Übergang von der Fläche S zu ihrer Bäoklund'schen Traus-
formiei-ten S^ vermittelt, da eben bei der Moutard'schen Transformation
die Int€gi-ale X, Y, Z von (23) in die Integrale X^, Fj, Z^ von (23*)
übergehen. Endlich mag noch bemerkt werden, dass, während bei der
in Rede stehenden Verbiegung die Pimkte von S Tei-schiebungeu , die
proportional q sind, erfahren, die Punkte von S^ bei der entsprechenden
Verbiegung solche erleiden, die dem reciproken Wert — proportional sind.
§ 255. Die Complementärtransformation.
Wir betrachten nun den besonders interessanten Fall, in dem der
Winkel Q^ gleich Xull ist. Dann sind die Fläche 5 und eine Fläche
Äi die beiden Mäntel der Evolutenfläche einer TF"- Fläche, deren Haupt-
krümmungsradien durch die Gleichung:
rj — i^ = Const.
verbunden sind. S^ ist dann die Complementär fläche von S be-
züglich einer Schar von geodätischen Linien, die von einem festen
Punkte im Unendlichen von S ausgehen, also bezüglich einer Schar
von geodätischen Parallelen. Die entsprechende Bäcklund'sche Trans-
formation Bf^ heisse die Complementärtransformation (vgl. S. 254
und 351). Die oc^ pseudosphärischen Flächen S\, die sich mittels der
Complementärtransformation aus 5 ergeben, haben zu Orthogonaltrajec-
torien die Kreise, die in den Tangentialebenen von 5 imi die Berüh-
rungspunkte mit dem Radius Eins beschrieben werden. Es liegt somit
ein Ribaucour sches Cykelsystem vor (§ 186, S. 351). Die Gleichungen
(16) lauten in diesem Falle einfach:
-^K-—' = sm(öi + Gj),
(2'*) I aK + <^)
cu
= sin(c<3i — oj).
l, cv
Als Differentialgleichung der geodätischen Parallelen, die auf S von
den Strahlen des pseudosphärischen Strahlensystems umhüllt werden,
ergiebt sich sofort:
458 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
(25) sm(cOi -{- Gj) du -\- sin(a3j — G>)dv = 0,
demnach als Differentialgleichung der dazu senkrechten (parallelen)
Grenzkreise (vgl. § 34, S. 66, (13)):
(26) cos(c3^ -f" C3)du -\- cos(ajj — (>3)dv ^=0.
Die linke Seite von (26) ist, wie bereits im vorigen Paragraphen be-
merkt worden ist, ein vollständiges Differential. Wird
■^ = /[cos(a)i -\- (x>)du -\- cos(ct)i — co)dv\
gesetzt, so ist
wo die Differentialparameter bezüglich des Linienelements von S
berechnet sind. Daraus folgt (§ 39, S. 74), dass e^ ein Multiplicator
der linken Seite von (25) ist. Wenn wir nun mit t die Function be-
zeichnen, deren vollständiges Differential jene linke Seite nach Multipli-
cation mit e^ wird, so haben wir:
d-il) = cos(cj^ -\- G})du -\- cos(co^ — co)dv,
e~^dt = sin(a)j -f~ 'x>)du -\- sin(a)j — co)dv.
Daraus folgt die Gleichung:
(27) du"" -{-2 cos 2 CO du dv-\-dv^ = dtp'' -j-e-'"^dt^,
die zeigt, dass das Quadrat des Linienelements von S auf die geodä-
tische Normalform der Fläche gebracht ist.
Auf der Complementärfläche S^ dagegen lautet die Differential-
gleichung der von den Strahlen umhüllten geodätischen Parallelen:
sin(G3i -{- co)dii — sin(G3jL — (o)dv = 0,
und es ist e~^f ein Multiplicator der linken Seite. Setzen wir:
dtj^ = e— '^[sin(wi -\- co)du — sin(wi — a))dv],
so ergiebt sich in ähnlicher Weise:
(28) du^ + 2cos2c3^dudv -f dv^ = dtp'' + e^,/. ^^^2_
Bezeichnen wir endlich mit ^, rj, t, die Richtungscosinus der
Strahlen des Systems, d. h. setzen wir:
^ = x^—x, 7} = tj^—y, ^ = 3^ — 0, (P _|_ ^'^ -f g2 _ l^)^
so finden wir:
(29) d^^ -f drj^ + dt' = e-'^Pdr' + c^'f-'dt^\
Die Curven t, t^ auf der Kugel sind die Bilder der abwickel-
baren Flächen des Strahlensystems und teilen die Kugeloberfläche in
unendlich kleine Rechtecke von constantem Inhalt.
Die Gleichungen des vorliegenden Paragraphen rühren sämtlich
§ 256. Die Lie'sche Transformation. 459
von Darboiix her, der sie als analytischen Ausdruck für die Comple-
mentärtransformation gefunden hat.
§ 256. Die Lie'sche Transformation.
Im Zusammenhange mit der Bäcklund'schen Complementärtrans-
fonnation der pseudosphärischen Flächen ist hier eine Transformation
anderer Art, die Lie'sche Transformation, zu betrachten. Sie be-
ruht auf der einfachen Bemerkung, dass aus einer bekannten Lösung
o(tt, u) der grundlegenden Gleichung (5):
■7^ — ^- = sm o cos a
eine neue mit einer willküi'licheu Constanten k behaftete Lösung
Sl{UjV) abgeleitet werden kann in der Weise, dass
ß(M, v) = fa \kUy yj
gesetzt wird*). Der Lösung 0(1«, v) entsprach eine pseudosphärische
Fläche /S5 der neuen Lösung i^ wird eine neue, gestaltlich völlig be-
stimmte, pseudosphärische Fläche E entsprechen. Diese möge die
Lie'sche Transformierte der Fläche S heissen. L'm die Fläche S
zu erhalten, müssen wir eine Riccati'sche Differentialgleichung integrie-
ren und dazu das Quadrat des Linienelements auf der Kugel wirklich
auf die Form:
ds'^ = du^ — 2cos2£ldudv -f dv^
bringen.
Wir setzen nun zur besseren Vergleichung mit den Formeln der
voraufgehenden Paragraphen :
, 1 -}- sin 6
cos 6
und bezeichnen symbolisch mit Lg diejenige Lie'sche Transformation,
welche die Fläche, die der Lösvmg o(u, v) entspricht, in die Fläche
überführt, die der Lösung
>-, ^ N /l 4- sin c 1 — sin c \
SlUl V) = C3 \ ! 1(, v)
^ ' -^ \ cos a ' cos 6 /
entspricht. Dann ist die dem umgekehrten Wege entsprechende oder
inverse Transformation L^ einfach Z_a.
Sind nun a und cjj zwei Lösungen der Fundamentalgleichung,
die durch die Gleichungen (24) mit einander verbunden sind, d. h. ent-
*) Offenbar gilt die zu Grunde liegende Bemerkung für alle (xleichnngen von
der Form:
j-^ = F(a)).
460 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
sprechen sie zwei pseudosphärisclien Complementärtiächen, und bezeich-
nen wir mit Sl und ^^ die neuen Lösungen, so erhalten wir sofort:
^(ßi — ß) 1 + sin ff . . .
W = — sm(ü, + iSi) ,
ou cos ff \ 1 I jy
cv cos ff ^ ^ -^
Dieses sind die Formeln (16), S. 453, für die Bäcklund'sche Transfor-
mation. Nun gelangen wir von 5i zu o mittels der inversen Lie'schen
Transformation L^ , von to zu co^ mittels der Complementärtransfor-
mation B^, von cj^ zu ii^ mittels La und demnach von Sl zu ß^
mittels der zusammengesetzten Transformation LoBqL^^. Da wir
andrerseits von Sl zu ß^ auch mittels der Bäcklund'schen Transfor-
mation Ba gelangen, so können wir symbolisch schreiben:
Ba = LaB^La .
Es kann somit, wie Lie bemerkt hat, die Bäcklund'sche Trans-
formation aus Lie'schen Transformationen und einer Complementär-
transformation zusammengesetzt werden. Das thut jedoch der Bedeutung
der Bäcklund'schen Transformation keinerlei Abbruch; sie kann wie
die Complementärtransformation durch eine geometrische Construction
im Räume veranschaulicht werden, während für die Lie'sche Trans-
formation nichts derartiges gilt.
Anmerkung. — Eine Klasse von pseudosphärischen Flächen giebt
es, die bisher nicht untersucht worden sind und auf die wir kurz hin-
weisen wollen. Jede Fläche der beregten Klasse besitzt die Eigen-
schaft, mit ihren sämtlichen Lie'schen Transformierten zusammenzu-
fallen. Um zu diesen Flächen zu gelangen, haben wir nur diejenigen
Lösungen ca der Fundamentalgleichung zu suchen, welche Functionen
des Products uv sind. Wird
2(0 = f{t), t == UV
gesetzt, so ist f aus der Differentialgleichung:
T/"+/"'=sin/'
zu bestimmen, die, wenn r = e^ gesetzt wird, die Form:
^— . == e-^ sm /
annimmt. Unter diesen Flächen befinden sich auch die Flächen, auf
denen zwei einander schneidende Gerade liegen (§ 250).
§ 257. Der Vertauschbarkeitssatz. 461
r
§ 257. Der Vertauschbarkeitssatz.
Als sehr fruchtbringend für die fortgesetzte Anwendung der Metho-
den zur Transformation der pseudosphärischen Flächen erweist sich ein
Satz^ den der Verfasser Vertauschbarkeitssatz genannt hat*). Der-
selbe lautet wie folgt:
Sind Sj^ und S^ zwei pseudosphärische Flächen, die mit
ein und derselben pseudosphärischen Fläche S durch zwei
Bäcklund'sche Transformationen jB«,, Sa. mit verschiedenen
Constanten 6^, 6^ verknüpft sind, so giebt es eine vierte
pseudosphärische Fläche ^3, die mit den Flächen S^, Ä be-
züglich durch Bäcklund'sche Transformationen Bä^, Bä^, mit
den vertauschten Constanten 6^, 6^, verknüpft ist.
Augenscheinlich gelangt man von S zu S.. entweder, indem man
zuerst Bo^, dann B'a^ oder indem mau zuei-st Ba^, dann Ba^ ausführt,
d. h. es ist symbolisch :
B'a^Ba^ = Bä^Ba^-
daher die Bezeichnimg: Vertauschbarkeitssatz.
Zum Beweise desselben gehen wir auf die Grleichungen (14), § 251,
S. 452, angewandt auf die beiden Flächen S^ und S^, zurück, näm-
lich auf die Gleichungen:
j a^i = ic -|- cos ^1 (X' sin o^ -f- X" cos ojj) ,
^ ' [x^ =' X -\- cos 6^{X' sin 03^ -\- X" cos a^)
nebst den analogen in y und 3, wo zwischen «1,(0; w^, w die fol-
genden Beziehungen bestehen:
ic (cü, — cü) 1 -1- sin ff, . ^ , >^
C U cos ffj \ 1 I / ?
c(ü). -\- co" 1 — sin ff. . . X
CV cos ffj ^ ^ ^'
fc((a, — (o) 1 -|- sinff, . ^ , V
-M. = — = sm(cj^ + cd),
c u cos ff, \ - I / 7
, c(a), -j- oa) 1 — sin ff, . , -,
^^ CV cos ff, ^ ^ ^
Wir wollen nun zum Beweise zunächst annehmen, dass entsprechend
dem Wortlaut des Satzes die vierte Fläche S.^ existiere, und wollen
die sich auf ^3 beziehenden Grössen mit dem Index 3 versehen. Da
nun /So mit Si durch eine Transformation Bg^ verknüpft ist, müssen
wir infolge der Gleichungen (14) imd (18), § 251, haben:
*) S. die Bemerkung des Verfassers: Sulla trasformazione di Blick-
lund, Rendiconti dell' Accademia dei Lincei, 5. Serie, 1. Bd., 2. Halbjahr.
462 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmun^smass.
x.^ = x^ -\- cos ^2 sin G)^ [(sin o^ sin co — ■ sin 6^ cos gj^ cos w) X' -\-
-f- (cos «1 sin cj -|- sin 0^ sin «^ cos o?) X"-\- cos (j^ cos co X] -{-
+ cos (?2 cos (03 [sin co^ cos co -f- sin <?j cos co^ sin to) X'-f-
-{- (cos co^ cos CO — sin (J^ sin coy sin (o)X" — cos 6^ sin oX].
Andrerseits ist auch, da S^ mit S.^ durch JJJ^ verknüpft ist:
x.^ = x^ -\- cos ^1 sin tOg [(sin to^ sin co — ■ sin 6^ cos to^ cos to) X' -|-
-\- (cos cog sin G» -j- sin ög sin co.^ cos co)X"-|- cos ö'^, cos cjX] -|-
-f- cos öjL COS CO3 [(sin cog cos co -|- sin a.^ cos cog sin co)X' -f-
-f- (cos (O2 cos 03 — sin ö^ sin a.^ sin co) X" — cos 6,^ sin co X] .
Aus der Vergleichung der beiden Ausdrücke für rr^ und unter Berück-
sichtigung der Gleichungen (30) folgern wir:
cos 6y sin co^ -j- cos (j^, sin CO3 (sin co^ sin co — sin 6^ cos co^ cos a) -f-
-f- cos (jg cos (O3 (sin co^ cos a -f- sin 6^ cos co^ sin a) =
= cos G'y sin cOjj -f- cos ^^ sin CO3 (sin cog sin co — sin ö.^ cos g)^ cos co) -(-
-f- cos (?i cos co3(sin osg cos cu -f- sin (Jg cos coo sin co),
cos (jj cos 0?! -{" cos ö'g sin CO3 (cos co^ sin a -f- sin ö^ sin co^ cos 03) -f-
-}- cos (?2 cos CO3 (cos dy cos o — sin ö^ sin co^ sin cj) =
= cos (5^ cos CÖ2 + cos 6y sin CO3 (cos cog sin ra -f- sin (?2 sin cog cos co) -|-
-j- cos ßy cos CO3 (cos CO2 cos « — sin 6^ sin CO2 sin co) .
Multiplicieren wir diese Gleichungen der Reihe nach das erste Mal
mit sincoj, cosco^, das zweite Mal mit sincog, cos co^ und addieren wir
jedes Mal, so ergeben sich die beiden Gleichungen:
cos 6y sin (jg sin {p^ — a^ sin (03 — 0) +
-f- [cOS(Jj C0S(C02 — '^'l) ~~ COS^2]COS(C03— (o) = COSÖ^ COSCjg COS (CO2 CO^,
— cos (32 sin 6y sin(co2 — C3^ sin(co3 — ^ «) -f-
-f- [cOSÖg COS(C02 CO^) COSöJcOs((03 — ■ o) = C0S(J2 C0SÖ^C0S((02 — CjJ.
Lösen wir sie nach sin (CO3 — co) und cos (033 — co) auf, so erhalten wir
die beiden Gleichungen:
(sin ffj — sin 6^ sin {a^ — coj)
(32)
sin (cog
0
cos öj cos 02 cos(q32 — Ci) -|- sin 6y sin g^ — 1
/ N cos c»i cos (>2 -|- (sin <s^ sin c^ — 1) cos (co^ — aii)
cos (Wo (O) = , r-^ -. . . •
^^ ^ ** ^ cos (Tj cos (>j cos((aj — (uj -|- sm (?j sm c, — 1
Sie sind mit einander verträglich, weil die Summe der Quadrate der
rechten Seiten gleich Eins ist.
§ 257. Der Vertauschbarkeitssatz. § 258. Fortsetzung. 463
Wir können sie durch die nachstehende eine Gleichung ersetzen:
cos
(33) taag^?V^ = --^„;ta„g"^
Sin — -
§ 258. Fortsetzung.
Die voraufcrehende Rechnunor hat uns unter der Voraussetzung der
Existenz der vierten Fläche S.^ zur Gleichung (33) (oder zu den Glei-
chungen i320 geführt, durch die diese Fläche bestimmt werden müsste.
Nun können wir leicht bestätigen, dass die so gefundene Fläche 53 in
der That allen Bedingungen des Yertauschbarkeitssatzes genügt. Hierzu
brauchen wir nur nachzuweisen, dass die durch die Gleichung (33) be-
stimmte Function 03 mit a^ bez. o^ durch die Gleichungenpaare:
(e)
(d)
di^^-^ = Mi^in^ sin(ö3 + cO,
cu cos <>, V J I 1/^
I £(^+^ _ 1 -^^ ^.^^ _ y
\ CV cos ffj ^ •* ^^'
sin(o3-|- »2),
^(»5 — o),) 1 -f sin Cj
c «t cos ffj
c V cos ff, ^ ^ -^
verknüpft ist, die besagen, dass man von S^ zu S.^ mittels der Bäck-
lund'schen Transformation Bö„ und von S^ zu ^3 mittels der Trans-
fonnation Bä^ gelangt.
Um nun z. B. die Gleichungen (c) zu beweisen, brauchen wir nur
die Gleichung (33) nach ^^ und v zu differenzieren, die Gleichungen
(32) zu berücksichtigen und in geeigneter Weise mit den Gleichungen
(31) zu combinieren. Ahnliches gilt für die Gleichungen (d).
Nachdem somit der Yertauschbarkeitssatz bewiesen ist, mag be-
merkt werden, dass vier entsprechende Punkte auf den vier pseudo-
sphärischen Flächen S, S^, S^, S^ die Ecken eines windschiefen Vier-
ecks sind, in dem zwei Gegenseiten die constante Länge cos 6^, die
beiden anderen die constante Länge cos 6^ behalten. Das Viereck be-
wegt sich, ohne dass sich die Seitenlängen ändern, so im Räume, dass
seine vier Ecken die vier pseudosphärischen Flächen beschreiben und
die in einer Ecke zusammenstossenden Seiten in der Tangentialebene
der entsprechenden Fläche liegen.
464 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
§ 259. Polgerungen aus dem Vertauschbarkeitssatz.
Wir wollen nun voraussetzen, dass von einer pseudosphäri sehen
Fläche S, die der Lösung co der Fundamentalgleichung (5) entspreche,
alle Bäcklund'schen Transformierten bekannt seien, d. h., dass wir für
jeden Wert der Constanten 6 das Gleichungensystem:
(34)
'd(cp — a») 1 4- sin ff • / , x
— r^ ^ = — ! sin(op + CO),
cu cos ff vr I y?
d{(p 4- (o) 1 — sin ff . / ^
— sin(qD — cj),
CV cos ff
in dem die Lösung (p{u,v,6,C) der Fundamentalgleichung (5) mit
den beiden willkürlichen Constanten 6 und C bekannt sei, integrieren
können. Dann folgt aus dem Yertauschbarkeitssatz :
Fürjedederaus^S ableitbaren pseudo sphärischen Flächen
können alle Bäcklund'schen Transformierten lediglich durch
algebraische Rechnungen und Differentiationen bestimmt
werden.
Es sei nämlich S^ eine Bäcklund'sche Transformierte von 8, die
der Lösung der Gleichung (5)
«1 = (p(ii, V, (?i, C)
entspreche, und U die durch die erzeugende Transformation Bg erhal-
tene Transformierte von S^. Bezeichnen wir mit ß die Lösung der
zugehörigen Gleichung (5) und berücksichtigen wir die Gleichung (33),
so erhalten wir:
ffj -|- ff
(35) tang "^ = -J-^a ^^^^ "^— ''^^,' '' '' ^^ •
sinL^
Diese Gleichung bestimmt uns U in endlicher Form, nur nicht in
dem Falle: <?i== (?.
Indem wir aber diesen Ausnahmefall als Grenzfall auffassen, können
wir auch für ihn leicht die zugehörige Gleichung finden. Zu diesem
Zwecke denken wir uns in der Function (p(u, v, 6, C) 6 sich 6^
nähern und für C eine willkürliche Function von (?^ gewählt, die für
6 = 6j^ in Cj übergeht.
In der Grenze, für 0 = 6^, wird die Gleichung (35) unbestimmt.
tff — — — "-
2
Wird jedoch auf der rechten Seite für den Quotienten
der die Gestalt . annimmt, der Quotient der Differentialquotienten
nach <j gesetzt, so ergiebt sich:
§ 259. Folgerungen ans dem Vertauschbarkeitssatz. 465
, ß — üj Vctp , ctp dC]
tang -, = cos 6, [_.-^ + ^ ^J
a = ai
oder:
(35*) taog?-^ = e„s»,[|| + C-||] ,
WO C eine neue willkürliche Constante ist. Xun lässt sieh leicht direct
nachweisen, dass sich aus dieser Gleichung eben die mittels Bo^ ge-
fundenen Bäcklund' sehen Transformierten von S^ ergeben. Dazu brau-
chen wir nur die Gleichungen (34) nach <? zu differenzieren, dann in
ihnen 6 gleich 6^ zu setzen imd die so erhaltenen Gleichungen mit
denen zu combinieren, die durch Differentiation der Gleichung (35*)
nach u und v entstehen.
Das Ergebnis lässt sich auch folgendermassen aussprechen:
Bei fortgesetzter und unbeschränkter Anwendung der
Bäcklund'schen Transformation auf eine pseudosphärische
Fläche und auf die nach einander aus dieser Fläche abgrelei-
teten Flächen braucht nur die erste, auf die erzeugfende
Transformation Bg bezügliche Riccati'sche Differentialglei-
chung integriert zu werden; dann sind die weiterhin nach
einander auftretenden Riceati'schen Differentialgleichungen
unmittelbar gleichzeitig mit dieser integriert.
Aus den Untersuchungen Lies über die fortgesetzte Anwendung
der Complementärtransformation folgt, dass die aus einer Ausgaugs-
fiäche abgeleiteten Flächen in Wirklichkeit in jedem Falle eine Mannicr-
faltigkeit unendlich hoher Ordnung bilden. Nun erscheint es sehr
bemerkenswert, dass nach Ausführung der ei-sten allgemeinen Bäck-
lund'schen Transformation, die zwei willkürliche Constanten hinein-
bringt, das Hineinbringen der weiterhin nach einander in imbegrenzter
Anzahl auftretenden Constanten lediglich algebraische Rechnuno-en und
Differentiationen erfordert.
§ 260. Geodätisclie Linien auf den abgeleiteten Flächen.
Unter Beibehaltung der zu Beginn des Torigeu Paragraphen ge-
troffenen Voraussetzung beweisen wir nun Folgendes:
Für jede Fläche S^ der aus S abgeleiteten Reihe von
Flächen lässt sich ohne irgend eine Integration die Gleichung
der geodätischen Linien in endlicher Gestalt angreben
Bezeichnen wir nämlich mit a„ die der Fläche S„ entsprechende
Lösung von (5), so können wir nach dem Vorstehenden allein durch
Bianchi, Differentialgeometrie. 3()
4GG Kap. 17. Transformationen der Plächen mit constantem Krummüngsmass.
algebraisclie Rechnungen und Differentiationen die allgemeinste Lösung
(f des Systems:
(36) — = sin(^ + c}„) , -^^^^ = 8m{(p — o,)
angeben. Sie ist eine Function q){u, v, C) mit einer willkürlichen
Constanten C. Differenzieren wir nun diese Gleichungen nach C, so
erhalten wir, wenn
gesetzt wird: ,
Daraus folgt, dass die Function ^ mit der nicht additiven Constanten
C ein Integral der Gleichung:
ist, wo zt^xl^ der erste Differentialparameter von ^ bezüglich der Form:
ds^ = du^ -f- 2 cos 2 «„ (?m (??; -(- dv^
ist, die das Quadrat des Linienelements von 8,i darstellt. Infolge von
Satz (B), § 86, S. 170, kommen wir also zu dem gewünschten Er-
gebnis :
Die endliche Gleichung der geodätischen Linien auf Sn
lautet:
worin C" eine neue willkürliche Constante ist.
§ 261. Dinis pseudosphärische Schraubenfläelien.
Die obigen Ergebnisse wenden wir nun auf die Untersuchung
einer (unendlichen) Reihe von pseudosphärischen Flächen an, für die
sich die laufenden Punktcoordinaten durch gewöhnliche Kreis- und
Exponentialfunctionen der Parameter ti, v der Haupttangentencurven
ausdrücken.
Diese Flächenreihe erhalten wir am einfachsten, wenn wir von der
evidenten Lösung: co = 0 der Fundamentalgleichung (5) ausgehen. Es
ist klar, dass die Formeln für die Bäcklund'sche Transformation auch
in diesem Falle anwendbar bleiben, wofern gesetzt wird:
X = 0, y ==^} z = u -\- V,
X= cos(w — v), Y == sm{u — v), Z=0,
X'= — sin(w — v), Y'=cos(^t — «;), Z'=0,
x"=o, r'=o, z"=i.
§ 261. Dinis pseudosphär. Schraubenfl. §262. Grestalt der Dini'schen Flächen. 467
Durch diese Werte wird den Fundamentalgleichungen (a) und (b),
S. 443, Genüge geleistet 5 nur tritt hier der besondere Umstand ein,
dass sich die Ausgangsfläche S auf die ^-Axe zusammenzieht.
Wenden wir auf diese Lösung: C3 = 0 die allgemeine Bäcklund'sche
Transformation Bg an, um zu einer neuen Lösung q) zu gelangen,
so finden wii-, dass 9 durch die simultanen Gleichungen (16), § 251,
S. 453:
ctp 1 -\- sin e . cw 1 — sin a .
7^- = — Sin op , o— = sin CD
CU cos ff ^' OV cos ff ^
bestimmt ist. Durch Integration ergiebt sich:
j- tin a(u — f)
coi a
}
(38) tang f = Ce
wo die willkürliche Integrationsconstante C ohne Einfluss auf die
Beschaffenheit der Fläche gleich Eins gesetzt werden kann.
§ 262. Gestalt der Dini'schen Flächen.
Untersuchen wir nun, wie die entsprechenden Flächen aussehen.
Aus den Gleichungen (14), § 251, S. 452, erhalten wir unter Berück-
sichticmng der Gleichungen:
1 j. i, w + J' + sin ff (u — v)
sm op = — ^— - , cos qp = — tangh a, u = — !^ -
^ cosh a' ^ o f ßQg g
für unsere Flächen S^ :
sin(tt — v) cosOu — v)
^i=-*=«^^-^h^' yi = ^°^^^sh^^
Zi = u -\- V — cos 6 tang a .
Führen wir die Parameter der KrümmungsKnien:
Ü= u -{- v^ V = u — V
ein, so können wir statt dieser Gleichungen die folgenden schreiben:
/on\ ^ sin F cos V
(39) a:, = -cos<y^^^, ?/x = cosö^^^,
Zi=U — cos 6 tangh a = cos <? (a — tangh a) — V sin tf ,
U -\- F sin ff
u = — '
cos ff
Die vorstehenden Gleichungen zeigen uns, dass die fra »liehen
Flächen Schraubenflächen sind. Die Meridiancurve F=0, die durch
die Gleichungen:
cos ff / . 1 \
y^=^^^8ha' ~-i = cosö(a- tangh a)
30*
468 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
bestimmt ist, ist eine Tractrix, für welche die Axe Asymptote und
die eonstante Länge der Tangente gleich cos 6 ist. Der Parameter der
Schraubung ist gleich sin a. Es sind dieses die merk-
würdigen pseudosphärischen Schraubenflächen, die zuerst
Dini gefunden hat*).
Ihre Krümmungslinien V= Const. sind die Meridian-
curven (Tractricen); die Krümmungslinien des zweiten
Systems ü = Const. liegen wegen der Gleichung:
^'i^ + Vx^ + (■^i — uy^ = cos^ 6
auf Kugeln vom Radius cos^, deren Mittelpunkte auf
der Axe liegen. Aus den nachstehenden Werten für
s^hraube^flächr^ ^^^ Richtungscosiuus der Normale der Schraubenfläche
S, (§ 453, Gl. (18)):
X^ = cos 6 tangh a sin F — sin <? cos V,
Yi = — cos 6 tangh a cos V — sin 6 sin F,
ry COS ö
^1 "=
cosh cc
leiten wir die beiden Gleichungen ab:
— (Xi cos V -{- Y^ sin F) = sin (?,
Die erste besagt, dass die Senkrechte auf der Meridianebene mit der
Flächennormale den Winkel ^ 6 bildet, die zweite, dass die Kugeln,
auf denen die Krümmungslinien U = Const. liegen, die Schraubenfläche
orthogonal schneiden.
Daraus folgt auch, dass die Curven U = Const. Loxodromen
der Kugeln sind, auf denen sie liegen, und dass sie die Meridiane der
Kugeln in Ebenen durch die Axe unter dem Winkel — 6 schneiden.
Ferner sind diese Curven ü geodätische Kreise vom Radius cos (? < 1
und haben demnach einen reellen Mittelpunkt. Das Quadrat des Linien-
elements der Schraubenfläche ist:
ds^ = 4:(cos'-(pdU'' + sin^^j^F^),
*) Lassen wir die Bedingung fallen, dass der Radius It der pseudosphü-
rischen Fläche gleich Eins sein soll, so können wir das Ergebnis folgender-
massen aussprechen : Wird einer Tractrix vom Parameter h eine
Schraubung vom Parameter m um die Asymptote erteilt, so ist die
entstehende Schraubenfläche eine pseudosphärische Fläche vom
Radius B = Yh- -j- w^.
§ 262. Gestalt d. Dini'schen Flächen. § 263. Complementärfl. d. Pseudosph. 469
A h.:
ds^-=4{t^ngh^-ucilP + ^)
Es ist leicht einzusehen, dass die Schraubenlinien u = Const. geo-
dätisch parallele Kreise mit imaginärem Mittelpunkt sind und dass
somit die Schraubenfläche auf die pseudosphärische Rotationsfläche vom
hyperbolischen Typus derart abwickelbar ist, dass sich die Schrauben-
linien mit den Parallelkreisen decken. ,.jic^
Die Sätze der voraufgehenden Paragraphen geben uns Gewissheit
darüber, dass die unbegrenzt fortgesetzte Anwendung des Bäck-
lund'schen Transformationsverfahrens auf die Dini'schen
pseudosphärischen Schraubenflächen, insbesondere auf die
PseudoSphäre (ö= 0), nur algebraische Rechnungen und Dif-
ferentiationen erheischt.
Nehmen wir z. B. eine specielle Dini'sche Schraubenfläche, die den
Gleichungen :
o), u -f t; + sin ff, (m — c^
tang ^ = e"', »i = — ' ^-^^
® 2 ' ^ cos Oj
entspricht, so erhalten wir infolge von (35) ihre erzeugende Bäcklund'sche
Transformierte mit constantem a mittels der Gleichung:
ff, -p ff
^ cos -^— ^ a, a
O o » f
(40) tang^ = -j-^^-^^,
2
wenn « = " ^ ^ ^^ ist. In dem besonderen Falle: (? = (?,
cos ff ^
müssen wir dagegen Gleichung (35*) benutzen, aus der sich
40 *^ ta — = " ~ c -f- sin ff, (u -j- c) -f C
^ ^ ^2 cos ffj cosh a,
ergiebt.
§ 263. CJomplementärfläche der Pseudosphäre.
Wir wollen nun die ComplemeutäiÜäche der Pseudosphäre, die
dem Werte 6^=0 in der letzten Gleichung entspricht, näher unter-
suchen. Da der Wert von C ohne Einfluss auf die Gestalt der Fläche
ist, können wir ohne weiteres C" gleich Null setzen. Dann ist:
ß „_^ V
tang^ =
cosh (u -}- v) cosh U
. ^ 2 F cosh U ^ cosh» U — V^
cosh- L -\- F- ' cosh* U -\- V
Geometrisch leuchtet ein, dass die Schar der geodätischen Linien
der Pseudosphäre, bezüglich deren die Complementärfläche constmiert
470 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
ist, aus den geodätischen Linien bestellt, die einem Meridian in der
von der Asymptote abgewandten Richtung parallel sind.
Die Anwendung der Grleichungen der voraufgehen-
den Paragraphen ergiebt als Parameterdarstellung dieser
Fläche :
2 cosh U .-f-r ^y. . T^v
y
2cosh TJ
cosh« U -^ V'
(FsinF+cosF),
jj 2 sinh U cosh U
Da
Fig. 16.
Complementärfläche
der Pseudosphäre *).
(Fsin F+ cos V)x — (FcosF— sinF)y = 0
ist, so ist klar, dass die Krümmungslinien F== Const. in
Ebenen durch die ^-Axe liegen. Da sich ferner bei
der Drehung dieser Fläche um die Axe die oc^ pseudosphärischen
Flächen des aus der Pseudosphäre ableitbaren Cykelsystems ergeben,
so folgt, dass die Krümmungslinien ü = Const. auf Kugeln liegen,
die die Fläche orthogonal schneiden und deren Mittelpunkte die Axe
erfüllen.
Berücksichtigen wir, dass die Hauptkrümmungsradien
= cotgß =
cosh'' U — F^
~~2Fcosh'[7~ '
„ 2 F cosh U
sind, so sehen wir, dass die Fläche die beiden singulären Curven:
F=0, F=coshü'
als Rückkehrkanten besitzt. Erstere ist eine ebene Curve, die sich aus
der Meridiantractrix der Pseudosphäre in der Weise ergiebt, dass auf
der Tangente vom Berührungspunkt nach der der Asymptote abgewandten
Richtung die Längeneinheit abgetragen wird; dann ist der Ort der
Endpunkte eben diese Curve. Die zweite Rückkehrkante ist eine Raum-
curve.
Ohne die Rechnungen durchzuführen, die sich nach den Ergeb-
nissen des Vertauschbarkeitssatzes lediglich durch Differentiationen er-
ledigen lassen, geben wir endlich noch an, dass das Quadrat des Linien
elements der Fläche durch
/cosh- U — _F-\ a , 2 , 4 V^ cosh^ U
ds
dV
*) Diese, wie auch die vorige Abbildung, sind dem Modellverzeichnis von
L. Brill in Darmstadt entnommen.
§ 264. Flächen mit positivem constantem Krümmungsmass. 471
gegeben ist. Es geht in die typische Form:
ds^ = da- + e^"dß^
über, wenn
^^g^^L^+F^^ ß=U-V'^^^ü
gesetzt wird.
Die hier betrachtete Fläche ist nur ein besonderer Fall der Enneper'-
schen pseudosphärischen Flächen mit einer Schar ebener Krümmiings-
linien, bei denen elliptische Functionen auftreten. Zu dieser Klasse
gehören auch die Complementärflächen der pseudosphärischen Rotations-
flächen vom elliptischen und hyperbolischen Typus. Bei allen Enneper'-
schen Flächen mit negativem oder positivem constantem Krümmungs
mass gehen die Ebenen der Krümmungslinien des einen Systems durch
eine feste Gerade (die Flächenaxe), während die Krümmungslinien des
zweiten Systems auf Kugeln liegen, die die Fläche orthogonal schneiden
und deren Mittelpunkte die Axe erfüllen.
§ 264. Flächen mit positivem constantem Krümmungsmass.
Wir wollen nun einen kurzen Überblick über die Flächen mit
positivem constantem Krümmungsmass geben, deren Theorie
bis jetzt sehr wenig entwickelt ist. Insbesondere ist für diese Flächen
keine Transformation bekannt, die der Bäcklund'schen Transformation
der pseudosphärischen Flächen analog wäre. Die bekannten Flächen
dieser Klasse beschränken sich auf die Rotations-, Schrauben- und
Enneper'schen Flächen.
Wir suchen zunächst den Ausdruck für das Quadrat des Linien-
elements der Fläche mit dem Krümmungsmass K = -{- 1, bezogen auf
die Krümmungslinien «, v:
ds^ = Eda^ + Gdv\
Indem wir hierzu die allgemeinen Ergebnisse des Kapitels IX ver-
werten, bemerken wir, dass, da
ist, wir also, wenn wir r^ > 1, /'g < 1 voraussetzen und mit xt eine
Hilfsfunction von u, v bezeichnen,
)\ = cotgh 0-, r.2 = tangh 0-
setzen können. Die Fundamentalgleichungen (1), § 123, S. 234, geben
uns dann:
c log yE c log sinh & c log j/G^ c log cosh %■
dv dv du du
472 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass,
und zeigen, dass bei Einführung geeigneter neuer Parameter u, v
YE = sink d-, yG = cosh d-
gesetzt werden kann. Aus der Gleichung (2) desselben Paragraphen,
S. 235, ergiebt sich dann als charakteristische Gleichung:
-A—,, -\- o- 9 = — sinh d' cosh -9-.
du-' ' ov^
Während das Quadrat des Linienelements der Fläche die Form:
ds^ = sinh^ d-du^ + cosh^d'dv^
hat, ist das der Bildkugel durch
ds'^ = cosh^ d-du^ + smh^d'dv^
gegeben.
Andrerseits wird für denselben Wert von d- den angeführten
Grundgleichungen auch Genüge geleistet, wenn
YE = cosh ^, ya = sinh 0-,
r^ = tangh-O-, r.^ = cotghO'
gesetzt wird, wodurch das Linien element der Fläche und dasjenige der
Bildkugel vertauscht werden. Wir können also den Satz aussprechen:
Die Bestimmung der Flächen mit positivem constantem
Krümmungsmass K= -j- 1 hängt von der partiellen Diffe-
rentialgleichung:
(41) ^^„ + >s- , = — sinh d" cosh &
^ ^ du- ' cv^
ab. Jeder Lösung 0- dieser Gleichung entsprechen zwei ver-
schiedene Flächen B und >S" mit dem Krümmungsmass K= -f- 1
(sie mögen als conjugiert bezeichnet werden), für welche die Qua-
drate der Linienelemente, bezogen auf die Krümmungslinien
w, V, durch die Ausdrücke:
ds^ = sinh^ du^ -|- cosh'^ d\)^,
ds"^ = cosh'^ dti^ -f- sinh" dv^
gegeben sind, während die Hauptkrümmungsradien die Werte:
r^ = cotgh '9', ^^. = tangh -O-,
r/= tangh -O-, rj = cotgh %•
haben. Das Linienelement der einen ist gleich demjenigen
der Bildkugel der anderen.
Sowohl S als auch S' sind auf die Bildkugel (vom Radius Eins)
abwickelbar, und die Abwickelung kann in der Weise vorgenommen
werden, dass die Krümmungslinien von S auf die sphärischen Bilder
der Krümmungslinien von S' zu liegen kommen und umgekehrt.
§ 265. Zosammenhang mit Flächen constanter mittierer Krümmung. 473
Da sich die geodätischen Linien auf S mit den grossten Kreisen
auf der Kugel decken und jeder der letzteren das Bild der Curve ist,
längs deren ein der Fläche S' umbeschriebener Cylinder die Curve
berührt, so sehen wir, dass den geodätischen Linien von S auf
der conjugierten Fläche S' die Schattencurven entsprechen.
Diese (involutorische) Transformation der Flächen mit positivem
constantem Krümmungsmass ist von Hazzidakis angegeben worden*).
§ 265. Zusammenliang mit Flächen constanter mittlerer Krümmung.
Eine einfache Angabe von Bonnet verknüpft die Flächen posi-
tiven Constanten Krümmungsmasses mit denjenigen constanter mittlerer
Krümmung, nämlich der Satz:
Die beiden Flächen^ die einer Fläche S mit dem Krüm-
mungsmass ^ = -|- 1 parallel und von ihr um die positive
bez. necrative Längeneinheit entfernt sind, besitzen die con-
staute mittlere Krümmung JS= + 1.
Sind nämlich r^, r^ die Hauptkrümmungsradieu von 5, sodass
ist, und betrachten wir eine Fläche Z, die zu S parallel und von ihr
um l entfernt ist, so sind
die Hauptkrümmungsradien von Z. Demnach ist:
(Pi-0((>2-0 = i-
Wird J gleich 4: 1 gesetzt, so folgt:
i + i = + i.
L^mgekehrt besitzt eine Fläche mit der constanten mittleren Krüm-
mung 4: 1 zwei Parallelflächen mit der TotÄlkrümmung -f" 1 ™ -^^-
stande 4: 1 •
Aus dem Satze des vorigen Paragraphen folgern wir sofort den
nachstehenden :
Das Quadrat des Linienelements jeder Fläche mit der
constanten mittleren Krümmung + 1, bezogen auf die Krüm
mungslinien «, r, nimmt die Form:
(42) ds^ = e±^^ (du^ -h dv^)
an, wo d" eine Function von u und v ist, die der Gleichung
(41) genügt. Umgekehrt: Ist 0^ eine Lösung von (41), so ent-
•^ Grelles Journal, 88. Bd.
474 Kap. 17. Transformationen der Flächen mit constantem Krümmungsmass.
sprechen ihr zwei Paar Parallelflächen mit der constanten
mittleren Krümmung + 1. Die Hauptkrümmungsradien des
ersten Paares haben dann die Werte:
^ ^ ^1 "" ^^h¥ ' ^2 = coshTF '
während sich für das zweite Paar r^ und r^ mit einander ver-
tauschen.
Daraus folgt insbesondere: Die Krümmungslinien auf den
Flächen constanter mittlerer Krümmung bilden ein Isother-
mensystem.
Wir bemerken ferner, dass jede Fläche des einen der beiden Paare
auf eine des anderen Paares so abwickelbar ist, dass die Krümm imgs-
linien einander entsprechen, während sich die Hauptkrümmungsradien
mit einander vertauschen. Die Gleichungen (1), § 123, S. 234:
1 1 ~\ dlog-^ _ !_*i _ 0
dv cv '
. 1
\i\ r^j du ' cu
beweisen, dass nur die Flächen constanter mittlerer Krümmung Ver-
biegungen von dieser Art gestatten. Denn giebt es eine solche Ver-
biegung, so bestehen neben den obigen Gleichungen auch die folgenden:
\ri r^J cv ^ cv '
1
\ri rj
d log YG^ '"''.
^ = 0,
du cu
die von den vorhergehenden entsprechend subtrahiert
ergeben.
§ 266. Verbiegungen von Flächen constanter mittlerer Krümmung.
Für die Flächen mit positivem constantem Krümmungsmass giebt
es eine Transformation, die der Lie'schen für die pseudosphärischen
Flächen analog ist. Wir erhalten sie, wenn wir beachten, dass, wenn
d'{u, v) eine Lösung der Gleichung (41) ist, die Function:
@(u, v) = d-{u cos 6 — ■y sin (5, u sin (? -f- ^ cos ö)
§ 266 Verbiegungen von Flächen constanter mittlerer Krümmung. 475
wieder eine Lösung von (41) ist, welcher Wert auch der Constanten
0 erteilt werden mag.
Die geometrische Bedeutung dieser Transformation ergiebt sich
am einfachsten, wenn wir sie statt zu den Flächen mit positivem con-
stantem Ki-ümmungsmass zu deren Parallelflächen mit constanter mitt-
lerer Krümmimg in Beziehung setzen. Transformieren wir nämlich
das Linienelement (42) mittels der Gleichungen:
u = Mj cos 6 — Vy sin 6, V = Ui sin 6 -(- i\ cos 6
und bezeichnen wir mit 9^ die Functionen ti^, v^, in welche ^(m, v)
hierbei übergeht, so ist das transformierte Linienelement
da 9^1 der Gleichung:
|!^i + ^^ = — sinh ^1 cosh 0-1
genügt, nach dem Satze des vorigen Paragraphen das einer Fläche mit
der Constanten mittleren Krümmung + 1, deren Krümmungslinien die
Curven «^ = Const., i\ = Const. sind. Die neue Fläche ist offenbar
auf die alte abwickelbar. Da ihre Punkte einander durch die Glei-
chungen (44) zugeordnet werden, können wir folgenden Satz aussprechen:
Jede Fläche constanter mittlerer Krümmung kann ohne
Änderung dieser Krümmung so verbogen werden, dass die
neuen Krümmungslinien die unter einem beliebigen constan-
ten Winkel schneidenden Trajectorien der alten sind.
Es ist klar, dass bei diesen Verbiegungen, die denen der Minimal-
flächen (§ 194, Kap. XIV) ganz analog sind, die einzelnen Hauptkrüm-
mungsradien ungeändert bleiben. Bonnet, von dem die Entdeckimg
dieser merkwürdigen Verbiegungen herrührt, hat bewiesen, dass es mit
Ausnahme einer Klasse von TF- Flächen, die auf Rotationsflächen ab-
wickelbar sind, keine anderen Flächen giebt, die Verbiegungen unter-
worfen werden können, bei denen die einzelnen Hauptkrümmungsradien
ungeändert bleiben*).
*) Journal de l'Ecole Polyt«chnique, 42. Heft.
Kapitel XYIII.
Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
Krummlinige Coordinaten im Kaume. — Der Darboux-Dupin'sche Satz über drei-
fache Orthogonalsysteme und Folgerungen daraus. — Ausdruck für das Quadrat des
Linienelements des Raumes: ds^ = H^^dg^^^ -{- H^^dg^^ -\- H^^dQ^^. — Lame'sche
Gleichungen für üZj , i/j , -Hg und Bestimmung des zugehörigen dreifachen Ortho-
gonalsystems. — Liouvilles Satz von den conformen Abbildungen des Raumes. —
Hauptkrümmungsradien der Flächen eines dreifachen Systems. — Krümmung und
Torsion der Parameterlinien. — Äquidistanzcurven. — Cayley'sche Gleichung. —
Combescure'sche Transformation.
§ 267. Krummlinige Coordinaten im Baume.
Wie wir uns zur Bestimmung der Lage eines Punktes auf einer
gegebenen Fläche auf dieser zwei Scharen von Curven u, v derart
gezogen gedacht hatten, dass durch jeden Punkt der Fläche (oder
eines passenden Stückes der Fläche) eine Curve jeder Schar geht,
ebenso können wir auch die Lage eines Punktes im Räume mit Hilfe
dreier einander schneidender Flächen bestimmen, von denen jede inner-
halb einer einfach unendlichen Schar variiert. Wir brauchen uns hierzu
nur den Raum (oder ein Grebiet desselben) von drei Scharen von oc^
Flächen derart durchfurcht zu denken, dass durch jeden Raumpunkt
eine einzige Fläche jeder der drei Scharen hindurchgeht. Ordnen wir
dann jede Fläche einer der drei Scharen eindeutig den Werten eines Pa-
rameters Q^ bez. ()2, ^3 zu und kennen wir die Werte der Parametei-
der drei Flächen, die sich in einem Raumpunkt P durchkreuzen,
SO ist der Punkt damit bestimmt. Wir nennen a^, a^, a.^ die krumm-
linigen Coordinaten von P und die Flächen der drei Scharen:
Pj = Const., 92 = Const., q^ = Const.
die Parameterflächen. Sind
(1) pi {X, y,z) = Q^, ^2 (^, y, ^) = Q2, Q3 i^, y, ^) == ?3
§ 267. Krummlinige Coordinaten im Räume. 4TT
die Gleichungen der drei Flächenscharen, so erhalten wir durch ihre
Auflösung nach x, y, z (wenigstens in dem betrachteten Raumgebiet
muss die Auflösung möglich sein):
(2) X = x{qi, q,, q^), y = y{Q„ q,, q^), z = 2{g,, q,, q.^).
Die Gleichungen (1) dienen zur Berechnung der krummlinigen Coor-
dinaten eines Punktes, wenn seine Cartesischen Coordinaten bekannt
sindj die Gleichungen (2) im umgekehrten Falle. Es ist klar, dass zur Ein-
führung eines Systems krummliniger Coordinaten nur die Veränderlichen
X, y, z gleich drei von einander unabhängigen Functionen dreier neuer
Veränderlichen q^, q^, q.^ gesetzt zu werden brauchen.
Eine Gleichung zwischen den krummlinigen Coordinaten eines
Punktes :
(3) F{q„ q„ P3) = 0
stellt offenbar eine Fläche dar, deren gewöhnliche Gleichung sich er-
giebt, wenn in (3) für q^, q^, q.^ ihre Werte (1) in Xj y^ z eingesetzt
werden. Zwei Gleichungen von der Form (3) stellen eine Curve dar.
Übricrens ist es öftei^s zweckmässig, eine Curve analytisch in der Weise
zu definieren, dass die krummlinigen Coordinaten g^, g^, q., eines beweg-
lichen Punktes der Curve gleich di-ei Functionen eines und desselben
Parameters t gesetzt werden. Denken wir uns eine Curve in dieser
Weise definiert und bezeichnen wir ihr Linienelement mit ds, so folgt:
+ a^j9. + gäg, + gäg:f +
Setzen wir:
^=-^tr. Ä^=^tr. ^-2^'
j 'VT dx CX j "V7 ex ox -. "VT ex ex
so erhalten wir:
(4) ds^ = S,-dQ,- -f RJdgJ + H.-dgf -f 2h,, dg^dg. +
+ '2\i(^QidQ3 + '^hidgidg...
Wir bezeichnen diesen Ausdruck als das Quadrat des Linienelements
des Raumes. Dieser Ausdruck ist nichts anderes als die mittels der
Substitution (2) transformierte quadratische Differentialform:
dx- -f- dy- -f- dz-.
478 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifaclie orthogonale Flächensysteme.
Wir nehmen nun an, dass jede Fläche einer der drei Scharen alle
Flächen der anderen beiden Scharen orthogonal schneide. Die not-
wendigen und hinreichenden Bedingungen hierfür sind die Gleichungen:
^12 = 0? ^13 = 0; h'i = 0.
In diesem Falle wird die dreifache Flächenschar q^, pg? Q2 ^^^ drei-
faches Orthogonalsystem genannt.
Wir haben somit das Ergebnis: Das Quadrat des Linien-
elements des Raumes nimmt in einem dreifachen Orthogonal-
system die Form:
ds^ = H^^dQ,^ + H^^dQ./ + H.^dQ,^
an.
§ 268. Darboux-Dupin'scher Satz.
Wir gehen nun zur Untersuchung der dreifachen Orthogonal-
systeme über und leiten zunächst den grundlegenden Satz von Dupin
ab, der von Darboux erweitert worden ist*).
Wir nehmen an, dass zwei Flächenscharen:
orthogonal zu einander seien, und sehen zu, welche Bedingungen erfüllt
sein müssen, damit es eine dritte Schar:
Q^ip^, y, ^) = Qi
gebe, die zu beiden orthogonal ist. Infolge der getroffenen Voraus-
setzung ist:
('5) gpi gpg I ggi gp2 . gpi gg2 ^^ Q
^ ^ dx dx ~^ dy dy '^ dz dz '
und im Falle des Vorhandenseins der dritten Schar muss die unbe-
kannte Function Q-^ix, y, z) den beiden Gleichungen:
g?s ^Qi_ _|_ ^3 ^_Qx \ ^is ^ii = 0
dx ex "■ cy dy """ dz dz '
^ ^^ 4_ ^ -^i« _j_ ^i» ^2 = 0
dx dx ~' dy dy ~^ dz dz
genügen, d. h. es muss die Proportion bestehen:
*) Annales de l'Ecole Normale Superieure, 3. Bd., 1866. — Die Ausfüh-
rungen im vorliegenden und im folgenden Paragraphen sind ohne Änderung der
Darboux'schen Abhandlung (S. 110 tt".) entnommen.
§ 268. Darboux-Dupin'scher Satz.
479
ex ' cy ' cz
oy
dz
CQi
'dz
CQi
dx
CQi
dx
CQi
cy i
cy
cz
cz
ex
dx
d9t
dy
Es ist demnach notwendig und hinreichend, dass für die totale Diffe-
rentialgleichung :
j dy dz
dot £pt
dy dz
die IntecrrabiKtätsbedincnincr:
CQi CQi
dQt doi
dx-\-
CZ ex
CQi dg^
dy +
dx dy
CQi dQt j
dz dx
ex dy j
dz = 0
(ß)
2
r_9i
CQi
cy
CQx
CZ
CQi
CZ
\\
C
dz
dOi
CZ
dz
CQi
CX
CQi
CX
e
cy
dOi doi
dx dy
dOi CQi
CX dy
= 0,
wo sich die beiden anderen Glieder hinter dem Summenzeichen aus
dem angegebenen durch cvklische Vertauschung von x, y, z ergeben,
erfüllt sei.
Addieren wir zur linken Seite von (6) die Summe:
2
fgi
cy
CQi
cy
CQi
dz
d^
dz
», \dx j^ CX- CX ^mi cx*A
s i
die identisch gleich Null ist, so geht (6) über in:
(6*)
^
CQx
cy
CQi
dy
CQi
CZ
CQi
dz
\cx CX* ' cy dxdy ' cz cxcz
Qi C*Qi CQi C-Qx \ ^^ Q
y cxcy cz cxcz)
CQi
ex
C-Qi
CX'
cy
Aus (5) folgt aber durch Differentiation nach x:
/CQi d^ . OQi C^Qx . CQi g'gi \ ^_
\cx CX* ' dy dxdy "'" dz cxdz/
_^ /cQx d'Qi . CQi^ C-Qi . CQx d*Qi\
\cx CX- "*" cy cxcy "'" dz cxde)
Also ist die Integrabilitätsbedingung (6*) äquivalent der Gleichung:
I dQx CQx 1
(7) y^l ^y ^^ i ("^ Üt'i _l_ ^ 1*^ I £Pl 11^*^ = 0
^ ^ jLi I CQi dQi I \cx CX* •" cy cxdy ' cz cxcz)
cy cz \
480 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
Diese Gleichung können wir nun folgendermassen geometrisch
deuten: Wandern wir längs der Schnittcurve zweier Flächen der Scha-
ren {q,), (q^):
und bezeichnen wir mit dem Symbol d die dieser Wanderung ent-
sprechenden Differentiale, so haben wir:
öx : 8y : 8z
Demnach geht (7) über in:
ox \ox/ ' cy \dy/ ' dz \dz/
Bedeuten aber X, Y, Z die Richtungscosinus der Normale der Fläche:
. Q,{x, y, z) = Q^,
do^ CQi
dQ,
t^A
dQi CQi
dy dz
~dz
cx
dx dy
^A\ ^1?
dg.
0Q<2
CQ^ dg^
dy dz
dz
dx
dx dy
so ist;
X
dx oy oz
und die vorhergehende Gleichung lautet wegen (5):
t^' 8X4- ?.^i 8Y4- ^ß 8Z=0.
ox oy ' oz
Andrerseits ist identisch:
cx oy ' oz '
folglich ist die Integrabilitätsbedingung äquivalent der Proportion:
8x:8y:8z = 8X:8Y:dZ.
Dieselbe besagt nun aber (§ 51, S. 98), dass die Schnittcurve zweier
Flächen q^^, q^ eine Krümmungslinie für die zweite, also auch für die
erste Fläche ist.
Wir haben somit den Satz von Darboux:
Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass
zwei zu einander orthogonalen Flächenscharen eine dritte
zugeordnet werden kann, die zu beiden orthogonal ist, be-
steht darin, dass jede Fläche der ersten und jede Fläche
der zweiten Schar einander in Krümmungslinien schneiden
müssen.
Hierin ist der berühmte ältere Satz von Dupin enthalten:
In jedem dreifachen Orthogonalsystem ist die Schnitt-
curve zweier nicht derselben Schar angehöriger Flächen eine
Krümmuno-slinie für beide.
§ 269. Folgenmgen ans dem Darbonx-Dupin'schen Satze. 481
§ 269. Folgerungen aus dem Darboux-Dupin'selien Satze.
Aus den voretehenden Sätzen ergiebt sich, dass eine willkürlich
gewählte Schar von oc^ Flächen:
im allgemeinen keinem dreifachen Orthogonalsjstem angehört. Diese
Schar von ex;* Flächen bestimmt nämlich eindeutig die Schar Ton oo-
Curven, die alle Flächen orthogonal schneiden*). Gehört« nun die
Schar: Qi{x, y, z) = q^ einem dreifachen Orthogonalsvstem an und
betrachten wir auf einer Fläche p^ eine Krümmungslinie L, so bilde-
ten alle diejenigen Orthogoualtrajectorien der Schar, welche von den
Punkten von L ausgehen, eine Fläche, die alle übrigen Flächen der
Schar in Ki'üm m ungslinien sehneiden müsst«.
