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Full text of "Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen : ein Beitrag zur Fortpflanzungsgeschichte der Thiere"

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Parthenogenesis 


bei Schmetterlingen und Bienen. 


Ein Beitrag zur 
Fortpflanzungsgeschichte der Thiere 


von 


Carl Theodor Ernst v. Siebold ' 


Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der königl. Ludwig-Maximilians- 
Universität, Ritter des Maximilians-Ordens, Direktor des zoologisch-zootomischen Cabinets 
und Conservator des physiologischen Instituts in München. 


MIT EINER KUPFERTAFEL. 


— u re — 


LEIPZIG, 
Verlag von Wilhelm Engelmann. 
. 1856. 


Non semel quaedam sacra traduntur! Eleusin servat, 
quod ostendat revisentibus. Rerum natura sacra sua 
non simultradit. Initiatos nos credimus : in vestibulo 
ejus haeremus. Illa arcana non promiscue nec omnibus 
patent: reducta et in interiore sacrario clausa sunt. 
Ex quibus aliud haec aetas, aliud, quae post nos subi- 
bit, dispieiet. 
Seneca (Natural. quaestion. libr. VII. 31). 


I 


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Vorrede. 


Durch meine ununterbrochen fortgesetzten Be- 
strebungen, die Zeugungsgeschichte der 'Thiere, so 
weit es menschlicher Einsicht erlaubt ist, zu verfolgen 
und aufzuhellen, wurde ich auf eine Erscheinung im 
Insekten-Leben gelenkt, welche mir lange Zeit unklar 
geblieben war, ich meine die Fortpflanzungsfähigkeit 
unbefruchtet gebliebener Insekten-Weibchen, welche 
nicht bloss als grosses Räthsel erschienen war, sondern 
sogar ein noch nicht einmal festgestelltes und dem- 
nach noch zu bezweifelndes Faktum zu sein schien. 
Immer fand ich diese sogenannte Lucina sine concu- 
bitu als eine Art Curiosum von den Physiologen be- 
handelt, immer wurden dieselben von älteren Be- 
obachtern herrührenden Beispiele aus dem Insekten- 
Leben als Belege aufgeführt. Die Frage, ob das 


\ gemeldete Faktum auch auf eine feste Basis gestützt 


s 


IV Vorrede. 


sei, blieb dabei ganz unbeachtet. Da man mit so 
wenig Vorsicht und ohne Argwohn jede Art von Mit- 
theilung über Lucina sine concubitu aufnahm, wurden 
den älteren mangelhaften Notizen dieser Art neue 
Beobachtungen hinzugefügt, welche in gleicher Weise 
unzuverlässig erschienen, so wie mansie mit prüfendem 


Auge zu analysiren anfıng. 


Seitdem in neuester Zeit der Vorgang des Be- 
fruchtungsaktes der Eier durch die Entdeckungen und 
Bemühungen von Newport, Keber, Bischoff, 
Leuckart, Meissner und Bruch um vieles 
genauer erkannt worden war, musste man sich sagen, 
dass alle jene in älterer und neuerer Zeit beobachte- 
ten Fälle von Lucina sine concubitu auf Täuschung 
oder Irrthum beruhen konnten, weil bis dahin die 
Kenntnisse über die Bedingungen, unter welchen 
eine Befruchtung vor sich geht, noch höchst unvoll- 
kommen waren. Jetzt, nachdem die Physiologie der 
Zeugung durch mehrere höchst wichtige Entdeckun- 
gen bereichert worden ist, und durch diese einige 
wesentliche früher ganz übersehene Momente des 
Befruchtungsaktes aufgedeckt worden sind, müssen 
ganz andere Ansprüche an diejenigen Beobachtungen 
gemacht werden, durch welche entschieden werden 
soll, ob ein zur Entwicklung gekommenes Ei befruch- 
tet war oder nicht. 

Aus diesem Grunde war es mir nicht zu verargen, £ 


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wenn ich als Zweifler auftrat und diesen Gegenstand P 
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Vorrede. ' V 


einer den jetzigen Grundsätzen der Physiologie ent- 
sprechenden Prüfung unterwarf. Die Resultate dieser 
Prüfung haben wider Erwarten den Beweis geliefert, 
1) dass eine Lucina sine concubitu besteht, und 2) dass 
dieselbe nicht bloss hier und dort, wie man bisher ge- 
glaubt, nur zufällig auftaucht, sondern ihren ganz be- 
stimmten Platz in der Natur einnimmt. Freilich bleibt 
es uns bis jetzt noch verborgen, nach welchen Gesetzen 
und unter welchen Motiven diese merkwürdige Fort- 
pflanzungsart ihren Platz in der Zeugungsgeschichte 


angewiesen erhalten hat. 


Bei diesen Untersuchungen, denen ich ein-mehr- 
jähriges aufmerksames Studium gewidmet habe, wurde 
ich sehr bereitwillig und uneigennützig von verschie- 
denen Naturforschern und Naturfreunden unterstützt, 
indem mich dieselben theils mit dem zu solchen Un- 
tersuchungen und Beobachtungen nöthigen Material 
versorgten, theils aber auch durch Mittheilung ihrer 
mannichfaltigen auf dem in Frage stehenden Gebiete 
gemachten eigenen Erfahrungen in den Stand setzten, 
mir einen möglichst weiten Ueberblick über dieses 
noch unvollkommen durchforschte Feld zu verschaffen. 
Ich sehe es daher für meine Pflicht an, hiermit den 
Herren Baron v. Berlepsch in Seebach, Drechsler- 
meister Bremi in Zürich, Pfarrer Dzierzon in 
Carlsmarkt, Professor F. de Filippi in Turin, Dok- 
tor Herrich-Schäffer in Regensburg, Senator 


Dr v. Heyden in Frankfurt a. M., K ollar, Direktor 


£ 


Yyı : Vorrede. 


am k. k. Naturalien-Cabinet in Wien, Magistratsrath 
Radlkofer in München, Notar Reutti in Freiburg, 
Doktor Rosenhauer in Erlangen, Seminarlehrer 
A. Schmid in KEichstädt, Fabrikant Steiner in 
Breslau, Professor Zeller in Glogau für ihren bei 
meinen Forschungen mir geleisteten Beistand öffentlich 


meinen Dank auszusprechen. 


München, den 25. März 1856. 


C. Th. von Siebold. 


In:ha1T%. 


Einleitung 


Beleuchtung der bisher für Parthenogenesis ausgegebenen Fälle . 


Wahre Parthenogenesis bei einigen Sackträger-Schmetterlingen . 


Wahre Parthenogenesis bei der Honigbiene 
Wahre Parthenogenesis bei dem Seiden-Spinner 
Schlussbemerkungen > 

Erklärung der Abbildungen . 


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Einleitung. 


Es ist wohl an der Zeit, dass endlich auch die Zoologen 
und Physiologen ihre volle Aufmerksamkeit einer Erscheinung 
in der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere zuwenden, welche 
in den letzt vergangenen Jahren die Bienenzüchter so lebhaft 
beschäftigt und in die grösste Aufregung versetzt hat, ich meine 
die Art und Weise, wie jedes einzelne Bienenvolk es zu Wege 
bringt, dass die von ihm angefertigten Arbeiterzellen, Drohnen- 
zellen und Königinzellen stets mit den richtigen Eiern belegt 
werden, aus denen, wie es die Einrichtung dieser verschiedenen 
Zellen-Arten verlangt, jedesmal die für dieselben bestimmten 
Arbeitsbienen-Larven, Drohnenlarven oder Königin-Larven 
‚ausschlüpfen. Es muss hiernach das Eierlegen im Bienenstocke 
nach ganz besonderen Regeln vorgenommen werden, damit die 
eben genannten Bedingungen in Erfüllung gehen können; es 
muss dieser Legeakt bestimmten Normen unterworfen sein, 
welche bei dem Eierlegen der meisten übrigen Insekten nicht 


in Betracht kommen, indem es bei diesen gleichgültig ist, in 


„welcher Ordnung und Zahl hintereinander männliche und 


PN v. Siebold, Nachweis u. s. w. 1 


I Einleitung. 


weibliche Eier gelegt werden. Die Frage aber, wie es jedem 
einzelnen Bienenvolke gelingt, für alle seine in Bezug auf Zahl 
und Anordnung der dreierlei Zellen so vielfach verschieden an- 
gefertigten Waben den passenden Eierbeleg zu erhalten, ist 
nicht leicht zu beantworten gewesen, ja, man kann wohl sagen, 
dass dieser Hergang bisher als ein undurchdringliches Geheim- 
niss erschienen ist, dessen Lösung den sorgfältigsten Bemühun- 
gen und vieljährigen Erfahrungen der Bienenzüchter nicht hat 
gelingen wollen. Dieser geheimnissvolle Umstand, der das 
Eierlegen der Bienen auszeichnet, war auch Veranlassung, dass 
seit urdenklichen Zeiten die Bienenzüchter mit einander im 
Streite liegen über die Bedeutung fast eines jeden einzelnen 
Abschnittes des Fortpflanzungsgeschäftes der Bienen. Bis heute 
hat sich dieser Streit fortgesponnen, und es ist kaum möglich, 
noch irgend eine Ungereimtheit über die Fortpflanzungsge- 
schichte der Bienen sich auszudenken, die nıcht schon von 
irgend einem Bienenzüchter in vollem Ernste ausgesprochen 
und in einer der unzähligen Bienenschriften gedruckt zu lesen 
wäre. Die grösste Verwirrung wurde hauptsächlich dadurch 
veranlasst, dass man sich nicht über die Geschlechter der Bie- 
nen einigen konnte; die Drohnen wurden für Weibchen, die 
Königinnen für Männchen gehalten; bald nahm man an, dass 
die Arbeitsbienen allein das Eierlegen zu besorgen hätten, bald 
sollte der eigentliche Begattungsakt zwischen Drohne und Kö- 
nigin nur im Innern eines Bienenstocks vor sich gehen, der 
Hochzeitsflug der Königin sollte alsdann nur eine Art Reini- 
gungsflug sein, während von anderer Seite her behauptet 
wurde, dass der Begattungsakt der Bienen niemals im Stocke, 
sondern immer bei dem Hochzeitsfluge hoch oben in der Luft 
vollbracht werde. Auch wurde der Begattungsakt ganz ge- 
läugnet, indem die Königin bei ihrem Hochzeitsfluge durch 


die blosse Erschütterung ihres Leibes fruchtbar würde. Ich / 


. Einleitung. 3 


könnte hier viele Seiten anfüllen mit diesen Widersprüchen, 
welche in den Annalen der Geschichte des Bienenlebens nie- 
dergelegt sind, und durch welche das Studium des sonst so 
höchst interessanten Bienenlebens aus Büchern zu einer ganz 
unerquicklichen Beschäftigung verkümmert wird. 

Dieser endlose und oft sehr animos geführte Streit über 
die Fortpflanzungsgeschäfte der Bienen, wobei sich die Ver- 
fechter der verschiedenen die Bienen betreffenden Zeugungs- 
theorien oft nur als mit naturwissenschaftlichen Kenntnis- 
sen kümmerlich ausgestattete Dilettanten breit machten, war 
nicht geeignet, das Interesse der Physiologen auf sich zu ziehen, 
auch schien es, als wollten die Bienenzüchter unter sich ohne 
fremde Hülfe den Kampf ausfechten, denn niemals wurde dieser 
Streit auf das Gebiet der ernsthaft prüfenden Naturforschung 
hinübergespielt. Auch konnten die Naturforscher sich an diesem 
Streite nicht leicht betheiligen, da ihnen meistens die prakti- 
schen Kenntnisse über den Bienenhaushalt abgiengen, ohne 
welche jeder Versuch, diesen Streit zu schlichten, unvollkom- 
men ausfallen musste und von den hartnäckigen praktischen 
Bienenzüchtern, denen ein solcher Versuch als belehrender 
Wink hätte dienen können, mit Misstrauen aufgenommen wor- 
den wäre. Die Thätigkeit der Naturforscher beschränkte sich bei 
diesem immer wieder neu auflodernden Gezänke der Bienen- 
züchter nur darauf, dass sie mit Hülfe des Secirmessers und 
des Mikroskops nachwiesen und als unumstössliche Wahrheit 
feststellten: die Drohnen sind dıe männlichen Individuen, die 
Königin (Weisel) ist das weibliche Individuum und die Arbei- 
ter sind nicht rein geschlechtslose, sondern weibliche Indivi- 
duen, deren Fortpflanzungsorgane zu keiner vollen Entwicklung 
gekommen sind. Es wurden hierüber zu sehr verschiedenen 
Zeiten von den Zootomen Untersuchungen angestellt und be- 
kannt gemacht. Ich erinnere nur an die Arbeiten von Swam- 
1 * 


4 Einleitung. 


merdam!, Reaumur?, Fräulein Jurine?, Suckow* und 
Ratzeburg’. Obgleich die Abbildungen der männlichen und 
weiblichen Geschlechtsorgane der Bienen aus Swammer- 
dam’s Bibel der Natur von verschiedenen Bienenschriftstellern 
kopirt worden sind, und obgleich also die auf anatomischen 
Wege festgestellten Thatsachen den Bienenzüchtern mitgetheilt 
wurden, so konnten sich diese Wahrheiten doch lange nicht 
bei allen Bienenzüchtern einer Anerkennung erfreuen. Es er- 
schienen diese entomotomischen Untersuchungen den Bienen- 
züchtern wahrscheinlich deshalb nicht bedeutungsvoll genug, 
weil mit dieser’ Erkenntniss der Geschlechtsverhältnisse der 
Bienen noch gar mancherlei in der Fortpflanzungsgeschichte 
dieser Thiere nicht erklärt werden konnte. Viele praktische 
Bienenzüchter sahen diesen anatomischen Nachweis der Bienen- 
Geschlechter nur als theoretischen Kram an, und giengen im- 
mer wieder von neuem ihren als richtig geträumten sogenann- 
ten praktischen Weg ohne Berücksichtigung jener Thatsachen, 
indem sie es vorzogen, die verschiedenen Geschlechtsfunktionen 


1) S. dessen Bibel der Natur. 1752. pag. 155 und 202. Taf. 19 
und 21. 

2) S. dessen M&moires pour servir a l’histoire des Insectes. Tom. V. 
1741. Pl. 33—34, welcher Theil als Geschichte der Bienen 1759 ins Deut- 
sche übersetzt erschienen ist. 

3) Vgl. Huber: Nouvelles observations sur les abeilles. 2 de Edit. 
1514. pag. 431, Pl. XI. fig. 1. In dieser Schrift finden sich die interes- 
santen anatomischen Untersuchungen der oben genannten Dame nieder- 
gelegt, durch welche zuerst das Vorhandensein von verkümmerten Eier- 
stöcken bei Arbeitsbienen nachgewiesen und in einer vortrefflichen von ihr 
selbst angefertigten Abbildung dargestellt wurde. 

4) S. Heusinger’s Zeitschrift für organische Physik. Band II. 
Heft 3. 1828. pag. 231. Taf. XII. fig. 30. Taf. XIV. fig. 38. 

5) S. Brandt und Ratzeburg: medizin. Zoologie. Bd. 1533. 
pag. 202. Taf. XXV. fig. 34. 35. sowie Ratzeburg’s Untersuchung des 
Geschlechtszustandes bei den sogenannten Neutris der Bienen und über die 
Verwandtschaft derselben mit den Königinnen, 1833. in den Nov. Act. 
physico-medica. Vol. XVI. P. I. pag. 613. Tab. XLVL. 


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5 


Einleitung. 5 


nach ihren individuellen oft sehr beschränkten Ansichten ganz 
willkürlich und naturwidrig zu deuten. 

Nachdem ich bereits im Jahre 1837 das Vorhandensein 
und die Bedeutung des Receptaculum seminis bei den Insekten- 
weibehen nachgewiesen ' und im Jahre 1843 auf diesen Samen- 
behälter bei den Bienen-Königinnen” aufmerksam gemacht 
hatte, durch dessen Funktion gar manche bis dahin räthselhaft 
gebliebene oder unrichtig erklärte Erscheinung in der Fort- 
pflanzungsthätigkeit der Bienen richtig aufgefasst werden 
konnte, übten diese Untersuchungen auf die verkehrten An- 
sichten der meisten Bienenzüchter keinen besonderen Einfluss 
aus. Sie beachteten dieselben wahrscheinlich als theoretischen 
Kram nicht weiter, und doch konnte durch die Erkenntniss 
der Funktion des Receptaculum seminis eine von den Bienen- 
züchtern seit urdenklichen Zeiten bewunderte Erscheinung im 
Bienenstocke jetzt richtig erklärt werden. Es war nämlich von 
mir nachgewiesen worden, dass nach erfolgter Begattung der 
Same der Drohne, welcher das Receptaculum seminis strotzend 
anfüllt, nicht bloss Monate, sondern Jahre lang sich an diesem 
Orte befruchtungsfähig erhält, was sich an der so lange andau- 
ernden Beweglichkeit der Spermatozoiden dieses Samens erken- 
nen lässt?. Hierdurch erklärt es sich, dass eine durch einma- 
ligen Coitus befruchtete Königin, nachdem sich dieselbe ım 
ersten Jahre ihrer Eier entledigt hat, im nächsten Jahre und 
noch öfter von neuem entwicklungsfähige mithin befruchtete 


Eier, wie sie der Bienenstock bedarf, legen kann, indem noch 


1) S. meine Beobachtungen über die Spermatozoen in den befruchte- 
ten Insekten-Weibchen, in Müller’s Archiv. 1837. pag. 417. 
2) Ueber das Receptaculum seminis der Hymenopteren-Weibchen, in 
Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. IV. 1843. pag. 371. 
3) 8. ebenda pag. 374. (Betrifft Apis mellifica)und in Wiegmann’s 
» Archiv. 1839, I. pag. 107. (Betrifft Vespa rufa). 


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6 Einleitung. 


immer befruchtungsfähiger Same in ihrem Samenbehälter be- 
wahrt wird, um auf so lange hinaus Eier damit zu befruchten. 
Aber auch diese Entdeckung wurde von den meisten Bienen- 
züchtern ignorirt, überhaupt tauchten unter ihnen in Betreff 
der Feststellung der Geschlechtsfunktionen der Bienen immer 
wieder neue Bedenken über den Werth solcher anatomischen 
und mikroskopischen Untersuchungen auf. 

Zwei Phänomene im Bienenhaushalt waren es besonders, 
welche die Gemüther der Bienenzüchter in Bezug auf die Ver- 
theilung der Geschlechtsfunktionen bei den Bienen am meisten 
beunruhigten; ich meine 1) die Fähigkeit einer flügellahmen 
Königin, Brut zu erzeugen, und 2) das Zustandekommen von 
Brut in einem weisellosen Stocke. Diejenigen, welche den 
Weisel als das weibliche Individuum der Bienen anerkannten, 
und demselben nach den bisher gültigen physiologischen Ge- 
setzen die Eigenschaft zuschrieben, nur nach vorausgegangener 
Begattung und Anfüllung des Receptaculum seminis mit Sper- 
matozoiden entwicklungsfähige Eier zu legen, wurden in Folge 
derzuerst erwähnten Erscheinung darüber schwankend gemacht, 
wo und wann der Begattungsakt von der Bienenkönigin vorge- 
nommen werde. Es entspann sich daraus der vielfach in den 
Bienenschriften und Bienenzeitungen durchgekämpfte Streit, 
ob die Königin sich im Stocke oder ausserhalb des Stockes be- 
gatte. Dass ersteres möglich sei, glaubte man durch die flügel- 
lahmen und entwicklungsfähige Eier legenden Königinnen er- 
wiesen, und so wurde den beiden Bienen-Geschlechtern die 
Vornahme des Begattungsaktes innerhalb des Bienenstockes 
zugemuthet, ohne dass jemals eine solche Begattung im Stocke 
gesehen worden war. Es theilten hierin die Bienen gleiches 
Schicksal mit den Rehen; beı diesen Thieren konnten es sich 
dıe praktischen Jäger nicht erklären, dass der Uterus der Reh- 


geis nach der einzigen Brunstzeit (im August und September) 


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Einleitung. 7 


bis zum Januar keinen Embryo enthielt, sie schrieben deshalb 
den Rehen einezweite Brunstzeit (im December) mit Unrecht zu, 
obgleich während dieser Zeit noch Niemand Rehe in der Begat- 
tung angetroffen hatte. Da, wo sich die vorhin erwähnte zweite 
auffallende Erscheinung, nämlich Brut in einem weisellosen 
Bienenstocke zeigte, wurde man ganz und gar irre über die 
Geschlechtsfunktionen der Bienen. Solche Beobachtungen 
wurden hauptsächlich benutzt, um damit den bisherigen wis- 
senschaftlichen Bemühungen, die Geschlechter der Bienen fest- 
zustellen, den Vorwurf der Unzulänglichkeit und Unhaltbarkeit 
zu machen. 


In den meisten zoologischen oder entomologischen Schrif- 
ten findet man alle diese das Bienenleben betreffenden brennen- 
den Streitfragen entweder nur unvollständig erwähnt oder kaum 
angedeutet, daher mag es gekommen sein, dass die Fortpflan- 
zungsgeschichte der Bienen von denjenigen Physiologen , wel- 
che sich speciell mit der Zeugungsgeschichte der Thiere be- 
schäftigten, unberührt geblieben ist'. Man hatte auf dieser - 
Seite keine Ahnung, welche schwierige Aufgaben hier der Wis- 
senschaft zur Lösung gestellt sind. Auch wurden die Physio- 
logen in letzter Zeit von einem anderen sehr anziehenden aber 
ebenfalls sehr schwierigen Gegenstand in Anspruch genommen, 
der sie anspornte, nach den Gesetzen zu forschen, nach welchen 
die bisher als Ausnahme betrachtete und jetzt mit dem Namen 
Generationswechsel bezeichnete geschlechtslose Fort- 
pflanzung neben der geschlechtlichen Fortpflanzung in der nie- 


deren 'Thierwelt verbreitet vorkömmt. 


1) In dem ausführlichen von R. Leuckart ausgearbeiteten Artikel 
über Zeugung (s.R. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Bd. IV. 
1853) ist die merkwürdige Fortpflanzungsgeschichte der Bienen kaum 
berührt worden, 


8 Einleitung. 


Durch die Entomologen wurde die Physiologie der Zeugung 
in neuerer Zeit nur sehr spärlich bereichert, da die meisten der- 
selben ihre Aufgabe nur darin sahen, die Species der Insekten 
zu bereinigen; viele derselben suchten mit einem grossen Auf 
wand von Zeit und Mühe diejenigen Insekten-Arten festzustel- 
len, welche von Linn&e und Fabricius mit Namen belegt 
worden sind, während die Mehrzahl derselben eine noch grössere 
Befriedigung darin fand, die systematischen Insekten-Verzeich- 
nisse um einige ganz neue, wenn auch höchst unscheinbare 
Species bereichert zu haben. 

Da bis auf die neuste Zeit die Bienenzüchter eine Art ab- 
geschlossene Zunft bildeten, welche die wichtigsten die Fort- 
pflanzung der Bienen betreffenden Fragen unter sich beantwor- 
ten wollten, so mag es gekommen sein, dass die Früchte, mit 
denen die Kenntniss der Zeugungsgeschichte durch die Be- 
mühungen der neueren Naturforscher bereichert wurde, von 
jenem abgeschlossenen und kurzsichtigen Kreis der praktischen 
Bienenzüchter gar nicht bemerkt und also auch nicht benutzt 
werden konnten. Auch drang niemals aus ihrem Kreise eine 
Stimme heraus, welche die Hülfe der Physiologen zur Ent- 
scheidung gewisser Probleme in der Zeugungsgeschichte der 
Bienen beansprucht hätte. Erst in den letzten drei Jahren hat 
sich das Benehmen der Bienenzüchter auf eine höchst erfreuliche 
Weise geändert, und es muss dem jetzigen Kreise der Bienen- 
züchter nachgerühmt werden, dass derselbe in diesem Augen- 
blicke Männer unter sich zählt, welche die Ueberzeugung ge- 
wonnen haben, dass das Bienenleben nicht bloss dazu dient, 
dem Menschen Wachs, Honig und Meth zu verschaffen, son- 
dern dass dasselbe ein höchst merkwürdiges Glied in der gros- 
sen auf das mannichfaltigste zusammengesetzten Kette von 
Thierleben ausmacht, dessen Bedeutung aber nur mit Hülfe 


von Kenntnissen, wie sie die jetzige Entwicklung der Natur- 


Einleitung. 9 


wissenschaften gewährt, verstanden werden kann. Es istdurch 
die Thätigkeit dieser aufgeklärten Männer ein völliger Um- 
schwung in der Bienenzucht eingetreten, ein von den Bienen- 
züchtern eingeführtes und durch die ergiebigsten Erfolge be- 
lohntes rationelles Verfahren feiert gegenwärtig den vollstän- 
digsten Triumph über die Empirie, wobei die Namen eines 
Dzierzon und Berlepsch als Sieger vor allen genannt zu 
werden verdienen. 

Auf welche Weise ich veranlasst worden bin, an diesem 
regen Treiben der Bienenzüchter Theil zu nehmen, darüber 
glaube ich Auskunft geben zu müssen, indem es sich weiter 
unten um eine neue auf die Bienen sich beziehende Fortpflan- 
zungstheorie handelt, deren Vertretung ich übernommen habe, 
aber nicht etwa nach einer von aussen mir aufgedrängten vor- 
gefassten Meinung, sondern nach innerer aus dem Gange mei- 
ner Untersuchungen und Erfahrungen entsprungenen Ueber- 
zeugung. Aus den folgenden Blättern wird man entnehmen 
können, wie mich das Verfolgen der Fortpflanzungsgeschichte 
der Insekten auf die Naturgeschichte der Bienen hinleiten 


musste. 


Es war wohl kein Zweig der Thiergeschichte in den letzten 
Jahren durch neue Entdeckungen, durch Erweiterung und 
Vervollständigung älterer Beobachtungen in so hohem Grade 
bereichert worden, als die Lehre von der Thierzeugung. Eine 
Menge von Thatsachen, welche den so lange als Regel für die 
Fortpflanzung der'Thiere hingestellten Lehrsätzen schnurstracks 
widersprachen, und bisher fast nur den Werth einer Curiosität 


hatten, sind durch den Scharfblick Steenstrup ’s unter dem 


u 


10 Einleitung. 


Namen Generationswechsel zu einem Gesetze vereinigt worden !, 
das gegenwärtig von den Naturforschern nach allen Richtungen 
hin ausgebeutet wird. Es gab früher eine grosse Reihe auf- 
fallender Beobachtungen, gegen deren Richtigkeit, da sie mit 
den bisher als Norm angenommenen Gesetzen der Fortpflan- 
zung im Widerspruch standen, man gerne Zweifel hätte erheben 
mögen, wenn ihnen nicht durch die Zuverlässigkeit ihrer Be- 
obachter der Stempel der Wahrheit aufgeprägt worden wäre. 
Von manchen dieser Beobachtungen, über welche hier und da 
ein Naturforscher immer wieder ungläubig den Kopf schüttelte*, 


1) S. Steenstrup: über den Generationswechsel. Copenhagen 
1842. 


2) Dieses Verneinen der mit dem Generationswechsel zusammenhän- 
genden Vorgänge spricht sich bis auf die neueste Zeit sogar in den An- 
sichten aus, mit welchen Ehrenberg und Diesing das Wesen der 
Cercarien deuten. Obgleich direkte Beobachtungen und die sorgfältigsten 
Untersuchungen gelehrt haben, dass diese merkwürdigen geschlechtslosen 
Geschöpfe keine fertigen Thiere sind, sondern als Larven in die Entwick- 
lungsreihe gewisser Trematoden gehören, so bleibt Ehrenberg beharr- 
lich bei seiner Meinung, dass die Cercarien den Trematoden nur entfernt 
ähnlich seien (s. den Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten 
Verhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin a. d. J. 1851. 
pag. 776) und macht es Steenstrup zum Vorwurf, dass er sich zu dem 
einflussreichen Irrthum habe verleiten lassen, anzunehmen, die Cercarien 
entwickelten sich durch Abwerfen des Schwanzes zu Distomen. Ehren- 
berg beruft sich dabei auf seine im Jahre 1828 (Symbolae physicae. Phy- 
tozoa entozoa), gegebene Auseinandersetzung, Beschreibung und Abbil- 
dung der Cercaria ephemera, welche zu seinem Bedauern von Steens- 
trup nicht berücksichtigt worden sei, was wohl vor einigen Irrungen be- 
wahrt hätte. In dieser Beschreibung hat jedoch Ehrenberg das einer 
Primordialniere entsprechende Excretionsorgan für Ovarien und den grob- 
körnigen Inhalt desselben für Eier erklärt, worauf ich bereits vor längerer 
Zeit aufmerksam gemacht habe (s. mein Lehrbuch der vergleichenden Ana- 
tomie der Wirbellosen. pag. 139). Diesing hält, nicht weniger conse- 
quent, an dem Glauben fest, dass die Cercarien eine selbstständige und in 
sich abgeschlossene Thiergruppe seien (s. dessen Revision der Cercarien in 
dem Märzhefte des Jahrganges 1855 der Sitzungsberichte der Akademie 


der Wissenschaften in Wien). 


Einleitung. 11 


ist durch die Erkenntniss des Generationswechsels jetzt aller 
Zweifel hinweggewischt worden. Andere bis jetzt noch räthsel- 
haft gebliebene Beobachtungen, deren Resultate ebenfalls mit 
den Grundsätzen der bis dahin bekannt gewesenen Zeugungs- 
geschichte nicht zusammenstimmen wollen, werden vielleicht, 
so darf man hoffen, durch die Lichtstrahlen des Generationswech- 
sels später noch aufgehellt werden. Dennoch bin ich durch 
meine eigenen Forschungen aber auch zu der Ueberzeugung 
gekommen, dass man auf der anderen Seite von dem Grenera- 
tionswechsel nicht zu viel erwarten darf, indem man nicht im- 
mer, wenn man es wünscht und vermuthet, Aufschluss von 
demselben erhält. Ich muss besonders warnen, dass man ja 
nicht mit der vorgefassten Meinung, man habe es mit dem 
Generationswechsel zu thun, eine Untersuchung zu weit ver- 
folgen möge, weil man sonst weit vom rechten Wege ab auf 
eine falsche Fährte gerathen kann, auf der man sich nimmer 
zurecht finden dürfte. 

Um nicht zu weit von dem Ziele abzuschweifen, das ich 
mir in diesen Blättern gesetzt habe, will ich nur dasjenige hier 
hervorheben, was man in der Insekten-Geschichte als eine Ei- 
genthümlichkeit des Generationswechsels zu betrachten Ver- 
anlassung genommen hat. Ich meine nämlich die merkwürdige 
Fortpflanzungsgeschichte der Blattläuse; diese hat, nachdem 
sie so lange als etwas ganz abnormes und unerklärliches dage- 
standen, in dem Wesen des Generationswechsels vollständig 
ihre Erklärung gefunden. Bekanntlich folgt bei den Aphiden 
auf eine geschlechtliche Generation, repräsentirt durch geson- 
derte Männchen und Weibchen, eine Reihe von Generationen, 
in welchen nur eine einzige Form enthalten ist, die ohne vor- 
hergehende Befruchtung in mehrfacher Wiederholung aus einan- 
der hervorgehen, bis nach etwa sieben bis eilf solchen Genera- 


tionen wieder eine Generation von Männchen und Weibchen 


12 Einleitung. 


zum Vorschein kommt. ‚Steenstrup!' betrachtet jene For- 
men der Blattläuse, welche ohne Einfluss männlicher Ge- 
schlechtswerkzeuge fortpflanzungsfähig sind und bisher für 
jungfräuliche Blattlaus-Weibcehen angesehen worden waren, als 
Ammen , mithin als diejenigen Glieder einer dem Generations- 
wechsel unterworfenen Thierspecies, welche im geschlechts- 
losen Zustande (im Larvenzustande) Brut erzeugen können. 
Es sind auch wirklich jene Blattläuse, welche ohne vorausge- 
gangene Begattung lebendige Junge gebären, in ihrer Organi- 
sation ganz verschieden von den eigentlichen weiblichen Blatt- 
läusen, welche nach dem Begattungsacte entwicklungsfähige 
Eier legen. Es haben in den viviparen Blattläusen namentlich 
diejenigen Organe, aus welchen die lebendige Brut hervorgeht, 
eine ganz andere Form und Organisation als die Geschlechts- 
theile der oviparen weiblichen Blattläuse, sodass man mit Fug 
und Recht jeneOrgane im Gegensatz zu den Eierstöcken, deren 
Produkte (Eier) nur durch die Einwirkung des männlichen 
Samens entwicklungsfähig werden, als Keimstöcke bezeichnen 
kann, die ohne Einfluss männlicher Befruchtungsorgane Brut 
aus sich erzeugen können. Es fehlt daher auch jenen ammen- 
artigen viviparen Blattläusen, welche statt der Eierstöcke Keim- 
stöcke in sich tragen, das Receptaculum seminis, welches in den 
Weibchen der Insekten allgemein verbreitet vorkömmt und bei 
dem Befruchtungsacte der Eier eine wichtige Rolle spielt*. 
Ehe noch von Steenstrup der Generationswechsel in die 
Wissenschaft eingeführt worden war, hatte ich bereits auf die 
verschiedenen Organisations - Verhältnisse der oviparen und 
viviparen Blattläuse und insbesondere auf die Abwesenheit der 


1) a. a. O. pag. 121. 
2) Vgl. meine Beobachtungen über die Spermatozoen in den befruch- 
teten Insekten-Weibchen. Müller’s Archiv. 1837. pag: 392. 


Einleitung. 13 


Samentasche bei den letzteren aufmerksam gemacht'. Später 
wurde von V. Carus” die Entwicklung der Aphiden ohne 

- Befruchtung vollständig als ein Vorgang des Generationswech- 
sels auseinandergesetzt. Es hat die Darstellung, welche Carus 
von der Entwicklung der Keimkörper in den Keimstöcken der 
viviparen Blattläuse gegeben hat, durch Leydig® zwar eine 
Widerlegung gefunden, gegen die ich nichts einwenden kann, 
dennoch möchte ich, obgleich nach Leydig aus den Keim- 
körpern der viviparen Blattläuse ganz ebenso wie aus Eiern die 
Brut mittelst Zellenbildung zur Entwicklung kömmt, die Be- 
zeichnung ‚‚Keimkörper‘‘ und ‚‚Keimstock‘“‘ für jene Fort- 
pflanzungsorgane der ammenartigen viviparen Blattläuse fest- 
halten, um sie in Bezug aufGenerationswechsel ihrer verschie- 
denen physiologischen Bedeutung wegen von den Eiern und 
Eierstöcken der weiblichen oviparen Blattläuse zu unter- 
scheiden. 

Owen‘ hat die geschlechtslosen viviparen Blattläuse als 
fortpflanzungsfähige jungfräuliche Weibchen betrachtet; es 
sind aber diese von Owen als jungfräuliche Eltern bezeichne- 
ten viviparen Blattläuse jedenfalls etwas ganz anderes als die 
oviparen Blattläuse in ihrem vor der Begattung sich darbieten- 
den jungfräulichen Zustande. Aus demselben Grunde kann 
ich auch Owen’s Ausdruck Parthenogenesis, mit welchem 


derselbe den Generationswechsel bezeichnet, nicht billigen, in- 


1) Vgl. Froriep’s neue Notizen. Band XI. 1839. pag. 308. 

2) Vgl. V. Carus: zur näheren Kenntniss des Generationswechsels. 
1849. pag. 2. 

3) S. dessen Bemerkungen über die Entwicklung der Blattläuse in der 
von mir und Kölliker herausgegebenen Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie. 1850. pag..62. 

4) Vgl. Rich. Owen: on Parthenogenesis or the successive 
production of procreating individuals from a single ovum. London. 1849, 

L pag. 30, 60 u. 76. 


nn 


14 Einleitung. 


dem ich unter Parthenogenesis nicht die Fortpflanzung 
durch geschlechtslose ammen- oder larvenartige Wesen ver- 
stehe, sondern darunter die Fortpflanzung durch wirkliche 
Weibchen, das heisst, durch mit vollkommen entwickelten 
jungfräuliche weiblichen Geschlechtsorganen ausgestattete In- 
dividuen begreife, welche ohne vorausgegangene Begattung 
unbefruchtete entwicklungsfähige Eier hervorbringen. 

Es ist diese letztere Art der Fortpflanzung von älteren 
Naturforschern Lueina sine concubitu genannt worden, welche 
Bezeichnung nicht, wie es Owen gethan hat, auf den Gene- 
rationswechsel angewendet werden darf, indem hier unter ganz 
anderen Bedingungen die Fortpflanzung erfolgt, nämlich durch 
Theilung, durch Knospenbildung oder durch Keimkörper, 
welche mit Eiern nicht zu verwechseln sind, indem bei allen 
diesen Vermehrungsarten der unmittelbare Einfluss männlicher 
Befruchtungselemente fehlt, welcher nicht etwa zufällig oder 
abnorm ausgeblieben ist, sondern welcher, wie es der ganze 
Entwicklungsgang dieser Generationen bezeugt, gewissen Ge- 
setzen gemäss ganz aus dem Spiele bleibt. 

Da ich in Bezug auf meine späteren Mittheilungen ein 
besonderes Gewicht auf den Unterschied zwischen Genera- 
tionswechsel und Parthenogenesis legen muss, so 
wiederhole ich es hier noch einmal, dass die viviparen Blatt- 
läuse keine Weibchen sind, welche sine concubitu im jungfräu- 
lichen Zustande entwicklungsfähige Eier hervorbringen , son- 
dern geschlechtslose mit Keimstöcken ausgestattete ammen- 
oder larvenartige Individuen, welche von den wirklich jung- 


fräulichen Blattlaus-Weibchen himmelweit verschieden sind. 


Beleuchtung. 15 


Beleuchtung der bisher für Parthenogenesis aus- 
gegebenen Fälle. 


Nachdem die merkwürdige Fortpflanzungsgeschichte der 
Blattläuse in das Bereich des Generationswechsels hat verwie- 
sen werden müssen, so frägt es sich, ob nicht andere Momente 
aus der Insektengeschichte bekannt geworden sind, welche als 
Lucina sine concubitu oder Parthenogenesis anzusehen wären. 
In der'I'hat werden von den verschiedensten Entomologen älterer 
und neuerer Zeit Beobachtungen mitgetheilt, welche auf die 
ziemlich verbreitete Existenz einer wahren Parthenogenesis un- 
ter den Insekten schliessen lassen sollten. Aber alle diese Er- 
zählungen von Spinnen-Weibchen oder weiblichen Schmetter- 
lingen, welche, ohne vorausgegangene Begattung und isolirt 
gehalten, Eier gelegt hatten, aus denen später Brut hervorge- 
schlüpft, verdienen eine nähere Beleuchtung; denn bevor wir 
durch solche Mittheilungen ein wichtiges aus vielseitigen Er- 
fahrungen erworbenes physiologisches Gesetz über den Haufen 
werfen lassen, kömmt es doch darauf an, festzustellen, ob wir 
jenen Erzählungen so geradezu Glauben schenken sollen, ob 
wir es hier mit zuverlässigen T'hatsachen zu thun haben, oder 
‘obhier nicht aus oberflächlichen, unzureichenden und dürftigen 
Beobachtungen eine Thatsache eigentlich nur erschlossen an- 
statt bestimmt nachgewiesen worden sei. Ich habeschon früher 
auf diese Fälle als auf solche hingedeutet', welche einer genau- 
eren Prüfung bedürfen, um jeden Zweifel über die Richtigkeit 
der Behauptung zu beseitigen, dass nämlich wirklich eine spon- 


tane Brutentwicklung in den von jungfräulichen Insekten- 


1) Vgl. die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1849. pag. 97. 


16 Beleuchtung der bisher für 


Weibchen gelegten Eiern stattfinden könne. Ich hatte es mir 
damals vorbehalten, die von so vielen Naturforschern hervor- 
gehobenen und immer wieder erzählten Fälle, durch welche 
die Existenz einer Zucina sine concubitu bewiesen werden sollte, 
einer sorgfältigen Kritik zu unterwerfen. Diese Kritik will ich 
jetzt vornehmen, um zu zeigen, wie wenig zuverlässiges von 
allen jenen Behauptungen übrig bleibt; denn da es sich um die 
Erhaltung oder Umstossung eines physiologischen Lehrsatzes 
handelt, dessen Wichtigkeit seit lange anerkannt worden ist, 
so versteht es sich wohl von selbst, dass nur ganz zuverlässige 
und jeden Zweifel ausschliessende Beobachtungen als vollwich- 
tig angenommen werden können, um den Satz umzustossen: 
dass wahre (in einem Eierstocke erzeugte) Eier nicht eher zu 
einem Embryo sich entwickeln können, als bis sie vorher dem 
befruchtenden Einflusse des (in Hoden erzeugten) männlichen 
Samens ausgesetzt worden sind. 

Die älteste Mittheilung über die Fortpflanzung von In- 
sekten-Weibchen sine concubitu, auf welche man sich wieder- 
holt berufen hat, rührt von dem Arzte J. P. Albrecht zu 
Hildesheim her, welcher ım Jahre 1701 der Leopoldiner Aka- 
demie der Naturforscher eine Abhandlung mit dem Titel ein- 
sendete!: ‚‚de Insectorum ovis sine praevia maris cum foemella 
conjunctione nihilominus nonnunguam foecundis.““ In dieser 
Abhandlung erzählte Albrecht, dass er eine an einem Johan- 
nesbeerstrauch eingesponnene braune Puppe unter einem Glase 
in seinem Gartenhause aufbewahrt habe, um zu sehen, welcher 
Schmetterling sich daraus entwickle. Ende Juli schlüpfte ein 
Schmetterling von weissgelber Farbe daraus hervor, der nıcht 


näher beschrieben wurde, da ihn aber Albrecht mit dem 


1) Vgl. Miscellanea curiosa sive Ephemeridum Academiae Caesar. 
Leopold. natur. curios. Dec. III. Annus IX. et X. 1706. pag. 26. 


u 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 17 


von Goedart in seiner Metamorphosis et Historia Insectorum 
(Pars I.) auf Tab. 33 abgebildeten Schmetterlinge verglichen 
hat, so kann angenommen werden, dass jener Schmetterling 
ein Spinner oder eine Eule gewesen ist. Derselbe legte nach 
einigen Tagen sehr viele Eier und starb nachher. Albrecht 
bemerkte hierzu die Worte: ‚‚Cum masculum huic Papilioni 
haud adfuisse certus essem et propterea ejus ova subventanea 
ac sterilia esse judicarem, vir amplius eorum habui rationem, 
relictis interim iisdem oscitantius et sine omni cura sub dicto 
vitro per totum tempus hyemale.‘“ Erst im April des folgenden 
Jahres sah Albrecht wieder einmal nach’ dem Glase, und war 
erstaunt, statt der Eier in demselben junge schwarze Räupchen 
zu finden. Da Albrecht weder die Beschaffenheit des Glases, 
noch die Art und Weise, wie dasselbe verschlossen war, näher 
beschrieben und überhaupt weder das Glas noch dessen Inhalt 
mit der nöthigen Sorgfalt im Auge behalten hat, so geht aus 
diesem Falle nicht bestimmt hervor, ob auch die Mündungen 
des Glases, in welchem der Schmetterling aufbewahrt war, so 
‚verschlossen gewesen sind, dass kein männlicher Schmetterling 
derselben Art den Zugang und die Möglichkeit habe finden 
können, um sich mit dem eingeschlossenen Weibchen zu be- 
gatten. Derselbe Arzt erwähnt ferner noch eine Spinne, welche 
Dr. St. Blancard besessen habe, und welche vier Jahre hin- 
tereinander Eier gelegt, aus denen junge Spinnen ausgeschlüpft 
seien, ohne dass eine männliche Spinne dabei im Spiele ge- 
wesen. Diese kurze Mittheilung giebt uns nicht im geringsten 
über die Frage Aufschluss, ob jene fruchtbare Spinne wirklich 
im jungfräulichen Zustande eingefangen worden und ob nicht 
etwa schon vor ihrer Gefangenschaft von einem Spinnen- 


Männchen das receptaculum seminis derselben mit Samen ge- 


1) Diese Beobachtung wurde zuerst ebenda Dec. III. AnnusIlI. 1696, 
pag. 63 mitgetheilt. 
v. Siebold, Nachweis u. s. w. 2 


18 Beleuchtung der bisher für 


füllt worden sei. Ganz ähnlich wird es sich mit jenem Spinnen- - 
Weibchen verhalten haben, welches Dumeril bei Audebert 
gesehen', und welches eingesperrt ohne Mitwirkung eines 
Männchens zwei Jahre lang Brut erzeugt hat. Dass derin den 
Samentaschen der Insekten-Weibchen aufbewahrte männliche 
Samen jahrelang seine befruchtende Kraft behält, das ist eine 
erwiesene Sache; von Bienen-Königinnen z. B. weiss man, 
dass sie nach einmaliger Begattung vier bis fünf Jahre hindurch 
fruchtbar sein können; ich berufe mich hierbei auf das Zeug- 
niss des Pfarrers zu Carlsmarkt in Schlesien, Herrn Dzier- 
zon”, den ich unter den jetzt lebenden Bienenfreunden als 
einen der erfahrensten und zuverlässigsten Bienenzüchter ken- 
nen und schätzen gelernt habe. Eine andere Beobachtung von 
spontaner Fortpflanzung sine concubitu, welche Basler an 
einem aus der Raupe gezogenen weiblichen Schmetterling der 
Gastropacha quercifoha gemacht hat, theilte Bernoulli? 
ganz kurz mit. Da hierbei weder erwähnt ist, wie lange nach 
dem Ausschlüpfen desSchmetterlings Herr Basler die Kupfer- 
glucke bemerkt, noch über die sichere Aufbewahrung und Ab- 
schliessung der Puppe derselben Rechenschaft gegeben wurde, 
so lassen sich wegen des Mangels aller näheren Angaben gegen 
die in diesem Falle angenommene Parthenogenesis eine Menge 
Einwürfe machen. Nicht minder zuverlässig erscheint der von 
Bernoulli selbst als Parthenogenesis beobachtete und mit- 
getheilte Fall‘. Es hatte derselbe nämlich die Raupe einer 
Episema coeruleocephala verpuppen lassen, die Puppe aber 


1) Vgl. Dietionnaire des sciences naturelles. Tom. II. 1816. pag. 324. 

2) Vgl. dessen Theorie und Praxis des neuen Bienenfreundes. 2, Aufl. 
1849. pag. 104 und 111. 

3) S. Nouveaux Memoires de !’Acad&mie Royale des sciences et belles- 
lettres. Ann&e 1772, Berlin 1774. pag. 24 und 34. 

4) Ebenda. pag. 25. 


BT 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 19 


nachher ın einer Schachtel nicht weiter beachtet; nach etwa 
fünfzehn Tagen öffnete er die Schachtel zum ersten Male, und 
war überrascht, darin neben dem ausgeschlüpften und abge- 
storbenen Schmetterling eine Familie junger Räupchen vorzu- 
finden, welche die Puppenhülse ihrer Mutter und einen Theil 
ihrer Eierschalen bereits verzehrt hatten. Schon von den 
Theresianern (Denis und Schiffermüller) ist die Unhalt- 
barkeit der Behauptung, dass in den eben erwähnten Fällen 
eine Lucina sine concubitu stattgefunden habe, mit so triftigen 
Gründen nachgewiesen worden, dass ich nichts besseres thun 
kann, als mich auf diese Beweisgründe zu berufen, welche jene 
beiden erfahrenen Wiener Entomologen mit folgenden Worten 
durchführten ': ‚‚,Wir haben nämlich gar zu oft erfahren, dass 
sich Männchen bei den in unsern Zimmern ausgekrochenen, 
wohl auch an einer Nadel steckenden Weibchen eingefunden, 
und mit denselben gepaaret haben, da wir es gar nicht vermu- 
theten, manchmal auch nur zufällig und spät bemerkten; und 
wir haben solches kaum von einer andern Art mehr, als von 
eben den zwo Spinnerarten (in unserm Verzeichnisse Fam. J. 
Nr. 1. und B. Nr. 1.)* erfahren, die bei den erwähnten Natur- 
forschern fruchtbare Eier ohne Begattung gelegt haben sollen; 
ja von der letztern Art haben wir nach der Zeit öfter ein Weib- 
chen vorsätzlich, um Männchen, die unsere Freunde verlang- 
ten, zu fangen, Abends bei offenem Fenster ausgesetzet, und 
meistens mit erwünschtem Erfolge. Selbst beider gelehrten 
Männer Erzählungen scheinen uns einen solchen unbemerkten 


Zufall oder eine ungefähre Verwechslung und Irrung nicht ganz 


1) Vgl. Systematisches Verzeichniss der Schmetterlinge der Wiener 
Gegend herausgegeben von einigen Lehrern am k. k. Theresianum, 1776. 
pag. 293. 

2) Die Theresianer meinen hiermit Gastropacha quereifolia und Sa- 
turnia Pyri. 

2* 


Ze 


20 Beleuchtung der bisher für 


auszuschliessen. Herr Basler hatnicht die Puppe, sondern das 
ausgekrochene Weibchen, (freilich erst, als er es bemerkt hat) 
in ein Glas versperret, und die Eier ungeachtet auf einem Ofen 
bis in den November liegen gehabt, auch die jungen Raupen 
nicht aufgezogen; und Herr Bernoulli hat seine Puppe mit 
dem Schächtelchen aus den Augen verloren, bis er in demselben 
schon Räupchen fand. Endlich sind eben die zwei benannten 
Arten von Reaumur, Rösel, oder auch andern Naturfor- 
schern, und in sehr beträchtlicher Menge von uns selber oft 
erzogen worden; sollten sie das Vermögen, sich ohne Begat- 
tung fortzupflanzen, wenn es ihnen wirklich eigen wäre, nicht 
doch auch einmal geäussert haben? und doch legten uns Weib- 
chen, die nicht gepaaret waren, immer nur taube Fier.‘“ Auch 
Pastor von Scheven hat die Mittheilungen Basler’s und 
Bernoulli’s als Beweise einer stattgehabten Lucina sine con- 
cubitu mit sehr richtigem Takte durch folgende Einwendungen 
entkräftet!: ‚‚Auch der gelehrteste Naturforscher macht oft, 
ohne es selbst zu bemerken, den falschen Schluss: Ich habe 
dieses oder jenes nicht bemerkt, folglich ist es auch nicht ge- 
schehen. Dem Herrn Basler ıst seine Phaläne, wie die Er- 
zählung selbst zeigt, nicht eher wichtig genug zur genauen 
Beobachtung gewesen, als bis er aus dem vermeinten wunder- 
baren Erfolg sie für einen Zwitter erkannt hat. Wer ist uns 
nun Bürge dafür, dass nicht vorher eine Paarung und Befruch- 
tung vorgegangen? Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Herr 
Basler nur eine einzige Phaläne dieser Art erzogen, woraus 
er den Schluss gemacht, dass keine Paarung möglich gewesen. 
Aber wie leicht es habe geschehen können, dass ohne sein Wis- 


sen dennoch eine Paarung vorgegangen, kann folgende Bemer- 


1) Vgl. des Pastor v. Scheven Beiträge zur Naturgeschichte der 
Insecten im Naturforscher. Stück 20. 1784. pag. 50. 


Parthenogenests ausgegebenen Fälle. 21 


kung, die ich vor einigen Jahren an der Phal. Quercus Linn. 
zu machen Gelegenheit gehabt, deutlich lehren. Von dieser 
Phaläne erzog ich ebenfalls nur eine einzige Raupe, dergleichen 
Rösel im ersten Theil seiner Insecten-Belustigungen "Tab. 35 a. 
abgebildet, und erhielt aus derselben einen weiblichen Schmet- 
terling. Weil aber dieser eben am Abend aus seinem Cocon 
zum Vorschein kam, so liess ich ihn, damit er seine Flügel ge- 
hörig ausbreiten möchte, an einem Fenster meines Zimmers in 
die Höhe kriechen, und weil er sich geruhig verhielt, die Nacht 
hindurch daselbst sitzen. Am andern Tage ward ich in dem 
Winkel dieses Zimmers ein Männlein dieser Phaläne gewahr, 
worüber ich in die grösste Verwunderung gerieth, da ich mit 
Gewissheit wusste, dass ich nicht mehr als eine einzige Raupe 
dieser Phaläne in meinem Hause gehabt hatte. Ich durfte aber 
nicht lange auf die Auflösung dieses Räthsels warten. Denn 
da ich bald darauf zu verschiedenen Malen ein Klopfen am 
Fenster gehört zu haben glaubte, und, um die Ursache dessel- 
ben zu entdecken, das Fenster öffnete, so bemerkte ich bald, 
dass verschiedene Phalänen vor demselben herumflogen, und 
ob ich sie gleich ihres schnellen Fluges wegen nicht gleich für 
das, was sie waren, erkannte, so schloss ich doch aus ihrem 
starken Fluge, welchen sie zuweilen gerade gegen das Fenster 
richteten, dass sie dort etwas zu suchen hätten. Ich liess sie 
daher nicht lange vergebens klopfen, sondern öffnete ihnen 
einige Fenster, worauf sich in kurzer Zeit verschiedene Männ- 
lein dieser Phaläne in meinem Zimmer einfanden, und sich 
mit dem bald aufgefundenen Weiblein zu paaren suchten. Diese 
Geschichte zeigt nicht nur, wie stark die Witterung der männ- 
lichen Phalänen dieser Art, und wie gross ihr Trieb zur Begat- 
tung sei, sondern lässt uns auch vermuthen, dass es dem Herrn 
Basler, dessen Phaläne mit der unsrigen in eine Classe ge- 


hört, und ihrer Natur und Lebensart nach genau verwandt ist, 


ne 


32 Beleuchtung der bisher für 


eben also könne ergangen sein. Denn wenn sich das erste in 
meinem Zimmer eingefundene Männlein, welches sich ohne 
Zweifel durch eine kleine Oeffnung des Fensters hineingeschli- 
chen, sogleich mit dem Weibchen gepaart, und darauf in einen 
Winkel des Zimmers versteckt hätte, oder gar wieder davon 
geflogen wäre, der folgende Tag aber nicht so heiter gewesen, 
und zu den obigen Bemerkungen keine Gelegenheit gegeben 
hätte, so würde ich auf eben die Art, wie Herr Basler, be- 
fruchtete Eier von meiner Phaläne erhalten haben, ohne auf 
den Gedanken gerathen zu sein, dass eine Befruchtung ge- 
schehen, und vielleicht ohne einen Irrthum als möglich zu 
gedenken.‘“ Auch die Beobachtung des Bernoullı wird von 
Scheven mit so wichtigen Einwürfen beleuchtet, dass dadurch 
von ihr auch jede Spur der Glaubwürdigkeit hinweg gewischt 
wird. Da Scheven mit jener seiner Zeit eigenthümlichen 
Redseligkeit den Gegenstand behandelt hat, so würde es zu viel 
Raum bedürfen, wenn ich die Polemik desselben in ihrer gan- 
zen Ausdehnung wiedergeben wollte, ich werde daher nur den 
wichtigsten Theil seiner Bemerkungen hier hervorheben. Es 
war Scheven in der Erzählung Bernoulli’s unter anderen 
aufgefallen, dass schon nach fünfzehn Tagen nach dem Ein- 
spinnen der Raupe die kleinen Räupchen aus den Eiern ge- 
schlüpft waren, weshalb er sich gerade hierüber in folgender 
Weise ausliess': ‚,Nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur 
braucht die Raupe einige Tage, ehe sie sich in ihrem Gespinn- 
ste zur Puppe verwandelt. Aufs wenigste vierzehn Tage, und 
grösstentheils noch länger pflegt die Puppe in ihrem Gespinnste 
zu liegen, ehe der Schmetterling aus derselben zum Vorschein 
kommt. Noch mehr Zeit aber wird erfordert, ehe die jungen 


Räupchen in ihren Eiern zur Zeitigung kommen, und aus 


1) Ebenda. pag. 54. 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 23 


selbigen auskriechen. Die mehrere oder mindere Wärme der 
Jahreszeit, oder des Orts, wo die Puppen und Eier aufbewahrt 
werden, verursacht freilich oftmals eine Veränderung in der 
Dauer der für diese Begebenheiten bestimmten gewöhnlichen 
Zeit. Allein dass alle diese Veränderungen binnen vierzehn 
Tagen sich ereignen sollen, ist eben so unglaublich, als dass 
eine Jungfer, die in ihrem Leben keine Mannsperson gesehen, 
und sich zu noch grösserer Sicherheit in ein Kloster begeben, 
daselbst nach vierzehn Wochen unschuldiger Weise zu einem 
Kinde kommen kann. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird 
ein anderer weiblicher Schmetterling, welchen der Verfasser 
lange vorher in dieser Schachtel mag gehabt haben, der auch 
von anderer Art kann gewesen sein, (denn der Beobachter 
scheint die jungen Räupchen, die ohnedem in der Jugend nicht 
leicht zu kennen sind, nicht genau untersucht zu haben), seine 
Eier in einem Winkel dieser Schachtel angelegt haben, welches 
der Besitzer vergessen, oder gar nicht bemerkt. Aus diesen 
sind die jungen Räupchen vermuthlich zu eben der Zeit, da die 
Phal. pacta' ihre unbefruchteten Eier gelegt, zum Vorschein 
gekommen, und haben aus Mangel der Nahrung die annoch 
frischen und weichen Eier verzehret, und sich zuletzt sogar 
über die Puppe, oder vielmehr Puppenhaut hergemacht. Es 
mag nun diese oder eine andere Verwechselung, deren sich 
viele denken lassen, geschehen sein, so ist doch so viel gewiss, 


dass die Geschichte selbst ın der Art, wie sie erzählt und er- 


1) Aus welchem Grunde Scheven den Schmetterling, an welchem 
Bernoulli seine Beobachtung über spontane Fortpflanzung gemacht 
haben will, als Phalaena pacta bezeichnet, weiss ich nicht, denn Ber- 
noulli vergleicht seinen Schmetterling mit dem von Roesel in seinen 
Insectenbelustigungen, IV. Sammlung Nr. 15 abgebildeten Nachtvogel, 
welcher nichts anderes als Episema coeruleocephala ist. 


24 Beleuchtung der bisher für 


klärt wird, gar keinen Glauben verdient, und dass die darauf 
gebaueten Schlüsse um so weniger richtig sein können.‘ 

Ich habe es nicht unterlassen können, die Einwendungen, 
welche Pastor Scheven gegen die von Bernoulli mitge- 
theilten Beobachtungen, so viel es der Raum erlaubte, hier 
wörtlich mitzutheilen, da dieselben bisher ganz unbeachtet ge- 
blieben sind, denn so oft behauptet wurde, dass gewisse Insek- 
ten ohne vorhergegangene Befruchtung entwicklungsfähige 
Eier legen könnten, berief man sich immer wieder, selbst in der 
neusten Zeit', gerade auf die von Bernoulli bekannt ge- 
machten Beobachtungen, welche doch schon längst durch 
Scheven als unzuverlässig entkräftet waren. 

Einen ebenso geringen Werth haben die noch übrigen 
Mittheilungen, welche als Belege für die Existenz einer Lucina 
sine concubitu dienen sollen, da sie in Form von ganz kurzen 
Notizen auch nicht die geringste Bürgschaft darüber liefern, ob 
und welche Vorsichtsmassregeln angewendet worden sind, um 
die bei dergleichen Beobachtungen sich so leicht einschleichen- 
den Täuschungen abzuhalten. Aus diesem Grunde kann der 
Fall gar kein Gewicht haben, welchen Suckow ohne alle 
näheren Umstände mit folgenden Worten mittheilte*: ,,Ich 
zog Weibchen von Bombyz Pinti, welche ohne zuvorgegangene 
Begattung Eier legten, aus denen sich die Räupchen entwickel- 
ten und sämmtliche Verwandlungen durchmachten.‘“ Ein an- 


derer Fall wurde von L. Ch. Treviranus mit den Worten 


1) Man vergleiche in dieser BeziehungG.R. Treviranus (Biologie. 
Band III. 1805. pag. 265) Burmeister (Handbuch der Entomologie. 
Band I. 1832. pag. 337) Lacordaire (Introduction & l’&tude de l’Ento- 
mologie. Tom. 11. 1538. pag. 383) und V. Carus (Zur näheren Kenntniss 
des Generationswechsels. 1849. pag. 21). 

2) Vgl. Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik. Band 
II. 1828. pag. 263. / 


.d 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 35 


erwähnt': ‚‚Ich selber bin Augenzeuge gewesen, dass ein Weib- 
- chen von Sphinz Ligustri, das während der Nacht in meinem 
Zimmer sich aus der Puppe entwickelt hatte, und am Morgen 
darauf an einer Nadel gespiesst ward, am zweiten Tage zahl- 
reiche Eier legte, aus denen sich Raupen eben so entwickelten, 
als wenn eine Begattung mit einem Männchen stattgehabt 
hätte, was ganz gewiss nicht der Fall war.‘“ Wenn wir uns 
aber an das erinnern, was oben von den Theresianern und 
von Scheven mitgetheilt worden ist, so wird die einfache 
Versicherung des Treviranus, dass bei diesem Sphinx- 
Weibchen keine Begattung stattgefunden habe, nicht ausrei- 
chen, um alle Zweifel darüber zu beseitigen, ob nicht heimlich 
und unbemerkt ein Männchen herbeigekommen sei und mit 
jenem Weibchen die Begattung vollzogen habe, welche der 
Beobachtung des Treviranus um so eher entgangen sein 
konnte, da derselbe gewiss nicht vorher an eine Parthenogene- 
sis gedacht und das aufgespiesste Weibchen scharf bewacht 
haben wird. Noch unzureichender sind die ganz kurzen Mit- 
theilungen Burmeister’s?*, in welchen nichts weiter gesagt 
ist, als dass Dr. Al. v. Nordmann unlängst bei Smerinthus 
Populi eine spontane Entwicklung beobachtet habe und dass 
von Gastropacha potatoria ein ähnliches Beispiel bekannt ge- 
worden sei. Auch Lacordaire’s Angaben? über Lucina sine 
concubitu bei Gastropacha Pin’ und über einen von Carlier 
beobachteten Fall, nach welchem aus einer Ziparis dispar drei 
Generationen ohne Begattung hervorgegangen seien, können 


nur mit Misstrauen aufgenommen werden, indem sie jede 


1) S. dessen vermischte Schriften anatomischen und physiologischen 
Inhalts. Band IV. 1821. pag. 106. 

2) Vgl. dessen Handbuch a. a. O. pag. 337. 

3) 8. dessen Introduction a. a. O. pag. 393. 


36 Beleuchtung der bisher für 


nähere Beschreibung der etwa angewendeten Vorsichtsmass- 
regeln, welche bei diesen Beobachtungen nothwendig sind, 
vermissen lassen. 

Einen anderen Fall von Parthenogenesis behauptet Plie- 
ninger beobachtet zu haben'!. Derselbe hatte nämlich einige 
Weibchen von Gastropacha Quercus aus Raupen gezogen und 
gleich nach dem Auskriechen aufgespiesst. Dieselben legten, 
während sıe auf der Nadel steckten, ihre Eier ab, von denen 
ein grosser Theil fruchtbar war, obschon hier sicher, wie 
Plieninger behauptete, keine Befruchtung stattgefunden 
hatte. Die fruchtbaren Eier unterschieden sich, fügte derselbe 
hinzu, dadurch von den unfruchtbaren, dass sie nicht, wie 
letztere zusammenfielen, sondern ihre Rundung bis zum Aus- 
kriechen der jungen Raupen behielten. Ob Plieninger 
das Auskriechen der Raupen aus jenen Eiern auch wirklich 
abgewartet und gesehen hat, ist nicht erwähnt worden. Neh- 
men wir nun auch an, dass das Ausschlüpfen der Räupchen 
in vorliegendem Falle auch wirklich erfolgt ist, so wird diese 
Erscheinung Herrn Plieninger jedenfalls unerwartet ge- 
kommen sein und derselbe unterlassen haben, die aufgespiess- 
ten Weibchen bis zu dem Akte des Eierlegens mit der nöthigen 
Sorgfalt vor dem Herbeikommen lüsterner Männchen zu be- 
wachen. 

Noch muss ich zweier Fälle gedenken, welche gewöhnlich 
als Beweis für dieLucina sine concubitu herbeigezogen worden 
sind, aber beı näherer Betrachtung gar nichts mit unserer Frage 
zu thun haben. 


Der eine dieser Fälle betrifft den Spinner Orgyia gonostig- 


1) Vgl. Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte, Heft I. 
1848. oder Schleiden und Froriep’s Notizen aus dem Gebiete der 
Natur- und Heilkunde. Bd. VII. 1848. pag. 232. 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 97 


ma, dessen flügelloses Weibchen Goedart'! aus der Raupe 
zog und ohne Begattung fruchtbare Eier legen sah, welche 
Mittheilung nicht bloss Goedart, sondern auch Lister? und 
Goeze° in Erstaunen gesetzt hatte, allein schon Swammer- 
damm* und Reaumur’ haben von dieser Erzählung alles 
Wunderbare abgestreift, indem von ihnen nachgewiesen worden 
ist, dass Goedart die geflügelten Individuen dieser Spinner- 
Art gar nicht als die zu diesem Schmetterlinge gehörigen 
Männchen erkannt hatte, so dass er also, ohne es zu ahnen, 
die Männchen dieses Schmetterlings zugleich mit erzog, was 
höchst wahrscheinlich zu einer von ihm unbemerkt gebliebenen 
Paarung jenes Weibchens Gelegenheit gegeben haben konnte. 
Der andere Fall, welcher gewöhnlich noch als Beweis einer 
Parthenogenesis aufgezählt wird, bezieht sich auf die von 
Pallas® an Psyche graminella und Fumea nitidella gemachten 


Beobachtungen, welchen ich weiter unten (pag. 31) eine nähere 


1) Vgl. dessen Metamorphoseos et historiae naturalis pars secunda, 
de Insectis. 1662. pag. 106. Experim. XXX. 

2) Vgl. Joh. Goedartius de Insectis cum notularum additione. 
Opera Lister. 1685. Nr. 78. b. pag. 190. 

3) 8. dessen entomologische Beiträge, dritten Theiles dritter Band. 
1781. pag. 9. Ich muss hier übrigens bemerken, dass Goeze mit Unrecht 
aus Lister (Goedart) Nr. 7S a. und b. zu Bombyx antiqua eitirt hat, 
statt Nr. 79 zu citiren. In einem Exemplare der Goedart’schen Meta- 
morphosis mit kolorirten Abbildungen, das ich hier vor mir habe, ersieht 
man deutlich, dass die daraus in der Lister’schen Ausgabe kopirten 
Schmetterlinge und Raupen von Nr. 78 a. und b. zu Orgyia gonostigma 
und Nr. 79 zu Orgyia antiqua gehören. 

4) Vgl. dessen Bibel der Natur. 1752. pag. 15 und 227. 

.5) 8. dessen M&moires pour servir A l’histoire des Insectes. Tom. I. 
Part. 1. 1737. 12°. pag. 409, 

6) Vgl. Nov. Acta physico-medica academiae naturae curiosorum. 
Tom. III. 1767. pag. 430: Phalaenarum Biga, quarum alterius Femina 
artubus prorsus destituta, nuda atque vermiformis, alterius glabra quidem 
et impennis, attamen pedata est, utriusque vero, sine habito cum masculis 
commercio, foecunda ova parit. 


38 Beleuchtung der bisher für 


Betrachtung widmen werde. Auch diejenigen Fälle von Lucina 
sine concubitu, welche man bei Bienen und Gallwespen beo- 
bachtet haben will, übergehe ich hier, da ich dieselben eben- 
falls später einer besondern Kritik unterwerfen muss. 
Uebersehen wir noch einmal alle bisher aufgeführten Fälle, 
welche eine Parthenogenesis nachweisen sollten, so stimmen 
dieselben insgesammt darin überein, dass die angeblich spon- 
tane Entwicklung der Brut von den Beobachtern zufällig und 
unvorhergesehen bemerkt wurde, wobei also alle diejenigen 
Vorsichtsmassregeln, welche zur Erlangung einer sicheren allen 
wissenschaftlichen Forderungen entsprechenden Beobachtung 
erforderlich sind, versäumt waren. Aus diesem Grunde müssen 
wir daher die Richtigkeit der Folgerungen, welche die oben 
genannten Naturforscher aus ihren Beobachtungen gezogen 
haben, um so mehr bezweifeln, dagerade diesen Beobachtungen 
andere entgegengestellt werden können, welche von Anfang an 
in der Absicht angestellt worden sind, um über die Möglichkeit 
einer spontanen Entwicklung unbefruchteter Insekten - Eier 
Gewissheit zu erhalten, und bei Anwendung aller nöthigen 
Vorsichtsmassregeln nur negative Resultate geliefert haben. 
Als Gewährsmänner hierfür kann ich mich auf die vielfachen 
Erfahrungen des Reaumur, Rösel und der Theresianer 
berufen, welche aus den von ungepaarten Schmetterlingsweib- 
chen abgelegten Eiern niemals Räupchen erhalten haben. 
Von Keferstein sind nach seiner Aussage direkte Versuche 
angestellt worden, aus unbefruchteten Schmetterlings-Eiern 
Räupchen zu ziehen, wobei derselbe aber immer zu einem ne- 
gativen Resultate gekommen ist!. Aber auch den oben mitge- 
theilten von Blancard undAudebert an Spinnen gemachten 
unzuverlässigen Erfahrungen über Parthenogenesis lässt sich 


1) S. entomologische Zeitung. 1842. pag. 90. 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 39 


eine Beobachtung entgegensetzen, welche beweist, dass auch 
die Spinnen bei ihrer Fortpflanzung den allgemeinen physio- 
logischen Gesetzen unterworfen sind. Blackwall' erzog 
nämlich mehrere junge Weibchen von Agelena labyrinthica, 
Tegenaria domestica und Tegenaria eivilis ganz isolirt und 
abgeschlossen in durchsichtigen Gläsern; nachdem dieselben 
durch jahrelange Pflege und Fütterung erwachsen waren, leg- 
ten dieselben in ihrem jungfräulichen Zustande Eier, aus wel- 
chen sich keine Brut entwickelte. 

Die durch diese direkt angestellten Beobachtungen erhal- 
tenen negativen Resultate waren an und für sich schon Grund 
genug, die Richtigkeit der oben angeführten Fälle von angeb- 
licher Parthenogenesis zu bezweifeln ; dass man aber überhaupt 
dergleichen Beobachtungen, welche nur zufällig gemacht, und 
nicht mit Vorbedacht angestellt werden, mit dem grössten 
Misstrauen aufnehmen darf, weil bei solcher Gelegenheit so 
leicht Täuschungen mit unterlaufen, darüber geben folgende 
briefliche Mittheilungen die gründlichsten Belege. Herın W. 
v. Langsdorff in Lahr verdanke ich nachstehende Notiz: 
„Es entwickelte sich ein Weibchen von Gastropacha Quereus, 
das ich aus dem Raupenkasten, der in meinem Garten stand, 
in mein Cabinet, welches hinter zwei Zimmern liegt, trug und 
in eine unbedeckte Schachtel setzte; die Thüren standen, weil 
es hoher Sommer und sehr heiss war, halb offen; als ich nach 
einiger Zeit wieder kam, fand ich dieses Spinnerweibchen in 
Begattung mit einem Männchen, das aber bei meiner Ankunft 
schnell davonflog; dieses Weibchen legte mir natürlich be- 
fruchtete Eier, andere Weibchen von G. Quercus, die bald 
nachher ausschlüpften,, legten, da ich sie sorgfältig verschlos- 
sen hatte, zwar auch Eier, welche nachher aber einschrumpf- 


i) 5. dessen Versuche an Spinnen in den Annals of natural history. 
1845. Tom. XV. pag. 227. 


30 Beleuchtung der bisher für 


ten, da sie unbefruchtet waren. Wäre ich nun etwas später 
gekommen, wo das Männchen schon entflohen war, so würde 
auch ich vielleicht getäuscht worden sein, da das Spinnerweib- 
chen sich ganz an derselben Stelle befand, wo ich es hingesetzt 
und ich nicht hätte vermuthen können, dass ein Eichenspin- 
ner- Männchen so unbemerkt durch zwei Zimmer, in welchen 
sich zudem mehrere Personen befanden, bıs in ein drittes durch- 
schlüpfen konnte.‘“ Herr v. Heyden schrieb mir vor einiger 
Zeit: ‚„Merkwürdig ist es übrigens, mit welcher Schärfe ge- 
wisse Schmetterlings-Männchen ihre Weibchen auswittern. 
‘ Ich sah vor mehreren Jahren eine Anzahl Männchen der 
Psyche pulla ein verschlossenes Fenster meiner Stube von aus- 
sen umschwärmen und mehrere sich an die Scheiben setzen ;' 
hierdurch aufmerksam gemacht, bemerkte ich, dass sich Weib- 
chen dieser Art in einer innerhalb der Stube stehenden Schachtel 
in der Nähe des Fensters entwickelt hatten. In der Nachbar- 
schaft meiner Wohnung war mir kein Fundort dieser Art be- 
kannt.‘“ Wie leicht wäre auch hier bei unvollständig verschlos- 
senen Fenstern eine Begattung der Psyche-Weibchen möglich 
gewesen und unbeobachtet geblieben! Welchen unerwarteten 
Täuschungen man bei solchen Beobachtungen ausgesetzt sein 
kann, lehrt noch eine von Lucas gemachte Mittheilung', 
nach welcher aus den beiden in einem gemeinschaftlichen 
Seidenwurm -Gespinnste eingeschlossenen Puppen sich ein 
männlicher und ein weiblicher Schmetterling entwickelten. Es 
wäre möglich, dass, wenn zufällig beide Schmetterlinge in 
einem solchen gemeinsamen Cocon zugleich die Puppenhülle 
abstreiften, sie sich innerhalb des Cocons trotz des engen Rau- 


mes hätten begatten können; hätte alsdann das Weibchen 


1) Vgl. Annales de la societe entomologique de France. Tom. Ill. 
1845. pag. LXXXII. 


Be 


Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 31 


allein den Cocon verlassen und entwicklungsfähige Eier gelegt, 
wie leicht könnte nicht das zurückgebliebene Männchen über- 
sehen und der Fall für eine Fortpflanzung sine concubitu ge- 


halten worden sein’? 


Wahre Parthenogenesis bei einigen Sackträger- 
Schmetterlingen. 


Aus dem bisher Mitgetheilten konnteich mich nichtüberzeu- 
gen, dass die Möglichkeit einer wahren Parthenogenesis in der 
Insektenweltohne allen Zweifel festgestellt sei. In welcher Weise 
die von den Psychiden immer wieder erzählten Beobachtungen 
einer Parthenogenesis aufzunehmen und zu deuten seien, habe 
ich in einemfrüheren Aufsatze derZeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie nachgewiesen'! Eine Täuschung ist hier um so leichter 
möglich, da die ausgeschlüpften fusslosen Weibchen der Gat- 
tung Psyche sich innerhalb des ehemaligen Raupensackes be- 
gatten und nach der vollzogenen Begattung wieder in die Pup- 
penhülse zurückkriechen, um. sie mit befruchteten Eiern zu 
belegen. Ein solches befruchtetes in ihre Puppenhülse voll- 
ständig zurückgezogenes Psyche-Weibchen ist schon oft für 
einnoch unausgeschlüpftes jungfräuliches Individuum gehalten 
worden, dessen Fähigkeit entwicklungsfähige Eier zu legen 
denjenigen, der die Lebensweise der echten Psychen nicht 
kannte, in Erstaunen setzen musste, denjenigen aber, der mit 
diesen Geheimnissen vertraut war, nicht im geringsten über- 
raschen konnte. Auch die nach der neueren Systematik von 
den echten Psychiden getrennten und der Gattung Fumea 
beigezählten Sackträger können zu ähnlichen Täuschungen 


Veranlassung geben, indem ihre mit sechs entwickelten Füssen 


1) Vgl. diese Zeitschrift. Bd. I. 1849. Ueber die Fortpflanzung von 
Psyche. pag. 9. 


u 


32 Wahre Parthenogenesis 


versehenen Weibchen zwar nach dem Ausschlüpfen den ehe- 
maligen Raupensack verlassen und sich ausserhalb am Sacke 
festklammernd die Männchen erwarten, aber nach erfolgter 
Begattung die im Sacke zurückgebliebene Puppenhülse ver- 
mittelst ihrer Legeröhre vollständig mit befruchteten Eiern 
nebst Afterwolle von unten bis oben so vollstopfen, dass die 
pralle Puppenhülse, deren dehiscirter Vorderrücken dabei ganz 
zugedrückt ist und deshalb geschlossen zu sein scheint, sehr 
leicht mit einer noch nicht ausgeschlüpften Puppe verwechselt 
werden kann. | 
Nachdem ich auf diese wichtigen Momente aus der Lebens- 
geschichte der Psychiden aufmerksam gemacht hatte, erhielt 
ich nichts destoweniger von verschiedenen Lepidopterologen 
die Zusicherung, dass sie an Psychiden dennoch eine Parthe- 
nogenesis beobachtet hätten und sicher seien, sich darüber 
keiner Täuschung ausgesetzt zu haben. Alle näheren Angaben | 
bezogen sich auf solche Species von Sackträgern, welche gegen- 
wärtig nicht mehr als echte Psychiden betrachtet, sondern als 
Gattung Talaeporia oder richtiger Solenobia den Tineiden bei- 
gezählt werden. 

Ich fühlte mich durch solche Mittheilungen angeregt, die- 
sen kleinen Sackträgern, welche ich bisher ziemlich ausser 
Acht gelassen hatte, eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuzu- 
wenden, wobei ich, damals in Freiburg, mich der Unterstützung 
des Herın Reutti, eines sehr tüchtigen und zuverlässigen 
Lepidopterologen, zu erfreuen hatte. Es boten sich zu unseren 
Beobachtungen die beiden in der nächsten Umgebung von 
Freiburg sehr häufigen Arten Solenobia lichenella Linn. und 


Solenobia triquetrellaF.v.R.dar', vonwelchen ich nach meiner 


1) In Hinsicht der Bestimmung dieser beiden Sackträger-Arten ver- 
weise ich auf Zeller’s klassische Beschreibung der Tineaceen-Gattungen 
in der Linnaea entomologica. Bd. 7. 1552. pag. 343, 


A 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 33 


Uebersiedelung von Freiburg nach Breslau ‘an letzterem Orte 
viele Exemplare auffand und benutzen konnte, auch in Berlin 
sammelte ich zu zwei verschiedenen Malen eine grosse Menge 
Säcke dieser beiden Solenobien ein, so dass ich während der 
Jahre 1850, 1851 und 1852 viele hunderte dieser Säcke bei- 
sammen hatte, aber zu meinem grössten Erstaunen schlüpften 
aus allen diesen Säcken nur weibliche Individuen hervor', nur 
ein einziger Fundort hatte mir auch ein paar Männchen von 
Solenobia triquetrella geliefert. 

Ich konnte beobachten, dass diese jungfräulichen Sack- 
träger-Weibchen, welche ich stets in kleinen mit Glasdeckeln 
verschlossenen Behältern überwachte, sich ähnlich wie die 
Weibchen von Fumea nitidella äusserlich an ihrem Sacke mit 
ihren Füssen festklammerten und durch Hineinschieben der 
Legeröhre den Sack mit Eiern anfüllten ; übrigens wichen diese 
weiblichen Solenobien von den Fumea-Weibchen dadurch ab, 
dass erstere beim Ausschlüpfen und Hervorkriechen die Pup- 
penhülse ganz aus dem Sacke mit hervorzogen. Derselbe blieb 
dann anfangs mit seiner Endspitze noch einige Zeit in der hin- 
teren freren Mündung des festgesponnenen Sackes lose stecken, 
fiel aber auch oft ab, so dass also dıe Solenobien-Weibchen ihre 
Eier immer unmittelbar in den Sack legen. Ganz ähnlich ver- 
fahren auch die Weibchen der den Solenobien zunächst stehen- 
den Sackträger-Gattung Talaeporia bei dem Ausschlüpfen und 
Eierlegen. 

Was mir .bei dem Benehmen der Solenobien-Weibchen 
noch besonders aufliel, war der Umstand, dass dieselben sehr 


bald nach dem Ausschlüpfen ihr Legegeschäft beginnen , wäh- 


1) Auch Wocke sammelte in der Umgegend von Breslau gegen 600 

Säcke der Solenobia lichenella, aus denen er nicht ein einziges Männchen 

erhielt. Vgl. den ein und dreissigsten Jahresbericht der schlesischen Ge- 
sellschaft für vaterländische Cultur über das Jahr 1853. pag. 182. 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 3 


u 


34 | Wahre Parthenogenesis 


rend die Weibchen von Fumea mit dem Eierlegen so lange 
warten, bis sie sich begattet haben, wobei viele der letzteren 
in meinen Zwingern, in denen es zuweilen an Männchen fehlte, 
über das vergebliche Warten in ihrem jungfräulichen Zustande 
hinstarben, ohne vorher sich der Eier entledigt zu haben. Die 
Solenobien- Weibchen besassen dagegen einen so heftigen Drang 
zum Eierlegen, dass sie, wenn ich sie von ihrem Sacke ent- 
fernte, ihre Legeröhre tastend nach der Mündung des Sackes 
umherschoben und zuletzt ihre Eier frei fallen liessen. Hatte 
ich mich nun schon an diesen männerlosen Solenobien über 
den Eifer des Eierlegens verwundert, wie erstaunte ich erst, 
als aus allen Eiern dieser Weibchen, von deren jungfräulichem 
Zustande ich auf das Bestimmteste überzeugt war, Räupchen 
hervorschlüpften ', welche mit grösster Emsigkeit nach Material 
zum Anfertigen kleiner Säckchen umhersuchten.. 

Nachdem ich im Frühjahre 1850 zuerst durch diese Er- 
scheinung überrascht worden war, musste ich überzeugt sein, 
dass sich De Geer, Scriba und Speyer, welchevon diesen 
Thieren fruchtbare Eierlegung ohne vorhergegangene Begat- 
tung berichteten, nicht getäuscht hatten, wie ich dies früher 
vermuthete?, dennoch konnte ich mich noch nicht überreden, 
dass dieses Phänomen als Parthenogenesis zu deuten sei, son- 
dern ich glaubte in der ganzen Erscheinung vielmehr eine der 
Fortpflanzung der Aphiden analoge geschlechtslose Vermehrung 
zu erkennen, indem ich die Solenobien-Weibchen, welche ohne 


Begattung entwicklungsfähige Eier gelegt hatten, für ge- 


1) Dieses fruchtbare Eierlegen ohne vorausgegangene Begattung 
wurde bei Solenobia lichenella auch von Wocke (a. a. O. pag. 182) und 
Reutti (s. die Beiträge zur rheinischen Naturgeschichte. Heft 3. 1853. 
pag. 176) beobachtet. ’ 

2) S. meine Abhandlung über die Fortpflanzung von Psyche. a. a. O. 


gc 
pag. 99. 


| 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 35 


schlechtslose Ammen hielt, wobei ich mich damit beruhigte, 
dass ein Generationswechsel ın der Insektenwelt nicht bloss 
bei den Blattläusen, sondern auch bei einigen Schmetterlingen 
vorkomme!. Später stieg jedoch in mir der Gedanke auf, dass 
sich durch eine genaue Zergliederung dieser fraglichen Soleno- 
bien-Ammen zwischen diesen und den Solenobien-Weibchen 
ein noch viel grösserer anatomischer Unterschied herausstellen 
müsste als zwischen den lebendige Junge gebärenden Blattlaus- 
Ammen und den eierlegenden weiblichen Blattläusen®, denn 
bekanntlich besitzen alle Schmetterlingsweibchen zwei Ge- 
schlechtsöffnungen hintereinander, von denen die äusserste 
oder hinterste zum Absetzen der Eier dıent, während die vor 
dieser (nach vorne) gelegene zweite Oeffnung bei dem Begat- 
tungsakte das männliche Zeugungsglied aufzunehmen hat. 
Waren jene, entwicklungsfähige Eier legenden Schmetterlinge 
Ammen, so erwartete ich bei ihrer genaueren Untersuchung 
weder äusserlich die zweite Geschlechtsöffnung noch innerlich 
die Begattungstasche (bursa copulatrix) und den Samenbehäl- 
ter (receptaculum seminis) anzutreffen, welche Theile ich bei 
allen weiblichen Schmetterlingen bisher vorgefunden hatte®. 
Ich wurde aber in meinen Erwartungen gänzlich getäuscht, 
denn alle jene von mir anfangs für Ammen gehaltenen Talaepo- 
rien gaben sich ohne Ausnahme als vollständig entwickelte 
Schmetterlings-Weibchen zu erkennen, alle besassen die doppelte 
Geschlechtsöffnung, die bursa copulatrix und das receptaculum 


seminis in derselben Weise angeordnet und ausgebildet, wie sie 


1) S. meine Bemerkungen über Psychiden, in dem Jahresbericht der 
schlesischenGesellschaft für vaterländischeCultur über dasJahr!850.pag.S4, 
auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung. 1551. pag. 341. oder in the 
transactions of the entomological society of London. Vol. 1. 1551. pag. 234. 

2) Vgl. Froriep’s neue Notizen, Bd. XI. a. a. O. 

3) 8. Müller’s Archiv. 1837. pag. 417. 


Ye 


36 Wahre Parthenogenesis 


sich bei den übrigen Schmetterlingsweibchen vorfinden. Immer 
waren Begattungstasche und Samenbehälter vollständig leer 
und unausgedehnt. Auch war kein Unterschied zwischen den 
Eierstöcken (nach Zahl, Form und Inhalt) dieser vermeintlichen 
Ammen und zwischen denselben Organen der weiblichen 
Schmetterlinge herauszufinden, kurz ich überzeugte mich auf 
das Bestimmteste, dass ıch es hier nicht mit Ammen, sondern 
mit jungfräulichen Weibchen zu thnn hatte!. 

Nach dieser Entdeckung dürfte der Name Partheno- 
genesis, welche der englische Naturforscher Owen auf den 
Generationswechsel bezieht, recht eigentlich für den eben von 
mir beschriebenen Fortpflanzungs-Hergang der Solenobia tri- 
quetrella und lichenella die passendste Bezeichnung sein. 

Die beiden eben genannten Sackträger-Arten sind übrigens 
nicht die einzigen Repräsentanten der wahren Parthenogenesis, 
ein noch ebenso auffallendes Beispiel von jungfräulicher Fort- 
pflanzuug eines weiblichen Insektes bietet die Psyche Helix 
dar. Von diesem höchst merkwürdigen Schmetterling kennt 
man bis jetzt mit Sicherheit nur das Weibchen. Dasselbe lebt 
als Raupe in einem Sacke, der in seiner Gestalt einem links 
gewundenen Schnecken -Gehäuse ähnlich sieht, auf welche 
Aehnlichkeit sich auch der von mir gegebene Artname dieser 
Psyche bezieht. 