Es ist sehr bemerkenswert, dass diese geometrische Bedingung
der die Schar: Qy{x, y, z) = q^ genügen miiss, sich durch eine par-
tielle Differentialgleichung dritter Ordnung für die Function
9j ausdrücken lässt. Zu diesem wichtigen Ergebnis, das in der hier
gegebeneu Fassung von Darboux herrührt**), gelangen wir auf fol-
gende Weise:
Wir betrachten die Krünmiungslinien einer und derselben Schar
auf allen Flächen pj = Const. Zu dieser Schar von oo- Curven muss
es eine Schar von ■x} Orthogonalflächen geben, imd umtrekehrt: Ist
dieses der Fall, so gehört die Schar q^ = Const. einem di-eifachen
Orthogonalsystem an ('§ 268 1. Bedeuten also X^, F^, Z^ die Rich-
tungscosinus der Tangenten dieser Curven, so muss die totale Differen-
tialgleichung (§ 179, S. 330, .4)):
X^dx -t- Y,dy + Z^ dz = 0
integrierbar sein, d. h. es besteht mit Notwendigkeit die Identität-
(«) ^.(t-i)+^.(i-§)+^4t-S)=o. ■
Aus den Fundamentalgleichungen der Flächentheorie (Kap. IV) er<nebt
sieh aber, dass sich Z^, Fj, Z^ durch die ersten und zweiten Differen-
*) Diese Curven ergeben sich durch Integration des Systems simultaner ge-
wöhnlicher Differentialgleichungen :
dx _ dy _ dz
cx cy dz
**) Zu der Zurückfiährung der Bestimmung der dreifachen Orthogonalsysteme
auf eine partielle Differentialgleichung dritter Ordnung mit diei Veränderlichen
war auf einem anderen Wege Bonnet gelanot.
Bia nchi, Differentialgeometrie. qi
482 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
tialquotienten der Function Q^(x,y,s) ausdrücken lassen; es ist dem-
nach (8) für Qy eine partielle Differentialgleichung dritter Ordnung, die
wir in § 275 wirklich aufstellen werden. Aus der Integration dieser
Gleichung würden sich alle dreifachen Orthogonalsysteme ergeben.
Als unmittelbare Folgerungen aus diesen allgemeinen Ergebnissen
führen wir hier einige einfache Fälle von dreifachen Orthogonalsyste-
men an. Betrachten wir eine beliebige Schar von oo^ Ebenen oder
Kugeln und ihre Orthogonaltrajectorien und wird auf einer Ausgangs-
kugel oder in einer Ausgangsebene eine beliebige Curve L fest gewählt,
so bilden diejenigen Orthogonaltrajectorien, die von den Punkten von
L ausgehen, eine Fläche S, die von allen Kugeln bez. Ebenen der
Schar orthogonal und daher längs Krümmungslinien geschnitten wird.
Also:
Jede Schar von oo^ Ebenen oder Kugeln gehört unend-
lich vielen dreifachen Orthogonalsystemen an.
Um eins derselben zu erhalten, brauchen wir nur auf einer Aus-
gangskugel oder in einer Ausgangsebene zwei Scharen von orthogo-
nalen Curven L und L' beliebig zu ziehen, dann vervollständigen die
entsprechenden Flächen ZI und Z' das dreifache Orthogonalsystem.
Nehmen wir speciell als Ebenenschar ein Ebenenbüschel, so sind die
Flächen Z, 2J' Rotationsflächen, deren Drehaxe die Axe des Büschels ist.
Endlich bemerken wir:
Jede Schar von Parallelflächen gehört einem dreifachen
Orthogonalsystem an. Die Flächen der beiden anderen Scha-
ren sind die abwickelbaren Orfcsflächen der Normalen längs
der Krümmungslinien der Parallelflächen.
§ 270. Linienelement des Raumes.
Wir nehmen nun an, es liege ein dreifaches Orthogonalsystem
(Pu P27 Qs) ^0^7 sodass bei Wahl desselben als System krummliniger
Coordinaten das Quadrat des Linienelements des Raumes die Form:
(9) ds' = dx' -f dt/ + d^' ^- H.'dQ,' + H,'dQ,' + ff.'dQ,'
annimmt. Zur Vermeidung von Doppeldeutigkeiten schicken wir die
folgenden Bemerkungen voraus: Die Functionen H^-, Hf, Äg- sind als
Quadratsummen stets positiv und höchstens in isolierten Punkten oder
längs isolierter Curven gleich Null. Wir wollen nun stets den Änderungs-
bereich von pi, Q2, Q3 als so abgegrenzt annehmen, dass diese Func-
tionen überall positiv und von Null verschieden sind. Ferner
setzen wir sie nebst ihren ersten und zweiten Differentialquotienten als
§ 270. Linienelement des Raumes. 483
endlich, stetig und eindeutig voraus und bezeichnen mit H^^y H^, H^
die positiven Werte ihrer Quadratwurzeln.
Bedeuten ds^, ds^, ds.^ die positiven Bogenelement« derjenigen
Curven (Krümmungslinien) des dreifachen Orthogonalsjstems , längs
deren nur p^ oder q^ oder g^ sich ändert, und wird als die positive
Richtung diejenige des betrefifenden wachsenden Parameters festgesetzt,
so ist:
dSi = HidQi, ds^ = H^dQ^j ds.i = H^dg.^.
Setzen wir femer:
(10) ^'-wM,' ^' = ^M? ^' = ^lt ('=1'2.3),
so sind X,, 1", Z, die Cosinus der positiven Richtung der Tangente
zur Curve p, , d. h. der Normale der Fläche g, = Const.
Nehmen wir weiterhin die positiven Richtungen der x-j der y-
und der ^-Axe als ebenso orientiert wie die Richtungen Xj, Y^, Zy-
X^, 1^,^25 Xg, Tg, Z^ an, so haben wir:
X, 1\ Z,
X, i; z, = + 1.
Damit das Einsetzen der Functionen H^, H^, H^ von g^, g^, g.^ in
der Gleichung (9) das Linienelement des Raumes liefert, müssen diese
Functionen, wie zuerst Lame nachgewiesen hat, sechs charakteristi-
schen Differentialgleichungen zweiter Ordnung genügen. Diese ergeben
sich unmittelbar aus der allgemeinen Theorie der quadratischen Diffe-
rentialfonnen (Kap. 11) dadurch, dass die für die Differentialform:
^i^^Qi + ^'^9i^ + Sf^Qs' gebildeten Yier-Indices-Symbole erster
Art (Kap. 11, § 27) gleich Null gesetzt werden. Andrerseits sind, wie
wir sogleich sehen werden, diese sechs Bedingungen, denen H^, H^^ H^
genügen müssen, auch hinreichend, wenn es ein entsprechendes drei-
faches Orthogonalsystem geben soll. Dieses ist auch, abgesehen von
Bewegungen im Räume, völlig bestimmt.
Bevor wir zur Ausführunor der bezüglichen Rechnungren schreiten,
wollen wir noch darauf hinweisen, dass dieselben Überlecningen ohne
irgend welche grössere Schwierigkeit auch auf die Frage nach den Or-
thogonalsystemen bei n Veränderlichen anwendbar sind, wenn die
Gleichung:
dx,^ + dx^' H- • • • + dxn- = H.'dg,' + H,'dg.^ + • • • + S,rdg„^
zu Grunde gelegt wird.
31*
484 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
§ 271. Gleichungen von Lame.
Wir wenden nun die Christoffel'sche Formel (I), § 24, S. 43, auf
die Gleichung (9) an. Bezeichnen wir mit | * \ die ChristoffeFschen
Drei -Indices- Symbole für die Form:
SO ist offenbar, wenn i, h, l eine Permutation der drei Indices 1, 2, 3
bedeutet, nach § 24, S. 43, Grleichung (17) und (18), unmittelbar:
rn
= 0
H^ dHj^ dx
Hj. cHf, dx
H."^ dQ- CQ-
H/' d^i 'CQi
\ k j Hl'dQ,' 1 H "~ ^r-dQ,'
Die angeführten Gleichungen (I) lauten somit:
o^x 1 dH. dx
d^x 1 cHj. dx
^Qk^ ~H/^dQk^^k
und ihnen genügen auch y und s. Führen wir jedoch die Richtungs-
cosinus:
^ 1 dx
ein, so lassen sie sich folgendermassen schreiben:
dXj^ 1 dH^ dX^ 1 dHi
H^H,dJ,^'' d^=H,dQ, "
^3 _ _ }__^^_^ Y - 1-'^^ X
{dQ,- H.'dQ./^' H.^dQ,^'-
Die Integrabilitätsbedingungen für dieses System lauten:
' fl_'^x\- ' (^ '"' x\
d Q, U, 'dQ, ^7 - do, \H, 'dQ, ^7 '
Fi, [iL Jq: ^0 + dQ, \H, w, ^^) + CQ, \H, 'dQ, ^0 - ^'
Werden die Differentiationen ausgeführt und für die Differentialquo-
tienten der X ihre Werte aus (11) eingesetzt, so folgen unter Berück-
sichtigung des Umstandes, dass den so hervorgehenden Relationen auch
die Y und Z genügen müssen, für die H die folgenden beiden
(11)
§271. Gleichung, von Lame. §272. Existenzbeweis eines Orthogonalsystems. 485
nebst den sich aus ihnen durch Permutation der Indices ergebenden
Gleichungen:
c'H, 1 cHj^cH,
(a)
1 cH. cH,
CQiCQ^. Hj, CQi CQi. H^CQ^ CQ,-
1 f ff, cH,
^ ff,' CQ, CQ,
Schreiben wir diese sechs Gleichungen, welche die angeführten Lame'-
schen sind, einzeln hin, so erhalten wir das folgende System:
(A)
g,ff^ ^J^cH^ cH^ 1 cH^ cH^ ^
CQiCQ, ff. CQs CQi "*" ff, Cp, CQs '
CQsCQi ffj CQj CQs "^ ff, Cps CPi '
1 cH,cH^.
CQiCQi ffi CQ, CQi "' ffj rpi
CPj
L /i- ^^*) _i_ L ( J_ ^^) _{_ ^_ ^^ ^^ = 0
Ce, Vffj CPi/ ' CQ, Vff, Cßj/ ■" ffj* CQs CQs '
W jä^^ \h, CqJ -^ CQ, Vff, CQ, J ^ ff,' Ce, CQ,
f 93 Vff, ce, ' ' f 9i Vff, CQi' ' ff,' C^j cps
Diese Gleichungen sind, wie bemerkt, nichts anderes, als die Gleichungen ;
(ikj rs) = 0
ausführlich geschrieben.
§ 272. Beweis, dass aus dem Bestehen der Lame'schen Gleichungen
die Existenz eines Orthogonalsystems folgt.
Die Lame'schen Gleichungen (A) und (B), denen die H genügen
müssen imd die wir soeben als notwendig erkannt haben, sind für das
Vorhandensein des entsprechenden di-eifachen Orthogonalsystems auch
hinreichend. Um dieses zu beweisen, bemerken wir, dass sich, wenn
die H als gegeben vorausgesetzt werden, aus den Gleichungen (11) für
die Teme von unbekannten Functionen: Xj, X», X^; 1\, Y^, Y^;
Zi, Zg, Z^ das folgende System totaler homogener linearer Diiferential-
gleichungen ergiebt:
(12)
K+(Äl|^ + if ^)^^^-i^f ^^^:
ff, CQ,
kf^Qs = 0,
486 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
(12)
1 dH^
H9 do.
l.dQ, + (^^ || I3 + i-^ af ^0 ^^2
-^if ^3^C3=0,
di.
1 ^i?! j. , 1 ^i?2 fc J J_
+ (-fl;f s. + -ilf5^)<'^= = o
Diesen Gleichungen genügen nämlich, wenn das gesuchte System
existiert, die Werte:
t 'Y ^ IT J: "Y
»1 -^17 «2 -^ 2 J »3 •^3 7
ll = -^X 7 ^2 = -^2 7 ^3 = ^'i •
Werden nun die Lame'schen Gleichungen (A) und (B) als erfüllt
vorausgesetzt, so ist das System (12) unbeschränkt integrierbar,
da die Bedingungen hierfür genau die Gleichungen (A) und (B) sind.
Aus der Form dieser Gleichungen (12) geht sofort hervor, dass, wenn
Ij, I2? ^3; ^1? '%7 % zwei verschiedene oder übereinstimmende Lösungs-
systeme sind, die Identität:
besteht, d. h.:
ist.
^1^1 + ^2% + h% = Const.
Nach dieser Vorbemerkung erhellt genau ebenso wie in Kap. IV,
§ 50, dass wir drei Lösungssysteme: X^, Xg, Xg; Y^, Y^, Z,; Z^, Z^, Z^
finden können, welche die Coefficienten einer orthogonalen Substitution:
Aj, Xo, X3,
Y Y Y
^17 ^2 7 ^3
sind. Dann sind die drei Ausdrücke:
2JHi X, dQi , UHi Yi clQi , ZH^Zr cIq^
infolge der Gleichungen (12), denen die X, Y und Z genügen, voll-
ständige Differentiale. Setzen wir also:
dx = URi Xi dQi , dy = EHi Yt d^t , dz = EH, Z, dQ, ,
so ist in der That:
dx' + dy^ + dz' = H.'dQ,- + K/dQ,^ -f H,'dQ,\
Das gesuchte dreifache Orthogonalsystem ist somit wirklich vorhanden,
und der Beweis selbst lässt erkennen (vgl. § 50), dass es bis auf Be-
wegungen im Räume eindeutig bestimmt ist. Also:
§ 273. Conforme Abbildungen des Raumes. 487
Sind die Lame'schen Gleichungen erfüllt, so giebt es ein
und nur ein entsprechendes dreifaches Orthogonalsystem.
Um dasselbe zu erhalten, müssen wir das System totaler Differen-
tialgleichungen (12), das durch eine einzige Gleichung vom Riccati'-
schen Typus ersetzt werden kann, integrieren.
§ 273. Conforme Abbildungen des Raumes.
Die Lame'schen Gleichungen sind von Liouville zur Entscheidung
der Frage angewandt worden, ob es möglich ist, den Raum winkeltreu
auf sich selbst abzubilden. Liouville ist zu dem wichtigen Satz
gelangt :
Die einzig möglichen conformen Abbildungen des Rau-
mes auf sich selbst sind die Ähnlichkeitstransformationen
und die Transformationen mittels reciproker Radienvectoren
in Verbindung mit Verschiebungen.
Zum Beweise nehmen wir x, y, z als die Coordinaten eines be-
liebigen Punktes des Raumes (oder Raumgebiets) imd |, ij, ^ als die
Coordinaten des bei der vorausgesetzten conformen Abbildung ent-
sprechenden Punktes an, sodass |, »/, % bestimmte Functionen von
x^ y, z sind. Soll die Abbildung wiukeltreu sein, so muss das Ver-
hältnis :
von den Zunahmen dx, dy, dz unabhängig, d. h.:
rf|2 + dr^ -f rfr- = A (rf^ + dy- + dz')
sein, wo A eine Function von x, y und * ist. Wird nun in den Lame'-
schen Gleichungen (A) und (B)
x = 9i: y = 9-2, ^ = 9o, ^1 = H.2 = H^ = j-
gesetzt, so ergeben sich die folgenden:
(a) /^ = 0, J^=0, Ü- = 0,
^ ^ cycz ' czcx ' cxcy '
^P) rx» ' cy» ~ cy» ■" cz* ~~ cz* ' cx^ l l\cx) ' \cy/ '^ \cz/ J
Nun ergiebt sich aus (a):
wo X nur von x, Y nur von y, Z nur von z abhängt. Setzen wir
dieses in den Gleichungen (/3) ein, so erhalten wir:
488 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
(,) X"= r-= Z"= '^:^^' = Const. = 7..
Ist ^ = 0^ so folgt hieraus:
A = Const.,
es ist demnach die entsprechende Transformation einfach eine Ähnlich-
keitstransformation. Entgegengesetztenfalls setzen wir li = "^ und er-
halten durch Integration:
wo a, &; a^, \'^ a^, \ neue Constanten sind. Da aber infolge von (y)
[(x - af + (^ - a,y + (0- a,y+h + b, -{- \] =
sein muss, so folgt daraus:
Indem wir nun mit der vom Punkte (x, y, z) beschriebenen Figur eine
geeignete Translation vornehmen, können wir demnach l einfach gleich
machen, d. h. es ist:
dl' + äri^ + dl' = (i^ 4r^.p idx' + chf + äz^ .
Dieser Gleichung genügen die Werte:
und dieses sind genau die Gleichungen für die Transformation mittels
reciproker Radienvectoren bezüglich der Kugel:
x'-\-t/-{-2^ = c\
Der Liouville'sche Satz ist somit bewiesen*).
Es mag bemerkt werden, dass die Transformation mittels reciproker
Radienvectoren ein dreifaches Orthogonalsystem wieder in ein solches
überführt. Hieraus ergiebt sich im Falle einer Schar paralleler Flächen
wieder der in § 58 bewiesene Satz, dass bei der Transformation
mittels reciproker Radienvectoren die Krümmungslinien wie-
der in Krümmungslinien übergehen.
*) Einen geometrischen Beweis hat Capelli gegeben (Annali di Matema-
tica, 2. Serie, 14. Bd.).
§ 274. Hauptkrümmungsradien der Parameterflächen. 489
§ 274. Hauptkrümmmigsradien der Parameterflächen.
Wie wir gesehen haben, ist das dreifache Orthogonalsystem der
Gestalt nach vollkommen bestimmt, wenn die Functionen H^, H.^, H.^
bekannt sind. Es müssen sich mithin alle zum System gehörigen
Grössen durch H^, E^, H.^ und deren Differentialquotienten ausdi-ücken
lassen. Suchen wir nun speciell die Werte für die Hauptkrümmungs-
radien der Parameterflächen. Es bedeute, wie üblich, i}:l eine Per-
mutation der Indices 1, 2, 3 und r.i den Hauptki-ümmungsradius der
Fläche Qi == Const. längs ihrer Schnittcurve (einer Krümmungslinie)
mit der Fläche Qt = Const., d. h. längs der Curve, auf der nur Qk
veränderlich ist. HinsichtKch des Vorzeichens von rit halten wir
an der in Kap. IV, S. 98, getroffenen Abmachung fest. Die Glei-
chung (11):
giebt uns:
in.
HR, cg,
Schreiben wir die sechs dementsprechenden (von Lame angegebenen)
Gleichungen einzeln hin, so erhalten wir:
(13)
J_ 1 f H. J_ 1 cH, J_ 1 cH^
fii ~ 3^H^ cQi' r.s ~ H.H. cq. ' r^, H.H^ cq,
1 1 cH, 1 1 r-ffj J_ 1 rflj
Allgemein woUen wir Parameterlinien q, die Schnittcurven der
Flächen :
Qk = Const., Q; = Const.
nennen und unter Einführung der Bezeichnungsweise des Kap. I für
diese Curven unter «,, /3,, yt] £,, rj;, ^,: /,, u,, r, die Richtungscosi-
nus ihrer Tangente, ihrer Haupt-, ihrer Binormale und unter „ imd
-jT ihre erste bez. zweite Krümmung verstehen, wobei die in Kap. I
getroffenen Festsetzungen hinsichtlich der Vorzeichen in Kraft bleiben
sollen.
Wir haben dann nach § 33, S. 63, unmittelbar:
(14) cos«, = Xi, cos/3, = Yij cos/, = Z, .
Wenn wir diese Gleichungen nach p, differenzieren, so erhalten wir
490 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bogenelement der
Curve Qii
dSi = HidQi
ist, sowie der Frenet'schen Formeln und der Gleichungen (11):
Durch Quadrieren und Addieren folgt hieraus:
1
'ki 'li
Aus den Gleichungen (14) und (15) ergiebt sich ferner:
(16) cos Xi = + Ili 1- Bi — , cos ^i = + •^« h •^« — '
'''li '''ki ''' i '''ki
^k — ^l
cos Vi = -{i I^i -; ~ + Ih ^7- '
''l i ''k i
wo die oberen oder die unteren Vorzeichen gelten, je nachdem die Per
mutation i, h, l der Indices 1, 2, 3 gerade oder ungerade ist. Nun
haben wir infolge der Frenet'schen Formeln:
1 •%-! 1 i- c* cos l
also unter Berücksichtigung der voraufgehenden Gleichungen und (11):
1 B.
J'ii '^9i\''ki) ^ki^9i\riJ_
, 1 ^ ^li
==+-:==- -TT— arc tg —
Nehmen wir, was ohne weiteres erlaubt ist, die Permutation ikl als
gerade an und setzen wir:
-^,: . -^t
cos fijj = — — , sin coj = ;
^li 'ki
so erhalten wir:
cos |j = cos diXi -{- sin OiXk , cos rji = cos co,- Yi -j- sin «» Y^ ,
cos ^i = cos c3iZi -{- sin coiZk ;
cos ki = sin coi Xi — cos coiXk , cos ^i = sin eoj Yi — cos ojj Yk ,
cos Vj = sin cOfZi — cos coiZk .
Die geometrische Bedeutung des Winkels «,: ist nach diesen Gleichungen
die folgende: er ist der Winkel, den die positive Richtung der Nor-
male der Curve Qi mit der Curve Qi bildet, und es ist:
1 1 ^ oj/
§ 275. Äquidistanzcurren und Cayley'sche Gleichung. 491
Im einzelnen haben wir also ausser den Gleichungen (13) noch die
folgenden:
-"l »^si »Sl -"* '^S; M! -"s MS '^SS
(18)
1 _ 1 rcoj
r, ~ H, cQi '
1 1 f töj
3; - H, cg, '
1 1 c©,
2; "" fl, cg.
's»
tang «3 = ^-
§ 275. Äquidistanzeurven und Cayley'sche Gleichting.
Das Bogenelement der Parameterlinien q^,
ds^ = S-idg.^,
kann auch als das unendlich kleine Stück der Normale der Fläche q^
zwischen dieser und der nächsten Fläche derselben Schar, g^ -\- dg^,
angesehen werden. Auf der Fläche q^ sind also die Curven Ä = Const.
diejenigen, längs deren dieses unendlich kleine Stück der Xonnale
constant ist: sie werden deshalb als die Äquidistanzeurven (Gleich-
abstandslinien) der Fläche p, = Const. bezeichnet*). Da nun die
Richtungscosinus der Tangente der Aquidistanzcurve H^ = Const. pro-
portional dx, dy, dz, d. h. proportional ^ — dg^ + '^ — ^Qz "• s- w. sind,
andrerseits aber auch
Sz^Qi + dQx, 9^. + ^92, P3) = Const.,
d. h. :
1^ dp, + i^ dg. = 0
ist, so sind hiemach die Richtungscosinus der Tangente proportional
den Binomen:
cHg ex cRi ex cH^ cy cU^ dy^ oH^ cz cH^ cz
C9t cg^ cgi cg^ cg^ cg^ cg^ cg, cg, cg^ cg^ cg^
d. h. (§ 274') propoi-tional cosAg, cosu., cos 1-3. Daraus folgt der Satz:
Die Normalebene in einem Punkte einer Aquidistanz-
curve auf einer Fläche g.^ = Const. fällt mit der Schmie-
gungsebene der Orthogonaltrajectorie pg dieser Fläche durch
den betreffenden Punkt zusammen.
*) Nui- im Falle, dass fl, constant wäre oder von 9, allein abhinge), würde
jede Curre als Äquidistanzcurve aufzufassen sein. Dann wäre aber:
r,. r,. ü.
d. h. die Curven g^ wären gerade Linien und die Flächen 9, = Const. einander
parallel.
492 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
Die Gleichung (17):
durch welche die Krümmung dieser Orthogonaltrajectorie bestimmt
wird, lässt sich auch, wie folgt, schreiben:
(20) ^ = v^J^~h; = y-jjo^n ,
wenn z/^ den ersten Differentialparameter für das Quadrat des Linien-
elements der Fläche q^ = Const. und sn das unendlich kleine Stück
der Normale der Fläche q^ = Const. bis zur nächsten Fläche bedeutet,
wobei £ eine unendlich kleine Constante und n eine Function von q^
und Q,^ ist. Zu beachten ist, dass sowohl der obige Satz als auch die
Gleichung (20) allgemein für ein beliebiges System von Flächen und
deren Orthogonaltrajectorien gelten*).
In unserem Falle aber, wo es sich um dreifache Orthogonalsysteme
handelt, muss die -Function n infolge der dritten Lame'schen Gleichung
(A) noch der Gleichung:
CQi dq^ i/i CQ^ CQi ~r J4 dQi CQi
oder unter Anwendung der Bezeichnung für die covarianten Differen-
tialquotienten bezüglich der Fläche q.^ = Const. (§ 26, S. 46, (22))
noch der Gleichung:
^«12 = 0
genügen.
Diese Gleichung, auf die wir bereits bei verschiedenen Unter-
suchungen, speciell bei der Frage nach den Cykelsystemen , zu denen
eine gegebene Fläche gehört, gestossen sind, ist in der vorliegenden Be-
deutung von Cayley angegeben worden und möge als die Cayley'sche
Gleichung bezeichnet werden.
Aus den Eigenschaften der covarianten Differentialquotienten (Kap. II)
geht sofort hervor, dass für eine beliebige Fläche S in einem allge-
meinen Coordinatensystem m, v die Cayley'sche Gleichung folgender-
massen lautet:
(21)
E F G 1 = 0,
D B' B" \
wenn
Edu^ -\-2Fdudv -f Gdv\
Bdu^ + 2B'dudv + B"dv^
*) S. Morera, Sui sistemi di superficie e le loro traiettorie ortogonali
(Rendiconti del Reale Istituto Lombardo, 4. März 1886).
§ 276. Combescure'sche Transformation. 493
die beiden FundamentaldijSerentialformen von S sind*). Ist nun:
die Gleichung einer Schar von oc^ Flächen, die einem dreifachen Ortho-
gonalsystem angehört, so können wir
1
setzen. Wenn wir nun dieses in (21) einsetzen, so ergiebt sich offen-
bar für A eine partielle Differentialgleichung dritter Ordnung, und zwar
die Darboux'sche Gleichung, von der in § 269 die Rede war.
Hieraus lässt sich leicht folgern:
Damit eine Schar von oc^ Flächen einem dreifachen Or-
thogonalsystem angehöre, ist notwendig und hinreichend,
dass der unendlich kleine senkrechte Abstand zwischen je
zwei auf einander folgenden Flächen der Schar der Cayley'-
schen Gleichung (21) genügt.
§ 276. Combescure'sche Transformation.
Combescure hat eine wichtige Transformation der dreifachen
Orthogonalsysteme angegeben**), zu der später unabhängig von ihm
Darboux für den allgemeinen Fall der Orthogonalsysteme mit n Yer-
änderlichen gleichfalls gelangt ist***).
*) Als Beispiel werde eine Fläche S betrachtet , die auf eine Rotationsfläche
abwickelbar ist, und es sei bei ihr:
ds- = rf«* -|- r*dv^, r = qp(u) .
Wird
n=Crdu
gesetzt, so ergiebt sich sofort:
n^^du- + 2n,gdi«d© + n,jdB* = r'{du^ + r'dv*).
Daraus folgt: Für die Fläche S ist die Function:
n = / rdu
eine Lösung der Cayley'schen Gleichung.
Ist S im besonderen eine Schraubenfläche, so ist die nächstfolgende Fläche
wieder eine Schraubenfläche mit derselben Axe und Ganghöhe. Hierdurch ist die
Existenz dreifacher Orthogonalsysteme, die eine Schar von Schraubenflächen mit
gemeinsamer Axe und Ganghöhe enthalten, erwiesen. (Vergl. die Abhandlung des
Verfassers: Annali di Matematica, 1. Serie, 4. Bd.)
**) Annales de l'Ecole Normale Superieure, 1. Serie, 4. Bd.
***) Annales de l'Ecole Normale Superieure. 2. Serie, 7. Bd.
494 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
Auf unsern Fall beschränkt, ist die Aufgabe, die auf die Com-
bescure'sche Transformation führt, die folgende:
Gegeben ist ein dreifaches Orthogonalsystem mittels der
Gleichungen:
es soll ein zweites:
x'= x'(q,, q.^, Qs), y = y{Q,, q^, q^), z = z\q^, q^, q^)
von der Beschaffenheit gefunden werden, dass in jedem
Raumpunkte (a?, y, z) die Normalen der drei Flächen des
ersten Systems den entsprechenden Normalen im Punkte
{x', y', z') des zweiten Systems parallel sind.
Da die Richtungscosinus des Haupttrieders : X^^, Y^, Z^-^ X^, Y.^, Z^'^
Xo, Yo, Z.^ für beide Systeme dieselben sein müssen, so ist infolge
der Gleichungen (11), § 271, klar, dass dieses auch mit den Grössen:
1 dH^
der Fall sein muss. Führen wir nun mit Darboux die Bezeichnung:
1 dH.
ein, sodass die Gleichungen (11) in:
(22)
cX,
j^ = - ßaX, - ßn-X,
übergehen, so nehmen die Lame'schen Gleichungen in den ß die fol-
gende Gestalt an:
'9c
W) j^-ß^'ß"-^
dß.r. dB,.
(B*) ^'^^+^ + ^,,^,,=0,
wo, wie gewöhnlich, ihl eine Permutation der Indices 1,2, 3 bedeutet*).
Die gestellte Aufgabe ist demnach mit der folgenden Frage gleich-
bedeutend :
Wenn die ß^i (i, /^ = 1, 2, 3) drei Functionen von q^, q^, q.,^ sind,
die den Gleichungen (A*) und (B*) genügen, giebt es dann ein oder
mehrere Wertsysteme H^, H^, H^, die mit den ß durch die Relationen:
*) Die Gleichungen (A*) ziehen sechs und die Gleichungen (B*) drei Glei-
chungen zwischen den |3 nach sich.
S 276. Combescure'sche Transformation.
495
(23)
ßn =
1 cH^
R 1 cB,
^23 — H,CQ, '
1 c^,
^^^ = i^, rp/
1 cH,
H. CO, '
1 cH,
P3ä— H, CO'
. 1 ^fi^,
'^^^ -ff, C9,
^21 =
verbunden sind?
Eliminieren wir aus diesen Relationen z. B. Hy und 5"^, so erhalten
wir für H^ die drei simultanen Differentialgleichungen:
( c'H,
(24)
CQiCQi
c log ft, f Ä,
C^xCQ^
c-H,
+ ßizßzi^ä}
CQ.CQ,
CQi CQi
CQs CQ» ' f^-'f^-*- "*
Umgekehrt, ist H^ eine Lösung dieses Simultansjstems, so wird allen
Gleichungen (23) Genüge geleistet, wenn
^1 =
1 cS, ^ ^ 1 cH,
gesetzt wird. Werden aber die Gleichungen (24) bezüglich nach Pi , Pg > Qs
differenziert and unter Berücksichtigung eben dieser Gleichungen die
c^H
Wert€, die sich dabei für p — ^ — ^ — ergeben, einander gleich gesetzt, so
entstehen zufolge (A*) ebenso viele Identitäten. Die allgemeinen Sätze
über partielle Differentialgleichungen besagen nun:
Die allgemeinste Lösung £3 der Gleichungen (24) ent-
hält drei willkürliche Functionen von nur je einer der Ver-
änderlichen. Demnach haben wir das Ergebnis:
Jedem dreifachen Orthogonalsystem entsprechen unend-
lich viele solche, die drei willkürliche Functionen enthalten
und bei denen in jedem Punkte die Orientierung des Haupt-
trieders die nämliche ist, wie in dem entsprechenden Punkte
des ersten Systems.
Von den neuen dreifachen Orthogonalsystemeu möge es heissen,
dass sie aus dem ursprünglichen mittels der Combescure'schen
Transformation erhalten seien. Ihre analytische Bestimmung beruht
auf der Integration des Systems (24), worauf sie sich mittels Quadra-
turen aus den Gleichungen:
dx'=ZH,X,dQi, dy'= EHiYidQi, dz'= EHiZidgi
ergeben, wobei die X,-, 3^-, Zi ihre ursprünglichen Werte beibehalten.
Es ist klar, dass in den abgeleiteten Systemen jede einzelne
Fläche mit der entsprechenden Fläche des Ausgangssystems die sphä-
rischen Bilder der Krümmungslinien gemein hat.
496 Kap. 18. Allgemeine Sätze über dreifache orthogonale Flächensysteme.
Anmerkung. — Zur Aufstellung der Comb es eure 'sehen Trans-
formation können wir nach Darboux*) in folgender symmetrischer
Weise verfahren: Es seien W^, Wo, W^ die algebraischen Entfernungen
des Punktes [x, y, z) von den Hauptebenen des Punktes (x' y' z'), sodass
Wi = 2:{x'—x) Xi
ist. Hieraus folgern wir:
(«) 15 = ßa m
oder:
Es wird also:
A(fl;.Tr,)=/-(ir*Tr,).
Folglich können wir eine neue unbekannte Function W einführen^
durch deren Ableitungen W^, W^, W.^ mittels der Gleichungen:
^^^ H, dg,' ^^^ H, dg,' '.'^^ H, dg,
ausdrückbar sind. Dann kommt aus (a):
c'-W d log H.dW c log H^dW
dg/dgj. dg,. dg- dg, dgj.'
und für die unbekannte Function W bekommen wir somit das sym-
metrische Gleichungssystem:
iß)
-r
dgi dg^ dg^ dg^ dg^ dg._, '
d^W _ d log H^ dW d log ^3 dW
dg^dgs dg^ dg.^ ' dg^ dgs '
d'-W _ g log Hj dW dlogH, dW
^cggdg^ dg^ dg^ dgs cg^
Die Integrabilitätsbedingungen für dieses System werden identisch
erfüllt^ woraus folgt, dass die allgemeine Lösung W drei willkürliche
Functionen enthält, da die Werte von W längs dreier von einem
Punkte P ausgehender Parameterlinien q^, p^, q.^ ganz beliebig vorge-
schrieben werden können. Ist umgekehrt W irgend eine Lösung des
Systems (ß), so bestimmt die Gleichung:
, 1 dW^ . 1 dW -y . 1 dW ^
^' = ^ + s: dg; ^i + i/: ^ ^^ + jf, dg; ^^
nebst den analogen für y', z' ein neues, durch Combescure'sche
Transformation abgeleitetes Orthogonalsystem.
*) Darboux, Leyons u. s. w., S. 288 u. f.
Kapitel XTX.
riitersüchung: einiger speeieller dreifaelier Ortliogonalsysteme.
Systeme, die eine Schar von Rotationsflächen enthalten. — Osculierende Cykel-
STsteme. — Combescure'sche Transformation der normalen Kreissvsteme. — Die
abgeleiteten Systeme sind die allgemeinsten, die eine Schar von eben n Krüm-
mungslinien haben. — Charakteristische Elemente dieser Systeme und ihre Be-
stimmung mittels Quadraturen. — Dreifaches Orthogonalsystem der confocalen
Mittelpunktsflächen zweiten Grades. — Elliptische Coordinaten. — Geodätische
Linien auf den Mittelpunkt^flächen zweiten Grades. — Sätze von Chasles und
Liouville. — Geodätische Linien auf dem EUipsoid. — Satz von Joachimsthal. —
Geodätische Linien durch die Xabelpunkte. — Die Krümmungslinien als geodä-
tische Ellipsen und Hyperbeln, welche die Nabelpunkte zu Brennpunkten haben.
— Sätze von Roberts und Hart.
§ 277. Dreifache Orthogonalsysteme, die eine Schar von
Rotationsflächen enthalten.
In diesem Kapitel wollen wir die allgemeinen Sätze des vorigen
Kapitels auf einige einfache Klassen von dreifachen Orthogonalsvstemen
anwenden.
Wir suchen zunächst diejenigen dreifachen Orthogonal-
systemCj welche eine Schar von Rotationsflächen enthalten.
Angenommen, in dem dreifachen Orthogonalsystem, das durch den
Ausdruck für das Quadrat des Linieuelements des Raumes:
ds- = SrdQ,^- + SL'dQ^^ -f E,^dQ,^
definiert ist, seien die Flächen q.^ = Const. Rotationsflächen, und zwar
seien die Curven q,. = Const. ihre Meridiancurven. Da diese Cui-ven
geodätische Linien sind, so ist (S. 148):
CQa
Die erste der Lame'schen Gleichungen (A), S. 485, giebt somit:
t^ = 0 oder £^ = 0.
Bianchi, Differentialgeometrie. 3S
498 Kap. 19. Untersuchung oinigor specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
Im zweiten Falle wäre infolge der Gleichungen (13), S. 489:
'=0, i = 0;
es wären demnach die Rotationsflächen q,^ = Const. abwickelbare
Flächen, und zwar Kegel oder Cylinder. Diesen Fall wollen wir aus-
schliessen *). Es bleiben somit nur die Bedingungen:
übrig, woraus
^ = 0 ^ = 0
' «11 ' <10
folgt. Demnach sind die Flächen q.^ = Const, Ebenen, nämlich die-
jenigen der Meridiancurven der Flächen Q2 = Const. Also: Die Rota-
tionsflächen ()y = Const. haben eine gemeinsame Drehaxe, und das
dreifache Orthogonalsystem ergiebt sich, wenn in einer Ebene ein (be-
liebiges) doppeltes orthogonales Curvensystem gezogen und um eine
in dieser Ebene gelegene feste Axe gedreht wird. Das auf diese Weise
erzeugte System von Rotationsflächen bildet zusammen mit den Meri-
dianebenen das gesuchte dreifache System. Es ist klar (und kann auch
aus den Lame'schen Gleichungen gefolgert werden), dass in dem vor-
liegenden Falle durch passende Wahl des Parameters ^3 auch H.j un-
abhängig von Q.j gemacht werden kann. Wir können also sagen: Die
charakteristische Eigenschaft der hier betrachteten drei-
fachen Orthogonalsysteme besteht darin, dass in dem Aus-
druck für das Quadrat des Linienelements,
die Coefficienten H^, H^, H.^ Functionen von nur zwei Ver-
änderlichen, Q^ und Q^j sind.
Die Combescure'sche Transformation bietet in diesem Falle wenig
Interesse: die abgeleiteten Systeme enthalten nämlich ofl'enbar auch eine
Schar von Ebenen und sind mit den in § 269 betrachteten Systemen
identisch.
*) Hierzu mag Folgendes bemerkt werden: Da dann H^ nur von ^j abhängt,
so kann H^ gleich Eins gesetzt werden. Es sind dann die Parameterlinien q^
(irerade. Demnach sind die Flächen pj = Const. einander parallel, und zwar
sind es im Falle der Cylinder Ebenen, im Falle der Kegel Flächen, für welche
die Krümmungslinien der einen Schar Kreise sind. Der Leser wird leicht nach-
weisen können, dass im letzteren Falle die Drehaxen der Kegel die Tangenten
der Ortscurve der Spitzen sind. Diese Curve kann übrigens willkürlich gewählt
werden, ebenso wie auch die Öffnungen der Kegel willkürlich bleiben.
§ 278. Osculierende Cykelsysteme. 499
§ 278. Osculierende Cykelsysteme.
Eine bemerkenswerte Klasse von dreifachen Ortliogonalsvstemen
bilden die Ribaucour'schen Cykelsysteme oder die normalen
Kreissysteme, die wir .schon in Kap. XIII behandelt und für die wir
specieU in § 187, S. 354, den Ausdruck für das Linienelement des Rau-
mes bestimmt haben. Ein schöner Satz tou Ribaucour ermöcrlicht
es, aus jedem dreifachen Orthogonalsystem unendlich viele nonnale
Kreissysteme abzuleiten. Er lautet:
Werden in den Punkten einer Fläche S eines dreifachen
Orthogonalsystems die Schmiegungskreise der Orthogonal-
trajectorien der demselben System angehörigen Flächen con-
struiert, so gehören diese doppelt unendlich vielen Kreise
einem normalen Kreissystem an.
Dieses nonnale Kreissystem wollen wir als das osculierende
System des gegebenen Systems längs der Fläche /S bezeichnen.
Um diesen Satz zu beweisen, haben wir nur die Gleichungen des
vorhergehenden Kapitels mit den Gleichungen in § 182, S. 344, zu ver-
gleichen, die sich auf die Bestimmung derjenigen Cykelsysteme be-
ziehen, deren Kreise eine gegebene Fläche orthogonal schneiden. Ist
nämlich (p^, pg, q^) ein dreifaches Orthogonalsystem, in dem das
Quadrat des Linienelements des Raumes die Form:
annimmt, und betrachten wir eine bestimmte Fläche des Systems:
P3 = Const.,
so ist die Function ff^ eine Lösung der Cayley 'sehen Gleichung:
f 'S, _ 1 cH^ cH^ 1 fS, cR^
T rr
rp, rpj S, cQi CQi ' fl, ?p, rpj
Bedeutet R^ den Radius des Schmiegungskreises einer Parameterlinie
P3 und »3 den Winkel, den die positive Richtung ihrer Hauptnormale
mit der Curve q^ bildet, so ist (§ 274, S. 491 und 489):
J?,^ Sx'\ cg, ] '
Ä,n cg.
cos ÜJ^ = * = '
^ '-,3 Jix
c log H^
clogH,
Diese Gleichungen beweisen, verglichen mit den Gleichungen (5) und
(13) auf S. 345, den Ribaucour'schen Satz.
500 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonaljsteme.
§ 270. Dreifache Orthogonalsysteme mit einer Schar von ebenen
Krümmungslinien.
Die Combescure'sche Transformation der normalen Kreissysteme
liefert eine interessante Klasse von dreifachen Orthogonalsystemen. Es
ist ohne weiteres klar, dass in jedem System, das durch eine Com-
bescure'sche Transformation aus einem normalen Kreissystem abgeleitet
wird, diejenigen Curven, welche Kreisen entsprechen, ebene Curven
sind, da die Tangenten einer jeden den Tangenten des entsprechenden
Kreises parallel sind. Also:
In den durch eine Combescure'sche Transformation aus
normalen Kreissystemen abgeleiteten dreifachen Orthogonal-
systemen sind die Orthogonaltrajectorien der Flächen einer
der drei Scharen ebene Curven.
Es lässt sich auch leicht nachweisen, dass sich umgekehrt jedes
dreifache Orthogonalsystem, in dein die Orthogonaltrajectorien der
Flächen einer der drei Scharen ebene Curven sind (in dem also die
Flächen der anderen beiden Scharen eine Schar ebener Krümmungs-
linien besitzen), durch eine Combescure'sche Transformation aus einem
normalen Kreissystem ableiten lässt. Es sei nämlich (()j, q.,^ q.^) ein
dreifaches Orthogonalsystem, in dem die Parameterlinien q._, eben seien.
Wir betrachten eine Fläche Äj der Schar [q^) und das im vorher-
gehenden Paragraphen definierte osculierende Cykelsystem längs derselben.
Es erhellt sofort, dass diejenigen Flächen, deren Krümmungslinien
die Kreise des Cykelsystems sind, dieselben sphärischen Bilder der
Krümmungslinien haben wie die Flächen:
Q^ = Const., Q.j = Const.
des Ausgangssystems. Daraus folgt, dass zwischen den beiden drei-
fachen Orthogonalsystemen die durch die Combescure'sche Transfor-
mation vermittelte Beziehung hergestellt werden kann. Also:
Wenn in einem dreifachen Orthogonalsystem (ßi, Q2j 9:))
die Curven q. eben sind, so lassen sich die osculierenden
Cykelsysteme längs der Flächen q.^ = Const. durch eine
Combescure'sche Transformation aus dem Ausgangssystem
ableiten.
Um alle in Rede stehenden Systeme (^j, q.^, ()..) zu finden, brauchen
wir also nur diejenigen zu suchen, welche ein gegebenes Cykelsystem
als osculierendes System haben. Diese Aufgabe lässt sich nun, wie
wir jetzt beweisen wollen, lediglich durch Quadraturen lösen*).
*) Vgl. die Abhandlung des Verfassers in den Annali di Matematica, 19.Bd, 1890,
§ 279. Dreifache Orthogonalsyst. mit einer Schar v. ebenen Krflmmungsliaien. 501
Dazu müssen wir auf die Gleichungen des Kap. XIII für die nor-
malen Kreissysteme, insbesondere auf die Gleichungen des § 187,
S. 354, zurückgehen, wo wir in der Formel (23) für das Quadrat des
Linienelements des Raumes, bezogen auf ein normales Kreissystem
(«, t', «•), den Ausdruck:
(1) f?6-2 = h^^dii^ + /vrft- + h^^dw^
gefunden haben. Hierin haben h^, 7/^, h^ die folgenden Werte:
Ä. = 2cos|[|i-V^tang| ^1 + "^),+ ^^^ [Vjp],
(2)i;, = 2sin|[|f + 1/5 cot I si„(.- e).- j^^, !Vlo]>
i ■ et
wo die Grössen E, G, ^, 6, q, t die in § 184, S. 347, 348, angege-
bene Bedeutung haben. Wir erinnern daran, dass £", G^, ü die drei
Functionen von u und v sind, die in dem Ausdruck für das Quadrat
des Linienelements der Kugel auftreten:
ds"' = Edu~ + 2cos P.YEG du d v + Gdv-,
das auf die Bildcurven («, v) der abwickelbaren Flächen desjenigen Strahlen-
systems, dessen Strahlen die Axen der Kreise sind, bezogen ist, während
I * ^ 1 und I " [ die Christoffel'schen Svmbole bezüglich des Linien-
Clements der Kugel sind. Der Winkel 6 ergiebt sich aus der Glei-
chung (20), S. 349, d. h. aus der Gleichimg*):
und genügt daher den Gleichungen:
/0\ C COS6 ci / ^ 1\fl2l C cos ff ctf ^I1\(l'^l
(3) -p^ = 2(cos(y— 1)| , }, -^^ = 2(cos(j + l)| ^ J,
die zweckmässig in der nachstehenden Form geschrieben werden:
/oi^\ c log sin c 2 cos 6 | 1 2 1 r log sin e 2 cos g [ 1 2 \
^ ^ c II 1 -}- cos o\2J' cv 1 — cos ff \ 1 I
*) Falls die Gleichung (a) des Textes eine Identität, d. h. :
^ (121 r |12) 1121 (121
gl» 1 1 I - ?7 l 2 ) ~ ^ l 1 1 l 2 1
ist, so muss man auf die weiterhin folgenden Gleichungen (3) oder (3*) zurück-
gehen, die 6 bis auf eine Constante bestimmen (vgl. § 185).
502 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
Die Function q(u,v) ist eine (beliebige) Lösung der Laplaco'schen
Gleichung (vgl. (15) auf S. 347):
(4)
J^Q , i^ArQ , [12\ CQ
cucv ~^ \ 1 j ru^ \ 2 J dv '
A 12 ^ 12
+ COS Sl YEG
Endlich ist t die allgemeine Lösung der unbeschränkt integrierbaren
totalen Differentialgleichung (vgl. (18) auf S. 348):
(5) rf<=[y£tang|cos(<+ "t) + {{"l, +Y^- [^ ^'] Bm £i\du -
- 'VG cot -: cos (^ - f ) + 1 II + ]/§: { - } sin ß] äv.
Diese allgemeine Lösung t enthält eine willkürliche, mit w bezeichnete
Grösse, die als dritte Veränderliche nur in t enthalten ist.
§ 280. Fortsetzung.
Nachdem wir so an die früheren Gleichungen erinnert haben,
bilden wir für das normale Kreissystem die Grössen ß^^ des § 276,
S. 494. Wir erhalten:
(5*)
ß2i =
ß,2 =
1 dh
Aj du
YG sinlt —
ß di
cot
(1211
1 cK
-TT - = COS ^- ■ -7^ ,
K dw
1 d\
h^ cv
1 o\
K civ
/£si„(<+f)+ta„g| {'/};,
yo cos it — )
.— -. ßv,
1 dh^
h, c u
■ G dt
sm-- • 7^-
Nun wenden wir die Combescure'sche Transformation an, indem wir
zur Bestimmung der Coefficienten H^, H^j H.i des durch die Gleichung:
definierten transformierten Systems die Gleichungen (24), S. 495, be-
nutzen, die zur Berechnung von H.^ dienen. Führen wir in ihnen
statt ifg mittels der Gleichung:
dt
H. =^ B sin <?
dw
§ 280. Fortsetzung. 503
eine neue unbekannte Function R(UjV,to) ein, so erhalten wir zur
Bestimmung von R die drei simultanen Diflferentialgleichungen:
( P'R V r- 6 . I . . Sl\ 2cosff (l2\~lcJJ
C*R r -./TV t« • (4 ^\ I 2COSC (I2\"|c-R
Die ersten beiden lassen sich aber infolge der Gleichimgen (3*) nnd
(5) so schreiben:
7^ log ^ — = — ^— log I sm ö ö— ) »
TT- loff - — ^ — ^^ log (sin tf >.— I •
Daraus folgt durch Integration sofort:
rR W
c IC . a et
sin- ;^-
2 cw
wenn W eine willkürliche Function von w ist. Eine nochmalige In-
tegration nach w liefert:
w
„ 1 /^Wdw , ,/ X
worin tc^ einen festen Wert von w bedeutet und die Function ^ nur
von u und v abhängt. Diese Function ist so zu bestimmen, dass der
Wert (7) von R auch der dritten der Gleichungen (6) genügt. Nun
lässt sich sofort nachweisen, dass die Fimction ^5^^,^ der eben an-
geführten Gleichung genügt, imd da die Coefficienten dieser homogenen
linearen Differentialgleichung frei von ic sind, so genügt ihr auch die
Function:
1 X* Wdw
sinff / et
.J cw
Also: Allen Bedingungen (6^ wird genügt, wenn in der
Gleichung (7) für ^'(m, «) eine beliebige Lösung der Laplace-
schen Gleichung gewählt wird:
504 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
ducv' \ 1 } du * \ 2 j CO '
+
0
du
fl2\ , c {12\ . r^T/iTn
li J +^^12) +^osSiyEG
t = o,
von der die Bestimmung der (cyklischen) Strahlensysterae
abhängt, welche die Curven u, v auf der Kugel zu Bildern
ihrer abwickelbaren Flächen haben.
Kann diese Gleichung vollständig integriert werden, so können
auch zu dem gegebenen normalen Kreissystem alle Combescure'schen
transformierten Systeme angegeben werden. Die Aufgabe aber, die
wir uns in § 279 gestellt haben, nämlich, diejenigen Combescure'schen
abgeleiteten Systeme zu bestimmen, welche das gegebene normale
Kreissystem zum Schmiegungssystem längs der Fläche tv = Wq haben,
wird, wie wir nun zeigen wollen, einfach dadurch gelöst, dass in (7)
gesetzt wird.
§ 281. Erledigung dieses Problems.
Da H^ den Wert B sinö ^ hat, wo B durch die Gleichung (7)
gegeben ist, so ergeben die Gleichungen (§ 276, S. 494):
1 ß,S CU ' 2
infolge der Gleichungen (5) und (5*):
^23 ^^
(8)i
iri=2cos:,
dB
cu
Ho = B sin 6
cw
Für die Hauptkrümmungen:
^13 -Hs
erhalten wir mithin die Werte:
m
'''« 2ü!cos •■ ""'^ 2Äsin4-
§ 281. Erledigung dieses Problems. 505
also für die Grössen q^, to^, ^r- in § 274:
Q, = B sinö, «j = o ' ^ = 0.
- -'s
Aus den früheren Gleichungen für q^ und w^ geht, wenn auch die
Gleichungen (8) berücksichtigt werden, gerade die Richtigkeit unserer
Behauptung hervor: Will man das abgeleitet« System erhalten, für
welches das gegebene normale Kreissystem das Schmiegimgssystem
längs der Fläche iv = ic^ ist, so muss man in der Gleichung (7) ^•
gleich 9, d. h. :
sma I
et
cto
setzen. Das Auftreten dei willkürlichen Function W in dieser Glei-
chung ermöglicht es, einer der ebenen Farameterlinien ic eine vorge-
schriebene Gestalt zu geben. Aber damit ist dann die ganze Schar
eindeutig bestimmt. Mithin haben wir den Satz gewonnen:
Zur Bestimmung eines dreifachen Orthogonalsvstems,
in dem die orthogonalen Trajectorien der Flächen eines der
Systeme 2^ ebene Curven C sind, können die folgenden Ele-
mente willkürlich gegeben werden: erstens eine Fläche 2^q
des Systems Z", zweitens eine Curve Q von den Curven C
und drittens das osculierende Cykelsystem längs Z!q. Diese
Elemente bestimmen das System eindeutig. Es ergiebt sich
lediglich mittels Quadraturen, wenn die Krümmungslinien
von Zq bekannt sind.
Unter den vorstehenden Systemen giebt es eine Klasse, die beson-
dere Erwähnung verdient. Der Winkel — giebt infolge der früheren
Gleichungen die Neigung der Ebenen der Curven C gegen die Flächen
II = Const. an. Wir suchen mm unter den betrachteten dreifachen
Orthogonalsystemen diejenigen, für welche der Winkel 6 constant ist.
Da dann infolge der Gleichungen (3)
fl2|_ fi2|_^
1 1 I - ^' 1 2 I - -
ist, so sind die Curven u, v die Bilder der Haupttangentencurven einer
pseudosphärischen Fläche (S. 130). Für das Quadrat des Linienelements
der Kugel ergiebt sich:
ds'^ = dti^ -j- 2cosSldu dv -\- dv',
worin ß eine Lösung der Gleichung:
506 Kap. 3 9. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
cucv '
ist (S. 131), und die Gleichung (4) für R geht über in die Gleichung
für die unendlich kleinen Verbiegungen der pseudosphärischen Flächen
(S. 297):
o — ^ — I-Rcos5i = 0.
cucv '
Demnach hängt also die Bestimmung dieser speciellen Systeme von
dem Problem der unendlich kleinen Verbiegungen der pseudosphäri-
schen Flächen ab *).
§ 282. Confocale Flächen zweiten Grades.
Wir wollen uns nun mit einem der einfachsten und wichtigsten
dreifachen Orthogonalsysteme, dem System confocaler Flächen zweiten
Grades, beschäftigen. Dasselbe giebt zu den elliptischen Coordinaten
Anlass, die von Lame in die Analysis eingeführt worden sind.
Wir betrachten das System confocaler Mittelpunktsflächen zweiten
Grades, das durch die Gleichung definiert wird:
. nn^ ni^ ^2
^^ ^^p + p^Tp + c^-f^"" '
worin q ein veränderlicher Parameter ist, und setzen
voraus. Die Fläche (9) ist nur dann reell, wenn q zwischen -\-oo und
— a^ liegt, und zwar ist sie insbesondere
ein EUipsoid für -f-cx) > ^ > — c^,
ein einschaliges Hyperboloid . für — c^ > ^ > — ^>'^,
ein zweischaliges Hyperboloid . für — 5^ > () > — a^ •
Für p = -j-cx) ergiebt sich eine Kugel von unendlich grossem Radius.
Ändert sich q von -|- oo bis — c^, so bleibt die Fläche immer ein
EUipsoid, dessen kleine Axe '\/c^ -P q immerfort stetig abnimmt, bis
sich in der Grenze für p == — c^ das EUipsoid zu dem (doppelt zu
rechnenden) Stück der x«/- Ebene innerhalb der Focalellipse :
52 _ ^2 = 1
abflacht. Sobald p < — c^ wird, so wird die Fläche ein einschaliges
Hyperboloid, und setzt man q = — c^ — e {e positiv) und lässt dann
£ zu Null abnehmen, so erkennt man, dass sich für £ = 0 das Hyper-
*) In Betreff weiterer Bemerkungen siehe die vorhin (S. 500) angeführte Ab-
handlung des Verfassers,
§ 282. Confocale Flächen zweiten Grades. § 283. Elliptische Coordinaten. 507
boloid zu dem ausserhalb der Focalellipse gelegenen Stück der jry- Ebene
abflacht. Diese Ellipse stellt somit den Übergang von der Schar der
Ellipsoide zu deijenigen der einschaUgen Hyperboloide dar.