Der Sack der Psyche Helix besitzt fast die Grösse einer 
kleinen Erbse (meistens 2 Lin. rhnl. hoch und ebenso breit) 
zeigt dritthalb Schneckenwindungen (Fig. 1—3) und besteht 
aus einem weisslichen festen Gewebe, dasäusserlich mit kleinen 


Erdtheilen dicht und fest bedeckt ist. Die Farbe des Sackes ist 


1) Ich habe auf diese Thatsache schon bei der Versammlung der deut- 
schen Naturforscher zu Gotha aufmerksam gemacht, wie aus der kurzen 
Anzeige im Tagblatt der 2Sten Versammlung deutscher Naturforscher und 
Aerzte, Nr. 3. pag. 28 erhellt. 


ai 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 37 


meistens erdgrau, doch kommen in gewissen Gegenden auch 
schwärzlich oder rothbraun gefärbte Säcke vor, was wohl mit 
der Farbe des Erdbodens zusammenhängt, von welchem diese 
Sackträger zum Theil das Material zu ihren Säcken hernehmen. 
Hier und da kommen auch einzelne Gehäuse vor mit aufge- 
wundenen Windungen (anfractibus devolutis). Die oberste 
engste halbe Windung ist immer sehr undeutlich vorhanden 
und erscheint meistens zusammengefallen. Da wo die zweite 
Windung beginnt, befindet sich immer eine seitliche Oeffnung 
(Fig.2,3,und6 a), deren Ränder gewöhnlich niederliegen und den 


Eingang in die Höhle der Windung verdecken'). Wenn die 


1) Ausser Psyche Helix giebt es noch andere Insekten, deren Larven 
als Sackträger einen schneckenhausförmigen Sack anfertigen. Unter der 
Gattung Psyche selbst kömmt noch eine Species vor, deren Raupen wie 
Psyche Helix einen spiralig. gewundenen Sack mit sich herumtragen. Ich 
besitze durch die Güte des Herrn Zeller in Glogau und des Herrn Dr. 
Rosenhauer in Erlangen zwei in Sicilien und Spanien aufgefundene 
erdfarbene schneckenhausförmige Säcke mit ganz flachen Windungen 
(Fig. 15—17). Sie sind fast dreimal so gross wie die Säcke von Psyche 
Helix, und gehören ihrer abweichenden Gestalt und ihrer Grösse nach 
einer anderen Art an, die ich vorläufig Psyche Planorbis nennen will. 
Beide Säcke sind wie die der Psyche Helix mit feinen aufgekitteten Erd- 
und Sandkörnchen bedeckt. Hinter der obersten engsten halben Windung 
befindet sich ebenfalls ein seitliches Loch, welches von einer hier stattfin- 
denden Unterbrechung in den Wandungen des Sackes herrührt (Fig. 15a). 
Auch in der Familie der Phryganiden kommen Larven vor, welche ein 
spiralig gewundenes Gehäuse bauen. Die erste Notiz darüber lieferte 
Schuttleworth (in den Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft 
in Bern, Bd.I. Nr. 3. Juni. 1843. pag. 20), welche ich, da sie wenig bekannt 
geworden ist, hier wörtlich wiedergeben will. Die betreffenden Worte 
lauten: ‚‚Unter den von Blauner in Corsica gesammelten Molluscen 
befand sich noch eine ziemlich bedeutende Anzahl eines, zuerst für eine 
unbeschriebene Valvata gehaltenen Gehäuses, welches mit der Valvata 
arenifera Lea aus Nordamerika.(s. Lea: Observ. pag. 114. Tab. XV. 
fig. 36a und b) nahe verwandt, wo nicht identisch zu sein schien. Das 
vollkommen regelmässige, spiralig gewundene Gehäuse besteht aus einer 
sehr feinen durchsichtigen Membran, auf welcher sehr kleine Sandkörnchen 
und Steinchen mit allergrösster Regelmässigkeit befestigt sind. Die zirkel- 
runde Mündung wird durch einen sehr zarten, scheinbar spiralig gewun- 


Be 


: Wahre Parthenogenesis 


Raupe ihre Fäces entleert hat, schiebt sie dieselben aus dieser 


Oeffuung heraus, wobei sich die Ränder der letzteren etwas 


denen, membranösen Deckel geschlossen. Die allgemeine Form, wie auch 
die Dimensionen, erinnern auffallend an die Valvata depressa Pf. In allen 
noch mit Deckeln versehenen Individuen fand sich entweder die Larve 
oder die Nymphe eines, wahrscheinlich zur Gattung Phryganea gehören- 
den Insektes, das, halbspiralig gebogen, einzeln in jedem Gehäuse lag, vor. 
Unter dem Mikroskope zeigten die Deckel. ausser der oben berührten spi- 
raligen oder regelmässig concentrischen Struktur, eine dem Innenrande 
parallel laufende excentrische Längsöffnung. Exemplare der Valv. areni- 
fera Lea, die ich kürzlich aus Wien erhielt, zeigen genau die gleiche Bil- 
dung sowohl des Gehäuses als des Deckels. In Reaumur: Mem. pour 
serv. Y’'hist. des Insect. Tom. III. pag. 193. Tab. 15. Fig. 22—24 findet sich 
eine kurze Beschreibung und Abbildung eines (auch in der Schweiz vor- 
kommenden spiralig gewundenen) Phryganea-Gehäuses. Diese Reaum.Art 
aber weicht in jeder anderen Beziehung von der oben beschriebenen Art ab, 
und scheint auch keinen Deckel zu besitzen.‘‘ Das von Schuttleworth 
zuletzt erwähnte Gehäuse gehört zu Psyche Helix, das andere einer Val- 
vata ähnliche Gehäuse dagegen ist davon sehr verschieden (s. meine Abbild. 
Fig. 18—22) und rührt gewiss von einer Phryganide her. In Bremi’s 
Sammlung zu Zürich sah ich verschiedene Gehäuse dieser Phryganide, 
welche theils auf Corsica theils am Comer See gesammelt waren. Bremi 
hat die fragliche Phryganide, von der diese spiraligen Gehäuseabstammen, 
Helicopsyche Shuttleworthi genannt; später wurden ihm mehrere Exem- 
plare eines kleineren ähnlichen Gehäuses aus einem Bache von Portorico 
zugeschickt, deren Bewohner Bremi mit dem Namen Helicopsyche mini- 
ma bezeichnete. Ich erhielt durch die Güte desHerrn Bremi von beiden 
Arten einige Exemplare, welche in ihrer Struktur von den Säcken der 
Psyche Helix wesentlich verschieden sind. Was ihre Grösse anlangt, so 
haben die grössten Säcke der Helicopsyche Shuttleworthi einen Querdurch- 
messer von 2 Lin. rhl. und die von Helicopsyche minima einen Querdurch- 
messer von I! Lin. rhl. Ein Hauptunterschied zwischen diesen Phryganiden- 
Gehäusen und den spiraligen Psychiden-Säcken besteht darin, dass, wäh- 
rend bei Psyche Helix äusserst feine Sandkörnchen äusserlich dem weissen 
Gewebe der Sackwandungen als Beleg aufkleben,, bei Helicopsyche grös- 
sere vieleckige Sandpartikelchen dicht aneinander gekittet von innen und 
aussen die Wände des Gehäuses unmittelbar und allein bilden. Ferner 
verschliessen die Psyche-Raupen ihre Säcke niemals mit einem Deckel. 
Dass aber in der That die Helicopsyche-Säcke von einer Phryganide her- 
rühren, erkannte ich aus dem Inhalte, den ich aus zweien noch bedeckel- 
ten Gehäusen der Helicopsyche minima hervorzog. Derselbe bestand aus 
einer vertrockneten Puppe, welche in ihrer Form der Beine, der langen 


ai 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 39 


heben. Diese seitliche Oeffnung des Sackes rührt eigentlich 
von einer Unterbrechung her, welche an dieser Stelle die Wan- 
dung des Sackes fast an ihrem ganzen Querdurchmesser er- 
kennen lässt. Der Leib der Raupe ist zwar auch spiralig ge- 
krümmt (Fig. und 7), derselbe entspricht jedoch in Form und 


Fühler, der behaarten vier Flügelstummel und der beiden Beiss-Kiefer 
ganz an eine Phryganide erinnerte. Die von Lea (in seinen Observations 
on Najades and descriptions of new species. vid. Transactions of the ame- 
riean philosophical society Vol. IV. Philadelphia. 1534. pag. 104. Pl XV. 
Fig. 36 a, b. Vergl. die von mir gelieferte Copie Fig. 23, 24) gegebene Be- 
schreibung seiner Valvata arenifera lautet wie folgt: Testa orbiculata, con- 
vexa; anfractibus tribus, qui arenis agglutinatis operiuntur; umbilico la- 
to; spira obtusa. Hab. Cumberland river near Nashville. Length four- 
twentieths of an inch. Ztemarks. This very curious and interesting species 
was among thefresh water shells so disinterestedly senttome bytheLyceum 
of Natural History of NewYork to be examined and inserted in this paper. 
It has the singular property of strengthening its whirls by the agglutina- 
tion of particles of sand etc. by which it is entirely covered, and in this 
character it resembles the Trochus agglutinans Lam. (Trochus conchylio- 
phorus Authors). 'The apex in all the specimens which J have had an 
opportunity of examing is broken. The operculum was observed in two 
specimens sufficiently perfect to exhibit a striated horny structure. 

Die mir von Bremi mitgetheilten Säcke der Helicopsyche minima 
stimmen fast vollständig mit diesem von Lea beschriebenen und kolorirt 
abgebildeten Gehäuse der Valvata arenifera überein. Sogar die bronze- 
grüne Farbe haben sie miteinander gemein. Die Anwesenheit eines 
Deckels spricht übrigens auch für die Abstammung dieser Gehäuse von 
einer Phryganide, da die Sackträger der Schmetterlinge keine Deckel an- 
fertigen, sondern ihrenSack mit seiner unteren Mündung immer an fremde 
Gegenstände festspinnen. Auch die Deckel, deren ich einige an meinen 
Exemplaren des Sackesvon Helicopsyche minima vorfand, hatten übrigens 
wie die bei Valvata arenifera ein gestreiftes Ansehen. Sie waren kleiner wie 
die Mündung der Säcke, und verschlossen dieselbe daher nur unvollständig. 
Mit dem Mikroskope betrachtet erkannte ich an diesen Deckeln eine fase- 
rige Struktur, welche von dicht aneinander klebenden verhältnissmässig 
groben Spinnfäden herrührten; am Rande dieser Deckel standen einzelne 
Spinnfäden hervor, durch welche derselbe mit der Mündung des Sackes 
verbunden war. An meinen Exemplaren der Säcke von Helicopsyche 
Shuttleworthi bemerkte ich keine Deckel, wahrscheinlich waren sie abge- 
fallen oder noch nicht angefertigt, als diese Säcke eingesammelt wurden. 


40 Wahre Parthenogenesis 


Länge nur der untersten Windung des Sackes. Auf diese Weise 
würde.es der Raupe nicht möglich sein, ihren Leib zur Entlee- 
rung der Fäces bis in die oberste engste Windung hinaufzu- 
schieben. Es. verlässt das Weibchen von Psyche Helix, wie 
alle Psyche-Weibchen, nach vollendetem Legegeschäft den mit 
seiner vorderen Mündung festgesponnenen Sack und benutzt 
dazu die seitliche Oeffnung in den hinteren Windungen des- 
selben, obwohl sich das Thier mit seinem eierleeren und ver- 
schrumpften Leib auch durch die hinterste Windung und durch 
die enge Oeffnung an der Spitze des Sackes herauszwängen 
könnte. Wahrscheinlich ist es aber noch ein anderer Umstand, 
der die Raupe instinktmässig antreibt, bei dem Ausbau und 
der Vergrösserung des Sackes unterhalb der obersten engsten 
Windung eine Seitenöffnung anzubringen, ich meine nämlich 
die etwaige Zulassung des Begattungsaktes, welcher hier beı 
der eigenthümlichen schneckenhausähnlichen Form des Sackes 
nur durch eine solche tiefer gelegene Seitenöffnung desselben 
ausgeführt werden könnte. 

Es ist dieser Sackträger zuerst von Reaumür erwähnt 
worden !), seitdem aber von den Entomologen gänzlich unbeach- 
tet geblieben. Erst in neuster Zeit wurde diesen schnecken- 
hausförmigen Raupensäcken eine grössere Aufmerksamkeit ge- 
schenkt. Ich wurde zuerst in Freiburg im Spätsommer 1849 
durch Herrn v. Heyden, dem die entomologische Wissen- 
schaft so viele interessante Entdeckungen verdankt, auf diesen 
Sackträger aufmerksam gemacht. Derselbe wurde auf dem 
Schlossberge bei Freiburg an Felsen festgesponnen von Hey- 


den entdeckt, später wurde dasselbe Thier auch an dem zwi- 


1) Vergl. dessen M&moires pour servir a P’histoire naturelle des insec- 
tes. Tom. III. Part. 1. edit. 12°. pag. 249. Pl. 15. Fig. 20—22, Abbildun- 


gen des Sackes von Psyche Helix (s. die Copie davon auf meiner Tafel 
Fig. 10—12). 


ai 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 41 


schen Freiburg und Basel gelegenen Isteiner Klotze aufgefun- 


den!. 


Von Zeller wurde mir dieser Sackträger aus der Um- 
gegend von Glogau mitgetheilt, ausserdem empfing ich mehrere 
ein paar Stunden von Wien bei Mödling eingesammelte lebende 
Exemplare durch die Güte Kollar’s, in dessen Gesellschaft 
ich selbst nachher (im Jahre 1850) an demselben Fundorte 
viele Exemplare einsammelte. Auch Dr. v. Frantzius über- 
brachte mir einige Exemplare dieser Sackträger aus Meran. 
Durch Herrich-Schäffer’s Vermittlung erhielt ich viele 
dergleichen Säcke aus derGegend von Teegernheim bei Regens- 
burg. Von Mann und Zeller ward dieser Sackträger auch 
in Sicilien beobachtet?. Ausser demvon Röaumur angegebe- 
nen Fundorte wurden kürzlich von Bruand noch Besancon 
und Dijon in Frankreich als Fundorte dieses Sackträgers be- 
zeichnet®. In Bremi’s Sammlung zu Zürich sah ich Exem- 
plare dieses Sackes, welche aus Tessin und Wallis eingesendet 
waren. Durch die Güte des Dr. Rosenhauer in Erlangen 
erhielt ich einen spiraligen Sack, der bei Malaga in Spanien 
aufgefunden ward, und seiner Grösse wegen vielleicht einer 
besonderen von Psyche Helix verschiedenen Art angehört. Die 
Form des Sackes ist ganz dieselbe, seine Breite beträgt aber 
3 Lin. und seine Höhe 2°, Lin. 

Als Futterpflanze wählt sich die Raupe der Psyche Helix 
‚verschiedene Pflanzen aus. Auf dem Schlossberge bei Freiburg 


1) Vgl. Reutti’s Uebersicht der Lepidopteren-Fauna des Grossher- 
zogthums Baden, in den Beiträgen zur rheinischen Naturgeschichte. Heft 
3. 1953. pag. 49. 

„ 2) Vgl. hierüber meine Bemerkungen über Psychiden in dem Jahres- 
bericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur über 1850. 
pag. 87. 

3) S. dessen Essai monographique sur la tribu des Psychides, in den 
Memoires de la societe d’Emulation du Doubs. Ann£e 1852. pag. 74. PI.II. 
Fig. 48b. (Sack von Psyche Helix). 


49 Wahre Parthenogenesis 


nährt sich diese Raupe von Artemisia vulgaris. Nach Zeller’s 
Zeugniss lebt dieselbe auch auf Anthyllis vulneraria, Lotus 
corniculatus und Gnaphalium arenarıium. Kollar fand die 
seinigen auf Atriplex laciniata. Von mir wurden diese Sack- 
trägerraupen bei Regensburg auf Alyssum montanum und Teu- 
crium Chamaedrys fressend beobachtet. Auch von Bruand 
wird angegeben, dass dieser Sackträger ausser auf Cheiranthus 
odoratus und Scabiosa arvensis am häufigsten auf Teucrium 
Chamaedrys angetroffen werde. Reutti fütterte diese Raupen 
mit Lamium purpureum, ich selbst ernährte sie mit Lotus cor- 
niculatus und Hippocrepis comosa. Es sind diese Sackträger 
nach Art derColeophoren-Raupen Blattminirer, indem sie sich 
mit ihrem Leib durch ein rundausgefressenes Loch tief zwischen 
die Epidermis-Platten der Blätter hineinschieben und das Chlo- 
rophyll rund um sich her verzehren, wobei der Sack aussen an 
der Oeffnung der Epidermisplatte mit seiner Mündung kleben 
bleibt. Die Blätter, auch sogar die bunten Blüthen der Futter- 
pflanzen werden auf diese Weise von den Sackträgern oft voll- 
ständig entfärbt. Die Raupen der Psyche Helix haben eine 
schmutzig weisse Farbe, der Kopf, die Beine, die drei Thorax- 
segmente und das Hinterleibsende besitzen eine derbe schwarz- 
braune Hautbedeckung. Die Einschnitte des Thorax sowie die 
Mittellinie desselben sind farblos (Fig. 2, 4, 6, 7). Aus dem 
Sacke herausgenommen behält dieRaupe, wenn sieherumkriecht, 
dieselbe sanftspiralige Krümmung ihres Leibes bei, wie innerhalb 
des Sackes. Sind diese Sackträger ausgewachsen, was im Spät- 
sommer der Fall ist, so verlassen sie nach Art der Psychiden- 
Raupen ihre Futterpflanzen und suchen einen passenden Ort 
zur Verpuppung auf. Sie kriechen, wenn sie in ihrer Nähe 
Stein- oder Felswände finden, an diesen in dieHöhe und spin- 
nen die untere weite Mündung ihres Gehäuses fest. Auch zur 


Ueberstehung des Häutungsprozesses spinnen sich jedesmal 


a 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 43 


diese Raupen, wie alle übrigen Sackträger, mit ihrem Gehäuse 
vorübergehend fest. Die Entwicklung des Schmetterlings er- 


folgt noch in demselben Jahre!. Untersucht man den festge- 


1) Es ist dieser Sackträger ebenso wie die übrigen Psychiden den 
Nachstellungen von Ichneumoniden ausgesetzt. Der Ichneumoniden-Para- 

sit von Psyche Helix gehört merkwürdiger Weise einer Chalcis an, während 
ich aus den Raupen der übrigen Psychiden noch nie eine Chalcis erzogen 
habe. Es scheint aber diese Chalcis, welche mir von Kollar unter dem 
Namen Chalecis nigra bezeichnet wurde, nicht sehr verbreitet vorzukom- 
men. Reaumur hat sie aus den Säcken der in Frankreich gefundenen 
Psyche Helix erhalten, wie aus der wiewohl sehr kurzen Notiz desselben 
hervorgeht (s. dessen M&m. pour serv. & Y’hist. des Insect. T. III. a.a, O- 
pag. 250); dann lieferten mir auch die bei Mödling eingesammelten Säcke 
sehr häufig diese Chaleis; dagegen schlüpfte aus mehr denn hundert Säk- 
ken, welche ich mir von Tegernheim bei Regensburg verschafft hatte, auch 
nicht eine Chalcis und überhaupt kein einziger Ichneumonide aus. Die 
Chalcis frisst sich immer an der Seite des Sackes zwischen der ersten und 
zweiten Windung nach aussen durch und hinterlässt ein der Grösse der 
Chaleis entsprechendes rundes Loch auf der äusseren Seite des Sackes 
(Fig. 1b). Es gehört diese Chaleis (Fig. 13, 14) nach Nees von Esen- 
beck’s Hymenopterorum Ichneumonibus affinium Monographiae Vol. II. 
pag. 27 zu den in Sectio II. (abdominis petiolo brevissimo) beschriebenen 
Arten der Gattung Chaleis, deren Species-Charakter sich in folgender Weise 
diagnosticiren lässt: nigra, pubescens, sutello in mediomarginis dente ob- 
tuso, femoribus posticis subtus obsolete unidentatis, tarsis piceis. Long. 
lin.1—1°/ Die übrigen von mir aus Psychiden-Raupen gezogenen Ichneu- 
moniden sind folgende: 
Campoplex difformis Gr. aus Fumea nitidella Ochsh. 

— —  laetus Rtzb. aus Fumea betulina Zell. 

— —  Jlugens Rtzb. aus Fumea nitidella und betulina. 

— —  psilopterus Gr. aus Solenobia lichenella L. 
Cryptus eborinus Rtzb. aus Fumea nitidella. 

—  spiralis Gr. aus Talaeporia pseudobombycella Ochsh. 
Hemiteles albipennis Rtzb. aus Solenobia triquetrella F. R. 

— — areator Gr. aus Psyche calvellaOchsh u. Fumea nitidella. 

— — elongatus Rtzb. aus Talaeporia pseudobombyecella. 

— — gastrocoelus Rtzb. aus Solenobia triquetrella u. lichenella. 

— — imbecillus Gr. aus Fumea nitidella. 

— — leucomerus Rtzb. aus Solenobia triquetrella F. R. 

— — melanarius Gr. aus Solenobia triquetrella. 

— — similis Gr. aus Psyche calvella. 

— — tristator Gr. aus Fumea nitidella. 


44 Wahre Parthenogenesis 


sponnenen Sack einer in der Verpuppung begriffenen Psyche 
Helix nach einiger Zeit, so findet man die Puppe in der unteren 
weiten Windung des Gehäuses und zwar mit dem Vorderende 
nach oben und mit dem Hinterende nach unten gegen die fest- 
gesponnene untere Mündung hin gerichtet. Zwischen dieser 
und dem Hinterleibsende der Puppe steckt dann immer die 
bei der letzten Häutung abgestreifte und verschrumpfte Rau- 
penhaut; es kehrt sich also auch diese Raupe, wie alle Psychi- 
den-Raupen nach Festspinnung des Sackes noch vor der eigent- 
lichen Verpuppung im Sacke um. In allen bis jetzt von mir 
untersuchten Säcken der verpuppten Psyche Helix, deren ich 
innerhalb sieben Jahren über anderthalbhundert Individuen 
zu beobachten Gelegenheit hatte, fand ich immer nureine weib- 
liche Puppe. Dieselbe ist unbeweglich, von gelbbrauner Farbe 
und mit sehr undeutlichen Leibeseinschnitten ; sie bietet einen 
der unteren Spiral-Windung des Sackes entsprechenden sanft 
spiralig gekrümmten Leib dar, der nach vorne etwas weniges 
verschmächtigt erscheint (Fig. 5). 

Der flügel- und fast fusslose weibliche Schmetterling, der 


sich aus dieser Puppe entwickelt, erscheint ebenfalls sanft spiralig 


Hemiteles I. nov. sp. aus Fumea betulina. 

— — 2.nov. sp. aus Talaeporia pseudobombycella. 
Microgaster longicauda W esm. aus Solenobia lichenella. 
Pezomachus agilis Gr. aus Psyche calvella. 

— —  eursitans Gr. aus Psyche graminella Ochsh. 

— —  geochares Först. aus Fumea nitidella. 

— — pedestris Gr. aus Psyche calvella u. Fumea nitidella. 

— — ., 1.nov. sp. aus Psyche calvella. . 

— — _ 2.nov. sp. aus Psyche calvella. 

Phygadeuon tenuipes Gr. (?) aus Fumea nitidella. 
Pimpla annulicornis Rtzb. aus Psyche graminella. 

—  examinator Gr. aus Psyche graminella, Fumea betulina und niti- 

della. 

— scanica Gr. aus Psyche calvella und Fumea nitidella. 
Pteromalus Zelleri Rtz b. aus Fumea nitidella. 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 45 


gekrümmt (Fig. $, 9). Seine Farbe ist grau mit einer sehr 
schwachen Bräunung aufdem Rücken der drei T'horaxsegmente. 
Das Vorderleibsende ist etwas verschmächtigt, der fühlerlose 
stark nach unten umgebeugte Kopf lässt sehr undeutliche, ganz 
verkümmerte Mundtheile erkennen ; zu beiden Seiten desselben 
machen sich zwei dunkle Pigmentflecke bemerkbar, die jedoch 
keine Augenfacetten enthalten. Der Hinterleib ist spärlich 
mit weisslichen Härchen besetzt. Die varıkösen Harngefässe 
leuchten hier und da mit weissgelber Farbe durch die Leibes- 
haut hindurch, ebenso die violett gefärbte Bauchganglien- 
Kette. Die Bewegungen dieser Psyche-Weibchen sind äusserst 
träge, wobei die sechs Füsschen der drei Thoraxsegmente als 
sechs ganz kurze kegelförmige Fortsätze sich kaum betheiligen. 
Eine Zergliederung, die ich mit mehreren dieser Thiere vor- 
nahm, gab mir die Ueberzeugung, dass ich wirklich weib- 
liche Insekten vor mir hatte; die innere und äussere Organi- 
sation ihrer Geschlechtswerkzeuge verhielt sich ganz wie bei 
den übrigen weiblichen Psychen. Die beiden Geschlechtsöff- 
nungen zeigten sich an allen Individuen vorhanden, ebenso die 
bursa copulatrix und das receptaculum seminis, welche beide 
natürlich immer leer waren. Die acht Eierstocksröhren enthiel- 
ten nur sehr wenige Eier. 

Diese weiblichen Schmetterlinge setzten , wie alle übrigen 
echten Psychen, ihre gelblichen Eier in die leere, stets im 
Raupensacke der Psychen zurückbleibende Puppenhülse ab, 
und schrumpften alsdann auf ein sehr geringes Volumen ein, 
worauf sie meistens den Sack durch die oben erwähnte seitliche 
Oeffnung verliessen und bald darauf abstarben. 

Die in der Puppenhülse verborgenen und unbefruchteten 
Eier kommen noch in demselben Jahre zur Entwicklung. Oeff- 
net man im Spätherbste oder im Winter einen festgesponnenen 


Sack der Psyche Helix, so findet man jedesmal im Innern der 


46 Wahre Parthenogenesis 


zurückgebliebenen Puppenhülse zehn bis vier und zwanzig junge 
rothgrau gefärbte Räupchen. An den leeren farblosen Eihüllen, 
die sich zerknittert zwischen den Räupchen auffinden lassen, 
ist unter dem Mikroskope die Mipropyle deutlich zu erkennen. 

Nachdem ich auf diese Weise bei Psyche Helix niemals 
eine andere Fortpflanzung als die durch Parthenogenesis er- 
kannt hatte, musste es mir. auffallen, dass es anderen Entomo- 
logen geglückt war, das Männchen von Psyche Helix zu erhal- 
ten. Bei näherer Betrachtung bleibt es aber doch zweifelhaft, 
ob die als Männchen der Psyche Helix ausgegebenen Schmet- 
terlinge auch wirklich zu Psyche Helıx gehörten. So wurde von 
Herrich-Schäffer das Männchen einer Psyche helicinella 
nebst dem Sacke von Psyche Helix abgebildet‘. Der abgebil- 
dete Schmetterling war von Mann in Sicilien entdeckt worden; 
da sich in dessen Nähe ein leerer Sack von Psyche Helix vor- 
fand, so glaubte Mann, dass jener Schmetterling aus diesem 
Sacke hervorgeschlüpft sei. Herrich-Schäffer lässt es 
übrigens selbst zweifelhaft, ob jener spiralige Sack auch wirk- 
lich zudem von ihm als Psyche helicinella abgebildeten Schmet- 
terling gehört habe, indem er sagt: ‚‚der Sack (ob wirklich 
dazu gehörig?) ist schneckenförmig, ohne Pflanzentheile, nur 
aus Sandkörnern gebildet.‘“ Aus diesem Grunde habe ich den 
Namen Psyche Helix, welchen ich den von mir aus den 
schneckenförmigen Säcken gezogenen weiblichen Schmetter- 
lingen gegeben habe, beibehalten, da es noch nicht erwie- 
sen ist, ob die Psyche helicinella des Herrich-Schäffer 
auch wirklich zu meiner Psyche Helix gehört. Gleich zweifel- 
haft verhält es sich mit dem von Bruand als Psyche heli- 
cinella beschriebenen und abgebildeten männlichen Schmetter- 


1) S. dessen systematische Beschreibung der Schmetterlinge von Eu- 
ropa. Bd. II. pag. 21. fig. 108, 109. 


bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 47 


ling'). Bruand beschreibt zu Psyche hhelicinella das Weibchen 
und die Sackträgerraupe meiner Psyche Helix, sagt aber aus- 
drücklich, dass er diese Sackträger niemals bis zur Entwicklung 
des Schmetterlings habe erziehen können”. Hiernach hat man 
also gar keine Bürgschaft, dass die von Bruand im Freien 
eingefangenen geflügelten Individuen der Psyche helicinella 
die Männchen von meiner ungeflügelten weiblichen Psyche 
Helix sind. Da die Psyche-Männchen sich mit ihren innerhalb 
des Sackes verborgenen Weibchen begatten und zu diesem Be- 
hufe ihren Hinterleib in die hintere freie Mündung des weib- 
lichen Sackes hineinschieben, wird auch das Männchen von 
Psyche Helix diese Handlung ebenso vornehmen und deshalb 
wahrscheinlich einen dem gewundenen Sacke des Weibchens 
entsprechenden gekrümmten Hinterleib besitzen. Eine solche 
Krümmung des Hinterleibes ist weder bei dem von Herrich- 
Schäffer noch bei dem von Bruand abgebildeten Männchen 
der Psyche helicinella wahrzunehmen, wodurch meine oben 
ausgesprochenen Zweifel noch mehr Anhalt gewinnen. Es sind 
also jedenfalls noch weitere Beobachtungen über die Existenz 
der männlichen Individuen von Psyche Helix anzustellen. Viel- 


leicht rührten jene beiden flachen spiraligen Säcke, welche ich 


1) S. dessen Essai monographique a. a. O. pag. 3. Pl. II. fig. 48a. 

2) Hierüber äussert sich Bruand.a.a.O. pag. 74in folgender Weise: 
Cette chenille est fort difficile a elever, et, pour ma part, apres trois essais 
successifs, j’ai renonce & obtenir le papillon en domesticite. Il est probable 
que quelques circonstances atmosph£riques (la rosee matinale, par exem- 
ple), sont necessaires A son &closion. La chenille se nourrit tres-bien jus- 
qu’au moment de sa transformation ; alors elle commence ä errer ca et la 
dans le vase ou la boite qui la renferme, enfin elle se fixe .apres les parois 
..... puis-rien n’arrive: elle meurt miserablement.‘‘ Mir ist die Erzie- 
hung dieser Sackträger, nachdem sie fast ausgewachsen waren, in geräu- 
migen luftigen Zwingern und unter Darreichung von stets frischem Futter 
(Lotus corniculatus) bis zur Entwicklung der Weibchen nicht schwer ge- 
worden. 


48 Wahre Parthenogenesis 


‘oben (pag. 37 Anm. 1) zu einer besonderen Psychen-Art (Psyche 
Planorbis) gehörend beschrieben habe, von der Raupe der 
männlichen Psyche Helix her, was gar nichts so auffallendes 
wäre, da ja die Raupen-Säcke gewisser anderer Psychiden nach 
den Geschlechtern in Form und Grösse verschieden sind. Das 
auffallendste Beispiel dieser Art bietet Solenobia clathrella Z. 
dar!. Auch lasse ich es unentschieden, ob nicht jener von mir 
(pag. 41) erwähnte grössere Sack, der sich ausser durch seinen. 
Umfang in nichts von den Säcken der weiblichen Psyche Helix 
unterschied, einer Raupe angehört, die sich zu einem männ- 


lichen Individuum der Psyche Helix entwickelt haben könnte. 


Wahre Parthenogenesis bei der Honigbiene. 


Während ich mit meiner Aufgabe beschäftigt war, eine 
Parthenogenesis bei Psyche Helix, Solenobia triquetrella und 
lichenella festzustellen, unterliess ich es nıcht, auch andere 
Insekten, von denen die Sage gieng, dass die Weibchen im 
jungfräulichen Zustande ohne Mitwirkung eines männlichen 
Individuums selbstständig fortpflanzungsfähig seien, in das Be- 
reich meiner Untersuchungen zu ziehen. Es lag nahe, die 
Honigbiene genauer ins Auge zu fassen, über deren Fortpflan- 
zung von jeher die abentheuerlichsten Mittheilungen von den 
verschiedenen Bienenzüchtern gemacht wurden. Unter diesen 
Mittheilungen war schon längst meine Aufmerksamkeit auf 
jene merkwürdige Fähigkeit hingewendet, welche gewissen 
Arbeitsbienen zugeschrieben wurde und welche darin bestehen 


1) Man vergleiche Zeller’s Beschreibung des männlichen und weib- 
lichen Sackes der Solenobia elathrella in der Linnaea entomologica. 
Bd. VII. 1852. pag. 345. S. auch Fischer von Roeslerstamm: 
Abbildungen zur Berichtigung und Ergänzung der Schmetterlingskunde. 
pag. S4. Taf. 38. 


| 


bei der Honigbiene. 49 


sollte, dass dieselben ohne Begattung entwicklungsfähige Eier 
legen könnten. Ich setzte mich deshalb von Breslau aus im 
Jahre 1851 mit verschiedenen Bienenzüchtern in Verbindung 
und wurde auf diese Weise mit dem ausgezeichneten Bienen- 
züchter Dzierzon, Pfarrer zu Carlsmarkt bei Brieg in Schle- 
sien bekannt. Durch diesen mit einer vortrefflichen scharfen 
Beobachtungsgabe ausgestatteten und von Vorurtheilen freien 
Bienenzüchter wurde ich theils brieflich theils mündlich über 
den Bienenhaushalt und über die wichtigsten Erscheinungen 
des Bienenlebens in einer Weise mit Kenntnissen versehen, 
wie ich sie mir niemals aus zoologischen und entomologischen 
Schriften hätte verschaffen können. Was mich am meisten bei 
diesen Mittheilungen überraschte, war die von Dzierzon 
aufgestellte ganz neue Fortpflanzungstheorie, mit welcher mich 
derselbe damals bekannt machte, und mit welcher sich alle auf 
das Fortpflanzungsgeschäft der Bienen sich beziehenden und 
oft an das Wunderbare streifenden Erscheinungen vollkommen 
erklären lassen. 

Eine dieser merkwürdigen Erscheinungen ist die eben er- 
wähnte Eigenschaft gewisser Arbeitsbienen, entwicklungsfähige 
Eier zu legen, welche Eigenschaft von keinem aufmerksamen 
Bienenzüchter geläugnet wird, aber bisher in keiner Weise ge- 
nügend erklärt werden konnte. Die Zergliederung der Arbeits- 
bienen hatte ergeben, dass sie unentwickelte Eierstöcke be- 
sitzen, dass bei ihnen das receptaculum seminis nur unvollkom- 
men entwickelt ist und dass sie vermöge ihrer verkümmerten 
Begattungsorgane überhaupt nicht im Stande sind, sich mit 
einer Drohne (einer männlichen Biene) zu begatten und sich 
von dieser befruchten zu lassen. Woher sollte nun aber jene 
Fortpflanzungsfähigkeit gewisser Arbeitsbienen rühren? Ich 
versuchte es anfangs, diese Fortpflanzungsfähigkeit mit dem 


Generationswechsel in Zusammenhang zu bringen, und 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 4 


u 


50 Wahre Parthenogenesis 


sprach die Vermuthung aus', dass bei den Bienen ähnliche 
Verhältnisse vorkommen möchten, wie bei den Blattläusen, 
und dass demnach bei den Bienen zu gewissen Zeiten Indivi- 
duen erzeugt würden, welche als ammenartige Wesen unbe- 
fruchtet Brut hervorbringen könnten. Sollten aber wirklich 
in den Bienenkolonien Ammen vorkommen, so müssten sich 
diese durch sorgfältige Zergliederung herausfinden lassen, in- 
dem sie statt der Ovarien Keimstöcke und keine Spur eines 
receptaculum seminis enthielten. Ich sprach damals zugleich 
den Wunsch aus, dass mir bald Gelegenheit gegeben werden 
möchte, solche Bienen, welche von den Zeislern als fruchtbare 
Arbeiter erkannt worden waren, einer genaueren Zergliederung 
und mikroskopischen Untersuchung unterwerfen zu können, 
um darüber zu entscheiden, ob sie wirklich Ammen seien oder 
nicht. 

Nachdem ich aber mit Dzierzon’s Zeugungstheorie 
der Bienen bekannt geworden und ich mich immer mehr von 
der Richtigkeit dieser "Theorie überzeugte, leuchtete mir ein, 
dass bei den Bienen von einer Ammenbildung gar nicht die 
Rede sein könne. Um mich über diese Theorie so vollständig 
wie möglich zu unterrichten, begab ich mich selbst nach Carls- 
markt und hielt am 26. Juli 1851 mit Dzierzon eine Unter- 
redung, wobei ich seiner Zeugungstheorie alle möglichen Zwei- 
fel entgegenhielt, dieselben wurden aber von ihm jedesmal 
mit solchen schlagenden Gründen beseitigt, die sich sowohl 
mit den anatomischen Verhältnissen der Bienen so wie mit den 
physiologischen Gesetzen des Insekten - und thierischen Lebens 


überhaupt in Einklang bringen liessen, dass ich zuletzt nicht 


1) S. meine Bemerkungen über die Lebensweise und den Haushalt 
der Bienen, in dem Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vater- 
ländische Kultur im Jahre 1551. pag. 48. 


u 


“* bei der Honigbiene. 51 


länger Anstand nehmen konnte, die Richtigkeit dieser Dzi er- 
zon’schen Zeugungstheorie anzuerkennen. 

Dzierzon sprach seine Ansicht über die Fortpflanzung 
der Bienen zuerst in der Eichstädter Bienenzeitung' im Jahre 
1845 aus, jedoch ohne die wichtigsten Momente seiner Theorie 
besonders zu betonen und ohne sie zu einer besonderen 'T'heorie 
zu erheben. Ich halte es für nothwendig die in jener Zeitung 
damals von Dzierzon ausgesprochenen Ansichten hier wört- 
lich wieder zu geben. Sie lauten, wie folgt: 

„Indem ich voraussetze, was in den folgenden Nummern 
besprochen und erwiesen werden wird, dass der Weiser (die 
weibliche Biene), um tauglich zu sein, von einer Drohne (männ- 
lichen Biene) befruchtet werden müsse, und dass die Begat- 
tung in der Luft geschehe, spreche ich die UVeberzeugung aus, 
woraus sich alle Erscheinungen und Räthsel vollkommen er- 
klären lassen, dass die Drohneneier einer Befruchtung nicht 
bedürfen; die Mitwirkung der Drohnen aber schlechterdings 
nothwendig ist, wenn Arbeitsbienen erzeugt werden sollen. 
Wie bei den höheren 'Thierarten das Männchen das vollkom- 
mene und regierende ist, wie der Stier die Rinderheerde, der 
Haushahn die Hühner zusammenhält und gleichsam beherrscht, 
findet bei den Insekten der umgekehrte Fall Statt. Bei Wespen, 
Hornissen, Hummeln, Ameisen und besonders bei den Bienen 
bildet das vollkommene Weibchen den Mittelpunkt und hält 
den Schwarm zusammen. Sowie selbst die Drohnen ihr unter- 
geordnet sind, so sind sie überhaupt an sich unvollkommene 
Wesen, zu deren Erzeugung auch von Seiten der Natur nicht 
so viel Kräfte und Bedingungen nothwendig sind, als zur Er- 
zeugung der Königin und, was dasselbe ist, der Arbeitsbienen. 


(Durch die Benennung Zeus scheinen die Alten dies schon 


I) 8. Bienenzeitung, herausgegeben von Dr. C. Barth und Seminar- 
lehrer A. Schmid in Eichstädt. Jahrgang 1. 1845. page. 113. 


4* 


u 


8% 


52 Wahre Parthenogenesis ”. 


Ä . 
angedeutet zu haben). Die Wahrheit dieser Behauptung geht. 
schon daraus hervor, dass, so wie jeder, der das Schwerere 
und Grössere vermag, auch das Leichtere und Geringere leisten 
kann, auch jeder Stock, der Arbeitsbienen zu erzeugen im 
Stande ist, auch Drohnen, wenn es ihm an passenden Zellen 
im Brutlager nicht mangelt, zu erzeugen vermag, aber nicht 
umgekehrt. Bei der Begattung wird nicht der Eierstock be- 
fruchtet, sondern der Samenhälter, jenes beim jungen Weiser 
mit einer wässerigen Feuchtigkeit gefüllte Bläschen oder Knöt- 
chen, mit Samen gesättigt, worauf es dann an seiner weissen 
Farbe deutlicher zu unterscheiden ist. Die Thätigkeit des Eier- 
stockes beginnt im normalen Zustande erst nach der Begattung, 
ist aber nicht nothwendig dadurch bedingt, daher manche un- 
befruchtete Weiser gar keine, während andere Drohneneier 
legen, und selbst Arbeitsbienen dieses thun, die ich wegen 
Mangel eines Samenhalters für ganz unfähig zur Begattung 
halte. Dergleichen Eier sind nun nach meiner Ueberzeugung 
zur Erzeugung der Drohnen hinreichend, während das Ei, aus 
welchem eine Königin oder Arbeitsbiene sich entwickeln soll, 
mit dem gefüllten Samenhälter in Berührung treten muss. 
Es ist dies freilich nur eine Hypothese und wird es wohl auch 
bleiben , welcher aber jeder genaue Beobachter eben so wenig 
seinen Beifall wird versagen können, als der Hypothese des 
Kopernikus, dass die Erde sich um ihre Axe drehe. Denn alle 
räthselhaften Erscheinungen im Bienenstaate werden durch sie 
sehr einfach erklärt. ‘‘ 

Später fasste Dzierzon in einer besonderen Bienenschrift 
seine Ansichten über die Fortpflanzung der Bienen zu einer 


förmlichen Theorie auf folgende Weise zusammen!: 
Ts 


"Vgl. Theorie und Praxis des neuen Bienenfreundes oder neue Art 
der Bienenzucht mit dem günstigsten Erfolge angewendet und dargestellt 


* Re 


= u * 
bei der Honigbiene. 53 


 ,,Es wird also, und dies ist wohl zu beachten, bei der Be- 


gattung der Königin nicht der Eierstock befruchtet, sondern 
jenes Bläschen oder jener Samenhälter mit dem männlichen 
Samen durchdrungen oder gefüllt. Dadurch wird manches, ja 
alles Räthselhafte gelöst, namentlich, wie die Königin im zei- 
tigen Frühjahre, da es keine Männchen im Stocke giebt, doch 
fruchtbare Eier legen könne. Der bei der Begattung aufgenom- 
mene Samenvorrath reicht nämlich für ihr ganzes Leben aus. 
Die Begattung erfolgt nur einmal für immer. Die Königin fliegt 
dann auch nicht mehr aus, ausser, wenn das ganze Volk aus- 
zieht. Unbedenklich kann man ihr, so wie sie zu legen begon- 
nen hat, die Flügel beschneiden, sie wird doch fruchtbar blei- 
ben bis an ihren Tod. In ihrer Jugend muss aber jede Königin 
wenigstens einmal ausgeflogen sein, weil die Befruchtung nur 
in der Luft geschieht, daher keine von Geburt aus flügellahme 
Königin jemals vollkommen fruchtbar wird. Ich sage: voll- 
kommen fruchtbar, oder fähig, beide Geschlechter fortzu- 
pflanzen. Denn, um bloss Drohneneier zu legen, dazu bedarf 
es nach meiner Erfahrung einer Befruchtung gar nicht. Dies 
ist eben das Neue und Eigenthümliche meiner Theorie, die ich 
Anfangs nur als Hypothese hinzustellen wagte, die sich aber 
vollkommen bestätigt hat. Drei flügellahme junge Königinnen 
sind mir nämlich im verflossenen Sommer vorgekommen , wel- 
che, obschon sie als flügellahm den Befruchtungs-Ausflug offen- 
barnicht machen konnten, auch bei der Sektion sich als unbe- 
fruchtet erwiesen, dennoch Drohneneier legten.‘“ — ‚‚Hier- 
durch werden alle Räthsel, die man bisher vergebens zu lösen 


sich bemühte, vollständig gelöst. Erstens das Räthsel: warum 


von Dzierzon. 2. Aufl. (ohne Druckort) 1849. pag. 106. Ganz ähnlich 
sprach sich Dzierzon in einem 1852 erschienenen Nachtrage zur Theorie 
und Praxis pag. 4 u. d. f, aus. 


* 
54 Wahre Parthenogenesis 


vermögen viele Mütter, sie mögen der Gestalt nach Königinnen 
oder Arbeitsbienen sein, gerade nur das männliche Geschlecht 
oder die Drohnen fortzupflanzen ? Weil die erstern entweder 
unbefruchtet sind, oder ihre Fruchtbarkeit schon erschöpft ist; 
die letztern dagegen gar nicht befruchtungsfähig sind.‘“ 
„Denn der festen U eberzeugung bin ich, dass die als Ab- 
normität vorkommenden, Eier legenden Arbeitsbienen wegen 
Mangels eines Samenhälters ebensowenig befruchtungsfähig 
sind, als die jungen Königinnen wegen Mangels gesunder Flü- 
gel. Ferner unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die Könı- 
ein durch den eigenthümlichen Ton ihrer Flügel die Drohnen 
an sich fesselt und zur Begattung disponirt, was eine Arbeits- 
biene natürlich nicht vermag. Zweitens wird durch die 'That- 
sache, dass die Drohneneier einer Befruchtung nicht bedürfen, 
sondern den Lebenskeim schon aus dem Eierstocke mit sich 
bringen, das früher schon erwähnte Vermögen der fruchtbaren 
Königin, Arbeitsbienen- und Drohneneier nach Belieben zu 
legen, sehr leicht erklärlich, während es sonst unerklärbar und 
unglaublich wäre. Indem nämlich, wie früher gezeigt wurde, 
bei der Begattung nicht der Eierstock befruchtet, sondern der 
Samenhälter gefüllt wird, hat die Königin es in ıhrer Gewalt, 
ein zu legendes Ei so abzusetzen, wie es aus dem KEierstocke 
kommt und wie es die unbefruchteten Mütter legen , oder ihm 
durch Einwirkung des Samenhalters, bei welehem es vorbei- 
streichen muss, einen höheren Grad, eine höhere Potenz der 
Fruchtbarkeit zu verleihen, und den Keim zu einem vollkomm- 
neren Wesen, nämlich zu einer Königin oder Arbeitsbiene darin 
zu wecken. Dies thut sie natürlich instinktmässig durch die 
Weite der zu besetzenden Brützelle angeleitet.‘“ — ‚‚Zur Er- 
zeugung der Weibchen im Bienenstocke sind also mehr Bedin- 
sungen und Kräfte erforderlich, als zur Erzeugung der Männ- 


chen oder Drohnen. Jede Mutter, die Arbeitsbienen-Brut zu 


Ah 


bei der Honigbiene. 55 


erzeugen vermag, kann auch Drohneneier legen, aber nicht 
umgekehrt. ‘‘ 

Es riefen diese Ansichten über die Fortpflanzung der Bie- 

nen unter den Bienenzüchtern, wie zu erwarten war, den leb- 
haftesten Widerspruch hervor, mit der heftigsten Polemik 
wurde in der oben genannten Bienenzeitung dagegen ange- 
kämpft, wobei jedoch die meisten Gegner, ohne Kenntniss des 
anatomischen Baues der Bienen sowie ohne Einsicht über 
die physiologische Bedeutung der Geschlechtsfunktionen im 
Insekten-Leben sich so arge Blössen gaben, dass es Dzierzon 
hätte ein leichtes sein müssen, seine Gegner zum Schweigen zu 
bringen, allein da fast nur Dilettanten wieder zu Dilettanten 
sprachen, so nahm der Streit kein Ende, indem die unrichtig- 
sten, abentheuerlichsten und abgeschmacktesten Behauptungen 
über die Vertheilung der Geschlechtsfunktionen, über Begat- 
tung, Befruchtung, Eierlegen der Bienen u. s. w. in vollem 
Ernste als ausgemachte Wahrheiten hingestellt wurden, ohne 
dass es auffiel, wie solche in der Phantasie eines Bienenzüchters 
ausgedachte Ansichten über den Bienenhaushalt jedes wissen- 
schaftlichen Beweises ermangelten. Daher konnte es kommen, 
dass gleichzeitig in der Bienenzeitung mit der von Dzierzon 
aufgestellten Theorie, welche ıhr Urheber von Zeit zu Zeit in 
dieser Zeitung mit wichtigen neuen Beweisen zu stützen suchte, 
immer wieder von neuem Fragen zur Untersuchung und Beant- 
wortung vorgelegt wurden, über die man längst im Reinen sein 
musste, nachdem durch Dzierzon’s Theorie die wichtigsten 
Punkte der Zeugung der Bienen aufgeklärt worden waren. 