In derselben Weise lässt sich zeigen, dass der Übergang von
dieser Schar von Hyperboloiden zur. Schar der zweischaligen Hyper-
boloide durch Überschreiten der Focalhyperbel:
= 1
a' — fc» b' — c-
bewerksteUigt wird.
Durch jeden Raumpunkt (|j r,, t) gehen drei Flächen des Systems
(1), die den di-ei Wurzehverten der in q cubischen Gleichung:
f{Q) = («^ + qW + qW + 9)- 0»' + qW + qW -
_ (^ + 9)(a^ + Q)r,' - (a^ + ^W + qW = 0
entsprechen. Da nun
/•(+oc)>0, fi-(^)>0, f(-b')>0, f(-c^)>0
ist, so hat die Gleichung drei reelle Wurzeln q^, q^, q^, die bezüglich
in den Intervallen:
+ oc> p, > — c-, — c- >Q.> — l-, —h->Q^> — a^
liegen. Die drei zugehörigen Flächen des Systems (9):
(10)
die durch den Punkt (§, iy, ^) hindurchgehen, sind bezüglich ein Elbp-
soid, ein einschaliges und ein zweischaliges Hyperboloid.
Wir können die Lage eines Raumpunktes {x, y^ z) mit Hilfe der
Parameter Qy, q^, q.^ der drei Flächen zweiten Grades des Systems (9),
die durch den Punkt hindurchgehen, bestimmen. In diesem Falle wer-
den Pj, p,, p3 die elliptischen Coordinaten des Punktes P genannt.
Sie hängen mit den Cartesischen Coordinaten x, y, z des Punktes
mittels der Relationen (10) zusammen.
§ 283. Elliptische Coordinaten.
Zur Berechnung des Linienelements des Raumes in elliptischen
Coordinaten (>j, q^j q^ bemerken wir*), dass, da Qi, Q^, Q^ die Wurzeln
der in q cubischen Gleichung:
*) S. Kirchhoff, Mechanik, 17. Yorlesong.
508 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
'": I ^' L ^V 1=0
sindj für alle Werte von q die Identität besteht:
/i -j\ ^^ 1 2/'i 1 ^'^_ ^ 1 (Pi — P)(P2 — q)(Qs —J)
Wenn wir nun beiderseits mit
multiplicieren und dann der Reihe nach
Q =' — a", Q = — h^, p = — c^
setzen, so erhalten wir:
n 9^ ^2 _ (ft' + ei)(a' + g2)(<^' + Ps) ,,2 _ (&' + ei)(^' + p2)(^' + es)
Diese Gleichungen geben die Cartesischen Coordinaten, ausgedrückt
durch die elliptischen. Aus ihnen ergeben sich durch logarithmische
Differentiation nach q^, q^j Q3 ^^^ weiteren Grleichungen :
ex X cy y
(13)
dg, 2(a'+Q^y cp. 2(&^ + p.)
h^~"^A^d *^'~^'^'^^'
und aus den Gleichungen (10) folgt durch Subtraction von je zweien
und unter Berücksichtigung der Gleichungen (13):
'VT ex dx ^ "V'7 dx ex
'VT ex ex ^ 'VT ex dx ^ "V7
0,
CQs ^Pi
WO die Summenzeichen andeuten, dass noch die entsprechenden Glieder
in y und 2 hinzukommen. Hieraus folgt bereits:
Das System (9) von confocalen Mittelpunktsflächen zwei-
ter Ordnung ist ein dreifaches Orthogonalsystem.
Wird nun (11) nach q differenziert und dann q der Reihe nach
gleich Qj, Q2, Q^ gesetzt, so ergiebt sich wegen der Gleichungen (13):
f2'(ä
(13*)
(Pl — P2)(Pl — Ps)
^ (^^Y= (P2 — P3)(P2 — Pl )
^' XcTq, I 4 {a' + Q,) (h^- + Q,) {c^- + Q,)'
'V ('il^'Y,^:^ __ (Ps — Pl)(p3 — P2)
folglich für das Quadrat des Linienelements des Raumes in elliptischen
Coordinaten der Ausdruck:
§ 283 Elliptische Coordinaten. § 284. Satz von Chasles. 509
j (Pa — gi)(g8 — g») J„ s1
■^ ^«^ + g,)(6* + Q,)\c' + g,) ' ^^ J"
Hieraus ersehen wir, dass in dem vorliegenden dreifachen Orthogonal-
system die Krümmungslinien auf jeder Fläche eines der drei Systeme
ein Isothermensystem bilden. Es giebt jedoch ein allgemeineres, von
Darboux*) gefimdenes dreifaches Orthogonalsvstem, dem dieselbe
Eitrenschaft zukommt. Die Flächen dieses Svstems sind ebenfalls
algebraisch, aber von der vierten Ordnung.
§ 284. Satz von Cliasles.
Das Isothermensystem der Krümmungslinieu auf einer Fläche zweiten
Grades besitzt femer die Eigenschaft, aus geodätischen Ellipsen
und Hyperbeln zu bestehen, wie aus dem Ausdruck (14) für das
Quadrat des Linienelements erhellt (vgl. § 88, S. 172, 173). Die Flächen
zweiten Grades gehören nämlich zur Klasse der Liouville'schen Flächen,
auf denen sich die geodätischen Linien mittels Quadraturen ergeben.
Wir wollen nun gerade die Eigenschaften der geodätischen Linien auf
den Mittelpunkt^flächen zweiten Grades, insbesondere auf dem Ellipsoid,
untersuchen. Anstatt aber von den allgemeinen Eigenschaften der
LiouviUe'schen Flächen auszugehen, wollen wir einen directen geome-
trischen Weg einschlagen, auf dem wir die Eigenschaften der cou-
focalen Flächen zweiten Grades verwerten, und wollen dann die so
erhaltenen Ergebnisse mit denjenigen vergleichen, welche aus den
allgemeinen Gleichungen in § 88, Kap. VI, folgen**).
Der grundlegende, von Chasles heiTührende Satz, der geome-
trisch zur Bestimmung der geodätischen Linien führt, ist der folgende:
Das Strahlensystem, das von den gemeinschaftlichen
Tano^enten zweier confocaler Flächen zweiten Grades gebil-
det wird, ist ein Normalensystem.
Es seien nämlich p', q" die Werte des Parameters q in der Glei-
chung (9) für die beiden in Rede stehenden confocalen Flächen zweiten
Grades und a', y', z'\ r", y" , z" die Coordinaten der beiden Berüh-
rungspunkte eines Strahles jenes Strahleusystems mit den Flächen ^'
bez. p". Dann haben wir:
*, Annales u. s. w., 3. Bd., 1886.
**) S. Darboux, 2. Bd., S. 295 u. f.
510 Kap. 19. Untersuclinng einiger specioUer dreifacher Orthogonalsysteme.
1.
(15)
c' + q"
Da die Richtungscosinus der Normalen der beiden Flächen q' und q"
in den Punkten {x' , y', 0'), (x", y", z") wegen der Gleichungen (13) bez.
x' y' z'
«' + ?''' ^>* + ?' ' ^+V '
x" ' y" z"
«' + ?"' h^TV ^+^
proportional sind, so folgt hieraus nach Voraussetzung:
x'{x"~ x') . y'{y"—y') , z'{z"— z') _ ^
a* + p' "i" h^-\-Q' "■ c^ + p' '
a;"(a;"— a;0 , y"{y"—y') , 0"(^"— ^')
— » — I — ^' jT» n — " — "T" — ä — r — ^' — ^^^ ^
a- -\- ^ ' 0- -f- 9 ' (^ -\- 9
oder wegen (15):
a;'a;" . y' y" . 0'^
- 4- ^ ^ _J_ _JL_1___ == 1
«^ + e' 1^ b^-i- p' ^ c^ -t- q' '
X X ^ . y y . ~^ "1
„a-|_p" I fc2 + p" I c^ +
Durch Subtraction ergiebt sich aus den letzten beiden Gleichungen:
^'^" I y'y" I £A1____ _ 0
Daraus folgt, dass die betrachteten beiden Normalen auf einander
senkrecht stehen, und es ist somit der obige Satz bewiesen (vgl. § 143,
S. 269).
Nach dieser Vorbemerkung bilden die auf der ersten Brennfläche
(j von den Strahlen umhüllten Curs^en eine Schar von 00^ geodätischen
Linien auf dieser Fläche zweiten Grades. Wenn wir ferner die Fläche
Q fest und die andere Fläche q" sich ändern lassen, so erhalten wir
alle geodätischen Linien auf der ersten Fläche.
§ 285. Gemeinsame Evolutenflächen.
Liouville hat den Weg angegeben, auf dem sich in den ellip-
tischen Coordinaten ^^, q.,, q.^ die Gleichung der Schar paralleler
Flächen, deren Normalen die Strahlen des vorhin betrachteten Strahlen-
systems und deren Brennflächen die Flächen zweiten Grades q' und q"
sind*), wirklich bilden lässt.
') l^iese bciJen coufocalen Flächen zweiten Grades sind also die beiden
Mäntel der Evolutenfläche der Flächen Z.
§ 285. Gemeinsame Evolutenflächen. 51 1
Um das Ergebnis Liouvilles abzuleiten,. bemerken wir zunächst,
dass, wenn die Function Q{x, y, z) der Gleichung:
^.« = © + fr+© = l (^.S.41,obe„)
genügt, die Flächen:
S{x, y, z) = Const.
eine Schar von Parallelflächen sind (§ 275, Gl. (20;). Nun geht die
Gleichung:
^1 0 = 1
in krummlinigen Coordinaten p^, p^» Qu Jß denen das Quadrat des
Linienelements des Raumes die Orthogonalform:
ds- = H,-dQ^- + H,-dQ/ + H/dg.,-
aimimmt, über in (vgl. S. 41):
Wir führen jetzt elliptische Coordinaten ein, wobei wir der Kürze
halber
(17) f{Q) = 4(a^ + Q)(h' + p^)(c^ + p),
(18) q>(Q) = (q — Qi)(q — Qi)(Q — Ps)
setzen. Dann lautet Gleichung (14):
und Gleichung (16) geht über in:
^ qp(9,)\^e,/
Dieser Gleichung wird genügt durch:
(19)- rf,.=2'^''<'.s
(20)
.-2//5=l^*,
WO a und /3 willkürliche Constanten sind, denn es ist identisch:
V (p.- - «)(g.- - P) _ -,
wie aus den bekannten Formeln für die Zerlegung des Bruches:
(g — «'lg — P)
(g — gj'.g — 9^K9 — QaJ
in Pai-tialbrüche hervorgeht.
Die Gleichung:
®((>i7 Qi, Q-i^ = Const.,
512 Kap. 10. Untersuchunfy oiiiiger specieller dreifacher Ortliogonalsysteme.
in der & den durch die Gleichung (20) gegebenen Wert hat, stellt
demnach eine Schar von Parallelflächen dar. Wir wollen nun nach-
weisen, dass die beiden Mäntel der Evolutenfläche dieser Flächen eben
die beiden Parameterflächen sind, die den Werten p = « und q = ß
entsprechen.
§ 286. Geodätische Linien auf Mittelpunktsfläclien zweiten Grades.
Da die Gleichung:
z/,0= 1
für beliebige Werte der Grössen a und ß gilt, so können wir sie nach
ß und nach ß difterenzieren. So erhalten wir:
wo V das Symbol für den gemischten DifFerentialparameter ist (vgl.
S. 41, (16)). Andrerseits ist infolge der Identität:
auch:
c) ■ v(tMf)=o.
Die drei Relationen (a) und (b) besagen nach § 275, dass die Flächen-
scharen:
(21) ~ = Const., If = Const.
^ -^ Ca ' oß
zusammen mit den Parallelflächen:
& = Const.
ein dreifaches Orthogonalsystem bilden. Demnach sind die Flächen
(21) die abwickelbaren Ortsflächen der Normalen der Flächen & = Const.
(§269, Schlusssatz).
Wenn wir jetzt nur noch beachten, dass die erste der Gleichungen
(21) diff'erenziert giebt:
^V\
9i - ß
dQi = 0,
(p,- - «)/■(?/)
dass demnach daraus, wenn q, gleich cc gesetzt wird,
cJQi = 0
folgt, so können wir schliessen, dass die abwickelbaren Flächen:
7— = Const.
€u
§ 286. Grcodätische Linien auf Mittelptmktsflächen zweiten Grades. 513
die Fläche des confocalen Systems mit dem Parameter a berühren. Des-
gleichen berühren die abwickelbaren Flächen:
,^-j = Const.
die Fläche zweiten Grades mit dem Parameter ß. Also sind die beiden
Flächen zweiten Grades mit den Parametern a und ß die beiden
Mäntel der ETolutenflächen der Flächen:
e = Const.
Wir können nun die Gleichung der geodätischen Linien auf der
Fläche zweiten Grades mit dem Parameter a leicht angeben. Dabei
wollen wir, um etwas bestimmtes vor Augen zu haben, voraussetzen,
dass die Fläche etwa ein Ellipsoid sei*). Setzen wir in:
TT^ = Const.
cß
Qi gleich c, so erhalten wir als gesuchte Gleichung:
Sie stellt auf dem Ellipsoid p^ = a diejenigen geodätischen Linien dar,
welche von den gemeinsamen Tangenten dieses Ellipsoids und der
Fläche zweiten Grades mit dem Parameter ß umhüUt werden. Sollen
diese geodätischen Linien reell sein, so muss ß der Parameter eines
ein- oder eines zweischaligen Hyperboloids sein. Wird im ersten Falle
in [22) p, gleich ß, im zweiten (j, gleich ß gesetzt, so ergiebt sich
bezüglich :
dQi = 0, dQs = 0.
Demnach berühren die geodätischen Linien (22), die sich ergeben,
wenn ß fest bleibt und die Grosse rechts sich ändert, ^mmtlich die
Krümmungslinie :
Q, = ß bez. Qs = ß
des Ellipsoids. Lässt man dann in {22) auch noch die Grösse ß sich
ändern, so ergeben sich alle geodätischen Linien auf dem Ellipsoid.
287. Geodätisclie Linien auf dem Ellipsoid,
Indem wir die allgemeinen Formeln der voraufgehenden Para-
graphen auf den Fall des Ellipsoids q^ = 0 mit der Gleichung:
- 4- ^' + ''' = 1
*) Die Bestimmung der geodätischen Linien auf dem Ellipsoid ist aum ersten
^a^e von Jacobi durchgeführt worden (CreUes Journal, Bd. 19}.
Bianchi, Differentialgeometrie, / 33
514 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsj'steme.
anwenden, wählen wir als Parameter u, v der Krümmungslinien die
Längen der Hauptaxen der confocalen ein- bez. zweischaligen Hyper-
boloide, die das EUipsoid eben in den Krümmungslinien schneiden.
Wir setzen also:
u' == er + Q., , v' = a^ -\- Q.^
sowie ferner der Kürze halber:
a^ — h^ = Ji^ ^ «2 — c^ =^ p.
Die Parameter u, v variieren, innerhalb der durch die Ungleichungen:
angegebenen Grenzen. Das Quadrat des Linienelements lautet hier
(nach S. 509, (14)):
(23) ds'==(u^~v')
^^^ + n.i _"-„2\ (i-^ _ -,;2V ^^'^
_{u^ ~ h'') (Ä;^ — tt^) ^^ ' {h^ — v^) {k^ — v^)
und geht mittels der Substitutionen :
JY
I
V(w* — h^) {k^ — u^)
du
1/ , - : dv = V.
unmittelbar in die Liouville'sche Form (§ 88, S. 172, (22)) über. Die
endliche Gleichung (22) der geodätischen Linien ist somit:
(24) 1 y ^^^-zTcjiu' - h^){r^^u')^'^ i
±/Fi
dv = Const.
{C — v^){h^ — v^){lc'' — v^)
wie sich auch aus den Gleichungen des soeben angeführten Paragra-
phen ergeben würde. Für den Bogen 6 der geodätischen Linien (24),
gerechnet von einer festen Orthogonaltrajectorie an, erhalten wir nach
§ 88, S. 172, (23), den Wert:
worin sich das Vorzeichen nach dem Vorzeichen in (24) richtet.
Bedeutet ferner ^ den Winkel, den die geodätischen Linien (24) mit
den Krümmungslinien v = Const. bilden, so haben wir die intermediäre
Integralgleichung erster Ordnung:
(26) u^ sin'^ ilj -\- v^ cos^ t^ = Const.
Die Gleichungen (25) und (26) sind übrigens einfache Folgerungen
aus (24).
\
§ -287. Geodätische Linien auf dem Ellipsoid. § 288. Satz von Joachimsthal. 515
Die Gleichung (26) gestattet eine elegante geometrische Deutung,
die Ton Joachimsthal herrührt. Wir wollen sie nun entwickeln,
wobei wir dai-auf hinweisen, dass dieser Gleichung nicht nur die geo-
dätischen Linien, sondern auch die Krümmungslinien genügen.
Wir bemerken noch, dass wir bei den reellen geodätischen Linien
auf dem Ellipsoid drei Arten untei-scheiden können, je nach dem Wert
der Constanten in der Gleichung (24). Damit eine solche geodätische
Linie (24) reell sei, muss diese Constante C in dem Intervall:
liegen. Wird nun C ein fester Wert zwischen Ä*^ und h^ erteilt, so
berühren (S. 513) sämtliche geodätische Linien die Krümmungslinie:
Diese Krümmungslinie besteht aus zwei geschlossenen Teilen, die ein-
ander diametral gegenüberliegen und um je zwei Nabelpunkte des Ellip-
soids geschlungen sind, ähnlich wie eine Ellipse um die beiden Brenn-
punkte (vgl. den folgenden Paragraphen). Die geodätischen Linien
verlaufen ganz innerhalb der Ellipsoidzone zwischen diesen beiden ge-
schlossenen Curven, welche sie beim Rückgange auf die Zone berühren,
auf der sie sich im allgemeinen unzählig viele Male herumwinden, ohne
sich zu schliessen. Liegt die Constante C in dem Intervall zwischen h^
und Null, so tritt dasselbe bezüglich der Krümmungslinie:
v'- = C
ein. Ist endlich C gleich Ä^, so liegt der bemerkenswerte Fall vor,
dass wir es mit geodätischen Linien zu thun haben, die von einem
Xabelpuukt aus- und durch den diametral gegenüberliegenden hindurch-
gehen. Dieses erheUt schon dai-aus, dass die Fläche des confocalen
Systems, die von den Tangenten der geodätischen Linien (24) für
C.= Jr berührt wird, den Parameter 9 = — h- hat, sich also auf die
Focalhyperbel reduciert, die somit die genannten Tangenten schneiden.
Die nändiche Eicrenschaft ergiebt sich auch aus den folgenden Erörte-
ningen.
§ 288. Satz von Joachimsthal.
Um den vorhin erwähnten Joachimsthal'schen Satz abzuleiten,
stellen wir zunächst die folgenden Betrachtimgen an: In einem belie-
bigen Punkte (x, y, z) des Ellipsoids legen wir die Tangentialebene und
durch den Mittelpunkt die dazu parallele Ebene; dann hat die Schnitt-
ellipse zu Axen die Durchmesser, die den Richtungen der von {x, y, z)
ausgehenden Krümmungslinien parallel sind. Bedeuten nämlich cos a,
33*
516 Kap. 19. Untersnclmng einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
COS/3, cosy- cos cc', cos/3', cosy' die Kichtungscosinus dieser Durch-
messer, so haben wir:
o ex dy dz X y z
cos « : cos ü : cosy = ^ : .-^ : ~, — = -^-, — : -r^ — : — .— — >
OQs <^(>s <^?S « + (>S ft- + ?S C* + 93
/■ a' , cx. cy dz X y z
cos a : cos p : cos y = > — : tt^ : t^ — == — ,- , — : -—-- — :
Cq^ dQ^ OQ^ «■ + ?2 Ö" + ?2 C + Qi
Hiernach folgt, wenn wir die beiden Gleichungen (§ 283):
{ OC,^ y^ Z^
l («^ + 9,)(a^ + ?,)■ + (fe^ + p,)(b^ + p,) +
= 0,
in denen q^ gleich Null zu setzen ist, von einander subtrahieren, sofort:
cos a cosa' 1^ cos ß cos ß' ^^ cosy cosy' ^
Diese Gleichung besagt, dass die beiden in Rede stehenden Durch-
messer einander conjugiert sind, und da sie auch auf einander senk-
recht stehen, so fallen sie eben mit den Axen des Centralschnittes zu
sammen.
Bedeuten nun weiter B^ und B^ die Längen der Halbaxen, die
den Tangenten der Curven u = Const. bez. v = Const. parallel sind,
so haben wir nach bekannten Formeln der analytischen Geometrie:
1 cos* a 1^ C0S-/3 ^^ cos'^y
R^^ ^ ^~~a^ ' P f" c* '
1 cos^ß:' ^. cos^ß' j^ cos^y'
oder wegen der Gleichungen weiter oben:
i?/ «2 , y^ , z^
r 7T?i~\ TTi ~\ '
1
nebst einem analogen Ausdruck für ■^. Nun folgt aus der ersten
der Gleichungen (a) :
y
_i y I t ^ = 0
«'(«* + es) ^ ^''(fc' + es) ' c\c' + 9,)
also ist :
a;* v* "^^
(aH=^? + W'-Tö^' "^ (c' + es)"' ^
a\a^-]-9,Y "^ ^(^^ + es)' "^ ^V+~ejJ '
§ 288. Satz Ton Joachimsthal. 517
Folglich ist:
i?^- = — Q^, analog BJ = — 9,,
d. h.:
(27) i?i- = a^ — y-, B^^ = er — h\
Diese Gleichungen zeigen uns, dass R^ die Länge der grossen und B^
die der kleinen Halbaxe ist.
Im Centralschnitt ziehen wir nun den Halbmesser parallel der-
jenigen Taugente im Punkte (x, y, z) des EUipsoids, welche mit den
Curven ü = Cönst. den Winkel ^ bildet, und bezeichnen mit B seine
Länge; dann haben wir bekanntlich:
1 cos' i/» ^^ sin* ip
Bedeutet femer ö die Entfernung des Mittelpunkts von der Tangen-
tialebene im Pimkte (x, y, z), so ist:
1 _ ^ _L y* _L -^^
d. h. wegen der Gleichungen (13) und (13*), S. 508, in denen g^
gleich Null zu setzen ist:
1 ,,a* — u^{a' — i-*) ^x
Daraus folgern wir:
(27*) .,^, = er — («*sin^^' + v^ cos^^).
Wenn wir dieses mit (26), der intermediären Integralgleichung der geo-
dätischen Linien, vergleichen, so erhalten wir den Joachimsthal'schen
Satz:
Bei jeder geodätischen Linie auf einem Ellipsoid ist das
Product aus der Entfernung des Mittelpunktes von der Tan-
gentialebene, die in einem Punkte der geodätischen Linie
gelegt wird, und der Länge des Durchmessers, welcher der
•) An diese Gleichung kann die folgende Bemerkung geknüpft werden: Das
Krümmungsmass in einem Punkte des EUipsoids ist gegeben durch:
(o« — tt»)«(a - t?»)»'
daraus folgt:
Also: Die Ortscurven der Punkte constanten Krümmnngsmasses auf
dem Ellipsoid sind diejenigen Curven, welche von den gemein-
samen Tangentialebenen des EUipsoids und der concentrischen Ku-
geln umhüllt werden.
518 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
Tangente der geodätischen Linie in demselben Punkte paral-
lel ist, constant.
Nach dem in § 287 Gesagten kommt dieselbe Eigenschaft ausser
den geodätischen auch den Krümmungslinien zu. Daraus folgt wieder,
dass für die geodätischen Linien, die ein und dieselbe Krümmungs-
linie berühren, die Constante dB oder auch die Constante C in der
Gleichung (24) ein und denselben Wert hat.
§ 289. Geodätische Linien durch, die Nabelpunkte.
Wir betrachten nun die vier reellen Nabelpunkte des Ellipsoids'.
Sie liegen auf der Hauptellipse, die die grösste und die kleinste Axe
des Ellipsoids zu Axen hat, und ihre Coordinaten sind:
ah
= ±-F^ y = o,
^.yk'
Die Tangentialebene in jedem Nabelpunkt ist vom Mittelpunkt um die
Strecke d = -,- entfernt, und jeder Halbmesser des durch eine zu ihr
parallele Ebene erzeugten Centralschnitts ist gleich h. Also:
Bei jeder geodätischen Linie, die von einem Nabelpunkt
ausgeht, hat das Product ^jR den constanten Wert ac. Der
entsprechende Wert der Constanten auf der rechten Seite von (24) ist
somit nach (27*) gleich 7i^, wie wir bereits in § 287 bemerkt haben.
Aus dieser Thatsache ergeben sich bemerkenswerte Folgerungen,
die zuerst von Roberts gezogen worden sind. Wir betrachten einen
Ellipsoidpunkt M und
verbinden ihn mit zwei
nicht diametral einander
gegenüberliegenden Na-
belpunkten F und F^
durch geodätische Bogen
MF nnd MF^. Die Con-
stante dB hat für beide
geodätische Linien den-
selben Wert; da in M
auch d gemeinsam ist, so
müssen die beiden Durchmesser, die den Tangenten der beiden geodätischen
Linien in M parallel gezogen werden, gleiche Länge haben. Sie bilden
folglich mit den Axen des Centralschnitts gleiche Winkel. Da nun
Fig. 17.
§ 290. Einföhrnng elliptischer Functionen. 510
diese Axen den Richtungen der Krümmungslinien parallel sind, so
folgt hieraus:
Die Richtungen der Krümmungslinien in M halbieren
die Winkel zwischen den geodätischen Bogen JIF und MF^.
Daraus folgt weiter, dass der geodätische Bogen MF^, der M
mit dem F diametral gegenüberliegenden Nabelpunkt F' verbindet, die
Verlängerung des geodätischen Bogens FM ist. Also:
Jede von einem Nabelpunkt ausgehende geodätische
Linie geht durch den diametral gegenüberliegenden Nabel-
punkt. Wie zwei einander diametral gegenüberliegende Punkte auf
der Kugel , ebenso können auch zwei solche Xabelpunkte auf dem
EUipsoid durch imzählig viele geodätische Bogen verbunden werden,
die alle von gleicher Länge sein müssen, da ja schon infolge der
Definition der geodätischen Linie beim Übergange von einer dieser
Linien zur unendlich nahe benachbarten die erste Variation der Länge
verschwindet.
Schon aus diesen Sätzen folgt, dass die Krümmungslinien auf dem
EUipsoid geodätische EUipsen und Hvperbelu sind, deren Brennpunkt€
die Nabelpunkte des EUipsoids sind. Doch wird dieses noch klarer
aus den folgenden Paragraphen hei-vorgehen.
§ 290. Einführung elliptischer Functionen.
Die endliche Gleichung (24) der geodätischen Linien und die end-
liche Gleichung (25), die ihren Bogen giebt, gehen für den FaU, dass
die geodätischen Linien von den Nabelpunkten ausgehen (also C gleich
h^ ist), bezüglich über in:
(28) /yp3iÄ=+j"if^:F^.=c-t-
(29) « =fV?^' ''« ± j'lf^i '''■■
Die Quadraturen in den allgemeinen Gleichungen (24) und (25) führen
offenbar auf hypereUiptische Integrale, die jetzt vorliegenden dagegen
auf elliptische. Um sie auszuführen, setzen wir der Einfachheit halber
die grösste Halbaxe des EUipsoids gleich der Längeneinheit (a = 1)
und können dann die Grösse /.• = ]/l — c^ < 1 als Modul einer Klasse
Jacobischer elliptischer Functionen wählen, für welche die Grössen K
und K' reell sind. Statt der Parameter u und ü führen wir neue, r
und Tj, ein mittels der Gleichungen:
u = A" sn r , v = Je sn r, .
520 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
Da h kleiner als h ist, setzen wir noch:
Ji = lisna,
wo a eine reelle Grösse- zwischen Null und K ist. Demnach haben wir:
a=\^ 1) = Ana, c = V, Ä = Ä; sn o;.
Es ergeben somit die Gleichungen (12), S. 508, für die Coordinaten
der Ellipsoidpunkte die Werte:
(30) -=-^, 2' = -S^. l/(^'^^^^^ «T(sn^ a ~ sn^ .J ,
7 , cn T cn r.
worin wir bei Wahl des positiven Vorzeichens der Quadratwurzel und
in Anbetracht des Umstandes, dass
d. k - ; _ - ,
1 ^ sn^ tr ^ sn^ a , sn^ a ^ sn^ tr^ ^ 0
bleiben muss, r und t^ in den Intervallen:
a^T ^2K — «, — «^^i^a
variieren lassen müssen. Die Gleichungen (30) geben uns dann die
Punkte des Halbellipsoids y>0, und die vier Nabelpunkte:
F=( sna, 0, Vena), jP'eee(— sna, 0, -Jc'cna),
F^=(—sna, 0, k'cna), i^i = ( sna, 0, —h'cna),
haben die krummlinigen Coordinaten r und r^:
F: cc, a- F' : 2K—a, — a-, F^: a, — a-, F,': 2K—a, a.
Die Gleichung (28) der geodätischen Linien wird:
J sn^/-In^a ^^ + J sn'^a-sn^r, ^^i = ^^"^*-
Ihr Bogen ist gegeben durch:
6 = 1 du" t dt -J2 f dn^ T^ dt^.
Nehmen wir einen Punkt M auf dem Halbellipsoid ?/ > 0 an und be-
nutzen wir die Gleichungen für den geodätischen Bogen FM, wobei
wir berücksichtigen, dass t^ abnimmt, wenn t wächst, so sehen wir,
dass wir die unteren Vorzeichen wählen müssen. Es ist daher
6 == dn^ rdt — j dn^ r^^ dt^
a a
die Länge des geodätischen Bogens FM, gerechnet von F an, d. h.:
(31) a=^(r~r,) + Z{r)-Z(r,),
§ 290. EinfQhnuig elliptischer Functionen. 521
wo Z(t) die bekannte Jacobi'sche Function und E die Länge eines
Quadranten der Hauptellipse in der a:^- Ebene ist.
Für den geodätischen Bogen F^M dagegen gelten die entgegen-
gesetzten Vorzeichen. Also ist seine Länge gegeben durch:
(31 *) <?! = I (^ + r,) + Z(r) + Z(rJ .
Setzen wir in (31)
r = 2Ä'— a, Tj = — a
oder in (31*)
r = 2K — a, r^ = a,
so erhellt, dass alle geodätischen Bogen FF' oder F^F^ dieselbe
Länge 2E haben. Durch Addition und Subtraction folgt weiter:
6,-^6 = ^-§t +2Z(r),
6, -6 = ^ T,-\-2Z(r,).
Die Krümmungslinien r = Const., r^ = Const. sind also geodätische
EUipsen bez. Hyperbeln mit den Brennpunkten F und F^. Wird aber
einer der Brennpunkte durch den diametral entgegengesetzten, z. B. F^
durch F^'j ersetzt, so werden die Curven Tj = Const. geodätische Ellip-
sen und die Curven r == Const. geodätische Hyperbeln mit den Brenn-
punkten F und Fy'. Jede Krünunungslinie auf einem EUipsoid kann
daher in der Weise beschrieben werden, dass mau die beiden Enden
eines Fadens von constanter Länge in zwei nicht diametral gegenüber-
liegenden Brennpunkten befestigt und ihn mittels eines Stiftes in M
auf dem EUipsoid straff zieht; dann beschreibt die Spitze M des Stiftes
eine Krümmungslinie.
§ 291. Linienelement auf dem EUipsoid.
Wir woUen nun den Ausdruck für das Linienelement des EUip-
soids suchen, wenn die von einem Xabelpunkt ausgehenden geodäti-
schen Linien und ihre orthogonalen Trajectorien zu Grunde gelegt
werden. Wählen wir z. B. die vom Xabelpmikt F ausgehenden geo-
dätischen Linien und gehen wir auf die Gleichungen (28) und (29)
zuTück, wobei wir setzen:
(29*) j"i'1^:<"' -j'vp^.dc^o,
522 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
SO sind die Ciirven O = Const. die geodätischen Linien und die Cur-
ven 0 = Const. ihre orthogonalen Trajectorien. Nun ist nach S. 67,
(14), (15), (16), und S. 514, (23):
z/i(j=l, V(0, (j) = 0
Demnach nimmt das Quadrat des Linienelements des EUipsoids in den
Coordinaten 0, 0 die Form an (§ 36, S. 68 und 69 oben) :
(82) ds' = ^(?2 -f (u^ — h')(k'' — vyw\
Die Grösse auf der rechten Seite in der Gleichung (28*) der
von F ausgehenden geodätischen Linien hängt lediglich von der Rich-
tung der geodätischen Linie in F ab. Bezeichnen wir mit a den
Winkel, den der geodätische Bogen zwischen F und M mit der Rich-
tung FF^ der Hauptellipse y = 0 bildet, so ist ^ eine Function von
C3, für die der wirkliche Ausdruck gesucht werden muss. Hierzu be-
stimmen wir die additive Constante von Q in der Weise, dass wir setzen:
V
J V k'' — V^
dv
^ ^ ' J y k^ -- u^ u^ — h^ J r k'' — v^ v^ — h'
k 0
Verbinden wir nun M mit F^ und bezeichnen wir mit cp den Aussen-
winkel F^MF' des geodätischen Dreiecks MFF^ bei M, so ist co ojffen-
bar der Grenzwert von 9), der hervorgeht, wenn sich M bei der Ver-
rückung auf dem betrachteten geodätischen Bogen MF dem Punkte F
ohne Ende nähert.
Fcct, a)
FhK-urcc)
F!(2K-<x,cc)
Fig. IS.
Nun halbiert nach S. 519 die von M ausgehende Krümmungslinie
V = Const. den Winkel F^MF und bildet mit dem geodätischen Bogen
FM den Winkel z/', der durch die Gleichung (26) bestimmt wird, in
der C gleich h^ ist. Folglich ist
(p = jt — 2t,
also:
§ 291. Linienelement auf dem EUipsoitl. 523
tg Z = cot- ib = Y^ i
und somit:
(34) tg^-= Lm ^j^,^ZT^= ^^ ^^— ^.
tt=A, r = A u=h, r=A
Seh reiben wir nun die Gleichung (33) wie folgt:
0
* 0
so sehen wir, dass, wenn sich u und v dem Wert /< nähern, die
Differenz der beiden ersten Integrale gegen einen bestimmten und end-
lichen Grenzwert convergiert, der nur von den Constanten er, li, h ab-
hänsrt, während der zweit« Teil von 4> in der Form:
2h \ k- - h- L ^^(Ä - c) (H + Ä) ^ A- 4- äJ
geschrieben werden kann imd in der Grenze für u = h, v = h infolge
von (34) gegen
conversriert. Es ist also:
O
= l>13l«g*^2 +^'
WO A eine Constante ist. Wird mm in der Gleichung (32) cj statt O
als Parameter eingeführt, so geht sie über in:
ds'= dö- + ^ K^r^r^Ti^^r^ f^«-
oder:
(35) rfs-'
worin y nach § 283, (12), S. 508, die Entfernung des Punktes JI von
der ic^- Ebene, in der die Xabelpunkte liegen, bedeutet. Dieses ist die
bemerkenswerte Gleichung, die von Roberts herrührt.
h*-{k'' -
-h^
sin- (0
= d6^--{-
d(o^,
524 Kap. 19. Untersuchung einiger specieller dreifacher Orthogonalsysteme.
§ 292. Verlauf der geodätischen Linien.
Verbinden wir denselben Punkt M mit dem Nabelpunkt F^ und
bezeichnen wir mit 6^ den geodätischen Bogen MF^, mit «j den
Winkel MF,F (siehe Fig. 18, S. 522), so haben wir eben gemäss
obiger Gleichung:
Daraus folgt:
(d6 - dö,) (dö + da,) = f (4^ - 4^) (i^i- + 4^) .
^ ^ ^^ "^ Vsin «i sm CO/ Vsin Wj ' sm co/
Längs der Krümmungslinien:
u = Const., V == Const.
ist bezüglich (vgl. §290, S. 521):
da -\- da^ = 0, da — da^ = 0,
folglich:
tg|-
tg ^ tg "'' = Const., bez. = Const. *).
^ ^ ' CO, ^
tsr
'^ 2
Verlängern wir nun den geodätischen Bogen FM, bis er durch den
gegenüberliegenden Nabelpunkt geht, und ist w' der Winkel, den der
geodätische Bogen F' 31 zwischen F' und M mit dem Bogen F'F^'
der Hauptellipse bildet, während a' die Länge des Bogens F'3I be-
zeichnet (siehe Fig. 18), so haben wir wegen (35):
d^' + --^^- d(o'' = da"' 4- J'^, d(o'\
' sm^o) ' sin* CO
Da ja
da'' = da'
ist, folgt also:
dm^ da'^
sin* CO sin*o)'
Mit Rücksicht darauf, dass oj' mit wachsendem a abnimmt, ergiebt
sich hieraus:
d(o j^ d(o' „
sin CO '^ sin co' '
somit:
% Y ^S Y = Const.
Der Wert der Constanten rechts lässt sich leicht durch den Winkel
*) Von der Richtigkeit dieser Zusammengehörigkeit überzeugen wir uns leicht,
wenn wir berücksichtigen, dass längs der (Krümmungs-)Ellipse z = 0 co mit abneh-
mendem »i wächst, dagegen längs der Ellipse x == 0 co und co^ gleichzeitig
wachsen oder abnehmen.
§ 292. Verlauf der geodätischen Linien. 525
H ausdrücken, der zu dem geodätischen Bogen gehört, der F mit dem
Endpunkt der mittleren Axe verbindet. Es ist nämlich in diesem Falle:
to = cj'= ß,
daher:
(36) tg I- (g 1-' = tg^ f
Im Anschluss an diese Gleichung können wir leicht den weiteren Verlauf
der geodätischen Linien verfolgen. Der geodätische Bogen FMF'
durchdringt in F' die a;^- Ebene, setzt sich in einen neuen Bogen
F'NF auf dem anderen Halbellipsoid y < 0 fort uud kehrt so nach F
zurück. Hier schliesst er sich jedoch nicht, wie im Falle der Kugel;
er bildet vielmehr, indem er von neuem von F ausgeht, mit dem
Bogen FF^ einen neuen Winkel (o<^>, der von cd vei-schieden ist. Wenn
wir nämlich auf den neuen Bogen F'NF die Gleichung (36) anwenden
und dabei berücksichtigen, dass die neuen Werte von a und to' bez.
;r — a'^^ und :i — w' sind, so erhalten wir:
. a.<*) .0)' , , a
cot — cot-=tg-^
Aus der Verbindung dieser Gleichung mit (36) ergiebt sich:
Da der Winkel il spitz, demnach A > 1 ist, so folgt daraus:
iD<i)>a.
Bedeutet allgemein cj("> den Wert von cj nach n Umläufen der geodä-
tischen Linie auf dem Ellipsoid, so haben wir:
Es nähert sich also der Winkel a^"^ mit wachsendem n immer mehr
einem gestreckten, und die geodätische Linie schmiegt sich immer
inniger der HaupteUipse an, die durch die Xabelpunkte geht.
Kapitel XX.
Dreifache pseudospliärisclie Orthogonal Systeme.
Ausdruck für das Quadrat des Linienelements des Raumes unter Zugrundelegung
eines dreifachen pseudosphärisclien Orthogonalsystems. — Entsprechen der Haupt-
tangentencurven. — Beispiele. — Die Bäcklund'sche Transformation der pseudo-
sphärischen Flächen. — Vertauschbarkeitssatz und Folgerungen daraus. — Wein- .
garten'sche Systeme (pseudosphärische Systeme mit constantem Krümmungsmass).
— Die Äquidistanzcurven sind parallele geodätische Kreise. — Weingarten'sche
Systeme mit constanter Flexion. — Cykelsysteme. — Dreifaches System von
Schraubenfiächen. — Invarianz des Ausdrucks:
1 / c^m Y 1 / b^m \2 /ga)\2
cos^ü) WQi dqj sin^ü) \'CQ^ CqJ \d qJ
bei einer Bäcklund'schen Transformation. — Complementärtransformation der
AVeingarten'schen Systeme. — Allgemeiner Satz von der Existenz der Weingar-
ten'sclien Systeme. — Pseudosphärische Systeme vom Radius Eins, die eine Kugel
vom Radius Eins enthalten. — Weingarten'sche Systeme mit positivem
Krümmungsmass.
§ 293. Linien element des Raumes unter Zugrundelegung eines
dreifachen pseudosphärisehen Orthogonalsystems.
Die Ribaucour'schen Cykelsysteme mit constantem Radius (vgl.
S. 351 und 457) liefern uns bereits ein Beispiel von dreifachen Ortho-
gonalsystemen, in denen die Flächen eines der drei Systeme constantes
Krümmungsmass haben. In diesem Kapitel wollen wir nun allgemein
diejenigen dreifachen Orthogonalsysteme untersuchen, welche eine Schar
von Flächen constanten Krümmungsmasses enthalten. Dabei wollen
wir vor allem den Fall in Betracht ziehen, in dem diese Flächen pseu-
dosphärische Flächen von constantem oder veränderlichem Radius sind,
da uns eben nur in diesem Falle in der Bäcklund'schen Transformation
ein geometrisches Verfahren zu Gebote steht, mittels dessen wir eine
unbegrenzte Anzahl solcher Systeme finden können.
Wir schliessen von vornherein den Fall aus, in dem die Flächen
constanten Krümmungsmasses in dem dreifachen System Rotations-
§ 293. Linienel. d. Raumes unt. Zug^rundeleg. e. dreifach, pseudosph. Orth.-Syst. 527
flachen sind. Dieser Fall ist nämlich wohlbekannt (§ 277), auch wür-
den für die zugehörigen dreifachen Orthogonalsysteme die Gleichungen,
die wir nun ableiten wollen, allgemein nicht gelten.
Wir setzen voraus, es seien in dem dreifachen Orthogonalsystem,
das durch den Ausdruck für das Quadrat des Linienelements:
definiert ist, die Flächen q.^ = Const. pseudosphärische Flächen, deren
Radius i? nur von q.^ abhänge. Aus den Gleichungen (S. 489j:
J_ _ 1 cH, J_ _ 1^ cH^
und aus der Annahme:
11 1
»■31 's- ^'
folgt, dass wir setzen können:
1 cH, tgw
1 ffi, COtfil
(1)
worin der Winkel 2 a die Neigung der beiden Haupttangentencurven,
die von einem Punkte der betreffenden pseudosphärischen Fläche
(»3 = Const. ausgehen , gegen einander angiebt. Durch Einsetzen
r ff r f1
der Werte für -^ — - und - — -, die sich aus den obigen Gleichuncren
ergeben, in den ersten beiden Lame'schen Gleichungen der Gruppe (A),
S. 485, folgt:
1 r flj sin ta cca 1 ic S* ' cos a cca
H^ c Q» cos <a r 9, i/j c Pi sin cu r p,
und hieraus durch Integration:
(2) H^ = cos o ■ ^(pi, ps), H^ = sin 0) . (p{Q,_, p^),
wo ^ nur von p, und q^, tp nur von q^ und q.^ abhängt.
Wir wollen nun beweisen, was für unsere Untei-suchung wesent-
lich ist, dass 9 und ^ von q^ unabhängig sind, d. h., dass
(3) 1^ = 0, i^ = 0
ist. Zu diesem Zwecke leiten wir aus (1) und (2) ab:
= ietga.(eot«.^ + t^).
Daraus folgt:
, r log qp , , f log V rk
tg cj — =-^-^ + cot ö - ^ = 0.
° tPs ' Cp,
528 Kap. 20. Dreifache pseudosphärisclie Orthogonalsysteme.
Beständen nun die Gleichungen (o) nicht, so würde sich hieraus ergeben:
wo 31 von ^2 und N von pj unabhängig wäre. Betrachten wir nun
eine specielle pseudosphärische Fläche ^3 = c und ersetzen wir die
Parameter q^ , q.^ bezüglich durch :
so erhalten wir für das Quadrat des Linienelements der Fläche ^3 = 6
wegen der Gleichungen (2) den Ausdruck:
(5) (?s^ = cos^wc?^/^ -f- sin^or^^)/^.
Darin ist wegen (4)
(6) *«" = flg'
WO U nur von q^ und V nur von q,^ abhängt. Da aber (5) das
Quadrat des Linienelements einer pseudosphärischen Fläche vom Radius
H ist, so muss ra, wie sich analog wie in § 264 für die Flächen mit
positivem constantem Krümmungsmass nachweisen lässt, der partiellen
Differentialgleichung :
/r>i^\ (■'^(^ C'^'^ sin CO COS (B
genügen. Wegen der Gleichung (6) ist dieses nur dann möglich,
wenn sich U oder V auf eine Constante reduciert. In diesem Falle
wären aber die Flächen ^3 = c Rotationsflächen, was der Voraussetzung
widerspricht *).
*) Aus den Gleichungen (6) und (6*) würde sich nämlich ergeben:
(a) [jj- + -^j (TP + V^) = ™-J^ + 2f7'^ + 2V'\
wobei die Striche Differentiationen andeuten.
Wird diese Gleichung nach q^\ die dann entstehende nach q^' differenziert,
80 kommt:
also:
(-)Vr+(r:)v...o,
(^ Y =kUU' , (^^) = — kVV' (Ä = Const.).
Durch Integration folgt:
2U''-=^'^^- 4- 2C'[/2 + C, , 27'^ = -^ 4- 2C'r^ + C/ ,
§ 294. Fortsetzung.
529
Es gelten somit die Gleichungen (3\ and wenn wir die Parameter
Q^, pg durch j\'dQ^ bez. J cpdQ^ ersetzen, so erhalten wir aus (2)
und (3*):
(7) Hl = cos CO , H^ = sina, H^ = B - —
§ 294. Fortsetzung.
Durch diese Werte für H^, H^, Ä. werden die ersten beiden
Lame'schen Gleichungen (A), S. 485, identisch erfüllt: die vier übrigen
gehen in die folgenden über:
(8)
cot c 00
C(o c oa
- — ^ — ;. — = cot a -. — ^ — F tg o - — - — ? —
C-Oä
sm CO cos Q)
f / 1 C^CO \ i C /C0Sü>\
eil c*a) \ 1 c /smü)\ 1 C(o c^
c Qi \cos ca c Qi c Q^/ IicQ,\ B / ' sinosfpjCß,
cos CO CQi CQi CQs
CO
CQs
von denen die dritte als einfache Folge der zweiten und rierten weg-
gelassen werden kann. Die erste kann übrigens zweckmässig in einer
der beiden nachstehenden Formen geschrieben werden:
cm C CO
cos CO CQ, CQi CQ^
1 dco c'co
sin CO CQi CQiCQs
yCQi VcOS CO CQiC Pj/
Wir haben somit das Ergebnis:
Das Quadrat des Linienelements des Raumes lässt sich
bei Zugrundelegung eines dreifachen pseudosphärischen Or-
thogonalsystems (fii, 9j, P3) in die Form:
(9)
ds- = cos^adQi^ + sin^adQf + ^' y^) f^Qs'
bringen, wo B, nur von q.^ abhängt und der Radius der pseu-
dosphärischen Flächen q^ = Const. ist und die Function
(o{qi, Q2, Q-^) dem Gleichungssystem (8) genügt.
Umgekehrt gehört zu jeder Lösung k)(?i, q^, q^) dieses
wo C, C, Cj, Cj' neue Constanten sind. Somit geht (a) über in:
{c'-c- ^,) r^ ^{c-c- ^,) F« = c, + c,' ,
und diese Gleichung kann nur dann erfüllt sein, wenn U oder V constant ist,
wie zu beweisen war.
Bianchi, DiSere&üalgeometrie. 34
530 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
Systems ein dreifaches pseudosphärisches 0 rthogonalsystem^
in dem das Quadrat des Linienelements des Raumes die Form
(9) annimmt.
Wir werden später sehen, dass es unzählig viele Lösungen des
Systems (8) giebt, die von fünf willkürlichen Functionen abhängen,
und werden den Weg angeben, auf dem sich beliebig viele wirklich
finden lassen. Indem wir für jetzt diese Orthogonalsysteme als that-
sächlich vorhanden annehmen, wollen wir sogleich auf eine wichtige
Eigenschaft derselben hinweisen. Es sind nämlich die Gleichungen der
Haupttangentencurven auf allen pseudosphärischen Flächen q.^ = Const.
die folgenden:
Qi — 9-2 ^^ Const., ?i + ^2 "^^ Const.,
und wenn
Pi— ?2 = 2«, ^1 + ^2 = 2/3
gesetzt wird, so geht (9) über in:
(9*) ds^ = da^ + 2cos2a3 dadß + dß' + I^(p^dQ^.
Fassen wir also als entsprechende Punkte auf zwei pseudosphärischen
Flächen des Systems q^ ihre beiden Schnittpunkte mit einer Para-
meterlinie pg auf, so haben wir das Ergebnis:
Auf zwei pseudosphärischen Flächen des Systems ent-
sprechen einander ausser den Krümmungslinien auch die
Haupttangentencurven, und die entsprechenden Bogen sind
gleich lang*).
Daraus folgt, dass auf den Ortsflächen der entsprechenden Haupt-
tangentencurven diese Linien geodätische Linien sind. Dieses ergiebt
sich auch unmittelbar aus (9*), denn wenn darin z. B. /3 = Const/
gesetzt wird, so folgt:
ds' = da' H- R' {p~y dQ,' (vgl. S. 158, (12)).
Die Flächen der beiden Sj^steme a = Const., ß = Const. besitzen dem-
nach eine Schar geodätischer Linien mit constanter Torsion**).
§ 295. Beispiele.
Wir geben zunächst einige Beispiele von dreifachen pseudosphäri-
schen Orthogonalsystemen.
*) Offenbar lässt sich auch aussagen, dass auf zwei pseudosphärischen
Flächen des Systems die conjugierten Curvensysteme einander entsprechen. In
dieser Fassung ist der Satz auch auf den Fall anwendbar, in dem die Flächen
Pg = Const. positives constantes Krümmungsmass besitzen.
**) Die hier beiläufig erwähnten Flächen sind direct von Fibbi in seiner
Habilitationsschrift untersucht worden. (Annali della Reale Scuola Normale Su-
periore di Pisa, 10. Bd., 1888.)
§ 295. Beispiele. 531
1) Wir suchen diejenigen Lösungen des Systems (8), welche von
Pg unabhängig sind. In diesem Falle reduciert sich das System (8)
auf die eine Gleichung:
C^) + '-^ = Const.*).
Integriert wird sie durch elliptische Functionen mit veränderlichem
Modul Je mittels der Gleichungen:
(10) cos o ^ sn (t, l') , sin o =^ cn (t, Tc),
worin
(10*) r = -?^ + ^(93), A- = A,
A eine willkürliche Constante und ^((»3), J^(Qz) willkürliche Functionen
von Pj sind. Die pseudosphärischen Flächen q.. = Const. sind Rota-
tionsflächen.
2) Wir betrachten ein System von 3c^ Dini'schen pseudosphäri-
schen Schraubenflächen (S. 467), die dieselbe Axe und dieselbe Tractrix
zur Meridiancurve haben, aber hinsichtlich der Ganghöhe imd also auch
des Krümmungsmasses unter einander verschieden sind. Da hier die
Kugeln, deren Radius gleich dem von der Asymptote abgeschnittenen
Constanten Stück der Tractrixtangente ist und deren Mittelpunkte die
Axe erfüllen, die Dini'schen Schraubenflächen orthogonal in Krümmungs-
linien schneiden (s. ebenda), so folgt nach dem Darboux'schen Satze
(S. 480), dass den beiden Systemen von oc^ Schraubenflächen und Kugeln
ein drittes Flächensystem zugeordnet werden kann, das zu beiden Systemen
orthogonal ist: wir haben somit ein dreifaches pseudosphärisches Ortho-
gonalsystem.
Setzen wir der Einfachheit halber das constante Tangentenstück
zwischen Tractrix und Asymptote gleich Eins, so ergeben sich zur Be-
stimmung des zugehörigen dreifachen pseudosphärischen Orthogonal-
svstems leicht die Gleichunoren:
(11) cosa3 = tghT, sincj==^^^^,
worin
(11*) t: = Qi-\- Qi tgt Qs + ^'{93),
^{93) ^i^^ willkürliche Function von q^ und R gleich coshpj ist.
Anmerkung. — Das soeben betrachtete pseudosphärische System,
dessen Bestimmuugsgleichungen leicht explicite anzugeben sind, ist
•) Die erste der Gleichungen (8) ist offenbar eine Identität. Die dritte und
die vierte Gleichung ergeben unter Berücksichtigung der modificierten Gleichung
übereinstimmend die Gleichung des Teit-es.
34*
532 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
nur ein besonderer Fall von solchen^ die eine Schar Enneper'scher
pseudosphärischer Flächen enthalten. Diese Flächen, die allgemeiner
sind als die Dini'schen Schraubenflächen, besitzen nämlich, wie bereits
S. 471 bemerkt worden ist, eine Schar von Krümmungslinien auf
Kugeln, welche die Flächen orthogonal schneiden und deren Mittel-
punkte auf einer Geraden liegen. Wir können demnach bei ihnen die-
selben geometrischen Überlegungen wie bei den Dini'schen Schrauben-
flächen anstellen.
§ 296. Anwendung der Bäeklund'schen Transformation.
Wir wollen nun nachweisen, dass wir in der gleichzeitig auf die
oo^ pseudosphärischen Flächen eines bekannten dreifachen pseudosphä-
rischen Orthogonalsystems angewandten Bäeklund'schen Transformation
ein Mittel besitzen, aus diesem System oo^ neue dreifache pseudosphä-
rische Orthogonalsysteme derselben Gattung abzuleiten.
Zu diesem Zwecke müssen wir vor allen Dingen den analytischen
Ausdruck für die Bäcklund'sche Transformation aufstellen, angewandt
auf eine pseudosphärische Fläche ^3 = c des Systems vom Radius I{(c).
Wir bezeichnen mit k die unveränderliche Entfernung der Brennpunkte
in der zugehörigen pseudosphärischen Congruenz, mit 6 das Comple-
ment des Neigungswinkels der Brennebenen (§ 251 u. f.), sodass
k == II cos (5
ist. Es sei ferner (p der Neigungswinkel eines Congruenzstrahls gegen
die Krümmungslinien q.^ = Const. Transformieren wir die Fundamen-
talgleichungen (16), S. 453, aus den auf die Haupttangentencurven be-
zogenen Coordinaten:
?i — ^2 = 2m, ^1 + ^, = 2ü
in die jetzt vorliegenden, q^ und q^, denen die Krümmungslinien zu
Grunde liegen, so erhalten wir die Gleichungen:
( d(p I dco sin cp cos a -\- sin a cos cp sin cü
(12) 1^"^^^^ ; \ ; '
-^ \ ccp . cca cos cp sin co -\- sin <j sin qp cos co
Nach dieser Vorbemerkung wenden wir auf jede pseudosphärische
Fläche ^3 des Systems eine durch die Gleichungen (12) bestimmte
Bäcklund'sche Transformation an, wobei wir k einen willkürlichen
festen Wert erteilen und 6 mittels der Gleichung:
(13) cos 6 = „
§ 296. Anwendung der Bäcklund' sehen Transformation. § 297. Fortsetzung. 533
als Function von ^3 auffassen. Wir wählen dann eine bestimmte
Function (p(Qi, q^, q^), die den Gleichungen (11) genügt, und fragen:
Welchen weiteren Bedingungen müssen wir die Function
q){Qi, pj, P3) unterwerfen, damit die ac^ abgeleiteten pseudo-
sphärischen Flächen wieder einem dreifachen Orthogonal-
system angehören?
Da bei der Bäcklund'schen Transformation die Krümmungslinien
wieder in Krümmimgslinien übergehen, so ist nach dem Darboux-
Dupin'schen Satze hierzu notwendig und hinreichend, dass die neuen
Curven q^ die Orthogoualtrajectorien der abgeleiteten pseudosphärischen
Flächen sind*).
Es seien x, y, z die Coordinaten eines Raumpunktes, bezogen auf
das ursprüngliche System, a;', y', z' die des Punktes, der aus ihm durch
die Transformation hervorgeht. Dann haben wir (S. 452, (14)):
(x' = x-{-}c (cos qp Xj 4- sin q> X^) ,
y'=y-\- A-(cos (p 1\ + sin <p Y,) ,
z' = z -{- k{cos (pZi -{- sincp Z^),
wo Xj, Y^, Z^-. X,, Y^, Zj die Richtungscosinus der Tangenten der
Parameterlinien q^ und q^ sind.
§ 297. Fortsetziing.
Aus den Gleichungen (12), S, 485 und 486, erhalten wir im vor-
liegenden Falle:
fXj B C'ca -Y
CQi COSö CQiCQs ''
cX, C<o ^ dX^ Cd) ^ Costa -y-
CX^ i? C*<a "V"
nebst analogen Gleichungen in Y und Z. Hiemach finden wir durch
Differentiation der Gleichungen (14) und imter Berücksichtigung der
Gleichungen (12):
ex
(14*)
= (cos Gi cos-g; — sin 6 sin (p cos (p sin ca) Xj -|-
, . . . .^ . k cos <p sin ao ^^
-j- cos (p (sin (p cos o -f- sm ö cos q) sm ») A^ -| „ A3,
*) Es ist ersichtlich, dass die Strecke k constant sein muss, wenn diese
Überlegungen giltig sein sollen. Es müssen nämlich eine Parameterlinie p, und
ihre transformierte Curre Orthogoualtrajectorien der Strecken k sein, die ent-
sprechende Punkte derselben verbinden.
534 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
— == sin 9 (cos g) sin 03 -|- sin 6 sin cp cos co)X^ -j-
(14 ) <^ I / • -2 ' ^ • \ V it sin qo cos m ,,
-^ + (smcj sm'^g) — sm 0 sin gj cos g) cos (d) Ag ^„ X5,
^ = - ä; smg)^ X, + 7c cos (jp ^— X, +
, y, /Ä; cos qp ^*ca ^^ Z; sin qo c*(b , da}\ -y-
~^ \ cos CO 3()i^(»3 "•" sin CO ^PjSpj ' ^Pg^ ^'
dazu analoge Gleichungen in y' und z\ Aus ihnen folgt:
^1 dx' ex' ^
'VT dx' dx'
7 . / . ^flp , Ä: cos qp ^*(B , ^ sin qp ^*co , ^co\
= k cos op sm 03 I sm <y .. -A ~ ^ — ^ ^ — - ^ — w h 7. — >
^ \ Cq^ ' cos CO </Pi «7^3 ' sin CO CQ^CQ^ ' (793/
'^^dx' dx'
7 . / • ocp , Z; cos 00 c^cö , Z-sinqp ^*co , cw\
== — k sm OD cos CD I sin (? ^5-- H ^ — ^ ^ — - o — ^^, h ^^ — •
^ \ ^Ps cos CO <7 pi d P3 ' sma dQ^CQs OqJ
Wir brauchen somit 95 nur der weiteren Bedingung:
/^ K\ • ^qp , A; cos qp c^co , Ar sin qp c^co , dco „
(15) sm (Jö^ H ~ >, — TS ^ — ^ 7^ — h - = 0
^ ^ <^ Ps cos CO C Pi ^ Pg ' sm CO CQs CQs ' OQs
zu unterwerfen, damit die Gleichungen (14) die Coordinaten x', y' z'
eines Raumpunktes, ausgedrückt durch die Parameter q^, q^, q.^ eines
neuen dreifachen (pseudosphärischen) Orthogonalsystems, definieren.
Unter der Voraussetzung, dass (p thatsächlich den Gleichungen (12)
und (15) genügt, lässt sich der Nachweis hierfür ohne Schwierigkeit
führen.
Die Gleichungen (14*) lassen sich nämlich so schreiben:
1 dx'
ö — = (cos 03 cos OD — sin 6 sin od sin 03) X, -\-
cos qp^pj^ ^ ^ /ii
-|- (sin (p cos 03 + sin (? cos cp sin 03) X^ -\- cos 6 sin 03 X^ ,
1 dx'
-. — - ö — = (cos OD sin 03 4- sin 6 sin od cos 03) X, +
sm qp S Pg ^ ^ ^ / 1 I
-\- (sin cp sin 03 — sin ^ cos (p cos 03) X^ — cos 6 cos 03 Xg,
1 ^a;'
— K— ö — = — cos 0 sin 9D Xj -|- cos 6 cos ^d X^ — sin öXg (wegen (15)).
Aus ihnen ergiebt sich unmittelbar die Gleichung:
(16) dx"^ -\- dy'^ 4~ d^'^ = 0,09^ cpdQ^^ -\- sin^g? (?()2^ + li^ V^) ^Qs^ y
aus der ersichtlich ist, dass das Linienelement des Raumes auf ein
dreifaches pseudosphärisches Orthogonalsystem bezogen ist, wobei der
Winkel 03 des ursprünglichen Systems durch den Winkels tp ersetzt ist.
§ 298. Abschluss. 535
§ 298. Abschluss.
Wir haben nun noch zu zeigen, wie durch passend gewählte Func-
tionen (p{Qi P2, Q3) den drei simultanen Gleichungen (12) und (15)
genügt werden kann. Wir können diese Gleichungen zu einer einzigen
totalen Differentialgleichung für die unbekannte Function tp zusammen-
fassen, nämlich*):
x^ „V , /sin QP cos ü) 4- sin a cos qp sin m c<o\ ^
(17) dg> = [ ^ - .-) dQ, -
(cos qp sin üj 4- sin ff sin op cos a> , ca)\ ^
k + ä^r^^ -
1 /fccosqp c*to , Ä'sinqp c'oa , ca}\ ,
-. ( 7^ -. ~ ^ ^ \- ^—) dg, .
sin ff \ cos 00 CQiCQi sinm Cq^cq^ CQ^f ^'
Diese Gleichung oder das äquivalente System der Gleichungen (12)
und {\o) ist unbeschränkt integrierbar, da ja die Integrabilitäts-
bedingungen wegen der Gleichungen (8) bez. (8*), denen o genügt,
und wegen der Relation:
cos ^ = -^
identisch erfüllt sind. Ist also der Wert von Je fest angenommen, so
hat die Gleichung (17) eine allgemeine Losung 9 mit einer willkür-
lichen Constanten C. Um den Wert von C festzulegen, haben wir nur
die Bäcklund'sche Transformierte einer der pseudosphärischen Flächen
Pg, von denen wir ausgegangen sind, oder die Richtung einer der
Strecken k fest zu bestimmen, die übrigens willkürlich, wofern nur
normal zur Paramet^rlinie 93, gegeben werden kann.
Wir bemerken, dass die Gleichung (17),
gesetzt, für A eine totale Differentialgleichung vom Riccati'schen Typus
liefert, von der wir also nur eine particuläre Lösung zu kennen brau-
chen, um das allgemeine Integral mittels Quadraturen zu erhalten. Für
die neu abgeleiteten pseudosphärischen Systeme kennen wir bereits
eine particuläre Lösung der zugehörigen Gleichung (17), nämlich die
von dem pseudosphärischen Ausgangssystem gelieferte: wenn wir also
den Wert der Constanteu k ungeäudert lassen, genügen schon succes-
sive Quadraturen zur unbeschränkt oftmaligen Ausfühnmg der Bäck-
*) Wenn wir die Gleichung für qp in der Form des Textes sehreiben, so
schliessen -«-ir natürlich den Wert a = 0 aus, der in dem allgemeinen Falle eines
veränderlichen J? nicht auftreten kann. Für constantes i? dagegen ist der Wert
ff=0 zulässig, und zwar giebt er zur Complementärtransformation der pseudo-
sphärischen Flächen Anlass, die weiterhin (§ 306) betrachtet werden wird.
536 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonal Systeme.
lund'schen Transformation. Aber wie für eine einzelne pseudosphäri-
sche Fläche, so kann auch in dem vorliegenden Falle das Verfahren
merklich vereinfacht werden, wenn wir den Yertauschbarkeitssatz be-
nutzen, der, wie wir nun nachweisen wollen, auch auf dreifache pseudo-
sphärische Orthogonalsysteme anwendbar ist.
§ 299. Anwendung des Vertauschbarkeitssatzes.
Indem wir die für eine einzelne pseudosphärische Fläche ange-
wandte Bezeichnungsweise (Kap. XYII) etwas ändern, verstehen wir
symbolisch unter Bk die auf ein dreifaches pseudosphärisches Ortho-
gonalsystem E angewandte Bäcklund'sche Transformation, wenn die
constante Entfernung zwischen einem Punkte von 6 und dem ent-
sprechenden Punkte des abgeleiteten Systems E' gleich /;; ist. Wir
beweisen nun die Giltigkeit des Vertauschbarkeitssatzes:
Sind Z" und E" zwei dreifache pseudosphärische Ortho-
gonalsysteme, die mit ein und demselben System E mittels
zweier Bäcklund'scher Transformationen B^ bez. B^', mit ver-
schiedenen Constanten k und /j', zusammenhängen, so giebt es
ein viertes pseudosphärisches System E'", das mit E' und E"
mittels Bäcklund'scher Transformationen mit vertauschten
Constanten h' bez. /j zusammenhängt.
Es seien S, S', S" drei entsprechende pseudosphärische Flächen
in den drei Systemen. Nach dem für einzelne pseudosphärische Flächen
giltigen Vertauschbarkeitssatze (§ 257) giebt es eine vierte, vollkommen
bestimmte, pseudosphärische Fläche S'", die mit S' und S" durch die
Bäcklund'schen Transformationen Bk' bez. Bi, mit vertauschten Con-
stanten, zusammenhängt. Wir haben jetzt nur zu beweisen, dass die
oo^ pseudosphärischen Flächen S'" einem vierten dreifachen Ortho-
gonalsystem E'" angehören. Sind nun P, P', P", P'" vier ent-
sprechende Punkte auf S, S', S", S'", und lassen wir P eine von den
orthogonalen Trajectorien C der Flächen S im System E beschreiben,
so werden infolge der in den voraufgehenden Paragraphen entwickelten
Eigenschaften der Bäcklund'schen Transformation P' und P" zwei
Orthogonaltrajectorien der Schar S' bez. S" beschreiben. Bedeutet C"
die von P'" beschriebene Curve, so brauchen wir nur zu berücksich-
tigen, dass die Strecken P' P'" und P" P'" constant und zu C bez.
C" normal sind, und können dann daraus schliessen, dass sie zu C"
in P'" normal sind. Diese beiden Strecken sind aber Tangenten von
S'" in P'", daher sind die Curven C" Orthogonaltrajectorien der
pseudosphärischen Flächen S'". Erinnern wir uns endlich daran, dass
§ 299 Anwendung des Vertauschbarkeitssatzes. 537
bei der Bäcklund'scheii Transformation die Krümmungslinien Krüm-
muDgslinien bleiben, so sehen wir, dass die Flächen S" in der That,
wie behauptet wurde, wieder einem dreifachen pseudosphärischen Ortho-
gonalsystem angehören.
Sind die di-ei Systeme H. E', E" bekannt, die durch die Quadrate
ihrer Linienelemente definiert sein mögen:
ds^ =cos2o t7()i^ + sin-(o f/p,- + Fr{p-ydQ^-,
ds'^ = cos-£ö' dg^- -f- sin-o' dg^- -f- Br {-^) dg^ ,
ds"-= cos-a'dQi^ + sin-co" dg^- -{- R-i^T^j dg^^,
so ergiebt sich das vierte System 27'", für das wir den zugehörigen
Wert von o mit o'" bezeichnen wollen, durch algebraische Operationen
aus der Gleichung (33), S. 463:
G -\- a'
cos
(18) tang'^ "
(0 (0
2 , ffl' — ü>"
- .' *^°g 2
o
2 . a
srn —
COS0 = jj-.
k'
cos <? = ß^
wo
ist (vgl. S. 532, (13)).
Stellen wir die Überlegungen in § 259 an, so erhalten wir demnach
die wichtige Folgerung:
Kennen wir von einem pseudosphärischen System 2," alle
cc- abgeleiteten Bäcklund'schen Systeme, so können wir für
jedes von letzteren Systemen lediglich durch algebraische
Rechnungen und Differentiationen die neuen abgeleiteten
Systeme bestimmen.
Mit anderen Worten: Wir brauchen nur die Gleichung (17) für
alle Werte von J: integrieren zu können, dann sind die bei der unbe-
grenzt oftmaligen Anwendung der Bäcklund'schen Transformation nach
einander auftretenden Gleichungen vom Riccatischen Typus ohne wei-
teres gleichzeitig mit dieser integriert.
Den Bedingungen des soeben ausgesprochenen Satzes genügen nun
eben die aus Dini'schen Schraubenflächeu bestehenden, der Gleichung (11),
S. 531, entsprechenden dreifachen pseudosphärischen Systeme. Ohne die
diesbezüglichen Rechnungen durchzuführen, wollen wir dieses kurz
folgendermassen nachweisen : Das System (8) besitzt die evidente Lösung
cö = 0. Wenden wir auf sie die Bäcklund'sche Transformation mit
der Constanten k an, um eine neue Lösung (p zu erhalten, so sehen
538 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
wir leicht ein, dass (p nur den beiden Gleichungen (12) zu genügen
braucht. Dieselben lauten in unserem Falle:
d q» sin cp dcp sin a sin qp
8qi k dg^ k
und geben integriert:
igl = e
Qi — Ol sin a ,
2
WO xl} eine willkürliche Function von ^y ist. Hierin brauchen wir nur
k = 1^ sin ö' = — tgh ^3
zu setzen, dann erhalten wir sofort die Gleichungen (11). Zu der
Lösung (0 = 0 kennen wir demnach alle Bäcklund'schen Transformier-
ten und können somit den obigen Satz anwenden. Daraus folgt auch
hier das Vorhandensein einer unendlichen Schar von dreifachen pseudo-
sphärischen Systemen, die von gewöhnlichen Functionen abhängen
(vgl. § 261).
§ 300. Weingarten'sehe Systeme.
Wir wollen uns nun mit dem besonderen Falle beschäftigen, in
dem die pseudosphärischen Flächen des dreifachen Orthogonalsystems
alle denselben Radius haben. Der erste, der das Vorhandensein dieser
pseudosphärischen Systeme erkannt hat, ist Weingarten gewesen, der
auf die Möglichkeit des Überganges von einer Fläche mit constantem
Krümmungsmass zu einer unendlich nahe benachbarten Fläche mit
demselben Krümmungsmass hingewiesen hat, und zwar eines derartigen
Überganges, dass der unendlich kleine normale Abstand zwischen den
beiden Flächen eine Lösung der Cayley 'sehen Gleichung ist. Diese be-
sonderen pseudosphärischen Systeme sollen deswegen, wie in den früher
angeführten Abhandlungen des Verfassers, Weingarten'sehe Systeme
genannt werden.
Für diese Systeme setzen wir einfach B gleich Eins. Dann gehen
die Fundamentalgleichungen (8), denen cj genügen muss, über in:
TS » o — 5 = Sm 03 cos 03 ,
(19)
-^ — I >^ — .. ) = cos CO -?^ — -. — - 7^ — o — ^ — '
OQi \COS Cü CQj^ CQs/ OQs Sin Cü 0 Q^ C Q^ 0 Q^
d l 1 C^oi \ . C(o \ d(a C^B)
75— ( -. ö — -o — == sm oj 7,^ — • ^— w — -^ — 7
OQ^XSin CO OQ^C qJ OQs cos CO OQi CQi CQ3
d^co , da d^co , d(o d^ca
^ — 5 — 5 — = cotco ^ — 75 — -. tg ra ö-— ^^ — ö —
§ 300. Weingarten'sche Systeme. 539
Da das Linienelement des Raumes unter Zugrundelegung des Wein-
garten'schen Systems durch
ds^ = cos^ca (Iqi^ -\- sin^a dQ^^ -f" \~ — ) ^Qz^
gegeben ist, so sind auf den pseudosphärisehen Flächen q^ die Curven:
^ = Const. die Äquidistanzcurven (§ 275). Nun stallen wir zu-
CQa
nächst den Satz auf:
In einem dreifachen orthogonalen Weingarten'schen
System sind die Äquidistanzcurven auf den pseudosphäri-
schen Flächen parallele geodätische Kreise.
Setzen wir für den Augenblick:
\cos oa c Qi c Qg/ \sin a> cp, CPj/ ^CQ^/
so ergiebt sich aus den Gleichungen (19) und (8*):
also:
/ 1 c'-co Y , / 1 c^co Y _ /c^Y =F( )
Vcos Q) CQi CQj' ' Vsinoi cp, rp,/ VfPj^ v"3/>
wo F nur von q., abhängt. Setzen wir dann:
reo
n = 7= —
80 erhalten wir (S. 67):
wenn zf^n der erste Differentialparameter ron n bezüglich des Quadrats
des Linienelements der pseudosphärischen Fläche q^ = Const.,
ds- = cos- odQi^ -j- sin-iodQ^^,
ist. Da also
(20) z/,n = F(q,) + n'
ist, so folgt (§ 81), dass die Äquidistanzcurven: w = Const. auf der
pseudosphärischen Fläche g.^ = Const. geodätisch parallel sind. Berech-
nen wir nun nach der Bonnet'schen Formel (4), S. 149, die geodäti-
sche Krümmung — der Äquidistanzcurven:
1 \ r c /Bin CO 1 cn\ , /cosco 1 dn
tc /smai 1 cn\ ^^ /cosco 1 cn\
CQi \yjin cos a CQiJ \]/z/j n sin w cq^) _
Qn Sm O) cos ü)
unter Benutzunor der Gleichungen:
c / 1 cn\ , 1 cn cta
■^ — ( — 1 = n cos ö A — -. — ^— ^= — >
rpi \C08 oj cq^l sm CO cpj cp,
d l \ cn\ . 1 cn C(o
7= — 1-;^ — 7^ — I = n smca ^ — ^ — ?
CQi vsin Q) cpj/ cos ü» CPi <7pj
CQi
<?P2
540 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
die aus (19) folgen, und der sich aus (20) ergebenden:
- ... ' - = 2 w ,. — ; -" ^ ~ = 2n
SO erhalten wir:
(21) i-=
Es sind demnach die Äquidistanzcurven : n = Const. auch Curven
constanter geodätischer Krümmung und deshalb geodätische Kreise.
Daraus folgt (§ 39):
Auf den pseudosphärischen Flächen eines gegebenen Wein-
garten'schen Systems lassen sich die geodätischen Linien
mittels Quadraturen bestimmen.
n
§ 301. Fortsetzung.
Wir bemerken, dass im vorliegenden Falle das System (19)
völlig äquivalent ist dem folgenden:
(A)
C CO
sin CO cos CO
Wir haben in der That gesehen, dass dieses aus dem System (19) folgt;
aber umgekehrt folgt auch aus dem System (A) das System (19). Man
setze nämlich:
1 d^co ,. 1 c'^co
M-
~~, N:
COS O) CQ^ OQs Sm CO CQ^ C(
und differenziere die erste der Gleichungen (A) nach ^g, die zweite
das erste Mal nach q^, das zweite Mal nach q^. Die drei neu ent-
standenen Gleichungen, zusammen mit der vierten:
d (M COS cü) d {N sin m)
OQi
CQi
löse man nach den Differentialquotienten Z, — ? ^ —
cN dN „
SO ergeben sich genau die Gleichungen (19). Ein Ausnahmefall würde
dann eintreten, wenn die Determinante:
cos 03 0 0 — sin CO
0 cos CO — sin ro 0
M 0 N 0
0 ilf 0 N
= N'cos'c) — M^sin'co
gleich Null wäre. In diesem Falle würde aber hieraus und aus (20)
folgen :
§ 301. Fortsetzung. 541
;= — ? — = £ Sin- CJ
Würde dann die erste dieser Gleichungen nach q^ und die zweite nach
(»1 differenziert, so ergäbe sich:
also: '-. <-•
^^ <7'(B c'at
was der ersten Gleichung (A) widerspricht.
Xach dieser Vorbemerkung haben wir nun drei Fälle zu unter-
scheiden, je nachdem die parallelen geodätischen Kreise n = Const.
einen imaginären oder einen reellen, im Endlichen gelegenen, Mittel-
punkt haben oder Grenzkreise sind. Dementsprechend ist:
V<i, l>i, i-=i.
9n «•» ^H
Wegen (21) werden diese drei Fälle durch das Vorzeichen von F{q^
unterschieden: es ist nämlich bezüglich:
F{q,)>0, FiQ,)<0, FiQ,) = 0.
Durch geeignete Änderung des Parameters q^ können wir in den ersten
beiden Fällen
F{Q,) = -j-l bez. ^^^»3) = -!
machen. Xuii haben wir, unter d- den Winkel verstanden, den die
positive Richtung der Hauptnormale der Parameterlinie 93 auf der
pseudosphärischen Fläche mit der Curve q^ = Const. bildet, nach den
Gleichungen in § 274, S. 490:
(22) cos^ = — ^, sin^ = — ^,
wo i?3 der Radius der ersten Krümmung dieser Curven ist, die durch
J, n
gegeben ist. Die Flexion ^ der Orthogonaltrajectorien der pseudo-
sphärischen Flächen soU der Kürze halber die Flexion des Wein-
garten'schen Systems in dem betreffenden Raumpunkte genannt
werden. Wir haben also das Ergebnis:
Die charakteristischen Gleichungen für die Function a
in einem Weingarten'schen System können wie folgt ge-
schrieben werden:
542
(A*)
Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
CQi-
dQ,'
= sin CO cos G)
1 / c'co y i_^ / c'co Y _ /i^y = -4- 1
je nachdem die Flexion des Systems grösser oder kleiner als
Eins ist.
§ 302. Weingarten'sclie Systeme mit der Flexion Eins.
Der in der Mitte liegende Fall, in dem die Flexion des Systems
gleich Eins ist, ist besonders interessant. Dazu braucht nur eine
der Curven q^ constante Flexion (gleich Eins) zu besitzen, so sind auf
jeder pseudosphärischen Fläche des Systems infolge der Gleichungen
(21) und (23) die Äquidistanzcurven : n = Const. parallele Grenzkreise,
und es besitzen demnach alle übrigen Curven q^ ebenfalls die constante
Flexion Eins. In diesem Falle bezeichnen wir das Weingarten'sche
System als ein solches mit constanter Flexion. Dasselbe ist durch
den Wert F{q.^) = 0 und somit durch die folgenden Gleichungen für
CO charakterisiert:
(B)
C ca
C CO
Sm C3 cos 03
1 / d^ca y i_ / g^üj y __ /d^y
. COSTCO \gpi dgj ' sin^ü) \^92 cq^/ wpj/
Führen wir den durch die Gleichungen (22) bestimmten Winkel d-
ein, so können wir, da JRg gleich Eins ist, für das System (B) das
nachstehende setzen:
(B =
C CO
<7P2
= sm 0) cos CO
- — ^ — = cos d- cos CO
d^co
CQs
dco
r- --- o — == — sin '0' sin co ^
Die Gleichungen (19), die aus diesen folgen, geben dann:
sin 0' cos CO ,
(24)
(dd" |_ dco
, d& , dco .
ö r o — = — cos -O" sm co
aus denen durch Elimination von co folgt:
(25) ■ ^-^ - ^^-
Durch Differentiation der Gleichungen (24) nach q^ ergiebt sich:
= sin O- cos &
§ 302. Weingarten' sehe Syst. etc. § 303. Ableit. d. Ribaucour'schen Cykelsyst. 543
= cos ^ cos a ;5 — t
= sm & sin GJ
(26)
also ist:
^■"'^ cos*9\cg^CQj ~^ s'uii&\CQ,C9j ^ qJ
Ans (25) und (27) folgt, dass & dem System (B) genügt. Es bestimmt
somit & ein Weingarten'sches System mit constanter Flexion, das zur
Gleichung:
gehört. Der geometrische Zusammenhang zwischen diesem neuen Wein-
garten'schen System mit constanter Flexion und dem alten wird später
(§ 906) klar zu Tage treten.
§ 303. Ableitung der Ribaucour'sehen Cykelsysteme.
Als Beispiele von Weiugarteu'schen Systemen mit constanter
Flexion kennen wir bereits die Ribaucour'sehen Cykelsysteme von con-
stantem Radius. Um zu sehen, ob sieh das Vorhandensein derselben
auch aus den allgemeinen Gleichungen des vorhergehenden Paragraphen
ergiebt, bemerken wir, dass wir für die Torsion w- der Curven q^ in
-'s
einem Weingai-ten'schen System mit constanter Flexion den Wert (§ 274):
cd-
J_ ^ ggs
haben. Ist also 0- von q^ unabhängig, so ist -^ gleich Xull, d. h. die
Curven q^ sind Kreise vom Radius Eins. Um die Systeme zu erhal-
ten, brauchen wir nach dem vorhergehenden Paragraphen nur von einer
beliebigen pseudosphärischen Fläche S auszugehen, für das unter Zu-
grundelegung der KrümmungsKnien
ds- = cos-^dQ^- -}- sin-d-dQ^^
ist, und üj aus dem unbeschränkt integrierbaren System:
COl , c& _ .
7= h 7^ — = — COS '9' sm (D ,
cco . cQ- . „
K h 7^ — ^ — sm 9- COS a
zu bestimmen; dann erhalten wir, unter q^ die in a enthaltene will-
kürliche Constaute verstanden, gerade die Gleichungen (B), die offenbar
544 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsj^steme.
ein Ribaucour'sches Cykelsystem charakterisieren. Dasselbe wird von
den oo^ pseudosphärischen Complementärflächen von S gebildet (vgl.
§ 186).
Es mag nocb bemerkt vi^erden, dass aus der Combination der all-
gemeinen Gleichungen (2(i) im vorhergehenden Paragraphen und der
letzten beiden Gleichungen (B)
folgt, WO tiQs) nur von q^ abhängt, dass also, wenn :. — für ein be-
sonderes Wertepaar ()^, q.^ (was auch q^ sein mag), gleich Null ist, es
auch für alle gleich Null ist. Also:
Wenn in einem Weingarten'schen System mit der con-
stanten Flexion Eins eine von den Orthogonaltrajectorien
der pseudosphärischen Flächen ein Kreis vom Radius Eins
ist, so sind es auch alle anderen, und das System ist mit
einem Ribaucour'schen Cykelsystem identisch.
§ 304. Dreifaelies System von Schraubenflächen.
Um an einem wirklichen Beispiel das Vorhandensein Weingarten'scher
Systeme mit constanter Flexion, abgesehen von den Cykelsystemen, zu
erkennen, sehen wir zu, ob wir dem Fundamentalsystem (A) dadurch
genügen können, dass wir w als Function einer linearen Combination
der Variabein:
'^ = a + f + ^3 ia,h = Const.)
annehmen. Setzen wir:
co=f{x),
so ergiebt sich aus der ersten Gleichung (A):
,,„ a^ b^ sin f cos f
t = fe«_ «2
und hieraus durch Integration:
Die zweite Gleichung (A) stellt sich dann als identisch erfüllt heraus.
Wählen wir
a>h, C=l,
so haben wir:
df
an' . „.'
sm*/
a'— b'
§ 304. Dreifaches System von Schraubenflächen. 545
demnach :
sin o = sn (t, A-), cos io = cn (r, Ar) (Jc = —^ \ ■
Für das Quadrat des Linienelements des Raumes ergiebt sich der be-
merkenswerte Ausdruck:
ds- = cn-t dQi- + sn^rrfp,- + dn^rrfpj^,
wo
ist, der Modul A* und die Constante a willkürlich bleiben und
- = !/-'+ -"-
ist. Für die reciproken Werte der Hauptkrümmungsradien der Flächen
der drei Systeme finden wir die Ausdrücke (§ 274, ,13):
1 1 dn r 1 A-* cn r 1 sn t
r^j a snr /-j, 6 dn t r,! cnx
1 Ä* sn T 1 1 dn T 1 cn T
Tjj a dn T ' Tji b cn t r,, sn r
mithin für die Krümmungsmasse bezüglich:
-£i = — ;^> -^ = -fpj -2^3 = — 1-
Es lässt sich leicht einsehen, dass die Flächen der drei Systeme Schrauben-
flächen mit derselben Axe sind, sowie dass die Flächen jedes Systems
einander congruent sind. Diejenigen des ersten und des dritten Systems
haben negatives, diejenigen des zweiten Systems positives constantes
Krümmungsmass *). Jede beliebige Schraubenfläche mit constantem
Krümmimgsmass führt auf ein Weingarten'sches System der obigen
Gattung.
Femer erhalten wir für die Flexion -^^ der Ciu-ven p.. den Wert:
Setzen wir daher insbesondere:
h = r-,
woraus
folgt, so haben wir ein Weingarten'sches System mit constanter Flexion.
*) Es liegt somit hier gleichzeitig ein Beispiel für Weingarten'sche Systeme
mit positivem Krümmungsmass vor, die wir am Schlüsse dieses Kapitels (§ 314)
behandeln werden.
Bian Chi, Differentialgeometrie. 35
546
Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
Dasselbe artet aber nicht in ein Ribaucour'sches Cykelsystem aus, denn
für die Torsion der Curven q^ erhalten wir den Wert:
i; ~~ dn «7 '
der von Null verschieden ist.
§ 305. Anwendung der Bäeklund'schen Transformation auf
Weingarten'sche Systeme.
Wenn wir auf ein Weingarten'sches System die Bäcklund'sche
Transformation anwenden (§ 296 u. f.), so erhalten wir neue Wein-
garten'sche Systeme. Die Gleichung (17) liefert in dem vorliegenden
Falle für Je == cos a, 11=1 das Gleichungssystem :
dcp 1^ dco
(28) ^i^ + l^
sin cp cos CO -|- sin c cos cp sin co
cos G
cos (f) sin a -\- sin a sin cp cos a
cos 6
CCD , cos ff cos W
sm 6 ~ -\-
SQs
cos CO SQi Sq^
+
cos ff sm cp
sin CO
~=0
Die Function cp, die das transformierte System bestimmt, genügt den
Gleichungen :
d^cp d^cp
g— ^ — ^^2 = sinqpcosqD,
cos^qo Vpi c?P2^ sm^qp \^()2 fpj/ wPs'^
Nun ist hervorzuheben, dass der Wert der Function f{Q^ mit
dem ähnlich gebildeten von F(q^) in den Gleichungen (A), denen co
genügt, genau übereinstimmt. Aus (28) folgen nämlich unter Berück-
sichtigung von (19) die Gleichungen:
(28=
cos ff
C^cp
cos qp
OQi CQs
cos ff
d\
sin cp
GQi 8Qs
Ccp
COS CO 7=r^ [- sin 6 cos CO
SQs
+
I . , 0 CO
-j- cos 6 sm cp tang co ^ — >,
a*ö)
?s
cos (5 cos OD ^ -^ — >
CQ2 CQi
dcp . . . dco
sm CO ^ + sm 6 sm co -f,
C^co , . c^co
COS 6 sm qo t^ — o h cos 6 cos cp cot co ^, — r, — •
Aus ihnen ergiebt sich durch Quadrieren und Addieren mit Rücksicht
auf die dritte der Gleichungen (28) die Beziehung:
(29) — - ( ^'f y + - -^- ( ^""f y i^y =
cos^ca \dQi CqJ sin^o) \dQ^ dqj \
§ 305. Anwend. d. Bäcklund'schen Transformation auf Wemgart€n''sche Syst. 547
Hiemach ist die Flexion des abgeleiteten Systems grösser oder gleich
oder kleiner als Eins, je nachdem einer der drei Fälle für das ursprüng-
liche System zutrifft. Insbesondere gilt der Satz:
Jedes Weingartensche System mit constanter Flexion
geht durch eine Bäcklund'sche Transformation in Systeme
der nämlichen Art über.
Setzen wir weiter in diesem FaUe (§ 301):
cosd = ^'^^"r» , sin^= ^-1^?-
cto . c(a
cos tO -p^ Smo» t; —
cos ^' = .:' , sin i' — — ^* '
Ccp . TCP
cos qp sin qp y,-^
SO geht das System (28*) unter Benutzung der dritten Gleichung
(28) über in:
cos CO cos (qp — &) — sin e sin cd sin (qp — Q-) — cos a cos <a
COS t = — ^- : -5^?-— ^ ,
1 — cos 6 cos (qp — 9-)
sin CO cos (qp — '9') 4- sin ß cos co sin > qp — &) — cos o sin ca
sm rb =^ ~ ^— ' ; — ^^i-— — ~
1 — cos ff cos(qp — 9)
Daraus folgt durch Differentiation nach q.^:
ctp _. sin ff c9- ..
cpj "' 1 — cos ff cos(qp — 9) cg^
Ist also ^ = 0, so ist auch 5^ = 0, d. h. (§ 303) :
Die Ribaucour'schen Cykelsysteme gehen durch eine Bäck-
lund'sche Transformation wieder in Cykelsysteme über*).
*) Der Beweis dieses und des vorigen Satzes kann geometrisch geführt wer-
den auf Grund des geometrischen Gesetzes, nach dem die Bäcklund'sche Trans-
formation eine Orthogonaltrajectorie C der pseudosphärischen Flächen eines Wein-
garten'schen Systems in die entsprechende Curve C des transformierten Systems
überführt. Die Sti-ecke PP\ die zwei entsprechende Punkte P auf C und P' auf
C verbindet, ist constant gleich cosc, und der Winkel, den die Tangenten in P
an C und in P' an C mit einander bilden, ist das Complement zu ff. Bei der
directen Behandlung einer solchen Transformation für eine beliebige Curve C er-
giebt sich, wenn mit & der Neigungswinkel der Strecke PP' gegen die Haupt-
normale von C in P bezeichnet wird, in den übKchen Bezeichnungen:
dO' 1 _i_ 1 /cos ff cos ■9' \
d7 ~ T" "*" smff \ g / *
Besitat die Curve C die constante Flexion Eins, so gilt dasselbe von der Curve C.
Ist noch specieller C ein Kreis, so ist es auch C .
Wir bemerken noch, dass, wenn C auf einer Kugel vom Radius cos ff liegt,
35*
548 Kap. 20. Dreifache pseudosi^härische Orthogonalsysteme.
Nach diesen Sätzen und nach den Ergebnissen des vorigen Para-
graphen ist ersichtlich, dass es unendlich viele Weingarten'sche Systeme
mit constanter Flexion giebt, die keine Ribaucour'schen Cykelsysteme
sind.
§ 306. Die Complementärtransforination.
Bei der Anwendung der Bäcklund'schen Transformation auf Wein-
garten'sche Systeme ist der bemerkenswerte besondere Fall denkbar,
in dem der Winkel 6 gleich Null ist und die Bäcklund'sche Transfor-
mation somit in die Complementärtransformation übergeht (§ 255),
was in dem allgemeinen Falle pseudosphärischer Systeme von ver-
änderlichem Radius li nicht eintreten konnte.
Dann geht die dritte der Gleichungen (28) über in:
(30)
Da
cos g) 0^03 1 sin qp
cos 03 CQ,^ 8Qg ' sin CO
O^co
d^co
1 1 dQi dQs
"jj cos CO 8 CO
1 _ 1 dQ^ a^s
r2s sm CO cco
^Qs
CQs
ist, so kann sie wegen der Grleichungen (22), S. 541, auch wie folgt
geschrieben werden:
(30*) cos {cp — d') = R^.
Hieraus ergeben sich somit zwei verschiedene reelle Werte von (p für
Weingarten'sche Systeme mit der Flexion -^ > 1 , und der einzige
Wert q) == d- für Systeme mit der constanten Flexion p- = 1 . Nun
brauchen wir nur die Grleichung (30) das erste Mal nach q^^, das zweite
Mal nach q., zu differenzieren und die Gleichungen (19) zu berück-
sichtigen, um uns zu überzeugen, dass die so bestimmten Werte für (p
den beiden ersten Gleichungen (28) wirklich genügen.
Um dieses Ergebnis geometrisch zu deuten, wählen wir als Para-
meterlinien a = Const., /3 = Const. auf einer pseudosphärischen Fläche
des Systems, dessen Flexion -^ wir grösser als Eins annehmen, die
geodätischen Äquidistanzkreise und die zu ihnen orthogonalen geodä-
C" sich auf einen Punkt, den Kugelmittelpunkt, zusammenzieht, wie hervorgeht,
wenn
^ Q d& 1
cos & = ' -f- = -^
cos ff ds 1
gesetzt wird.
§ 306. Die (üomplementärtransfonnatioiu 549
tischen Linien. Das Quadrat des Linienelements der Fläche nimmt
dann die hyperbolische Form an (vgl. S. 190):
ds^ = dtt^ + coshV dß^.
Bezeichnen wir nun mit Sl den Winkel, den die durch (oO) bestimmte
Richtung mit der geodätischen Linie ß = Const. bildet, so haben wir:
und da wegen (23), S. 541,
~ = Q„ = cotha
ist, so geht (30*) über in:
cos Sl = tgh a ,
wo a die geodätische Entfernung des betreffenden Flächenpunktes P
von der geodätischen Linie a = Const. ist. Aber zufolge der Gleichung
für den Parallelitätswinkel auf pseudosphärischen Flächen (S. 430)
ist Sl nichts anderes als der Parallelitätswinkel bezüglich des Punktes
P und der geodätischen Linie ß = 0.
Wir haben somit das folgende Ergebnis:
Gegeben sei ein Weingarten'sches System Z" mit der
Flexion p->l. Man betrachte auf jeder pseudosphärischen
■"s
Fläche S des Systems diejenige bestimmte geodätische Linie
g, welche zu den Aquidistanzcurven gehört, und ziehe die
geodätischen Parallelen zu g in einer der beiden möglichen
Richtungen. Wird zu S die Complementärfläche S^^^ oder 5^"^^
bezüglich einer der beiden Scharen von geodätischen Paral-
lelen genommen, so bilden die oc^ Flächen S'-^^ oder S'~^^ zwei
neue Weingarten'sche Systeme U^^^ und 2J^—^K
Dieselben mögen als die Complementär Systeme von 2J bezeich-
net werden. Nach dem vorigen Paragi-aphen ist ihre Flexion, ebenso
wie die von Z" selbst, grösser als Eins.
Wir können nun sowohl auf 2^''^\ als auch auf 2J^—^^ wieder die
Complementärtrausformation anwenden. Da aber eins der beiden neuen
Complementärsysteme jedenfalls das Ausgangssystem 27 ist, so erhellt,
dass das gegebene System Z lediglich vermittelst Differentia-
tionen eine Reihe Weingartenscher Systeme:
. . . z(-2), z(-i), z, zw^ 2:(^) . . .
liefert, die sich nach beiden Seiten bis ins Unendliche fortsetzt und
in der jedes System die beiden Nebensysteme zu Complementärsyste-
men hat.
Hat aber das System Z die constante Flexion w =1, so giebt
550 Kai). 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
es ein einziges Complementärsystem Z'(^) ebenfalls mit constanter Flexion.
Infolge der Eigenschaften der Complementärtransformation ist klar,
dass in diesem Falle die Orthogonaltrajectorien der pseudosphärischen
Flächen von 2^^^^ die Ortscurven der Krümmungsmittelpunkte der ent-
sprechenden Orthogonaltrajectorien im Ausgangssystem Z! sind,
§ 307. Einleitung zum Beweise des Existenztheorems.
Bisher ergab sich für uns das Vorhandensein unendlich vieler
dreifacher pseudosphärischer Orthogonalsysteme lediglich aus der An-
wendung der Bäcklund'schen Transformation auf gegebene pseudosphä-
rische Ausgangssysteme. Diese Methode aber ermöglicht es uns nicht,
den Freiheitsgrad für die Systeme festzustellen; auch können wir sie
nicht auf solche dreifache Orthogonalsysteme anwenden, die eine Schar
von Flächen mit positivem constanten Krümmungsmass enthalten.
Solche Orthogonalsysteme giebt es nämlich auch, wie wir am Schlüsse
dieses Kapitels entwickeln werden, und zwar von demselben Freiheitsgrade.
Wir wollen nun eben in den letzten Paragraphen dieses Kapitels
den allgemeinen Beweis des Satzes von der Existenz unserer Systeme
behandeln, und zwar leiten wir ihn aus den allgemeinen Sätzen von
Cauchy über die Reihenentwickelungen der Integrale partieller Diffe-
rentialgleichungen ab. Der Kürze halber beschränken wir uns auf den
Fall der Weingarten'schen Systeme, d. h. auf den Fall, in dem das
Krümmungsmass für alle Flächen des Systems q^ = Const. dasselbe
ist; doch wird der Leser sehen, dass das Verfahren allgemein anwend-
bar ist.
Zu Grunde legen wir unseren Untersuchungen folgende Thatsache:
Ein Weingarten'sches System (qj^, Q27 Qs)} ^^ ^^^ ^^® Flächen constan-
ten Krümmungsmasses die Flächen ^3 = Const. sein mögen, ist völlig
bestimmt, sobald eine Fläche eines der Systeme ()^ == Const. oder
(>2 = Const. gegeben ist. Ist nämlich z. B. eine Fläche Sq des Systems
()i = Const. gegeben, so muss jede pseudosphärische Fläche vom Radius
Eins des Systems ^3 durch eine Krümmungslinie q^^ = Const. auf Sq
gelegt werden und Sq orthogonal schneiden, wodurch sie eindeutig be-
stimmt ist (vgl. S. 442).
Nach dieser Vorbemerkung ist der Weg, den wir zur Entschei-
dung der Frage einschlagen, der folgende: Zunächst untersuchen wir
die charakteristischen Eigenschaften der genannten Flächen, deren Be-
stimmung im allgemeinen von einer einzigen partiellen Differential-
gleichung vierter Ordnung für eine unbekannte Function zweier Ver-
änderlichen abhängt. Dann weisen wir umgekehrt nach, dass jede
§ 308. Die zugehörige partielle Differentialgleichung vierter Ordnung. 551
Fläche, die diese Eigenschaften besitzt, ein Weingarteu'sches System
eindeutig bestimmt. Der Freiheitsgrad der Weingarten'schen Systeme
ist demnach derselbe wie im Integral der erwähnten Gleichung, das
vier willkürliche Functionen enthält.
§ 308. Die zugehörige partielle Differentialgleichimg vierter Ordnung.
In einem pseudosphärischen Weingarten'schen System (pj, q^, q^)
betrachten wir eine Fläche Sq des Systems q^, z. B. q^ =0. Setzen wir:
ö(ö, (>2,(>3) = Oo(92> 93)7 ,
so nimmt das Quadrat ihres Linienelements unter Zugrundelegung der
Krümmimgslinien q^, q.^ den Ausdruck an (vgl. 9 , S. 529):
(31) rfV = sin^öo clQ,' + i^^dg,' .
Setzen wir ferner:
(1^)^=0=^0'
so erhalten wir für die reciproken Werte der Hauptkrümmungsradien
i?j, i?9 von Sq bezüglich der Curven q^ = Const., ^3 = Coust. die
Ausdrücke (ygl. § 274):
1 aps 1 ^0
(32)
cos CO-, TT-^
Die beiden letzten Gleichungen (19), S. 538, geben uns dann die fol-
genden Beziehungen zwischen den beiden Functionen (Oq, i'^ von g^
und (>3 :
(33) l
Umgekehrt ist als wichtig zu bemerken: Genügen die Functionen
«0, i^'o von g^ und ^3 den Gleichungen (33), so giebt es eine
Fläche Sqj die unter Zugrundelegung der Krümmungslinien
g^ und pg das Linienelement (31) besitzt und deren Haupt-
krümmungsradien durch die Gleichungen (32) gegeben sind.
Es gehen nämlich in diesem Falle wegen (31) imd (32) die Gaussischen
und Codazzi'schen Gleichungen gerade in die Gleichungen (33) über.
Wir bemerken weiter, dass die Gleichungen (33) die folgende:
552 Kap. 20. Dreifache pseudosphärisclie Ortliogonalsysteme.
wo -^(^3) eine Function von q^ allein bezeichnet, nach sich ziehen.
Umgekehrt können wir für das System (33) die erste Gleichung des-
selben in Verbindung mit (33*) als äquivalentes System setzen*).
Lassen wir nun den Fall: F{q^) = 0, den wir im nächsten Para-
graphen behandeln werden, beiseite, so können wir durch passende
Änderung des Parameters pg
machen. Dann hängt die Bestimmung unserer Flächen Sq von folgen-
dem simultanen System ab:
«
Die Elimination von ^0 aus diesen beiden Gleichungen führt offenbar
auf eine einzige partielle Differentialgleichung vierter Ordnung für die
unbekannte Function Oq. Unsere Flächen Sq hängen somit von vier
willkürlichen Functionen ab.
§ 309. Flächen mit einer Schar Krümmnngslinien constanter
Flexion.
Wir untersuchen nun den ausgeschlossenen Fall:
Fi9s) = 0>
in dem wir die Flächen Sq vollkommen durch die geometrische Eigen-
schaft charakterisieren können, dass ihre Krümmungslinien ^2 = Const.
Curven mit der constanten Flexion Eins sind. Da nämlich die Krüm-
mung des Normalschnitts längs einer solchen Curve
B. dco„
^ cos COf. -^—^
ist, während die geodätische Krümmung nach S. 148 durch
1 Bq^ dos
^y sin ca„ -„— '^
*) Eine Ausnahme würde der Fall: -„— = 0 bilden. Dann aber würde aus
09i
(33) auch -—^ = 0 folgen und die Fläche S„ sich auf eine Curve zusammenziehen.
§ 309. Flächen mit einer Schar Krümmungslinien constanter Flexion. 553
gegeben ist, so ergiebt sich in der That (vgl. § 274):
Bezeichnen wir mit d^ den Winkel, den die Hauptnormale der Curve
Q^ = Const. mit der Flachennormale bildet, so haben wir (S. 147):
oder:
— - = cos 0^ , — = sm 0-
>^ = cos d^ cos cj„ ^^^ , . — ~— = sm » sm ©o ^^
Eliminieren wir mittels dieser Gleichungen ^^ aus den Gleichungen
(34), so ergeben sich für & und ej,, die charakteristischen Gleichungen:
7. — ^=5_ ^ sm 0" sm Oft -r-^
= — sin d- sm o„ ~
(35)
Jedem Functionspaar 0^, ©ß, das diesen beiden simultanen Gleichungen
genügt, entspricht umgekehrt eine Fläche S^, deren Krümmungslinien
Q^ = Const. die Flexion Eins haben. Es lässt sich leicht nachweisen,
dass die diesen Gleichungen entsprechenden Flächen S^ die allgemein-
sten mit einer Schar Krümmungslinien constanter Flexion Eins sind;
es mag jedoch hier in Betreff des Beweises auf die Abhandlung des
Verfassers im 13. Bande der Annali di Matematica verwiesen werden.
Ans den Gleichungen (35) folgt, wie wir noch bemerken wollen:
^(1^1^) = 1.
Durch Änderung des Parameters pg können wir einfach
(35*) |i i^o = 1
machen, und diese Gleichung kann an Stelle der zweiten Gleichung
(35) gesetzt werden.
Durch Elimination von & ergiebt sich zur Bestimmung von Oq
offenbar eine partielle Differentialgleichung dritter Ordnung. Auf
eine solche werden wir auch geführt, wenn wir die Gleichung dieser
Fachen in der gewöhnlichen Form:
schreiben.
554 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
§ 310. Construction eines "Weingarten'sclien Systems.
Wir wollen nun das nachstehende Theorem beweisen, das eben
das erwähnte Existenztheorem ist:
Wird durch jede Krümmungslinie ()j. = Const. einer Fläche
Sq, die den Gleichungen (31), (32) und (33) genügt, die pseu-
dosphärische Fläche vom Radius Eins gelegt, die Sq ortho-
gonal schneidet, so gehören die so construierten pseudosphä-
rischen Flächen einem Weingarten'schen System an.
Zum Beweise gehen wir auf die Fundamentalgleichungen (19),
S. 538, zurück, denen die charakteristische Function co(()^, q^, q^) eines
Weingarten'schen Systems genügen muss, und zwar schreiben wir sie
hier in der folgenden Weise:
( A j V, — i — -^ — i = sm G) cos 03 ,
(B)
d^co , dm d^co , , da d^oa , 9 da
?^ — tq— = — tang ö ^ 7^ — a \- cot (o ^ — ^ — k h cos''» -^ — :
d^a , da d^a . . da d^a
7, — ^ — rs — = — tang G) 1^ — 5 — ^ \- cot CO ^- „ — >s — >
d^a , da d^a , . da d^a , . 9 dm
^ — i^ — == — tang CO X — >s — ö r cot a 7^ — 75 — ^ h- sm"'» 0—
CQiCQ^ » dq^Oq^dQ^ C q^ d q^ d q^ ' d q^
Unser Theorem ist bewiesen, sobald wir das Vorhandensein einer
Lösung CO des simultanen Systems (A), (B) nachweisen, die den An-
fangsbedingungen :
(C) « = «o; gp^ = ^0 (für Q^ = 0)
genügt.
Nun giebt es nach dem Cauchy'schen Satze sicherlich eine Lösung
von (A), die den Anfangsbedingungen (C), welche eben die Lösung fest
bestimmen, genügt *). Es kommt daher alles auf den Nachweis hinaus,
dass die so bestimmte Lösung a von (A) auch dem System (B) genügt.
Wir bemerken nun zunächst, dass für ^^ = 0 das System (B) sicher-
lich erfüllt ist, denn wegen (C) gehen die letzten beiden Gleichungen
in die Gleichungen (33), die wir als erfüllt voraussetzen, über, und
ferner ergiebt sich die erste Gleichung (B) aus der Combination der
letzten mit der nach q^ differenzierten Gleichung (A). Wenn wir nun
nachweisen, dass für ^^ = 0 auch alle Gleichungen erfüllt sind, die
sich aus den Gleichungen (B) durch beliebig oftmalige Differentiation
nach Q^ ergeben, so ist unsere Behauptung vollständig bewiesen.
*) S. z. B. Goursat, Vorlesungen u. s. w. (S. 23 des Originals).
§ 311. Charakteristische Eligenschaft des Linienelements etc. 555
§ 311. Charakteristische Eigenschaft des Linienelements einer
Fläche mit constantem Krümmungsmass.
Die Eigenschaft, die wir jetzt noch zu beweisen haben, hängt
enge mit einer allgemeinen Eigenschaft des Linienelements einer Fläche
mit constantem Krümmungsmass zusammen, auf die Weingarten zuerst
hingewiesen hat und die wir hier kurz ableiten wollen.
Es sei
(36) «„rfa;!^ -|- 2ai^dxi dx^ -\- a^^dx^
eine quadratische Diflferentialform mit nicht verschwindender Discri-
minante, deren Krümmung mit K bezeichnet werden möge. Wir unter-
suchen, ob es eine Function ^(x^, av) giebt, die den simultanen Glei-
chungen:
^'ii + ^«11 ti- = 0 , ^'j, -f- Ka^^ ^ = 0 , i'ii+ Ka^^ t == 0
genügt, wenn ^»u, ^j^, ^»»j die co Varianten zweiten DiflFerentialquotienten
von ^ sind.
Ausführlich geschrieben lauten diese drei Gleichungen (vgl. S. 46, 22)):
Z^^mh
Wir setzen nun die Werte einander gleich, die sich für ^ ,p —
ergeben, wenn die erste Gleichung nach x^ und die zweite nach x^
differenziert werden, desgleichen die beiden Werte für ir—^ — ,, die
aus der Differentiation der zweiten Gleichung nach x^ und der dritten
nach 2\ folgen. Gehen wir auf die Formeln (11), S. 52, zurück und
berücksichtigen wir die Gleichungen (vgl. ;V), S. 56):
Cffu CO,,
rx, ex.
ca,^ c
ca\ c
i^=|y}«.+(i?}-{v))«.-{?}«„.
so erhalten wir unter Ausschluss der Losung i^» = 0:
dK dK ^
«11 g^ - «12 -^ = 0,
cK cK _f.
556 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
Daraus folgt:
K = Const.
In diesem Falle ist das System (D) unbeschränkt integrierbar
und besitzt demnach drei linear von einander unabhängige Lösungen.
Also: Damit das System (D) eine von Null verschiedene Lö-
sung il; besitze, ist notwendig und hinreichend, dass die Dif-
ferentialform (36) constante Krümmung hat. Dann ist das
System (D) unbeschränkt integrierbar.
Ist die Form (36) definit, so stellt sie das Quadrat des Linien-
elements einer Fläche S mit constantem Krümmungsmass K dar, und
die Anmerkung in § 275, S. 493, lässt uns erkennen, dass, wenn das
Quadrat des Linienelements auf S in die für eine Rotationsfläche
charakteristische Form:
ds' = da^ -f r^dß'^ (r = (p (a))
gebracht wird,
ip = Jrda,
die allgemeine Lösung des Systems (D) ist.
Differenzieren wir die Gleichungen (D), so können wir oö'enbar
die dritten, vierten u. s. w. Differentialquotienten ip linear durch
5 — 7 A — und ib ausdrücken. Wessen der unbeschränkten Inteffrabilität
des Systems können auch die auf einander folgenden Differentiationen
nie zu einer Beziehung zwischen i^ und seinen ersten Differential-
quotienten führen, d. h.: Wie auch ein Differentialquotient höherer
Ordnung gebildet werden mag, stets ergiebt sich ein und derselbe
Ausdruck in „^? -— und t/'.
OX-^^ ox^
§ 312. Abschluss des Beweises des Existenztheorems.
Nach dieser Vorbemerkung kehren wir zum System (B) zurück,
das für q^ == 0, wie wir gesehen haben, erfüllt ist, und beweisen, dass
es auch noch erfüllt ist, wenn wir jede Gleichung n Mal nach ^^ diffe-
renzieren und dann q^ gleich Null setzen. Ist nämlich a9(()j, pg; 9?)
eine Lösung von (A), und gehört demnach das Quadrat des Linien-
elements :
ds^ == CQ'^^adq^ -\- ^\v?cidQ.^
zu einer pseudosphärischen Fläche (X= — 1), so kann das System (B),
wenn in ihm statt -^. — ^ gesetzt wird, in de
im vorigen Paragraphen geschrieben werden:
wenn in ihm statt >< — ^ gesetzt wird, in der Form des Systems (D)
^9s
§ 312. Abschluss des Beweises des Existenztheorems. 557
g«<& _ fl2lc^, / 1 2 1 c $ ^
^^1 CQi~ \ 1 i CQi~^ \ 2 i CQt
C*^ f22\ c^ , [22\ a$ ■ ^ • ^
rp,- ( 1 j fp, ' [ 2 J <;p, '
Daraus folgt^ dass, -wie auch aus den Gleichungen (B) ein DilBFerential-
quotient höherer Ordnung gebildet werden mag, stets das Ergebnis ein
und dasselbe ist.