So kann man in den verschiedenen Jahrgängen der Bienen- 
zeitung bis auf die jüngste Zeit folgende Fragen als noch nicht 
genügend beantwortet und folgende Punkte als noch zweifel- 
haft von verschiedenen Bienenzüchtern zur Besprechung her- 


vorgehoben finden, nämlich: ob die Drohnen wirklich die 


u : 


56 Wahre Parthenogenesis 


männlichen Bienen sind, ob die Drohnen nicht das Ausbrüten 
der Eier zu besorgen hätten, ob die Drohnen nicht eigentlich 
Missgeburten seien, ob es nicht auch männliche Arbeitsbienen 


we 


blosse Erschütterung befruchtet werde, ob die Begattung zwi- 


gebe, ob die Königin vielleicht durch Beschnäbelung oder dure 


schen der Königin und einer Drohne am Ende doch im Bienen- 
stocke vor sich gehe, und dergleichen mehr. 

Diesen verschiedenen sich so vielfach widersprechenden 
Fragen gegenüber setzte ich als Vicepräsident beideram 2. Juni 
1852 zu Brieg in Schlesien abgehaltenen dritten Versammlung 
der deutschen Bienenwirthe! die anatomischen Verhältnisse 
der drei Arten von Bienen, der Drohne, der Königin und der 
Arbeiterin auseinander, und forderte die dort anwesenden Bie- 
nenzüchter auf, ihre Einwendungen und Zweifel gegen die ein- 
zelnen Punkte der von Dzierzon aufgestellten Theorie aus- 
zusprechen. Es geschah dies von verschiedenen Seiten; 
Dzierzon, welcher als Präsident der Gesellschaft anwesend 
war, vertheidigte seine Behauptungen mit den Mitteln, welche 
ihm seine reichen mit richtigem Verständniss aufgefassten Er- 
fahrungen an die Hand gaben, während ich ihm da, wo es sich 
um die verschiedenen anatomischen Verhältnisse und um die 
Bedeutung der inneren und äusseren Geschlechtswerkzeuge der 
Bienen handelte, durch meine mit der Secirnadel und dem 
Mikroskope gemachten Erfahrungen zu Hülfe kam. 

Obwohl die Mehrzahl der Bienenzüchter ihre vorgefassten 
Meinungen und unrichtigen Ansichten über den Bienenhaus- 
halt und namentlich über die Fortpflanzung der Bienen nicht 
so schnell fahren liessen, so erhoben sich in der Bienenzeitung 
doch nach und nach immer mehr Stimmen, welche einzelne 
Punkte dervon Dzierzon ausgesprochenen Zeugungs-Theorie 


1) Vgl. die Bienenzeitung. Achter Jahrgang. 1552. pag. 117. 


+ 


> 


»” 


bei der Honigbiene. 57 


der Bienen als richtig bestätigten. Man fing an, sich für den 
inneren anatomischen Bau der Bienen und der Insekten über- 
haupt zu interessiren; man nahm Notiz von den in neuerer Zeit 
mit dem Mikroskope errungenen Kenntnissen, durch welche 
man über die Funktion der männlichen Samenfeuchtigkeit im 
Innern der Insekten-Weibchen eine klarere Anschauung er- 
worben hatte. Um diejenigen Behauptungen, welche in der 
Dzierzon’schen Theorie noch zu sehr das Gewand einer Hypo- 
these an sich trugen, von allem Zweifelhaften zu entkleiden, 
und als nackte Wahrheiten erscheinen zu lassen, trugen solche 
Bienenzüchter, denen es um die ernste Wahrheit allein zu thun 
war, dafür Sorge, dass verschiedene Bienen-Individuen, deren 
Zustände nach genauer Untersuchung über verschiedene zwei- 
felhafte Punkte der Dzierzon’schen Theorie den richtigen Auf- 
schluss geben konnten, geübten Entomotomen zur Sektion und 
Begutachtung überliefert wurden. Auf diese Weise gewann 
diese Theorie immer mehran Festigkeit und Form und erstarkte 
in einer Weise, dass sie jetzt darauf Anspruch machen kann, 
auf wissenschaftlichen Boden verpflanzt zu werden, um hier 
einer weiteren Entwicklung entgegenzugehen. Ein Hauptver- 
dienst um die Anerkennung der Dzierzon’schen Theorie hat 
sich Herr Baron v. Berlepsch auf Seebach bei Langensalza 
in Thüringen erworben, indem dieser einsichtsvolle und erfah- 
rene Bienenzüchter weder Opfer, noch Zeit noch Geduld 
scheute, um aus seinen zahlreichen und zum Beobachten äus- 
serst geschickt angeordneten Bienenkolonien über die brennen- 
den die Fortpflanzung der Bienen betreffenden Fragen sich die 
wichtigsten Aufschlüsse zu verschaffen. Berlepsch setzte 


in einer Reihe apistischer Briefe! die neue Theorie über die 


I) Diese apistischen Briefe sind in den Jahrgängen 1853 und 1854 der 
Eichstädter Bienenzeitung niedergelegt und bilden für unsere Kenntnisse 


u 


“ 
> 


98 L Sn. Wahre Parthenogenesis 


Fortpflanzung der Bienen in systematischer Reihefolge aus- 
einander und belegte die einzelnen Sätze mit auf die mühsam- | 


sten Versuche sich stützenden Beweisen, wobei sich derselbe als 


ausgezeichneter Beobachter und scharfsinniger Naturforsch 
kund gab. 

Noch muss erwähnt werden, dass nicht bloss für die The- 
orie, sondern auch für die Praxis der Bienenzucht Dzierzon 
als epochemachend gerühmt werden muss. Derselbe hat näm- 
lich dem Bienenstocke eine Einrichtung gegeben , wodurch es 
dem Bienenzüchter möglich wurde, sowohl die Beobachtung 
der einzelnen Bienenkolonien und Controlirung der Handlun- 


gen seiner einzelnen Angehörigen oder der fremden Eindring- 


linge auf das genaueste und zuverlässigste zu verfolgen, als 
auch den ganzen Bienenhaushalt der einzelnen Stöcke nach 
allen Seiten hin zu beaufsichtigen und zu leiten. Mit Hülfe 
eines Dzierzon’schen Bienenstocks ist der Bienenzüchter sogar - 
im Stande, seine Bienenstöcke willkürlich zu vergrössern oder 
zu vermehren. Dzierzon verfiel nämlich auf die glückliche 
Idee, die Bienen zu veranlassen, ihre Waben von im oberen 
Raume der Bienenstöcke löse hintereinander angebrachten 
Querhölzern herabzubauen, wodurch Dzierzon ım Stande 
war, sämmtliche Waben eines Bienenstockes, dessen Inneres 
durch Hinwegnahme einer aushebbaren Vorder - oder Hinter- 
wand zugänglich gemacht wird, so oft er wollte, der Reihe nach 
zu untersuchen, indem durch diese Vorrichtung jede einzelne 
Wabe, von unten her dem losen Querholze anklebend, mit die- 
sem herausgenommen, von beiden Seiten betrachtet, und un- 


beschadet wieder an ihren Ort eingehängt werden kann. 


3 E 


der Fortpflanzungsgeschichte der Bienen und Insekten überhaupt ein 
höchst wichtiges Aktenstück. 


+ 


bei der Honigbiene. 59 


Dzierzon war es mit Hülfe dieser sinnreichen Vorrichtung ' 
möglich geworden, nicht bloss zu verfolgen ‚ was von Tag zu 
Tag, was von Stunde zu Stunde in einem Bienenstocke vor- 
gieng, er konnte Sogar zu jeder Zeit mit Augen sich auf das 
FE genaueste überzeugen, was innerhalb einer jeden einzelnen 
Zelle der verschiedenen Waben seiner Stöcke vorgieng. Der- 
' selbe war ferner auf diese Weise fähig, sich über alle Schritte 
der Arbeiter, welche die letzteren innerhalb des Stockes zwi- 
schen den Waben vornehmen, Kenntniss zu verschaffen, sowie 
die Handlungen der Bienenkönigin zu belauschen. Es waren 
dies alles Vortheile, welche die sonst so gerühmten mit Glas- 
 wänden versehenen Bienenstöcke nicht im geringsten bieten 
konnten, da diese letzteren Bienenstöcke doch nur allein die 
dem Glase zugewendete Fläche einer einzigen Wabe übersehen 
liessen, sonst aber eine ganz geringe und höchst unvollkommene 
Einsicht in das Innere einer Bienenkolonie erlaubten. 

-  Dzierzon konnte über die Zustände seiner Bienenstöcke 
die genaueste Rechenschaft ablegen. Er wusste die Zahl und 
Art der Zellen, welche von einer Königin täglıch oder stünd- 
lich mit Eiern belegt wurden; er wusste, in welcher Zeit die 
Larven in den gelegten Eiern zum Ausschlüpfen kamen; er 
war im Stande, das allmälige Heranwachsen der Larve zu be- 
obachten; er konnte sich genau überzeugen, welche Art von 
Futter dieser oder jener Larve von den Arbeitern zugetragen 
wurde; er konnte sich über die Zeit der Verpuppung einer 


1) Da durch das seitliche Ankleben der von den Stäbchen herabgebau- 
ten Waben das Herausnehmen derselben häufig erschwert wurde, so suchte 
Berlepsch diesen Uebelstand auf eine sehr sinnreiche Weise dadurch 
zu vermeiden, dass er seinen Stöcken statt der Stäbchen viereckige Rähm- 
chen einhieng, deren Hohlraum die Bienen mit ihren Waben ausfüllen, wo- 
durch das Herausnehmen und Einhängen der Rähmchen sehr erleichtert, 
und überhaupt dem Dzierzon-Stocke eine so bequeme Einrichtung gegeben 
ist, dass nichts mehr zu wünschen übrig ist. 


60 Wahre Parthenogenesis 


Bienenlarve, über den Termin des Ausschlüpfens der Bienen 
aus den bedeckelten Zellen, über die Zahl und Beschaffenheit 
der Königin-Zellen die bestimmteste Auskunft verschaffen ; 
Dzierzon war auf diese Weise stets unterrichtet, in welchem 
Zustande die einen Bienenstock beherrschende Königin sich 
befand; er konnte jede Störung, jede Unregelmässigkeit, die 
sich in dem geregelten Haushalte eines Bienenstockes durch 
mannichfaltige Umstände veranlasst leicht einstellt, ebenso 
schnell wie die Ursache derselben erkennen. . 
Welche Vortheile dies einem mit so scharfer und vorur- 
theilsfreier Beobachtungsgabe ausgestatteten Bienenzüchter, 
‘ wie Dzierzon, gewähren musste, lässt sich leicht einsehen. 
Es konnten dem scharfsichtigen Beobachter Dzierzon durch 
dieses Hülfsmittel die wichtigsten und belehrendsten Auf- 
schlüsse über das Treiben einer Bienenkolonie zuströmen, und 
so konnte es nicht ausbleiben, dass endlich der höchst merk- 
würdige und verborgene Hergang des Fortpflanzungsgeschäfts 
der Bienen von menschlichen Augen richtig durchschaut wurde. 
Aber auch für die Praxis waren die Dzierzon’schen Bienenstöcke 
von der grössten Bedeutung, denn Dzierzon konnte von jedem 
einzelnen seiner Bienenstöcke zu jeder Zeit genau wissen, wie 
stark derselbe bevölkert, wie fleissig seine Bevölkerung und 
womit dieselbe beschäftigt sei. Er konnte sich stets unterrich- 
ten, ob die Zahl der Arbeiter mit der von der Königin erzeug- 
ten Brut in Verhältniss stehe, ob die Zahl oder Anwesenheit 
der Drohnenlarven dem Bienenstocke erspriesslich sein werde 
oder nicht, ob der nothwendige Futtervorrath vorhanden u.s.w. 
Auf alles dies konnte der verständige Bienenzüchter und Be- 
sitzer von Dzierzon-Stöcken, mit deren Hülfe in kürzester Zeit 
sich eine vollständige Einsicht in den Zustand eines jeden 
 Bienenhaushaltes verschaffen liess, leitend und korrigirend ein- 


wirken, indem man dem einen an Arbeitern armen Bienenstocke 


bei der Honigbiene. 61 


die fehlende Menge von nöthigen Arbeitern hinzufügte, oder 
dem anderen schwachbevölkerten Stocke einige mit Eiern und 
Brut besetzte Waben zur Erleichterung der Arbeit fortnahm 
und einem reich bevölkerten Stocke zur weiteren Pflege ein- 
hängte. Der vorsichtige Bienenzüchter wusste jetzt, aus wel- 
chen Stöcken er die mit unnützen oder Gefahr bringenden 
Drohnen-Larven besetzten Waben zu entfernen hatte; er war 
im Stande einen sonst fleissigen Stock, dessen Einwohner 
durch den Verlust der Königin zu demoralisiren drohten, vor 
dieser gefährlichen Weiserlosigkeit zu retten, indem er noch 
rechtzeitig für den Wiederersatz dieses Verlustes da sorgte, wo 
es die Bienen selbst zu thun unterlassen. Kurz mit Hülfe von 
Dzierzon-Stöcken kann ein erfahrener umsichtiger Bienenzüch- 
ter zu Werke gehen, wie ein verständiger Obstgärtner, der durch 
Wegschneiden der unnützen Schösslinge und durch richtige 
Pflege der knospentragenden Zweige seine Bäume zur Erzeu- 


gung einer reichen Fruchternte vorbereitet und anhält. 


1) Obwohl schon yor mehreren Jahren Dzierzon seine neue Theorie 
und Praxis der Bienenzucht dem Publikum zur Kenntniss und Benutzung 
durch den Druck übergeben hatte, so haben sich die von Dzierzon in 
der Bienenzucht gemachten Fortschritte in dem Kreise der Bienenzüchter 
doch nur sehr langsam und allmälig Bahn brechen können; ja, noch län- 
ger währte es, bis Dzierzon’s die Fortpflanzung der Bienen betreffenden 
Behauptungen über jenen Kreis hinaus zu den Ohren eines Physiologen 
und Naturforschers gelangten. Die Schuld davon trägt Dzierzon selbst; 
dieser sonst so praktische Bienenzüchter hatte es nämlich gescheut, sein 
über Theorie und Praxis ausgearbeitetes Manuskript einer soliden Buch- 
handlung in Verlag zu geben, sondern es vorgezogen, seine Erfindung und 
Entdeckung auf höchst unpraktischem Wege bekannt zu machen, indem 
er seine neue Theorie und Praxis anfangs im Selbstverlage erscheinen liess 
und nachher an einen auf einem Dorfe in Schlesien wohnenden Privatmann 
zur weiteren Verbreitung verkaufte. Ueber ein solches Verfahren beklagte 
sich Herr v. Berlepsch mit Recht (in der Extra-Beilage zur Nr. 21 der 
Eichstädter Bienenzeitung 1852), da derselbe, und mit ihm viele andere 
Bienenzüchter durch jene ungeschickte und beschwerliche Einrichtung 
gehindert wurden, sich rechtzeitig die wahre Dzierzon-Methode der 


62 Wahre Parthenogenesis 


Indem ich mich zur näheren Auseinandersetzung der 
Dzierzon’schen Theorie über die Fortpflanzung der Bienen 
selbst wende, hebe ich aus der Zeugungsgeschichte der Bienen 
den ersten wichtigen Punkt hervor, auf dessen Feststellung 
Dzierzon ein ganz besonderes Gewicht legen musste, da eine 
Menge von auf die Fortpflanzung sich beziehenden Vorgängen 
in einem Bienenstocke nur dadurch ihre richtige Deutung und 
Erklärung findet, wenn man nämlich festhält: die junge 
noch unbefruchtete Königin begattet sich nie- 
mals im Bienenstocke, sondern immer ausserhalb‘ 
desselben hoch in der Luft. Ich übergehe den lebhaften 
Streit, der seit urdenklichen Zeiten von den Bienenzüchtern 
zur Vertheidigung oder Verwerfung dieses Satzes geführt wurde, 
und verweise nur darauf, dass noch von keinem Bienenzüchter, 
der sich durch Anwendung von Dzierzon-Stöcken den Einblick 


in das Innere eines Bienenstockes verschafft hat, eine Königin 


Bienenzucht zu eigen zu machen, denn (so spricht sich auch Berlepsch 
über die Dzierzon-Stöcke aus) die Erfindung, die an Stäbchen hängenden 
Waben einzeln herausnehmen zu können, ist unbedingt die praktisch 
wichtigste, die je in der Bienenzucht gemacht worden ist, die nothwendig 
alle bisherigen Methoden reformiren, resp. antiquiren muss und der allein 
Dzierzon die Trefflichkeit seiner Zuchten und die fast völlige Erschlies- 
sung der Naturgeschichte der Bienen, ihres Lebens und Webens verdankt. 
Nachdem Dzierzon sein geistiges Eigenthum durch Verkauf in fremde 
Hände gegeben, welche das Wichtigste seiner Methode, die richtige Con- 
struktion des echten Dzierzon-Stockes dem Publikum vorenthielten, machte 
derselbe einen anderen Versuch, seine Theorie und Praxis der Bienenzucht 
zur allgemeinen Kenntniss zu bringen, indem er im Jahre 1854 den Bie- 
nenfreund aus Schlesien, ein Monatsblatt zur Belehrung und 
Unterhaltung für Naturfreunde überhaupt und Bienenzüchter insbesondere 
drucken liess. Es sind von diesem Monatsblatt (in Commission bei Ad. 
Bänder in Brieg) bis jetzt 25 Nummern erschienen ; ich fürchte aber, dass 
dieses von Dzierzon gewählte Mittel wegen der unbequemen Form und 
wegen des etwas weitläuftig gehaltenen Textes nicht geeignet ist, das 
Publikum mit dem eigentlichen Kern der Dzierzon’schen Theorie und 
Praxis bekannt und vertraut zu machen. ! 


bei der Honigbiene. 63 


mit einer Drohne innerhalb des Bienenstockes im Begattungs- 
akte überrascht worden ist. Die Drohnen sind immer, so lange 
sie sich im Bienenstocke befinden, äusserst träge Insekten, 
welche selbst durch die Nähe einer begattungslustigen Königin 
sich nicht aus ihrer Ruhe und ihrem Phlegma aufscheuchen 
lassen, dagegen erwacht in diesen sonst so trägen Drohnen, 
wenn sie ein warmer sonnenheller und windstiller Tag hinaus 
ins Freie gelockt hat, der Geschlechts- und Begattungstrieb in 
vollstem Maasse. Sie durchschwärmen hoch über ihrem Stocke 
mit lautem Gesumme die durchwärmte Luft, um die Aufmerk- 
samkeit einer Königin, welche von derselben günstigen Witte- 
rung zu ihrem Hochzeitsfluge angetrieben wurde, auf sich zu 
ziehen. Jedenfalls erreichen nur sehr wenige der vielen tau- 
sende von Drohnen das ersehnte Glück, ‚von einer Königin 
als Gatte ausgewählt und angenommen zu werden, da bekannt- 
lich die Zahl der weiblichen Bienen im Verhältniss zu der 
grossen Zahl männlicher Individuen nur eine höchst geringe 
ist. Durch dieses Missverhältniss sind aber auch die wenigen 
weiblichen Bienen, wenn sie begattungslustig ihren Hochzeits- 
flug unternehmen, stets gesichert, ihren Zweck zu erreichen, 
da es bei der Menge von in ähnlicher Absicht die Luft durch- 
schwärmenden Drohnen einer Königin nicht schwer fallen wird, 
die Wahl eines ihr zusagenden Gatten zu treffen. 

Dass bei den Bienen die Begattung in der freien Luft vor 
sich geht, ist wohl nichts Auffallendes, da man so viele an- 
dere Insekten frei in der Luft umherfliegend das Begattungs- 
geschäft abmachen sieht. Freilich wird der Begattungsakt von 
den Bienen sehr schnell vollzogen, was überhaupt allen denje- 
nigen Insekten eigen ist, welche mit den Bienen der Ordnung 
der Hymenopteren angehören, während die Männchen und 
Weibchen ausanderen Insektenordnungen gewöhnlich tagelang 


in der Begattung eng vereinigt bleiben. Aus diesem Grunde 


64 Wahre Parthenogenesis 


gehört es mit zu den seltensten Begegnissen eines noch so auf- 
merksamen Entomologen, ein Hymenopteren-Pärchen ın flag- 
ranti zu überraschen'. Die Bienenzüchter dürfen sich daher 
nicht wundern, dass der Begattungsakt der Bienen bisher noch 
so wenig beobachtet worden ist. Indessen wurde derselbe denn 
doch hier und da einmal von menschlichen Augen zufällig ge- 
sehen, indem, was sich übrigens höchst selten ereignet, ein im 
Begattungsakte verhängtes Bienen-Paar aus hoher Luft herab 
auf die Erde stürzte. Solche vereinzelte Beobachtungen, über 
welche auch in der Bienenzeitung Nachricht gegeben wurde?, 
sind wohl beweisend genug, dass die Bienen ausserhalb des 
Bienenstockes sich begatten. 

Einen noch schlagenderen Beweis für diesen in der freien 
Luft vor sich gehenden Begattungsakt liefert ausserdem 
das Aussehen und Verhalten der vom Hochzeitsflug heimkeh- 
renden befruchteten Königin. Schon äusserlich kann sich der 
von einer solchen Königin vollbrachte Coitus verrathen, indem 
an derselben nicht bloss die vor dem Hochzeitsfluge verschlos- 


sen gehaltene äussere Mündung der Geschlechtswerkzeuge offen 


i) Es ist dies der Grund, weshalb man in keiner Ordnung der Insek- 
tenklasse so viele einzelne Weibchen oder einzelne Männchen als besondere 
Species aufgeführt findet, wie in der Ordnung der Hymenopteren; da 
bei diesen Insekten die weiblichen und männlichen Individuen von einer 
und derselben Art oft ganz verschieden gefärbt und gezeichnet sind, und da 
man sich auch nicht, wie bei den Schmetterlingen, um das Erziehen der- 
selben bekümmerte, so war es bei vielen dieser Hymenopteren bisher un- 
möglich, die zusammengehörenden Geschlechter einer Art herauszufinden. 
Es ist deshalb Gravenhorst auch zu entschuldigen, wenn derselbe (in 
seiner Ichneumonologia europaea) eine Menge Ichneumonen-Species auf- 
gestellt hat, die nur aus Weibchen oder Männchen bestehen. Es geschah 
dies gewiss nicht aus jener von vielen Entomologen übertriebenen Ruhm- 
sucht, neuen aber nicht in der Natur begründeten Arten einen Namen 
gegeben zu haben. 

2) S. die Bienenzeitung 1845. pag. 3°, 1552. pag. 155, 1853. pag. 105 
und 174. 


bei der Honigbiene. 65 


steht, sondern indem auch die abgerissenen männlichen Begat- 
tungswerkzeuge in der Scheide stecken geblieben sind und zum 
Theil aus derselben hervorragen. Um diese fremdartigen Kör- 
per, welche schon oft in der Scheide einer vom Hochzeitsfluge 
zurückkehrenden Königin wahrgenommen wurden, ihrer Be- 
schaffenheit nach mit Sicherheit zu bestimmen, sendete mir 
Herr v. Berlepsch unterm 21. Juli 1853 eine solche Königin, 
aus deren aufgesperrter Geschlechtsöffnung bestimmt geformte 
Theile hervorragten, zur genaueren Untersuchung zu”. Die 
Resultate, welche mir die genaue anatomische und mikrosko- 
pische Untersuchung dieser Königin geliefert hat, habe ich ın 


der Bienenzeitung niedergelegt?. Ich konnte durch diese 


1) Ebenda. 1846. pag. 95 und 1853. pag. 43. 107 u. 120. 

2) Das diese Sendung begleitende Schreiben des Herrnv. Berlepsch 
enthielt unter anderen folgende Notizen: ‚‚Ununterbrochen beschäftigt, 
die Naturgeschichte der Honigbiene aufzuhellen resp. zum endlichen Ab- 
schlusse zu bringen, gelang es mir heute, eine zur Begattung ausgeflogen 
gewesene Königin, als sie eben in den Stock zurückwollte, mit einer Nadel 
zu durchstechen. Die Begattungszeichen stehen weit hervor. Indem ich 
mir nun erlaube, Ihnen diesen Cadaver zu übersenden, geht meine Bitte 
dahin, dass Sie die Gewogenheit haben wollen, durch Section festzustellen, 
1) ob resp. welche Theile der Drohne in der königlichen Vulva sich befin- 
den und 2) wie das Samenbläschen beschaffen ist. Finden Sie Theile der 
Drohne in der Vulva, so wird man doch endlich zugestehen, dass die Droh- 
nen die Männchen sind, dass die Begattung ausserhalb des Stockes vor 
sich geht, und dass es albern ist, die Drohnen für Missgeburten auszuge- 
ben, und die Männchen unter den Arbeitsbienen zu suchen. Finden Sie 
ferner das Samenbläschen mit weissem Samen gefüllt, so ist Dzierzon’s 
Hypothese, wonach durch die Begattung nicht der Eierstock befruchtet, 
sondern das Samenbläschen mit dem männlichen Drohnensamen gefüllt 
wird, zur Evidenz erhoben.‘ 

3) 8. Bienenzeitung. Jahrgang 1854. Nr. 20. pag. 227. Zergliederung 
einer vom Begattungsfluge heimgekehrten Dienenkönigin. Ein Sendschrei- 
ben an Herrn August v. Berlepsch in Seebach. Ich habe dieses Sendschrei- 
ben zugleich dazu benutzt, den Bienenzüchtern die anatomischen Verhält- 
nisse der Geschlechtswerkzeuge bei den Bienen auseinanderzusetzen, damit 
sie sich endlich überzeugten, dass nur nach Berücksichtigung dieser Ver- 
hältnisse die Bedeutung der Drohnen, der Königin und der Arbeiter in 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 5 


u 


66 Wahre Parthenogenesis 


Analyse feststellen, dass jene bestimmt geformten Theile in der 


Scheide der Königin nichts anderes waren als die abgerissenen 


einer Bienenkolonie richtig beurtheilt werden könnten. ‚Dass ich hierbei 
nichts überflüssiges unternommen habe, das liess mich der mehrfach in 
der Bienenzeitung ausgesprochene Dank erkennen, mit welchem meine 
Belehrung von vielen Freunden der Bienenzucht aufgenommen worden 
war. Ich glaubte übrigens, den Bienenzüchtern jenen Dienst erweisen zu 
müssen, wenn ich mich an das erinnerte, was über die verschiedenen irri- 
gen von Bienenzüchtern behaupteten Ansichten in Bezug auf die Fort- 
pflanzungsgeschichte der Bienen bis auf den heutigen Tag bekannt gewor- 
den ist (s. oben pag. 2). Um einen Beweis zu geben, auf welche Abwege 
dergleichen Bienenzüchter gerathen sind, welche mit gänzlicher Verken- 
nung der von der Natur gegebenen Objekte nur ihre eigene Meinung gel- 
tend machen wollen, so führe ich hier aus Magerstedt’s praktischem 
Bienenvater (oder Anleitung zur Kenntniss und Behandlung der Bienen. 
1542. pag.6S) dasjenige wörtlich auf, was derselbe alsNaturgeschichte 
der Bienen lehrt: ‚‚Die Königin ist die Mutter aller Arbeitsbienen. 
Dieselben sind in grösserer Anzahl männlichen, in geringerer Zahl weib- 
lichen Geschlechts. Sie legt die Eier zu beiden Arten in die kleinen, engen 
Zellen des Baues. Das Brutgeschäft liegt, ausser den weiblichen, den männ- 
lichen Arbeitsbienen ob, dabei werden sie aber von den geschlechtslosen 
Drohnen, zur Förderung ihrer Arbeit, unterstützt, und darum ist die Zahl 
der Drohnen in der Zeit, wo die meiste Brut vorhanden ist, am stärksten. 
Ihr Geschäft ist vorzugsweise die Brut zu erwärmen, und die Tem- 
peratur der Stöcke in der Zeit zu erhöhen, während welcher die Arbeiter 
auswärts beschäftigt sind. Wenn mit mangelnder Nahrung und abnehmen- 
dem Brutgeschäfte ihre Gegenwart sich nicht mehr nöthig macht, werden 
sie abgetrieben. Die Königin wird aber nicht begattet. Ihr erster Befruch- 
tungsausflug erschüttert ihren Eierstock und dadurch wird sie zur frucht- 
baren Eierlege befähigt. ‘‘ Dieses mit solchen aufeinander gehäuften groben 
Irrthümern behafteteBuch ist ganzkürzlichin dritter Auflage erschienen. 
Herr v. Berlepsch hat mir versichert, dass er dem Verf. desselben mein 
Sendschreiben geschickt habe, damit sich derselbe eines anderen besinne. 
Nun kann man aber in dieser 1S56erschienenen dritten Auflage aufpag. 181 
lesen : ‚„‚„Die Königin ist die Mutter aller Arbeitsbienen, die Arbeitsbienen 
sind in grösserer Anzahl männlichen als weiblichen Geschlechts. Die Na- 
tur hat beide Geschlechter äusserlich unterschieden. Die Königin wird 
nicht durch Begattung, sondern durch die Erschütterung ihres Eierstockes 
und durch die Einwirkungen derselben während der mehrmals zu wieder- 
holenden Befruchtungsausflüge zur Fortpflanzung befähigt. Die weiblichen 
Bienen werden ebenfalls durch Ausflüge und dadurch bedingte Erschüt- 
terungen ihres Eierstockes zur Eierlege befähigt. Aus den von weiblichen 


u 


bei der Honigbiene. | 67 


Begattungsorgane einer männlichen Biene (Drohne). Eine 
innige Vereinigung beider Bienen-Geschlechter musste also hier 
stattgefunden haben. Das Zurückbleiben abgerissener Theile 
der männlichen Geschlechtswerkzeuge im Innern der weiblichen 
Scheide nach vollzogener Begattung ist übrigens ein Ereigniss, 
welches bei verschiedenen anderen Insekten, namentlich bei 
Käfern nicht selten vorkömmt. Mit diesem Verhalten der äus- 
seren Geschlechtswerkzeuge der von mir untersuchten Königin 
stimmte auch noch der Zustand der inneren Zeugungsorgane 
derselben genau überein, denn ihr Receptaculum seminis, (Sa- 
menbläschen), welches bei allen jungfräulichen Insekten-Weib- 
chen leer ist, war bei dieser Königin mit Spermatozoiden (Sa- 
"menfäden) über und über gefüllt. Diese Königin war also jeden- 
falls befruchtet nach ihrem Stocke zurückgekehrt und hättedie 
Fähigkeit gehabt, auf lange Zeit hinaus mit diesem Vorrath 
männlichen Samens bei dem Eierlegen die nöthige Befruchtung 
der Eier vorzunehmen. 

Da sich bei dem Begattungsakte der Bienen der Penis ei- 
ner Drohne vollständig nach aussen hervorstülpt und zu dieser 
Umstülpung des Ruthenkanals kein besonderer Muskelapparat 
vorhanden ist, so hat gerade der Umstand, dass sich die Droh- 
nen nur im Fluge begatten, eine wichtige Bedeutung, auf wel- 


che bereits Leuckart aufmerksam gemacht hat'; es werden 


Bienen gelegten Eiern gehen Drohnen hervor, die, weil völlig geschlechts- 
los, nicht an dem Fortpflanzungs- wohl aber an dem Brutgeschäfte mit- 
wirken.‘‘ Ferner auf pag. 279. ‚‚Erwiesener Maassen sind sie (die Drohnen) 
zur Befruchtung (der Königin) nicht nöthig.‘“ Was soll man zu einem sol- 
chen gänzlichen Ignoriren der Wahrheit sagen? Herr v. Berlepsch hat 
am Ende doch recht, dass er mir (in der Bienenzeitung. 1855. pag. 78) die 
Herrn Immker, wenn es darauf ankomme, sich der Anerkenntniss der 
Wahrheit zu entziehen, als ein sehr schwer zugängliches Immenvolk 
schilderte. 
1) S. die Bienenzeitung, Jahrgang 1955. pag. 201. 
5 * 


68 Wahre Parthenogenesis 


nämlich während der Flugbewegung die verschiedenen Luft- 
säcke des Tracheensystems der Drohne mit Luft gefüllt, wodurch 
diese im Innern des Bienenleibes auf den benachbarten hervor- 
zustülpenden Ruthenkanal durch Druck einwirken können. 

Nach dieser einmaligen Befruchtung kann eine Bienen- 
königin eine lange Zeit hindurch willkürlich männliche 
oder weibliche Eier legen, denn sie hat durch die Füllung ihres 
Receptaculum seminis mit männlichem Samen sich die Fähigkeit 
angeeignet, auch weibliche Eier von sich zu geben, während 
sie vor der Begattung mit leerer Samenkapsel, also im jung- 
fräulichen Zustande, nur männliche Eier legen kann. Der 
zweite und wichtigste Punkt der neuen Zeugungstheorie der 
Bienen ist nämlich der von Dzierzon aufgestellte Satz: alle 
Eier, welche ın den beiden Eierstöcken einer 
Bienenkönigin zur Reife kommen, sind nur von 
einerlei Art, welche, wenn sie, ohne mit männ- 
lichem Samen in Berührung gekommen zu sein, 
gelegt werden, sich zu männlichen Bienen ent- 
wickeln, sich dagegenaber, wennsiedurch männ- 
lichen Samen befruchtet wurden, zu weiblichen 
Bienen ausbilden. 

Dzierzon behauptet also, jedes von einer Bienen- Königin 
unbefruchtet gelegte Ei liefert eine Drohne, jedes von ihr be- 
fruchtet gelegte Ei dagegen liefert eine Arbeiterin oder Königin, 
je nachdem die daraus hervorgeschlüpfte Larve mit Arbeiter- 
Futter oder Königinnen-Futter ernährt wird. 

Dieser Satz der Dzierzon’schen Theorie musste, als er zu- 
erst ausgesprochen wurde, das grösste Aufsehen erregen und 
erfordert vor Allem der genausten Prüfung unterworfen zu 
werden. Ehe ich diese Prüfung vornehme, will ich nur bemer- 
ken, dass schon von vorne herein ein Umstand für die Richtig- 


keit dieses Dzierzon’schen Satzes spricht, nämlich: dass mit 


ii 


bei der Honigbiene. 69 


Festhaltung dieses Satzes jede auch noch so auffallende Er- 
scheinung im Geschlechtsleben der Biene ungezwungen erklärt 
werden kann. Da aber durch diesen Dzierzon’schen Satz zu- 
gleich ein altehrwürdiger physiologischer Lehrsatz umgestossen 
wird, nämlich dass ein Ei, welches sich zu einem 
männlichen oder weiblichen Individuum ent- 
wickeln soll, immer durch den männlichen 98a- 
men befruchtet sein müsse, so erscheint die Sa- 
che wichtig genug, um nach allen Seiten hin auf das sorg- 
fältigste erwogen und untersucht zu werden. Ich habe mich 
der Mühe unterzogen, und mit allen mir zu Gebote stehenden 
Mitteln Dzierzon’s Behauptung geprüft, wobei ich mich 
durch folgendes von der Richtigkeit derselben überzeugte. 
Zuerst berufe ich mich darauf, dass es bei den Insekten 
eine allgemeine Erscheinung ist, dass die Weibchen, auch wenn 
sie sich nicht begattet haben, ihre reifen Eier unbefruchtet ab- 
legen; es ist mithin nichts auffallendes, dass eine jungfräuliche 
Königin Eier absetzt. Nur darüber muss man sich wundern, 
dass diese Eier, obgleich sie unbefruchtet sind, nicht unent- 
wickelt bleiben, ja, was noch mehr ist, dass aus solchen Eiern 
immer nur Drohnen, also männliche Bienen hervorgehen. 
Ueber die Richtigkeit dieser Erscheinung werden von den 
Bienenzüchtern Beobachtungen in Menge angeführt, von denen 
ich nur als das schlagendste Beispiel die Drohnenbrütigkeit 
einer flügellahmen jungfräulichen Königin hervorhebe. Jeder 
aufmerksame und erfahrene Bienenzüchter kennt die übeln 
Folgen, welche eine mit verkrüppelten Flügeln ausgeschlüpfte 
Bienenkönigin, die sich die Herrschaft eines Bienenstockes 
angeeignet, nach sich zieht. Dieselbe sieht sich verhindert, den 
Hochzeitsflug zu unternehmen, sie folgt aber doch dem Drange 
zum Eierlegen und besetzt Arbeiter-Zellen und Drohnen-Zellen 


ohne Unterschied mit unbefruchteten Eiern; diese kommen 


70 Wahre Parthenogenesis 


zur Entwicklung, die aus ihnen hervorgeschlüpften Larven 
werden von den Arbeitern mit Nahrung versorgt, sie wachsen 
heran, aber sämmtlich von gleicher Grösse und gleicher Be- 
schaffenheit, denn es sind sämmtlich Drohnen-Larven, von 
denen diejenigen, welche in Arbeiterzellen heranwuchsen, in 
diesen nicht Platz genug finden, weshalb die Arbeiter ihre en- 
gen Zellen, um Raum zu schaffen, nachträglich erhöhen und 
auf diese Weise buckelige Waben oder Waben mit sogenannter 
Buckelbrut herstellen. 

Einen sehr interessanten Versuch stellte Berlepsch an, 
um die Drohnenbrütigkeit einer jungfräulichen Bienen-Königin 
zu bestätigen. Derselbe liess nämlich Ende September 1854, 
also zu einer Zeit, wo es keineDrohnen mehr gab, Königinnen 
erbrüten; es glückte ihm, eine solche zu überwintern, dieselbe 
erzeugte im folgenden Jahre am 2. März Drohnenbrut, indem 
sie 1500 Zellen mit Buckelbrut besetzt hatte'). Dass diese 
drohnenbrütige Königin wirklich Jungfrau geblieben war, er- 
gab die Sektion, welche Leuckart auf Veranlassung des 
Herm v. Berlepsch mitdieser Königin vorgenommen hatte?. 

Die wahre Veranlassung einer solchen Drohnenbrütigkeit 
oder Buckelbrütigkeit eines Bienenstockes konnte aber auch 
nur von einem so scharfsinnigen und mit einer so ausgezeich- 


neten Beobachtungsgabe ausgestatteten Bienenzüchter, wie 


1) S. die Bienenzeitung. 1855. Nr. 7. pag. 76. 

2) Leuckart fand den Zustand und Inhalt der Samentasche dieser 
Königin eben so beschaffen (s. die Bienenzeitung. 1855. pag. 128), wie 
ich ihn an anderen jungfräulichen Königinnen wahrgenommen hatte (s. 
Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. 1843. pag. 374). Das Recep- 
taculum seminis enthielt in allen diesen Weibchen niemals Samenmasse 
mit ihren karakteristischen Spermatozoiden, sondern nur eine wasserhelle 
zellen- und körnerlose Flüssigkeit, welche von den beiden Anhangsdrüsen 
der Samenkapsel herrührt, und, wie ich vermuthe, dazu dient, den in die 
Samenkapsel übergeführten Samen frisch und die Spermatozoiden beweg- 
Iıch und somit befruchtungsfähig zu erhalten, 


bei der Honigbiene. 71 


Dzierzon, erkannt werden, während bis dahin von anderen 
Bienenzüchtern das einem Bienenstocke widerfahrende unglück- 
liche Ereigniss der Drohnenbrütigkeit ganz anders und falsch 
aufgefasst wurde./ Sie legten kein Gewicht darauf, dass ein sol- 
cher Stock nichts als Drohnenbrut enthielt, sondern sie wun- 
derten sich bloss, dass ein solcher von einer flügellahmen Kö- 
nigin beherrschter Stock überhaupt Brut enthielt und suchten 
sich diese Erscheinung dadurch zu erklären, dass diese uner- 
wartete Brut doch nur von einer befruchteten Königin herrüh- 
ren könne. Da aber die Königin, von der jene Brut abstammte, 
als flügellahm erkannt worden war, wurde man in Bezug auf 
das Begattungsgeschäft irre, und nahm an, dass diese flügel- 
lahme bruterzeugende Königin jedenfalls befruchtet sei und 
dass mithin der Begattungsakt von der Bienen-Königin inner- 
halb des Stockes vollzogen ‚werde. Dieser Trugschluss zog 
natürlich eine Menge anderer Irrthümer über die Bedeutung 
der einzelnen Bienen-Individuen und deren Handlungen nach 
sich, wodurch die richtige Einsicht in das Fortpflanzungsge- 
schäft der Bienen immer getrübt bleiben musste. 

Dzierzon allein liess sich bei seinen Beobachtungen 
nicht vom richtigen Wege ablenken, er hielt daran fest, dass 
die weibliche Biene nur nach abgehaltenem Hochzeitsfluge 
befruchtet in ihren Stock zurückkehren könne. Dzierzon 
begnügte sich aber mit diesem Erfahrungssatze nicht, er gieng 
in seiner rationellen Weise, das Bienenleben zu erforschen, 
weiter; er untersuchte die eierlegenden und drohnenbrütigen 
Königinnen, die er nach seinen Erfahrungen für Jungfrauen 
halten musste, genauer; er riss ihnen die Spitze des Hinter- 
leibes aus, wodurch es ihm gelang, das Receptaculum seminis, 
welches bei einem Bienenweibchen die Grösse eines Nadel- 
knopfes besitzt, zu Gesicht zu bekommen. Dzierzon kannte 


aus Erfahrung, dass eine befruchtete normal sich verhaltende 


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12 | Wahre Parthenogenesis 


Bienenkönigin eine milchweiss gefärbte Samenkapsel ent- 
hält, welche durch Zerdrücken die milchige Samenfeuchtig- 
keit fahren lässt. Derselbe wusste, dass die leere Samenkapsel 
einer eben ausgeschlüpften jungfräulichen Königin nicht 
milchweiss, sondern wasserhell gefärbt ist, und überzeugte sich, 
dass in jenen flügellahmen drohnenbrütigen Königinnen das 
Receptaculum seminis wasserhell und samenleer war, sich mit- 
hin wie dieSamenkapsel einer jungfräulichen Königin verhielt. 
Ich habe mich über diese Beobachtungen mit Dzierzon 
mündlich besprochen und war, da ich aus eigener mikroskopi- 
scher Anschauung den Zustand der Geschlechtswerkzeuge einer 
jungfräulichen und einer befruchteten Königin genau kannte, 
dadurch im Stande, aus der Beschreibung, welche mir Dzier- 
zon von seinen hierüber ohne Mikroskop angestellten Unter- 
suchungen machte, ganz sicher zu beurtheilen, dass Dzierzon 
vollkommen richtige Begriffe über den Unterschied des Ver- 
haltens der Geschlechtswerkzeuge einer befruchteten und un- 
befruchteten weiblichen Biene sich verschafft hatte, und sich 
also in dieser Beziehung nicht wohl getäuscht haben konnte!. 