Setzen wir nun Toraus, dass die zu beweisende Eigenschaft bis
zur n — 1-ten Differentiation nach q^, d. h. bis
[pl) Xi ' ' ZT^
zutrifft, so gilt dasselbe auch für eine nochmalige Differentiation,
d. h. für
P"+3„ P^+S^ ?»4-3_
(3<*)
Der erste der Differentialquotienten (37*) lässt sich aber mittels der
Gleichung (A) durch den letzten ausdrücken; demnach haben wir
unsere Behauptung nur für den zweiten und dritten zu beweisen. Der
zweite kann nun in der Form — ( r-, ) geschrieben werden, und
da wir eben für - — ^, ^ ^ — , den ersten der Differentialquotienten (37),
die Behauptung als richtig voi-aussetzen, so brauchen wir die betref-
fende Gleichung nur nach q^ zu differenzieren, um die Behauptung
auch für ^ bestätigt zu finden. Analog ist:
^«+ 1 a
d. h. die bereits für ;; — ^^ — als richtig vorausgesetzte Behauptung
trifft auch für zu.
Somit ist der in § 310 ausgesprochene Satz vollständig bewiesen.
Es dürfte nicht überflüssig sein, einige ergänzende Betrachtungen
daran anzuschliessen.
Die aus dem Cauchy'schen Satze sich ergebende Lösung o des
Fundamentalsystems (A), (B) ist eine analytische Function der Ar<m-
558 Kap. 20. Dreifache pseudosphärische Orthogonalsysteme.
mente q^^, q.^, pg-, sie kann daher in eine nach Potenzen von q^ fort-
schreitende Reihe:
« = «0 + «»1 ?3 + »2 ^3' H h (^nQ'/' + • •
entwickelt werden, wo die Coefficienten cOq, co^, • • • (o„, • • • nur von q^
und ^^ abhängen. Der erste Coefficient o^ ist eine Lösung der Gleichung:
o — 2 Q — 2 = Sm (On cos COft
und hängt von der pseudosphärischen Ausgangsfiäche ^3 = 0 ab. Die
folgenden Coefficienten cji, co^, ■ ■ • (o„, ■ ■ ■ sind völlig bestimmt, wenn
eine von den Orthogonaltrajectorien der pseudosphärischen Flächen ge-
geben ist. Ein Weingarten'sches pseudosphärisches System ist daher
eindeutig bestimmt, sobald eine pseudosphärische Fläche des Systems
und eine von den Orthogonaltrajectorien der pseudosphärischen Flächen
gegeben sind*).
§ 313. Weingarten'sclie Systeme, die eine Kugel enthalten.
Wir wollen nun vom Existenztheorem einige Anwendungen machen,
und zwar wollen wir diejenigen Weingarten'schen pseudosphärischen
Systeme vom Krümmungsmass K= — l suchen, bei denen sich unter
den Flächen des Systems Qj^ oder des Systems ^2 ®^^® Kugel vom
Radius Eins befindet.
Hierzu müssen wir zusehen, wann die Fläche S^ in § 308 eine
Kugel vom Radius Eins sein kann.
Nach den Gleichungen (32) müssen wir in diesem Falle ip^ gleich
sin coq setzen, worauf die Gleichungen (33) sich auf die eine Gleichung:
- — r;"— = F(go) sin cor.
reducieren. Ist F{q^) gleich Null, so kann durch Änderung des Para-
meters (>3
gemacht werden. Das Quadrat (31) des Linienelements:
ds^^ = sin^ [q^ + cpiQ^)] dg./ + dQ^^
gehört dann zur Kugel vom Radius Eins und hat die allgemeinste
geodätische Form, d. h., die Curven ^3 = Const. bilden auf der Kugel
ein System geodätischer Parallelen.
Ist F(Qü) grösser oder kleiner als Null, so kann durch Änderung
des Parameters q^ F(q^) gleich Eins, also
*) Vgl. die Abhandlung des Verfassei's in den Atti della Reale Accademia
dei Lincei, 4. Serie, 4. Bd., 1887.
§ 313. Weingarten'sche Systeme, die eine Kugel enthalten. 559
(38) rfV = sin^c„r/p,r^ + (|"f)'rf(>3'
gemacht werden, wenn coq eine Lösung der Gleichung:
sm a.
ist. Nach dem Ergebnis in § 245, S. 444, ergeben sich die Gurren
P2 = Const. auf der Kugel, die dem Linienelement (38) zu Grunde
liegen, als sphärische Indicatricen der Tangenten für die eine Schar
Haupttangentencurven einer pseudosphärischen Fläche. Also haben wir
gefunden :
Die Weingarten'schen pseudosphärischen Systeme vom
Krümmungsjnass K= — 1, unter deren Orthogonalflächen
sich eine Kugel vom Radius Eins befindet, zerfallen in zwei
verschiedene Klassen, die sich mittels folgender Construc-
tionen ergeben:
1) Man ziehe auf der Kugel eine beliebige Schar geodä-
tischer Parallelen L und lege durch jede derselben eine pseu-
dosphärische Fläche {K == — 1) orthogonal zur Kugel;
2) Zu einer Schar Haupttangentencurven einer pseudo-
sphärischen Fläche construiere man die sphärischen Indi-
catricen L' der Tangenten und ersetze die Curven L der
vorigen Coustruction durch die Orthogonaltrajectorien der
Curven L'.
Die erste Klasse besteht aus Ribaucour 'sehen Cykelsystemen, da
die Kugelcurven g^ = Const. Kreise vom Radius Eins sind. Ihr Vor-
handensein hätte auch aus den Eigenschaften dieser Cykelsysteme ge-
folgert werden können. Bei den Systemen der zweiten Klasse dagegen
ist die Flexion grösser als Eins; auf sie ist daher die Complementär-
transformation anwendbar.
Soll allgemeiner die Fläche Sq eine Kugel vom Radius JR sein, so
müssen wir in den Gleichungen (33) ijf^ gleich — —* setzen. Dann
erhalten wir zur Bestimmung von coq die partielle Differentialgleichung
zweiter Ordnung:
U.. Jl^y + ( ' _ 1) pA' = Const.
!n Fall" können wir auch ah
men, indem wir jr gleich Null setzen*).
Als besonderen Fall* können wir auch als Fläche Sq eine Ebene neh-
*) Ist der Eugelradius kleiner als Eins, so kann eine solche Bäcklund'sche
Transformation vorgenommen werden, dass eine der Orthogonaltrajectorien C des
560 Kap. 20. Dreifache pseudosphärisclie Orthogonalsysteme.
§ 314. Weingarten'sclie Systeme mit positivem constanten
Krümimungsmass.
Die in den letzten Paragraphen entwickelten Untersuchungen über
das Existenztheorem können auch auf dreifache Orthogonalsysteme, die
eine Schar von Flächen mit positivem constanten Krümmungs-
mass enthalten, angewandt werden, wie wir noch in Kürze nachweisen
wollen.
Wir beschränken uns auf den Fall, dass das Krümmungsmass der
Flächen ^3 = Const. in dem dreifachen Orthogonalsystem für alle' diese
Flächen dasselbe ist, und setzen der Einfachheit halber K = -\- 1 *).
Als ausgeschlossen von unseren Untersuchungen betrachten wir die-
jenigen Systeme, bei denen die Flächen ^3 = Const. Rotationsflächen
oder Kugeln -vom Radius Eins sind.
Verfahren wir dann wie in § 293, so sehen wir, dass das Quadrat des
Linienelements des Raumes unter Zugrundelegung des Weingarten'schen
Systems (p^, q^, q^) in die Form:
(39) ds^ = cosh^ C3 cIq^^ -\- sinh.^ codQ2^ + \pr~) ^Qs^
gebracht werden kann, wo 03 eine Function von q^, q^} Qa ist, die
folgenden Gleichungen genügt:
(a) '^—i -\- -r, — ä + sinh co cosh w = 0 ,
Q—s^o — = tffn CO 7; — A — „ coth CO 1^ — 7^ — ,. cosn'' a -^ — ?
(P) \ ^ — ä — ä^ = tgh 0) -„ — -K — . \- coth (o ^ 7. — o— }
d^CO . , 003 0^03 , ., CO) 0^03 . , 9 3 CO
^" „^ — == — tgh CO -w— ö — o h coth 03 7; — TS — 7=^ smh'^co 7^ —
Dieselben sind nichts anderes als die Lame'schen Gleichungen für das
Linienelement (39). Wenden wir dann auf das System [a), (ß) die
Ergebnisse des § 311 an, wie wir es vorhin für das System (A), (B)
gethan haben, so sehen wir:
Es giebt unendlich viele Lösungen w des Systems (a),
(/3), die von vier willkürlichen Functionen abhängen. Zu
Weingarten'schen Systems den Kugelmittelpunkt zur Transformierten hat (vgl. die
Anmerkung auf S. 547). Daraus folgt: Es giebt unendlich viele Weingar-
ten'sclie Systeme, deren pseudosphärische Flächen durch einen festen
Punkt des Raumes gehen.
*) Wie schon in § 307 bemerkt worden ist, lässt sich dieselbe Methode auch
in dem allgemeineren Falle anwenden, wenn K mit q^ veränderlich ist.
§ Sl-t. Weingarten'sche Systeme mit positivem constanten Krümmungsmass. 561
jeder solclien Lösung a gehört ein Weingarten'sches System
(39) mit dem Krümmungsmass K = -{- 1.
Aus den Gleichungen {ß) folgt, dass der Ausdruck:
( -) ( ^ g'" y _i_ ( ^ ^^y 1 (i^y
^'^^ \co8h to CQi cqJ ' Vsiaho) cq^cqJ ' Xcq^'
nur von q., abhängt und also durch Änderung des Parameters g.^ gleich
Eins gemacht werden kann. Umgekehi-t ergeben sich hieraus die drei
Gleichungen (ß) (vgl. § 301), die somit dasselbe aussagen.
Verfahren wir wie in § 300, so ergiebt sich der Satz:
Auf den Flächen positiven constanten Krümmungsmasses
in einem Weingarten'schen System sind die Aquidistanz-
eurven parallele geodätische Kreise.
Betrachten wir auf zwei Flächen q^ = Const. die Punkte als ent-
sprechend, in denen die Flächen von ein und derselben Pai-ameterlinie
P3 geschnitten werden, so ergiebt sich wie in § 294, dass die (imagi-
nären) Haupttangentencurven auf den beiden Flächen einander ent-
sprechen. In reeller Fassung können wir dieses Ergebnis wie folgt aus-
sprechen: Auf zwei Flächen ^3= Const. eines Weingarten'schen
Systems entsprechen einander die conjugierten Systeme*).
Schliesslich weisen wir auf eine Eigenschaft der Parameterlinien pg
des Weingarten'schen Systems hin, die immittelbar aus {y) folgt. Ziehen
wir die Tancrenten an einer solchen Curve und tragen wir auf diesen
vom Berühiimgspunkt aus in der einen oder anderen Richtung die
Längeneinheit ab, so ist der Ort der Endpunkte eine Curve, deren
Bogen gerade gleich ^3 ist. Es entsprechen sich demnach die Orts-
curven der Endpunkte durch gleiche Bogen.
Zugleich bemerken wir: Aus der Combination dieser Eigenschaft
und des Bonnet'schen Satzes ergiebt sich (S. 473) eine besondere Eigen-
schaft der oc^ Schar von Flächen U' mit constanter mittlerer Ki-üm-
mung, die den Flächen 93 = Const. des Weingai-ten'schen Systems
parallel und von ihnen um die Längeneinheit im positiven oder nega-
tiven Sinne entfernt sind. Bezeichnen wir nämlich mit x', y', z' die
Coordinaten eines Punktes einer Oberfläche Z", der dem Punkte (ic, y, z)
der Fläche mit dem Ki'iünmungsmass K.^ -\-\ entspricht, so haben wir:
x'^x±_X^, y'=\)±_Y^, z=z±_Z^.
Wählen wir z. B. das obere Vorzeichen und bilden wir dx'^-\- dy"^-\- dz'-,
so erhalten wir:
*) Diese zweite Eigenschaft gilt allgemein, auch wenn K mit p, veränder-
lich ist (vgl. S. 530).
Bianchi, BiSerentialgcoinetrie. 36
562 I^ap. 20. Dreifaclie pseudosphärische Orthogonalsysteme.
dx-^ + dy- + d,- = e- {d,,^ + d,,^) - ^^ ^1!|- ^p, ^,3 -
- s:^ a^g^ ^^^of^s + dQ,K
Betrachten wir die Fläche E' von constanter, aber mit q^ veränder-
licher mittlerer Krümmung, so sehen wir, dass sie sich so ändert, dass
Ähnlichkeit in den kleinsten Teilen besteht, während alle ihre Punkte
Bogen von gleicher Länge beschreiben.
Kapitel XXI.
«-dimensionale Räume constanten Krüuimuiigsmasses.
tj-dimensionale Räume. — Messung von Längen und Winkeln. — Geodätische
Linien. — Geodätisch parallele Hvperflächen. — Geodätische Flächen. — Begriff
des Krümmungsmasses nach Riemann. — Räume mit eonstantem Krümmnngs-
mass. — Abwickelbarkeit zweier Räume mit demselben constanten Krümmungs-
mass aufeinander. — Conforme Abbildung des hyperbolischen Raumes auf den
euklidischen. — DarsteUung der Bewegungen des dreidimensionalen hyperbolischen
Raumes durch lineare Substitutionen bezüglich einer complexen Veränderlichen
nach Poincare. — Geodätische Abbildung des hyperbolischen Raumes auf den
euklidischen. — Metrik von Cayley. — Elliptischer Raum. — Bewegungen des
dreidimensionalen elliptischen Raumes. — Schiebungen.
§ 315. M-dimensionale Räume.
Wir betrachten n reelle unabhängige Veränderliche:
1 ' 2 y ... d' « j
von denen jede alle Werte zwischen — oc und -(- 3c annehmen kann.
Die Gesamtheit von n besonderen Werten der Veränderlichen:
(0) (0) (0)
heisse ein Punkt, und die Werte .r, (j = 1. 2. . . . ii) mögen die Co-
ordinaten des Punktes genannt werden. Häufig werden wir uns zur
Bezeichnung des Punktes der abkürzenden Schreibweise:
xP (i=l,2. ...n)
bedienen. Die Gesamtheit der Punkte möge als ein «-dimensionaler
Raum 5„ bezeichnet werden. Sind die Xi nicht unbeschränkt, sondern
nur innerhalb gewisser Bereiche veränderlich, so sprechen wir von
einem Gebiete von S».
Wir betrachten nun in S^ die Gesamtheit derjenigen Punkte,
welche sich ergeben, wenn die Coordinaten ar^, x^, ... x^ gleich be-
stimmten Functionen von m Veränderlichen
36*
564 Kap. 21. w-dimensionale Räume Constanten Krümmungsmasses.
m kleiner als n vorausgesetzt, gesetzt werden, d. h. wir setzen:
(1) CCi = (pi(u^, U^, ... Mm) (i = 1; 2, ... w) .
Diese durch die Gleichungen (1) bestimmte Punktmenge möge ein
Unterraum von 8n oder eine in Sn enthaltene Mannigfaltigkeit
und zwar, wenn sich die g)i nicht durch weniger als m Veränderliche
ausdrücken lassen*), eine w-dimensionale Mannigfaltigkeit Vm
genannt werden. Insbesondere heisse für m = 1 die Mannigfaltigkeit
eine Curve, für m = 2 eine Fläche, für m = n — 1 eine Hyper-
fläche.
Sind die Gleichungen (1) in den Ut linear, so wollen wir Vm einen
linearen Raum nennen und denselben mit Sm bezeichnen. Insbeson-
dere soll der umgebende Raum Sn selbst als linear angesehen werden**).
Zu Grunde legen wir der Metrik in unserem Räume Sn eine qua-
dratische Differentialform:
ik
(«", li = \,2 . . .n\
von der wir voraussetzen, dass sie in dem ganzen in Betracht kom-
menden Raumgebiet definit und positiv sei und dass ihre Determi-
nante a = \aik\ nicht verschwinde. Ferner setzen wir voraus, dass die
Coefficienten aik endliche und stetige Functionen der x seien
und ebenfalls endliche und stetige erste und zweite partielle
Differentialquotienten besitzen.
Als Entfernung ds zweier unendlich naher Punkte Xi und Xi -j- dxi
bezeichnen wir den durch die Gleichung:
(2)
ds^ = ^, üikdxidxk
ik
*) Damit eine derartige Reduction niclit möglich sei, muss bekanntlich die
Matrix:
dcpi
C(Pi
aqpj
Cjp^
du^
CU^
^«m
^fn
^fn
^fn
du^
du^
^«m
die Charakteristik m besitzen, d. h. es dürfen nicht alle Unterdeterminanten von
der Ordnung m verschwinden.
**) Eigentlich ist der lineare Raum der Synthetiker hier für uns nur ein
Bildraum.
§ 316. Messung von Strecken und Winkeln. 565
gegebenen Ausdruck und nennen ds auch das Linienelement des
Raumes. Betrachten wir demnach in 5« eine Curve:
so ist ihr Bogen von t = tQ bis f = f^ durch das bestimmte Integral :
JVT^^^^-^'
gegeben. Bezeichnen wir als Parameterlinie x, diejenige Curve,
längs welcher sich nur der Parameter Xi ändert, und mit dsi das Bo-
genelement derselben, so haben wir offenbar:
dSi = Yä^idXi.
§ 316. Messung von Strecken und "Winkeln.
Nach Erledigung der Längenmessung in Sn gehen wir nun zur
Winkelmessung über. Hierzu betrachten wir zwei Linienelemente ds
und ds, die von einem Punkte x, nach zwei unendlich nahen Punkten
Xi -\- dXi und Xi -\- 8xi ausgehen, sodass
ds- =- ^ ttikdXidxt, ds^ = ^ an, öxidxt
ist. Da der absolute Betrag des Ausdrucks:
^1 dx. öxj^
kleiner als Eins ist*), so giebt es einen vollkommen bestimmten, zwi-
schen 0 und 7t gelegenen reellen Winkel co, für den
^"7 dx. 6x^
cos CO = ^ a,i-^
17
*) Um uns hiervon in einfacher "Weise zu überzeugen, haben wir nur zu be-
2
achten, dass, wenn die quadratische Form: ^ "ik^i^k ^efinit ist, die quadra-
tische Gleichung für — :
imaginäre Wurzeln haben und also
sein muss. Setzen wir
dx. dx.
so ergiebt sich die obige Behauptung.
566 Kap. 21. «-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
ist. Diesen Winkel bezeichnen wir als den von den beiden Linien-
elementen ds und ÖS oder ihren Richtungen gebildeten Winkel*).
Bezeichnen wir insbesondere mit lo^ji den von den (positiven) Rich-
tungen der betreffenden Parameterlinien x,,, x.i gebildeten Winkel,
so ist:
Bemerkt werde hierzu, dass bei Einführung neuer Veränderlicher y an
Stelle der x und entsprechender Transformation der quadratischen
Fundamentalform die vorstehend definierten Längen und Winkel keine
Änderung erleiden.
Betrachten wir ferner in 8,^ eine Mannigfsiltigkeit F,„ und setzen
wir in (2) für die x ihre Werte in den u ein, so erhalten wir für das
Quadrat des Linienelements in V,,, den Ausdruck:
(3) ds- = ^ baßduaduß ;
die in Vm gemessenen Längen und Winkel stimmen hiernach mit den
im umgebenden Räume Sn gelegenen überein.
Eine von einem Punkte x'}. ausgehende Richtung wird durch die
Werte der n Constanten:
dx-
^^ = liJ (^■ = i,2,...w),
die wir die Richtungsconstanten nennen wollen, bestimmt. Sie
sind durch die Identität:
mit einander verknüpft. Betrachten wir zwei von demselben Punkte
ausgehende Richtungen |/^^ und i,f\**) so erhalten wir für ihren
Winkel to die Bestimmungsgleichung:
cos CO = ^ a;k&^^f^ ■
*) Zur Rechtfertigung dieser Definition des Winkels co weist Beltrami
(Parametri differenziali , S. 14) darauf hin, dass die Entfernung Ds zweier
unendlich naher Punkte x.-\-dx. und x. -\- dx. (bis auf unendlich kleine Glieder
höherer Ordnung) durch die Gleichung:
Ds^ = ^ a.j, fdx- — 8x\(dXj^ — ^*a) '
d. h.:
Ds* = ds^ -\- Ss^ — 2ds8s cos w,
gegeben ist, also genau so, als wenn es sich um den gewöhnlichen Raum handelte.
**) Der Kürze wegen nennen wir Richtung ^. diejenige, welche die Richtungs-
constanten ^1 , I2 1 • • • in ^^^-
§ 316. Messung von Strecken und Winkeln. 567
Sind |1^\ ^f\ . . . li"'^ m Richtungen, die von einem Punkte Xi
ausgehen und unter einander unabhängig sind (d. h. nicht in einem
Räume Sr, r < w», liegen), so bestimmen sie einen Raum Sm, der sie
enthält. Die Coordinaten der Punkte desselben sind durch die Aus-
drücke:
X, = X?' + t''th + l!- ", + • • ■ + ^!'"''*™ ('■ = 1, 2, . . . n)
gegeben. Die Richtungsconstanten einer beliebigen von Xi ausgehen-
den Richtung in diesem Räume Sm haben dann folgende Werte:
I, = Axif > + ^^^^ + ■•■ + A™li'"^ {i = 1, 2, . . . «),
wo, unter a^ den Winkel der beiden Richtungen |,- , |,- verstanden,
die A durch die quadratische Identität:
?.,- -\- ?J-\ h ;.„- + 2;.,;., cos «,, + ... = i
mit einander verknüpft sind. Bemerkt werde, dass durch einen (ge-
wöhnlichen) Punkt P einer Mannigfaltigkeit F„, m von einander un-
abhängige Richtungen gezogen werden können, die die Tangential-
mannigfaltigkeit S,„ bestimmen. Jede Richtung durch P, die normal
zu diesen m Richtungen ist, ist es auch zu allen von P ausgehenden
Richtungen in S^ und soll als normal zu S,n bezeichnet werden. Die
in P zu S,„ normalen Richtungen bilden eine Mannigfaltigkeit S„ — ,n.
Ist V,n eine Hyperfläche, so giebt es eine einzige solche normale
Richtimg.
Haben zwei Hyperflächen den Punkt P gemein, so verstehen wir
unter dem von ihnen gebildeten Winkel denjenigen der beiden nor-
malen Richtungen, Insbesondere finden wir im Falle der beiden
Parameterflächen Xaf x^ für den von den normalen Richtungen einge-
schlossenen Winkel Q«,*:
oder
cos Qfl
■wo A^ und V die bekannten Symbole für die Differentialparameter
sind (Kap. 11, S. 41). Hieraus folgt, dass die Bedingung dafür, dass
die beiden Hyperflächen:
?7=Const., F=Const.
zu einander orthogonal sind, durch das Verschwinden von V(6^, F)
ausgedrückt wird.
568 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
§ 317. Geodätische Linien.
Gleiclizeitig mit der Messung der Längen ist auch der Begriff
der geodätischen Linien in Sn festgelegt. Es sind" dieses nämlich
diejenigen Curven, welche zwischen zwei beliebigen, genügend nahe
angenommenen Punkten Ä, B von S^ den kürzesten Weg angeben,
auf dem man in Sn von Ä nach B gelangen kann.
Betrachten wir eine geodätische Linie G und drücken wir die
Coordinaten eines beweglichen Punktes derselben als Functionen des
von einem festen Punkte ab gerechneten Bogens t von G aus, so
haben wir:
^r:i dx. dxi.
Nun betrachen wir den Bogen der geodätischen Linie G zwischen den
beiden Punkten A und B, die den Werten t = t^, t = t^ entsprechen
mögen, und bringen nach den Regeln der Variationsrechnung zum
Ausdruck, dass, wenn statt der geodätischen Linie G eine andere, un-
endlich nahe benachbarte Curve mit denselben Endpunkten Ä und B
genommen wird, die Variation des Bogens gleich Null ist.
Aus _-^
dt^ ^^ ^ üadXidxic
ik
folgt unter Anwendung des Symbols d für die Variationen:
ikl ' il
Integrieren wir beiderseits und nehmen wir auf der rechten Seite mit
dem Integral
r> ^^ dx.
*j il
eine partielle Integration vor, wobei wir berücksichtigen, dass nach der
Voraussetzung die Variationen dxi in den Grenzen t^ und tj^ verschwin-
den, so erhalten wir:
t, i
io ia l ik ' i
Demnach sind die Differentialgleichungen, die das Verschwinden von
d fds ausdrücken, d. h. die Difierentialgleichungen der geodätischen
Linien, die folgenden:
§ 317. Geodätische Linien. § 318. Geodätisch parallele Hyperflächen. 569
^ "«"t dx- 1 ^~T ca:i. dX; dx. „ ^ ^
W §l2«'-ld-Ylj^-äi^ C( = l,2,...»).
Unter Einfülining der Christofferschen Symbole können wir sie in
der folgenden äquiralenten Form schreiben:
(B) 2'-'^+2'Pr]^^"=o('=i'^'-«)
oder, wenn wir nach den zweiten Differentialquotienten auflösen, auch
in der Form:
(B*) ^^>^{\^}^^^o (, = i,.v...O.
Integrieren wir die Gleichungen (B) oder (B*) so, dass für / = ^o
dXf
die X,- gegebene Werte xf^ und die ersten Differentialquotienten -^
ebenfalls beliebig gegebene, aber der Bedingung:
genügende Anfangswerte |,- annehmen, so ist die Bedingung (4) stets
erfüllt, weil infolge der Gleichungen (B)
d -V ^^.-f'-^i rv
Tt2j''^''-dtlü = ^
ik
ist. Die entsprechende Curve ist somit eine geodätische Linie und t
ihr Bogen. Es ist demnach klar, dass eine geodätische Linie von Sn
bestimmt ist, wenn ein Punkt xf^ derselben und die Richtung |,, in
der sie Ton ihm ausgeht, gegeben sind.
Es mag bemerkt werden, dass, wenn eine Mannigfaltigkeit F,„ in
Sn eine geodätische Linie von 5, enthält, diese auch geodätische Linie
von Vra ist. Dieses erhellt schon aus der Definition der geodätischen
Linie, kann aber auch leicht direct auf Grand der Differentialgleichungen
nachgewiesen werden.
§ 318. Geodätisch parallele Hyperflächen.
Wir setzen voraus, es wären die Parameterlinien x^ geodätische
Linien, und es wäre femer der Parameter x^ ihr Bogen, gerechnet von
dem entsprechenden Schnittpunkte mit einer bestimmten Parameter-
hvperfläche des Systems x^ = Const., z. B. mit .i\ = 0, sodass die
anderen Hyperflächen dieses Systems die Örter der Endpunkte gleicher
570 ii-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
Bogen sind, die auf den geodätischen Linien von x^ = 0 aus abge-
tragen werden.
Wenden wir die Differentialgleichungen (A) auf unsere geodä-
tischen Linien x^ an, so erhalten wir wegen a^^ = 1 sofort:
(5)- |^'=0 (« = 1,2,...«).
Nehmen wir also an, dass die geodätischen Linien x^ zu der Ausgangs-
hyperfläche x^ = 0 orthogonal seien, so folgt daraus, da für x^ = 0
a^^ = 0 (l = 2, 3, . . . n)
und andrerseits wegen (5) au von x^ unabhängig ist, dass au über-
haupt gleich Null ist, d. h. dass auch alle übrigen Hyperflächen
x^ = Gunst, normal zu den geodätischen Linien x^ sind. Somit erhalten
wir folgende Verallgemeinerung des bekannten Gaussischen Satzes auf
S. 159:
Werden durch jeden Punkt einer Hyperfläche 2J die zu
derselben normalen geodätischen Linien gezogen und auf
diesen von U aus gleiche Bogen abgetragen, so ist der Ort
der Endpunkte wieder eine Hyperfläche U', die zu den geo-
dätischen Linien orthogonal ist.
Die so erhaltenen Hyperflächen 2J' werden geodätisch parallel
zu 2J genannt.
Der obige Satz lässt sich übrigens unmittelbar aus dem Gaussischen
Satze für zweidimensionale Flächen ableiten. Dabei ist nur zu be-
rücksichtigen, dass, wenn auf 2J eine beliebige Curve l gezogen wird
und die von den Punkten von l ausgehenden, zu 2J orthogonalen geo-
dätischen Linien g gezogen werden, diese eine zweidimensionale Fläche
bilden, deren geodätische Linien sie eben sind, und dass somit der Ort
V der Endpunkte gleicher, von l aus auf den g abgetragener Bogen
wieder eine zu den g orthogonale Curve ist.
Wenden wir uns nun zu dem Ausdruck, den unter der obigen
Voraussetzung das Quadrat des Linienelements annimmt, so erhalten
wir, da
an =1, aii=0 (1 = 2,3,... n)
ist:
(6) ds^ = dx^^ -\- ^ ttrsdxrdxs (r, s = 2, 3, . . . w).
Dieser Ausdruck soll die geodätische Form des Linienelementqua-
drats heissen. Wird mit dem Symbol A^ der erste Differentialpara-
meter bezeichnet, so ist, wie wir bemerken wollen:
§ 319. Geodätische Flächen. Riemann'sches Krümmungsmass. 571
Genüot umgekehrt eine Function »(x,, x^, . .. Xn) der Gleichung:
(7) A,^ = 1,
so erhellt sofort, dass die Hvperflächen 9 = Const. einander geodätisch
parallel sind und dass femer die geodätische Entfernung zwischen zwei
Hvperflächen ^ = ^o und » = »^ gerade durch »^ — ^o angegeben
wird. Allgemein lautet die Bedingung für die Parallelität der Hvper-
flächen
^= Const.,
dass A^U eine Function von U allein:
ä,u=Fiir)
sein muss. In diesem Falle brauchen wir statt U nur
J VF{U)
als Parameter einzuführen, so erhalten wir Gleichung (7).
Wir setzen nun voraus, wir kennen von der partiellen Difi'ereu-
tialgleichung (7) eine vollständige Lösung 9, die also ausser der
additiven Constanten in » noch n — 1 willkürliche Constanten
flj, flj, ... a„_i
enthält. Da sich durch Differentiation von (7) nach der Constanten o.-
ergiebt, so ist klar, dass die Hyperflächen
1^ = Const.
zu den Hvperflächen 0- = Const. orthogonal sind.
Bedeuten \, h. ... hn~i n—1 neue willkürliche Constanten, so
haben wir die allgemeine Lösung der Differentialgleichimg der geodä-
tischen Linien in der Form (vgl. S. 170):
§ 319. Geodätisclie Flächen. Riemann'sches Krümmungsmass.
Wir wollen nun den wichtigen BegriÖ' des Krümmungsmasses
des Raumes nach Riemann entwickeln. Hierzu betrachten wir einen
Punkt l/oW"0 ^on S„ und zwei von ihm ausgehende Richtungen (£|>^)
und (If^); dieselben bestimmen ein Büschel von Richtungen:
572 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
die in einem S^ liegen. Der Ort der von Mq längs der Richtungen
des Büschels ausgehenden geodätischen Linien ist eine Fläche 0, die
eine geodätische Fläche genannt werden möge. Wir stellen uns
nun die Aufgabe, das Krümmungsmass K dieser geodätischen Fläche 0
im Funkte Mq, d. h. die Krümmung zu berechnen, die der binären Diffe-
rentialform zukommt, welche das Quadrat des Linien elements von (?,
in Sn berechnet, darstellt.
Diese Krümmung K heisst auch das Krümmungsmass des
Raumes Sn im Punkte Mq bezüglich der angegebenen Orientation der
betrachteten Fläche Ä, •
Werden für eine belie))ige der betrachteten geodätischen Linien
die Coordinaten Xi eines beweglichen Punktes derselben nach Potenzen
des Bogens t, den wir von Mq ab rechnen wollen, entwickelt, so er-
giebt sich wegen der Differentialgleichungen (B*), S. 569,
(!•)
x, = ^f^ + y-^\'-^\i,l,L +
+2'(^2'{?}{'';}-ä^lY})"."^'T+
Xjiiv h
Auf der geodätischen Fläche 6 wählen wir als veränderliche Coordi-
naten:
u^ = ta, % = tß,
und es sei:
(10) ds^ = \^du.^^ -j- 2l>.^^^du.^^dik^ -f- \^du^
das Quadrat des Linienelements von (?, sodass wir haben:
(11) ^'•* = 2/^«/*äfä^' i<^,ß=l,2,...n).
a(i '<■ *
Durch Beifügen des Index h bezeichnen wir die bezüglich der
binären Form (10) gebildeten Drei- und Yier-Indices-Symbole und ver-
sehen der grösseren Klarheit wegen auch die für die Form
y>, ttrs dXr dXs
gebildeten mit dem Index a. Aus (11) folgt dann sogleich:
(12)
XfJLV
dx^ dx^^ cx^ "VI dx^^ dx^^
du. duj, duj ' ^mJ ^^ dui du.du^
Um nun das Krümmungsmass von 6 in M^ (vgl. S. 52),
(12*)
^ (12,12),
^1^22 - ^2
§ 319. Riemann'sches Krümmungsmass. 573
berechnen zu können, brauchen wir die Werte der Symbole ' und
ihrer Differentialquotienten in Mq\ wir versehen sie mit dem oberen
Index (0). Aus (9j ergeben sich sofort die Gleichungen:
und setzen wir diese Werte in (12) ein, so erhalten wir:
rar--
Nach Gleichung (32), S. 51, bleibt somit:
und wenn wir die Gleichungen (12) und (13) heranziehen, so finden
wir nach einigen leichten Umformungen:
(14)
V
(12, 12)f = 2 ^^''^ l^^V^'&^?&\
lutt
wo sich die Summe rechts über alle Combinationen der vier Zahlen
l, (i, V, X Ton 1 bis n erstreckt. Berücksichtigen wir aber die be-
kannten Eigenschaften der Yier-Indices- Symbole, die in den Relationen
(a) und (b), S. 51:
{Xv, (it) = — (vA, ar) = — (Iv, r.u) = (vX, r.u)
ausgedrückt sind, so können wir Gleichung (14) auch folgendermassen
schreiben:
(i2,i2)r=2''a''.c')"'
fc(l)fc(2)
5» 5»
:(l)fc(2)
:(l)fc(2)
i m":'
wo der Strich am Summenzeichen andeuten soll, dass sich die Summe
über aUe Combinationen der Wertepaare A, v; ft,T, für die A < v, u < t
ist, erstreckt. Andererseits ist:
iu n iu »*
imd zufolge einer bekannten Identität axis der Theorie der Determi-
nanten können wir dafür auch schreiben:
huh
'11 «^22
_ hL = V
hi2 =
Zu
i?^P
Setzen wir dieses in (12*) ein, so erhalten wir die endgiltige
Formel:
574 Kap. 21. w-dimensionale Räume Constanten Krümmungsmasses.
(15)
K
AV/Llt
(ii-j.fiT
)a
£(1)£(2)
£(1) £(2)
^(1)^(2)
£(1) £(2)
£(1) fc(2)
§ 320. Cäume mit constantem Krümmungsmass.
Wir sagen, der Kaum S„ kabe ein constantes Riemann'sches
Krümmungsmass, wenn das Krümmungsmass K von 6 stets den-
selben Wert behält, wie auch der Punkt M^, in S„ gewählt werden
mag und welches auch die Orientation der Tangentialebene der geodä-
tischen Fläche 6 in il/jj sein mag*). Aus (15) ergiebt sich unmittel-
bar:
Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür.
dass der Raum Sn ein constantes Riemann'sches Krümmungs-
mass K^^ hat, werden ausgedrückt durch die Gleichungen:
(16) (Av, ^r) = Zo(a;.„a,t — a^««,.,);
die für alle Werte der Indices k, v, ^, r von 1 bis n gelten
müssen
**
Es ist für das Folgende zweckmässig, die Bedingungen (16) in
eine andere genau äquivalente Form zu bringen, indem statt der Vier-
Indices-Symbole erster Art diejenigen zweiter Art eingeführt werden.
Bezeichnen wir hierzu mit r, Ic, s, t vier beliebige Indices, wobei wir
voraussetzen, dass h von s und von t verschieden sei, so erhalten wir
die folgenden, den Gleichungen (16) äquivalenten Gleichungen:
(16*) {rh,st]^0, {rt,st] =Koa,s.
Zunächst überzeugen wir uns von der wirklichen Existenz w-di-
mensionaler Räume mit beliebig gegebenem constanten Krümmungs-
mass Ä(j, indem wir den Riemann'schen typischen Ausdruck für das
Quadrat des Linienelements bilden. Zu diesem Zwecke suchen wir den
Gleichungen (16) durch ein Linienelementquadrat von der Form:
*) Schur hat nachgewiesen (Mathem. Annalen, 27. Bd.), dass K nur als mit
der Orientation von a um M^ unveränderlich angenommen zu werden braucht;
dann ist K notwendig constant, auch wenn M^ sich ändert.
**) Dass die Bedingungen (16) hinreichend sind, ist evident. Dass sie ferner
auch notwendig sind, ergiebt sich daraus, dass, wenn wir die Richtung (l,- )
festlegen und die Richtung (ßf^^ sich beliebig ändern lassen, Gleichung (15), wenn
darin für K K^, gesetzt wird, eine homogene quadratische Relation zwischen den
Richtungsconstanten ^r' ist, die mit Notwendigkeit eine Identität sein muss.
(17)
§ 320. Ri^uMe mit eonsfantem Krümmungsmass.
575
dB^-
IP
wo U eine zu bestimmende Function der x ist, zu genügen. Hierzu
bemerken wir: Hat das Quadrat des Linienelements eines Raumes S„
die orthogonale Form:
ds^ = HU4 + Hldxl H f- HUxI,
und bedeuten r, Je, i. h vi^r verschiedene Zahlen aus der Reihe
1, 2, ... n, so ergeben sich die Gleichungen:
c^-H^
S. ex, ex.
)•
(18)
{ (rJc, ih) = 0,
^ ^ \ex^exj^ H^ cx^^ ex^
!■
1 Hj ex^ ex^ H^ cx^ ex^ Hl ex^ exj
Wenden wir diese Gleichungen auf die Form (17) zur Bildung der
Bedingungen (16) an, so erhalten wir zur Bestimmung von U die Glei-
chungen:
Der Ausdruck für die allgemeine Lösung U dieser Gleichungen
lässt sich leicht angeben; doch genügt es uns hier, zu bemerken, dass
denselben durch
genügt wird. Infolge dessen nimmt das Quadrat des Linienelements
des Raumes Sn mit constantem Krümmungsmass Kq die typische Rie-
mann'sche Form an:
rfx^ -|- dx\ + ••-}- dx\
(19)
ds^ =
[i+^(-!+4+--f-DT
Wir bemerken femer, dass, wenn das Krümmuncrsmass K^ negrativ.
gleich — ^j, ist, in welchem Falle wir von einem pseudosphäri-
schen Räume vom Radius B. oder von einem hyperbolischen
Räume reden wollen, IJ auch gleich ^, d. h. :
(20) ds- = ^ ^ — --^ — — ^
angenommen werden kann.
576 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
§ 321. Abwickelbarkeit von Räumen mit constantem
Krümmungsmass auf einander.
Auf Räume von constantem Krümmungsmass werden wir mit Not-
wendigkeit geführt, wenn wir Räume suchen, für welche die Geometrie
eines jeden Gebiets mit derjenigen jedes anderen Gebiets identisch ist,
d. h. die von solcher Beschaffenheit sind, dass jede in ihnen befindliche
Figur in ein beliebiges anderes Gebiet desselben Raumes ohne Änderung
der Strecken und Winkel verlegt und auch um einen festgehaltenen
Punkt desselben beliebig orientiert werden kann. Um dieses noch anders
auszAidrücken, führen wir die Definition auf einander abwickel-
barer Räume ein. Wir sagen nämlich: Zwei w-dimensionale
Räume Sn und SÜ sind auf einander abwickelbar, wenn sie
Punkt für Punkt so auf einander bezogen werden können,
dass entsprechende Strecken und daher auch entsprechende
Winkel einander gleich sind, oder auch, wenn die beiden
Differentialformen:
ds^ = ^^ aiu dxi dxk , ds'^ = ^ «a- dx'/. dx'k ,
i k i k
welche die Quadrate ihrer Linienelemente darstellen, in ein-
ander transformierbar sind. In diesem Falle können wir uns auch
dahin ausdrücken, dass jeder der vorhin betrachteten Räume so be-
schaffen ist, dass ein beliebiges Gebiet desselben auf ein anderes be-
liebiges Gebiet bei gleichfalls beliebiger Orientation um einen festen
Punkt abwickelbar ist. Zufolge der Definition des Krümmungsmasses
ist dann klar, dass dasselbe constant sein muss und dass hierzu nur
angenommen zu werden braucht, dass ein Punkt P in einen anderen
beliebigen Punkt P' verlegt und ein Winkel, dessen Scheitel P ist,
mit jedem gleich grossen Winkel, dessen Scheitel in P' liegt, zur
Deckung gebracht werden kann. Umgekehrt aber besteht in jedem
Räume von constantem Krümmungsmass eine Geometrie zu Recht, die
von dem betreffenden Gebiete des Raumes unabhängig ist; es gilt mit-
hin auch für die Geometrie in diesen Räumen das Princip von der
Deckbarkeit der Figuren. Dieses wichtige Ergebnis leiten wir aus dem
folgenden allgemeinen Satze ab, den wir jetzt beweisen wollen:
Zwei w-dimensionale Räume mit demselben constanten
Riemann'schen Krümmungsmass Kq sind auf einander ab-
wickelbar, und zwar in der Weise, dass ein beliebiger Punkt
A des einen in einen beliebigen Punkte' des anderen verlegt
und ein orthogonales w-eder*), das von A ausgeht, mit einem
*) Unter einem orthogonalen «-eder, das von A ausgeht, verstehen wir ein System
von n Richtungen, die von A ausgehen und paarweise auf einander senkrecht stehen.
§ 321. Abwickelbarkeit v. Räomen mit d. Krümmungsmass Null aufeinander. 577
beliebigen anderen, das von Ä' ausgeht, zur Deckung ge-
bracht werden kann.
Wir beweisen den Satz zunächst für den Fall, dass das Krüm-
mungsmass gleich XuU ist, indem wir zeigen, dass in 'diesem Falle das
Quadrat des Linienelements auf die typische Form:
dyl -{- dyl-\ \- dyl
gebracht ]jrerden kann, d. h. dass, wenn für die definite DifFerentialform:
alle Vier-Indices-Symbole verschwinden, n Functionen y der x so be-
stimmt werden können, dass
dyi-\-dyl-\ 1- dtf„ = ^ ürtdXrdx,
ist*).
Zunächst muss infolge der ChristofiFel' sehen Formeln (I), S. 43,
jedes y dem System von J* simultanen Differentialgleichungen:
(21) ^r:E\'']M. ('•.'•)= 1,2,-«)
genügen. Da femer allgemein
ist, so ist dasselbe ein unbeschränkt integi'ierbares System, d. h. ein
solches, dass der Anfangswei-t des Integrals y und die Werte seiner n
ersten Differentialquotienten willkürlich bleiben. Nehmen wir nun n
von einander verschiedene particuläre Lösungen des Systems (21) und
bezeichnen wir mit J ihre Functionaldetenninante, d. h. setzen wir:
J =
cVi
ex.
so erhalten wir sofort die Gleichung:
d. h. (S. 45, (20)):
c log J c log l^ä
C 3C^ c x^
und hieraus durch Litegration:
{22) J=CY^ (C=Const.).
*) Dieses genügt offenbar zum Beweise des Satzes, denn wird mit den y
eine orthogonale lineare Transformation vorgenommen, so kann dem gewählten
orthogonalen «-eder die verlangte Orientation erteilt werden.
Biancbi, Differentialgeometrie. 37
578 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
Wir brauchen demnach n nur linear von einander unabhängige
Lösungen y von (21) zu wählen, so sind sie es überhaupt, worauf wir
2/i, y^, ... yn als neue Veränderliche wählen können. Bezeichnen
wir mit:
(23) ds'=^^h,dy,(hj,
die transformierte Form, so haben wir:
also wegen (22):
h == Const.
Sind andrerseits ya, y^ zwei beliebige Lösungen von (21), so ergiebt
sich leicht (S. 41):
^a{ya,y^) = Const.*),
und da
'^a{ya,y^^ = Baß
ist, so sehen wir, dass die Unterdeterminanten von &, also auch die hik,
constant sind. Wir brauchen somit nur die Veränderlichen y linear
zu transformieren, um
hi=l, hk = 0 (i + /0
zu machen**). Jeder Raum mit verschwindendem Riemann'schen
Krümmungsmass, dessen Linienelementquadrat auf die Form:
(24) ds^ = dxl -\-dxl-\ [- dxl
gebracht werden kann, mag ein euklidischer Raum genannt werden.
Sobald das Quadrat des Linien Clements auf diese typische Form (24)
gebracht ist, fallen offenbar die geodätischen Linien des Raumes mit
den Geraden zusammen, und es ist die Entfernung d zweier Punkte x'i
und x7 durch
d = y (x'i — X'if -\- {x'2 — X'^y H \- (x'n — X'n)
gegeben.
*) Beim Beweise berücksichtige man die Identität:
' t t
**) Auf einem nur wenig abweichenden Wege könnte man sogleich von An-
fang an die Fundamentallösungen i/^, y^i ■ ■ ■ y, so wählen, dass
V(2/;,2/i.) = 0 {i^'k),
also
wäre.
§ 322. Abwickelb. zweier Räume m. dems. const. Krmnmnngsmass K^ auf einand. 579
§ 322. Abwickelb arkeit zweier Räume mit demselben constanten
Krümmiingsmass K^ auf einander.
Indem wir nun zu dem Falle übergehen, in welchem das Krüm-
mungsmass eine nicht verschwindende Constante Kq ist, stützen wir
uns auf die Thatsaehe, dass, wenn wir anstatt des Systems (21) das
folgende betrachten:
(25) SS- = V j 'H VL _ ^ fl., xj (i A- = 1, 2, . . . m),
diese J^ simultanen Gleichungen wieder ein unbeschränkt int«-
gri erbares System bilden*). Entwickeln wir nämlich die Bedingungen
dafür, so finden wir genau die Gleichungen (16 i wieder. Es lässt sich
also eine Lösung II von [2o) finden, die samt ihren n ersten partiellen
Differentialquotient^n in einem Punkte von Sn willkürlich gegebene
Werte annimmt. Femer ist sehr zu beachten, dass das System (25)
gegenüber Coordinatentransformationen Invarianteneigenschaft besitzt,
da es in den Bezeichnungen für die covarianten zweiten Differential-
quotienteu in der Form:
TJrs == — S^ürsU
geschrieben werden kann.
Sind nun U und V zwei verschiedene oder nicht verschiedene Lo-
sungen von (25), so ist, wie leicht nachgewiesen werden kann:
(26) V(r. V) = — ^0 C^T' + Const.**);
insbesondere ist:
(27) A,U= — K^U- + Const.
Es sind demnach die Hyperflächen U = Const. einander geodätisch
parallel (S. 571), und femer sind sie, wie wir nun nachweisen wollen,
selbst n — 1 - dimensionale Räume von constantem (positiven oder ver-
schwindenden) Ki-ümmungsmass.
Angenommen, es sei zunächst Kq negativ, gleich — ^, d. h. es
handle sich um einen pseudosphärischen Raum vom Radius B. Indem
wir dann über die Anfangswerte von ü und - — Verfügung treffen,
*) Auf den Umstand, dass das System (25) unbeschränkt integrierbar ist, hat
Weingarten hingewiesen. (Crelle's Journal, 94. Bd.)
**) Bildet man nämlich irgend einen Differentialquotienten -;:; — { V{U, F) -|-
4- K^UV}, indem man die Gleichungen (25) sowie die analogen f5r V berück-
sichtigt, so findet man identisch: -^ — { V{U, V) -{- K^UV} =0.
37*
580 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
können wir eine Lösung U von (25) wählen, für welche die Constante
auf der rechten Seite von (27) gleich Null, d. h.
(27*) ^f^=§;
ist. Indem wir unter U eine solche Lösung verstehen, wählen wir die
Hyperflächen 11= Const. als Parameterhyperflächen x^ und als Para-
meter x^ die Bogen der zu ihnen orthogonalen geodätischen Linien,
gerechnet von einer Hyperfläche U ab. Dann nimmt das Quadrat des
Linienelements die geodätische Form (S. 570) an:
ds^ = dx^^ + ^ ars dXr dx^ (r, s = 2, 3, . . . w),
und es ist TJ eine Function von x^ allein:
Da letzt
Ai = l, -41. = 0 (r+1),
also nach S. 43, (18) und (17),
\ilc\ __ ra-1_ 1 g«a
1 1 J ~ L 1 J ~ 2 aa;^
ist, so haben wir infolge der Gleichungen (25) mit Notwendigkeit:
(«) r\x,) = -K,F{x,) = ^^^^.
Aus (a) ergiebt sich nun:
(ft. ^^'^_ OTT« ^(^^)
Xj
(a*) F{x;) = C.e'' + C'.e ^
worin C und C Constanten sind, von denen wegen Gleichung (27*),
die nach S. 41, oben, die Form:
annimmt, die eine, sagen wir C, gleich Null sein muss. Wir kön-
nen also fi
F{x;) = e""
machen, und es ergiebt sich dann aus den Gleichungen (/3):
wo die &,i nur von x^, x^, ... Xn abhängen. Somit folgt:
i^ n
t?s^ =■ (^rz-j^ -f~ ^ /^ ^a- (^^( ^^Ä .
2
§ 323. Conf omie Abbildung des hyperbolischen Raumes auf den euklidischen. 581
Wir berechnen nun für die Form der « — 1 Veränderlichen x^, sc^, ... Xn
y, hik dXi dxk {i, k = 2,S,...ti)
die Vier-Indices-Symbole, die wir mit (rA', ih)f, bezeichnen wollen. Aus
(32*), S. 51, folgt:
w (•;*■ '•*)» - ^" V'-' •■")' = [?1 [?1 - [7l [**1 •
Nun ist: 2xi
[rh] 1 ^«rA 1 R ,
und femer, weil der Raum S^ ein pseudosphärischer vom Radius R
sein soll, nach (16), S. 574: ^^
1 e^
(rfc, ih)a = — j^ (ßriahk — «rA a,i) = jgy (hrihk — Kh bit) .
Setzen wir diese Werte in (y) ein, so erhalten wir:
(rJc, ih)ö = 0.
Es gehört also die Form:
X., hkdxidxk (i, Ji = 2,o, ... n)
zu einem Räume mit verschwindendem Riemann'schen Krümmungsmass
und kann daher (S. 578) auf die typische Form:
dy^'-{-dy,'-{----\-dy^'
gebracht werden. Wir haben somit das Linienelementquadrat des
pseudosphärischen Raumes S„ auf die Form gebracht:
ds' = dx,' + e ^ {dy,' + rfya' + ■ • • + dyj)
oder, wenn wir x,
setzen und die übrigen t/; durch Ryi ersetzen:
R'ißyl + rfy| + • ■ ■ + dyl)
ds^ = z }
welches die typische Form (20), S. 575, ist.
§ 323. Conforme Abbildung des hyperbolischen Raumes auf den
euklidischen.
Nachdem durch das vorstehende Verfahren unser Satz für den
Fall der pseudo sphärischen Räume nachgewiesen ist, dürfte es nicht
ohne Interesse sein, die nachstehenden Bemerkungen über die anderen
582 Kap. 21. n-dimensionale Räume constanten Krümmuno;smasses.
Lösungen U des Systems (25), für welche die Constante auf der rech-
ten Seite der Gleichung (27) von Null verschieden ist, anzuknüpfen.
Durch Integration der Gleichung (a) in der Gestalt (a*) erhalten
wir zwei neue Fälle, die wesentlich von einander verschieden sind, je
nachdem die vorhin erwähnte Constante negativ oder positiv ist, näm-
lich im ersten Falle:
F{x-^) = sinh -^j
im zweiten Falle :
F{x^ = cosh pi •
Demnach ergiebt sich bezüglich:
I) ds^ = dx^ -\- sinh^ -^ ^ hndxrdx^
X ^>^ (^;S = 2, 3, •••>*),
II) ds^ = dx^ -\- cosh^ -^- y^ hrsdXrdXs
wo die hrs beide Male von x^ unabhängig sind. Da wir aus den
Werten für die Ausdrücke:
(rh, ih)a — sinh^ -vy (rTc, ih)b ,
{rh, ih)a — cosh^-^ (rk, ih)ö
bezüglich erhalten:
(rJc, ih)o = -^ (bri'bhk — Kuhk),
{rJc, i}i)b = — ^ (Kihk — hrhlik) ,
so erhellt nach (16), S. 574, dass die Hyperflächen x^ = Const. wieder
n — 1-dimensionale Räume von constantem Riemann'schen Krümmungs-
mass sind, doch hat dasselbe im Falle I) einen positiven, im Falle II)
einen negativen Wert,
Wir wollen noch hinzufügen, dass für die typische Form (20) des
Linienelementquadrats im pseudosphärischen Räume die allgemeine Lö-
sung ü des Systems (25), wie sich leicht nachweisen lässt, bis auf
einen constanten Factor durch folgenden Ausdruck gegeben ist:
(28) U=^ [y,' + (y, - qf + (y, - c.f -}-■■■ ^ (y^ - c.f + C] ,
wo C.2, ... Cn, C willkürliche Constanten sind.
Da sich nun
A r—T _i^
ergiebt, so sehen wir, dass das Vorzeichen des Krümmungsmasses der
§ 324. Geometrie im hjrperbolischen Räume. 583
Integralhrperflächen U = Const. mit demjenigen der Constanten C
in (2S) übereinstimmt, während im Falle C = 0 die Hyperflächen
U= Const. das Krümmungsmass Xiül besitzen, wie wir gesehen haben.
Indem wir endlich zum Beweise des in § 321 angeführten Satzes
für den Fall: ^
^0 = + ^
übergehen, woUen wir annehmen, er sei bereits für ti — 1 Dimensionen
bewiesen, und dann zeigen, dass er auch für n Dimensionen gültig ist.
Dann ist er allgemein nachgewiesen mit Rücksicht darauf, dass er für
zwei Dimensionen richtig ist (Kap. VII, S. 187).
Xun ergiebt sich mittels ganz analoger Betrachtungen wie zu Be-
ginn des vorigen Paragraphen, dass, wenn wir als Parameterhyper-
flächen Xi = Const. ein Integralsyst^m von (25) wählen, wir das
Quadrat des Linienelements hier auf die Form:
ds^ = dx^- -\- sin- ~ ^ hrtdxrdx, (r, s = 2, 3, . . . n)
bringen können, worin die 6r* wie gewöhnlich von x^ unabhängig sind.
Da wir andrerseits erhalten:
{rlc,ih)b = ^(prilhh — 'brhbik)j
so sehen wir, dass die Hyperflächen a;, = Const. n — 1-dimensionale
Räume mit constantem positiven Riemann'schen Krümmungsmass sind.
Somit ist der Beweis unseres Satzes für n Dimensionen auf den für
n — 1 Dimensionen zurückgeführt und kann als erledigt gelten. Durch
wiederholte Anwendung desselben Verfahrens erhalten wir offenbar
schliesslich folgende typische Form für das Quadrat des Linienelements:
ds- = B-[dy^- + sin^j^dtj^- + sin^i/^ sin- y^dy^- ^ \- sin-y^ sin-y^ ■ ■ ■
• • • sin-yn^idyn- j •
§ 324. Geometrie im hyperbolisclien Räume.
Wir wollen uns nun kurz mit der hyperbolischen Geometrie,
d. h. der Geometrie in den psendosphärischen Räumen, be-
schäftigen. Wir gehen zu diesem Zweck auf die tvpische Fonn (20)
für das Linienelement, S. 575, zurück. Setzen wir darin der Einfach-
heit halber R gleich Eins, so erhalten wir:
(29) ds'=—^-^ — '-^^ 2:_^.