Ich fühlte mich ausserdem um so weniger veranlasst, die 
Richtigkeit dieser eben berichteten Beobachtungen Dzierzon’s 
zu bezweifeln, da ich mich ja erinnern musste, dass die Weib- 
chen gewisser Psychiden, nach meinen eigenen Erfahrungen, 
unbefruchtete Eier legen, die sich ebenfalls entwickeln, jedoch 
umgekehrt statt der Männchen nichts als Weibchen liefern. 


Dzierzon brachte mir übrigens noch durch andere Beobach- 


1) In ganz ähnlicher Weise hat auch Berlepsch in Bienenstöcken, 
die von einer flügellahmen und deshalb unbegattet gebliebenen Königin 
bewohnt waren, Drohnen - und Buckelbrütigkeit entstehen sehen. Man 
vergleiche (in der Bienenzeitung Nr. 7.1855. pag. 75) dasvonBerlepsch 
an mich gerichtete wichtige und interessante Sendschreiben, in welchem 
derselbe die Frage erörtert: sind die Drohneneier befruchtet ? 


re Wer..ng des. 66 2 
a 


bei der Honigbiene. 73 


tungen Belege für seinen Satz herbei, dass aus unbefruchteten 
Bieneneiern, wenn sie sich entwickeln, immer nur Drohnen 
hervorkommen, und dass mithin die Bienenkönigin zur Erzie- 
lung von Drohnen-Brut die zu legenden Eier nicht zu befruch- 
ten nöthighhabe. Es ereignet sich nämlich hier und da in einem 
Bienenstocke, wie ich schon oben (pag. 49) erwähnt habe, zumal 
wenn derselbe weisellos geworden ist, dass einzelne Arbeiter 
Eier legen. Diese Erscheinung ist jedem erfahrenen Bienen- 
züchter längst bekannt, ja, man hatte schon die Erfahrung ge- 
macht, dass aus solchen von Arbeitern abgelegten Eiern sich nur 
Drohnen entwickeln ', aber erst durch den aufmerksamen Be- 
obachter Dzierzon wissen wir, warum solche eierlegende 
Arbeiter immer Drohnenmütter sind, oder mit anderen Worten, 
warum sich aus solchen von Arbeitsbienen herrührenden Eiern, 
wenn sie zur Entwicklung gelangen , immer nur Drohnen aus- 
bilden. Es steht diese Erscheinung mit der bereits erwähnten 
Drohnenbrütigkeit der jungfräulichen Bienenköniginnen im 
nächsten Zusammenhange. 

Schon durch Fräulein Jurine wurde anatomisch 
nachgewiesen, dass die Arbeitsbienen nichts anderes sind, 
als weibliche Bienen, deren Geschlechtswerkzeuge verküm- 
mert sind”. Es lassen sich in allen Arbeitern durch sorg- 
fältige Zergliederung die nicht zur vollständigen Entwicklung 
gekommenen Eierstocksröhren darstellen, welche mit einem 


unausgebildet gebliebenen Eierausführungsgange zusammen- 


1) Vergl. Huber: neue Beobachtungen über die Bienen. pag. 194. 
Selbst zu Aristoteles’ Zeiten sind dergleichen Beobachtungen schon ge- 
macht worden, wie aus dessen Worten hervorgeht: Dicunt indicio esse, 
quod fucorum foetus innascantur etiam, ubi reges absint, apum autem non 
innascantur. Vergl. Aristotelis de animalibus historiae Libr. V. Cap. 19. 
(Edit. Schneider.) 

2) Vergl. die oben (pag. 4) eitirten Schriften von Huber und 
Ratzeburg. 


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74 Wahre Parthenogenesis 


hängen. Ich habe schon im Jahre 1843 nachgewiesen, dass 
in allen Arbeitern mit diesem unentwickelten Eierausführungs- 
gange ein Anhang verbunden ist, der vollständig dem Recepta- 
culum seminis der Königinnen entspricht. Ich konnte bei den 
Arbeitern an diesem Anhange den Ductus seminalis, die Capsula 
seminalis und die beiden Glandulae appendiculares mit ihrem 
gemeinschaftlichen Ausführungsgange herausfinden, jedoch 
befanden sich alle diese einzelnen Theile des Receptaculum se- 
minis in einem sehr unentwickelten Zustande. 

Durch welche Veranlassung in gewissen Arbeitsbienen die 
Eierstocksröhren, welche bei den normal gebildeten Arbeitern 
stets leer bleiben, sich ausnahmsweise mit Eiern füllen können, 
das will ich in folgendem zu erklären versuchen. Es ist unter 
den Bienenzüchtern bekannt, dass in plötzlich weisellos gewor- 
denen Bienenstöcken die Arbeiter, wenn sie sich in den Besitz 
einer neuen Königin setzen wollen, einige mit einem Ei 
oder einer jungen Larve besetzte Arbeiterzellen aus- 
wählen, und diese zu Königinzellen (Weisel-Wiegen) erweitern 
und ausbauen, und dass sie alsdann die Larven, welche aus 
den in diesen ehemaligen Arbeiter-Zellen bereits abgesetzt ge- 
wesenen Eiern hervorgeschlüpft sind, oder von ihnen bereits 
ausgeschlüpft in solchen Arbeiterzellen vorgefunden wurden, 
nicht mit dem gewöhnlichen Arbeiter-Futter gross ziehen, son- 
dern ihnen Königinnen-Futter reichen, wodurch sich solche 
Larven zu Königinnen statt zu Arbeitern entwickeln, indem 
ja alle von einer befruchteten Königin in Arbeitszellen abgeleg- 
ten Eier von einer Art, das heisst weiblich sind. Damit aber 


die weiblichen Geschlechtswerkzeuge einer solchen Larve zur 


1) Vergl. meinen Aufsatz über dasReceptaculum seminis der Hymeno- 
pteren- Weibchen in Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. IV. 
pag. 375. 


bei der Honigbiene. 75 


Entwicklung gelangen, muss die Larve Königinnen-Futtererhal- 
ten ; sollen dagegen die weiblichen Geschlechtswerkzeuge unent- 
wickelt bleiben zum Vortheile der für das. Arbeiten bestimmten 
Organe einer Arbeitsbiene, so wird dies durch Darreichung von 
Arbeiter-Futter erzielt. Ich lasse es dahin gestellt sein, worin 
der Unterschied der Arbeiter- und Königinnen-Fütterung be- 
steht, denn darüber sind die Bienenzüchter bisher noch uneinig 
gewesen, ob die Arbeiterlarven und Königinnenlarven ein und 
dasselbe Futter, letztere nur in grösserer Menge erhalten oder 
ob das Königinnenfutter nicht bloss der Quantität nach, son- 
dern auch der Qualität nach von dem Arbeiterfutter verschieden 
sei. Aus Leuckart’s vor kurzem angestellten Untersuchun- 
gen! geht übrigens hervor, dass auch ein qualitativer Unter- 
schied zwischen den beiden Fütterungsarten besteht. Die zu 
Arbeitern bestimmten Larven erhalten nur in den ersten Tagen 
ihres Lebens den von den Arbeitern in ihren Verdauungsorga- 
nen zubereiteten Futterbrei, während sie in den letzten Tagen 
ihres Larvenlebens mit Blumenstaub und Honig gefüttert wer- 
den, die Königinnenlarven dagegen werden während ihres 
ganzen Larvenzustandes mit jenem Futterbrei versorgt. 
Leuckart” fand in den sechs Tage alten weiblichen Larven 
die ersten Spuren der inneren Genitalien; in diese Zeit fällt 
gerade der Wechsel des Futters bei den Arbeiterlarven, welche 
bis dahin ganz wie die Königinlarven mit gleichem Futterbrei 
ernährt werden. Auf diese Weise erklärt sich der Umstand, 
der von den meisten erfahrenen Bienenzüchtern beobachtet 
wird, dass eine weibliche Larve nicht bloss von der frühsten 


Zeit an die Pflege einer Königin bedarf, um sich vollkommen 


1) S. dessen Seebacher Studien in der Bienenzeitung. Jahrgang 1855. 
pag. 209. 
2) 8. ebenda. pag. 210. 


FE 


76 Wahre Parthenogenesis 


geschlechtlich zu entwickeln, sondern dass selbst mehrere Tage 
(sechs bis sieben Tage) alte Arbeiterlarven auch noch zu Köni- 
ginnen erzogen werden können, nachdem ihre engen Zellen 
nachträglich erweitert und statt mit Arbeiterbrod (Pollen und 
Honig) mit dem königlichen Futterbrei reichlich versorgt 
wurden. 

Wenn es nun feststeht, dass aus jeder beliebigen von einer 
befruchteten Königin abstammenden Larve einer Arbeiterzelle 
je nach der Fütterung und Pflege eine Arbeitsbiene oder eine 
Königin erzogen werden kann, so mag sich wohl in einem oder 
dem anderen Bienenstocke der Fall ereignen, dass einer oder 
mehreren Arbeiter-Larven in der Nachbarschaft einer Königin- 
nenzelle, in welche Königinnen-Futter eingetragen wird, durch 
irgend eine Verwechslung oder Störung bei der regelmässigen 
Futtervertheilung etwas von dem Königinnen-Futter zufällt, 
wodurch ihre Geschlechtswerkzeuge sich mehr oder weniger 
entwickeln. Es kann durch diesen Einfluss die Entwicklung 
der weiblichen Genitalien in einer Arbeiterin normwidrig bis 
zur Fähigkeit, wahre Eier zu legen, gesteigert worden sein'. 
Solche eierlegende Arbeiterinnen bleiben aber stets unbefruch- 
tet, sie fühlen sıch nicht als vollkommen weibliche Bienen, 
und unternehmen keinen Hochzeitsflug, der ihnen auch nichts 
helfen würde, da an denselben die Entwicklung der Begattungs- 
und Befruchtungsorgane mit der Entwicklung der Eierstöcke und 
des Eierleiters nicht gleichen Schritt gehalten hat. Die äusse- 
ren Geschlechtswerkzeuge sowie das Receptaculum seminis blei- 
ben bei diesen eierlegenden Arbeitern verkümmert, weshalb 


dieselben nicht im Stande sind sich zu begatten und befruch- 


1) Huber (neue Beobachtungen über die Bienen. pag. 202) hat diese 
Erscheinungen im Bienenstocke bereits gekannt, und in ähnlicher Weise 
zu erklären versucht. 


ae 


bei der Honigbiene. 77 


tenden Samen in sich aufzunehmen. Sie werden also nur 
unbefruchtete Eier legen können, aus denen sich, wenn sie 
wirklich zur Entwicklung kommen, nur männliche Bienen 
ausbilden, gleichviel ob sie in Arbeiterzellen oder Drohnenzel- 
len abgelegt waren. Die Drohnen - und Buckelbrütigkeit eines 
weısellosen Bienenstockes hat also darin ihren Grund, dass 
sich eine eierlegende Arbeitsbiene in Bezug auf die Beschaffen- 
heit ihrer abgesetzten Eier ganz wie eine eierlegende jungfräu- 
liche Königin verhält, beide können nur Mütter von Drohnen 
werden. 

Weshalb die eierlegenden Arbeiter nur unbefruchtete Eier 
legen können, das habe ich schon in meinem oben erwähnten 
Sendschreiben an Herrn v. Berlepsch auseinandergesetzt', 
freilich war es mir bisher nicht vergönnt gewesen, eine eier- 
legende Arbeitsbiene zu zergliedern, so dass also noch der 
Hauptbeweis für die Richtigkeit meiner Ansicht über die Droh- 
nenbrütigkeit der Arbeitsbienen zu führen übrig geblieben war. 
Diesen Beweis hat Herr v. Berlepsch nachträglich geliefert, 
indem derselbe eine drohneneierlegende Arbeitsbiene secirt und 
einen kleinen Eierstock mit etwa acht ziemlich entwickelten 
Eiern, aber kein Receptaculum seminis gefunden ”*. Derselbe 
begnügte sich mit dieser von ihm angestellten Untersuchung 
nicht, sondern nahm, um die ungläubigen Bienenzüchter zur 


Anerkennung der Wahrheit geneigter zu machen, auch noch 


1) Vergl. die Bienenzeitung. 1854. pag. 231. 
2) Ebenda. 1555. pag. 78. Auch Huber (s. dessen neue Beobacht. 


pag. 192) hat solche eierlegende Arbeiter secirt, und in dem einen Indivi- 
duum eilf, in dem anderen vier reife Eier aufgefunden. 


3) Dass Herr v. Berlepsch sich die Kunst, eine Biene zu anatomi- 
ren, angeeignet hat, davon habe ich mich vorigen Sommer bei meinem wei- 
ter unten zu erwähnenden Besuche in Seebach mit eigenen Augen zu über- 
zeugen Gelegenheit gehabt. 


78 Wahre Parthenogenesis 


die Hülfe eines Entomotomen in Anspruch. Leuckart aus 
Giessen zergliederte in Seebach auf Berlepschs Veranlassung 
zwei beim Eierlegen abgefangene Arbeiter, von denen leider das 
eine Individuum, wieLeuckart berichtete ', nicht mehr guter- 
halten war, dagegen konnte derselbe an dem anderen Individuum 
den Geschlechtsapparat mit seinen einzelnen Theilen im Zusam- 
menhange herauspräpariren und auf den ersten Blick aus der 
Beschaffenheit desselben die eierlegende Bieneerkennen. Erfand 
rechts sechs links fünf Eierstocksröhren mit vereinzelten reifen 
Eiern. Der unpaare Eiergang war, wie Leuckart sagte, ohne 
Anhangsgebilde. Auch an dem zuerst erwähnten eierlegenden 
Arbeiter konnte Leuckart keine Samentasche nachweisen, 
obwohl dieses Gebilde bei Königinnen noch deutlich zu unter- 
scheiden ist, wenn auch die übrigen Eingeweide bereits durch 
Zersetzung fast völlig aufgelöst sind. Ich muss hier daran er- 
innern, dass das Receptaculum seminis, wie‘ich schon oben 
(pag. 74) erwähnt habe, den Arbeitsbienen nicht gänzlich fehlt, 
sondern dass es in denselben nur unentwickelt bleibt und bei 
genauer mikroskopischer Untersuchung als ein sehr kleiner 
Anhang des Eierleiters erkannt werden kann. Leuckart 
hat dieses Anhangsgebilde an der von ihm untersuchten eier- 
legenden Biene übersehen, sich aber durch spätere Untersu- 
chungen, wie er selbst eingesteht*, bei den Arbeitsbienen von 
dem Vorhandensein der rudimentären Samentasche überzeugt. 
Jedenfalls geht aus den Untersuchungen von Berlepsch und 
Leuckart hervor, dass in den von ihnen zergliederten eier- 
legenden Arbeitern das Receptaculum seminis nicht in derselben 
Entwicklung, wie bei der Bienenkönigin, vorhanden gewesen 


ist, da dasselbe in seinem vollkommen entwickelten Zustande 


1) S. die Bienenzeitung. 1855. pag. 203. 
2) S. ebenda. pag. 211. 


bei der Honigbiene. 79 


von der Grösse eines Nadelknopfes selbst dem unbewaffneten 
Auge sichtbar ist und demnach der Aufmerksamkeit jener bei- 
den Beobachter nicht entgangen wäre. 

Eine andere Ursache, welche in einem Bienenstocke 
Drohnenbrütigkeit hervorruft, kann ebenfalls aus Dzierzon’s 
Theorie folgerichtig erklärt werden. Es ereignet sich nämlich 
in gewissen aber freilich sehr seltenen Fällen; dass befruchtete 
Bienenköniginnen in vorgerücktem Alter gegen Ende ihrer 
Lebensthätigkeit drohnenbrütig werden, nachdem sie sich bis 
dahin in Bezug auf Erzeugung von Drohnen, Weibchen und 
Arbeitern normal gezeigt hatten ; normale befruchtete Königin- 
nen verlieren also mit der Zeit die Fähigkeit, Arbeiter und 
Weibchen hervorzubringen, die von solchen alten Königinnen 
abgesetzte Brut lässt sich nur zu männlichen Bienen erziehen, 
jedenfalls aus dem nach Dzierzon’s Theorie von selbst einleuch- 
tenden Grunde, weil sich der Vorrath von Samen in dem Recep- 
taculum seminis einer befruchteten Königin allmälig erschöpft. 
Da eine Königin nur einmal in ihrem Leben den Hochzeitsflug 
unternimmt und mit dem durch einen einzigen Begattungsakt 
empfangenen Samen einige Jahre hintereinander viele tausende 
und tausende für die Arbeiterzellen bestimmte Eier befruchtet, 
so wird, wenn auch zur Befruchtung eines Eies nur ein oder 
ein paar Spermatozoiden des männlichen Samens gebraucht 
werden, am Ende die Samenmasse doch aufgebraucht werden 
und dabei die alte Königin die Fähigkeit verlieren, die nöthige 


Zahl befruchteter Eier zu legen *. 


1) Nach einer von Dzierzon mir gemachten Mittheilung kann eine 
Königin durch eine einmalige normal von statten gegangene Begattung 
fünf Jahre lang die Fähigkeit erlangen, befruchtete Eier zu legen. 

2) Ich lasse hierüber den erfahrenen Bienenzüchter v. Berlepsch 
sprechen, wie er es in der Bienenzeitung (Jahrg. 1555. pag. 78) mit fol- 
genden Worten gethan hat: ‚‚Es ist Thatsache, dass Königinnen, wenn 


80 Wahre Parthenogenesis 


Aus den bisher mitgetheilten Hergängen wird es einleuch- 
ten, wie eine unbefruchtet gebliebene Königin, oder eine alte 
Königin oder eierlegende Arbeiter auf ein Bienenvolk nach- 
theilig einwirken müssen ; sie bringen in einem Bienenstocke 
immer Unordnung hervor, indem sie nur träge Drohnen erzeu- 
gen und den Verlust an Arbeitern, dem jeder Bienenstock aus- 
gesetzt ist, durch Erzeugung neuer Arbeiter nicht ersetzen 
können. Dagegen wird ein Bienenvolk, das sich des Besitzes 
einer lebenskräftigen befruchteten Königin erfreut, wohl ge- 
deihen, indem von derselben die Drohnen, die Arbeiter, sowie 
die zur Absetzung junger Schwärme nöthigen Königinnen zur 
rechten Zeit und im gehörigen Zahlenverhältnisse erzeugt wer- 
den, wozu die Arbeiter die nöthigen Drohnenzellen , Arbeiter- 
zellen und Königinzellen beschaffen und herrichten. 

Die Dzierzon’sche Lehre schliesst ausserdem noch die 
Annahme mit ein, dass jede normal beschaffene und befruchtete 
Königin zugleich auch die Fähigkeit besitzen muss, nach 
Willkür bald männliche bald weibliche Eier zu 
legen, das heisst, willkürlich beim Eierlegen ein 
Ei unbefruchtet zu lassen oder befruchtet abzu- 


setzen. 


ihre Fruchtbarkeit auf die Neige geht, mehr oder weniger Drohneneier in 
Arbeiterzellen zwischen weibliche Eier legen, ja sogar bei höchst frucht- 
baren Königinnen kommt es gar nicht selten vor, dass einzelne Drohnen 
aus Arbeiterzellen mitten zwischen Arbeiterinnen auslaufen. Wie ist diess 
ohne die Dzierzon’sche Hypothese erklärbar, da doch auch hier die Köni- 
ginnen offenbar keine männlichen, sondern weibliche Eier legen wollen. 
An die Dzierzon’sche Hypothese mich lehnend, conjecturire ich, dass bei 
Königinnen, wo die Fruchtbarkeit bereits im Erlöschen ist, nicht jedes Ei 
mehr befruchtet werden kann, weil das Receptaculum nicht mehr gehörig 
mit Sperma gefüllt ist, bei Königinnen aber, die noch in der Vollkraft ihrer 
Fruchtbarkeit sich befinden, mag hin und wieder ein Ei, das befruchtet 
werden soll, unbefruchtet vorübergleiten, mag ein Spermatozoon sich nicht 
anhängen oder wieder verloren gehen, ehe es sich durch die Mikropyle in 
den Dotter bohren kann.‘* 


bei der Honigbiene. 81 


Auf die Frage, wie eine Königin wissen könne, wann sie 
ein männliches oder weibliches Ei zu legen habe, wird zu ant- 
worten sein, dass der Instinkt es einer Königin sagen wird, 
und zwar in dem Augenblicke, während dessen sie ihren 
Hinterleib in eine weite Drohnenzelle, oder in eine enge Arbei- 
terzelle zum Eierlegen hineinschiebt. _ Den Unterschied der 
weiteren und engeren Zellen wird eine normale Königin gewiss 
mit ihrem Hinterleibe herausfühlen, und sie wird durch dieses 
Gefühl wissen, dass sie in einer engen Zelle das abzusetzende 
Ei befruchten müsse, während sie in einer weiten Zelle das Ei 
unbefruchtet abzulegen habe. Auch durch die eigenthümliche 
Beschaffenheit einer unvollendeten Weiselwiege wird eine nor- 
male Königin instinktmässig zum Befruchten des hier einzu- 
setzenden Eies aufgefordert werden. Hiermit hätte Dzierzon 
eine Erscheinung erklärt, welche man im Bienenstocke von 
jeher als ein wunderbares Räthsel angestaunt hat, nämlich 
jene Fähigkeit der normal beschaffenen Königinnen, die Droh- 
nen-, Arbeiter- und Königinnen-Zellen der Waben, welche an 
jedem Bienenstocke in anderer Zahl und Anordnung ange- 
bracht sind, mit den richtigen Eiern zu besetzen. Freilich 
wäre noch übrig, aus der Organisation und Anordnung der 
einzelnen Abschnitte der weiblichen Geschlechtswerkzeuge 
nachzuweisen, dass wirklich durch die Anwesenheit von be- 
stimmten willkürlichen Muskeln es einer befruchteten Königin 
möglich sei, den Samen nach Willkür in dem Receptaculum 
seminis zurückzuhalten oder aus demselben zu entleeren. Aus 
meinen früheren oben (pag. 5) angeführten Untersuchungen, 
welche ich an befruchteten Insektenweibchen angestellt habe, 
geht hervor, dass durch die Begattung der Insekten nicht die 
Eierstöcke befruchtet werden, sondern nur das Receptaculum 
seminis mit Samen gefüllt wird, und dass erst während 


des Eierlegens in dem Augenblicke, während das zu legende 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 6 


— 


33 Wahre Parthenogenesis 


Ei im Eierleiter an der Einmündungsstelle des Recep- 
taculum seminis vorbeischlüpft, die Befruchtung desselben 
erfolgt. Ich berufe mich hierbei auf diejenigen Insekten-Weib- 
chen, welche nach vollzogener Begattung ihre Männchen ım 
_ Herbste überleben, mit nur unvollständig entwickelten Ovarien 
überwintern und erst im folgenden Frühjahre, nachdem sich 
ihre Ovarien mit reifen Eiern gefüllt, befruchtete und ent- 
wicklungsfähige Eier legen'. Solche Weibchen bewahren also 
den bei der Begattung empfangenen männlichen Samen in 
ihren Samentaschen auf, erhalten denselben frisch, wahrschein- 
lich mit Hülfe des Sekrets der Anhangsdrüsen der Oapsula se- 
minalis, und entleeren denselben willkürlich nach Bedürfniss 
bei dem Legeakte. Zu diesem Zwecke sind in der That beson- 
dere willkürliche Muskeln vorhanden, welche ich bei vielen 
Käfer-Weibchen in der äusseren Umgebung der Samenkapsel 
beobachtet habe*). Auch in der nächsten Umgebung des Recep- 
taculum seminis der weiblichen Bienen sah ich willkürliche 
Muskeln, ohne jedoch mit Sicherheit angeben zu können, wel- 
chen bestimmten Funktionen sie zu dienen haben. Die Mög- 
lichkeit einer willkürlichen Samenentleerung aus der Samen- 
tasche befruchteter Insekten-Weibchen wäre hiernach wenig- 
stens nicht abzuläugnen, zumal da das willkürliche Absetzen 
von männlichen und weiblichen Eiern bei einer Bienenkönigin 
sich aus der geschlechtlichen Beschaffenheit der von ihr aus- 


gegangenen Brut nachweisen lässt. Nachdem ich Herrn 


1) Vergl. hierüber meine an überwinterten befruchteten Wespen- und 
Schnacken-Weibchen angestellten Beobachtungen in Wiegmann’s Ar- 
chiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1839. Bd.I. pag. 107 und in Germar’s 
Zeitschrift für die Entomologie. Bd. II. 1840. pag. 443. 


2) S. meine Untersuchungen über die Spermatozoen in den befruch- 
teten Insekten-Weibchen in Müller’s Archiv. 1837. pag. 398. Taf. XX. - 
Fig. 1 und 2g und pag. 423. a 


T 


bei der Honigbiene. 83 


v. Berlepsch auf die Anwesenheit von willkürlichen Muskeln 
am Receptaculum seminis aufmerksam gemacht, sprach sich 
derselbe hierüber in folgender Weise aus'!: ‚,‚Wahrscheinlich 
hat die Königin die Fähigkeit, die Mündung des Receptaculi 
nach Belieben, vielleicht durch Zusammenziehung der gesamm- 
ten Blasenhaut, zu schliessen, oder auch das ganze Receptacu- 
lum von der Röhre des Eileiters, in welchen es mündet, seit- 
wärts abzubewegen, etwas zurückzuziehen, damit diejenigen 
Eier, welche sie in männliche Zellen absetzen will, unberührt 
vom Sperma vorbeigleiten können.‘‘ 

Es lässt sich die Fähigkeit einer befruchteten Königin, 
nach Willkür männliche oder weibliche Eier zu legen, noch 
aus folgendem Versuche erweisen. Man kann nämlich in einem 
Dzierzon-Stocke eine befruchtete Königin bis zu einem gewis- 
sen Grade zwingen, männliche oder weibliche Eier zu legen. 
Die Einrichtung des Dzierzon-Stockes erlaubt es, in demselben 
die Beschaffenheit der von den Arbeitern angefertigten Waben 
genau zu revidiren; bereiten die Arbeiter eines mit einer nor- 
malen Königin ausgestatteten Stockes zu viele Drohnenzellen, 
die man vielleicht nicht haben will, oder bedarf der Stock mehr 
Arbeiter, so kann man die Drohnenwaben, deren Zellen die 
Königin in nächster Zeit mit männlichen Eiern, das heisst, 
mit unbefruchteten Eiern besetzt haben würde, herausnehmen 
und statt derselben Waben mit leeren Arbeiterzellen einhängen, 
die Königin wird auch diese Waben mit Eiern besetzen und 
zwar der Beschaffenheit der Zellen entsprechend mitweiblichen, 
das heisst, mit befruchteten Eiern, aus denen die Arbeiter ihres 
gleichen erziehen können. Im Sommer kann man die Königin 
volkt@&cher Stöcke veranlassen, Drohneneier abzusetzen, wenn 
man mitten in den Stock eine leere Drohnenwabe einhängt. 


% 


1) S. Bienenzeitung. Jahrg. 1855. Nr. 7. pag. 77. 
6* 


84 Wahre Parthenogenesis 


Hieraus ergiebt es sich, dass der verständige Bienenzüchter es 
durch die Wahl der einzuhängenden Waben in der Hand hat, 
nach welcher Richtung er die Thätigkeit dieses oder jenes Bie- 
nenvolkes hinlenken will und dass derselbe die Desorganisation 
und Demoralisation eines Bienenstockes zum Theil durch pas- 
sende Nachhülfe verhüten kann. Ehe ich mich nun zu dem 
streng wissenschaftlichen Beweise wende, welcher mir noch zu 
liefern übrig ist, um der von Dzierzon eigentlich nur als 
Hypothese hingestellten Ansicht über die Zeugung der Bienen 
Geltung zu verschaffen und zu einer Theorie zu erheben, damit 
sie in der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere den ihr gebüh- 
renden Platz einnehmen könne, will ich hier noch einige mehr 
empirische Beweismittel anführen, durch welche allein schon 
die Richtigkeit der Dzierzon’schen "Theorie schlagend darge- 
than wäre, wenn nicht die Wichtigkeit derselben noch ein- 
dringlichere Thatsachen zu ihrer Feststellung erforderte. 

Ich darf es nicht unerwähnt lassen, dass Dzierzon, 
nachdem er durch Aufstellung seiner neuen Theorie eine Menge 
Gegner ins Feld gerufen und nachdem ihm von den verschie- 
densten Seiten alle möglichen erdenklichen Einwendungen 
gegen die Richtigkeit seiner Theorie gemacht wurden, selbst 
die vollständige Haltbarkeit seiner 'Theorie zu bezweifeln an- 
fängt. Trotzdem, dass Dzierzon in jüngster Zeit sich über 
gewisse Punkte seiner Theorie eigenthümlich rückhaltend und 
vorsichtig ausspricht', halten nichtsdestoweniger andere viel- 
erfahrene Bienenzüchter an dieser Theorie fest, da ihnen, nach- 
dem sie sich einmal mit derselben vollkommen vertraut gemacht 
haben, über jedes noch so unerwartete und fremdartig schei- 
nende Freigniss in einem Bienenstocke mit Hülfe dieser Theorie 
augenblicklich das Verständniss aufgeht. 


Ba 


1) S. dessen Bienenfreund aus Schlesien. Nr. $. 1554. pag. 64. 


bei der Honigbiene. s5 


Vor allen ist hier Herr v. Berlepsch zu nennen, der es 
sich zur besonderen Aufgabe gestellt hat, die Dzierzon’sche 
Theorie nach allen Richtungen hin mit seinem Reichthum von 
Bienenstöcken zu prüfen. Sein auf das sorgfältigste gepflegter 
und in der musterhaftesten Ordnung gehaltener Bienenstand 
bietet aber auch ganz einzig in seiner Art durch Einrichtung, 
Anordnung und Masse des Materials die beste und sicherste 
Gelegenheit, dergleichen durch Dzierzon hervorgerufene auf 
das Bienenleben sich beziehende Fragen zu prüfen und zu be- 
antworten. 

Von Berlepsch wurden folgende höchst interessante 
Versuche und Beobachtungen angestellt, welche Dzierzon 
selbst, nachdem er an seiner eigenen Theorie Zweifler geworden 
zu sein scheint, wieder bekehren müssen. 

Berlepsch fieng im Mai 1854 eine alte fruchtbare Kö- 
nigin ab', und sperrte sie in einen kleinen Weiselkäfig, um 
sie später nach Herstellung einer neuen Bienenkolonie dieser 
einzuverleiben. Sie befand sich im normalen Zustande und 
hatte bis dahin die erforderlichen Drohnen und Arbeiter erzeugt. 
Berlepsch meldet von dieser Königin wörtlich folgendes: 
„Als ich das in einem Falz laufende Kläppchen (des Weisel- 
käfigs) zuschieben wollte, quetschte ich die Königin am Ende 
des Hinterleibes so bedeutend, dass sie den ganzen Hinterleib, 
wie eine gestochene Biene, zusammenzog und, nachschleppen 
liess. Ich hielt sie anfänglich für verloren, gab sie jedoch, als 
sie nach einer Stunde noch lebte, und wieder gestreckt und 
ruhig dasass, ihrem Volke zurück. Sie legte nach wie vor Tau- 
sende von Eiern, aber aus allen entwickelten sich 


vonnunanDrohnen. Hätte ich diese Königin nur sogleich, 


1) Vergl. das von Berlepsch an mich gerichtete Sendschreiben in 
der Bienenzeitung. Jahrg. 1855. Nr. 7. pag. 78. 


ne 


s6 Wahre Parthenogenesis 


als ich ihre Drohnenbrütigkeit gewahr wurde, secirt, dann 
hätte ich wenigstens gesehen, ob das (Samen-) Bläschen über- 
haupt noch vorhanden und normal gefüllt gewesen wäre. Ich 
verschob jedoch die Sektion, und als ich sie endlich vornehmen 
wollte, war die Königin weg. Diesen gewiss höchst merkwür- 
digen, für die Dzierzon’sche Hypothese des Unbefruchtetseins 
aller männlichen Eier laut sprechenden Vorfall theilte ich frü- 
her privatim dem Präsidenten Busch mit und bat um dessen 
Ansicht, weil ich damals, wo ich noch nicht gewiss wusste, 
dass das Bläschen das Receptaculum seminis und der weisse 
Schleim (Inhalt desselben) das Sperma virile ist, mir keine be- 
stimmte Ansicht bilden konnte. Busch war aber auch rath- 
los, mein (Diener) Günther hingegen meinte, vielleicht sei 
das Receptaculum zerdrückt und vernichtet worden. Diess 
halte ich jedoch für höchst unwahrscheinlich, da ein Zerdrücken 
des regelmässig sehr festen Receptaculi zwischen den so wei- 
chen es umgebenden 'Theilen des Leibes der Königin, ohne 
dieser selbst schnell den Tod zu bereiten, nicht wohl möglich 
sein dürfte. Ich glaube daher, dass nur Organe, die beim 
Schliessen und Oeffnen der Mündung oder beim Zurückziehen 
und Vorbringen des Receptaculi thätig sein mögen, gelähmt, 
gesteift etc. wurden.‘‘ 

Wenn ich mich gutachtlich über diesen interessanten Fall 
aussprechen soll, so vermuthe ich, dass durch jene Quetschung 
des Hinterleibes das mit Samen gefüllte Receptaculum seminis 
der Königin an seiner Einmündungsstelle von dem Eierleiter 
abgerissen wurde, wodurch die auf diese Weise verletzte Köni- 
gin nicht mehr im Stande war, ihre Eier bei dem Legen zu 
befruchten und also nur unbefruchtete, mithin männliche Eier 
legen konnte. a 

Ueber einen den Dzierzon’schen Haupt - Lehrsatz bestäti- 


genden Versuch, welchen Berlepsch in Folge des Studiums 


5 


bei der Honigbiene. 87 


von Joh. Müller’s Physiologie des Menschen angestellt, 
theilte derselbe folgendes mit': ‚, Jetzt erst erhielt ich völlige 
Ueberzeugung von der Existenz der Spermatozoen, und als 
ich im gedachten Werke (Bd. II. pag. 636) las, dass hehe 
und niedere Temperatur die Bewegung der Sper- 
matozoen aufhören lassen, dachte ich: nun ist dir 
Dzierzon’s Fall? ganz erklärlich, und wenn es wahr ist, 
dass bei Apis mellifica die männlichen Eier sich spontan regel- 
mässig zu Männchen entwickeln, in weibliche aber nur duich 
die Befruchtung der Spermatozoen umgewandelt werden, so 
muss jede normal fruchtbare Königin von dem Momente an 
aufhören , weibliche Eier zu legen, wo es gelänge, die Sper- 
matozoen, ohne das Mutterthier selbst zu tödten, unbeweglich 
zu machen (zu tödten). Ich nahm daher Ende Juni 1854 drei 
sehr fruchtbare Königinnen, sperrte jede in einen Weiselkäfig, 
gieng nach Mühlhausen und stellte die Käfige in den Eiskeller 
eines mir befreundeten Gastwirths. Dort liess ich sie etwa 36 
Stunden stehen. Die Königinnen waren natürlich völlig er- 
starrt, förmlich weiss beduftet, und als ich mit ihnen nach 
Seebach zurückkam, exponirte ich sie der eben aufgehenden 
Sonne. Lange regte sich keine; endlich gegen sieben Uhr be- 
merkte ich an einer Bewegungen der Füsse. Ich brachte ihr 
mittelst eines feinen Hölzchens etwas Honig an den Rüssel 
und nach noch 10 — 12 Minuten war sie ins Leben zurückge- 
kehrt. Die beiden anderen hingegen blieben todt. Diess war 
für mich sehr auffällig, da selbst Arbeitsbienen, deren Vitalität 


doch sehr bedeutend schwächer als die der Königinnen ist, 


u ——— 


1) S. desselben Sendschreiben a. a. OÖ. pag. 90. 

2) Berlepsch bezieht sich hier auf den von Dzierzon mitgetheil- 
ten Fall (Bienenzeitung. 1854. pag. 252. 2.), dass eine längere Zeit erstarrt 
gewesene Königin, nachdem sie durch Wärme wieder belebt worden, nur 
noch männliche Eier gelegt habe, während sie früher auch weibliche gelegt. 


en 


ss Wahre Parthenogenesis ° 


% 


nach so kurzer Erstarrung in der Regel wieder aufleben, und 
ich kann den Grund nur darin finden, dass die Temperatur 
des Eiskellers zu niedrig war und dass deshalb die Königinnen 


usehr vom - Froste durchdrungen wurden, wenn nicht viel- 


icht ‚auch der Umstand mit zum Tode gewirkt hat, dass die 
öniginnen zu sehr eierschwanger waren und deshalb weniger 
als sonst äusserlich störende Einwirkungen auf ihren Körper 
ertragen konnten. Die Wiederbelebte gab ich ihrem Volke zu- 
rück. Sie legte nach wie vor Tausende von Eiern in kleine 
Zellen, aber aus allen entwickelten sich nur Männ- 
chen. Als ich später das Sperma untersuchte, fand ich es we- 
niger consistent, in’s Gelbliche spielend.“ 

Offenbar geht aus diesem höchst interessanten Versuch 
hervor, dass dıe männlichen Eier der Biene keiner Befruch- 
tung bedürfen ; die Spermatozoiden, welche diese einer so stren- 
gen Kälte ausgesetzt gewesene Königin in ihrer Samentasche 
enthielt, waren jedenfalls erstarrt und nach dem Aufthauen _ 
nicht wieder beweglich geworden, so dass also diese Königm 
nur unbefruchtete Eier legen musste, denn wenn sie auchden 
Inhalt ihres Receptaculum seminis bei dem Belegen der Arbei- 
terzellen mit Eiern über diese entleerte, um sie zu befruchten, 
werden die starren Spermatozoiden wirkungslos geblieben sein. 

Einen dritten empirischen Beweis, durch welchen der 
Hauptsatz aus der Dzierzon’schen Zeugungstheorie der Bienen 
eine Stütze findet, liefern die Erscheinungen, welche sich an 
den Bastarderzeugungen der Bienen beobachten lassen. Auf 
Bastardbildungen der Bienen ist man erst in neuester Zeit auf- 
merksam geworden, seitdem durch Dzierzon und Ber- 
lepsch die italienische Bienenrace in Deutschland eingeführt 
worden ist. Die sogenannten italienischen Bienen bilden keine 
besondere Species, sondern müssen nur als Varietät der Apis 


mellifica betrachtet werden. Diese italienischen Bienen unter- 


ei 


” bei der Honigbiene. 89 


* 


scheiden sich auf den ersten Blick durch ihre ledergelbe Fär- 
bung des Hinterleibs von den einfarbigen schwarzbraunen 
deutschen Bienen. Bei den Weibchen und Arbeitern der ita- 
lienischen Bienenrace erscheint das erste, zweite und dritte 
Hinterleibssegment rostgelb (colore rufo -ferrugineo) gefärbt 
und schwarz gerandet, dieser schwarze Rand ist am ersten 
Segmente sehr schmal, am zweiten breiter und am dritten 
Segmente am breitesten. Die italienischen Drohnen haben die 
Mitte des Hinterrandes des zweiten, dritten, vierten und oft 
auch des fünften Hinterleibssegmentes breit rostgelb gefärbt, 
wodurch das schwarzbraune Abdomen dieser Drohnen auf dem 
Rücken wie mit drei bis vier rostbraunen Querbinden besetzt 
erscheint, von denen die erste Binde die breiteste ist. Die 
deutschen Drohnen besitzen dagegen nur ganz schmal rostgelb 


gerandete Hinterleibssegmente!. Nach Aussage von Dzierzon 


1) Diese Varietät der Apis mellifica ist schon ausserordentlich lange 
in Italien und überhaupt in Südeuropa einheimisch, denn bereits Virgil 
und noch früher Aristoteles erwähnen bei ihren Beschreibungen des 
Bienenhaushaltes diese rostgelben Bienen. Immer müssen aber auch ein- 
farbige dunkle Bienen zwischen den rostgelb- gefleckten oder bunten Bie- 
nen vorgekommen sein, da beide Autoren auch von schwarzen Bienen re- 
den. In Aristotelis de animalibus historiae Lib. V. Cap. 18. 2. heisst 
es: Regum autem genera duo; praestantior rufus: alter niger et varius 
magis. Ferner Lib. V. Cap. 19. 1. In genere apum praestantissima quae 
parva, rotunda, varia: alterum genus est oblongum et vespae (anthrenae) 
simile : tertium furem vocant: niger is, alvo lata. Quartus fucus, omnium 
maximus, sine aculeo, ignavus. Bekannt sind die Verse Virgil’s, mit 
welchen derselbe (Georgicon Libr. IV. 91) die bunten Bienen in Vergleich 
zu den schwarzen für edler erklärte: 


4 Alter erit maculis auro squalentibus ardens: 
Nam duo sunt genera: hic melior, insignis et ore, 
f 2 clarus squamis; ille horridus alter 
Desidia, latamque trahens inglorius alvum. 
Ut binae regum facies, ita corpora plebis. 
Namque aliae turpes horrent: ceu pulvere ab alto 
Quum venit, et sicco terram spuit ore viator, 


90 Wahre Parthenogenesis “ 


und Berlepsch, welche sich um die Zucht und Verbreitung 


der italienischen Bienen in Deutschland ganz besonders ver- 


Aridus; elucent aliae, et fulgore coruscant, 
Ardentes auro et paribus lita corpora guttis. 
Haec potior suboles. 


Auch die Mittheilungen, welche Varro und Columella über Bienen- 
zucht gemacht haben, sprechen dafür, dass in Italien die goldfarbigen 
oder bunten Bienen und die einfarbigen schwarzbraunen Bienen neben- 
einander vorkommen. Man vergleiche Seriptorum rei rusticae veterum la- 
tinorum (edit. Schneider) Tom. 1. pag. 316. VarronisLib. III. Cap. 16. 

Ut quidam dicunt, tria genera cum sint ducum in apibus, niger, ruber, 
varius, ut Menecrates scribit duo, niger, et varius: qui ita, melior; ut 
expediat mellario, cum duo sint eadem alvo, interficere nigrum, quem seit 

cum altero rege esse seditiosum, et corrumpere alyum, quod fuget, aut 

cum multitudine fugetur. De reliquis apibus optima est parva, varia, ro- 
tunda. Columella (Lib. IX. Cap. III. ebenda. Tom. II. P. I. pag. 437) 
bezieht sich bei der Beschreibung der Bienen auf die Angaben des Aristo- 
teles und Virgil, und sagtvon den Königinnen (Cap. X. ebenda. p. 453): 

Sunt autem hi reges majores paulo et oblongi magis quam caeterae apes, 
rectioribus cruribus, sed minus amplis pinnis, pulchri coloris et nitidi, 
levesque ac sine pilo, sine spiculo, nisi quis forte pleniorem quasi capil- _ 
lum, quem in ventre gerunt, aculeum putet, quo et ipso tamen ad nocen- 

dum non utuntur. Quidam etiam infusci atque hirsuti reperiuntur, quo- 
rum pro habitu damnabis ingenium. Also schon von den Römern wurden 
die bunten und goldgelben Bienen mehr geschätzt wie die einfarbige 
schwarzbraune Bienenrace. Dass diese rostgelbe Varietät der Honigbiene 
noch gegenwärtig in Italien sehr verbreitet lebt, geht aus der Beschrei- 
bung hervor, welche Spinola (Insectorum Liguriae species novae aut 
rariores. Tom. I. 1806. pag. 35) von einer in Piemont einheimischen Ho- 
nigbiene gegeben hat. Diese von Spinola mit dem Namen Aprs ligustica 
belegte Biene stimmt nach der Beschreibung ganz mit der aus Italien bei 
uns seit Kurzem eingeführten rostgelben Biene überein. Zwei bei Bellin- 
zona und Sesto Calende am Lago maggiore eingefangene Individuen der 
Apis ligustica, welche ich hier mit einigen in Seebach gezogenen italieni- 
schen Bienen ächter Race habe vergleichen können, kann ich nicht als 
besondere Art, sondern nur als eine rostgelbe Varietät der Apis mellifica 
anerkennen, deren einfarbige dunkle Form, nach Spinola’s eigener Aus- 
sage (a. a. O. pag. 133) in Piemont ebenfalls, aber selten vorkömmt,, Die 
von Della Rocca (Trait& complet sur les abeilles. 1790. Tom. II. pag. 
112) erwähnten morgenroth-farbigen und angeblich aus Holland oder 
Flandern in Frankreich eingeführten Bienen mögen derselben italienischen 
Varietät angehören. Auch die.von Latreille (in den Annales du Mu- 


.. 


EM u 
bei der Honigbiene. 91 


dient gemacht haben', sollen diese goldgelben Bienen nicht 
bloss schöner, sondern auch fleissiger und sanftmüthiger als 


die deutschen sein. Diese letzteren Eigenschaften sind nun 


seum d’histoire naturelle. Tom. V. 1804. pag. 171) unter dem Namen 
Apıs fascrata beschriebene ägyptische Honigbiene ist wohl nichts anderes 
als jene südliche rostgelbe Varietät der Apis mellifica, zumal da La- 
treille selbst eingesteht, dass diese ägyptische Hausbiene mit einer bei 
Genua eingefangenen Honigbienen-Art genau übereinstimme. 

1) Herr v. Baldenstein in Graubündten hat das Verdienst (s. die 
Bienenzeitung. 1848. pag. 26), zuerst auf die italienische Biene als ein 
für Experimente geeignetes Objekt aufmerksam gemacht zu haben. Der- 
selbe hatte sich einen italienischen Bienenstock über die Gebirge tragen 
lassen, um sich den Farbenunterschied, der zwischen den rostgelben ita- 
lienischen Bienen und den einfarbigen dunkeln schweizer oder deutschen 
Bienen stattfindet, bei seinen Forschungen zu Nutzen zu machen. Er 
nahm in dem darauffolgenden Jahre wahr, dass seine italienischen Bienen 
im Mutterstocke ausarteten, indem ein Theil der neuen Brut ganz italie- 
nisch, ein anderer Theil dagegen mehr oder weniger aussahen wie die 
schweizerischen Bienen. Baldenstein schloss aus dieser Erscheinung 
ganz richtig, dass die jungen italienischen Mutterbienen sich mit einem 
schweizerischen Bienen - Männchen und zwar ausserhalb des Stockes be- 

© gattet haben mussten; diese Bastarderzeugung wäre nicht erfolgt, wenn 
sich die jungen italienischen Königinnen im Mutterstocke, wo sie genug 
ächte italienische Drohnen angetroffen, begattet hätten. Baldenstein 
meldet ferner (in der Bienenzeitung. 1851. pag. 81), dass jene italienische 
Mutterbiene, als er sie erhalten, bereits 4 Jahre alt gewesen und bei ihm 
noch 3 Jahre, also im Ganzen 7 Jahre gelebt und stets ächt italienische 
Bienen erzeugt habe, wodurch bewiesen sei, dass diese Königin seit der 
ersten Begattung keiner neuen Begattung bedurft habe. — Durch diese 
interessanten Beobachtungen Baldenstein’s (s. auch die Bienenzei- 
tung. 1853. pag. 11) angeregt, verschaffte sich Dzierzon im Februar 
1853 von der Frau A.dele v. Prollius, einer eifrigen Bienenfreundin, 
aus Mira bei Venedig einen Bienenstock ächt italienischer Race (s. die 
Bienenzeitung. 1552. pag. 204 und 1853. pag. 40), durch welchen Stock 
- „von Carlsmarkt (in Schlesien) aus die übrigen deutschen Bienenzüchter 
mit italienischen Bienen versorgt werden konnten, durch deren Beobach- 
tung für die Wissenschaft so wichtige Resultate entsprossen sind. Ueber 
die verschiedenen Berichte der Zucht italienischer Bienen vergleiche man 
die Jahrgänge 1854 und 1855 der Bienenzeitung, ferner den Aufsatz in der 
Bienenzeitung 1856. pag. 1, in welchem Dzierzon die Frage erörtert: 
Ist die italienische Bienenart erfahrungsmässig für die Praxis von dersel- 


92 Wahre Parthenogenesis 


auch die Veranlassung, weshalb die italienischen Bienen bei 
uns so beliebt geworden und eine so grosse Nachfrage nach 
italienischen Bienen in der neuesten Zeit erhoben wird, so dass 
Berlepsch sich genöthigt sah, folgendes öffentlich zu erklä- 
ren!: „Soll die wälsche, gutmüthigere, fleissi- 
gere und so schönfarbige Race gereinigt und ste- 
reotypirt, vielleicht auch veredelt werden, so 
müssen Dzierzon und ich wenigstens einen Som- 
mer hindurch Ruhe haben.“ 

Es ist eine bekannte Sache, dass durch Kreuzung von 
verschiedenen Racen einer Thierspecies Bastardformen erzeugt 
werden, welche gewisse Charaktere der beiden verschiedenen 
Racen - Individuen, welche zur Erzeugung solcher Ravenba- 
starde benutzt wurden, auf mannichfaltige Weise in sich verei- ° 
nigen. Es lag der Gedanke nahe, dass bei den Bienen die Er- 
zielung solcher Racen-Bastarde mit ganz eigenthümlichen Mo- 
difikationen verbunden sein müsse. Wenn sich die Dzierzon’- 
sche Theorie als richtig bewährte, durfte man im voraus erwar- 
ten, dass durch die Begattung einer einfarbigen schwarzbrau- 
nen deutschen und einer rothbraunen italienischen Biene die 
Vermischung beider Racen sich nur in den weiblichen und 
Arbeiter-Bastarden aussprechen würde, nicht aber in den Droh- 
nen, welche aus unbefruchteten Eiern hervorgehend rein 
deutsch oder rein italienisch bleiben müssen, je nachdem die 
zur Bastarderzeugung ausgewählte Königin der deutschen oder 
italienischen Race angehörte. In der That wurden diese Er- 
wartungen der Bienenzüchter nicht getäuscht. Freilich ereig- 


neten sich bei diesen Kreuzungen der Racen mancherlei merk- 


ben Bedeutsamkeit, wie für die Theorie ? und vor allem lese man die 
wichtigen Mittheilungen über die italische Biene von Berlepsch 
“ (ebenda. 1856. pag. 3). 
1) S. die Bienenzeitung. 1856. pag. 6. 


ae 


bei der\Honigbiene. 93 


würdige Erscheinungen, wie sie auch bei der Kreuzung unse- 
rer grösseren Hausthiere wider Erwarten vorkommen und 
ebenfalls noch unerklärt bleiben mussten. Nach Berlepsch’s 
Beobachtungen! erzeugen 1) manche italische Bienen-Mütter 
unterallen Umständen, d.h. gleichviel ob sie von einer italischen 
oder deutschen Drohne befruchtet wurden, theils schwarze, 
theils bunte Bienen; 2) manche italische Mutter erzeugt nur 
bunte Bienen, wenn sie von einer italiıschen Drohne befruchtet 
wird, aber bunte und schwarze gemischt, wenn die Befruch- 
tung durch eine deutsche Drohne geschieht; 3) manche itali- 
sche Mutter erzeugt unter allen Umständen, d. h. gleichviel 
ob sie von einer italischen oder deutschen Drohne befruchtet 
wird, wenigstens nach einiger Zeit, nur bunte Bienen. Solche 
ächte italienische Bienen-Königinnen, fügt noch Berlepsch 
hinzu, erzeugen von italienischen Drohnen befruchtet von An- 
fang an italienische Bienen, bringen dagegen von deutschen 
Drohnen befruchtet anfänglich theils längere, theils kürzere 
Zeit auch deutsche Bienen hervor. 

Ich muss es hier betonen, dass sich diese Angaben des 
Herrn von Berlepsch nur auf die Erzeugung von Arbeits- 
bienen und weiblichen Bienen bezieht, aber keineswegs auf 
Drohnen. Derselbe suchte sich diese auf zweijährige Beobach- 
tungen beruhenden überraschenden und sonderbaren That- 
sachen auf folgende Weise zu erklären. Derselbe beruft sich 
auf die Anwesenheit der mit der Samentasche innig zusammen- 
hangenden Glandula appendicularis, welcher ich bereits im 
Jahre 1837 die Bedeutung zugeschrieben habe *, mit ihrem Se- 


1) S. die Bienenzeitung. Jahrgang 156. pag. 5. 

2) Vergl. meine Abhandlung über die Spermatozoen in den befruch- 
teten Insekten-Weibchen (Müller’s Archiv. 1837. pag. 398. Hier habe 
ich von der Glandula appendicularis gesagt: ‚‚Es dient dieses Organ viel- 
leicht dazu, eine gewisse Feuchtigkeit abzusondern, die sich in die Sa- 


94 Wahre Parthenogenesis 


kret die Monate lang in der Capsula seminalis verweilende Sa- 
menmasse frisch zu erhalten. Berlepsch, auf dieser Ansicht 
fussend, meinte nun, dass der fortwährend eindringende müt- 
terliche Liquor der Anhangsdrüse nach und nach die Sperma- 
tozoen dermaassen durchdringt, dass die väterlichen Körperele- 
mente derselben von den mütterlichen überwältiget werden. 
Ist die Bienenmutter rein italienischen Blutes, so müssen, so- 
bald die von einer deutschen Drohne herrührenden Spermato- 
zoen gehörig durchdrungen sind, lauter bunte Bienen aus ihren 
befruchteten Eiern hervorgehen, wogegen, wenn die Mutter 
nicht ganz rein italienisch ist, stets auch schwarze Bienen blei- 
ben werden. Diese Conjectur, die ich vor der Hand nur als 
solche hier anführe, ohne etwas dafür oder dagegen einzuwen- 
den, sucht Berlepsch noch durch das Benehmen einer deut- 
schen Königin zu unterstützen, welche, von einer italischen 
Drohne befruchtet, im vorigen Jahre unter den schwarzen 
auch bunte, heuer aber nur schwarze Bienen erzeugte. 

Bei allen diesen Beobachtungen, bei welchen es sich um 
die Fortpflanzung und Vermehrung der italienischen Bienen- 
Race handelte, fiel immer, wenn auch Kreuzungen zwischen 
den deutschen und italienischen Bienen vorkamen, die Zucht 
der Drohnen rein italienisch oder rein deutsch aus, je nachdem 
die der Kreuzung unterworfene Königin der italienischen oder 
deutschen Race angehörte. Um sich aber über diese Erschei- 
nung Gewissheit zu verschaffen, wird man bei den deshalb an- 
zustellenden Beobachtungen mit der grössten Vorsicht zu 
Werke gehen müssen. Es werden die Beobachtungen nur mit 
ganz ächten Racen-Individuen angestellt werden müssen, 


welche nicht immer so leicht und sicher zu beschaffen sein 


menkapsel ergiesst, und die hier längere Zeit verweilenden Spermatozoen 
lebend erhält.‘“ Man vergleiche auch Germar’s Zeitschrift für Entomo- 
logie. 1843. pag. 368. 


a 


bei der Honigbiene, i 95 


werden, seitdem die Zucht der italienischen Bienenschwärme 
neben den deutschen Bienenständen in bereits sehr ausgebrei- 
teter Weise bei uns betrieben wird. Wie schwer es sein dürfte, 
eine ganz ächte und rein erhaltene Königin zu dergleichen 
Versuchen ausfindig zu machen, das lehren die vorhin ange- 
führten, von Berlepsch beobachteten Vermischungen der 
beiden in Rede stehenden Bienen-Racen. Ich kann deshalb 
kein so grosses Gewicht auf eine Beobachtung legen, welche 
Dzierzon aneiner italienischen Königin angestellt, und welche 
diesen vorsichtigen Bienenzüchter an seiner eigenen Theorie, 
wie ich schon oben pag. 84. 85 angedeutet habe, irre gemacht 
hat. Es kann durch diesen vereinzelten Fall, wobei doch wohl ein 
oder der andere Umstand unbeachtet geblieben sein mochte, 
nichtein Satz umgestossen werden, dessen Richtigkeit durch eine 
Menge anderer Beobachtungen auf so eclatante Weise bestä- 
tigt worden ist. Wie Dzierzon durch solch’ einen störenden 
Zwischenfall betroffen wurde, geht aus seiner eigenen Mitthei- 
lung hervor, welche ich hier wörtlich mittheilen will, um zu 
zeigen, dass Dzierzon nicht zu demeniven"geört ;*felche 
«ieh vOh einer sogen Meinung, mö sie Irrig sein oder 
richtig$  datithı gar keine Grüne KR En: VEN | 
na SUEANT 
Worte lauten, Wie folgt': 


„Nicht minder dürften auch fortgesetzte Beobachtungen 
der Bastardstöcke geeignet sein, den Schleier immer mehr zu 
lüften, das Dunkel zu durchdringen und die geheimnissvolle 
Wahrheit endlich an den Tag zu bringen. Bedarf das Droh- 
nenei der Befruchtung nicht, so müssen italienische Mütter 
stets italienische Drohnen, deutsche Mütter stets deutsche 


Drohnen erzeugen, auch wenn sie von Drohnen der andern 


1) S. den Bienenfreund aus Schlesien. Nr. 8. 1854. pag. 63. 


u 


96 Wahre Parthenogenesis 


Race befruchtet worden sind. Der schlesische Bienenfreund 
besitzt Bastardstöcke beiderlei Art und liess es an Beobach- 
tungen nicht fehlen, soweit die beschränkte Zeit es ihm ge- 
stattete, begegnete aber neuen unlösbaren Räthseln. Die ita- 
lienischen Bastardmütter haben durchgängig die Vermuthung 
vollkommen bestätigt und die schönsten italienischen Drohnen 
hervorgebracht, einer fast noch schönere als die ächten Stöcke, 
als der Mutterstock selbst. Von zwei deutschen Bastardstöcken 
wies der eine ebenfalls nur gewöhnliche schwarze Drohnen 
auf, ebenso der andere, aber unvermuthet zeigten sich unter 
diesen einige wenige, die wie von Gold strahlten und so gelb 
waren, wie nicht eine einzige selbst in den ächt italienischen 
Stöcken. Zwar wäre es möglich, dass auch hier unter den 
Arbeitsbienen, von denen ein Theil die Farbe der einheimi- 
schen, der andere Theil die Farbe der italienischen hat, gerade 
eine schöne Italienerin einige Eier gelegt hätte, aus denen die 
wenigen gelben Drohnen hervorgegangen wären. Indessen ist 
der schlesische Bienenfreund nicht sonderlich geneigt, die Er- 
scheihung auf diese Weise zu erklären, um sich dem Verdachte 
nicht auszusetzen , ‚ass nur Vorliebe für seine Hypothöse ihn®- 
zu er Eilkilngstise* die Zuflucht nehmex liesss ‚da in 
der That das Eierlegen der Arbeitsbienen beim ee ee 
einer Königin zu den seltensten Ausnahmen gehört. Kann 
vielleicht, wenn auch das samengefüllte Bläschen dem Ei den 
Lebenskeim zu der Drohne nicht einpflanzt, doch ein gewisser 
Anhauch davon auf die Art und Farbe bestimmend wirken ?‘‘ 
Dzierzon hat gewiss Unrecht, wenn er um dieser einen 
Beobachtung willen, die ihn stört, und um sie zu erklären, die 
längst überwundene Hypothese von der Wirkung einer Aura 
seminalis wieder zu Hülfe ruft. Herr v. Berlepsch hat sich 
*die Mühe gegeben, diesen von Dzierzon mitgetheilten Fall, 


welcher gegen Dzierzon’s Theorie sprechen soll, zu entkräf- 


a 


bei der Honigbiene. 97 
ten. Derselbe wendet ganz richtig ein', dass Dzierzon in 
vorliegendem Falle nicht festgestellt habe, dass jene paar Gold- 
drohnen auch wirklich von der Königin herrührten und nicht 
von einer recht schönen italienischen eierlegenden Arbeiterin 
(da die Hälfte der Arbeitsbienen jenes Stockes aus diesen be- 
stand); denn wenn auch das Vorhandensein einer eierlegenden 
Arbeiterin neben einer Königin zu den allerseltensten Fällen 
gehört, so kommen doch erwiesenermaassen solche Ausnahmen 
vor. Ferner hebt Berlepsch mit Grund hervor, dass Dzier- 
zon seiner Sache nicht einmal völlig gewiss gewesen sei, ob 
jene Königin, in deren Stocke er die auffallend gelben Droh- 
nen bemerkte, von Geburt aus ächt deutscher Race, oder schon 
aus Bastardbrut entstanden war. Dzierzon fügt seinem mit- 
getheilten Falle selbst die Mahnung mit hinzu, dass bei der- 
gleichen Beobachtungen grosse Vorsicht nöthig sei, um sich 
vor Fehlschlüssen zu bewahren, indem man bei solchen Gele- 
genheiten die volle Gewissheit haben müsse, dass die Königin 
von Geburt«der rechten Race angehört, denn ist sie selbst 
schon aus Bastardbrut entstanden, kann sie auch unmöglich 
reine Drohnen erzeugen, sondern sie erzeugt halb italienische 
und halb deutsche Drohnen. — Ich hielt übrigens diese in 
Dzierzon durch seine eigenen Beobachtungen an seiner 
Theorie rege gewordenen Zweifel für Grund genug, mich 
noch einmal von Herrn v. Berlepsch, der in der Zucht der 
italienischen Bienen seit zwei Jahren vielfache Erfahrungen 
gewonnen hatte, über das Thatsächliche bei den zwischen ita- 
lienischen und deutschen Bienen sich ereignenden Bastardbil- 
dungen unterrichten zu lassen. Derselbe beantwortete unterm 
2. März d. J. meine deshalb an ıhn gestellten Fragen in fol- 


gender Weise. Zunächst berief sich derselbe auf seine bereits 


I) Vergl. die Bienenzeitung. Jahrg. 1555. pag. 79. 
2) S. den Bienenfreund aus Schlesien a. a. O. pag. 64. 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 7 


Se 


98 Wahre Parthenogenesis 


in der Bienenzeitung' ausgesprochenen Erfahrungen, dort sagt 
derselbe: ‚‚Alle Königinnen, die äusserlich schön gelb 
sind, erzeugen, auch wenn sie theils italische, theils deutsche 
Arbeiterinnen hervorbringen, nur italische Drohnen. 
Eine deutsche Mutter, die von einer italischen Drohne befruch- 
tet war, erzeugte deutsche und italische Arbeiterinnen, aber 
nur deutsche Drohnen. Wohmgegen die Mutter nicht 
schön gelb ist, wo sie Bruchtheile schwarzen Blutes in sich 
hat, da kommen auch die Drohnen gemischt hervor, mag die 
Mutter von einem deutschen oder italischen Männchen be- 
fruchtet sein. Ganz natürlich, weil die Männchen nur der 
Mutter folgen.‘“ Hierzu fügte Herr v. Berlepsch noch fol- 
genden Commentar brieflich bei. ‚, Eine italische von einer 
deutschen Drohne oder eine deutsche von einer italischen 
Drohne befruchtete Königin bringt ganz constant (mir kam 
nur erst eine einzige Ausnahme vor) dreierleifarbige Weibchen 
(Arbeiterinnen, Königinnen) hervor; a) ächt italische, 
d. h. so gelbe und so geringelte, wie die weiblich®Descendenz 
von italischen Königinnen ist, die auch von italischen Droh- 
nen befruchtet wurde; 5) ächt deutsche und e) Misch- 
linge. Bei mancher Mutter prävalirt die italische, bei man- 
cher die deutsche Descendenz, stets aber sind die Mischlinge, 
die der Farbe nach die Mitte zwischen deutsch und italisch 
halten, in der Minorität, und zwar in der stärksten Minorität, 
denn bei manchen Stöcken sieht man nur selten einen Misch- 
ling, bei manchen gar keinen. Da nun die Königinnen nur 
anders, resp. weiter entwickelte Arbeiterinnen sind, so findet 
beı ihnen dasselbe Verhältniss statt und bei Bastardmüttern 
hängt die Farbe der königlichen Descendenz von dem Ei ab. 
Hätte das Ei eine ächt italische Arbeiterin gegeben, so giebt 


ee " 


1) Vergl. Jahrgang 1856. pag. 6. . 


bei der Honigbiene. 99 


es auch eine ächt italische Königin etc. ete. Die Männchen 
richten sich der Farbe nach ausnahmlos nach der Mutter 

‚und ich habe im letzten Sommer trotz der sorgfältigsten Auf- 
merksamkeit und der genauesten Prüfungen bei Bastardmüt- 
tern auch nicht ein Männchen entdecken können, das nach 
dem Vater geartet gewesen wäre. ‘“ 

Nach solchen gewichtigen, von der Beobachtung einer 
grossen Anzahl Bienen-Bastarderzeugungen entnommenen Er- 
fahrungssätzen darf es also fest stehen, dass nach der Dzier- 
zon’schen Theorie die Bienen reiner Race von der Fähigkeit 
ausgeschlossen bleiben, Bastard-Drohnen hervorzubringen. 

Trotz der bisher auf praktischem Wege gemachten Ver- 
suche, durch welche die Dzierzon’sche Theorie die Berechti- 
gung erhält, sich als richtig zu behaupten, kann die Forderung 
nicht zurückgewiesen werden, dass mittelst direkter. Versuche 
die Ueberzeugung erlangt werden müsse: die Drohneneier 
bedürfen zu ihrer Entwicklung keiner Befruch- 
tung, während dieselben Eier, um weibliche oder 
Arbeits-Bıenen zu liefern, befruchtet sein müs- 
sen, denn nur nach solchen streng wissenschaftlichen Bewei- 
sen erlangt diese neue Theorie eine feste und sichere Basis. 

Nachdem in den letzten Jahren die Fischerzeugung durch 
künstliche Befruchtung der Fischeier mit so glücklichen Er- 
folgen betrieben worden war, lag der Gedanke nahe, ob es 
nicht möglich sei, mittelst künstlicher Befruchtung der Bie- 
neneier die Richtigkeit der Dzierzon’schen Theorie unabweis- 
bar festzustellen. Allein dieses Beweismittel musste von vorn 
herein als unausführbar sogleich wieder aufgegeben werden, 
denn wer irgend die Bieneneier einer näheren Untersuchung 
unterworfen hat, würde sogleich eingesehen haben, dass sich 
diese. Eier wegen ihrer ungemeinen Zartheit zu dergleichen 
Versuchen ganz und gar nicht eignen. Es wäre gar keine 

gi 


100 Wahre Parthenogenesis 


Möglichkeit, reife Eier unverletzt aus den Eierstöcken einer 
Königin herauszuschaffen , um dieselben entweder unbefruch- 
tet oder künstlich befruchtet in Zellen zur Pflege der Bienen 
überzutragen; ebensowenig würden diese zarten Eier die Be- 
rührung mit einem auch noch so feinen und von männlichem 
Bienen-Samen durchfeuchteten Pinsel, wie es die künstliche 
Befruchtung erfordert hätte, ohne Verletzung vertragen haben. 
Leuckart machte den Vorschlag', Eier, welche bereits als 
Drohneneier in Drohnenzellen abgesetzt sind, noch nachträg- 
lich künstlich zu befruchten, um auf diese Weise die Frage zu 
entscheiden, ob es gelingt, durch künstliche Befruchtung solche 
Eier zu Arbeitern oder Königinnen zu entwickeln. Derselbe 
machte aber zugleich auch auf die Schwierigkeiten aufmerk- 
sam, die sich dem Gelingen dieser Versuche entgegenstellen. 
Mit Recht hob Leuckart hervor, dass nur ganz frische und 
eben abgesetzte Drohneneier zur künstlichen Befruchtung be- 
nutzt werden dürften, denn sobald der dünne Eiweissüberzug, 
mit welchem die Insekteneier gelegt werden, vertrocknet, was 
gewiss sehr schnell an den gelegten Eiern geschieht, kann der 
zur künstlichen Befruchtung verwendete Samen nicht mehr 
durch die Poren der Eischale in das Innere des Eies eindrin- 
gen, wodurch allein, wie weiter unten gezeigt werden wird, 
der Befruchtungsakt der Insekteneier vollendet wird. Bei der 
Wichtigkeit des Zweckes, der durch diese, wenn auch sehr 
schwierig auszuführenden Versuche erzielt würde, pflichte 
ich dem Wunsche Leuckart’s vollkommen bei, dass derglei- 
chen Experimente von recht vielen Seiten her unternommen 
würden, vielleicht wäre doch einer oder der andere Experimen- 
tator so glücklich, durch verschiedene günstig zusammenwir- 


kende Zufälligkeiten das zu erreichen, was die Dzierzon’sche 


t) Vergl. die Bienenzeitung. 1855. pag. 206. u 


bei der Honigbiene. 101 


Theorie als Resultat im voraus erwarten muss. Aus dem eben 
Mitgetheilten geht hervor, dass die künstliche Befruchtung 
der Bieneneier bis jetzt nicht zu Gunsten der Dzierzon’schen 
Theorie verwendet werden konnte. 

Ganz andere Hoffnungen erwachten in dieser Beziehung, 
als man mit der Anwesenheit und Bedeutung der Mikropyle 
der Insekteneier bekannt wurde. Seitdem Leuckart und 
Meissner durch eigenthümliche Oeffnungen der Eischalen 
die Spermatozoiden in das Innere der Insekteneier haben ein- 


dringen sehen ', musste man sich im Voraus sagen, dass dieser 


1) Es wird mir erlaubt sein, in Bezug auf die Entdeckung dieser für 
die Befruchtungsgeschichte der Thiereier höchst wichtige und interessante 
Erscheinung die beiden Namen : Leuckart und Meissner zu nennen, 
denn nach den brieflichen Mittheilungen, die ich von Meissner über 
diese Entdeckung in Händen habe, muss ich glauben, dass beide Natur- 
forscher unabhängig von einander und vielleicht gleichzeitig ihre Unter- 
suchungen und Entdeckungen an den Insekten-Eiern gemacht haben. 
In einem Briefe vom 8. Juli 1854, der vor mir liegt, schreibt mir Meiss- 
ner aus Göttingen: ‚‚Ich habe meine Beobachtungen über die Befruch- 
tung fortgesetzt, und zwar bei Insekten. Das Resultat ist kurz folgendes: 
bei Dipteren,, Lepidopteren und Coleopteren haben die Eier alle an einer 
bestimmten Stelle sowohl im Chorion als in der Dotterhaut eine Mikro- 
pyle, und die Spermatozoen dringen aus dem Receptaculum seminis beim 
Durchgang der Eier durch die Scheide in die Mikropyle ein. Bei den 
Krebsen ist es im Allgemeinen ebenso. Ich bin immerfort noch mit Un- 
tersuchungen beschäftigt. Bei Musca vomitoria traf ich die noch lebenden 
Spermatozoen in Masse halb im Dotter, halb aus der Mikropyle heraus- 
ragend. Ich bin schon mit der Ausarbeitung des bis jetzt Gefundenen be- 
schäftigt, Zeichnungen sind fertig und in den nächsten Tagen denke ich 
Ihnen den Aufsatz zu schicken, auf welchen ich soeben durch eine Nach- 
schrift zu meinem letzten Aufsatze hingewiesen habe, als eine Fortsetzung 
desselben ‘“ (s. die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band VI. 
pag. 263). Diese Beobachtungen Meissner’s wurden in dem 2. Hefte 
der Zeitschr. f. wiss. Zool. Band VI. (ausgegeben den 14. Sept. 1854) 
pag. 272 abgedruckt. Am 17. August 1854 las in der Sitzung der Berliner 
Akademie der Wissenschaften Herr Joh. Müller eine briefliche Mitthei- 
lung von Prof. Leuckart in Giessen vom 12. Aug. desselben Jahres 
über die Mikropyle der Insekteneier (s. den Bericht über die zur Bekannt- 
machung geeigneten Verhandlungen der Akademie der Wiss. zu Berlin 


102 Wahre Parthenogenesis 


Eu 


Vorgang, wenn sich Dzierzon’s Theorie als richtig bewährt, 
nur bei denjenigen Bieneneiern, welche zur Entwicklung von 
Weibchen oder Arbeiterinnen bestimmt sind, sich beobachten 
lassen werde, und dass bei den unbefruchtet bleibenden Eiern, 
aus denen sich Drohnen entwickeln, keine Spermatozoiden 
durch die Mikropyle eindringen werden, während an allen 
diesen Eiern der Mikropyl-Apparat in ganz gleicher Ent- 
wicklung vorhanden sein muss, da ja alle Eier ursprünglich 
von einer und derselben Art und Beschaffenheit sind. h 
Diejenigen Bieneneier, welche eine Befruchtung zu erlei- 
den haben, werden in dem Augenblicke befruchtet, so wie sie 
innerhalb des Eierleiters (Scheide) an der Einmündungsstelle 
des Ductus seminalis der Samentasche vorbeischlüpfen. Es 
werden in diesem Momente, so darf man wohl annehmen, aus 
dem Ausführungsgange der Samentasche einige Spermatozoiden 
hervorgedrängt, welche auf diese Weise mittelst ihrer Beweg- 
lichkeit Gelegenheit finden, durch den Mikropyl- Apparat in 
das Innere des Eies einzudringen. Dass an der eben genann- 
ten Stelle in der Scheide der Befruchtungsakt des Insekten-- 
Eies wirklich stattfindet, das habe ich bereits im Jahre 1837 


behauptet und durch eine Beobachtung bestätigt gefunden, 


aus dem Jahre 1854. pag. 494). Dieser Bericht wird in einzelnen Monats- 
heften ausgegeben, von welchen mir das Augustheft, als ich, von einer zwei- 
monatlichen Ferienreise nach München zurückgekehrt, mein Sendschrei- 
ben an Hm. Baron von Berlepsch am 12. Octob. 1854 niederschrieb, 
noch nicht zu Gesicht gekommen. Ich war also damals, als ich in diesem 
Sendschreiben Meissner’s Beobachtungen über die Mikropyle der In- 
sekteneier nur allein erwähnte (s. die Bienenzeitung. 1854. pag. 230), 
noch nicht mit den Untersuchungen bekannt, welche Leuckart, wie er 
selbst gesteht, fast gleichzeitig auf demselben Gebiete der Entomotomie 
angestellt hatte, Nach dieser Erklärung, glaube ich, hat Leuckart 
nicht mehr Grund, mir vorzuwerfen, dass ich seine Untersuchungen igno- 
rirt hätte (s. die Bienenzeitung. 1855. pag. 129 und Leuckart’s Auf- 
satz über die Mikropyle und den feinern Bau der Schalenhaut bei den In- 
sekteneiern in Müller’s Archiv. 1855. pag. 245). s 


om 


bei der Honigbiene. 103 


die ich an Musca vomitoria angestellt habe!. Bei Musca vo- 
mitoria nämlich und ihren verwandten Arten, welche ihr Lege- 
geschäft noch nicht beendigt hatten oder vielleicht dabei gestört 
waren und nicht sogleich wieder einen passenden Ort zum Ab- 
setzen der Eier gefunden hatten, unterschieden sich die in dem 
Eierleiter und den Eierstocks-Tuben befindlichen Eier auf fol- 
gende höchst interessante Weise. Dasjenige Ei, welches zwi- 
sehen der Vulva und der Einmündung des Receptaculum seminis 
steckte, hatte sich bereits zu entwickeln angefangen und ent- 
hielt einen Embryo, während das oberhalb der Einmündung 
des Samenganges in dem Eierleiter befindliche Ei, welches 
dem vorhergehenden vollkommen an Grösse glich, so wenig, 
als die übrigen in den Trompeten enthaltenen Eier, eine Spur 
einer bereits begonnenen Entwicklung des Embryo verrieth. 
Das Receptaculum seminis enthielt in solchen Fliegen - Weib- 
chen immer bewegliche Spermatozoiden. Damals begnügte 
man sich zur Erklärung des Befruchtungsherganges mit der 
Annahme, dass die Berührung der Spermatozoiden ausreiche, 
das Ei zur Entwicklung anzuregen ; in neuerer Zeit hat man 
diese Contacttheorie fallen lassen müssen, nachdem man das 
Vordringen der Spermatozoiden bis in das Innere der Eier mit 
Augen hat verfolgen können. Es wird jetzt der Hergang der 
Befruchtung noch bestimmter in folgender Weise aufgefasst 
werden müssen: nicht bloss durch unmittelbaren Contact des 
Samens mit dem Ei wird die Befruchtung und Entwicklungs- 
fähigkeit des letzteren bewirkt, sondern es müssen sogar- die 
elementaren Bestandtheile des Samens, die beweglichen Sa- 
menfäden, in das Innere des Eies hineinschlüpfen, höchst 
wahrscheinlich, um hier zunächst zu zerfallen, sich aufzulösen 
und alsdann sich mit den elementaren Bestandtheilen des Eies 


1) Vergl. Müller’s Archiv. 1837. pag. 424, 


104 Wahre Parthenogenesis 


zu vermischen. Zu diesem Behufe besitzen die Insekteneier 
einen Mikropyl-Apparat, das heisst: an dem einen Eipole ein- 
fache oder mehrere kleine Löcher, durch welche die Sperma- 
tozoiden in das Innere bis zu dem Dotter des Eies gelangen 
müssen, um so den Befruchtungsakt zu vollenden. 

Leuckart war der erste, welcher sich die Aufgabe ge- 
stellt hatte, durch direkte Beobachtung sich zu überzeugen, 
welchen Modificationen das Eindringen der Spermatozoiden 
durch den Mikropyl-Apparat der Bieneneier nach Dzierzon’s 
Theorie unterworfen sein würde. Derselbe hatte sich zu die- 
sem Zwecke Ende Mai vorigen Jahres nach Seebach begeben, 
um zu seinen Beobachtungen in reichlichster Auswahl die nö- 
thigen Untersuchungs-Objekte benutzen zu können. Eine 
bessere Gelegenheit zu solchen Untersuchungen konnte ihm 
auch nirgend anderswo geboten werden, als in der nächsten 
Nähe des grossärtigen Bienenstandes zu Seebach, wobei aber 
auch noch die aufopfernde Freigebigkeit in Anschlag zu brin- 
gen ist, mit der Herr v. Berlepsch seinen Bienenreichthum 
solchen physiologisch-anatomischen Untersuchungen zur Ver- 
fügung stellte. 

Leuckart’s Vorhaben war bereits von Berlepsch in 
der Bienenzeitung verkündigt worden ', ich war daher ausser- 
ordentlich gespannt, welche Resultate Leuckart von diesen 
Seebacher Studien mit nach Hause bringen würde. Dieselben 
wurden von Leuckart vor kurzem in der eben genannten 
Bienenzeitung bekannt gemacht, aus welcher? ich das wich- 
tigste jener Resultate hier mittheilen werde. 

Ein Hauptaugenmerk musste Leuckart natürlich zu- 


nächst auf den Mikropyl-Apparat der Bienieneier richten, von 


1) S. Jahrgang 1855. pag. 82. 2. 
2) Ebenda. 1855. Nr. 17 u. 18. (herausgegeben am 30. Sept.) pag. 99. 
Seebacher Studien. 


bei der Honigbiene. 105 


welchem derselbe folgende Beschreibung lieferte!. ‚,‚Wie an 
den Eiern der meisten Insekten, unterscheidet man auch an 
dem der Bienen zwei Häute, eine innere, sogenannte Dotter- 
haut, und eine äussere, die Eischale oder das Chorion. Beide 
Häute sind äusserst dünn und zart, auch die äussere, die sonst 
(namentlich bei solchen Eiern, die frei abgesetzt werden) eine 
beträchtliche Dicke und Festigkeit hat; die Dotterhaut ist 
structurlos, während das Chorion bis auf das hintere (untere) 
abgeplattete Ende des Eies, das zur Befestigung dient, mit 
einem zarten sechseckigen Leistenwerke, wie mit einem Ge- 
flechte, übersponnen ist. Der Mikropyl- Apparat liegt am vor- 
dern oder obern Pole des Eies, der bei dem Ablegen zuletzt 
geboren wird (und später das Kopfende der jungen Larve ent- 
hält). An dieser Stelle sieht man da, wo die Leisten des Cho- 
riongeflechtes zusammenlaufen, eine kleine fächerförmige Figur 
(von etwa 7/„ Mm.) mit ungefähr zwölf Strahlen. Die Strah- 
len, die den Fächer zusammensetzen, bilden den optischen 
Ausdruck für ebensoviele Mikropylkanäle, die unter der Ober- 
fläche des Chorions hinlaufen. An den untern divergirenden 
Enden sind diese Kanäle nach aussen geöffnet, während sie 
mit dem entgegengesetzten Ende in den innern Eiraum ein- 
münden. Die Bildung ist genau dieselbe, wie bei einer Anzahl 
anderer Hymenopteren (Müller’s Archiv. 1855. pag. 236. 
Taf. XI. Fig. 12. 13), nur mit dem Unterschiede, dass die 
Mikropylkanäle hier ganz ausserordentlich dünn und zart sind, 
so dass man sich kaum mit Bestimmtheit von ihrer wahren 
Natur überzeugen kann und auf den ersten Blick fast geneigt 
sein möchte, die Strahlen für Leisten zu halten, wie sie auch 
an den übrigen Stellen des Chorions vorkommen. Die Kanäle 


dürften kaum mehr als ';,00 Mm. im Durchmesser halten, frei- 


1) S. ebenda. pag. 204. 2. 


nn 


106 Wahre Parthenogenesis 


lich immer noch genügend, um einen Samenfaden hindurchzu- 
lassen. Während des letzten Aufenthalts in den Ovarien erhält 
das Bienenei auch noch einen äussern Ueberzug von eiweiss- 
artiger Beschaffenheit, der freilich in der vorderen (oberen) 
Hälfte nur verschwindend dünn ist, sich aber nach hinten zu 
allmälig verdickt und am abgeplatteten hinteren (unteren) Pole 
zu einer ganz ansehnlichen Entwicklung gelangt. Diese Ei- 
weisslage dient zur Befestigung des Eies an der Wand der 
Zelle.“ Obwohl ich mit dieser Leuckart’schen Auffassung des 
_ Mikropyl-Apparates des Bieneneies nicht ganz einverstanden 
bin, und namentlich die erwähnten Mikropylkanäle für etwas 
anderes halten muss, so würde mich eine ausführliche Kritik 
dieser Darstellung Leuckart’s doch zu weit führen, daher 
ich mir dieselbe für einen anderen Ort aufspare und mich des 
Ausdrucks Mikropyl-Apparat bedienen will, ohne damit 
ganz denselben Begriff zu verbinden, wie ihn Leuckart ge- 
nommen wissen will. Von dem dünnen Eiweissüberzug der 
Bieneneier dürfte, wie Leuckart ganz richtig bemerkt hat', 
die Möglichkeit des Gelingens der oben erwähnten (pag. 100) 
künstlichen Befruchtung abhängen, denn sobald diese Eiweiss- 
lage getrocknet ist, was gewiss schon innerhalb weniger Minu- 
ten nach dem Absetzen der Eier in den Wachszellen geschehen 
sein wird, werden die Oeffnungen des Mikropyl-Apparats da- 
durch verklebt, so dass die Samenfäden am Eindringen in das 
Innere der Eier verhindert werden. 

Wichtig ist ferner die Angabe Leuckart’s?, dass es 
unmöglich ist, aus der äussern Beschaffenheit des Bieneneies 
auf das Geschlecht der Biene, die sich in demselben entwickelt, 


einen Schluss zu thun, was ich vollkommen bestätigen kann. 


1) S. Seebacher Studien a. a. O. pag. 206. 1. 
2) Ebenda. pag. 204. 1. 


bei der Honigbiene. 107 


Leuckart hoffte nun! ‚‚mit Hülfe des Mikroskops die 
Anwesenheit oder das Fehlen der Samenfäden auf dem Mikro- 
pyl-Apparate frischgelegter Drohneneier constatiren und dar- 
aus aufdie Befruchtung oder Nichtbefruchtung derselben einen 
Schluss ziehen zu können ,‘“ da derselbe wusste, ‚,dass es in 
vielen Fällen eben nicht schwer ist, bei frisch gelegten Eiern 
die Samenfäden einzeln oder in Strängen, und mitunter sogar 
in sehr ansehnlichen, in der die Mikropyle bedeckenden Ei- 
weissschicht aufzufinden und selbst den Akt des Einschlüpfens 
durch die Mikropyle zu belauschen.‘“. Leider wurden diese 
Hoffnungen nicht erfüllt, denn Leuckart musste gestehen, 
dass das, was er beobachtete, zur völligen Entscheidung der 
Frage nicht ausreichend ist und nur insofern einigen Werth. 
hat, als die Dzierzon’sche Hypothese dadurch nicht geradezu 
widerlegt wird. 

Leuckart macht in Bezug auf das Misslingen seiner 
Absicht folgendes geltend ?. ‚, Die Biene gehört zu denjenigen 
Insekten, die bei der Befruchtung nur äusserst wenige Samen- 
fäden, vielleicht in vielen Fällen nur einen einzigen, auf ihre 
Eier absetzen. So wichtig und bedeutungsvoll dieser Umstand 
nun auch für die praktische Bienenzucht ist — nur durch ihn 
wird es möglich, dass die Königin trotz ihrer immensen 
Fruchtbarkeit Jahre lang Eier legt, ohne den Inhalt ihrer Sa- 
mentasche zü erschöpfen — so ungünstig und wenig willkom- 
men ist derselbe begreiflicher Weise für den Physiologen, der 
diese Fäden aufsucht. Dazu kommt noch weiter, dass die Sa- 
menfäden bei unsern Eiern nicht erst, wie sonst so häufig bei 
den Insekten, eine dieke Eiweissschicht zu durchdringen haben, 


bevor sie das Chorion erreichen, sondern fast unmittelbar auf 


1) Ebenda. pag. 205. 1. 
2) S. ebenda pag. 205. 1, 


108 Wahre Parthenogenesis 


den Mikropyl-Apparat abgesetzt werden und somit denn auch 
in kürzester Frist durch die Kanäle des Mikropyl- Apparats 
hindurchdringen. Bedenkt man nun noch ferner die Schwie- 
rigkeiten endlich, die sich durch die grosse Elasticität und die 
zarte Beschaffenheit des Chorions der mikroskopischen Prä- 
paration des Bieneneies in den Weg stellen, so wird man wohl 
kaum den Beobachter anklagen können, wenn er hier zu kei- 
nem befriedigenden Resultate gekommen ist. Ich gestehe offen, 
dass die Untersuchung des Bieneneies unter allen den zahl- 
reichen Untersuchungen dieser Art, die ich seit zwei Sommern 
vorgenommen habe, die allerschwierigste gewesen ist.“* 

Ein unglücklicher Zufall wollte es, dass Leuckart ın 
Seebach keine Gelegenheit fand, ganz frisch abgesetzte Bienen- 
eier untersuchen zu können, und dass Herr v. Berlepsch 
damals, als Leuckart bei ıhm diese Untersuchungen vor- 
nahm, auf keine Weise eine Königin zum Eierabsetzen bringen 
konnte. Als Resultat dieser Seebacher Studien konnte daher 
Leuckart dem Redakteur der Bienenzeitung nur folgendes 
melden: ‚„‚„Aber Sie wollen wissen, wohin denn meine Unter- 
suchungen überhaupt geführt haben? So erfahren Sie denn, 
dass ich nur zwei Mal einige unzweifelhafte Samenfäden auf 
der Mikropyle der Bieneneier antraf, das eine Mal einen ein- 
zigen Faden, das andere Mal deren mehrere, vier oder fünf. 
(Und doch habe ich mehr als ein halbes Hundert Bieneneier 
auf das Sorgfältigste untersucht!) Beide Male waren es Arbei- 
tereier, auf denen ich die Samenfäden vorfand. Bei Drohnen- 
eiern habe ich niemals einen Samenfaden unterscheiden kön- 
nen, obgleich ich vielleicht mehr Drohneneier, als Arbeitereier 
untersuchte und darunter solche, die höchstens eine Viertel- 
stunde vorher gelegt waren. Sie sehen, das Resultat ist zwei- 
felhaft. Allerdings scheint es, als wenn dasselbe mehr für, als 


gegen Dzierzon spräche; aber ich muss nochmals wiederho- 


E“ 


bei der Honigbiene. 109 


len, dass dieser Schein möglicher Weise ein trügerischer ist. 
Es sollte mich, ım Interesse der Wissenschaft, unendlich 
freuen, wenn andere Beobachter in dieser Hinsicht glücklicher 
wären, als ich es gewesen bin.“ 

Ich kann hier zur Freude Leuckart’s mittheilen, dass 
ich wirklich glücklicher gewesen bin als er und dass ich das 
gesehen habe, was seinen Augen zu erblicken nicht gelungen 
ist. ‚, Bevor nicht ““ —— (so schliesst Leuckart seine diesen 
Gegenstand betreffenden Mittheilungen ') — ‚‚sei es nun durch 
das Experiment, sei es durch direkte Beobachtung, der strikte 
Beweis geliefert ist, dass es allein die Eier der weiblichen Bie- 
nen sind, die befruchtet werden, bleibt die Frage nach der 
Causalität des Geschlechts bei den Bienen eine offene. Mag 
man immerhin aus theoretischen und andern Gründen für oder 
gegen Dzierzon auftreten, immerhin auch das Material für 
die Beantwortung dieser Frage auf indirektem Wege vergrös- 
sern — die Entscheidung derselben wird dadurch unmöglich 
herbeigeführt.‘“ Ich habe in der That durch direkte Beobach- 
tung denjenigen Beweis liefern können, der zur Feststellung 
der Dzierzon’schen Theorie von der Wissenschaft als allein 
gültig verlangt werden musste. In wieweit ich mich zu dieser 
"Behauptung berechtigt fühlen darf, das wird man aus den fol- 
genden Mittheilungen entnehmen können. 