•"'1
Wir betrachten Xj^, x^, . . . Xn als (Cartesische orthogonale) Co-
ordinaten eines Punktes im Räume mit dem Kjümmunofsmass Null,
584 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
oder, wie wir sagen wollen, in dem euklidischen Räume, in dem
das Quadrat des Linienelements die Form:
ds^ = dx^ -\- dx^ + • • • + dx,^
hat. Dann definiert Gleichung (29) eine con forme Abbildung des
pseudosphärischen Raumes auf den euklidischen. Die reellen Punkte
des ersten haben zu Bildpunkten im zweiten Punkte, die alle auf der-
selben Seite der Hyperebene :r^ = 0 liegen. Um die Begriffe zu
fixieren, wollen wir annehmen, dass dieses Gebiet dasjenige sei, in dem
rTj > 0 ist.
Integrieren wir nunmehr alle Differentialgleichungen der geodä-
tischen Linien, welche hier die Form:
d^x^ 2 dx^ dXj.
■Js^-x^^Ti {r^2,3,...n)
annehmen, bezeichnen wir mit Cg, C3, . . . c„; a^, a^, . . . an 2n — 2
willkürliche Constanten und setzen wir:
d^x^
(30) c==yc,' + c,' + ----^Cn',
so erhalten wir das folgende System von Integralgleichungen*):
(31)
cosh s
D. h.: Die Bilder der geodätischen Linien des pseudosphäri-
schen Raumes sind Kreise**), die zu der Grenzhyperebene
x^ = 0 orthogonal sind. Umgekehrt ist jeder solcher Kreis
das Bild einer geodätischen Linie. Wie wir sehen, haben wir
so die Abbildung, die uns im 16. Kapitel zum Studium der Geometrie
auf den pseudosphärischen Flächen diente, auf ^^-dimensionale Räume
*) Bemerkt werde, dass, wenn die c- sämtlich gleich Null wären, die
Gleichungen (31) des Textes ihren Sinn verlieren würden. Dann wäre aber offen-
bar das Bild der geodätischen Linie eine zur Grenzhyperebene senkrechte Gerade.
**) Unter einem Kreise des euklidischen Raumes verstehen wir natür-
lich eine ebene (in einem S^ gelegene) Curve, deren Punkte von einem festen
Punkte der Ebene (dem Mittelpunkte) gleich weit entfernt sind. Dass die durch
die Gleichungen (31) dargestellte Curve diese Eigenschaft besitzt, ergiebt sich in
der einfachsten Weise dadurch, dass durch Einführung eines neuen Coordinaten-
systems die Gleichungen des Textes auf die Form :
* COshs 2 o 1 3 4 n
gebracht werden können.
§ 324. Geometrie im hyperbolischen Räume. 585
ausgedehnt. Wiederholen wir die Betrachtungen zu Beginn dieses
Kapitels, so ergiebt sich auch hier:
Zwei Punkte des hyperbolischen Raumes bestimmen stets
eine geodätische Linie, die sie verbindet. Ihre Entfernung
ergiebt sich als der Logarithmus des Doppelverhältnisses,
das auf dem Bildkreise der geodätischen Linie die beiden
Bildpunkte mit den beiden Schnittpunkten des Kreises und
der Grenzhyperebene bilden.
Wir betrachten nun eine Hypersphäre 2r„_i des Bildraumes,
deren Mittelpunkt in der Grenzhyperebene a\ = 0 liegt, d. h. eine
Hyperfläche mit der Gleichung:
X,' + (x, - c,y- + (^3 - O' + ••• + (^- - Cnf = r^
(c^, Ca, . . . c„, r = Const.).
Schneiden wir 2?„_i mit einer zu r^ = 0 senkrechten Hyperebene,
so ist der Schnitt eine sphärische Mannigfaltigkeit 2r„_2, deren Mittel-
punkt in dem Schnittraume R„—i der beiden Hyperebenen liegt. Schnei-
den wir wieder mit einer zur Grenzhyperebene senkrechten Hyperebene,
so ergiebt sich eine in einem E„^i gelegene sphärische Mannigfaltigkeit,
deren Mittelpunkt in dem B„-3 liegt, den I?„_2 mit x^ = 0 gemeinsam
hat. So können wir fortfahren. Kommen wir schliesslich auf diese Weise
zu den Kugeln Z^, so ist klar, dass auf jeder von ihnen doppelt unendlich
viele, zur Grenzhyperebene orthogonale Kreise liegen. Sie stellen folg-
lich geodätische Flächen des hyperbolischen Raumes dar, und daraus
ergiebt sich die folgende Eigenschaft, die auch als für die Räume mit
constantem Krümmungsmass charakteristisch nachgewiesen werden
könnte*):
Jede geodätische Fläche enthält doppelt unendlich viele
geodätische Linien des Raumes, ist also geodätische Fläche
bezüglich aller seiner Punkte.
Hiemach schon ist klar, dass das Krümmungsmass dieser geodä-
tischen Flächen constant und gleich dem des Raumes ist. Ebenso ist
klar, dass die mehrdimensionalen sphärischen Mannigfaltigkeiten
2^3, 27j, . . . 2r„_i, die wir vorhin betrachtet haben, geodätische Man-
nigfaltigkeiten des hyperbolischen Raumes darstellen, d. h. Mannig-
faltigkeiten, die von geodätischen Untermannigfaltigkeiten gebildet
werden, und zwar von solchen, die von einem Punkte tangential an
einen JR3, B^, u. s. w. ausgehen. Ferner ist klar, dass solche geodä-
*) S. Schur, über Bäume constanten Krümmongsmasses (Mathem. Annalen,
27. Bd., S. 172 und
586 Kap. 21. n-dimensionale Eäume constanten Krümmungsmasses.
tische Mannigfaltigkeiten selbst Räume mit constantem Krümmungs-
mass, und zwar mit demselben, wie der umgebende Raum, sind.
Zum Schlüsse wollen wir darauf hinweisen, dass infolge Gleichung
(28) des vorigen Paragraphen jede Hypersphäre des Bildraumes eine
Hyperfläche mit constantem Krümmungsmass K des hyperbolischen
Raumes darstellt, und zwar ist K positiv oder negativ, je nachdem die
Hypersphäre die Grenzhyperebene schneidet oder nicht, während es für
alle die Grenzhyperebene berührenden Hypersphären gleich Null ist.
Letztere stellen die sogenannten Grenzhypersphären des hyper-
bolischen Raumes vor.
§ 325. Bewegungen des dreidimensionalen hyperbolisclien Raumes.
Ein ?^ - dimensionaler hyperbolischer Raum gestattet nach dem Satze
n{n+l)
in § 321, S. 576, oo ^ Abwicklungen auf sich selbst, die wir auch
Bewegungen des Raumes nennen wollen. Für den Fall w = 2 haben
wir schon im 16. Kapitel die analytische Darstellung dieser Bewegungen
mittels der linearen Substitutionen mit reellen Coefficienten be-
züglich einer complexen Veränderlichen s gegeben. Wir wollen jetzt
die entsprechende Aufgabe für den dreidimensionalen Raum lösen und
so die von Poincare*) angegebenen Formeln ableiten.
Bei jeder Bewegung des dreidimensionalen hyperbolischen Raumes
in sich muss die Grenzebene als Ort der unendlich fernen Punkte in
sich übergehen. Da ferner zwei zur Grenzebene orthogonale Kugeln
in zwei andere ebensolche übergehen müssen, die sich unter demselben
Winkel Avie die ursprünglichen schneiden, so ist klar, dass die dabei
stattfindende Transformation der Grenzebene conform sein und Kreise
wieder in Kreise überführen muss. Sie ist also eine Kreisverwandt-
schaft.
Bezeichnen wir mit
(32) ds' = '^-^±^^+^
das Quadrat des Linienelements im hyperbolischen Räume und breiten
wir in der Grenzebene ^ = 0 die Werte der complexen Veränderlichen
s = ^ -\- iri aus, so sehen wir (S. 82), dass jeder Bewegung des hyper-
bolischen Raumes in sich eine lineare Substitution bezüglich der com-
plexen Veränderlichen s:
(33) ^' = ^^
Sur les Groupes Kleineens (Acta Mathematica, 3, Bd., S. 49).
§ 325. Bewegungen des dreidimensionalen hyperbolischen Raumes. 587
oder bezüglich der conjugirten Veränderlichen Zq-.
(33*) / = ^^^
entspricht. Wenn wir uns aber zunächst auf die Betrachtung der-
jenigen Bewegungen beschränken, welche in stetiger Weise durch un-
endlich kleine Bewegningren erzeuort werden können, so erhellt, dass wir
Gleichung (33*), da sie keine infinitesimalen Substitutionen enthält,
auszuschliessen haben.
Um nun die Gleichungen zu finden, welche die Coordinaten |, »j, ^
eines Punktes P und diejenigen |', rf, ^ des Punktes P', in den P bei
der zu ( 33j gehörigen Bewegung übergeht, verknüpfen, haben wir mit
Poincare nur folgendermassen zu verfahren. Die zur Grenzebene ortho-
gonalen und durch P gehenden Kugeln gehen in ebenfalls zur Grenz-
ebene orthogonale und durch P' gehende über. Sei in den üblichen
Bezeichnungen (S. 82, Anmerkung):
(a) .4/< + B/ + B,z,' -\-C = 0
die Gleichung des Äquators einer dieser Kugeln durch P' in der Grenz-
ebene, so ist, wenn
9 - = I + »/ - + S
gesetzt wird:
(a*) äq"--^ Bz + B,z^ + C = 0
die Gleichung der Kugel selbst.
Durch die Substitution (33) geht der Kreis (a) in den nachstehen-
den über:
{Aaa^ + ^«^0 + BqKqY + Cyy^zz^ +
+ {Auß, + Bad, -f B,ß,Y + Grd,)z +
+ {Aa,ß + B^cc^d 4- Bßy, -f- Cy,8)z, +
+ Aßß, -f Bßd, -f B,ß,8 + Cöd, = 0.
Da die Kugel, die diesen Kreis als grössten hat, durch P geht,
müssen wir haben:
A{aa,Q^ + aß^z + a^ßz, -f ßß,) +
-f Biay.Q^ + a8,z -j- ßy,z, + ß8,) +
-f B,{a,yQ^ -f «o^-^o + ßoY^ + ßo^) +
+ C(yy,Q' + VK^ + n^-^o + ^^o) = 0.
Immer, wenn A, B, C der Gleichung (a*) genügen, müssen sie
auch der letzten genügen. Daraus ergeben sich durch Vergleichen die
Formeln von Poincare:
588 Kap. 21. n-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
(34)
yyo9* + y^o^ + y«^^^o + «^^o '
.. ' ^ «oyp' + «o^g„ + Pgyg + ^o^
^° yyoe* + y«5o2 + yo*'2'o + *A *
Wird, wie es erlaubt ist,
a8 — ßy = 1
angenommen, so können wir neben diesen Gleichungen die folgende,
die sich dann ergiebt, setzen:
(34*) r- ^
yyoP* + y^o^ 4- yo'^^o + ^*o
Umgekehrt ist leicht ersichtlich, dass zu jeder linearen Substitution (33)
eine Bewegung des hyperbolischen Raumes gehört. Dazu brauchen
wir nur zu beachten, dass dieses für die drei Elementarsubstitutionen:
z == ^ -\- a, z = KZ, z = -
z
zutrifft und dass ferner jede andere Substitution in drei aufeinander-
folgende je einer Art zerlegbar ist,
§ 32(3. Einteilung der Bewegungen des hyperbolisclien Raumes.
Um die Bewegungen des hyperbolischen Raumes entsprechend den
linearen Substitutionen (33), in denen wir
ad — ßy = 1
voraussetzen, zu classificieren, bemerken wir Folgendes: Die Substitu-
tion (33) hat in der Grenzebene zwei feste Punkte A und JB, die wir
zunächst als getrennt annehmen wollen. Der zur Grenzebene senk-
rechte Kreis, der über AB als Durchmesser beschrieben wird, stellt
eine geodätisclie Linie des hyperbolischen Raumes vor, die sich in sich
selbst verschiebt (Bewegungsaxe).
Nun unterscheiden wir zwei Fälle, je nachdem es bei der Be-
wegung eine geodätische Fläche giebt, die sich in sich selbst verschiebt,
oder nicht. Im ersten Falle sind wir wieder zu der Classification der
Bewegungen einer pseudosphärischen Fläche in sich gelangt und teilen
dieselben weiter in bezgl. elliptische, hyperbolische und parabolische*).
Schleift dagegen keine geodätische Fläche auf sich, so mag die Be-
wegung eine loxodromische genannt werden.
*) Vgl. Kap. XVI, § 2;31 u. f.
§ 326. Einteilung der Bewegnngen des hyperbolischen Raumes. 589
Um aus den Coefficienten von (33) zu erkennen, zu welcher Art
die entsprechende Bewegung gehört, brauchen wir nur daran zu er-
innern, dass für zwei affine Substitutionen die Summe a -{- ö dieselbe
ist. Schleift nun bei der Bewegung eine geodätische Fläche auf sich,
so können wir diese Bewegung durch eine affine ersetzen, bei der die
Ebene ?; = 0 auf sich schleift. Die zugehörige Substitution erhält
dann reelle Coefficienten, und da dann eben die complexe Veränderliche
^ -\- it, in der Ebene i^ = ö derselben Substitution ( ' U unterworfen
ist, so erhalten wir
eine elliptische Substitution für (a -\- Sy <i4,
„ parabolische „ » (''^ ~f~ ^Y =^ '^^
„ hyperbolische „ „ (a -\- öy > 4.
Bei der ursprünglichen Substitution ist also die Invariante a-\-8
reell, und die Substitution ist, je nachdem einer der obigen drei Fälle
vorliegt, elliptisch, parabolisch oder hyperbolisch. Umgekehrt, ist fc-\- ö
reell, so gehört die betreffende Bewegung einem dieser drei Typen an.
Denn die zugehörige Substitution kann durch eine affine von der
Form*): / = -jrZ (ad = 1) ersetzt werden; da jedoch a -\- ö reell
ist, so sind u und d entweder selbst reell oder conjugiert imaginär mit
dem absoluten Betrage Eins. Im ersten Falle ist die Bewegung hyper-
bolisch, im zweiten elliptisch.
Fassen wir nunmehr zusammen, so können wir sagfen:
Wir haben eine loxodromische Bewegung, wenn u -\- d complex
ist, dagegen ist für reelles u -\- d die Bewegung elliptisch, parabolisch
oder hyperbolisch, je nachdem (a -\- öY <i 4, =4 oder > 4 ist**).
Femer bemerken wir: Da bei einer elliptischen Bewegung für
eine gewisse geodätische Fläche eine Rotation um einen ihrer Punkt«
stattfindet, so bleiben alle Punkt« der in diesem Punkte zur Fläche
orthogonalen geodätischen Linie fest, und die Bewegung ist eine blosse
Rotation um diese geodätische Axe.
Zusammen mit den soeben betrachteten, der Gleichung (33) ent-
sprechenden Bewegungen, die wir Bewegungen erster Art oder direct
nennen wollen, können wir auch diejenigen betrachten, die (33*) ent-
sprechen und die wir als Bewegungen zweiter Art oder invers
bezeichnen wollen. Bei ihnen sind zwei entsprechende Figuren nicht
*) Hierbei ist der Fall ausgeschlossen, dass die beiden festen Punkte der
Substitution in der Grenzebene zusammenfallen; dann aber wäre die Substitution
parabolisch.
**) Wohlverstanden ist immer ad — (3y = 1 vorausgesetzt.
590 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
direct, sondern invers congruent. Die zugehörigen Formeln ergeben
sich offenbar aus (34) durch Vertauschung von z mit Zq. Unter den
Bewegungen zweiter Art sind diejenigen mit der Periode 2 zu unter-
scheiden, die Spiegelungen genannt werden und in zwei Unter-
gattungen zerfallen. Diejenigen der ersten Gattung sind im Bildraume
Inversionen mittels reciproker Radienvectoren bezüglich einer Kugel,
deren Mittelpunkt in der Grenzebene liegt, oder es sind im hyper-
bolischen Räume Symmetrien bezüglich der entsprechenden geodätischen
Flächen. Die Spiegelungen der zweiten Gattung ergeben sich durch
Combination einer Spiegelung erster Gattung mit einer Rotation vom
Betrage it um eine zur spiegelnden geodätischen Fläche senkrechte
geodätische Axe,
§ 327. Geodätisclie Abbildung des hyperbolischen Eaumes.
Aus der in den voraufgehenden Paragraphen benutzten conformen
Abbildung des hyperbolischen Raumes auf den euklidischen können wir
leicht eine andere ableiten, die bei den Untersuchungen Beltramis
über Räume mit constantem Krümmungsmass als Ausgangspunkt ge-
dient hat und als geodätische Abbildung des hyperbolischen Rau-
mes auf den euklidischen bezeichnet werden kann*). Bei ihr haben
nämlich, wie wir sogleich sehen werden, die geodätischen Linien des
hyperbolischen Raumes auch geodätische Linien des euklidischen, also
Geraden, zu Bildern.
Wir betrachten den w -j- 1 - dimensionalen hyperbolischen Raum
vom Krümmungsmass K^= — 1, dessen Linienelement durch:
(35) . ds'' = " \ — ^^—^
Xq
bestimmt ist. Die Hypersphäre im euklidischen Bildraume:
(36) a^o' + ^i' H h ^«' = «' (« = Const.)
stellt eine geodätische Hyperfläche (§ 324), d. h. einen w-dimensionalen
hyperbolischen Raum vom Krümmungsmass K = — 1 vor. Die geo-
dätischen Linien dieses Raumes sind auch geodätische Linien des um-
gebenden w -f- 1 - dimensionalen Raumes und als solche durch die Glei-
chungen (31), S. 584, gegeben:
1
(37)
" cosh s
c
^r = ^ ig^ S -\- ttr, C- === C^^ -{- C./ -\ [- cj
*) Zur Ableitung dieser geodätischen Abbildung könnten wir uns auch einer
ähnlichen Methode wie in § 241 (S. 435) unter Erweiterung auf höhere Räume
bedienen.
§ 327. Geodätische Abbildung des hyperbolischen Raumes. 591
Hiei-zu sind in unserm Falle, damit die geodätische Linie im Räume :
^o' + ^i' H r ^«" = «-
liege, noch die folgenden beiden Beziehungen zwischen den Constant«n
hinzuzufügen:
(37*)
1 1
Betrachten wir nun x^, x^, - . ■ x^ als rechtwinklige Cartesische Punkt-
coordinaten in einem ?2-dimensionalen euklidischen Bildraume, so sehen
wir, dass der gesamte pseudosphärische Raum auf das Lmere der Hy-
persphäre:
(38) a:,'-\-x,'-j----\-xj£a'^
abgebildet ist, während die Punkte auf dieser Hvpersphäre selbst die
Bilder der unendlich fernen Punkte sind.
Wegen der Gleichungen (37) werden die geodätischen Linien durch
lineare Gleichungen, d. h. durch Geraden des euklidischen Raumes, ab-
gebildet, desgleichen die geodätischen Flächen durch Ebenen, überhaupt
alle geodätischen Mannigfaltigkeiten durch lineare Unterräume.
Von Wichtigkeit ist nun das Gesetz, nach welchem für zwei im
euklidischen Bildraume (im Innern der Hvpersphäre 38 j angenommene
Punkte X, x die geodätische Entfernung Ö der beiden entsprechenden
abgebildeten Punkte im hyperbolischen Räume gemessen wird. Rechnen
wir zu diesem Zwecke in (37) den Bogen s vom Punkte x/ ab, so
haben wir:
V.
cosh d = ^ =
a^-2<"
l/o^IjV
Nun haben wir wegen (37) und (37*):
n n
' _ 'V ' _ "V '2
Xr O^rj X \ •*'r •*-r y^, ^r j
1 1
also lasst sich die vorhergehende Gleichung auch so schreiben:
n
cosh d =
1 1
Setzen wir der Küi-ze halber:
592 Kap. 21. w-diinensionale E-äume constanten Krümmungsmasses.
n n n
1 1-1
SO haben wir:
(39) coslid= ^''"'
r a;a; x'a;'
Nun schneidet die Verbindungslinie der Bildpunkte Xi und xl die
Hypersphäre :
Jü-t j jCt^ "H • • • — j ^^ c^
in zwei Punkten, die zusammen mit x und x das durch die bekannte
Formel*):
Ti»- xa; ' ff XX XX xx
gegebene Doppelverhältnis M bilden. Statt (39) lässt sich dann auch
schreiben:
(39*) 8 = -\- log M.
Ist der Radius des pseudosphärischen Raumes nicht gleich Eins,
sondern R, so tritt offenbar zu dem Ausdruck rechts noch der con-
stante Factor B.
§ 328. Cayley'sclie Metrik.
Das soeben erhaltene Ergebnis führt uns zu einer kurzen Erörte-
rung der Cayley'schen Metrik**), dessen Untersuchungen früher
datieren als diejenigen Beltramis über denselben Gegenstand.
Anstatt der Hypersphäre:
/y ^ I rg^ " . I , , , ^ ^ n^
1 I ^ I *^Tl ^
*) Sind die Coordiuaten y. eines der beiden Schnittpunkte mit der Hyper-
sphäre durch
px. + qxf
V- =
^' p + q.
gegeben, so haben wir zur Bestimmung des Verhältnisses — = | die quadratische
Gleichung:
^^^xx + 2aß^^- + Q^,^. = 0.
Das Verhältnis ihrer beiden Wurzeln |i und 1^ ist gleich Jf, also
v(^^ + y^)-Ml/|+l/|)=lyfc
**) Memoirs upon Quantics. (Philosophical Transactions, hauptsächlich die
6. Abhandlung, 1869.)
§ 328. Cayley'sche Metrik. 593
wählen wir eine willkürliche Fläche zweiten Grades, deren Gleichung:
f{x^, x^, ... Xn) = 0
reelle Coefficienten habe und auf der aus dem weiter unten angeführten
Grunde keine reellen Geraden liegen mögen. Wir nehmen nun zwei
Punkte P und P' im Räume beliebig an und definieren als ihre Ent-
fernung den mit einer Constanten multiplicierten Logarithmus des
Doppelverhältnisses, das sie und die beiden Punkte A und B bestimmen,
in denen die Verbindungslinie PP' die Fläche zweiten Grades schnei-
det, dann haben wir auf diese Weise die Cayley'sche Metrik. Bleiben
wir in demjenigen Gebiet des Raumes, von dessen Punkten sich keine
reellen Tangenten an die Fundamentalfläche ziehen lassen, so ver-
schwindet die auf obige Weise definierte Entfernung offenbar nur dann,
wenn die beiden Punkte P und P' zusammenfallen, und das Quadrat
des Linienelements des Raumes ist dann, in Übereinstimmung mit
unseren grundlegenden Verfügungen, durch eine definite quadratische
Differentialform gegeben. Aus diesem Grunde eben haben wir voraus-
gesetzt, dass auf der Fundamentalfläche keine reellen Geraden liegen,
sonst würden von jedem Punkte des Raumes reelle Tangenten an sie
gelegt werden können. Femer bemerken wir, dass die Punkte auf der
Fundamentalfläche für die Cayley'sche Metrik Punkte in unendlicher
Entfernung darstellen: deshalb wird diese Fläche zweiten Grades auch
die absolute Fläche genannt. Nun lässt sich leicht a priori ein-
sehen, dass die Cayley'sche Metrik diejenige eines Raumes von con-
stantem EJrümmungsmass ist. Es giebt nämlich, wie bekannt, oo *
Collineationen des Raumes Sn, die die Fundameutalfläche in sich über-
führen. Bei der Cayley 'sehen Metrik stellen sie ebenso viele Bewe-
gungen dar, da sich ja bei jeder von ihnen die Entfernungen wegen
ihrer projectiven Definition nicht ändern. Diese Arten der Abwickel-
barkeit des Raumes auf sich sind mit der durch den Satz in § 321
festgesetzten Willkürlichkeit möglich, folglich ist das Krümmungsmass
dieses Raumes constant*).
Wir bemerken ferner, dass bei der Cayley'schen Metrik die geo-
dätischen Linien dui-ch Geraden dargestellt werden. Nehmen wir näm-
lich eine beliebige (die Fundamentalfläche nicht berührende) Gerade S^
und ihren linearen Polarraum Sn—i, so ist die harmonische axiale
*) Es genügt übrigens schon, darauf hinzuweisen, dass, wenn zwei willkür-
liche Ebenen (Sj) des Raumes, n und jr', und in ihnen zwei Punkte, P bezw. P\
angenommen werden, durch eine CoUineation der Fundamentalfläche in sich P
auf P' und n auf n gelegt werden kann.
B i a n c h i , Differentialgeometrie. 38
594 Kap. 21. ■w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
Homologie, die ;S'^ und Sn—2 als zugehörige Räume hat, eine CoUineation
der Fundamentalfläche in sich, bei der alle Punkte von S^ fest bleiben,
während dieses für keinen anderen Punkt in der Umgebung von S^
eintritt*). Sind demnach Ä und B zwei beliebige Punkte von S^, so
fällt die geodätische Verbindungslinie zwischen ihnen, da sie fest blei-
ben muss, notwendig mit S^^ zusammen.
Unter Einführung der homogenen Coordinaten Xq, x^, . . . Xn schrei-
ben wir nun die Gleichung der Fundamentalfläche in der Form:
^'
ttrsXrX^ = 0 {r, s = 0,1, . . .n).
Da Geraden auf ihr nicht liegen sollen, so müssen, wenn die Form
^^ ttrsXrXs vü dcr bekannten Weise als Summe von Quadraten darge-
stellt wird, die Coefficienten der Quadrate entweder alle oder alle bis
auf eins dasselbe Vorzeichen haben. Im letzteren Falle kommen wir
mittels einer Ahnlichkeitstransformation zu den im vorigen Paragraphen
angegebenen Formeln von Beltrami zurück, und das Krümmungsmass
des Raumes ist negativ constant.
Im ersteren Falle, zu dessen Behandlung wir nun übergehen, ist
die Fundamentalfläche imaginär und das Krümmungsmass des Raumes,
wie wir sogleich sehen werden, positiv constant.
§ 329. Elliptisclier Baum.
Die quadratische Grundform:
X, drsXrXs (r, S = 0, 1 . . . w)
kann in dem vorliegenden Falle auf die Form:
gebracht werden. Hier ist die Entfernung d zweier Punkte x und x
gegeben durch
Ö = h log "--^-:±l^f^^£^4^S^ (h = Const.).
Da nun der Ausdruck hinter dem Logarithmenzeichen complex vom
absoluten Betrage Eins ist, so muss, damit ö reell ausfällt, h rein
imaginär angenommen werden. Wir setzen:
7 ^
2^
*) Die einzigen Punkte des Raumes, die ausser denjenigen von S^ fest blei-
ben, sind die Punkte des Polarraumes S^_^, der aber S^ nicht schneidet.
§ 329. Elliptischer Raum. 595
SO folgt:
cos -^ =
-B l/Q Q . .
Y XX XX
Wählen wir nun den den homogenen Punktcoordinaten anhaften-
den willkürlichen Factor so, dass constant
(40) V + ^,^ + -.+^.^ = l
ist, so geht die letzte Gleichung über in:
(41) cos ^ = XqXq -{- x^x^ -{ f- x^x^.
Betrachten wir nun eine beliebige Curve und gehen wir auf ihr vom
Punkte Xi zu dem unendlich benachbarten Punkte Xi -\- dxi über, wo-
bei h der Zuwachs des Bogens s sein mag, so ergiebt (41), wenn
dx. d^x. /jS
eingesetzt wird:
1 - 2^' + • • • = ^ '-' + ^^ ^ ^' -^ + Y -2" ^'- ^' + • • • •
Hieraus folgt durch Yergleichung der Coefficienten von A- auf beiden
Seiten, unter Berücksichtigung von (40):
Demnach ist das Linienelement in unserm Räume gegeben durch:
(42) ds'- = R' (dx,' + dx,' -f • • • + dxj),
worin die x durch die Relation (40) mit einander verknüpft sind.
Betrachten wir nun dagegen die x als (nicht homogene) Coordi-
naten im n -{- 1-dimensionalen euklidischen Räume mit dem Linien-
element (42), so ist offenbar (40) die Gleichung einer Hypersphäre,
auf die unser «-dimensionaler Raum abgebildet ist, der demnach das
positive constante Krümmungsmass -j- -^ hat. Betrachten wir in die-
sem n -j- 1-dimensionalen euklidischen Räume eine vom Punkte x aus-
gehende Richtung mit den Cosinus |,, wobei also
(40*) l^2_^l^24_...4_l„^=i
ist, und sei diese Richtung auch Tangente der Hypersphäre (40),
dann haben wir:
(43) ^ iiXi = %,Xq + liar^ H f- |„a:» = 0.
Betrachten wir die | als unveränderlich, die x als veränderlich,
38»
596 Kap. 21. «-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses.
so stellt uns diese Gleicliung offenbar die zur Richtung | senkrechte
Hyperebene dar.
Nun wollen wir aber zu der ursprünglichen Deutung der x als
(durch die Gleichung (40) verknüpfte) homogene Coordinaten in einem
Bildraum Sa zurückkehren. Dann ist (43) die Gleichung der Polar-
hyperebene des Punktes | bezüglich der Fundamentalfläche:
Xq — p X^ — p • • • — J— X^i — u .
Somit sind wir zu dem nachstehend präcisierten Ergebnis gelangt:
In der Cayley'schen Metrik ist die Senkrechte in einem
Punkte auf einer Hyperebene die Gerade, welche den Punkt
mit dem Pol der Hyperebene bezüglich der Fundamental-
fläche verbindet.
Die Coordinaten eines jeden Punktes x der Geraden, die in der
Richtung | vom Punkte x ausgeht, sind, wie sofort erhellt, durch:
(44) xl = Xi cos %. -f I; sin ^ (^ = 0, 1, . . . n)
gegeben, wenn q der Abstand zwischen x und x im Sinne der Cayley'-
schen Metrik ist. Lassen wir nun in (44) p stetig von 0 bis %B,
wachsen, so durchläuft offenbar der Punkt x von x aus die ganze
Gerade und kehrt zu diesem Punkte wieder zurück, weil xl = — Xi
ist, sobald q um nB zunimmt. Fassen wir also solche zwei Punkte
des Raumes mit positivem constanten Krümmungsmass, welche im
Bildraum S» ein und denselben Bildpunkt haben, als identisch auf und
nennen wir den so betrachteten Raum mit constantem Krümmungsmass
elliptischen einfachen Raum, so können wir sagen:
Im elliptischen einfachen Räume vom Radius jB hat die
Gerade die endliche Länge TtB.
Fassen wir dagegen zwei Punkte des gekrümmten Raumes, deren
Coordinaten bezüglich gleich sind, aber entgegengesetzte Vorzeichen
haben, als gesonderte Punkte auf, so schliesst sich die Gerade erst
nach einem Umgange von 2jtll. Während ferner im elliptischen ein-
fachen Räume zwei sich schneidende Geraden nur einen einzigen Punkt
gemein haben, treffen sich dagegen im elliptischen Doppelraume
zwei sich in einem Punkte schneidende Geraden noch in einem
zweiten Punkte, der dem ersten im Abstände nR diametral gegen-
überliegt*).
*) In Betreff weiterer Ausführungen verweisen wir den Leser auf Klein:
Vorlesungen über nicht- euklidische Geometrie, Göttingen 1890 (lithographiert),
oder auf die Abhandlung in den Mathem. Annalen, 37. Bd., S. 544.
(46)
§ 330. Bewegungen des dreidimensionalen elliptischen Raumes. 597
§ 330. Bewegtingen des dreidimensionalen elliptischen Raumes.
Wir wollen nun kurz die Bewegungen des dreidimensionalen ellip-
tischen Raumes behandeln.
Gemäss der analytischen Darstellung im voraufgehenden Paragra-
phen haben wir zwischen den Coordinaten Xq, x^, x^, x^ die Beziehung:
(45) X,' -^ X,' + X,' + X,' = 1;
das Linienelement ist gegeben durch:
(45*) ds' = R^dx^^ + dx^' + dx^^ + dx^').
Nun wird jede Bewegung des elliptischen Raumes in sich durch
eine Ahnlichkeitstransformation des euklidischen Bildraumes, welche
die Fundamentalfläche in sich überführt, dargestellt; demnach ist sie
durch die folgenden Gleichungen gegeben:
Xq = OqqXq -|- Öo1*^1 ~r ^02^ I ^03*^3?
2"i = «10^0 t ^U-^l "r ^12^2 I ^13^3 7
X^ = ^0-^0 ~r <*21^1 I ^^2 I %3*^3 J
•^3 "^^ ^0*^0 "1 ^dl"^! 1 ^32^2 I ^33 •'^S •
Da aber wieder
sein muss, so muss offenbar die Substitution (46) orthogonal sein.
Umgekehrt liefert auch jede orthogonale Substitution eine Bewegung
des elliptischen Raumes, da das Linienelement (45*) dann in sich trans-
formiert wird. Demnach sehen wir, dass die Bewegungen des drei-
dimensionalen elliptischen Raumes durch die orthogonalen Substitutio-
nen bezüglich rier Veränderlicher oder, wenn wir wollen, durch die
Bewegungen eines vierdimensionalen euklidischen Raumes um einen
festen Mittelpunkt dargestellt werden.
Unter den Bewegungen des elliptischen Raumes giebt es eine be-
sonders wichtige Klasse, nämlich solche, die in vielen Beziehungen den
Translationen des euklidischen Raumes vergleichbar sind. Wir defi-
nieren sie als diejenigen Bewegungen, bei denen alle Raumpunkte um
ein und dieselbe Strecke verschoben werden. Diese Bewegungen, die
unter denjenigen des hyperboKschen Raumes kein Analogon haben,
werden Schiebungen genannt. Um ihr Vorhandensein zu beweisen
und zugleich den analytischen Ausdruck für sie zu finden, haben wir
gemäss (41) nur die Bedingung dafür aufzustellen, dass der aus den*
Gleichungen (46) berechnete Ausdruck:
598 Kap. 21. w-dimensionale Räume constanten Krümmungsmasses,
constant sein soll. Dieses liefert unmittelbar:
^00 = %1 = ^22 = <^33 J ^ik + 0,ki = 0 (i J^li^ .
Weil ferner (46) eine orthogonale Substitution darstellen soll, ist
speciell:
also:
«21 = i ^30 ? %1 = + ^20 •
Indem wir die beiden Fälle, je nachdem die oberen oder die un-
teren Vorzeichen gewählt werden, als gesondert auffassen, erhalten wir
zwei verschiedene Klassen von Schiebungen, die durch die nachstehen-
den Gleichungen bezüglich gegeben sind:
Xq Ji-Xf^ JjX-y KJ Xa JJ Xo .
X-^ = JjXq -J~ JLX-y^ JJXa ~J- Kj Xo ,
x^ = Cxq + Bx^ -{- ÄX2 — Bx^ ,
^3 -LJ Xq L/ X-^ —y' JD ^2 "~r" -^ *^3 \
a;/ = J55"o + ^^1 + 1)^2 — Cx^,
X2 = Cxq — Bx^ + Äx^ -j- Bx.^ ,
Xq — -U Xq ~j~ O Xh JD Xc) ~f~ .A Xo .
(47)
(47*)
In beiden Fällen sind hierin Ä, B, G, B beliebige reelle Constanten,
die durch die Relation:
^2 4_ j52 _^ 02 + J)2 = 1
verknüpft sind.
Auf Grund dieser Gleichungen lässt sich leicht bestätigen, dass
sich jede Verbindungslinie zwischen zwei entsprechenden Punkten x
und x des Bildraumes bei der Bewegung in sich verschiebt. Diese
oo^ Geraden bilden ein Strahlensystem, und zwar dasjenige der Treff-
geraden zweier conjugiert imaginärer Erzeugenden der Fundamental-
fläche. Die Collineation (47) oder (47*) ist demnach nichts anderes
als eine biaxiale Homologie, die zwei conjugiert imaginäre Erzeugenden
der Fundamentalfläche als Axen hat. Je nachdem nun die beiden Er-
zeugenden der einen oder der anderen Schar angehören, gelten die
Gleichungen (47) oder (47*), dementsprechend reden wir von Schie-
bungen erster oder zweiter Art.
Da femer zusammen mit den Transformationsgleichungen (47) und
(47*) für Punktco ordinaten völlig analoge Gleichungen für Ebenen-
coordinaten | bestehen, so ist, wenn d den Betrag der Verrückung
§ 330. Schiebungen des elliptischen Raumes. 599
eines Punktes und cp die Amplitude der Drehung einer Ebene be-
deutet :
cos ^ = XqXq-\- x^x^ + x^x^' + x^x^' = A ,
cos 9 = lolo' + ^Ji' 4- feia' + Is^s' = ^;
demnach:
d
Wir sehen also: Während jeder Punkt längs des durch ihn gehenden
Congruenzstrahles um die constante Strecke d fortrückt, dreht sich
auch jede Ebene um den in ihr liegenden Congruenzstrahl um den con-
stanten Winkel 9 = ß^ *
Dieses sind die merkwürdigen Bewegungen des elliptischen Rau-
mes, die wir hier betrachten woUten. Jede andere Bewegung setzt
sich aus zwei Schiebungen, einer der ersten und einer der zweiten Art,
zusammen. Darauf, sowie auf weitere interessante Eigenschaften ein-
• zugehen, ist hier jedoch nicht der Ort; wir verweisen bezüglich dessen
den Leser auf die angeführten Arbeiten von Klein und auf Clebsch-
Lindemann, Vorlesungen über Geometrie, 2. Band (Leipzig- Teubner,
1891).
Kapitel XXII.
Die Hyperfläclien in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
Hyperflächen in den allgemeinen w-dimensionalen gekrümmten Räumen. — Ver-
allgemeinerung der Formeln von Gauss und von Codazzi. — Krümmung einer
Curve im Räume. — Krümmung der Curven, die auf einer Hyperfläche von einem
Punkte nach verschiedenen Richtungen ausgehen. — Verallgemeinerung der Sätze
von Meusnier und Euler. — Krümmungslinien und Hauptkrümmungsradien. —
Conform auf einander bezogene Räume. — Erweiterung des Dupin'schen Satzes. —
Hyperflächen im euklidischen Räume. — Formeln von Gauss und von Codazzi. —
Hyperflächen im elliptischen Räume. — Hyperflächen im hyperbolischen Räume. —
Specialfall des dreidimensionalen elliptischen oder hyperbolischen Raumes. —
Haupttangentencurven und Enneper'scher Satz. — Flächen mit dem Kmmmungs-
mass Null im elliptischen Räume als Schiebungsflächen. — Die beiden Mäntel
der Evolutenfläche und Weingarten' scher Satz. — Complementärtransformation der
pseudosphärischen Flächen. — Flächen mit dem Krümmungsmass Null im hyper-
bolischen Räume.
§ 331. Hyperflächen in den allgemeinen n-dimensionalen gekrümm-
ten Bäumen.
Wir wollen uns nun mit den Hyperfläclien in den Räumen con-
stanten Krümmungsmasses beschäftigen und leiten dazu zunächst die
allgemeineren Gleichungen für beliebig gekrümmte Räume ab.
In einem n-\- 1- dimensionalen Räume Sn-{-i sei das Gesetz der
Streckenmessung durch die quadratische Form:
(1) ds^ ==^ ^a,kdxi.dxk
ik
definiert*). Im Sn-\-i betrachten wir eine durch die Gleichungen:
(2) Xi = 9»(mi, u^, ... Un) (i = 0, 1, . . . n)
gegebene Hyperfläche Vn, und es sei:
1) Hier und im Folgenden erstreckt sich bei dem Summenzeichen S die
Summation von 0 bis n, dagegen bei dem Summenzeichen 2J von 1 bis n.
(4) h^ = ^an
§ 331. Hyperflächen in den allgemeinen n-dimens. gekrümmten Räumen. 601
(3) ds^ = ^ h fi dui dUf,
das Quadrat des Linienelements von F,, also:
dx. dx^.
Wir nehmen nnn die zu Vn geodätisch parallelen Hyperflächen, und
es sei Uq der Ton F„ ab gerechnete Bogen der orthogonalen geodäti-
schen Linien. Dann nimmt das Quadrat des Linienelements von S^i
in den Coordinaten u die geodätische Form (S. 570):
(5) ds^ = diiQ^ 4- ^ dtdUidut
ik
an, worin die c,* Functionen von tt^, u^, ... u, sind, die für Uq = 0 in
die bezüglichen hu übergehen. Dieses drücken wir, indem wir allge-
mein mit xj} das Resultat der Substitution: Uq = 0 in einer Function
^'(mq, Mj, .. . «;,) bezeichnen, durch die Gleichungen:
cTh = hl
aus.
Um die Fundamentalgleichungen, die wir im Auge haben, zu er-
halten, müssen wir zusammen mit F, die unendlich nahe benachbarte
parallele Hyperfläche Uq^= s, wo s eine unendlich kleine Constante ist,
betrachten. Bezeichnen wir unter Vernachlässigung der höheren Po-
tenzen von E mit
(6) dd^ = — -^ 2 ^'^ ^'*' ^"*
ik
die Variation des Quadrats des Linienelements beim Übergange von
Vn ziu der unendlich nahe benachbarten Hyperfläche, so erhalten wir
ofifenbar:
« «—4(1)-
Wir nennen nun
X, anduidui, ^ QitdUidut
ik ik
die erste bezw. zweite Grundform der Hyperfläche F,.*)
Sind femer y y v
die Richtungscosinus der Normale in einem Punkte von V„, so er-
halten wir:
*) Im Falle des gewöhnlichen dreidimensionalen ßanmes werden hieraus eben
die beiden Grundformen des 4. Kapitels:
Edu' -f 2FdudD -I- Gdv\ Ddu* -f iHdudv + U'dv*.
602 Kap. 22. Die Hyperfläclien in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
'dx."
X,
folglich :
(8)
dx^.
du.
ik
^üiJcXlXjc
x,. = o
Nunmehr wenden wir auf die beiden äquivalenten Diiferentialformen
(1) und (5) die Christoffel'schen Gleichungen (I), S. 43, an, nämlich:
(a)
du., du.
lik\ ^^i ox^
.Sil du.
^. *)
Hierin setzen wir m^ gleich Null und schreiben die dem Index
Null enti- prechenden Glieder gesondert hin, wobei wir berücksichtigen,
dass, wenn ^, /^, l Indices aus der Reihe 1,2,...« sind, die Glei-
chungen bestehen:
ik
_l _
c
~ik~
J __
b
ik
_0_
%i,
Auf diese Weise erhalten wir die gesuchten Fundamentalgleichungen,
die verallgemeinerten Gleichungen (I), (II), Kap. IV, S. 89—90:
o^x„
_^\rs
dx„
^ 8u,^du
r s
dX„ "^ — - ^^-
du^ du..
^=0,1,
X/Ll
du,,
S'^
;^l f^^k -^
1,2,...«
0, 1, . . . n
Setzen wir auch in den Gleichungen (30), Kap. II, S. 49:
(ad,ßy),= ^(r]c,ih\
dx^ dx, dx. dx.
"^h
u gleich Null, wobei wir «, /3, y als von Null verschieden voraussetzen
und die beiden Fälle: ^ -=[= ^j ^ = 0 unterscheiden, so erhalten wir im
ersten Falle die Gleichungen:
(C) ßa^ßdy — ^ay^dii = (o^ ^; ßY)b — j^ {rli , ih)c
dx^ dxj^ dx. dx^
du^ du^ dUß du.^
*) Die Indices a, b, c an den Christofferschen Symbolen sollen angeben, ob
diese für die Form (1) oder (3) oder (5) gebildet sind.
§ 332. Verallgem. Gleich, t. Gauss u. Codazzi. Ejränmang ein. Curve im Räume. 603
Sie gelten für alle Werte der Indices a, ß, y, d von 1 bis n und sind
die Yerallgemeinening der Gauss 'sehen Gleichung für das Krüm-
mungsmass :
DB" — B- _ ^
Im Falle: d = 0 erhalten wir femer die folgenden Gleichungen:
(D)
^ ' '' cu„ du. cu^
rkih
Dieses sind die rerallgemeinerten Codazzi" sehen Gleichungen (S. 91),
und sie gelten für alle Werte der Indices von 1 bis n.
Multiplicieren wir endlich die Gleichungen (A) mit a^r^/< und
summieren wir nach ^a, v, so ergeben sich die Gleichungen:
(9) ._S„,,X.,g--+S[aggx.-
ftr '^ * ikfi a r »
Wegen (8) können wir diese auch in der nachstehenden äquivalenten
Form schreiben: »
Diese Gleichungen in Verbindung mit (8) dienen zur Berechnung
der Grössen X,- und ß^,, sobald die Gleichungen (2) der Hvperfläche
gegeben sind.
§ 332. Krümmung einer Curve im Rattine.
Wir betrachten eine beKebige Curve C im Räume 5„-i.i, und es
seien
^0= a;o(0, Xi=x^{t), ... Xn = x^(t)
die Goordinaten eines beweglichen Punktes von G als Functionen des
von einem willkürlichen Punkte M^ ab gerechneten Bogens t. Mit
Voss*) definieren wir die Krümmung von C in der folgenden Weise:
Wir legen durch Mq diejenige geodätische Linie G, welche C berührt,
und tragen sowohl auf G als auch auf C von Mq imendlich kleine
Bogen von gleicher Länge t bis M' bezw. M" ab. Bezeichnen wir die
Entfernung MM" mit d, so hat das Verhältnis -^- einen bestimmten
*) Mathem. Amialen, 16. Bd.
604 Kap. 22. Die Hyperfläcben in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
und endlichen Grenzwert. Diesen Grenzwert nennen wir die Krüm-
mung von C in Mq*), bezeiclinen ihn mit
1 ,. 2d
— = lim -y
und wollen ihn nun berechnen.
Sind die Coordinaten von M" und M' Xi bezw. Xi, so ist:
folglich:
wenn wir die höheren Potenzen von t vernachlässigen. Da wir nun
<i = |/g„,,(^,_S,)(..-S.)
ik
haben, so erhalten wir zur wirklichen Berechnung von — die Glei-
chung :
Weil die Form [^a/A;l*i/fc definit ist, so folgt hieraus, dass nur die
ik
geodätischen Linien des Raumes ^^4.1 Curven von der Krümmung
— = 0 sind.
Ohne hier auf die Analogien und Verallgemeinerungen betreffend
die Theorie der Curven im gewöhnlichen Räume weiter einzugehen,
wollen wir uns darauf beschränken, den Begriff Hauptnormale zu
präcisieren. Convergieren M' und M" gegen Jf^, so convergiert das
Linienelement MM." gegen eine von M ausgehende Grenzlage mit den
Richtungsconstanten :
Diese Richtung | nennen wir die Hauptnormale der Curve C
in M^. Da
*) Für den Fall des dreidimensionalen euklidischen Baumes ergiebt sich so-
foi't, dasg dieses auf die gewöhnliche Definition der Krümmung hinauskommt.
§ 332. Hauptnormale einer Curve. Geodätische Linie einer Hyperfläche. 605
SäXf.
il
ist, so ist sie zur Curve normal, und um sie geometrisch vollständig
zu definieren, fügen wir hinzu, dass sie in der osculierenden geo-
dätischen Fläche (geodätischen Schmiegungsfläche) von C in
Mq liegt, was sich leicht nachweisen lässt
Nachdem wir auf diese Weise die Hauptnormale einer Corve defi-
niert haben, können wir leicht den Satz beweisen:
Eine geodätische Linie einer Hyperfläche V„ ist (analog
den Verhältnissen im gewöhnlichen Räume) dadurch charakterisiert,
dass in jedem Punkte derselben die Hauptnormale mit der
Hyperflächennormale zusammenfällt.
Längs einer solchen geodätischen Linie sind nämlich die Glei-
chungen erfüllt (§ 317, S. 569):
W ^ ^ \ r \. dt dt '
d'u.
1i
worin t der von einem festen Punkte gerechnete Bogen der Curve ist.
Berechnen wir nun die Ausdrücke:
d*x, n {.^R\ dx„ dxp
unter Berücksichtigung der Gleichungen (A), so erhalten wir:
folglich :
~di^~^^\ i ]~dr~dr — ^^ ^'^~dt~di
^b^^du^du^
Aus (4) und (6) geht hervor, dass durch diese Gleichung die be-
hauptete Eigenschaft bewiesen wird. Ausserdem ergiebt sich aus ihr
für die Krümmung derjenigen geodätischen Linie von F„, welche in
der durch die Incremen te du bestimmten Richtung ausgeht, der wich-
tige Ausdruck:
1
^ ^hud^idu^
606 E^ap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
§ 333. Krümmung der Curven, die auf einer Hyperfläche von einem
Punkte nach verschiedenen Richtungen ausgehen.
Wir betrachten nun auf der Hyperfläche F„ eine beliebige Curve
C, die von einem Punkte Mq auf F„ ausgeht, und es seien t der von
Mq gerechnete Bogen von C, die Krümmung von C in Mq und |;
die Richtungsconstanten der Hauptnormale in Mq. Bezeichnen wir mit
(3 den Winkel, den diese Hauptnormale mit der Normale von F„ bildet,
so haben wir:
cos 6 = ^aikh^k,
ik
also wegen (11):
cos <T 0< ^'^/ xr 1 a fifti ^^^^^/.-v
^ ik ikXfc ' «
Nun ist aber:
dx. s^ 8x^ dUi
~dr ^^ ^ 'diT'W
i '■
^ _ V ^'^' ^ f^» _i_ V ^ ?!^' .
df' ~ ^ du,du^ dt dt '^ ^ du, 8t^ '
wird dieses eingesetzt, so ergiebt sich unter Berücksichtigung der Glei-
chungen (ß):
^^x^ßu^du^^
(\2\ ^Q^ ^ __ '^^^■ . *\
Betrachten wir die geodätische Fläche, auf der die Richtungen
der Normale von Vn und der Tangente von C in M^ liegen, so schneidet
sie auf F„ eine Curve aus, die als der C berührende Normalschnitt
zu bezeichnen ist. Bedeutet -^ die Krümmung dieses Normalschnitts
in Mq, so besteht infolge (12) die Gleichung:
/i9*\ 1 cos ff
*) Diejenigen Curven von F^, die der Differentialgleichung: «
^ Q;^^^dU^dU^^ == 0
Xfi
genügen, sind entweder geodätische Linien des Raumes oder solche Curven, deren
Hauptnormalen in den bezüglichen Tangentialhyperebenen liegen, d. h., die oscu-
lierenden geodätischen Flächen einer solchen Curve berühren die Hyperfläche.
Jede Curve, die dieser DiiFerentialgleichung genügt, kann also eine Haupttan-
gentencurve der Hyperfläche genannt werden.
§ 334. Verallgemeinerung des Meusnier'schen Satzes. Geodätische Krümmung. 607
die offenbar die Erweiteining des Meusni er' sehen Satzes (S. 101)
ausdrückt.
Aus (12) können wir femer noch eine andere interessante Glei-
chung ableiten, welche die bezüglich des umliegenden Raumes Än-i-i
berechnete Krümmung — der Curve C mit derjenigen Krümmung —
verknüpft, die sich ergiebt, wenn die Curve als zum w-dimensionalen
Räume V„ gehörig betrachtet wird, und die auch als die geodätische
Krümmung von C auf Vn bezeichnet werden kann.
Zu diesem Zweck schreiben wir die Gleichungen auf S. 605 in
der Form:
d'x. r^ fliil rfaTj dx..
dt' ' ^ l »■ L dt dt
. »■ ^ Im " -^ Im
!f*,Q f^/^l dx^äx^_
it* ~*~^{k i^ dt dt
— ^d^l-dt^^ZjX X ]rdt~dr\ + ^'Zj ^^'"'-dt-di
t * *- Im ^ ' ^ -■ Im
d'x
'dt
Bilden wir dann aus ihnen unter Berücksichtigung von (8) den Aua-
ch:
druck (10) für -^, so ergiebt sich
Im
oder wegen (12):
Dieses ist die gesuchte Relation zwischen der geodätischen Krümmung
— und der absoluten Krümmung — von C.
§ 334. Verallgemeinerung des Euler'schen Satzes.
Um die Krümmungen der von Mq auf V„ ausgehenden Curven zu
untersuchen, brauchen wir zufolge (12*) nur zuzusehen, wie sich die
Krümmungen -5- der Xormalschnitte oder, was dasselbe ist, der geo-
dätischen Linien von F,, die in gleicher Richtung von M^ ausgehen,
änderu. Hierzu müssen wir die Gleichung:
608 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
(14)
oder:
(14*)
1 Xfi
Xf-i
näher betrachten^ wo die rj bezüglich der als w-dimensionaler
Raum aufgefassten Hyperfläche F„ die Constanten der betreffen-
den Richtung sind, mithin
(15)
^h,.
V^Vfi
ist. Wollen wir nun diejenigen Richtungen r] finden, für welche ein
Maximum oder ein Minimum der zugehörigen Krümmung stattfindet,
so müssen wir nach bekannten Theorien die durch (15) verbundenen
Unbekannten tj und B selbst aus dem simultanen System:
(16)
V
^ (ha - BQa) ^i = 0 (« = 1, 2, . . . n)
bestimmen. Durch Elimination der rj hieraus ergiebt sich für R die
Gleichung w*^"^ Grades:
(17)
&21 - RQ21
bi2 — RQ12
O22 Jiii22
bin
bin
BQin
BQsn
bnl H^nl bn2 BQ/^
Ofiji Jiiifin
= 0.
V
Da y^ &/i-|*|/t eine definite Form ist, so sind alle n Wurzeln dieser
ik
Gleichung, B^, B^, ... Bn, reell. Jeder dieser n Wurzeln Bx entspricht
eine und im allgemeinen nur eine durch die Gleichungen (16)*)
bestimmte Richtung rj^'-\ für welche die Krümmung p- des zugehörigen
Normalschnitts thatsächlich ein Maximum oder ein Minimum ist. Ferner
stehen zwei Richtungen 'jj^'') und 7j^f'\ die zwei verschiedenen Wur-
zeln Bz und jR^t entsprechen, wegen der leicht nachzuweisenden Identität :
*) Der Wurzel .R^ entspricht mehr als eine Richtung, wenn die Charakte-
ristik h der Determinante (17), in der H^ ^^^ ^ zu setzen ist, kleiner als n — 1
ist. In diesem Fall giebt es oo" ^ entsprechende Richtungen, die in einem >S^
liegen. Solche Verhältnisse liegen offenbar nur ausnahmsweise vor.
§ 334. Verallgemeinerung des Euler'schen Satzes. 609
auf einander senkrecht. Die n paarweise zu einander senkrechten Rich-
tungen
die den Wurzeln der Gleichung (17) entsprechen, werden Hauptrich-
tungen, und die Wurzeln
Ri, Bi, ■ • ■ Bn
seihst Hauptkrümmungsradien der Hyperfläche V„ genannt.
Bezeichnen wir nun mit a^^ a^, • • - «« die Winkel, die eine Zwi-
schenrichtung 1] mit den n Hauptrichtungen bildet, so haben wir:
1]. = cos «j rif^ + cos «2 vf^ + • • • + cos a^ i^[.") (* = 1, 2, . . . n).
Unter Berücksichtigung der Identitäten:
erhalten wir folglich aus (14*) für p- den Ausdruck:
. . 1 cos*«, , COS»Cj , I C08* g.
Dieses ist oflfenbar die verallgemeinerte Euler 'sehe Formel (S. 102).
Zusatz. Es mag an dieser Stelle bemerkt werden, dass einige
Autoren den Namen „Krümmungsmass der Hyperfläche" dem Product
1
beilegen. Wir jedoch wollen uns dieser Bezeichnungsweise nicht an-
schliessen, um nicht zu Verwechselungen mit dem Begriff des Krüm-
mungsmasses nach Riemann (§ 319, S. 574) Anlass zu geben. Nur für
n = 2, d. h. bei den Flächen der dreidimensionalen (gekrümmten)
Räume, sprechen wir von absoluter Krümmung der Fläche und
vei-stehen darunter (nach Riemann) die Krümmung K derjenigen Dif-
ferentialform, welche in der für den umliegenden S^ giltigen Metrik
das Quadrat des Linienelements der Fläche angiebt. Dann erhalten
wir aus der Gleichung:
unter Benutzung der G^uss'schen Gleichimgen (C), S. 602, und der
Gleichung (15), § 319, S. 574:
(19) -^ = K-K,,
Bianchi, Differentialgeometrie. 39
610 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
WO Kq die Krümmung der geodätischen Fläche bedeutet, welche die
gegebene Fläche in dem betreffenden Punkte berührt. Bisweilen werden
wir p ^ als relative Krümmung der Fläche bezeichnen.
§ 335. Krümmungslinien. Verallgemeinerung des Dupin'sclien Satzes.
Der Begriff der Hauptrichtungen auf einer Hy perfläche F„ führt
auch zur Definition der Krümmungslinien. Wir definieren sie als
diejenigen Curven, deren Richtung in jedem Punkte mit einer Haupt-
richtung zusammenfällt. Offenbar haben wir n Scharen von Krüm-
mungslinien, derart, dass durch jeden Punkt auf Vn eine Curve aus
jeder der n Scharen geht.
Ist jR ein Hauptkrümmungsradius und sind
rif, rif, . . . 7?W
die Constanten der zugehörigen Hauptrichtung, so sind offenbar:
du^^ du^ du^
die Differentialgleichungen der zugehörigen Schar Krümmungslinien.
Statt ihrer können wir auch das äquivalente System:
(20) ^(hrs — BxQrs)dUs = 0 (r=l,2,...n)
setzen.
Als Beispiel für die Anwendung dieser allgemeinen Formeln be-
trachten wir einen zweiten Raum Sü^i, der auf den ersten Raum Sn-\-i
conform abgebildet sein möge. Das Quadrat des Linienelements von
Sn-^i ist durch:
(7s' ^ = {^ a'ik dXi dxk =U^ aik dxi dxu
i k i k
gegeben, wo U eine Function der x ist. Der Hyperfläche F„ in Sn+i
wird eine Hyperfläche V» in Sü+i entsprechen, für die wir unter Stri-
chelung der betreffenden Ausdrücke erhalten:
X
Urs fJ Ors } -^r ^^ ~/yf '
Demnach ergiebt sich aus (9) oder (9*) (S. 603):
d X-
oder, da X,- == ~ — - ist:
§ 335. Krümmungslinien. Verallgememenmg des Dupin' sehen Satzes. 611
Für die Hyperfläche Fä nehmen also die Gleichungen (20) die Form an:
Sie ergeben sich aus den entsprechenden Gleichungen:
2"
^(^-^-Qr)du, = 0,
wenn
gesetzt wird Folglich haben wir das Ergebnis:
In zwei conform auf einander abgebildeten Räumen ent-
sprechen einander die Krümmungslinien entsprechender Hy-
perflächen. Die Hauptkrümmungen in einem Punkte der
einen sind wegen (21 1 ganze lineare Functionen der Haupt-
krümmungen in dem entsprechenden Punkte der anderen.
Wir setzen nun voraus, es könne das Quadrat des Linienelements
des Raumes ^„+1 auf die Orthogonalform:
ds^ = H,'dy,' + E.'dy,' + • • ■ + ^n'dy,^
gebracht werden, und betrachten eine Hyperfläche aus der Schar y^.
Die unendlich nahe benachbarte parallele Hyperfläche ergiebt sich,
wenn y^ um ^ wächst; demnach erhalten wir for die Variation von
dsr den Ausdruck:
öds^- = 2a(^ 1^ dy,' + § 4^rfy^2 ^ ... _|. §> t^- ^y A.
Die Fundamentalgrössen h^f, und Ä^ju für die Hyperflächen y^ sind also:
''" — Ho cy,' ^''-'- — H,dy. '
Daraus folgt, dass die Parameterlinien yi, y^, ■ . ■ y„ auf der Hyper-
fläche yQ Krümmungslinien sind. Dieses ist die Verallgemeinening des
Dupin'schen Satzes (^S. 480).
*) -^ — ist, wie ersichtlich, Ableitung von yu ia der zur Hyperfläche V
C Hg «
senkrechten Richtung.
39*
612 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
Ferner sei beraerkt, dass sich für die Hauptkrümmungsradien der
Parameterhyperflächen, ebenso auch für die Krümmungen der Para-
meterlinien, Formeln ergeben, die denjenigen in § 274 völlig analog sind.
§ 336. Hyperfläclien im euklidisclien Räume.
Wir wenden nun die allgemeinen Ergebnisse der voraufgehenden
Paragraphen auf Räume mit constantem Krümmungsmass an, und zwar
zunächst auf den euklidischen Raum, dessen Linienelement durch:
ds^ = cIxq -\- dx^ + • • • + dxn
gegeben ist. Für eine Hyperfläche F„ in diesem Räume mit den beiden
quadratischen Fundamentalformen :
X, hikduiduk, ^ Qikdu^duk
gehen die allgemeinen Gleichungen (A) und (B), S. 602, über in:
(22*) I|=-2'ä.ö..|^-
Ihnen muss jede Coordinate x^ zusammen mit dem entsprechenden
Richtungscosinus X^ der Normale genügen. Ferner werden aus den
Gauss'schen Gleichungen (C) und den Codazzi'schen Gleichungen (D)
hier die folgenden:
(23) ^aß^ÖY Qay^lid = (CCÖ, ßyjb,
Nun können wir nachweisen, dass in dem vorliegenden Falle die Gauss'-
schen Gleichungen (23) und die Codazzi'schen Gleichungen (24) nicht
allein die notwendigen, sondern auch die hinreichenden Bedingungen
dafür angeben, dass zu den beiden Formen:
X", bikduiduk, ^ QikdUiduic
i k i k
als Grundformen eine Hyperfläche F„ in S^+i gehört. Setzen wir in
den Gleichungssystemen (22) und (22*)
1^=^(0 (i = l,2,...^),
so erhalten wir für das System der n -{- 1 unbekannten Functionen
jp(i), p(''\ . . . _29(»); X
(«)
§ 336. Hyperflächen im euklidischen Räume. 613
das System totaler linearer Differentialgleichungen:
' äp^^^ = 2(^2 {7j ^'"^ + ^-^) ^"^ (r = 1, 2, . . - n\
dX = -^ (^ Bi^ QisP^^) du, .
Dieses System ist eben wegen der Gleichungen (23) und (24), die
wir als erfüllt voraussetzen, unbeschränkt int^grierbar.
Wählen wir nun « + 1 verschiedeue Integralsysteme von (a), z. B.
^\ P':\ ■ • . i>t"); ^r (v = 0, 1, 2, . . . n),
und setzen wir:
gyo^W _ 6.., = ^,, (i, A; = 1, 2, . . . «),
r
^i)(OX, = a, (*=l,2,...n),
»•
Sx'-i = )'-
»
so können wir aus den Gleichungen (a) leicht folgern, dass die Func-
tionen
einem System linearer und homogener totaler Differential-
gleichungen Genüge leisten. Wählen wir demnach für ein Anfangs-
system u^^\ uf\ . . . m|^°^ der Werte der Veränderlichen die Werte der
jj^'"), X so, dass die /J.^, «., y zu Anfang gleich Null sind, was immer
möglich ist*), so folgt, dass diese Functionen immer gleich Null sind.
Hieraus erhellt sofort, dass, wenn mit
die Integrale der bezüglichen vollständigen Differentiale:
»■ I i
bezeichnet werden, wir eben die gesuchte Hyperfläche mit den beiden
gegebenen Fundamentalformen bestimmt haben.
*) Mittels einer linearen Transformation der u können wir es so einrichten,
dass für die Anfangswerte uf^ der u
*.-. = i. ^i==0 (» + *•)
ist. Dann brauchen wir als Anfangswerte der p^^\ X,. nur die Coefficienten einer
orthogonalen Substitution bezüglich *» + 1 Veränderlicher zu wählen.
614 Kap. 22. Die Hyperfläclien in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
§ 337. Fortsetzung.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass eine Hyperfläche F„ in Sn-\-i bis
auf Bewegungen im Räume bestimmt ist, sobald ihre beiden Fundamental-
formen gegeben sind, wie es eben bei den Flächen im gewöhnlichen
Räume der Fall ist. Sobald jedoch der euklidische Raum mehr als drei
Dimensionen hat, also für w>2, können wir beweisen, dass, abgesehen
von ganz vereinzelten Ausnahmefällen, die Hyperfläche Vn schon durch
ihre erste Fundamentalform vollkommen bestimmt ist, d. h,:
Im euklidischen Räume von mehr als drei Dimensionen
ist eine Hyperfläche, wofern sie als biegsam und undehn-
bar angenommen wird, im allgemeinen nicht verbiegbar.
Wenn nämlich zu einundderselben ersten Fundamentalform
y'i hifcdUidu/c zwei verschiedene zweite Fundamentalformen
ik
^Q-ikdUidUk und ^ Qacluiduk,
i k ik
gehören sollten, so würde, da infolge der Gauss'schen Gleichungen (23)
alle Unterdeterminanten zweiter Ordnung in der Determinante | Q'ik \
denjenigen von | Q^ [ bezüglich gleich sein müssten, aus elementaren
Eigenschaften der Determinanten folgen*), dass, abgesehen von einer
Änderung sämtlicher Vorzeichen, die Qa- den Q^j. bezüglich gleich sein
müssten, wofern nicht in der Determinante | Qik \ sämtliche
Unterdeterminanten dritter Ordnung verschwinden sollten.
Dieses ist der mögliche Ausnahmefall, den wir vorhin andeuteten,
auf dessen ausführlichere Erörterung wir uns hier jedoch nicht ein-
lassen können.
Die oben angestellten Überlegungen aber beweisen noch mehr.
Die Gauss'schen Gleichungen (23) liefern im allgemeinen die Werte
der Qik, wenn die ha bekannt sind. Da nun ferner diese Werte der
Qik auch den Gleichungen (24) genügen müssen, so ist Folgendes klar:
Im allgemeinen ist es nicht möglich, im euklidischen
Räume von mehr als drei Dimensionen eine Hyperfläche mit
gegebenem Linienelement zu bestimmen.
Als interessantes Beispiel behandeln wir nun die Frage, ob es im
euklidischen Räume 5^„+i »^-dimensionale Räume (w>2) von constantem
Riemann'schen Krümmungsmass Kq giebt. Wegen der Gleichungen (23)
müssen wir in diesem Falle haben:
*) S. Killing, Die nichteuklidischen Raumformen in analytischer Behand-
lung, S. 236—237. (Leipzig-Teubner, 1885.)
§ 337. Fortsetzung. 615
Machen wir, was uns freisteht, in einem Anfangspunkte uf^
&,,= 1, 6,i = Q,i = 0 (* + *),
so erhalten wir die Gleichungen:
oder, da eben Q,,= ^ ist, wo die R die Hauptkrümmimgsradieu sind:
RiBt = ^•
Für n > 2 folgt nun ofifenbar aus drei dieser Gleichungen:
die weitere:
RiRk "^^ w'f BiRi = ^7 ^'^^' ^^ K^
Folglich muss Kq positiv sein, und es ergiebt sich, wenn Kq gleich
ii ist
Ri = jF?2 = . • • = jR„ = R.
Dann haben wir:
^Q.tduidut = ^^bikduidut,
und mit Hilfe der Gleichungen (22*) lässt sich nun sofort nachweisen,
dass die Hyperfläche nichts anderes als eine Hjpei-sphäre vom Radius R
ist. Also:
Im euklidischen Räume von vier oder mehr Dimensionen
giebt es keine pseudosphärischen Hyperflächen. Von Hyper-
flächen mit positivem constantem Krümmungsmass giebt es
nur Hypersphären.
§ 338. Portsetzung.
Im vorliegenden Falle des euklidischen Raumes und, wie wir sehen
werden, allgemeiner im Falle der Räume mit constantem Krümmungs-
mass gestatten die Krümmungslinien einer Hyperfläche noch eine andere
Definition, welche die Verallgemeinerung derjenigen ist, von der wir
im Falle des gewöhnlichen Raumes ausgegangen sind (S. 97), nämhch
die folgende:
Längs einer Krümmungslinie sind die Normalen der
Hyperfläche die Tangenten einer Curve im Räume. Ist der
Raum ein euklidischer, so stellt das Stück der Normale
616 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
vom Fusspunkt bis zum Berührungspunkt mit der erwähn-
ten Curve den zugehörigen Hauptkrümmungsradius vor.
Um dieses zu beweisen, brauchen wir nur wie a. a. 0. (S. 97 — 98)
zu beachten, dass eine Curve, der die genannte Eigenschaft zukommt,
dadurch charakterisiert ist, dass längs ihr die Beziehungen bestehen müssen:
dxv = — QdX^ (v = 0, 1, . . . n) ,
wenn q das mit passendem Vorzeichen erwähnte Normalenstück ist.
Sie lassen sich auch wie folgt schreiben:
und wenn mit -^ — multipliciert und nach v summiert wird, so ergeben
sich die äquivalenten Gleichungen:
X, hsdus = Q^ QrsdUs (r = 1, 2, . . . n) ,
s s
womit die behauptete Eigenschaft nachgewiesen ist.
Hiernach ist klar, dass wir von n auf der Normale gelegenen
Hauptkrümmungsmittelpunkten und von einer aus n Mänteln zusammen-
gesetzten Evolutenhyperfläche reden können. Auf jedem Mantel Ui sind
die Curven, die von den Normalen der Ausgangshyperfläche längs einer
Krümmungslinie der entsprechenden Schar umhüllt werden, geodätische
Linien, und es giebt auf 27» eine Schar zu ihnen orthogonaler n — 1-
dimensionaler Mannigfaltigkeiten, deren Gleichung: Bi = Const. ist.
Der Leser kann dieses sofort auf Grund ähnlicher Überlegungen wie
in § 122 nachweisen, eine Erweiterung, die keine Schwierigkeit bietet.
Umgekehrt, wird auf einer Hyperfläche F„ von Sn+s eine einfach
unendliche Schar geodätisch paralleler n — 1 - dimensionaler Mannig-
faltigkeiten festgelegt und werden in ^^„4-1 die Tangenten an die zu
diesen Mannigfaltigkeiten orthogonalen geodätischen Linien gezogen, so
sind diese Tangenten die Normalen einer Hyperfläche 2^„, für welche
die Hyperfläche F„ ein Mantel der Evolutenhyperfläche ist.
Der Leser kann auch leicht die Untersuchungen des Kap. V über
die sphärische Abbildung der Flächen und über Ebenencoordinaten auf
w-dimensionale Räume erweitern, was wir hier der Kürze wegen übergehen.
§ 339. Formeln von Gauss und von Codazzi im elliptisclien Räume.
Wir wollen nun für den elliptischen Raum ein System von Grund-
formeln suchen, welche den in den drei voraufgehenden Paragraphen
für den euklidischen Raum entwickelten völlig entsprechen.
§ 339. Formeln von Gauss u. von Codazzi im elliptischen Räume. 617
Hierzu bedienen wir uns der geodätischen Abbildung des ellip-
tischen Raumes auf den euklidischen, und zwar der Gleichungen in
§ 329. Als Linienelement des elliptischen 7i-dimensionalen Raumes Sn
vom Radius R nehmen wir das durch die Gleichung:
(25) ds' = K- (r7 V + dXj^^-\ h ^^-^-O
gegebene an, worin Xq, x^, x^, . . . x^ durch die Beziehung:
(26) ^^2 _^ ^^^ + . . . + ^„2 = 1
mit einander verknüpft sind. Der euklidische Rarmi S'^j auf den wir
die (geodätische) Abbildung vornehmen, ist der durch die homogenen
Coordinaten Xq, x^, x^, ... Xn bestimmte Raum , wenn in ihm eine
Cajley'sche Metrik bezüglich der Fundamentalhyperfläche:
(27) ^o' + '^i' + ■ • • + ^n' = 0
zu Gnmde gelegt wird. In S„ wählen wir eine Hyperfläche F«_i mit
den Gleichungen:
Das Quadrat ihres Linienelements sei:
(28) d^ =^.hitduidut (i, Jc = l,2, ...n — 1),
lit
und darin:
Sex, ex,
e M. e u.
In Sn sind die Coordinaten
5o? *ij • • • b«
des Poles der Tangentialhyperebene in einem Punkte Xi der Hyper-
fläche F„_i bezüglich der Fundamentalhyperfläche (27) bis auf das
Vorzeichen vollkommen durch die Gleichungen bestimmt (s. § 329):
(30) Slr=l, S:r,^. = 0, ^i/~^ = 0 {i = l,2,...n-l).
V r r '
Die Coordinaten eines Punktes, der auf der Normale zu F„_i in
Xi von Xi um die Strecke w entfernt ist, sind durch die Gleichungen
gegeben (ebenda):
(31) xl = X, cos J + 1' sin ^ (v = 0, 1, . . . n).
Hieraus ergiebt sich speciell, wenn wir die F,_i unendlich nahe
618 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsinasses.
benachbarte und im Abstände s parallele Hyperfläche betrachten, für
die Variation des Linienelements die Gleichung:
dds^ = 2sR7^dXvd^y.
Demnach haben die Coefficienten Q/k der zweiten Grundform von
Vn-i (§ 331) die Werte:
(32)
du- du.
= i?S?.
8 u, 8 u.
Da die Determinante (n -{- 1)*"*" Ordnung:
JR-Ts —
ou^
B
du^
~du,^
dx^
du^
R
R
OX-^
8u„
Xo
Xi
ll
R
dx^
R
d x„
R
dx„
du2 "^du^_^
Sn
von Null verschieden ist, weil ihr Quadrat gleich der Discriminante
I hik I der Gleichungen (28) ist, so können wir die Differential-
quotienten
d u^ d Uj, '
linear und homogen durch
du.
(i. = 0, l,....^)
dx^ d x^
du.^^' du^^
dx,,
du„
ausdrücken, und es werden in diesen Ausdrücken die Coefficienten
von V unabhängig sein. Auf diese Weise erhalten wir sofort die
folgenden Griindformeln (vgl. S. 89):
(33)
d^x
"STf iiJc\ dx
dti-duj^ .^ \l ]^dui M
h.-r
— -^2^ + -x.-| (*, A;=l,2, ...?^— 1),
du.
= -E^5..Q..|^ (*=l,2,...n-l).
Sie gelten für jedes beliebige Wertepaar a;,., 1^.
Bei der Aufstellung der Integrabilitätsbedingungen für das System
§ 340. Hyperflächen im elliptischen Räume. 619
(33) erhalten wir erstens die folgenden den Gauss'schen (rleichiingen
entsprechenden Gleichungen*):
hthr—^iihr
(34) %,Qjr — Q.vQ*, = (*>, Äi)6 - ' \^ '
(i, Ä;,i, v=l, 2, ...«— 1).
Zweitens ergeben sich wieder die Codazzi'schen Gleichungen:
§ 340. Hyperflächen im elliptischen Räume.
Sobald die Coefficienten 6,*, Ö,* der ersten und der zweiten Grund-
form den Gleichungen (34) und (35) genügen, so ist das System (33)
unbeschränkt integrierbar, und durch ein ganz ähnliches Verfahren
wie in § 336 lässt sich nachweisen, dass eine zugehörige Hyperflache
existiert. Für «>o geben natürlich die Gleichungen (34) im allgemeinen
die Q.i, wenn die ha bekannt sind, und auch hier ist eine Hyper-
fläche unverbieffbar. Die Coefficienten der ersten Gnmdform dürfen
nicht willkürlich gewählt werden, und somit giebt es insbesondere im
elliptischen Raimie von mehr als drei Dimensionen mit dem Radius JB
keine Hypei-flächen mit constantem (Riemann'schem) Krümmimgsmass
< ^j und von solchen mit constantem Krümmungsmass > ^ nur die
Hypersphären (vgl. § 337). Was die Hyperflächen mit dem constanten
Krümmungsmass ^ anbetrifft, so sind sie nichts anderes als die geo-
dätischen Hyperflächen des Raumes.
Auch in der elliptischen Geometrie, die wir jetzt behandeln, gilt
für die Krümmungslinien einer Hyperfläche dieselbe Definition wie im
*) Eigentlich ergeben sie sich zunächst in der Form:
t
&.*
Diese Gleichungen lassen sich aber sofort in die Gleichungen (34) des Textes
überführen. Übrigens folgen (34) und (35) direct aus den allgemeinen Gleichungen
(C), (D), S. 602—603, unter Berücksichtigung der Identitäten (S. 574):
(rt, iÄ)o = ^ («r.«** — «r»«.i)-
620 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
Falle des euklidischen Raumes (§ 338), Nehmen wir nämlich an, dass
die Normalen längs einer Curve L einer Hyperfläche Vn—i eine Curve C
im Räume umhüllen, so erhalten wir längs L die charakteristischen
Gleichungen :
dxv = — tg -^ di,v {v = 0, 1, ... n),
wo w das Stück der Normale zwischen dem Fusspunkt und dem Be-
rührungspunkt mit C ist. Durch Multiplication mit -^ und Summa-
tion nach v erhalten wir das äquivalente System
div^
> lij.dui = B tg^^ ^ikdUi (1c = 1,2, ... n — 1).
Auf diese Weise kommen wir zu den allgemeinen Gleichungen
zurück, die uns zur Definition der Krümmungslinien gedient haben,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Ferner ergiebt sich der zugehörige Hauptkrümmungsradius
9 = Etg^.
Entsprechend also den n — 1 Hauptkrümmungsradien
Qi , Q2 , • • • Qn—l
erhalten wir auf der Normale n — 1 Hauptkrümmungsmittelpunkte;
ihre Entfernungen vom Fusspunkt Wi, W2, . . . Wn—i sind durch die
Gleichungen:
IV-
Qi = Rtg.^~ (*■=!, 2, ... w — 1)
definiert*).
Endlich bemerken wir, dass man in der elliptischen Geometrie
auf ein Princip metrischer Dualität stösst, wenn man zusammen
mit jeder Hyperfläche F„_i die Polarhyperfläche Vn—i bezüglich der
Fundamentalhyperfläche betrachtet. Wegen der Gleichungen:
X == X cos -p -|- 5 sm ■
-v r^-=: V nfonon i
B 2
die für -^ = -^ x' = i, geben, ist letztere nichts anderes als die zur
TtB
Ausgangshyperfläche im Abstände -^ parallele Hyperfläche. Es ist
wohl klar, dass auf den beiden Hyperflächen die Krümmungslinien
einander entsprechen und die Hauptkrümmungsradien der einen die
inversen derjenigen der anderen sind.
*) Da sich die Gerade nach einem Umgange um nB schliesst, so ist w,-
vollkommen dadurch bestimmt, dass es zwischen 0 und nB liegt.
§ 341. Hyperflächen im hyi>erbolischeii Räume. 621
Bezeichnen wir mit
d^ = ^(^^y- = ^ hitduiduk
das Quadrat des Linienelements von F,i_i, so hat es offenbar dieselbe
zweite Grundform; desgleichen werden neben den Gleichungen (33), (34)
und (35) auch diejenigen gelten, welche sich aus ihnen ergeben, wenn
die X mit den | und die 6 mit den h' vertauscht werden.
§ 341. Hyperflächen im hyperbolischen Raiune.
Wir wollen nun in gedrängter Kürze auch für die hyperbolische
Geometrie eine Gruppe von Gleichungen ableiten, die den Gleichungen
(33), (34) und (35) voUig ähnlich sind. Hierzu bedienen wir uus
wieder der Beltrami'scheu geodätischen Abbildung des hyperbolischen
Raumes mit dem Radius JR auf den euklidischen, und zwar auf das
Innere der Hypersphäre (§ 327):
^r + V + --- + ^-' = i-
X.
Dabei fuhren wir jedoch homogene Coordinaten ein, indem wir —
statt Xi setzen, und bestimmen den den homogenen Coordinaten an-
haftenden willkürlichen Factor dadurch, dass wir:
(36) a:,'-\-x,' + --- + x„' - x,' = —1
setzen. Zur Bestimmung des Abstandes ö zweier Punkte x und x'
erhalten wir die Gleichung:
(37) cosh ^ = — (^i^i' + ^2^/ H h ^«^«0 + ^o^o'?
und nehmen wir sie als einander imendlich nahe an, so folgt hieraus
für das Quadrat des Linien elements des hyperbolischen Raumes:
(38) ds'- = R^ {dx^^ + dx^^-\ 1- dx,^ — dx^).
Betrachten wir nun einen Punkt x des Raumes und eine durch
ihn gehende Ebene, deren Pol bezüglich der Fimdamentalhy perfläche:
iTj -j— Xj -j- • • • -j- iC„ Xq — \)
die homogenen Coordinaten
So ; bi ; • • • 6«
haben mag, so haben wir:
(39) - ^a-o + 1^3-, + • • • + inXn = 0.
622 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
Da wir nun den Pol | als ausserhalb der Fundamentalhyperfläche
gelegen voraussetzen, so ist:
^i-^-|o^>0,
und wieder bestimmen wir den den |,: anhaftenden Proportionalitäts-
factor durch die Gleichung:
(40) |^^' + ^^2_^..._|_|^2_|^2_i.
Die Gleichungen:
(41) xi, = Xy cosh -^ -\- ^v sinh ^
geben für veränderliches w die Coordinaten jedes Punktes auf der Ver-
bindungslinie von X und |, die auch die Normale zur Polarebene von
I in ^ ist. Ferner ist wegen (37) w der Abstand zwischen x und x\
Des weiteren sei darauf hingewiesen, dass der Gleichung (37), die den
Abstand zwischen x und x' angiebt, eine zweite dualistisch entspricht,
die den Winkel cp der beiden Hyperebenen | und |' angiebt, nämlich
die Gleichung:
n
(41*) cos g) =2 ir Iv — lo lö .
1
Nun setzen wir voraus, wir hätten im hyperbolischen Räume eine
Hyperfiäche Vn—i, deren Linienelementquadrat wir wieder mit:
(42) ds^ -=^hikduiduk (i, h = l,2, . . . n — 1)
bezeichnen, wobei:
(43) hu = 11' yi P- i^-B'^lfi^
ist, und es wären
Ö07 5l; • • • ?n
die Coordinaten des Poles der Tangentialhyperebene bezüglich der
Fundamentalhyperfläche, sodass wir haben:
(44)
'^Bi-ioj^^'' 0: = 1,2,...«-1).
Für die Coefficienten Q^. der zweiten Grundform erhalten wir:
(45)
§ 341. Hyperflächen im hyperbolischen Räume. 623
und verfahren wir wie in § 339, so ergiebt sich, dass an Stelle der
Gleichungen (33) einfach die folgenden treten:
(46)
cu. jL^ ^J du.
Ihnen genügen wieder die n •\- \ Wertepaare (a;»; |r) (v ^ 0, 1, . . . n).
Die Gauss'schen Gleichungen lauten hier:
(47) %^%, - Q,jQ,r = {iv, kj\ + ^J^hlS^fiihl^
während die Codazzi'schen Gleichungen ihre Form:
unverändert beibehalten.
Wieder geben die Gleichungen (47) und (48) die notwendigen
und hinreichenden Bedingungen dafür an, dass die beiden Formen:
^ huduidui , ^ QikdUidut
ik ik
als erste bezw. zweite Grundform zu einer Fläche des hyperbolischen
Raumes gehören.
Es ist hier zu bemerken, dass die auf die zweite Weise definierten
Krümmungslinien (vgl. den voraufgehenden Paragraphen) sicherlich auch
Krümmungslinien im ersten Sinne sind; das Umgekehrte gilt aber nur
dann, wenn der entsprechende Hauptkrümmungsradius nicht grösser als
R ist. Verfahren wir nämlich wie in § 340, so erhalten wir hier:
Qi = Rtgh^,
und wenn p.- ' grösser als R ist, so ist der zugehörige Wert von «?,-
imaginär. Aber das Schneiden einer Normale mit der nächstfolgenden
findet im euklidischen Bildraume immer noch thatsächlich statt; nur
liegt hier der Schnittpunkt ausserhalb der Fundamentalhvperfläche
und büdet als solcher einen imaginären Punkt des hyperbolischen
Raumes ab.
Zum Schlüsse mag erwähnt werden, dass man auch in der hyper-
bolischen Geometrie von einem Prinzip metrischer Dualität reden
kann. Nur muss man hier, da ja die Polarhyperfläche der gegebenen Fläche
bezüglich der Fuudamentalhyperfläche eine völlig imaginäre Fläche des
hvperbolischen Raumes vorstellt, anstatt des Linienelements der Aus-
624 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasscs.
gangshjperfläclie ihr Winkelelement einführen^ d. h. den unendlich
kleinen Winkel d(p, der von zwei unendlich nahe benachbarten Hyper-
tangentiale benen I und i, -\- di, gebildet wird. Infolge (41*) ist er ge-
geben durch: -v-r
dcp''=^^dl,^ — dl^\*)
Bezeichnen wir nun mit Vi], die Coefficienten dieser dritten Funda-
mentalform, so erhalten wir als die den Gleichungen (40) dual ent-
sprechenden Gleichungen unmittelbar die folgenden:
(40*)
^'^ _ Vf^-M 7/ t ^'
du.duj^ ^ \ i
h'
1 I i- Ik
l
Die Codazzi'schen Gleichungen bleiben hinsichtlich der Form der
h'ik ungeändert; dagegen treten an Stelle der Gleichungen (47) die
folgenden:
(47*) ^^•^^■»-^^•^^^^ = -{iv, hj\' + h'a Vjr - Vij h\y •
§ 342. Specialfall des dreidimensionalen elliptisclien oder hyper-
bolischen Raumes. Haupttangentencurven und Enneper'sclier Satz.
Wir wollen nun unsere allgemeinen Formeln auf den Fall der
dreidimensionalen Räume anwenden. Zur besseren Vergleichung mit
den Formeln der gewöhnlichen Theorie bezeichnen wir wieder mit u, v
die unabhängigen Veränderlichen oder krummlinigen Coordinaten auf
der Fläche und mit
Edu^ -f 2Fdudv -f Gdv%
Ddu^-{-2D'dudv-\-D"dv^
die erste bezw. zweite Grundform. Wir können auch die dritte Grund-
form, die wir mit
E'du^ + 2F'dudv + G'dv^
bezeichnen, in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen; sie stellt das
Quadrat des Winkelelements der Ausgangsfläche oder auch, in der
elliptischen Geometrie, das Linienelementquadrat der Polarfläche dar.
*) Auf diese Auffassung des Dualitätsprinzips hat bereits C. Fibbi hin-
gewiesen in seiner Abhandlung: I sistemi doppiamente infiniti di raggi negli
spazi a curvatura costante (Annali della Reale Scuola Normale Superiore, 7. Bd.).
Hier auch treten zum ersten Male für den Fall w = 3 und für auf einander senk-
rechte Parameterlinien die Formeln des Textes auf.
§342. Specialf.d.dreid.ellipt.od.hyperb.R. Haupttangentenc.u.Enneper'scherS. 625
In beiden Fallen gelten die Codazzi'schen Gleichungen (S. 91, (IV)):
!?-!?- r.>+[ivi-r/i]^'+r.>"=o,
(49)
die wir auch in der zweiten äquivalenten Form (IV*) (S. 92) schreiben
könnten. Die Gauss'sche Gleichung lautet, wenn Kq die Krümmung
des Raumes und K die absolute Krümmung der Fläche bedeutet:
(50) ^^^Zf^ = K-K,^)
Dabei haben wir im Falle der elliptischen Geometrie Kq= -\- ^^
in Falle der hyperbolischen Geometrie Kq = — ^ ■ Die linke Seite
von (50) ist nichts anderes als das Product der beiden Hauptki-üm-
mungen und mag die relative Krümmung Je der Fläche genannt
werden, sodass
li = K—K^
ist. Umgekehrt, sind die Gleichungen (49) und (50) erfüllt, so giebt
es im elliptischen oder hyperbolischen Räume eine zugehörige Fläche.
Ihre Bestimmung hängt beim elliptischen Räume von der Integration
des nachstehenden unbeschränkt integrierbaren Systems ab:
(51)
(52)
c*x iW\dx_.ill'icx E _|_ ^ t
c*x fl2\ gx , fl2i a« _F _, ^j:
B
c*x f22l ga: , f22| gx G \ ^" t
dv^~\ 1 \ cu^X 2 \Ji~W^^~B:^'->
H__j> ( FD' — GD dx FD — ED' gx\
cu~ \ EG — F'' c7i "" EG — F^ cvl '
£l=Ti (FD'—GD' ex FD'— ED" cx\
dv~^\EG — F'- cu^EG — F^ cc)\
yK = 4- -^ -
Beim hyperbolischen Räume dagegen haben wir als entsprechendes
System dasjenige, welches sich aus dem obigen einfach dadiu'ch er-
giebt, dass in den drei Gleichungen (51) das Vorzeichen des Gliedes
in X geändert wird.
Von Wichtigkeit ist es, darauf hinzuweisen, dass in der elliptischen
oder hyperbolischen Geometrie die Definition conjugiert^r Richtungen
dieselbe bleibt wie in der euklidischen Geometrie. Da sich, wenn man
*) Man vergleiche hierzu die allgemeine Gleichung (19), S. 609.
B i a n c h i , I>ifferentialgeometrie. 40
626 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
wie auf S. 107 verfährt, herausstellt, dass die Bedingung dafür, dass
zwei Linienelemente ds und ds conjugiert sind, durch:
dx^dxQ -\-dXj^dx^ -f~ dx.28x.2 -\- dx.^dx.^ = 0
beim elliptischen Räume und durch
— dxQÖXQ -f- dx^dxy -{- dx^dx.2 + dx.^dx.^ = 0
beim hyperbolischen Räume angegeben wird, so wird sie sich in beiden
Fällen durch die Coefficienten der zweiten Grundform vermöge der
gewöhnlichen Gleichung:
Ddudu + JD'iduöv + dvdu) + D"dvöv = 0
ausdrücken. Insbesondere lautet die Gleichung der Haupttangenten-
curven wieder:
Bdu^ + 2D'dudv + D"dv^ = 0.
Beachten wir dann weiter, dass die dritte Grundform :
E'du^ + 2F'dudv + G'dv^
auch hier eine lineare Verbindung der anderen beiden ist, dass nämlich
die Gleichung besteht:
( E'du^ + 2F'dudv + G'dv^ =
(33)
= ~ (Edu^ + 2Fdudv + Gdv^) —
— (- + -) (-^f^^' + ^D'dudv + D"dv'-),
wo Qi und Q^ die Hauptkrümmungsradien bedeuten, so folgt daraus,
dass auch in der elliptischen oder hyperbolischen Geometrie der
Enneper'sche Satz (S. 121) in der nachstehenden Fassung gilt:
Das Quadrat der Torsion*) der Haupttangentencurven
ist in jedem Punkte gleich der mit entgegengesetztem
Zeichen genommenen relativen Krümmung Je der Fläche.
Wir fügen noch hinzu, dass auch hier der Satz noch bestimmter
gefasst werden könnte. Es lässt sich nämlich wieder beweisen, dass
die beiden durch einen Flächenpunkt gehenden Haupttangentencurven
in ihm gleiche, aber dem Zeichen nach entgegengesetzte Torsionen
haben. (Vgl. S. 128.)
*) Wir messen die Torsion einer Curve im elliptischen oder hyperbolischen
Räume dadurch, dass wir den unendlich kleinen Winkel, den zwei unendlich nahe
benachbarte osculierende geodätische Flächen bilden, durch das Bogenelement
dividieren. Dieses liefert uns:
1 1 /l , 1\ Ddu^ -\- 2D'dudv -i- D"dv''
(- + -)
T- Q^Q^ \q^ ' qJ Edu^ -{-2Fdudv ^ Gdv^
§ 343. Fortsetzung. 627
§ 343. Fortsetzung.
Auf Grund der Fundamentalgleichungen des voraufgehenden Para-
graphen könnten wir die ganze Flächen theorie wieder aufnehmen, am
sie auch im Falle des elliptischen oder hyperbolischen Raumes parallel
mit der gewöhnlichen Theorie zu entwickeln. Wir wollen uns hier
darauf beschränken, nur einige Hauptpunkte dieser Erweiterung, die
sieh übrigens sehr leicht durchführen lässt, hervorzuheben.
Zunächst setzen wir voraus, die Fläche habe reelle (und ge-
trennte) Haupttangenteneurven, d. h., ihre relative Krümmung h sei
negativ. Setzen wir:
so erhalten wir:
i) = 0, D"=0, ^ ^' =^-
Also lauten die Codazzi'schen Gleichungen:
(54) '-^=H'i}. '-^-H\'\-
Umgekehrt, ist die Krünmiung K der Diiferentialfonn:
(55) f/s- = Edii'' + 2Fdudv + Gdv-
so beschaffen, dass,
(56) K-K, = -^
gesetzt, die Gleichungen (54) gelten, so giebt es eine Flache des
elliptischen oder hjrperbolischen Raumes (je nachdem Kq gleich -{- -p,
oder — -^ ist), deren Linienelementquadrat unter Zugrundelegung der
Haupttangenteneurven «, v durch (55) gegeben ist.
Als Specialfall betrachten wir die Flächen mit constanter Krüm-
mung und reellen Haupttangenteneurven. Da in diesem Falle l con-
stant ist, ergiebt sich aus (54):
folglich kann mittels Änderung der Parameter u, v das Quadrat des
Linienelements auf die Form gebracht werden (S. 130):
(56*) ds^ = du^ + 2 cos o du dv + dv-.
Darin ist o ein Integral der Differentialgleichung:
ö — 7— = — A sin a,
40*
G28 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
von der auch die Bestimmung der pseudosphärischen Flächen des
euklidischen Raumes abhängt. Demnach gelten auch für diese Flächen
in Räumen constanten Krümmungsmasses wieder die Sätze auf S. 130.
Wenn dann nicht nur die relative Krümmung l:, sondern auch die ab-
solute K=^h -{- Kq negativ ist, so wollen wir die Fläche als pseudo-
sphärische bezeichnen. Für diese Flächen gelten ebenfalls, wie wir
bald sehen werden, die in Kap. XVI behandelten Transformations-
methoden.
Wir wenden noch die soeben erhaltenen Gleichungen auf die
Minimalflächen an, d. h. auf diejenigen Flächen, bei denen die Haupt-
krümmungsradien in jedem Punkte gleich und entgegengesetzt sind*).
Da in diesem Falle
F=0
ist, so folgt aus der Gleichung:
^ fi2i a fi2
^(12)
dv \ 2 \
du\ 1 J d
wieder: Die Haupttangentencurven auf den Minimalflächen
bilden ein Isothermensystem.
Die Gleichungen (54) und (5G) beweisen ferner, dass das Linien-
elementquadrat der Fläche auf die Form:
'gebracht werden kann. Darin ist %• ein Integral der Gleichung:
(a) 5-5- + ~— j = — -^ smh 2 %•
im Falle des elliptischen Raumes, d. h. für Kq= -{- -^, oder der
Gleichung:
iß) a^*^ + ä^ = :B^^^«^2^
im Falle des hyperbolischen Raumes, d. h. für ^q = — ^ •
Bemerkenswert ist, dass wir zur Bestimmung der Minimalflächen
im elliptischen Räume dieselbe Gleichung {a) haben, von welcher im
euklidischen Räume die Bestimmung der Flächen constanter mittlerer
Krümmung ^ abhängt, die ferner dasselbe Linienelement haben.
*) Auf den Beweis dafür, dass mit der Relation: p^ -|- pg = 0 wiederum die
Eigenschaft des Flächenminimums verbunden ist, gehen wir hier nicht ein. Der
Leser sei verwiesen auf Darboux, 3. Bd., S. 491, oder auf die Abhandlung des
Verfassers in den Atti dei Lincei, 4. Ser., 4. Bd., 1888.
§ 344. Flächen m . d. Krünunungsmass Null i. ellipt. Baume als Schiebungsflächen. 629
§ 344. Flächen mit dem Krümmungsmass Null im elliptischen Räume
als Schiebungsflächen*).
Unter den Flachen constanten Krüinmuugsmasses im elliptischen
oder hyperbolischen Ramne sind besonders bemerkenswert diejenigen,
deren absolute Krümmung gleich Null ist, für die somit die gewöhn-
liche Metrik der euklidischen Ebene gültig ist. In diesem Paragraphen
behandeln wir die Flächen mit dem Krümmungsmass K = 0 im ellip-
tischen ßaimie, deren Haupttangentencurven, da die relative Krümmung
Ti = — ^ ist, reell sind und die eonstante Torsion + ^ haben. Für
das Quadrat ihres Linienelements erhalten wir unter Zugnmdelegung
der Haupttangentencurven «, v den Ausdruck:
d^ = dn^ -\-2cosfadudv -{- dtr.
Da CD ein Integral der Gleichung:
r 0»
= 0
cucv
ist, so hat es die Form:
wo U nur von «, V nur von v abhängt. Das Linienelementquadrat:
(57) f/6^ = rftr + 2 cos ( ^7 + F) du dv + dt:^
ist das der gewöhnlichen Ebene, in der alle Curven u imter einander und
alle Curven v unter einander congruent, nur gegen einander verschoben
sind**) . Nun ist die merkwürdige Eigenschaft, auf die wir hinweisen
wollen, die, dass auch auf den Flächen mit verschwindender Krüm-
mung im elliptischen Räume alle Haupttangentencurven u bezw. v unt^r
einander congruent sind. Dieses ergiebt sich unmittelbai- daraus, dass
ihre bezüglichen geodätischen Krümmungen, die zugleich die absoluten
Krümmungen sind, da es sich um die Haupttangentencurven handelt,
durch die Gleichungen:
1 cm -^ J^ fö jjf
gegeben sind, sodass also alle Curven u = Const. dieselben natürlichen
Gleichimgen: . . .
*^ TT" _ _
*) Vgl. die Abhandlung des Verfassers: Sülle superficie a curvatura
nulla in geometria ellittica (Annali di Matematica, 24. Bd., 1895).
**) Die expliciten Gleichungen für die orthogonalen Cartesischen Coordi-
naien in der Ebene als Functionen der Parameter u, r in (57) lauten:
X =^ r sinUdu — / sin Vdv,
y = /"cos üdu -{-Ccos Vdv.
630 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
haben, wenn v eben ihr Bogen ist^'). Welche Art der Bewegung
muss nun im elliptischen Räume stattfinden, damit eine der Haupt
tangentencurven u mit allen übrigen zur Deckung gelange? Bedenken
wir, dass bei einer solchen Bewegung alle Punkte der Haupttangenten-
curve u gleiche Bogen der Haupttangentencurven v beschreiben, so
erhellt, dass diese Bewegung in der stetigen Schiebung dieser Haupt-
tangentencurve längs einer solchen der anderen Schar besteht**).
Umgekehrt folgt daraus, dass die beiden Functionen U, V will-
kürlich sind, die Thatsache, dass, wenn wir im elliptischen Räume
vom Radius R zwei Curven C und C mit constanter, aber entgegen-
gesetzter Torsion, ih;»"? nehmen und sie im Räume so legen, dass
sie durch einen gemeinsamen Punkt 0 gehen und in ihm dieselbe
Schmiegungsebene haben, wir der Curve C nur eine stetige Schiebung
erster Art längs C oder auch der Curve C eine stetige Schiebung
zweiter Art längs C zu ei teilen brauchen, um eine Fläche mit der
Krümmung Null zu erzeugen.
Wir können also sagen:
Alle Flächen mit der Krümmung Null im elliptischen
Räume vom Radius R sind Schiebungsflächen, deren beide
erzeugenden Curven constante, aber entgegengesetzte Tor-
sion, + "^7 haben.
Ist eine der beiden willkürlichen Functionen U, V, z. B. F, con-
stant, so sind die Haupttangentencurven v geodätische, folglich gerade
Linien. Um diese Linienflächen mit der Krümmung Null zu erhalten,
brauchen wir also nur eine beliebige Curve mit der Torsion -\- ^
1
oder — jT zu nehmen und durch einen ihrer Punkte in der Schmie-
gungsebene eine Richtung festzulegen; diese bestimmt dann eine Schie-
bung erster oder zweiter Art (je nach dem Vorzeichen der Torsion)
von veränderlichem Betrage, während welcher die Curve eben die ge-
suchte Fläche erzeugt.
Diese Linienflächen besitzen aber noch eine sehr merkwürdige
*) Dass auch im elliptischen Eaume eine Curve durch ihre natürlichen
Gleichungen eindeutig bestimmt ist (S. 12), kann auch hier auf Grund der ein-
schlägigen Frenet'schen Formeln nachgewiesen werden, was wir dem Leser
überlassen.
**) Zufolge den Eigenschaften der Schiebungen (§ 330) ist klar, dass eine
Schiebung erster oder zweiter Art vollkommen bestimmt ist, wenn die Richtung,
nach der sich ein gegebener Punkt des Raumes bewegt, und der Betrag der
Schiebung gegeben sind.
§ 345. Die beiden Mäntel der Evolatenfläche. 631
Eigenschaft, auf die wir hier nur hinweisen wollen. Sie besteht darin,
dass alle Orthogonaltrajectorien der Erzeugenden ebenfalls (geodätische)
Curven mit der constanten Torsion ^ sind. Demnach giebt es auf
der F^che zwei verschiedene Scharen von Curven mit der constanten
Torsion + ^j von denen die einen Haupttangent^ncurven, die anderen
geo<^tische Orthogonaltrajectorien der Erzeugenden sind. Somit sind
wir zu dem Ergebnis gelangt:
Jede Linienfläche mit verschwindender Krümmung im
elliptischen Räume vom Radius It ist die Ortsfläche der
Binormalen einer Curve mit constanter Torsion ^^- Um-
gekehrt ist eine jede solche Ortsfläche eine Fläche mit ver-
schwindender Krümmung*).
Unter diesen Linienflächen verdient die Clifford'sche Doppel-
Linienfläche besondere Erwähnung. Sie ergiebt sich, wenn beide
Functionen U, V constant, also beide erzeugende Cui-ven Gerade sind.
Auf die merkwürdigen Eigenschaften der Clifford'schen Fläche hat
Klein mit Recht die Aufmerksamkeit der Mathematiker in den an-
geführten Arbeiten gelenkt. Wir wollen hier bemerken, dass im ellip-
tischen Räume, abgesehen von der Kugel, die Clifford'sche Fläche die
einzige Fläche ist, die constante Hauptkrümmimgsradien hat. Ist ins-
besondere: 7T_L T^ "
so ist die Clifford'sche Fläche sowohl eine Fläche mit verechwindender
Krümmung als auch eine Minimalfläche.
§ 345. Die beiden Mäntel der Evolutenfläche.
Wir wollen nun die allgemeinen Formeln in § 342 auf den Fall
anwenden, in dem die Parameterlinien u, v die Krümmungslinien sind.
Der Kürze halber entwickeln wir die Rechnungen nur für den Fall
des elliptischen Raumes; doch wird der Leser leicht nachweisen können,
dass ganz ähnliche Ergebnisse für den hyperbolischen Raum gelten.
Der Einfachheit halber setzen wir J? = 1, wenn w^^, w^ die Ent-
*) Jede Linienfläche mit verschwindender Krümmung ist somit in einer Clif-
ford'schen Congruenz enthalten. Dass umgekehrt jede Linien fläche einer
Clifford'schen Congruenz verschwindende Krümmung hat, folgt ein-
fach daraus, dass jede solche Fläche eine stetige Schiebung in sich gestattet,
während welcher jede erzeugende Gerade in sich verschoben wird. Auch können
wir unserem Satze folgende bemerkenswerte Fassung geben: Die Binormalen
jeder Curve mit constanter Torsion -=- in unserem elliptischen
H
Räume sind im Clifford'schen Sinne paralleL
632 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses,
fernungen der beiden Krümmiingsmittelpunkte vom Fusspunkt der
Normale, und müssen dann hier setzen:
-";
Auf diese Weise gehen die Codazzi'schen Gleichungen in die gewöhn-
lichen für den euklidischen Raum gültigen über:
■J'i uJ du ' c u \ r, /
(58)
Aus den Gleichungen (52) ergeben sich ferner die Rodrigues'schen
Gleichungen:
/Kcw ^^ , ex c^ , ox
( oy) K— = cot W9 vs— , ^— = cot iVi 7^ •
Bezeichnen wir nun mit y^^ y,^, y.^, y^ die Coordinaten des ersten
Krümmungsmittelpunkts, so haben wir:
yi = Xi cos Wi — 1/ sin Wx .
Differenzieren wir dieses unter Berücksichtigung der Gleichungen
(58) und (59) und versehen wir die auf den ersten Mantel der Evo-
lutenfläche (vgl. S. 326 u. f.) bezüglichen Grössen mit dem Index 1,
so finden wir leicht:
.^^v ) ^ sin2^t72 '\du/'
y ^ c u cv ' '■ \ cv / '
also:
(61) ds,' = clw,' + ^'^]^^'^^-<^ du\
SlU tVa
Bezeichnen wir ferner mit rj^, tj^, tj^, t]^ die Coordinaten der Tan-
gentialebene des ersten Mantels der Evolutenfläche, so erhalten wir:
1 c X.
\(jr dv
demnach wegen der Gleichungen (51V
dr]. 1 dVE dx.
du ~ yEG dv du '
dn, 1 dVGdx, yä,
dv E cu cu ' i\ '
Aus diesen Gleichungen leiten wir für die Coefficienten D^, Z)/, D^"
der zweiten Grundform des ersten Evolutenflächenmantels die Werte ab:
§ 345. Die beiden Mäntel der Evolut«nfläche und Weingarten'scher Satz. 633
(62) D, = 4,^'-^, A'=0, A"=-J
ya ctci
r*fg
ctr,
1
cv
h = -
1
cu
sin*(iCä-
-urj ctfi '
sin' (tCj —
icj fir.
cv
CM
Analogr erhalten wir für den zweiten Mantel:
(61*) ds,^ = du;' + ^^^^^d,^,
(62*) i), = -4::^?iü, A'=0, A"=^^^^^-
^ ^ ^ sinjcj <7U ' - ' - YE sm-tc^ cu
Hieraus ergeben sieh for die relativen Krümmungen l\j A% der
beiden Evolutenflächenmäntel die bemerkenswerten Ausdrücke:
(63) Ä-, = -
Ans den Gleichimgen (62) und (62*) folgt, dass auch in den Räumen
Constanten Krümmungsmasses der Ribaucour'sche Satz (S. 242)
gültig ist:
Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass
sich auf den beiden Mänteln der Evolventenfläche die Haupt-
tangentencurven entsprechen, ist, dass die Evolventenfläche
eine TF-Fläche ist*).
Desgleichen ergiebt sich, dass auch der Satz gilt (S. 244):
Auf den beiden Mänteln der Evolutenfläche einer Fläche
entsprechen sich die Krümmungslinien nur dann, wenn die
Evolventenfläche eine TF-Fläche ist, deren Hauptkrümmungs-
radien,
durch die Relation:
tc^ — tc\ = Const
verbunden sind.
Offenbar sind in diesem Falle wegen der Gleichungen (63) beide
Mäntel der Evolutenfläche pseudosphärische Flächen, deren absolute
Krümmung durch:
(6*) ^ = 1 - si„.(.;-..) = - ~t^(«-. - ".)
gegeben ist.
*') Auch hier bezeichnen wir als TF- Flächen solche Flächen, deren Hanpt-
krnnunungsradien durch eine Belation verbunden sind.
634 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
§ 346. Weingarten'scher Satz. Complementärtransformation der
pseudosphärisclien Fläclien.
Wir wollen liier nicht alle die zahlreichen Folgerungen aus den
voraufgehenden Ergebnissen ziehen, sondern nur die wichtigste an-
geben. Sie besteht wieder in dem verallgemeinerten Weingarten'schen
Satze (S. 246):
Jeder Mantel der Evolutenfläche einer TF-Fläche im
elliptischen oder hyperbolischen Räume ist auf eine Rota-
tionsfläche abwickelbar, deren Gestalt lediglich von der
Relation abhängt, welche die Hauptkrümmungsradien der
Evolventenfläche verknüpft.
Zum Beweise brauchen wir nur die geodätische Krümmung der
Curven w^ = Const. auf dem ersten Mantel der Evolutenfläche zu be-
rechnen. Dafür ergiebt sich nach (60) der Wert:
(65) — = cot (ti\ — tv^) .
Analog folgt aus dieser Grleichung, dass auch der umgekehrte Satz
(S. 249) gilt:
Jede auf eine Rotationsfläche abwickelbare Fläche hat
als Evolventenflächen bezüglich der geodätischen Linien, die
bei der Abwickelung in die Meridiane übergehen, eine
Schar paralleler W-Flächen.
Natürlich bildet wieder derjenige Fall eine Ausnahme, in welchem
die Biegungscurven der Meridiane Gerade sind, ein Fall, auf den wir
hier nicht weiter eingehen*).
Zwecks Anwendung dieser Sätze wollen wir nachweisen, dass
auch für die pseudosphärischen Flächen im elliptischen (oder hyper-
bolischen) Räume die Complementärtransformation (S. 457) gültig ist.
Es sei im elliptischen Räume (jR = 1) eine pseudosphärische
Fläche vom Radius a gegeben, deren Linienelementquadrat unter Zu-
grundelegung einer Schar paralleler Grenzkreise: w^ == Const. und der
zu ihnen orthogonalen geodätischen Linien die Form:
habe. Die Tangenten der geodätischen Linien u sind die Normalen
einer T^- Fläche, deren Hauptkrümmungsradien wegen der Glei-
chung (65) durch die Relation:
*) Nur sei darauf hingewiesen, dass auch hier der Ausnahmefall bei
denjenigen Linienflächen eintritt, welche die Ortsflächen der Bi-
normalen der Curven mit constanter Torsion sind. (Vgl. S. 249).
§ 346. Complementärtransformation der pseudosphärißchen Flächen. 635
verbunden sind. Daraus folgt:
Betrachtet man auf einer pseudosphärischen Fläche mit
der absoluten Krümmung K= ^ im elliptischen Räume
(U == 1) eine Schar paralleler geodätischer Linien und trägt
auf deren Tangenten vom Berührungspunkt aus in der Richtung
der Parallelität eine Strecke d = arctga ab, so ist die Orts-
fläche der Endpunkte wieder eine pseudosphärische Fläche
mit derselben absoluten Krümmung K= j- Es mag noch
hinzugefücrt werden, dass, ebenso wie im euklidischen Räume, die
Krümmungslinien, ebenso die Haupttangentencurven einander entsprechen
und entsprechende Bogen letzterer einander gleich sind.
Unschwer Hesse sich auch nachweisen, dass nicht nur die
Complementärtransformation, sondern auch die Bäcklund'sche Trans-
formation, einschliesslich des Vertauschbarkeitssatzes (Kap. XVII), an-
wendbar ist.
Es giebt aber einen Grenzfall des obigen Satzes, der besonderes
Interesse bietet. Es ist nämlich der Fall, in dem K gleich Null ist, in
dem es sich also um die in § 344 betrachteten Flächen handelt. Dann ist
die Schar paralleler geodätischer Linien eine gewöhnliche Schar der
euklidischen Metrik und das abzutragende Stück ö gleich --, weswegen
es natürlich gleichgültig ist, ob man es nach der einen oder nach der
anderen Richtung abträgt. Da femer
ist, so besitzen die Evolventenflächen ebenfalls die absolute Krümmung
Null, denn wegen
'1 = tg '*'i , »"ä = tg («<^i — y) = — ^^^ ^1
ereiebt sich:
^ k = -l.