Obwohl ich wusste, dass Leuckart die vorhin erwähn- 
ten Seebacher Studien vornehmen wollte, so hatte auch ich 
mir seit lange vorgenommen, ähnliche Untersuchungen im In- 
teresse der Wissenschaft anzustellen ; ohne zu wissen, dass 
Leuckart seine Seebacher Studien bereits ausgeführt, und 
ohne die Resultate zu kennen, die derselbe dabei gewonnen, 


begab ich mich Mitte August vorigen Jahres ebenfalls nach 


1) Ebenda. pag. 206. 2. 


u 


110 Wahre Parthenogenesis 


Seebach, weil ich mir sagen konnte, dass nur mit Hülfe eines 
so reichlichen Materials, wie es mir dort bei der anerkannten 
Zuvorkommenheit des Herrn v. Berlepsch zu Gebote stehen 
würde, dergleichen Untersuchungen unternommen werden 
könnten; freilich gab ich der Hoffnung, meine Absicht zu er- 
reichen, nur wenig Raum, da die Jahreszeit für dergleichen 
Untersuchungen schon zu weit vorgerückt war. Ich wurde am 
21. August auch von dem Herın v. Berlepsch mit der we- 
nig Muth einflössenden Versicherung empfangen, dass ich wohl 
schwerlich das nöthige Material, wie ich es zu meinen Unter- 
suchungen bedürfte, jetzt noch im Spätsommer bei ihm antref- 
fen würde, und deshalb wenig Aussicht hätte, die mir gestellte 
Aufgabe zu lösen, zumal da Leuckart zu Pfingsten, also ın 
einer günstigeren Jahreszeit, hier gewesen, aber unverrichteter 
Sache wieder abgereist sei und ihm das Geständniss gemacht 
habe, dass die Fragen in Bezug auf die Dzierzon’sche Theorie 
mit dem Mikroskope wegen der zu grossen Schwierigkeiten, 
welche bei den deshalb anzustellenden Untersuchungen zu 
überwinden seien, nicht gelöst werden könnten. Nichts desto- 
weniger liess ich mich nicht abhalten, an diese Untersuchun- 
gen zu gehen. 

Ueber das Bienen-Material, was sich mir in Seebach dar- 
bot, war ich aber wirklich erstaunt, denn es übertrafen die 
Massen der Bienenkolonien sowohl wie die zweckmässigen und 
zu den Beobachtungen jeder Art günstigen Einrichtungen der- 
selben alle meine Erwartungen. Ich fand einhundert und vier 
zur Ueberwinterung bestimmte von Honig und Bienen strotzende 
Dzierzon-Stöcke vor, und zwar auf verschiedene Weise an acht 
Stellen innerhalb eines geräumigen Obstgartens vertheilt, von 
denen mich der schon oft in der Bienenzeitung besprochene acht 
und zwanzig Stöcke enthaltende Pavillon ganz besonders über- 


raschte. Die Entfernung dieser acht Bieneustände unterein- 


_ A 


bei der Honigbiene. 111 


ander betrug nirgends über 40 Fuss rhnl. Unter diesen Stöcken 
befanden sich neun ächt italienische Bienenkolonien, deren 
Zahl viel grösser hätte sein können, wenn nicht, wie Herr v. 
Berlepsch versicherte, im Laufe des Sommers siebzig italie- 
nische Mütter von ıhm an andere Bienenzüchter abgegeben 
und die Stöcke durch die verschiedenen wissenschaftlichen Ex- 
perimente überhaupt sehr beeinträchtigt worden wären '. Was 
Herrn v. Berlepsch bei seiner Bienenzucht noch ganz be- 
sonders zu Statten kam, das ist die Unterstützung seines Ge- 
hülfen Günther, der mit trefflichen Anlagen begabt von 
Berlepsch selbst in der Bienenzucht unterrichtet wurde und 
sich in ausgezeichneter Weise bewährt hat*. 

Ich machte mich sogleich an die Arbeit und untersuchte 
eine grosse Anzahl weiblicher Eier, die mir der grosse Bienen- 
stand des Herın v. Berlepsch zu jener Zeit noch in Menge 
lieferte. Es kam mir zunächst darauf an, mich mit der Orga- 
nisation der Bieneneier recht bekannt zu machen, um nachher 
bei dem Aufsuchen der Spermatozoiden keinen Täuschungen 


und Irrungen ausgesetzt zu sein. Erst nachdem ich die Be- 


1) Welche Vortheile durch Fleiss, Aufmerksamkeit und hauptsächlich 
durch das Verständniss des Sienenlebens mit Hülfe von Dzierzon-Stöcken 
bei der Bienenzucht erreicht werden können, das wird man aus der Praxis 
ersehen, mit welcher Herr v. Berlepsch noch dazu in einer honigarmen 
Gegend, wie von ihm selbst Seebach bezeichnet wird, seine Bienenstöcke 
behandelt (s. die Bienenzeitung. 1855. pag. 3). Nach Berlepsch’s 
Versicherung würde ihm jeder einzelne seiner Stöcke jährlich 30 Pfund 
Honig und 1°/, Pfund Wachs abgeben können, wodurch ihm aus sämmt- 
lichen 104 Stöcken 3120 Pfund Honig und 130 Pfund Wachs im Werth 
von gut 400 Thlr. erwachsen könnte. 

2) Dieser ausgezeichnete Gehülfe, der, wie ich mich selbst überzeugte, 
nach der Versicherung seines Herrn dem Huber’schen Diener Fran- 
cois Burnens (s. Fr. Huber: neue Beobachtungen über die Biene. 
Dresden. 1793. pag. III) an die Seite gestellt werden kann, hat leider vor 
der Hand Seebach verlassen müssen, um seine Soldaten -Dienstjahre zu 
überstehen. 


112 Wahre Parthenogenesis 


schaffenheit der Eihüllen, des Mikropyl-Apparates und des 
Dotters genau kennen gelernt und mich in dem Präpariren 
der Bieneneier geübt hatte, richtete ich mein Augenmerk auf 
die Spermatozoiden, durch deren Vorhandensein oder Fehlen 
die Hauptentscheidung gegeben werden sollte. Vor allem war 
die genaueste Bekanntschaft mit den einzelnen Leisten des 
aus unregelmässigen Sechsecken zusammengesetzten Leisten- 
gerüstes der Eischale sowie mit den zufällig bei der Untersu- 
chung entstandenen Falten der homogenen Dotterhaut nöthig, 
um diese Dinge nicht mit unbeweglich gewordenen Spermato- 
zoiden zu verwechseln. 

Nachdem ich mich auf diese Weise mit der Untersuchung 
der Bieneneier gehörig vertraut gemacht hatte, liess ich mir 
am 22. August früh 10 Uhr eine Wabe mit weiblichen Eiern 
herbeibringen, die höchstens vor einer Stunde abgesetzt waren. 
Ich konnte im voraus erwarten, dass an diesen Eiern die Sper- 
matozoiden äusserlich nicht mehr wahrzunehmen seien, ich 
richtete daher meine volle Aufmerksamkeit auf den Inhalt die- 
ser Eier, und hoffte die durch den Mikropyl- Apparat bereits 
eingedrungenen Samenfäden im Innern der Eier aufzufinden. 
Ich überzeugte mich bald, dass es keine Möglichkeit sei, die 
zarten Samenfäden zwischen der körnig-blasigen Dottermasse 
herauszufinden; das zu suchende linienförmige Objekt war zu 
subtil, um zwischen den vielen sıch durcheinander kreuzenden 
CGonturlinien der Dotterbläschen sicher entdeckt werden zu 
können. Nach verschiedenen vergeblichen Bemühungen, das 
Innere des Bieneneies dem forschenden Blicke zugänglich zu 
machen, kam ich zuletzt auf den Gedanken, einen Kunstgriff 
anzuwenden, den ich durch Uebung bald erlernt hatte und der 
mir erlaubte, wenigstens einen Theil des inneren Raumes der 
Bieneneier mit grosser Klarheit und Ungestörtheit zu über- 


blicken. Ich zerdrückte nämlich ein Bienenei mit einem sehr 


£ " 


ui 


bei der Honigbiene. 113 


dünnen Deckgläschen ganz sanft und zugleich so, dass das- 
selbe an seinem unteren, «lem Mikropyl-Apparate entgegen- 
gesetzten Pole langsam zerriss und der Dotter an dieser Stelle 
allmälig hervorfloss, wodurch an dem oberen Pole innerhalb des 
Mikropyl- Apparates ein heller leerer Raum zwischen den Ei- 
hüllen und dem nach unten zurückweichenden Dotter entstand. 
Auf diesen leeren Raum, den ich während des Ausfliessens des 
Dotters unter dem Mikroskope langsam entstehen sah, richtete 
ich ganz besonders meine Aufmerksamkeit. Das Herstellen 
eines solchen Eipräparates gelang natürlich nicht immer, denn 
zuweilen floss der Dotter aus den unten aufgerissenen Eihüllen 
hervor, ohne dass sich oben jener leere Raum herstellte, der 
Dotter blieb auch dort oben verbreitet und erlaubte kein siche- 
res Urtheil über Vorhandensein oder Abwesenheit von Samen- 
fäden. Ein Versehen bei dem Zerdrücken des Eies, ein etwas 
zu starker Druck auf dasselbe oder vielleicht auch eine eigen- 
thümliche, weniger zähe Beschaffenheit des Dotters veranlasste 
wahrscheinlich den Dotterinhalt, nach allen Richtungen hin 
dem Drucke auszuweichen und daher auch nach oben gegen 
den Mikropyl- Apparat anzudrängen. 

Ich untersuchte aus der oben erwähnten Wabe zehn Eier, 
von denen es mir gelungen war, sie unverletzt aus ıhren 
Zellen auf einen Objektträger überzutragen, was bei der Zart- 
heit dieser Eier immer seine Schwierigkeiten hatte. Das Resul- 
tat ihrer mikroskopischen Untersuchung war folgendes. 

Das erste weibliche Ei liess nichts auffallendes erkennen. 
In dem Inneren des zweiten Eies bemerkte ich zu meiner grössten 
Freude drei deutliche, aber unbewegliche Samenfäden inner- 
halb des leeren Raumes, der am oberen Pole des Eies durch 
den am unteren Pole ausfliessenden Dotter entstanden war. 
In einem dritten Eie sah ich nach gleichem Zurückweichen 


des Dotters in dem oberen leer gewordenen Raume des Eies 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 8 


’ 


114 Wahre Parthenogenesis 


einen einzigen unbeweglichen Samenfaden. In einem vierten 
Eie beobachtete ich an derselben ®telle wieder drei unbeweg- 
liche Spermatozoiden. Ein fünftes Ei in gleicher Weise prä- 
parirt liess keinen Samenfaden erkennen. Ein sechstes und 
siebentes Ei war bei dem Präpariren wahrscheinlich zu stark 
gequetscht worden, der erforderliche leere Raum liess sich im 
Innern des Eies am oberen Pole desselben nicht herstellen, 
weshalb ich diese Präparate zur weiteren Untersuchung für 
untauglich hielt. In einem achten und neunten glücklich prä- 
parirten Ei sah ich wieder einen einzigen unbeweglichen Samen- 
faden in dem oberen leeren Raume der Eihöhle. Bei dem 
zehnten Eie missglückte mir die Präparation gänzlich. Dieselbe 
Wabe mit weiblichen Eiern wurde, nachdem sie in einem Zim- 
mer sorgfältig aufbewahrt worden war, am 23. August früh 
8 Uhr zur Fortsetzung dieser Untersuchungen benutzt. Ein 
eilftes Ei verdarb während des Präparirens, ein zwölftes Ei 
ebenfalls. Ein dreizehntes Ei verhielt sich höchst interessant. 
Nachdem nämlıch dasselbe zwei und zwanzig Stunden ausser- 
halb des Bienenstockes sich befunden hatte und auf die oben 
beschriebene Weise glücklich präparirt war, zeigte es zwei 
Spermatozoiden in dem hellen leeren Raume zwischen den Ei- 
häuten und dem nach dem Zerdrücken des Eies zurückgewiche- 
nen Dotter. Der eine Samenfaden machte sehr leb- 
hafte schlängelnde Bewegungen, der zweite Samenfa- 
den war starr, hieng aber am anderen Samenfaden fest und 
wurde so durch dessen Bewegungen mitbewegt. Um acht Uhr 
30 Minuten wurden diese Bewegungen von mir zuerst gesehen 
und auch von Herrn v. Berlepsch und Günther nebst zwei an- 
deren Zeugen beobachtet. Nach drei Minuten war der Samen- 
faden noch beweglich. Es wurde das Präparat hierauf zurück- 
gestellt, und erst nach 15 Minuten wieder unter dem Mikro- 


skope betrachtet. Die Bewegungen des ersten Samenfaden 


bei der Honigbiene. 115 


hatten jetzt auch aufgehört, aber beide Spermatozoiden waren, 
obgleich unbeweglich, noch schr deutlich an derselben Stelle 
zu unterscheiden. Ein vierzehntes Ei lieferte kein Resultat, da 
die Präparation desselben missglückte. In einem fünfzehnten 
Eie waren vier deutliche aber unbewegliche Spermatozoiden in 
dem bei dem Präpariren leer gewordenen Raume zwischen den 
Eihüllen und dem zurückgewichenen Dotter zu entdecken ge- 
wesen. 

An demselben Tage wurde noch aus einem anderen Bie- 
nenstocke eine Wabe mit weiblichen Eiern herbeigeholt, wel- 
che gleichfalls höchstens zwölf Stunden alt sein konnten. Die 
mit diesen Eiern fortgesetzten Untersuchungen ergaben folgen- 
des Resultat. Ein sechzehntes Ei, dessen Präparation gut aus- 
gefallen war, liess keinen Samenfaden im Innern erkennen. 
An einem siebzehnten Eie missglückte die Präparation. Ein 
achtzehntes Ei enthielt an der schon oft erwähnten Stelle drei 
Samenfäden, von denen der eine beweglich war. Bei 
dem neunzehnten und zwanzigsten Ei war das Präparat miss- 
glückt. Das einundzwanzigste Ei enthielt zwei unbewegliche 
Samenfäden, ebenso das zweiundzwanzigste Ei. In dem drei- 
undzwanzigsten Eie dagegen konnte ich vier unbewegliche 
Samenfäden unterscheiden. An dem vier- und fünfundzwan- 
zigsten Eie war die Präparation verunglückt. Das sechs- und 
siebenundzwanzigste Ei zeigte mir wieder einen unbeweglichen 
Samenfaden, und das achtundzwanzigste Ei deren zwei. Die 
nächstfolgenden vier untersuchten Eier liessen sämmtlich nur 
einen einzigen unbeweglichen Samenfaden erkennen. Die Un- 
tersuchung des dreiundllreissigsten Eies war wieder missglückt. 
Das vier- und fünfunddreissigste Ei liess drei unbewegliche 
Spermatozoiden erkennen, das sechsunddreissigste von - mir 
untersuchte Ei enthielt einen beweglichen und drei un- 
bewegliche Samenfäden. In dem sieben - und achtunddreissig- 

g* 


116 Wahre Parthenogenesis 


sten Eie konnte ich nur einen bewegungslosen Samenfaden 
wahrnehmen, in dem neununddreissigsten, vierzigsten und 
einundvierzigsten Eie dagegen war ich im Stande zwei starre 
Spermatozoiden herauszufinden. Das zweiundvierzigste Ei 
war bei der Präparation zur Untersuchung untauglich gewor- 
den. Am 23. August wurde ausserdem noch eine dritte mit 
weiblichen Eiern besetzte Wabe zur Untersuchung benutzt, 
deren Eier so eben erst abgesetzt waren. Es zeigten sich diese 
Eier aber nicht so günstig bei der von mir angewendeten und 
oben beschriebenen Untersuchungsmethode, weil der Dotter 
von der Dotterhaut nach dem Zersprengen der Eihüllen nicht 
so leicht abrücken wollte; da, wo es mir gelang, jenen leeren 
Raum zwischen Eihüllen und Dotter in diesen Eiern herzustel- 
len, war es mir häufig möglich, Spermatozoiden im Innern 
dieser Eier zu entdecken. Ich will, um die Leser nicht zu 
ermüden, nur noch einen Theil dieser Untersuchungen der 
Reihe nach aufzählen. Das dreiundvierzigste Ei liess äusser- 
lich einen auf dem Mikropyl-Apparat unbeweglich aufsitzenden 
Samenfaden erkennen. Das vier- und fünfundvierzigste Ei lie- 
ferte wegen Misslingens der Präparation kein Resultat. Erst am 
Morgen früh 7 Uhr den 24. August, nachdem diese gelegten 
Eier 15 Stunden alt geworden waren, wurde mit ihrer Unter- 
suchung fortgefahren. Das sechsundvierzigste Ei enthielt meh- 
rere verschlungene aber unbewegliche Spermatozoiden. In dem 
siebenundvierzigsten Eie konnte ich einen unbeweglichen 
Samenfaden auffinden ; am achtundvierzigsten Eie verunglückte 
das Präparat, an dem neunundvierzigsten und fünfzigsten von 
mir untersuchten Ei musste ıch es zweifelhaft lassen, ob das 
Objekt, welches man für einen Samenfaden nehmen konnte, 
auch wirklich ein solcher war. Das einundfünfzigste Ei, ebenso 
das zweiundfünfzigste Ei liess, nachdem sich der Dotter von 


dem Mikropyl-Apparat nach unten durch den Einriss der Ei- 


bei der Honigbiene. 117 


schale zurückgezogen hatte, einen unbeweglichen Samenfaden 
oben in dem leeren Raume des Eies deutlich unterscheiden. 
Fasse ich diese eben aufgeführten Beobachtungen zusam- 
men, so liefern sie bei der Schwierigkeit der Untersuchung im 
Ganzen ein sehr günstiges Resultat, da auch ich mich über- 
zeugt habe, dass diese Untersuchungen des Bieneneies, wie 
Leuckart sehr richtig behauptet hat', von allen ähnlichen 
Untersuchungen zu den allerschwierigsten gehören. Unter 
den 52 von mir mit grösster Sorgfalt und Gewissenhaftig- 
keit revidirten weiblichen Bieneneiern lieferten 30 ein posi- 
tives Resultat, das heisst, ıch konnte in 30 Eiern die An- 
wesenheit von Samenfäden constatiren, an denen sich in drei 
Eiern sogar noch Bewegungen wahrnehmen liessen. Von den 
übrigen 22 Eiern waren 12 bei dem Präpariren verunglückt. 
Ich hebe hierbei noch besonders hervor, dass die Beobachtungen 
mit positivem und negativem Resultate ganz unregelmässig 
aber in sehr kurzen Zwischenräumen abwechselnd aufeinander 
folgten, was wahrscheinlich nur von dem günstigen oder un- 
günstigen Erfolge meines Präparirens der zur Beobachtung 
verwendeten Eier abhängig war. Wollte man die Frage auf- 
werfen, warum Leuckart nicht so glücklich gewesen war, 
das zu sehen, was mir zu sehen gelungen ist, so kann ich nichts 
anderes darauf antworten, als dass wohl die verschiedene Me- 
thode, die wir beide bei unseren Untersuchungen befolgten, bei 
Leuckart die Schuld des Misslingens trug. Berlepsch 
theilte mir nämlich mit, dass Leuckart nicht, wie ich, den 
Inhalt der Eier durch vorsichtiges Zusammendrücken des Bie- 
neneies untersucht, sondern sich nur darauf beschränkt habe, 
die Bieneneier im ganz unverletzten Zustande von aussen einer 


Untersuchung zu unterwerfen. 


1) S. dessen Seebacher Studien in der Bienenzeitung 1855. pag. 2052, 


118 Wahre Parthenogenesis 


Gewiss verdanke ich allein meiner Untersuchungsmethode 
die glücklichen Resultate dieser mit einem vortrefflichen 
Kellner’schen Mikroskope angestellten Beobachtungen. Das 
von mir jedesmal vorgenommene vorsichtige Zersprengen der 
Eihäute musste sich als eine höchst wichtige Manipulation be- 
währen, denn offenbar wurde es dadurch allein möglich die 
zarten in die Eihöhle eingedrungenen und von der Dottermasse 
verhüllten Samenfäden zu isoliren, indem sie nach dem Ein- 
dringen in das Innere der Eier wahrscheinlich am Mikropyl- 
Apparat noch einige Zeit mit ihrem Schwanzende festhängen 
und nach dem Zersprengen der Eihäute bei dem Austreten der 
Dottermasse in dem oberen leeren Theile der Eihöhle isolirt 
zurückbleiben. 

Vor allem musste mir aber auch daran liegen, auch männ- 
liche Eier (Drohnen-Eier) in ganz ähnlicher Weise untersuchen 
zu können, und wirklich verschaffte mir Herr v. Berlepsch 
hierzu Gelegenheit, obgleich mir derselbe - anfangs wenig 
Hoffnung gemacht hatte, dergleichen Drohneneier, wenn 
auch nur in geringer Zahl zu erhalten. Es war wirklich ein 
Kunststück, in so später Jahreszeit noch Drohneneier habhaft 
zu werden; wie es mein scharfsinniger und erfahrener Bienen- 
freund gleichsam erzwungen hat, eine Bienen-Königin zum 
Legen von männlichen Eiern zu bewegen, wird der Leser aus 
dem Folgenden entnehmen können. 

Herr v. Berlepsch besass ın Nr. 79 seiner Bienenstöcke 
eine Königin, von der er wusste, dass sie dem "Tode nahe war, 
weil ihre Bienen schon seit Ende Juni immer Weiselwiegen 
erbauten und die Königin solche mit Eiern belegte, durch wel- 
che ihr Abgang ersetzt werden konnte. Berlepsch hatte 
jedoch diese Wiegen nicht zum Ausschlüpfen kommen lassen, 
und so lebte diese Altmutter noch, als ich ın Seebach ankam 


und nach Drohneneiern fragte. Jene Königin hatte noch bis 


a 


bei der Honigbiene. 119 


kurz zuvor Drohneneier gelegt, auch diese Drohnenbrut hatte 
Berlepsch als zwecklos vertilgt. Endlich hatten es die Arbei- 
terinnen satt und setzten keine Wiegen mehr an. Berlepsch 
bezweckte nämlich in diesem Fallezu erfahren, wielange man das 
Leben einer Bienenkönigin durch Kunst verlängern könnte. Als 
ich in Seebach eintraf, legte diese Königin noch einzelne Eier. 
Günther erhielt am 21. August den Auftrag, noch am Abend 
den Bienenstock Nr. 79 stark mit flüssigem Honig zu füttern, 
am folgenden Abend den 22. August wurden diesem Stocke 
zwei Waben mit bedeckelter Bienenbrut, und zwischen beiden 
eine leere Drohnenwabe eingehängt. Am Morgen darauf den 
23. August fanden sich 27 Drohneneier in dieser Drohnenwabe 
und etwa 60 Bieneneier in noch offenen Zellen der Bienenbrut- 
Waben vor. Berlepsch hatte sich vorher genau überzeugt, 
dass in den noch offenen Zellen der beiden fremden Bienenbrut- 
Waben beim Einhängen in den Versuchsstock auch nicht ein 
Ei vorhanden war. 

Ich untersuchte diese 27 Drohneneier, welche ohngefähr 
zwölf Stunden alt sein konnten und in ihrem Aussehen und in 
ihrer Organisation mit den weiblichen Eiern vollständig über- 
einstimmten, mit derselben Vorsicht und nach derselben Me- 
thode, wie ich die weiblichen Bieneneier behandelt hatte, und 
fand auch bei keinem einzigen Eie weder äusser- 
lich noch innerlich einen Samenfaden. Ich muss 
noch hinzufügen, dass nur das siebente, dreizehnte und drei- 
undzwanzigste dieser Eier bei dem Präpariren verunglückt 
waren. Bei allen übrigen dieser Drohneneier rückte der Dotter 
nach dem Bersten der Eihäute langsam und vollständig von 
dem oberen Pole der Eihüllen ab, es entstand im Innern dieser 
Eier der erwünschte leere und klare Raum zwischen Mikropyl- 
Apparat und dem zurückweichenden Dotter, so dass, wenn 


Samenfäden in diesen Eiern vorhanden gewesen wären, diesel- 


ne 


120 Wahre Parthenogenesis 


ben meinem forschenden und neugierigen Blicke gewiss nicht 
entgangen wären. Um über dieses merkwürdige negative Re- 
sultat ganz beruhigt sein zu können und um demselben die 
volle Bedeutung zu verschaffen, wurden von derselben Königin, 
welche diese Drohneneier geliefert hatte, auch mehrere weib- 
liche Eier zur Vergleichung untersucht, denn man konnte ja 
den Einwand machen, dass diese Königin überhaupt nur taube 
Eier gelegt hätte, weil sie als altersschwach und dem Tode 
nahe keine Spermatozoiden mehr im Receptaculum seminis 
gehabt hätte. Aber siehe da, viele dieser Eier enthielten Sa- 
menfäden; es waren dievon mir schon oben erwähnten 27 Eier, 
nämlich das sechszehnte bis zweiundvierzigste Ei. 

Diesem die Richtigkeit der Dzierzon’schen Theorie durch 
direkte Beobachtungen darlegenden Resultate meiner Seebacher 
Untersuchungen füge ich noch hinzu,dass mirH. v.Berlepsch 
vor kurzem brieflich mittheilte, jene Königin habe auch später 
nach meiner Abreise von Seebach noch weibliche Eier gelegt, 
aus denen sich Arbeiterinnen entwickelten , sie selbst aber sei . 


erst am 19. September gestorben. 
Wahre Parthenogenesis bei dem Seiden-Spinner. 


Nachdem ich das mit so höchst auffallenden Erscheinungen 
verbundene Vorhandensein einer wahren Parthenogenesis bei 
den Bienen nachgewiesen habe, kehre ich noch einmal zu den 
Schmetterlingen zurück, um mich zu dem Bombyz Mori zu 
wenden, über welchen mir immer wieder bald hier bald dort 
Notizen zu Ohren kamen, die den Seiden-Spinner als einen 
Schmetterling bezeichneten, welcher zuweilen sine concubitu 
entwicklungsfähige Eier legte. Die älteren hierauf bezüglichen 
Behauptungen erschienen mir anfangs ebenso unbegründet, 
wie die übrigen (pag. 15) von mir beleuchteten Fälle von Par- 


thenogenesis der Schmetterlinge. 


Ai 


bei dem Seiden-Spinner. 121 


Wie wenig man auch früher an eine solche Parthenogene- 
sis der Seidenspinner glauben wollte, geht aus einem Briefe 
hervor, den Constans de Castellet, General-Inspektor 
der Seidenspinnereien im Königreich Sardinien schrieb', ın 
welchem derselbe berichtet, dass von ıhm eilf eben aus dem 
Cocon hervorgekrochene weibliche Seidenspinner beobachtet 
wurden, welche im jungfräulichen Zustande Eier abgelegt, aus 
denen Raupen und Cocons erzogen werden konnten. Castel- 
let, welcher das nicht erwartet hatte, und sicher sein wollte, 
sich nicht getäuscht zu haben, wiederholte den Versuch, 
sperrte die weiblichen Cocons in verschiedenen Zimmern ab, 
und überzeugte sich von dem Gedeihen der Seidenraupen, wel- 
che er nachher aus der von diesen Schmetterlingen abgesetzten 
jungfräulichen Brut erhalten hatte. Derselbe stattete darüber 
an Reaum.ur einen Bericht ab, der ihm aber kurz antwortete: 
ex nihilo nihil fit, und die Richtigkeit der Thatsache bezwei- 
felte. Castellet sah sich durch eine solche Antwort eines so 
ausgezeichneten Naturforschers veranlasst, die Sache noch ein- 
mal genauer zu untersuchen und glaubte der Sache endlich auf 
den Grund gekommen zu sein, indem er in seiner Seidenzucht 
gesehen haben wollte, dass Seidenraupen, die schon ganz nahe 
daran waren, sich einzuspinnen, sich begattet hätten. Er wollte 
nämlich bemerkt haben, dass sich einige Raupen schneller, 
andere langsamer einen Augenblick mit dem Hinterende des 
Leibes vereinigt hätten. Was von dieser beobachteten Vereini- 
gung zu halten, wird jeder sich selbst sagen können, der ın 
Betreff der Fortpflanzungsorgane die anatomische Beschaffen- 


heit einer ausgewachsenen Raupe kennt. 


1) Vergl. den erwähnten Brief: sulle uova de vermi da seta fecondate 
senza l’accoppiamento delle farfalle in den Opuscoli Scelti sulle scienze et 
sulle arti. Tom. 18. 1795. pag. 242. 


u 


122 Ww ahre Parthenogenesıs 


Eine hierher gehörende spätere Notiz ist die Behauptung 
Herold’s, nach welcher! von den Eiermengen eines unbe- 
fruchteten Seidenspinner-Weibchens, während die meisten der- 
selben unverändert bleiben, hin und wieder einige Eier ganz 
oder theilweise dieselben Veränderungen eingehen sollen, wel- 
che an den durch wahre Begattung befruchteten Eiern wahr- 
genommen werden. Herold unterscheidet sogar bei seiner 
Darstellung der Entwicklung des Seidenspinnereies entwickelte 
Fötus aus befruchteten und unbefruchteten Eiern, von welchen 
die ersteren ausschlüpfen, während die letzteren stets in der 
Eischale zurückbleiben und absterben®. Obwohl Herold 
nieht näher angegeben hat, durch welche getroffene Vorsichts- 
massregeln derselbe zu der sicheren Ueberzeugung gelangt ist, 
dass jene aus unbefruchteten Eiern hervorgegangene Brut wirk- 
lich von jungfräulichen Seidenspinner-Weibchen herrührten, 
so blickte ich auf obige Behauptung Herold’s doch mit we- 
niger Misstrauen als auf die früher besprochenen aus der Fort- 
pflanzungsgeschichte der Schmetterlinge entnommenen Bei- 
spiele angeblicher Parthenogenesis, denn bei den sehr trägen 
und nicht im Freien umherschwärmenden Seidenspinnern 
konnte sich weit weniger eine heimliche und unbeachtet blei- 
bende Begattung ereignen. | | 

Es ist auffallend, dass diese von Herold zur Sprache 
gebrachte spontane Entwicklung des Embryo in unbefruchteten 
Liern, welche Beobachtung an den so vielfach verbreiteten 
Seidenspinnern doch leicht wiederholt werden konnte, der 
Aufmerksamkeit der Physiologen bisher entgangen ist. 


Herold war der erste, welcher eine sehr genaue und aus- 


1) S. Herold: Disqnisitiones de animalium vertebris carentium in 
ovo formatione. Fasc. Il. 1838. Tab. VII. | 


2) Ebenda. Tab. VII. Fig. 31. 


ai 


bei dem Seiden-Spinner. 123 


führliche Beschreibung derjenigen Veränderungen lieferte, die 
in bestimmter Reihefolge an verschiedenen unbefruchtet sich 
entwickelnden Seidenspinner-Eiern mit der Lupe wahrgenom- 
men werden können. Herold beschrieb zunächst auf der 
sechsten Tafel seiner Disquisitiones' die aufeinander folgenden 
Veränderungen, welche die nach einer fruchtbaren Begattung 
entwicklungsfähig gewordenen Seidenspinner-Eier in Ansehung 
ihres Umrisses, ihrer Farbe und ihres Inhaltes sogleich nach 
dem Ablegen bis zu demjenigen Zustande erleiden, in welchem 
sie den ganzen Winter hindurch mehr oder weniger unverän- 
dert verharren. Derselbe hebt noch besonders hervor, dass das 
unter der Eischale zum Vorschein kommende farbige Netz, wel- 
ches einen bestimmten Farbenwechsel durchläuft und von wel- 
chem die Farbenveränderungen des ganzen Eies abhängen, zwar 
im Allgemeinen ein sicheres Merkmal stattgefundener Befruch- 
tung,aber insbesondere das sichersteKennzeichen wirklicherEnt- 
wicklungsfähigkeit der Eier sei. Herold bildet zugleich einen Em- 
bryo ab?,wieer in einem befruchteten Seidenspinner-Ei, nachdem 
dasselbe innerhalb .der ersten 8 bis 10 Tage nach demAblegen seine 
Farbenveränderung geschlossen,sich mitten imWinter vorfindet. 
Auf der siebenten Tafel stellt Herold die aufeinander folgen- 
den Veränderungen dar, ‚‚welche unter der ganzen Anzahl von 
Eiern, die das Weibchen des Seidenspinners für sich, ohne 
Begattung mit dem Männchen ablegt, manche nichts desto- 
weniger in verschiedenem Grade mit der Entwicklungskraft 
begabte Eier fast ebenso, wie durch Zuthun des Männchens 
wirklich fruchtbar gemachte, in Ansehung des Umrisses, der 
Färbung und des Inhaltes in den ersten Wochen nach der Ab- 


1) Disquisitiones de animalium vertebris carentium in ovo formatione. 
Fasc. Il. 1838.» 
2) Ebenda. Tab. VI. Fig. 15. 


We 


124 Wahre Parthenogenesis 


legung bis dahin erleiden, wo sie den ganzen Winter hindurch 
mehr oder weniger unverändert bleiben.‘‘“ Derselbe konnte 
verschiedene Grade der Entwicklungsfähigkeit unbefruchteter 
Eier unterscheiden, welche sich durch unendliche Verschieden- 
heiten in der Disposition, Anzahl, Gestalt und Farbenstärke 
der farbigen Eitheile zu erkennen gaben. Bei einigen dieser 
unbefruchteten Eier hatte die Entwicklungsfähigkeit einen so 
hohen Grad erreicht, dass Herold im Stande war, aus eıl- 
nem solchen Eie mitten im Winter einen Fötus hervorzu- 
ziehen‘. Nach Herold’s ferneren Angaben wurden aber 
nicht in allen entwicklungsfähigen unbefruchteten Eiern, 
welche er ım Winter untersuchte, Embryone gefunden, auch 
hatte derselbe niemals Räupchen aus unbefruchteten Eiern 
hervorkriechen sehen, da sie alle vorher schon zu leben aufge- 
hört hatten. 

Uebrigens kannte schon Malpıighi den Unterschied 
zwischen befruchteten und unbefruchteten Seidenspinner-Eiern. 
Dieser ausgezeichnete Naturforscher wusste längst, was von 
einer späteren physiologischen Schule unbeachtet gelassen war, 
dass nämlich durch die Begattung nicht die Eierstöcke be- 
fruchtet würden, sondern dass nach einer Begattung jedes ein- 
zelne fertige Ei für sich befruchtet werde. Es geht dies deut- 
lich aus seinen mitgetheilten Untersuchungen hervor. Mal- 
pighi sah”, dass die aus den Ovarien eines befruchteten Sei- 
denspinners herausgenommenen schwefelgelben Eier sich ganz 
wie unbefruchtete Eier verhielten, während ein Ei, das er ın 
der Scheide dieses Schmetterlings vorgefunden, sich nach ei- 
niger Zeit violett färbte, sich demnach als befruchtet auswies. 


Malpighi leitete diese Wirkung von dem Inhalte der Bursa 


1: A..a:0: Tab. VIE Pig..19. - 
2) Marc. Malpighii dissertatio de Bombyce. Londini. 1669. pag. 82... 


= 


bei dem Seiden-Spinner. 123 


copulatrix ab, deren Bedeutung und Einmündung in die Scheide 
er kannte'. Seinem Forscherblicke war allerdings auch das 
Receptaculum seminis nicht entgangen , indessen hatte er des- 
sen Bedeutung nicht erfasst”. Auch Pallas® sprach sich 
schon über die Farbenveränderungen aus, welche die befruch- 
teten Eier des Seidenspinners und anderer Schmetterlinge, 
nachdem sie gelegt worden sind, erleiden. Derselbe bemerkte, 
dass die Eier von Paprlio Iris, welche er einem befruchteten 
Weibchen aus dem Leibe geschnitten, ihre grasgrüne Farbe 
nicht änderten, während die gelegten Eier eines solchen be- 
fruchteten Schmetterlings sich gelbgrün färbten, und zog 
daraus den richtigen Schluss, dass die Befruchtung dieser 
Bier erst bei dem Durchgange durch die Mutterscheide ge- 
schehe. 

Gerade in der Zeit, als ich mit der Parthenogenesis der 
Psychiden vertraut geworden war, wurde ich von verschiedenen 
Seiten her auf die bei Bombyx Mori vorkommende Partheno- 
genesis in einer Weise hingewiesen, dass ich nicht umhin 
konnte, die hierbei zur Sprache gebrachten Erscheinungen 
näher zu prüfen. | 

Den Hauptanstoss hierzu gab folgendevon Ph. deFilippi 
im Jahre 1851 gemachte Mittheilung *: Je me bornerai & citer 
un cas singulier, qui m’a &te raconte tout dernierement par un 
celebre entomologiste anglais, M. John Curtis, a son pas- 
sage par Turin, d’une chrysalide isolde de Bombyx polyphemus 


qu’il avait recue d’Amerique, et de laquelle naquit une femelle 


1) Ebenda. pag. 81. Tab. XII. Fig. 1. K, I,M. 

2) Ebenda. pag. 80. Tab. XII. Fig. 1. E,F,G,H. 

3) S. dessen Anmerkungen über einige Besonderheiten an Insekten 
in dem Stralsunder Magazin. Bd. I. St. 3. 1768. pag. 210. 

4) S. Annales des sciences naturelles. Zoologie. Tom. V. 1851, 
pag. 297. 


u 


126 Wahre Parthenogenesis 


dont tous les oeufs se developperent. Je crois que la me&me 
chose a lieu quelquefois dans les femelles de Bomdbyx Mori, 
quoique tout A fait separees des mäles. 

Diese Notiz rief mir verschiedene andere Mittheilungen 
über die Möglichkeit einer Parthenogenesis bei Bombyx Mori 
ins Gedächtniss, auf welche ich jetzt, nachdem Filippi, der 
mir als ein durch und durch besonnener Physiolog bekannt 
ist, als Zeuge für die Richtigkeit dieser Behauptung aufgetre- 
ten war, ein um so grösseres Gewicht legen musste. Ich 
erinnerte mich einer Mittheilung von Mögling': dass der 
weibliche Schmetterling von Bombyx Mori 350 — 480 Eier 
lege, welche entwicklungsfähig sein könnten, wenn gleich das 
Weibchen von keinem Männchen befruchtet sei”. Offenbar 
gehört auch jene Beobachtung Boursier’s hieher, von wel- 
cher vor einigen Jahren in den Comptes rendus berichtet 
wurde?, dass ein weiblicher Seidenspinner, der sich mit einem 
Männchen nicht begattet hatte, von Boursier bald dem 
Sonnenlicht bald dem Schatten ausgesetzt worden sei, wobei 
der Schmetterling viele Eier gelegt habe, von denen diejenigen, 
welche im Sonnenschein gelegt worden seien, Räupchen ge- 
liefert hätten. Indem wohl niemand in vorliegendem Falle, 
wie Boursier es gethan hat, ‚die Befruchtung der Eier von 
dem Einflusse des Sonnenlichts und der Sonnenwärme ableiten 
wird, so wird man sich doch nicht enthalten können, in dieser 
Erscheinung eine Parthenogenesis zu erblicken. Ich wendete 


mich an Filippi selbst, um von ihm ein weiteres über die 


1) S. dessen Schrift über die Seidenzucht. 1847. pag. 89. 

2) Mögling berief sich hierbei auf die Notices sur les &ducations 
des vers & soie faites en 1840 par M. Robinet, welche mir bis jetzt noch 
nicht zu Gesicht gekommen sind. 

3) Vergl. Comptes rendus. Nr. 12. 1847 oder Notizen von Schleiden 
u. Froriep. Bd. V. 1848..pag. 20. « 


® 
ir 


bei dem Seiden-Spinner. 127 


Fortpflanzung der Seidenspinner sine concubituzu erfahren, da 
derselbe in einem Lande lebt, in welchem der Seidenbau sehr aus- 
gebreitet betrieben wird, und ersterer gewiss leicht Erfahrungen 
über den fraglichen Gegenstand hatsammeln können. Filippi 
schrieb mir unterm 29. Mai 1852 folgendes: ‚‚Quant aux oeufs 
de Bombyx Mori eclos sans fecondation prealable voilä ce que je 
pourrais ajouter. C’est en 1850 que j’ai eu occasion d’observer 
une .chose pareille avec des vers a soie de la variete dite parmi 
nous des Zrevoltini (c’est a dire qui peuvent 6tre dleves trois fois 
dans lannee.). Aussi Mr. Griseri, qui Soccupe beaucoup 
de P’education des vers a soie, a trouv& que plusieurs oeufs de- 
poses par des femelles vierges se developpent. Plusieurs cul- 
tivateurs de vers a sole m’ont assures la m&me chose,‘‘ 
Diese verschiedenen Nachrichten über Bombyz Mori zu- 
sammengehalten mit jener von Curtis an einem vereinzelten 
amerikanischen Spinner gemachten Beobachtung, bei welcher 
wohl keine Täuschung sich eingeschlichen haben konnte, so 
wie eine von Johnston berichtete Beobachtung, nach wel- 
cher aus den Eiern, die einem vor zwei Tagen getödteten 
Smerinthus ocellatus aus dem Leibe also unbefruchtet wegge- 
nommen waren, Räupchen sich entwickelten ', alle diese Mit- 
theilungen bestärkten mich, die Existenz einer Parthenogene- 
sis auch bei Bombyx Mori anzunehmen, obwohl ich dieselbe 
mit Ausnahme einzelner Psychiden bei den Schmetterlingen ge- 
läugnet habe. Man wird mich deshalb nicht einer Inconsequenz 


zeihen wollen, denn die früher von mir (pag. 15) aufgeführten 


1) Vergl. the Zoologist. 1548. pag. 2269. s. auch Schleiden’s und 
Froriep’s Notizen. 1819. Bd. VIII. pag. 170. Ich setze voraus, dass in 
vorliegendem Falle die Eier aus den Eierstöcken und nicht aus dem Eier- 
leiter genommen wurden, weil sonst nach einer etwa vorausgegangenen 
Begattung solche Eier vom Receptaculum seminis aus befruchtet sein 
konnten. 


= — u 


128 Wahre Parthenogenesis 


Beispiele, welche der Parthenogenesis der Schmetterlinge das 
Wort reden sollten, können einmal als zuverlässige Beweise aus 
den oben geltend gemachten Gründen nicht zugelassen werden. 
Um mir eigene Erfahrungen über die Parthenogenesis bei 
Bombyx Mori zu verschaffen , setzte ich mich in Breslau und 
München mit verschiedenen Seidenzüchtern in Verbindung, 
von diesen erhielt ich ebenfalls die ernste Versicherung, dass 
sich nicht selten aus den von unbefruchteten Seidenspinner- 
Weibchen abgelegten Eiern Räupchen entwickelten. Durch die 
Gefälligkeit des Fabrikanten Herrn Steiner in Breslau wurde 
mir eine umfangreiche Seidenspinner-Zucht zur Disposition ge- 
stellt, mit deren Hülfe ich mich über verschiedene interessante 
Vorgänge bei dem Eierlegen und der Entwicklung der Seiden- 
raupe unterrichten konnte. Zuerst verschaffte ich mir im Som- 
mer 1852 eine gehörige Menge Seiden-Cocons männlichen 
und weiblichen Geschlechts. Nach ihrem Ausschlüpfen er- 
laubte ich mehreren Pärchen sich zu begatten, während ich 
eine andere Anzahl von Seidenspinner-Weibchen, die ich schon 
als solche im Puppenzustande erkannt hatte, streng sonderte 
undüberwachte. Sowohl die befruchteten Seidenspinner-Weib- 
chen als auch die unbefruchtet gebliebenen, deren ich sieben 
zur Beobachtung ausgewählt hatte, legten eine grosse Menge 
Eier ab, die ich sämmtlich einer sehr genauen Beaufsichtigung 
unterwarf. Fast sämmtliche von den befruchteten Seidenspin- 
nern abgelegten Eier veränderten sich nach einigen Tagen in 
der bekannten Weise, indem sich ihre schwefelgelbe Farbe nach 
und nach in dunkelgelb, dann in orange, dann roth, violettund 
zuletzt in blaugrau oder schiefergrau umwandelte, was oft schon 
am dritten Tage nach dem Legen geschehen war. Die Eier blie- 
ben dabei prall und erhielten auf ihrer Mitte die ebenfalls bekann- 
te flache Vertiefung. In dieser blaugrauen Färbung als Zeichen 


ihrer Lebensfähigkeit überwinterte ich diese Eier, welche mir 


r 


bei dem Seiden-Spinner. 129 


im nächsten Frühjahre eine grosse Zahl Räupchen lieferte. 
Ich muss hier bemerken, dass der vorhin erwähnte Farben- 
wechsel der Seidenspinner-Eier nicht von einer bereits begin- 
nenden Entwicklung des Embryo herrührt, sondern nur Folge 
einer eigenthümlichen Veränderung des Dotters ist, welcher 
durch die farblose mattdurchsichtige Eischale anfangs mit 
schwefelgelber Farbe und nachher mit den verschiedenen 
Farbenveränderungen hindurchschimmert. Einzelne wenige 
von den befruchteten Seidenspinner-Weibchen abgelegte Eier 
haben ihre schwefelgelbe Farbe behalten und sind zuletzt ver- 
schrumpft. Diese haben gewiss ihre Lebensfähigkeit eingebüsst, 
weil durch irgend einen Zufall das Eindringen von Samenfäden 
in die Mikropyle gehindert und so die Befruchtung dieser Eier 
nicht erreicht wurde. 