Somit haben wir das bemerkenswerte Resultat gefunden:
Betrachtet man auf einer Fläche mit der absoluten
Krümmung Null im elliptischen Räume vom Radius B eine
Schar paralleler geodätischer Linien und trägt auf deren
Tangenten vom Berührungspunkt aus eine Strecke gleich -^
ab, so ist die Ortsfläche der Endpunkte wieder eine Fläche
mit der absoluten Krümmung Null. Die zu den doppelt un-
636 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
endlich vielen Geraden orthogonalen, einander parallelen
Flächen haben ebenfalls die absolute Krümmung Null.
Es mag endlich noch hinzugefügt werden, dass auf den Evolventen-
flächen mit der Krümmung Null und auf den Evolutenflächen eben-
falls die Haupttangentencurven einander entsprechen.
Der obige Satz liefert uns offenbar das Mittel, von einer ge-
gebenen Fläche mit der Krümmung Null ausgehend beliebig viele
neue solcher Flächen zu erhalten.
§ 347. Flächen mit dem Krümmungsm^ass Null im hyper-
bolischen Räume.
In den voraufgehenden Paragraphen haben wir uns zur Ableitung
der Grundgleichungen der elliptischen oder hyperbolischen Geometrie
der geodätischen Abbildung des Raumes constanten Krümmungs-
masses auf den euklidischen Raum bedient. In manchen Fällen ist es
jedoch zweckmässiger, die conforme Abbildung dieses Raumes an-
zuwenden, was auch zu neuen Eigenschaften von Flächen im gewöhn-
lichen Räume führen kann. Nehmen wir z. B. die TF- Flächen im
Räume constanten Krümmungsmasses, so folgt aus den Untersuchungen
von Lie (S. 245), dass sich auf einer solchen Fläche die Krümmungs-
linien durch blosse Quadraturen ergeben. Bei der conformen Ab-
bildung des euklidischen Raumes gehen, wie wir wissen, Krümmungs-
linien wieder in Krümmungslinien über (§ 335); somit erhalten wir
eine neue Klasse von Flächen im euklidischen Räume, deren Krüm-
mungslinien sich durch Quadraturen bestimmen lassen.
Betrachten wir z. B. den hyperbolischen Raum, und es sei, unter
Zugrundelegung des Ausdrucks:
für das Quadrat seines Linienelements,
z = z{x, y)
die Gleichung einer Fläche. Unter Anwendung der üblichen Monge'schen
Bezeichnungen erhalten wir für die Grundgrössen in § 331, &;,$, Q,-«,
die Werte:
^11 = -f.- (1 + P^) ; K = ^P2 , &22 = ^ (1 + Q'),
Y ^^ ^^p^f X = ' ~ ^^ X = -
ßu =
E
§ 347. Flächen mit dem Krümmungsmass Null im hyjjerboli sehen Räume. 637
Da die Hauptkrflmmungsradien p^ und p^ die Wurzeln der
quatb-atischen Gleichung:
{Qn^ii — QliJQ' — (611Ö22 + ^'23^11 — 2hiiQi.)Q -\- hnb^^ — hl. = 0
sind, so erhalten wir für die relative Krümmunor
und für die mittlere Krümmung *
;, = !+•-
die Ausdrücke:
Nun nehmen wir an, es sei die Fläche:
im hyperbolischen Räume eine TT- Fläche. Genau so wie beim Be-
weise des Lie'schen Satzes (S. 245) ergiebt sich bei Anwendung der
Gleichungen (58), dass die co Variante DifFerentialform:
y^uhi-^n I Qu du + Qi2 dv Q^^ du + Q^ dv
welche, gleich Null gesetzt, die Differentialgleichung der Krümmungs-
linien darstellt, die Krümmung Null hat. In unserem Falle geht sie
nun über in:
R
^(p^+a' + i)
{\-{-p^)dx-\-pydy pqdx + {l-l^q^)dy
rdx -\- sdy sdx -\- tdy
R
und unterscheidet sich nur um den Factor — von der analogen, für
z O }
die Bildfiäche des euklidischen Raumes berechneten Differentialform.
Ist insbesondere die TF- Fläche eine Minimalfläche, so ist die
eben genannte Bedingung erfüllt, und femer bilden die Ki-ümmuncrs-
linien sowohl im hyperbolischen als auch im euklidischen Bildraume
ein Isothermensystem. Daraus schliessen wir, dass die Flächen:
s = z {x, y) im gewöhnlichen Räume, die der partiellen Differential-
gleichung:
4(1 + P') ^ - '2pqs + (1 + 50 '■] + 2 (/ + T + 1) = 0
638 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
genügen , eine Klasse von Flächen bilden, auf denen die Krümmungs-
linien Isothermensysteme sind. Allgemeiner gilt dieses für alle Flächen,
bei denen die mittlere nichteuklidische Krümmung li, die durch Glei-
chung (66*) bestimmt ist, constant ist.
§ 348. Flächen mit der absoluten Krümmung Null im
hyperbolisclien Räume.
Zum Schlüsse suchen wir die Flächen mit der absoluten
Krümmung Null, d. h. diejenigen Flächen, deren relative Krüm-
mung Tc gleich -^^ ist. Ihre Bildflächen im euklidischen Räume sind
wegen der Gleichung (66) die Integralflächen der partiellen Differen-
tialgleichung:
(67) z\rt—s^)+z\{l+p^)t—2pqs-{-{l+q^)r\ = {p'+q^){p' + (f+l).
Nun betrachten wir eine beliebige Fläche des hyperbolischen
Raumes vom Radius R und beziehen sie auf ihre Krümmungslinien
u, V'^ r^ und r^ seien ihre Hauptkrümmungsradien und
cW = Edu^+ Gdv'
das Quadrat ihres Linienelements. Beziehen wir den Raum auf das
dreifache Orthogonalsystem, das von den zur gegebenen Fläche geo-
dätisch parallelen Flächen und den beiden Scharen von Ortsflächen
der Normalen der gegebenen Fläche längs der Krümmungslinien ge-
bildet wird, so finden wir für das Quadrat des Linienelements des
Raumes den Ausdruck:
ds^= jE/fcosh ^ -| — ^ sinh ^j du^ -\-
-\- G f cosh „ -j- sinh „ j dv^ -f- dw^, *)
worin w der von der Ausgangsfläche gerechnete Bogen der orthogonalen
geodätischen Linien ist.
*) Um diese Gleichung abzuleiten, hat man aus den Gleichungen:
X = a; cosh v. + 1 sinh ^
den Ausdruck:
rfs^ = R\dX^^ + dX^^ + dX^^ — dX^^
zu berechnen und dabei die Rodrigues'schen Gleichungen :
Wu r^ du'' dv r^ dv
zu berücksichtigen.
§ 348. Flächen mit der absoluten Krümmung Null im hyperbolischen Eaume. 639
Entsprechend haben wir im euklidischen Bildraume ein Kreis-
system, bei dessen Zugrundelegung das Linienelement die vorstehende
Form annimmt, sofern die rechte Seite noch mit z- multipliciert wird.
Nun kommt unter den zu den Kreisen orthogonalen Flächen zweimal
die Greuzebene vorj das erste Mal für ?r = -f- cc, das zweite Mal für
10 = — <X). Es liegt somit eine Abbildung der Grenzebene auf sich
selbst vor, sobald die beiden Punkte A und Ä^ in denen ein Kreis
die Grenzebene schneidet, als entsprechend angesehen werden. Sehen
wir nun zu, wann die von A und Ä^ beschriebenen beiden Figuren zu
einander conform sind. Erwägen wir, dass nach den Gleichungen in
§ 324 die Producte
-, IC .1 w
z cosh -ö- , z sinh ^
bei unbesrrenzt wachsendem w sich einunddemselben bestimmten
und endlichen Grenzwert A nähern, der eine Function von j<, v ist,
so erhalten wir für die Linienelementquadrate der von A und Ä be-
schriebenen beiden Figuren die Ausdrücke:
(68)
ds:- = A^ \_e{\ + ^yii^ + a{\ + ~^dv^,
ds.
.= = V[£(i-^)-rf- + e(i-^)"''-]
Soll also die Abbildung conform sein, so müssen wir haben:
l + - l + -
r^ I r,
also entweder:
*'i = *ä
oder:
1 J_
Im ersten Falle ist, wie sich aus den Gleichungen (58) leicht
ableiten lässt, die Fläche eine Kugel. Im zweiten Falle ist die Fläche,
als dem hyperbolischen Räume angehörend betrachtet, eine mit
der Krümmung Null, demnach im Bildraume eine Integralfläche der
Differentialgleichung 1^67). Es besitzen somit die Integi-alflächeu dieser
Gleichung eine merkwürdige Eigenschaft, die darin besteht, dass, wenn
durch jeden Punkt einer solchen Fläche der zu der Fläche und zur
a:f/-Ebene normale Kreis gezogen wird, die beiden Punkte A und A',
in denen der Kreis diese Ebene schneidet, zwei zu einander conforme
Figuren beschreiben.
640 Kap. 22. Die Hyperflächen in den Räumen constanten Krümmungsmasses.
Es mag noch hinzugefügt werden, dass bei einer solchen Fläche
die conforme Abbildung direct, bei der Kugel dagegen, wie leicht er-
sichtlich, invers ist*).
Am bemerkenswertesten ist aber der Umstand, dass das obige
Ergebnis umgekehrt werden kann und somit eine allgemeine Eigen-
schaft der conformen Abbildungen durch den Satz ausgedrückt wird:
Es liege irgend eine direct conforme Abbildung einer
Ebene auf sich selbst vor. Man nehme ein veränderliches
Paar entsprechender Punkte Ä und Ä' und lege durch sie
den zur Ebene normalen Kreis. Zu diesen doppelt unend-
lich vielen Kreisen giebt es immer eine Schar von Ortho-
gonalflächen, die, wenn die gegebene Ebene als ici/-Ebene
gewählt wird, die Integralflächen der Gleichung (67) sind.
Den Beweis übergehen wir, da ihn der Leser auf Grund der all-
gemeinen Gleichungen für normale Kreissysteme (§ 180) leicht selbst
führen kann.
Wir schliessen mit folgender Bemerkung: Würde hingegen die
Conformität der Abbildung der Fläche auf eine der beiden von den
Punkten Ä, Ä beschriebenen ebenen Figuren gefordert, so würde sich
aus den Gleichungen (68) die folgende ergeben:
(i±i)=(^±fr-
Schliessen wir wieder den Fall der Kugel aus, so sehen wir, dass
die verlangte Eigenschaft denjenigen Flächen im hyperbolischen Räume
zukommt und auch für sie charakteristisch ist, deren mittlere Krüm-
112
mung, 1 , gleich ^ ist. Die entsprechende Differentialgleichung
für die Bildflächen im euklidischen Räume lautet:
1 4- 2^' + s' ^ 0 •- — '^ -1- F -1- ^ i
und kann durch endliche Gleichungen vollständig integriert werden**).
*) Im Falle der Kugel nämlich ist diese Abbildung nichts anderes als eine
Inversion mittels reciproker Radienvectoren bezüglich des (reellen oder imagi-
nären) Schnittkreises von Ebene und Kugel.
**) S. die Abhandlung des Verfassers in den Annali di Matematica, 1898.
Anhang zu Kap. X\T[.
Zur Transformationstheorie der Flächen mit eonstantem positivem
Krümmuugsmass.
In der vorliegenden Note beabsichtige ich, einen kurzen Bericht
über wesentlich neue Resultate zu erstatten, welche die Theorie der
Flächen constanter positiver Krümmung betreifen. Diese Resultate
gestatteten mir, eine reelle Transformationstheorie für diese Flächen
aufzustellen, welche eine ganz analoge Wirkung hat, wie die bekannte
Transformationstheorie der pseudosphärischen Flächen (Kap. X^TI). So
passen glücklicher Weise die Worte, mit welchen § 264 des Buches
beginnt, zu dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse nicht mehr.
Die grundlegenden Sätze, welche die Aufstellung der neuen Trans-
formationstheorie ermöglichten, verdanken wir Herrn Guichard, der
seine Resultate in den Comptes Rendus der Pariser Akademie (23. Ja-
nuar 1899) ohne Beweis bekannt gemacht hat. Indem ich dieselben
hier zur Sprache bringe, will ich ihnen sogleich diejenige Form geben,
welche unserem Zwecke am besten entspricht.
Wir betrachten ein verlängertes Rotationsellipsoid oder ein zwei-
schaliges Rotationshyperboloid als eine stetig verbiegbare Fläche und
denken uns die oc- Strahlen, welche von allen Punkten der Fläche
nach dem einen oder nach dem anderen Brennpunkte verlaufen, fest
mit der Fläche verbunden*). Dann lautet Guichards Satz folgender-
massen :
Bei jeder Verbiegung der betrachteten Rotationsfläche
bleiben die beiden Strahlensysteme die Normalen je einer
Fläche constanter positiver Krümmung K=^, wobei 2R
die Länge der grössten Axe der Ellipse oder der Hauptaxe
der Hyperbel bezeichnet.
Dieses schöne Resultat des Herrn Guichard habe ich nim in fol-
*) Damit soll gemeint werden (wie bei dem Beltrami'schen Satze, S. 270),
dass die Winkel, welche jeder Strahl mit den Linien elementen der Fläche bildet,
die von seinem Ausgangspunkte verlaufen, keine Änderung bei der Flächen-
deformation erleiden sollen.
Bianchi, Uifferentialgeometrie. 41
642 Anhang zu Kap. XVn.
gender Weise zur Aufstellung der gewünschten Transformation benutzt*):
Erstens handelte es sich darum, den Guichard'schen Satz gerade um-
zukehren, d. h. die Frage zu beantworten, ob es bei jeder gegebe-
nen Fläche S constanter positiver Krümmung möglich ist, ein solches
veränderliches Stück auf jeder Flächennormale vom Fusspunkte so
abzutragen, dass der Ort 2J der Endpunkte eine auf das Rotations-
ellipsoid oder -hyperboloid abwickelbare Fläche bildet, welche überdies
zur ursprünglichen Fläche S eben in der Guichard'schen Beziehung
stehen soll. Das hat sich in der That immer als möglich erwiesen und
zwar (was äusserst wichtig ist) auf oo^ verschiedene Weisen möglich.
Die Bestimmung des unbekannten Normalenstücks hängt nämlich von
der Integration eines unbeschränkt integrierbaren Systems ab
(von welchem weiter unten die Rede sein wird), dessen allgemeinste
Lösung drei willkürliche Constanten enthält.
Wir denken uns weiter die Normalenstrahlen von S auf die Fläche
U refiectiert und nehmen auf jedem reflectierten Strahle den Punkt
M', welcher zum Fusspunkte M des ursprünglichen Normalenstrahles von
S in Bezug auf die Tangentialebene der reilectierenden Fläche 2J
symmetrisch liegt. Dann haben wir den Satz:
Der Punkt M' beschreibt eine neue Fläche S\ welche
dieselbe positive constante Krümmung wie S hat; die Nor-
malen der Fläche S' fallen mit den reflectierten Strahlen
zusammen.
Somit haben wir also die gesuchte Transformation, und zwar können
wir sagen:
Aus jeder bekannten Fläche S, welche auf die Kugel ab-
wickelbar ist, kann man durch Integration einer gewöhn-
lichen Differentialgleichung (zweiter Ordnung) oo^ neue
solche Flächen ableiten.
Ohne auf die Beweise einzugehen, will ich jetzt das System der
Differentialgleichungen aufstellen, von dessen Integration die Bestimmung
unserer Transformationen abhängt. Dasselbe kann als eine Verall-
gemeinerung des Weingarten'schen Systems (D) gelten, welches auf
S. 555 besprochen ist. Es seien in unseren gewöhnlichen Bezeich-
nungen des Kap. IV
Bdu^ -\-2B'dudv-\-B"dv^
die beiden quadratischen Fundamentalformen einer als bekannt vor-
ausgesetzten Fläche S, welche auf die Kugel vom Radius r = 1 ab-
*) Siehe Rendiconti cleir Accademia dei Lincei, 5. März 1899.
Anhang zu Kap. XVII. 643
wickelbar ist. Wird mit c eine willkürliche Constante bezeichnet
und bedeuten W, 0 zwei unbekannte Functionen von u, v, so lautet
das System unserer Differentialgleichungen wie folgt:
f* l 1 J CU ' l 2 J CV ' 1 V I / 7
(A)
(B)
a«
c
uft; l 1 J c« ' l 2 J et' ' I \ I / 7
a«Tr f2 2i aTT , f2 2i dW
cv
ni^+mi^+»«'^+('+i^^'*;
a$ _ FD' — gD cTF , FZ> — FD' cW
du~EG — F* fM ' EG — F* cv'
r* _ FD"—GB' cW . FD'— ED" cW
cv ~ EG — F^ Tu ~^ EG — F* ~cv~
Dasselbe kann als ein System von totalen linearen Differential-
gleichungen für
O O *" TTT" '^ irr
' ^ du ^ cv
aufgefasst werden. Es ist leicht einzusehen, dass dieses System (A), (B)
unbeschränkt integrierbar ist, wie auch die Constante c gewählt sein mag.
Somit enthält die allgemeine Lösung desselben vier willkürliche Con-
stanten; als solche können z. B. die willkürlichen Anfangs werte von
' ^^' cu ' dv
für besondere Werte u = Uq, v = Vq der unabhängigen Variabein u,v
genommen werden.
Nun wird der Ausdruck:
^iW— cW- -\- (c -\- 1)0-
wegen der Gleichungen (A), (Bj, notwendig eine Constante sein.
Für unseren Zweck müssen wir diese Constante gleich Null machen,
was offenbar durch passende Verfügung über die oben angeführten An-
fangswerte immer erreichbar ist. Wir setzen also voraus, dass durch
W, O ausser den Gleichungen (A), (B) auch folgender Gleichung:
(C) zl^W—cW- + (c + 1)^' = 0
genügt wird*). Haben wir nun zwei solche Functionen W. ^ be-
stimmt, so brauchen wir nur
T = ~
zu setzen, so wird diese Function T(ii, v) das Stück ergeben, das
*) Wenn wir, wie immer, beim Reellen bleiben wollen, so hat dieses zur Folge,
dass c{c -\- 1) ]> 0 sein muss, weü nämlich J^W immer positiv ausfällt. Ins-
besondere können wir nicht c gleich — 1 setzen, wodurch ;^A) eben in das Wein-
garten'sche System (S. 555) übergehen würde.
41*
644 Anhang zu Kap. XYII.
auf jeder Flächennormale von S abzutragen ist. Dann wird der Ort
der Endpunkte dieser Stücke die oben betrachtete Fläche Z! liefern,
und zwar wird 2J auf das Rotationsellipsoid oder auf das Hyperboloid
abwickelbar sein, je nachdem c<0 oder >0 ist. Es ist auch ganz
leicht einzusehen, dass die Anzahl der willkürlichen Constanten, welche
(von c abgesehen) in der Function T(u, v) enthalten sind, gerade zwei
beträgt. Die reellen Transformationen der auf die Kugel abwickel-
baren Flächen, die wir auf diesem Wege gewonnen haben, haben ganz
analoge Eigenschaften, wie die Complementär- und die Bäcklund'-
schen Transformationen der pseudosphärischen Flächen. Bei jeder un-
serer neuen Transformationen entsprechen einander nämlich auf der
Ausgangsfläche S und auf der transformierten Fläche S' immer die
Krümmungslinien; ausserdem entspricht jedem conjugierten Curven-
system auf S wieder ein conjugiertes System auf S'.
Gegenüber der involutorischen Hazzidakis'schen Transformation
(§ 265, S. 473) zeigen unsere Transformationen ein ganz einfaches
Verhalten. Sie sind nämlich mit der Hazzidakis'schen Transformation
geradezu vertauschbar. Endlich können unsere Transformationen
nicht nur auf isolierte Flächen, sondern auch ebensogut auf Weingar-
ten'sche Systeme mit constantem positivem Krümmungsmass (S. 560)
angewandt werden. Aus jedem bekannten Weingarten'schen System
leitet man auf solche Weise oo^ neue Weingarten'sche Systeme ab.
Wir kommen nun zu den interessanten Beziehungen, welche
unsere neuen Transformationen zu den alten aufweisen.
Lässt man die Bedingung der Realität fallen, so können natürlich
die Complementär- und die Bäcklund'schen Transformationen ebensogut
auf Flächen constanter positiver Krümmung wie auf pseudosphärische
Flächen angewandt werden. Nur geben sie, auf eine reelle Fläche S,
z. B. mit der Krümmung K = -\- 1, angewandt, immer eine solche
imaginäre Fläche. Dass aber durch weitere Ausführung einer zweiten
passenden imaginären Bäcklund'schen Transformation die neue imagi-
näre Fläche wieder in eine reelle übergeht, lehrt der Satz:
Jede unserer reellen Transformationen der Flächen con-
stanter positiver Krümmung lässt sich aus zwei passend ge-
wählten imaginären Bäcklund'schen Transformationen zu-
sammensetzen.
Hierin scheint der Grund zu liegen, weshalb uns die neuen Trans-
formationen so lange verborgen geblieben sind. Als reelle Transfor-
mationen sind sie nämlich complicierterer Natur als die alten und
lassen sich nur in zwei solche einfachere imaginäre Transformationen
zerfallen.
Anhang zu Kap. XVII. 645
Wir wollen jetzt die analytischen Formeln, welche die Zusammen-
setzung unserer reellen Transformationen aus Bäckluud'schen imagi-
nären Transformationen liefern, in gedrängter Kürze behandeln. Wir
wissen (^§ 264, S. 471), dass die Bestimmimg der Flächen constanter
positiver Krümmung von der Integration der partiellen Differential-
gleichung :
(D) |^ + 04-sinh^cosh^ = O
abhängt. Ist eine Lösung d" dieser Gleichung bekannt, so wird daraus
eine Fläche S mit der Krümmung K = -\- 1 der Form nach voll-
ständig bestimmt. Das Quadrat des Linienelements der Fläche, auf die
Krümmung-slinien tt, v bezogen, lautet:
(E) ds- = sinh- d- du' + cosh^ » dv\ *)
Unter 6^ eine beliebig gegebene (reelle oder complexe) Constante ver-
standen, betrachten wir nun folgendes Gleichungssystem, welchem eine
unbekannte Function Q'iiity v) genügen soll:
-^ -{- i TT- = sinh 6, cosh # sinh O-, + cosh 6, sinh 0^ cosh 0-, ,
(m f^» ^ cv 1 111 i;
i -=^ + :^- = — sinh 6. sinh d- cosh -9-, — cosh 6, cosh & sinh 0-,
Die Integrabilitätsbedingung wird wegen (D) identisch erfüllt, sodass
unsere Gleichungen (F) ein unbeschränkt integrierbares System bilden,
dessen allgemeine Lösung &^ eine willkürliche Constante enthält. Ausser-
dem folgt aus den Gleichungen (F), dass 9^^ wieder eine Lösung der
Fundamentalgleichung (D) liefert. Ebenso bestimmen wir eine dritte
Lösung O-o durch Integration des ähnlich gebildeten Systems:
* -j- i ^ = sinh 6^ cosh 0- sinh 9-^ -|- cosh 6^ sinh 0- cosh 0-2 ,
(F*)
du ' dv
i -^ -4- ö— = — sinh tf, sinh %• cosh 0-, — cosh 6.y cosh^ sinh 0^^ ,
wobei nur der Wert der Constanten in 6^ geändert worden ist.
Gerade wie bei pseudosphärischen Flächen gilt nun auch für
unsere Fundamentalgleichung (D) ein Vertauschbarkeitssatz (vgl.
§257u. f.), welcher Folgendes besagt: Haben wir drei Lösungen
*) Eigentlich entspricht der Lösung 9 noch eine zweite Fläche S' mit der-
selben Krümmung, die Hazzidakis'sche Transformierte von S, deren Linienelement
durch
(E*) ds* = cosh» 9- du* -f sinh* & dv*
gegeben ist.
646 Anhang zu Kap. XVII.
^, ^i, ^2 ^^^ (-D) gefunden, welche mit einander durch die Gleichungen
(F) und (F*) verbunden sind, so können wir eine vierte Lösung d:^
aus der endlichen Gleichung:
2
bestimmen. Diese vierte Lösung '^•3 ist, wie leicht nachweisbar ist,
mit -O-j, d-^ durch die Gleichungen verbunden, welche aus (F), (F*)
entstehen, wenn man darin -i^ durch -O-g ersetzt und dabei die Constan-
ten (?j^, e'2 vertauscht. Jetzt nehmen wir an, dass die erste Lösung
-O- von (D) reell sei und setzen ausserdem
(?l == (?, 6^ = — 6^
wobei 0 eine reelle Constante bedeutet. Dann wird, wie aus (F) er-
sichtlich ist, d'^ nothwendig complex ausfallen-, unter Trennung des
Reellen und Imaginären schreiben wir:
d-j^ = G) -\- i(p.
Wir können alsdann den Gleichungen (F*) durch folgende Annahme
genügen :
d-^ = — (X) -{- icp -{- iTt ,
wonach Gleichung (G) in die folgende übergeht:
(G*) tgh?^ = tgh(?tgha,.
Man sieht also, dass die vierte Lösung '^•3 wieder reell ausfällt.
Wollen wir unser Gleichungssystem (F) auf eine ganz reelle Form
bringen, so brauchen wir darin nur d-^^ durch co -^ ig) zu ersetzen und
das Reelle vom Imaginären zu trennen. Dann erhalten wir folgendes
Gleichungssystem für die unbekannten reellen Functionen co, q):
(H)
(H*)-
ö— = (sinh 6 cosh Q- sinh co -j- cosh 6 sinh O' cosh o) cos gj,
K- = — (sinh 6 sinh -O- sinh a -\- cosh 6 cosh -0' cosh cö) sin cp 5
ö^ -)- ^— ^ (sinh 6 cosh -0' cosh co + cosh 6 sinh d- sinh co) sin cp.
y~ — ^s— = (sinh 6 sinh Q' cosh co -\- cosh 6 cosh %• sinh aj)cos cp
Dieses System von totalen Diflferentialgleichungen für die unbe-
kannten Functionen co, cp ist natürlich unbeschränkt integrierbar, wie
übrigens sehr leicht direct zu bestätigen ist.
Nun wird durch unsere vierte Lösung d-n eine reelle Fläche S.-, mit
der Krümmung K = -\- \ und mit dem Linienelementquadrat:
Anhang zu Kap. XVII. 647
vollständig bestimmt; diese Fläche S.^ lässt sieh eben aus S durch eine
unserer Transformationen ableiten. Tragen wir nämlich auf jeder
Flächennormale von S vom Fusspunkte ein Stück T, welches durch
die Gleichung:
T = tgh ö tgh CO
bestimmt wird, ab, so ist der Ort Z der Endpunkte der Strecken auf
dasjenige Rotationsellipsoid abwickelbar, dessen Halbaxen die Werte
a = 1, h = — V—
' cosh 6
haben. Nehmen wir nun zu jedem Punkte M von S den sym-
metrischen Funkt M^ in Bezug auf die entsprechende Tangentenebene
von Z, so beschreibt der Punkt ^3 die transfonnierte Fläche S^.
Fragt man noch, wie die zugehörigen Werte von W, O, welche
den Gleichungen (A), (B), (C) genügen, zu berechnen sind, so lautet
die Antwort: Es wird O aus den Gleichungen:
c log $ sinh a cosh &■ cos qp
d u cosh üj
d log $ sinh 6 sinh 9 sin cp
dv cosh 10
durch blosse Quadraturen bestimmt, während W gleich O tgh 6 tgh &
wird. Der Constanten c muss dabei der negative Wert:
c = — cosh- 6
erteilt werden.
Es erübrigt noch, den zweiten Fall, in dem die Fläche Z auf das
Rotationshyperboloid abwickelbar ist, zu besprechen. Dazu habeu wir nur
nothig, in den vorstehenden Formeln, insbesondere in den Gleichungen
(H), (H*), M mit V zu vertauschen. Dann wird das Stück T durch
T = coth 6 coth a
bestimmt, wobei der Constanten c der positive Wert: c^sinh'«? er-
teilt werden muss.
Zum Schlüsse bemerken wir, dass alle Folgerungen aus dem Ver-
tauschbarkeitssatze, welche in § 259 u. f. entwickelt worden sind, auch
für unsere Fundamentalgleichung (D") ihre voUe Gültigkeit behalten.
Insbesondere haben wir das wichtige Ergebnis:
Gelingt für eine vorgelegte Fläche S constanter positiver
Krümmung die vollständige Integration der Transformations-
gleichungen, so erfordert die fortgesetzte Anwendung der
Transformation auf jede transformierte Fläche S' nur alge-
braische Rechnungen und Differentiationen.
!B48 Anhang zu Kap. XVII.
Beispiele solcher wirklich existierenden Fälle sind leicht zu bilden,
indem man z. B. von der particulären Lösung: d- = 0 der Gleichung
(D) ausgeht (vgl. § 61).
So haben wir nunmehr die Theorie der Flächen constanter positiver
Krümmung auf denselben Höhepunkt gebracht, auf welchen schon
seit einigen Jahren die Theorie der pseudosphärischen Flächen gebracht
worden ist.
Wir fügen endlich hinzu, dass selbst für pseudosphärische Flächen
eine ganz entsprechende Theorie entwickelt werden kann. Die Trans-
formationen, die man dadurch erhält, können nur zum Teil aus reellen
Complementär- und Bäcklund'schen Transformationen zusammengesetzt
werden. In anderen Fällen sind sie, als reelle Transformationen auf-
gefasst, wirklich neu, indem man nun wieder nur imaginäre Bäck-
lund'sche Transformationen benutzen kann, um sie in einfachere Trans-
formationen aufzulösen.
Die verschiedenen Punkte, welche in der vorliegenden Note
flüchtig berührt worden sind, sollen in einer Arbeit des Verfassers,
welche demnächst in den Annali di Matematica (Serie III, T. III)
erscheinen wird, eine eingehendere Behandlung erfahren.
Pisa, im Mai 1899.
Sachregister.
Seit«
Abbildung einer Fläche auf die Kugel nach Gauss 118
Abbildung (sphärische) der Developpablen bei cyklischen Strahlensystemen . 354
Abwickelbare Flächen 22
Abvnckelbarkeit Ton Flächen auf einander 179
Abwickelbarkeit der Flächen mit derselben constanten Krümmung 186
Abwickelbarkeit einer Fläche constanter Krümmung auf Rotationsflächen . . 193
Abwickelbarkeit der Evolutenfläche einer pseudosphärischen Fläche auf das
Catenoid 444
Abwickelbarkeit von Schraubenflächen auf Rotationsflächen nach Bour . . . 199
Abwickelbarkeit der Räume mit derselben constanten Krümmung 576
Aequidistanzcurven 491
Aequivalenz quadratischer Differentialformen 41
Algebraische quadratische Formen 35
Analytische Fortsetzung der Schwarz'schen Minimalfläche 409
Appell's Flächen als Evolventenmittelfläche eines Punktes 241
Associirte Flächen 293
Assocürte Minimalflächen 367
B.
Bäcklund's Transformation der pseudosphärischen Flächen 455
Bäcklund"s Transformation der pseudosphärischen Orthogonal Systeme. . . . 532
Beltrami's Construction des Radius der geodätischen Krümmung 237
ßertrand'sche Curven 31
Bewegungen der complexen Kugel in sich (Cayley'sche Formel; 81
Bewegimgen der pseudosphärischen Fläche in sich 421
Bewegungen des dreidimensionalen hyperbolischen Raumes 586
Binormale einer Curve 6
Bonnet's Flächen, bei welchen alle Mittelpunkte der Normalen in einer
Ebene liegen 306
Bonnet'sche Sätze über Strictionslinie einer Regelfläche 219
Brennflächen eines Strahlensystems 266
Brennfläche eines Strahlensystems mit ihren beiden Fundamentalformen . . 276
Brennpunkte eines Strahlensystems 264
650 Sachregister.
Seite
c.
Catenoid als Minimal -Eotationsfläche 374
Catenoid in allen seinen Verbiegungen als Evolute der pseudosphärischen
Flächen 253
Cayley's Metrik 592
Charakterische Function cp von Weingarten für unendlich kleine Verbiegungen
einer Fläche 288
Charakterische Gleichung für unendlich kleine Verbiegung 291
Chasles' Formel für Linienflächen 223
Chasles' Satz über confocale Flächen zvs^eiten Grades 509
Christoff el's Drei -Indices- Symbole 44
Christoffel's Symbole im binären Falle ausgerechnet 67
Clifford's Fläche im elliptischen Räume 631
Codazzi'sche Formeln 91
Combescure's Transformation für dreifache Orthogonalsysteme 493
Complementärfläche der Pseudosphäre 469
Complementärtransformation der pseudosphärischen Flächen 457
Complementärtransformation der Weingarten'schen Orthogonalsysteme . . . 548
Confocale Flächen zweiten Grades 506
Conforme Abbildung der Flächen auf einander 75
Conforme Abbildung der Minimalflächen auf die Gauss'sche Kugel und auf
die Ebene 384
Conforme Abbildung der zweidimensionalen pseudosphärischen Mannigfaltig-
keit auf die Halbebene 419 und 425
Conforme Abbildungen des Raumes nach Liouville 488
Conforme Abbildung des hyperbolischen Raumes auf den euklidischen Halb-
raum 581
Conjugierte Systeme 107
Conjugiertes System, das bei einer unendlich kleinen Verbiegung conjugiert
bleibt 297
Conjugierte Systeme, welche bei einer stetigen Deformation der Fläche con-
jugiert bleiben 336
Covariante Differentialquotienten zweiter Ordnung 45
Cyklische Strahlensysteme 347
Cyklische Strahlensysteme, die oo""*' cyklisch sind 349
D.
Darboux-Dupin'scher Satz 478
Differentialgleichung der geodätischen Linien 155
Differentialinvarianten und DiflFerentialparameter 38
Differentialparameter erster Ordnung J^U und V{U,V) 40
Differentialparameter zweiter Ordnung d^U 47
Difforentialparameter zweiter Ordnung z/gg U im binären Falle 48
DiflFerentialparameter bei einer Fläche 115
Dreifache Orthogonalsysteme überhaupt 482
Dreifache orthogonale cyklische Systeme 346
Dreifache Orthogonalsysteme mit Rotationsflächen 497
Dreifache Orthogonalsysteme mit einer Schar von ebenen Krümmungslinien 500
Sachregister. 651
S«it8
Dreifache pseudosphärische Orthc^fonalsysteme 526
Dreifache Orthogonalsjsteme von Schranbenflächen constanter Krümmung . 544
Dnpin's Indicatrix 102
E.
EHienencoordinaten bei einer Fläche 139
Elliptische Coordinaten im Banme 507
Elliptischer Raum 594
EUipsen und Hyperbeln bei allgemeinen Flächen 163
Enneper's Satz über die Torsion der Haupttangen tencurven 120
Emieper*8 Satz nach dem Vorzeichen der Torsion präcisiert 127
Enneper's Satz im dreidimensionalen Baume constanter Krümmung .... 624
Entsprechen von Flächen nach Orthogonalität der Elemente 299
Enveloppe von oc* Flächen 19
Euler 'sehe Formel für normale Krümmung 102
Euler' sehe Formel bei H-dimensionalen Räumen 607
Evoluten und Evolventen der Raumcurven .... 27
Evolutenflächen überhaupt 232
Evolutenfläche einer TF-Fläche 241
Evolutenmittelfläche nach Ribaucour 239
Evolventen imd Ergänzungsflächen der pseudosphärischen Flächen 253
Existenz und Eindeutigkeit der Fläche bei passenden vorgeschriebenen
Fundamentalformen 93
F.
Flächen constanter mittlerer Krümmung 473
Flächen constanter positiver Krümmung 471
Flächen, die auf das Rotationsparaboloid abwickelbar sind 330
Flächen mit dem Linienelemente: rf«* = cos* Mdii' -|- sin'udc* 324
Flächen mit der Krümmung Xull im elliptischen Räume 629
Flächen mit der Krümmung Xull im hyperbolischen Räume 636
Flächen mit einer Schar von Krümmungslinien in parallelen Ebenen .... 143
Flächen mit einer Schar von Krnnunungslinien constanter Flexion 552
Formeln von Gauss und Codazzi 91
Formeln (allgemeine» für die sphärische Abbildung 122
Formeln für die ersten Ableitungen von X, Y, Z 90
Formeln für die zweiten Ableitungen von x, y, z 89
Frenet'sche Formeln für Raumcurven 9
Fondamentalformen eines Fläche 85
G.
Geodätische Abbildung der Flächen constanter Krümmung auf die Ebene . 434
Geodätische Abbildung des hyperbolischen Raumes 590
Geodätische Dreiecke >Satz von Gauss^ 174
Geodätische Dreiecke auf pseudosphärischen Flächen 430
Geodätische Flächen im n-dimensionalen Räume 571
Greo^tische (tangentiale) Krümmung einer Flächencurve 146
Geodätische Krümmung durch die Bonnet'sche Formel dargestellt . 149 und 150
Greodätische Linien 152
652 Sachregister.
Seite
Geodätische Linien auf Liouville'schen Flächen 171
Geodätische Linien auf Rotationsflächen 173
Geodätische Linien auf Evolutenflächen 232
Geodätische Linien auf den Mittelpunktsflächen 2*«" Grades 512
Geodätische Linien auf dem Ellipsoid 513
Geodätische Linien auf dem Ellipsoid durch die Nabelpunkte 518
Geodätische Linien auf den Flächen constanter Krümmung durch die Inte-
gration einer Riccati'schen Differentialgleichung bestimmt 437
Geodätische Linien im w-dimensionalen Räume 568
Geodätisch parallele Linien . . -. 158
Geodätisch parallele Hyperflächen 569
Geodätische Torsion einer Flächencurve 166
Grenzpunkte bei Strahlensystemen 259
Gruppe der Bewegungen der Schwarz'schen Minimalfläche 404
Guichard's Strahlensysteme und Flächen 284
H.
Halphen's Satz über Evolutenflächen der TF- Flächen 243
Hauptebenen bei Strahlensystemen 259
Hauptflächen bei Strahlensystemen 262
Hauptkrümmungsradien einer Fläche 99
Hauptnormale einer Raumcurve 6
Haupttangentencurven im Allgemeinen 109
Haupttangentencurven als Coordinatenlinien 124
Haupttangentencurven auf einer Minimalfläche 128
Haupttangentencurven auf pseudosphärischen Flächen 1*29 und 442
Haupttangentencurven der zweiten Schar bei Linienflächen 221
Hazzidaki'sche Transformation der Flächen constanter positiver Krümmung 471
Hyperbolische Geometrie 583
Hyperflächen im «-dimensionalen Räume 600
Hyperflächen im euklidischen Räume 612
Hyperflächen im elliptischen Räume 619
Hyperflächen im hyperbolischen Räume 621
I.
Integration der natürlichen Curvengleichungen 13
Integration der Diff'erentialgleichung der geodätischen Linien 168
Joachimsthal's Satz 517
Isometrische Parameter 72
Isothermensysteme überhaupt 70
Isothermensysteme auf Rotationsflächen 78
Isotherm conjugierte Systeme 136
Isotherm conjugierte Systeme als Coordinatenlinien 137
Isotrope Congruenzen von Ribaucour 261 und 273
K.
Kreise (geodätische) auf beliebigen Flächen 160
Kreise (geodätische) auf pseudosi^härischen Flächen 426
Kreissysteme von Ribaucour 339 und 344
Sachregister. 653
Seite
KreissTsteme von Ribaucour mit gleichen Radien 351
Kriterien für die Abwickelbarkeit zweier Flächen 183
Kriterium für die Möglichkeit, eine gegebene Fläche durch Verbiegung in
eine Minimalfläche zu verwandeln 381
Krummlinige Coordinaten auf einer Fläche 59
Krummlinige Coordinaten im Räume 476
Krümmung (erste) einer Raumcui-ve oder Flexion 2
Krümmung der Flächencurven und Meusnier'scher Satz 100
Ki-ümmung einer Curve im ?? - dimensionalen Räume 003
Krümmung einer Fläche (totale Gauss'sche Krümmung) 105
Krümmung im »-dimensionalen Räume bei beliebiger Orientation (^Riemanusche
Krümmung) »71
Krümmungslinien einer Fläche 97
Krümmungslinien einer Hyperfläche im jj - dimensionalen Räume 610
Krümmungsmass einer binären quadratischen Differentialfonu 50
L.
Lame'sche Gleich\mgen für dreifache Orthogonalsysteme 484
Laplace'sche Gleichung, die einem conjugierten Systeme entspricht .... 109
Laplace'sche (Cayley'sche) Gleichung für normale Kreissysteme 344
Lelieuvre'sche Formeln für asymptotische Linien 131
Lie'scher Satz über Isothermensysteme 73
Lie'sche Transformation der pseudosphärischen Flächen 459
Liouville'scher Ausdi-uck für totale Krümmung 150
Liouville'sche Flächen 171
Linienelement einer Fläche 61
Linienelement einer Regelfläche 217
Linienelement pseudosphärischer Flächen 189
Linienelement des Raumes auf dreifache orthogonale pseudosphärische Systeme
bezogen 526
Linienelement im « - dimensionalen Räume 564
Linienflächen im Allgemeinen 216
Linienflächen, die auf Rotationsflächen abwickelbar sind 230
M.
Malus -Dupin'scher Satz über Refraction und Reflexion eines normalen Strahlen-
systems 269
Minimalflächen (geschichtlicher Ueberblick) 356
Minimal - algebraische Flächen 361
Minimal -Doppelflächen 362
Mioimalflächen, die auf Rotationsflächen abwickelbar sind 372
Miuimalflächen, die einen gegebenen Streifen enthalten 377
Minimalflächen mit ebenen Krümmungslinien 369
Minimal -Schraubenflächen 373
Mittlere Krümmung einer Fläche 105
Moutard's Satz und seine geometrische Deutung 311 und 313
y.
Natürliche Gleichungen einer Raumcurve 12
Nicht - euklidische Geometrie 434
654 Sachregister.
Seite
Normalformen der charakteristischen Gleichung bei unendlich kleinen Ver-
biegungen 295
Normalenebene einer Raumcurve 1
Normalensysteme 2G8
0.
Oktaedernetz auf der Kugel 389 und 391
Ort der Mittel der Schmiegungskugeln bei Raumcurven 25
Orthogonale Trajectorien einer Curvenschar CG
Orthogonale Trajectorien von Oü^ Ebenen 30
Orthogonalsysteme von Kreisen auf der Kugel und auf der Ebene 80
Orthogonalsysteme von Curven constanter geodätischer Krümmung 17G
Osculierender Kreis einer Eaumcurve 24
Osculirende Cykelsysteme nach Ribaucour 499
P.
Parallelitätswinkel bei pseudosphärischen Flächen 428
Plateau'sches Problem für Minimalflächen 383
Polardeveloppable einer Raumcurve 23
Pseudosphärische Flächen 129 und 418
Pseudosphärische Rotationsflächen 190
Pseudosphärische Schraubenflächen von Dini 4G8
Pseudosphärische Flächen mit zwei vorgeschriebenen Haupttangentencurven . 44G
Pseudosphärische Strahlensysteme 282
Quadratische Fundamentalformen einer Fläche 85
B.
Räume von n Dimensionen 563
Räume mit constantem Krümmungsmass 574
Reduction zweier simultaner quadratischer DiflFerentialformen auf orthogonale
Formen 56
Rotationsfläche constanter Krümmung , 190
Rotationsflächen, die auf einander abwickelbar sind 196
S.
Schar von oo^ Raumcurven, die orthogonale Flächen besitzen 339
Schiebungen im elliptischen Räume 597
Schmiegungsebene einer Raumcurve 4
Schmiegungskugel einer Raumcurve 24
Schraubenlinien 16 und 19
Schraubenflächen 199
Schwarz'sche Minimalfläche 395
Sphärische Abbildung der TT- Flächen 249
Stereographische Projection der Kugel 79
Strahlensysteme im Allgemeinen 256
Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde der Hauptflächen .... 270
Sachregister. 655
Seite
Strahlensysteme mit gegebenem sphärischen Bilde der abwickelbaren Flächen 274
Strahlensysteme von Ribaucour 302 — 306
StrictionsUnie einer Regelfläche 219
T.
Tangente einer Raumcurve 2
Tangentialcoordinaten 139
Torsion einer Raumcurve izweite Krümmung 8
Torsion der geodätischen Linien 164
Transformationen der Flächen constanter positiver Exümmung (Anhang zu
Kap. XYJIj 641
Trigonometrie auf pseudosphärischen Flächen 431
ü.
Unendlich kleine Verbiegungen einer Fläche 286
Unendlich kleine Yerbiegungen der pseudosphärischen Flächen, welche der
Bäcklund'schen Transformation entsprechen 456
Unmöglichkeit eine Fläche zu verbiegen, wenn die (nicht geradlinigen) Haupt-
tangentencurven einer Schar erhalten werden sollen 215
Un Veränderlichkeit der totalen Krümmung bei Yerbiegung 180
T.
Verallgemeinerung des Halphen'schen Satzes für TU- Strahlensysteme .... 320
Verbiegung der Flächen im Allgemeinen 202
Verbiegung einer Fläche mit einer starren Curve 205
Yerbiegung, bei der eine vorgeschriebene Flächencurve in eine gegebene
Curve übergeht 208
Yerbiegung, bei der eine gegebene Curve Haupttangentencurve oder Krüm-
mungsliuie wird 212
Yerbiegung der Linienflächen nach Minding's Methode 223
Yerbiegung der Linienflächen nach Beltrami's Methode 225
Yerbiegung einer Linienfläche, die eine vorgeschriebene Curve in eine Haupt-
tangentencurve verwandelt 227
Yerbiegung einer Linienfläche, welche eine auf ihr gegebene Curve in eine
ebene oder Krümmungslinie verwandelt 229
Verbiegungen der Minimalflächen bei Unveränderlichkeit der Hauptkrümmungs-
radien 365 — 367
Verbiegungen der Flächen constanter mittlerer Krümmung nach Bonnet . . 474
Verlauf der geodätischen Linien des EUipsoids durch die Xabelpunkte . . . 524
Vertauschbarkeitssatz für Bäcklund'sche Transformation 461 — 464
Yertauschbarkeitssatz bei pseudosphärischen Orthogonalsystemen 536
Vier -Indices- Symbole 48
Vorzeichen der Torsion 11
Voss'sche Flächen 285
W.
Weierstrass'sche Formeln für Minimalflächen 358
Weingarten'scher Satz über die Evolutenflächen der Tt^- Flächen . . . 246 — 248
Weingarten'scher Satz in der elliptischen oder hyperbolischen Geometrie . . 634
656 Sachregister.
Seite
Weingarten'sche dreifache Orthogonalsysteme 538
Weingarten'sche Systeme mit constanter Flexion 542
Weingarten'sche Systeme, die eine Kugel enthalten 558
Weingarten'sche Systeme mit positiver Krümmung 560
TF-Flächen 241
TF- Strahlensysteme im Allgemeinen 315
IF- Strahlensysteme in Zusammenhang mit den unendlich kleinen Deforma-
tionen der Brennflächen 316
TF- Strahlensysteme , deren Brennflächenmäntel gleiche Krümmung in ent-
sprechenden Punkten aufweisen 331
Winkel einer Flächencurve nach den Parameterlinien 04
Winkelmessung im w - dimensionalen Baume 665
Z.
Zweidimensionale Mannigfaltigkeit von constanter Kn'immung 418
Zweite Methode, die Aufgabe der unendlich kleinen Verbiegungen zu be-
handeln 307
Zweite Variation des Flächeninhalts von Minimalflächen 414 — 417
Yerzeiclinis der berücksicliti£:teii Litteratur.
Bäcklund, Om ytor med konstant negativ Irökning. (Lunds Univ. Ärsskrift,
19. Bd., 1883)
Beez, Zur Theorie des Krümmungsmasses. (Schlömilchs Zeitschrift, 21. Bd.)
Beltrami, Ricerche di Analisi Applicata alla Geometria. (Giomale di Matematiehe
di Napoli, 2. u. 3. Bd., 1864—65)
Sulla Flessioyie deVe Superficie Eigate. (Annali di Matematica, 7. Bd., 1865)
Saggio di Interpretazione della Geometria non -Euclidea. (Giomale di Matern.,
6. Bd., 1868)
Teoria Fondamentale degli Spazii di Curvatura Costante. (Annali di Matern.,
2. Ser., 2. Bd., 1868)
Sülle Proprieta Generali delle Superficie d'Ärea 3Iinima. (Atti dell' Accade-
mia di Bologna, 7. Bd., 1868)
Sulla Teorica Generale dei Parametri Differenziali. (Atti dell' Accad. di
Bologna, Februar 1869)
Bonnet, Memoire sur les Surfaces Applicahles. (Journal de TEcole Polytechnique,
41. und 42. Heft,, 1864—65)
Bour, Theorie de la Deformation des Surfaces. (Journal de lEc. Pol., 39. Heft, 1862)
Cayley, A Sixth Memoir upon Quantics. (Philosophical Transactions, 149. Bd., 1859)
Christoffel, Uher die Transformation der homogenen Di/f'erentialausdrücke zweiten
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(Collected Mathematical Papers, Nr. 44)
Cosserat Sur, les Congru^nces des Droites et sur la Theorie des Surfaces. (Annales
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Darboux, Legons sur la Theorie Generale des Surfaces. (Paris, Gauthier-Vülars,
1887, 1., 2. Bd. und die beiden ersten Lieferungen des 3. Bandes bis S. 444)
Memoire sur la Theorie des Coordonnees Curvilignes et des Systemes Otihogonaux.
(Annales Scientifiques de l'Ecole Normale Superieure, 2. Ser., 7. Bd., 1878)
Dini, Sopra Alcuni Punti della Teoria delle Superficie. (Atti dell' Accademia
dei XL, 3. Ser., 1. Bd., 1868)
Bicerche sopra la Teoria delle Superficie. (Atti dell" Accad. dei XL, 3. Ser.,
2. Bd., 1869)
Dupin, Developpements de Geometrie. (Paris -Courcier, 1813)
Ajyplications de Geometrie et de Mecanique. vf*^s - Bachelier, 1822)
Gauss, Disquisitiones Generales circa Superficies Curvas. (Werke, 4. Bd.)
B i a n c h i , Differentialgeometrie. 42
658 Verzeichnis der berücksichtigten Litteratur.
Guichard, Surfaces Bapportees ä leurs Lignes Äsymptotiques et Confjruences
Rapportees ä leurs Developpables. (Annales de l'Ecole Normale, 3. Sdr.,
6. Bd., 1889)
Becherches sur les Surfaces ä Courbure Totale Constante et Certaines Surfaces
qui s'ij ruttachent. (Ann. de l'Ecole Norm., 3. Ser., 7. Bd., 1890)
Determination des Congruences Teiles que les Lignes Äsymptotiques se corre-
spondent sur les deux Nappes de la Surface Fucale. (Comptes llendiis,
110. Bd., 1890)
Joachimsthal, Ämvendung der Differential- und Integralrechnung auf die all-
gemeine TJieorie der Flächen und der Linien doi)pelter Krümmung. (Leipzig-
Teubner 1872)
Killing, Die nicht-cuJdidischen Ba.um formen in analytischer Behandlung. (Leipzig-
Teubner, 1885)
Klein, Vorlesungen über das Ikosaeder. (Leipzig -Teubner, 1884)
Vorlesungen übernicht- euklidische Geometrie. (Lithographiert, Göttingen, 1890)
■ Zur nicht - euklidischen Geometrie. (Mathem. Annalen, 37. Bd. Siehe auch
4. und 6. Bd.)
Knoblauch, Einleitung in die allgemeine llieorie der krummen Flächen. (Leipzig-
Teubner, 1888)
Kronecker, Über Systeme von Functionen mehrerer Variabein. (Berliner Berichte,
1869, S. 695)
Kummer, Allgemeine Theorie der geradlinigen Strahlensysteme. (Grelles Journal,
57. Bd.)
Lelieuvre, Sur les Lignes de Courbure et les Lignes Äsymptotiques des Surfaces.
(Comptes Rendus, 111. Bd., S. 183)
Lie, Z^M• Theorie der Flächen constanter Krümmung. (Archiv for Mathematik og
Naturvidenskab, Christiania, 1881)
Lindemann, Über tmetidlich kleine Beivegungen bei allgemeiner projectivischer
Massbestimmung. (Mathem. Annalen, 7. Bd.)
Lipschitz, Untersuchungen in betreff der ganzen homogenen Functionen von n
Differentialen. (Grelles Journal, 70. und 72. Bd.)
Minding, Über die Biegung gewisser Flächen. (Grelles Journal, 18. Bd.)
Monge, Application de V Analyse ä la Geometrie. (Paris - Bachelier, 1850)
Neovius, Bestimmung zweier speciellen periodischen Minimalflächen, auf icelchen
unendlich viele gerade Linien und tmendlich viele geodätische Linien liegen.
(Helsingfors-Frenckell, 1884)
Padova, Sulla Teoria Generale delle Superficie. (Atti dell' Accad. di Bologna,
4. Ser., 10. Bd., 1890)
Poincare, Memoire sur les Groupes Kleineens. (Acta Mathematica, 3. Bd.,
5. 49)
Uibaucour, Ftude des Elassoides ou Surfaces ä Courbure Moyenne Nulle. (Me-
moires Couronnes par l'Academie de Belgique, 44. Bd., 1881)
Memoire sur la TJieorie des Surfaces Courbes. (Journal des Mathematiques,
4. Ser., 7. Bd., 1891)
Ricci, Sui Parametri e gli Invarianti delle Forme Quadratiche Differenziali. (An-
nali di Matern., 2. Ser., 14. Bd., 1886)
Delle Derivazioni Covarianfi e Contravarianti c del loro Uso nelV Änulisi Äppli-
cata. (3. Bd. der: Studi offerti dalla Universita Padovana alla Bolognese
neir 8. centenario etc., Padova, 1888)
Vei-zeichnis der berücksichtigten Litteratur. 659
Kiemann, Über die Hypothesen, icelche der Geometrie zu Grunde liegen. (Ge-
sammelte Werke, Leipzig -Teubner, S. 254. Vgl. auch die Zusätze von Dede-
kind, S. 517)
M. Roberts, Sur quelques Propriete's des Lignes Geode'siques et des Lignes de
Courbure de VEllipsoide. (Liouvilles Journal, 11. und 13. Bd.)
Schell, Allgemeine Theorie der Curven doppelter Krümmung. (Leipzig-Teubner, 1859)
Schur, Über Bäume constanten Kriimmun^smasses. (Mathem. Annalen, 27. Bd.,
S. 172 u. 538)
Schwarz, Gesammelte Werke, 1. Bd. (Berlin -Springer, 1890)
P. Serret, Theorie Xotivelle Ge'ometrique et Mecanique des Lignes ä Double Cour-
bure. (Paris -Bachelier, 1860)
Voss, Über diejenigen Flächen, auf denen zwei Scharen geodätischer Linien ein
conjugiertes System bilden. (Sitzungsberichte der kgl. Akademie der Wissen-
schaften zu München, 3. März 1888)
Zur Theorie des Biemannschen Krümmungsmas-ses. (Math. Annalen, 16. Bd.
Weierstrass, Über die FläcJien, deren mittlere Krümmung überall gleich Xull
ist. (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1866,
S. 612 und 855)
W^eingarten, Über eine Klasse auf einander abwickelbarer Flächen. (Grelles
Journal, 59. Bd.)
Über die Oberflächen, für icelche einer der beiden HauptkrümnmngsJuilbinesser
eine Function des anderen ist. (Grelles Journal, 62. Bd.)
Über die Theorie der auf einander abwickelbaren Oberflächen. (^Festschrift
der technischen Hochschule zu Berlin, 1884)
Über die Deformationen einer biegsamen unausdehnbaren Fläche. (Grelles
Journal, 100. Bd.)
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