Auf die von jenen sieben jungfräulichen Seidenspinnern 
erhaltenen Eier richtete ich von Anfang an ein besonderes Au- 
genmerk, da ich sehr neugierig war, ob sich nicht bei einzelnen 
dieser Eier wenigstens eine Parthenogenesis beobachten liess. 
Ich war daher sehr überrascht, als ich an einer weit grösseren 
Anzahl dieser Eier, wie ich kaum gehofft hatte, ganz denselben 
bekannten Farbenwechsel wahrnahm, welcher bei den befruch- 
teten Eiern bald nach dem Ablegen derselben eintritt, aber bei 
diesen unbefruchteten Eiern um vieles langsamer und später 
erfolgte. Von einigen dieser jungfräulichen Seidenspinner hatte 
ich 30 bis 40, von anderen etwa nur 10—-20 Eier erhalten, 
deren Farbe sich im Vergleich zu den übrigen gelb gebliebenen 
und nach und nach ganz verschrumpften Eiern allmälıg verän- 
derte. Aber auch dieser Farbenwechsel gieng nicht ganz con- 
stant in derselben Weise vor sich wie bei den befruchteten 
Eiern. Nur wenige unbefruchtete Eier machten den ganzen 
Farbenwechsel bis zum schiefergrau durch, die meisten blieben 
auf früheren Stufen des Farbenwechsels stehen, und färbten 


v. Siebold, Nachweis u. s. w. 9 


a 


130 Wahre Parthenogenesis 


sich nur röthlich oder violett, und verschrumpften zuletzt auch 
wie die hellgelben unbefruchteten Eier, jedoch um ein paar 
Monate später als diese. Leider hatte ich nicht das Glück, aus 
den schiefergrau gewordenen und prall gebliebenen unbefruch- 
teten Eiern, welche ich mit Sorgfalt den Winter über aufbewahrt 
hatte, Räupchen zu erhalten, denn auch sie verschrumpften 
und vertrockneten gänzlich, als das darauf folgende Frühjahr 
herangekommen war. Aehnliches widerfuhr mir mit einer gros- 
sen Anzahl schiefergrauer und praller Eier, welche ganz das 
Ansehen von befruchteten Eiern besassen und mir von Herrn 
Steiner unter der Versicherung übergeben worden waren, 
dass sie von jungfräulichen Seidenspinnern gelegt worden seien. 
Ich fand diese Eier nach mehreren Monaten gänzlich ver- 
schrumpft, ohne dass ich auch nur ein einziges Räupchen 
daraus erhalten hatte. 

Im Jahre 1854 wurde mir vom Seminarlehrer Herrn 
Schmid zu Eichstädt, der sich seit achtzehn Jahren mit 
Seidenraupen-Zucht beschäftigt, eine Quantität blaugrauer pral- 
ler Seidenspinner-Eier mitgetheilt, welche nach seiner Ver- 
sicherung von jungfräulichen Spinnern abstammten. Aus allen 
diesen Eiern entwickelten sich in der That Räupchen. Es lag 
mir viel daran, aus diesen Raupen die Schmetterlinge zu ziehen, 
um zuerfahren , ob vielleicht ähnlich wie bei den Psychiden oder 
wie bei den Bienen aus allen diesen unbefruchteten und zur 
Entwicklung gekommenen Eiern nur ein einziges Geschlecht, 
entweder nur Weibchen oder nur Männchen zum Vorschein 
kommen würden. 

Obwohl ich kein bestimmtes Motivangeben konnte, durch 
welches ich veranlasst worden wäre, die Entwicklung von 
männlichen Schmetterlingen aus unbefruchteten Seidenspinner- 
Eiern im voraus zu erwarten, so muss ich doch gestehen, dass 


ich, wenn auch ohne bestimmten Grund, die Erwartung hegte, 


bei dem Seiden-Spinner. 131 


es würden jene aus unbefruchteten Eiern hervorgeschlüpften 
Seidenräupchen nur männliche Spinner liefern. Ich könnte zu 
meiner Rechtfertigung allenfalls jene auffallende und bereits 
(pag. 25) erwähnte Notiz von Carlier anführen, welche 
Lacordaire in folgender Weise mitgetheilt hat!: Cet obser- 
vateur a obtenu, sans accouplement, trois generations du Zipa- 
ris dispar, dont la derniere ne donna que des mäles, ce qui mit 
naturellement fin a experience. Obgleich diese kurze Notiz, 
wie schon früher von mir bemerkt wurde , keinen Beweis ent- 
hält, dass die darin mitgetheilte Beobachtung auch mit der 
nöthigen Sorgfalt und Genauigkeit angestellt worden, so erhält 
dieselbe jetzt, nachdem Dzierzon’s Theorie sich als richtig 
bewährt hat,ein besonderes Gewicht. Ich regte schon im Jahre 
1852 bei Dzierzon selbst den Gedanken an, ob nicht die 
Eigenschaft gewisser Seidenspinner-Weibchen, unbefruchtet 
entwicklungsfähige Eier zu legen, dazu dienen könnte, durch 
genaue Versuche und Experimente seiner Theorie über die Fort- 
pflanzung der Bienen Vorschub zu leisten. Dzierzon empfahl 
in Folge dessen den Seidenzüchtern dergleichen Versuche. 
Es wurde hierauf in dieser Beziehung von verschiedenen Seiten 
mit Seidenspinnern experimentirt, bis jetzt sind aber die darü- 
ber abgegebenen Berichte noch unvollständig®?. Eine in diesen 
Berichten enthaltene Notiz von Dr. Kipp, der von einem in 
einer Schachtel ausgekrochenen und verschlossen gehaltenen 
Pappelschwärmer (Sphinz Populi) eine Menge Eier und aus 
allen diesen Eiern Räupchen erhalten hatte, spricht gegen 
Dzierzon’s Theorie, da aus diesen Räupchen sowohl männ- 
liche als weibliche Schmetterlinge erzogen wurden *. Ich selbst 


1) Vergl. Lacordaire: Introduction a. a. OÖ. Tom. II. pag. 383. 
2) 8. die Bienenzeitung. Jahrg. 1853. pag. 103. 

3) Ebenda. Jahrg. 1853. pag. 144 und 175. Jahrg. 1855. pag. 26. 
4) Ebenda. Jahrg. 1853. pag. 1752. 


9* 


132 Wahre Parthenogenesis 


gab mir mit der Erziehung jener Räupchen, welche ich aus den 
von Herrn Schmid mir abgegebenen unbefruchteten Seiden- 
spinner-Eiern erhalten hatte, die grösste Mühe und brachte von 
15 gross gezogenen Raupen 12 Individuen zur Verpuppung. 
Schon die verschiedenen Formen der Cocons liessen mich erra- 
then, dass verschiedene Geschlechter daraus ausschlüpfen wür- 
den und wirklich krochen später sieben männliche und fünf 
weibliche Schmetterlinge aus diesen 12 Gespinnsten hervor. 
Um mich zu überzeugen, ob diese durch Parthenogenesis er- 
zeugten Spinner auch wirklich vollkommen geschlechtsreif und 
fortpflanzungsfähig waren, störte ich sie nicht in der Begattung, 
die sie alsbald nach dem Ausschlüpfen vornahmen. Die Weib- 
chen setzten nach vollzogener Begattung eine Menge Eıer ab, 
welche sich als lebensfähig auswiesen und im Jahre darauf eben 
so viele Räupchen lieferten. Der Seminarlehrer Schmid, der 
mir von seinem Vorrathe unbefruchteter und lebensfähiger Sei- 
denspinner-Eier mitgetheilt hatte, stellte gleichzeitig ähnliche 
Versuche mit den übrigen zurückbehaltenen Eiern an, und er- 
hielt, wie ich, dieselben Resultate. Dass Schmid seine Expe- 
rimente mit aller Sorgfalt und mit der nöthigen Vorsicht vor- 
genommen, geht aus dem Berichte hervor, den mir derselbe 
darüber abstattete, und aus welchem ich folgendes als bemer- 
kenswerth hervorhebe. Schmid nahm im Jahre 1853 vierund- 
zwanzig Seidenspinner beim Auskriechen aus dem Cocon so- 
gleich in Empfang, um sie sicher im jungfräulichen Zustande 
zu erhalten; sie wurden abgesondert und sahen sich gegen den 
2. bis 4. Tag hin genöthigt, unbefruchtet ihre Eier abzulegen. 
Sie thaten dies zögernd und in sehr unregelmässigen Absätzen. 
Einige Hundert dieser anfangs schwefelgelb gefärbten Eier nah- 
men nach und nach die bekannte schiefergraue Färbung an, 
und glichen sowohl in dieser Farbe wie in ihrem übrigen Aus- 
sehen ganz den Eiern befruchteter Seidenspinner. Da sie sich 


Je 
4 


bei dem Seiden-Spinner. 133 


hiernach als lebensfähig zu erkennen gaben, wurden sie von 
Schmid den Winter über sorgfältig aufbewahrt und im Früh- 
Jahre 1854, nachdem die Maulbeerhecken zugrünen angefangen, 
aus dem Winterlokale hervorgeholt, um sie in einem passend 
erwärmten Raume zur völligen Entwicklung vorzubereiten. Das 
Auskriechen der Räupchen erfolgte alsbald aus 274 von 24 jung- 
fräulichen Seidenspinnern abgelegten unbefruchteten Eiern ; in 
270 andern unbefruchteten Eiern derselben Seidenspinner waren 
die Räupchen noch vor dem Auskriechen abgestorben. Was die 
Zahl der lebensfähigen Eier betrifft, welche Schmid von 24un- 
befruchteten Seidenspinnern erhalten, so bemerkte derselbe, dass 
keiner dieser unbefruchteten Schmetterlinge lauter lebensfähige _ 
Eier legte, sondern dass von einem und demselben Individuum 
hintereinander unregelmässig wechselnd bald lebensfähige, bald 
nicht lebensfähige Eier gelegt wurden, indem nach 4 oder 10 
oder 15 lebensfähigen Eiern gleich wieder ebensoviele oder mehr 
oder weniger Eier ohne Lebensfähigkeit gezählt werden konn- 
ten; zuweilen wurden ganze Haufen von Eiern gelegt, unter 
denen nur1, 2, 3 oder 4 lebensfähige Eier zu bemerken waren. 
Auch Schmid hatte, wie ich, die Erfahrung gemacht, dass 
nicht alle von befruchteten Seidenspinner- Weibchen abgesetzten 
Eier ohne Ausnahme lebensfähig sind, sondern dass in seltenen 
Fällen auch einzelne wenige Eier lebensunfähig (unbefruchtet) 
unter den übrigen lebensfähigen (befruchteten) Eiern vorkom- 
men. Mehrere von den oben erwähnten 24 jungfräulichen Sei- 
denspinner-Weibchen legten aber auch lauter lebensunfähige 
Eier. Von den 274 aus unbefruchteten Eiern erhaltenen Seiden- 
räupchen konnte Schmid wegen der im Frühjahre 1854 statt 
gehabten höchst ungünstigen Temperatur-Verhältnisse nur 15 
am Leben erhalten; mit den aus befruchteten Eiern gewonne- 
nen Seidenräupchen gieng es ihm in demselben Frühjahre nicht 
besser. Von jenen 15 Seidenraupen wurden nur 12 zum Ein- 


u 


134 Wahre Parthenogenesis 


spinnen gebracht, welche’11 Schmetterlinge lieferten, unter 
denen sich sieben Männchen und vier Weibchen befanden. 
Schmid liess drei von diesen weiblichen Schmetterlingen un- 
befruchtet Eier legen, aber alle von diesen drei jungfräulichen 
Seidenspinner- Weibchen abgesetzten Eier blieben hellgelb und 
schrumpften bald ein, waren mithin nicht lebensfähig gewesen. 
Das vierte dieser Weibchen paarte sich mit einem der sieben 
Männchen, die aus unbefruchteten Eiern gezogen waren; die 
nach dem Begattungsakte von diesem Weibchen gelegten Eier 
waren sämmtlich bis auf 16 lebensfähig und lieferten im Jahre 
1855 sehr schöne Raupen. Von den sechs anderen männlichen 
. Seidenspinnern wurden zwei zur Begattung mit anderen ge- 
wöhnlichen Seidenspinner- Weibchen benutzt, auch diese letz- 
teren legten durchgehends nur lebensfähige Eier, aus denen 
gleichfalls ganz schöne Raupen hervorgiengen. Im Jahre 1854 
wählte Schmid abermals 24 weibliche Seidenraupen-Cocons 
aus, welche alle einzeln separirt und streng beaufsichtigt wur- 
den. Es schlüpften 23 Weibchen und 1 Männchen daraus her- 
vor, letzteres wurde sogleich nach seinem Auskriechen entfernt. 
Die 23 Weibchen legten in ihren einsamen Zellen mehr oder 
weniger unregelmässig ihre Eier ab, unter denen sich nur 21 
lebensfähige Eier befanden, welche zusammen von vier dieser 
Schmetterlinge gelegt waren, alle übrigen Eier waren grössten- 
theils hellgelb geblieben oder waren rothbraun geworden und 
dann eingeschrumpft. Leider misslang im Jahre darauf, 1855, 
die Zucht der Raupen aus diesen 21 Eiern; es hatten sich näm- 
lich in denselben die 21 Räupchen vollkommen entwickelt, ihr 
Auskriechen musste aber wegen Mangel an Futter zurückge- 
halten werden, wobei sıe innerhalb der Eischale abstarben. Im 
Jahre 1855 wählte Schmid S weibliche Coconsaus, welche wie 
die früheren mit gleicher Sorgfalt und Aengstlichkeit abgeson- 


dert und überwacht wurden. Sie lieferten 8 weibliche Schmet- 


er 
# 
% 


ö bei dem Seiden-Spinner. 135 


terlinge, von denen 7 Individuen ihren ganzen Eiervorrath im 
Jungfräulichen Zustande ablegten, während das achte Weibchen 
trotz aller Anstrengung auch nicht ein einziges Ei absetzen 
konnte. Schmid sendete mir die ganze Eiererndte dieser 
Schmetterlinge auf sieben Papierstreifen, es mögen ohngefähr 
3600 Eier sein; jeder der sieben Papierstreifen enthielt ohnge- 
fähr 512 Eier, welche jene Schmetterlinge beim Legen ange- 
klebt hatten. Auf dem ersten Papierstreifen waren sämmtliche ° 
Eier noch prall und mit der mittleren flachen Vertiefung ver- 
sehen, 40 davon hatten ihre hellgelbe Farbe bewahrt, fünf hat- 
ten eine schiefergraue Farbe angenommen, alle übrigen erschie- 
nen rothbräunlich gefärbt. Der zweite Papierstreifen trug 18 
hellgelbe und sieben schiefergraue Eier, alle übrigen waren 
rothbräunlich gefärbt. Sämmtliche Eier erschienen prall und 
in ihrer Mitte flach vertieft, acht rothbräunliche Eier zeigten 
sich vollständig verschrumpft. Auf dem dritten Papierstreifen 
befand sich nur ein einziges hellgelbes Ei, alle übrigen hatten 
eine rothbräunliche Farbe angenommen. Keines dieser Eier 
war vertrocknet und eingeschrumpft, aber die mittlere Vertie- 
fung war bei sehr vielen auffallend stark eingesunken, so dass 
sich annehmen lässt, dass diese Eier demnächst dem Austrock- 
nen verfallen werden. Der vierte Papierstreifen enthielt nur 
vier schiefergraue Eier, alle übrigen Eier desselben besassen 
eine rothbräunliche Farbe, nur eilf davon waren ganz ver- 
schrumpft, andere mehr oder weniger dem Austrocknen nahe. 
Auf dem fünften Papierstreifen konnte ich 30 hellgelbe pralle 
Eier zählen, alle übrigen zeigten sich rothbräunlich gefärbt, 
nur von diesen waren einzelne vertrocknet; auf dem sechsten 
Papierstreifen befanden sich nur 4 hellgelbe pralle Eier, alle 
übrigen waren rothbräunlich gefärbt, unter denen nur einzelne 
wenige statt der mittleren Vertiefung eine gänzliche Austrock- 


nung erlitten hatten. Der siebente Papierstreifen besass nur 


136 Wahre Parthenogenesis bei dem Seiden-Spinner. 


rothbräunlich gefärbte Eier, von denen 14 bereits gänzlich 
verschrumpft waren, viele andere aber nach der tief eingefalle- 
nen mittleren Vertiefung zu schliessen auf dem Wege des Aus- 
trocknens sich befanden. Ob sich aus den oben erwähnten 
16 schiefergrauen unbefruchteten Eiern, welche dem Anscheine 
nach noch lebensfähig sind, wirklich Räupchen entwickeln 
werden, muss die Zeit lehren. 

Wenn diese Versuche und Experimente bis jetzt noch kein 
bestimmtes Resultat geliefert haben, so hat dies wohl darin 
seinen Grund, dass dieselben nicht oft genug hintereinander 
wiederholt worden sind, jedenfalls ist die Parthenogenesis bei 
Bombyx Mori jetzt fest gestellt, dennoch verdient aber in die- 
ser Beziehung die Fortpflanzungsgeschichte des Seidenspinners 
weiter verfolgt zu werden, da gerade dieses Objekt so viele pas- 
sende und bequeme Anhaltspunkte zu Beobachtungen und 


Versuchen bietet. 


Schlussbemerkungen. 


Die Parthenogenesis, wie sie von mir bei Psyche 
Helix, Solenobia clathrella und lichenella, bei Bombyx Mori 
und Apis mellifica nachgewiesen worden ist, kömmt jedenfalls 
verbreiteter in der Insektenwelt vor, als es diese bisher aufge- 
fundenen wenigen Beispiele erwarten lassen. Es tritt diese 
Parthenogenesis gewiss nach bestimmten Gesetzen auf, die 
unserer Aufmerksamkeit bis jetzt noch gänzlich entgangen sind. 
Es werden in der Natur durch die Parthenogenesis wahrschein- 
lich bestimmte Zwecke erreicht, die wir nur dann erst begreifen 
können, wenn wir das Leben und Treiben der Insekten über- 
haupt genauer, als es bisher geschehen ist, werden kennen ge- 
lernt haben. Welche wichtige Bedeutung die Parthenogenesis 
bei den Bienen hat, wird man wohl jetzt schon einsehen, denn 
ohne Parthenogenesis könnte der ganze complicirte Bienenhaus- 
halt, wie er von der Natur vorgeschrieben ist, gar nicht bestehen. 
Es ist daher jetzt Aufgabe der Entomologen, nach weiteren 
Beispielen von Parthenogenesis in der Insektenwelt zu forschen. 
Bereits sind Andeutungen genug da, wie und wo dieser merk- 
würdigen Fortpflanzungsweise der Insekten nachzuspüren ist. 
Aus gewissen Bemerkungen, welche man in verschiedenen en- 
tomologischen Schriften zerstreut findet, geht hervor, dass hier 
und dort ungeahnet die Parthenogenesis ihr Wesen treibt und 
durch sie die Fortpflanzungsgeschichte mancher Insekten in 
räthselhaftes Dunkel gehüllt wird. 

Hierher gehört unter anderen die Mittheilung des Leon 


Dufour, dass er von Diplolepis gallae tinetoriae niemals ein 


Pe 


138 Schlussbemerkungen. 


Männchen erhalten habe'. Von der Gattung Cynips sind 
28 Arten bekannt, welche nach Hartig’s Angabe sämmtlich 
mannlos sind?*. Hartig hat neun bis zehn tausend Individuen 
der Cynips divisa und drei bis vier tausend Individuen der 
Cynips folii gemustert und kein einziges Männchen darunter 
gefunden. Cynips folii sammelte Hartig sogar seit acht Jah- 
ren ein und hat von dieser Gallwespe nie etwas anderes als 
Weibchen erhalten, dabei sah derselbe diese weiblichen Cyni- 
piden nach ihrem Auskommen aus den Gallen sogleich wieder 
zum Ablegen der Eier schreiten. 

Die unter gewissen niederen Orustaceen vorkommende Fort- 
pflanzung, welche man auf @Generationswechsel und Ammenbil- 
dung zurückzuführen versucht hat, dürfte sich bei näherer Un- 
tersuchung gleichfalls als wahre Parthenogenesis herausstellen. 
Bekanntlich bietet unter den Phyllopoden die Gattung Apus 
auch nur Weibchen dar; zwar hat Zaddach bei Apus canecri- 
Jformis männliche Individuen nachweisen wollen®, indessen 


habe ich‘diese Angabe wegen Mangel eines sicheren Beweises 


1) Vergl. Leon Dufour: Recherches anatomiques et physiologi- 
ques sur les Orthopteres, les Hymenopteres et les Neuropteres, in den 
Me£moires presentes par divers savants a l’Acad&mie roy. des sciences de 
V’Institut de France. Tom. VIl. 1541. pag. 527. Hier heisst es: C’est un 
fait fort singulier, mais bien positif, que, sur plus de deux cents individus 
du Diplolepis gallae tinctoriae, n&s dans mon laboratoire de galles renfer- 
mees dans des bocaux, je n’ai rencontr& que des femelles. Malgre toute 
mon ardeur a rechercher des mäles, dont la dissection m’ interessait au 
supr&eme degre, je n’ai jamais pu en rencontrer un seul. Ce qui stimulait 
encore davantage mon desir extr&me d’etudier ce dernier sexe, c’est que 
les nombreuses femelles soumises a mon scalpel &taient dans un &tatavance 
de fecondation, quoique je proc&dasse A leur vivisection immediatement 
apres leur sortie de la galle. 

2) S. Hartig: Zweiter Nachtrag zur Naturgeschichte der Gallwes- 
pen, in Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. IV. 1843. 
pag. 397. 

3) Vergl. Zaddach: de Apodis cancriformis anatome. 1841. pag.53. 


Schlussbemerkungen. 139 


in Zweifel gezogen'. Von dem Phyllopoden Zimnadia Gigas 
ist bis jetzt ebenfallsnoch kein Männchen aufgefunden worden. 
Auch bei Daphnia scheinen nicht Ammen, sondern weibliche 
Individuen durch Parthenogenesis das Fortpflanzungsgeschäft 
zu unterhalten, denn Lievin, welcher Daphnien-Weibchen, 
aus der Begattung entnommene und andere selbstständig gebä- 
‚rende mit einander verglichen hat, konnte zwischen beiden 
Arten nicht den mindesten Unterschied wahrnehmen. Von 
Polyphemus Oculus kennt man bis jetzt auch nur weibliche 
Individuen *. 

Unter den Mollusken kommen ebenfalls Erscheinungen 
vor, welche auf die Möglichkeit einer Parthenogenesis hinwei- 
sen, so konnte unter anderen Vogt an den unbefruchtet ge- 
legten Eiern einer weiblichen Frrola die beginnende Entwick- 
lung, nämlich eine bis zu einem gewissen Grade fortschreitende 
Dotter-Durchfurchung beobachten°. 

Aus diesen Andeutungen geht hervor, dass die Fortpflan- 


zung vermittelst Parthenogenesis durch meine Untersuchungen 


1) S. mein Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen 
Thiere. 1848. pag. 495. Anm. 8. 

2) S. Brongniart: M&moire sur le Limnadia, in den M&moires du 
Museum d’histoire naturelle. Tom. VI. 1820. pag. 89. ‚Il reste un point 
tres-curieux A £claircir dans l’histoire de ces anımaux, c’est leur mode de 
generation ; il est en effet fort remarquable que sur pres de mille individus 
que nous avons vus A Fontainebleau, tous portoient des oeufs soit sur le 
dos, soit dans le corps.“‘ 

3) 8. Li@vin: Die Branchiopoden der Danziger Gegend, in den 
neuesten Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Bd. IV. 
Heft 2. 1848. pag. 26. 

4) Vergl. Jurine: Histoire des Monocles qui se trouvent aux envi- 
rons de Gen£ve. 1820. pag. 146. ‚‚Quoique je ne doute pas qu’iln’ y ait 
des mäles dans cette espece comme dans les pr&c&dentes, je dois annoncer 
que dans le petit nombre d’individus, que j’ai trouvös, ou &leves, je n’en 
al reconnu aucun.‘‘ 

5) 8. dessen Bilder aus dem Thierleben. 1852. pag. 217. 


140 Schlussbemerkungen. 


lange nicht erschöpfend genug erforscht ist und noch manchen 
Beitrag wird erhalten können. Schon jetzt lässt es sich aber 
aussprechen, dass der bisher allgemein gültige Satz der Be- 
fruchtungstheorie, die Entwicklung der Eier könne nur unter 
dem Einflusse des männlichen Samens vor sich gehen, durch 
die Parthenogenesis einen unerwarteten Stoss erlitten hat. Man 
hat sich zwar zu helfen und den alten wichtigen Satz der Be- 
fruchtungstheorie dadurch zu halten gesucht, indem man an- 
nahm, eine einmalige Befruchtung könne in manchen Fällen 
auf mehrere Generationen hindurch wirken, alleın viel ist mit 
diesem neuen Satze nicht gewonnen, da sich damit manche bei 
der Parthenogenesis auftretende Erscheinung gar nicht erklären 
lässt. Auf der anderen Seite dürfte es gewagt erscheinen, der 
Parthenogenesis, ehe sie in grösserem Umfange und nach allen 
Richtungen hin durchforscht ist, jetzt schon eine bestimmte 
Stelle in der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere anzuweisen. 
Victor Carus hat es versucht, die Parthenogenesis mit der 
Brutpflege (Neomelie) in Verbindung zu bringen, und den Satz 
aufgestellt': die weibliche Form muss befruchtet werden und 
zwar von der männlichen Form, zu der Entwicklung der letz- 
teren aber? bedarf es keiner abermaligen Befruchtung, der 
männliche Keim entwickelt sich nach Art einer Knospe oder, 
Amme. Es lässt sich indessen dieser Satz nicht auf alle von mir 
aufgeführten Fälle der Parthenogenesis anwenden, er passt 
eigentlich nur auf die Bienen, in den übrigen Fällen kommen 
aus den unbefruchteten Keimen nur Weibchen zur Entwicklung 
und bei Bombyx Mori in unbestimmten Zahlen-Verhältnissen 


Weibchen und Männchen zugleich. 


1) S. Vietor Carus: System der thierischen Morphologie. 1853. 
pag. 280. 
2) Ebenda pag. 57. 


Schlussbemerkungen. 141 


Bei Psyche Helix, Solenobia clathrella und lichenella wer- 
den im Gegensatze zu den Bienen die Weibchen nach voraus- 
gegangener Begattung wahrscheinlich solche befruchtete Eier 
ablegen, aus denen nur männliche Individuen zur Entwick- 
lung kommen. ; 

Daher mag es kommen, dass man von gewissen Insekten 
hier und dort im Freien die männlichen und weiblichen Indi- 
viduen für sich getrennt beisammen findet. Hiermit steht die 
Bemerkung von Zinke! vollkommen in Einklang, dass meh- 
rere Sackträger während ihres Raupen - und Puppenzustandes 
nur in getrennten Geschlechtern vorkommen, und dass man 
da, wo man das eine Geschlecht findet, das andere vergeblich 
sucht. Auch eine briefliche mir gemachte Mittheilung von 
Heyden dürfte hierdurch ihre Erklärung finden; derselbe 
beobachtete nämlich bei der Gattung Coceus, dass die Männ- 
chen von den Weibchen getrennt und gesellig leben, bis sie 
völlig entwickelt sind. 

Die männlichen Individuen führen bei Psyche Helix als 
Larven vielleicht eine ganz andere Lebensweise, und konnten 
sich deshalb bisher der Aufmerksamkeit derjenigen Entomologen 
entziehen, welche dieRaupen der Männchen von Psyche Helix 
nur als Sackträger mit gewundenem Gehäuse zu finden hofften. 

Für diese von mir nur als Vermuthung ausgesprochenen Be- 
hauptungen dürfte sich ein Beleg in einer Beobachtung finden, 
diedurchL&eon Dufour gemacht wurde. Derselbe erzog näm- 
lich aus einer gewissen Galle immer nur weibliche Individuen 
des Hymenopteron Stomoctea, war aber sehr erstaunt, als er 
aus der Puppe einer Tenthredo nichts als männliche Individuen 


desselben Hymenopteron erhielt”. 


1) Vergl.Germar’s Magazin der Entomologie. Jahrg. 1. 1813. pag.31. 
2) Vergl. Leon Dufour: Recherches a. a. O. pag. 528. Derselbe 
fügt zu der Beobachtung, von Diplolepis gallae tinctoriae nur Weibchen 


142 Schlussbemerkungen. 


Aus diesen fragmentarischen Mittheilungen wird man ein- 
sehen, welches weite Feld zur Erforschung der von höchst eigen- 
thümlichen Erscheinungen begleiteten Parthenogenesis noch 
offen steht; auf keinen Fall wird sich aber dieser in so vieles 
Dunkel gehüllte Theil der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere 
leicht und schnell aufhellen lassen, denn wasz. B. Psyche Helix 
betrifft, so muss sich der wissbegierige und nach den Männchen 
dieses Schmetterlings suchende Entomologe mit Geduld aus- 
rüsten, um hier zum Ziele zu gelangen, denn wenn hier, wie 
es wahrscheinlich ist, mehrere Generationen hindurch die Par- 
thenogenesis ihre Hand im Spiele hat, so würde man, da sich 
von diesem Schmetterlinge, dessen Männchen seit den letzten 
sieben Jahren vergeblich gesucht wurden, jährlich nur eine 
einzige Generation entwickelt, noch einige Jahre zu warten 
haben, bis endlich einmal eine männliche Generation zum Vor- 
schein kömmt und das mit diesem Schmetterlinge verwebte 
Räthsel enthüllt. 


erhalten zu haben, folgende interessante Bemerkung hinzu: ‚‚J’engage les 
entomologistes a nous faire connaitre lemäle decette espece, la plus grande 
de nos contre£es. Il serait bien curieux de constater si les oeufs qui ne pro- 
duisent que des mäles sont tous pondus dans une espece de galle, et ceux 
des femelles dans une autre. Je puis citer a ’appui de cette question un 
fait digne de remarque. En juin 1833 j’obtins, des galles de laserophylavre 
canine, produites par l’eulophus verbaset, un petit Hymenoptere du groupe 
des Cynipsaires, appartenant a un genre nouveau, que ses mandibules pec- 
tinees m’ont fait appeler provisoirement Stomoctea. Il en naquit au moins 
une cinquantaine d’individus, mais tous, sans exception, femelles. Enjuin 
1834, je ne fus peu surpris de voir Eclore d’une chrysalide de Tenthredo, 
placee dans un verre clos, une quarantaine d’individus de la m&me espece 
de Stomoctea, tous du sexe masculin. Que n’avons-nous pas A apprendre 
encore sur les Hyme£nopteres gallicoles et pupivores, soit quant & la d£ter- 
mination des especes, soit quant a leur genre de vie et aux merveilles de 
leur organisation viscerale.‘‘ 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


10, 


op 


Erklärung der Abbildungen. 


Raupen-Sack der Psyche Heli Sieb. von der Seite ge- 
sehen. Natürliche Grösse. b. Oeffnung, welche eine 
ausgeschlüpfte C’haleis zurückgelassen hat. 

Derselbe Sack mit der Raupe, a. Oeffnung, welche die 
Raupe bei dem Weiterbauen des Sackes jedesmal an die- 
ser Stelle zurücklässt. 

Derselbe Sack von oben gesehen, a. wie in der vorigen 
Figur. 

Ausgewachsene Raupe der Psyche Helix. Natürliche 
Grösse. 

Weibliche Puppe der Psyche Helix. Natürliche Grösse. 
Sack mit Raupe der Psyche Helix. ee a. wie in 
Fig. 2. 

Raupe der Psyche Heliv. Vergrössert. 

Madenförmiges Weibchen der Psyche Helix. Natürliche 
Grösse. ; 

Dasselbe vergrössert. Bei durchfallendem Lichte erschei- 
nen die Harngefässe unter dem Mikroskope nicht wie bei 
auffallendem Lichte weissgelb, sondern schwarz. c. Kopf- 
ende, d. Ein durch die Hautbedeckung hindurchschim- 
merndes Stück der Harngefässe. 

11, 12. Drei Figuren aus Reaumur’s M&moires etc. 
Tom. III. Pl. 15. Fig. 20—22 copirt, vergrösserte Säcke 
der Psyche Helix, welche Bazin in der Nähe der Hermi- 
tage d’Estampes an Sandsteinen gefunden. 


Chaleis nigra Kol. aus Psyche Helix. Natürliche Grösse. 


144 Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 14. Dasselbe Insekt vergrössert. 

Fig. 15. Raupen-Sack der Psyche Planorbis Sieb. von oben ge- 
sehen. Natürl. Grösse. a. Stelle, an welcher die Wand- 
ungen des Sackes fehlen, wie in Fig. 2. 

Fig. 16. Derselbe Sack von der Seite. 

Fig. 17. Derselbe Sack von unten gesehen. a. wie in Fig. 15. 

Fig. 18, 19. Sack der Helicopsyche Shuttleworthi Br. Natürliche 
Grösse. 

Fig. 20. Derselbe Sack von oben gesehen, vergrössert. 

Fig. 21. Derselbe von der Seite gesehen, vergrössert. 

Fig. 22. Derselbe von unten gesehen, vergrössert. 


Fig. 23, 24. Valvata arenifera, vergrössert und nach Lea copirt. 


Nachträgliche Bemerkung. Bei meiner jüngsten Anwe- 
senheit in Zürich sah ich in Bremi’s Sammlung auch die Gehäuse 
einer dritten grösseren Art von Helicopsyche, welche Bremi von 
Shuttleworth erhalten und Helicopsyche colombiensis genannt 
hat. Es stammen diese Gehäuse aus Puerto-Cabello; sie haben 
einen Querdurchmesser von 1°/,, Lin. und eine Höhe von 1%, Lin. 
rhl. und sind aus verhältnissmässig sehr groben rostbraunen Stein- 
chen angefertigt. In Bezug auf Helicopsyche Shuttleworthi ver- 
sicherte mich Bremi, dass die Gehäuse dieser Phryganide jetzt 
auch am Genfer See gefunden worden seien. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


ÄArsmann de. Hasenschiöer se. 


NOVELLA LETTERA 
pi 
CARLO DE SIEBOLD 
SULLA PARTENOGENESI DEL BOMBIX MORI Lw. 


all’Ingegnere signor ANTONIO CGURO 


L’ importanza della lettera dell’ illustre Siebold, pervenuta alla Pre- 
sidenza della Societü dopo T uscita della 2* dispensa del Bullettino, e la 
considerazione che la lettera stessa portata a conoscenza di tutti immedia- 
tamente, potrebbe mettere alcuno sulla via di ripetere le osservaziomi Coi 


- bivoltini dell’ anno, hanno persuaso i Compilatori a procurarne la stampa 


immediatamente ed a divulgarla. — I Compilatori medesimi e la Presidenza 
della Societü ringraziando frattanto Villustre autore, confidano ch’egli vorr& 
onorare la nostra raccolta, comunicando anco il seguito de’ swoi lavori. 


Onorevolissimo Signore, 


Dopoch& l’anno scorso, in data 15 marzo 1873, Ella mi di- 


 _ moströ la compiacenza straordinaria di spedirmi, dietro mio de- 


siderio, alcuni campioni di seme bivoltino da Lei con molta pena 
procuratosi da parecchi importatori di cartoni giapponesi, colla 
dichiarazione che « dovrebbe esser tutto bivoltino e originario 
giapponese », da quanto Le venne assicurato, stimo mio dovere 
di darle oggi una relazione piü dettagliata, come continuazione 
2ı/a '?N 


} 


BE, (nee | 


della mia prima lettera (1), intorno agli ulteriori favorevoli suc- 
cessi ottenuti, riservandomi di comunicare piü diffusamente altrove 
i risultati delle mie indagini sulla partenogenesi del Bomdbyx 
Mori dopo il compimento totale de’miei esperimenti. 

Ottenuti ch’io ebbi, da una grandissima quantitä di uova fe- 
condate della prima generazione di bivoltini, moltissimi bachi, i 
quali perö diedero farfalle solo al prineipio di ottobre, la maggior 
parte delle femmine di questa seconda generazione venne da me 
sotto severo riscontro costretta a deporre uova non fecondate; al 
quale scopo io tenni pronto per ogni singola farfalla femmina e 
vergine un foglietto di carta. In tal guisa potei far svernare 
molte centinaja di cartoline coperte di uova non fecondate. In mol- 
tissime di queste cartoline io osservai che in un buon numero delle 
uova non fecondate si manifestarono i noti cambiamenti di colore, 
precisamente come si notano nelle uova fecondate, colla sola dif- 
ferenza che questo processo di cambiamento di colore avvenne piü 
lento e piü irregolare che nelle uova fecondate. 

Il noto cambiamento di colore in grigio, il quale nelle uova 
fecondate si puö scorgere prima dell’inverno, non mancö nemmeno 
in moltissime delle uova non fecondate, denotando in ogni modo 
Y’incipiente sviluppo d’un embrione; il che si appalesö chiara- 
mente con ciö, che sopra una cartolina coperta dill9 uova non fe- 
condate, delle quali giä alla fine d’ottobre avevano ingrigiato 96, 
il 13 novembre 53 di queste uova grigie ebbero fornito altrettanti 
bacolini. Per una svista io avea dimenticato di levare questa 
cartolina ‚da una stanza riscaldata, per il che quei 53 bacolini, 
sotto l’influenza del calore artificiale, erano stati adescati ad uscire 
dall’uovo, trovando contemporaneamente la loro morte di fame. 

Allorch& verso la fine di aprile del corrente anno incomin- 
ciarono a sbocciar qua i bottoni dei gelsi all’aperto, mi lasciai 
indurre a levare dal loro quartiere d’inverno le mie cartoline 
coperte di uova non fecondate, e ad esporle ad un moderato ca- 


Vedi la prima lettera in questo Bullettino. Ann. V. 1874. Trimestre IV (1873), pag. 271. 


.—3— 


.lore di stanza. Conseguenza di questo influsso calorifico fu, che 
il 7 e 10 maggio uscivano su due cartoline dai loro guscii primi. 
bacolini partenogenetici. Questo sbucare di bacolini da me aspet- 
tati colla maggiore ansietä aumentö sulle due cartoline di giorno 
in giorno, di maniera che il 17 maggio io potei contare gia 164 
di tali bacolini sbucati sull’una cartolina e 38 sull’altra, e cosi 
accettare in educazione in tutto 202 bacolini partenogenetici. 

Come & ben naturale io impiegai la maggior premura e sol- 
lecitudine per questi a me si cari allievi, allorche verso ia metä 
di maggio subentrö pur troppo un cambiamento di tempo con- 
giunto a forti brine notturne, le quali distrussero tutti i giovani 
getti dei gelsi in tutta l’estensione dei contorni di Monaco, di 
modo che io fui costretto a mantenere la vita dei miei ancor tene- 
rissimi bacolini con foglie di lattuga. La conservazione di questi 
preziosi allievi mediante il mentovato surrogato non mi riusci che 
in parte: giornalmente andava io trovando con mio sommo di- 
spiacere fra i miei bacolini alcuni morti, cosi che, se questo in- 
suffiiciente metodo di mantenimento fosse durato piu a lungo, 
certamente tutta la generazione partenogenetica sarebbe a poco 
a poco totalmente perita. Ad ovviare questa perdita, per me 
cosi dolorosa, telegrafai a Lindau al Lago di Costanza, per sa- 
pere se in quel clima piü dolce i gelsi fossero stati preservati 
dalle brine. Saputo che ebbi, a mia consolazione, che i gelsi di 
cola non avevano sofferto, misi nella saccoccia del mio pastrano 
una scatoletta, nella quale avea posto l’intiera compagnia dei 
bacolini ancor piccolissimi, e con essa mi portai col vapore a Lin- 
dau, ove durante la settimana di Pentecoste potei dedicarmi senza 
disturbo alla cura dei miei bacolini partenogenetici. 

Giunto a Lindau il 25 maggio mi trovai in grado di poter 
somministrare ai bacolini, ridotti omai al numero di 180, il 
loro pasto naturale, e bentosto ebbi la gioja di vedere come loro 
piacessero le giovani foglie di gelso. Con questo nutrimento nor- 
male essi crebbero prestissimo con piccole perdite, e cosi io potei 
il 30 maggio ritornare con 116 bachi rinforzati a Monaco, dove 


an je 


frattanto i gelsi si erano riavuti ed aveano ottenuti novelli getti, 


in guisa che ivi pure potei continuare col nutrimento di foglia 
di gelso. Il 7 giugno molti di essi si trovarono, dopo superata la 


quarta muta, neli’ultimo stadio di larva, e 1’11 dello stesso mese 
incominciö in parecchi l’inclinazione al filare; d’allora in poi col 
pasto sostanzioso, ch’io poteva somministrare in abbondanza ai 
bachi ognor bramosi di nutrimento, la filatura si aumentö di modo, 
che il 24 potei numerare 91 baco filante o giä rinchiuso nel 
bozzolo. j 


Far! 
a. 
Es 


Una questione essenziale, che gia da bel prineipio di queste 


indagini mi si era affacciata, e la cui soluzione io m’ attendeva 
con grande premura, era quella: a che genere fossero per apparte- 
nere le farfalle, che si formerebbero da questa generazione parte- 
nogenetica. Egli € ben vero che gia osservatori precedenti (1) 
aveano riconosciuto nelle farfalle del Bombix Mori ottenute per 


via di partenogenesi, che non erano esclusivamente di genere 


maschile o femminile, cosi che io avrei potuto stare tranquillo ; 
ma mi turbava precisamente questa circostanza, che colle mie 
osservazioni di fenomeni partenogenetici fatte finora avea conse- 
guita la persuasione, che nei differenti ordini di Insetti e di 
Crostacei il genere negl’individui partenogenetici si differenzia 
secondo una legge determinata in maschile o femminile. Negli 
Imenotteri cioe, come Apidi, Vespidi, Tentredinidi sviluppansi 
sempre dai germi genitali giä esistenti nei primissimi stadj vitali 
delle larve solamente testicoli, mentre che nei Lepidotteri e nei 
Crostacei dai medesimi germi genitali, da principio non ancora 
differenziati, vanno formandosi a poco a poco ed esclusivamente 
ovari, ove le suddette larve provengano da uova non fecondate. 

Per conseguenza anche nel Bombis Mori ogni uovo rimasto 
infecondato, ove avesse a svilupparsi, dovrebbe fornire una far- 
falla femmina, il che perö, come io ho gia mentovato, non $i 


(1) Vedi i miei trattati: Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden, 1871, pag. 232. 
— Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen, 1856, pag. 133. 


— 5 — 

pote finora osservare, e di che io pure mi sono gia persuaso 
con tutta sicurezza. Giä da bel principio io utilizzai tutti quei 
bachi della mia generazione partenogenetica, che erano malaticei 
e minacciavano di morire, a sottoporli ancor vivi ad una sezione 
ed analisi microscopica, allluopo di procacciarmi un prospetto dello 
sviluppo e cambiamento delle due specie di germi genitali durante 
l’intiera vita larvale del Bombi& Mori; nel che fare io sezionai 
ed esaminai insieme di continuo, in confronto dei bachi di pari 
etä d’una generazione di filugelli provenienti da uova fecondate. 
E qui devo notare che mediante queste indagini microscopiche 
mi sono convinto che una sicura fissazione del futuro genere di 
un filügello durante lo stadio di bruco sia possibile allora soltanto 
che il baco ha superato la terza muta. In tal guisa mi riusci fino 
ad ogei di poter constatare con tutta precisione che di1S bachi 
partenogenetici, da me sottomessi ad un accurato esame microsco- 
pico, 5 appertenevano al genere maschile e gli altri 13 al genere 
femminile (1). 

A conclusione di questa mia lettera voglio ancora aggiungere, 
che nel percorrere le esperienze fatte e comunicate sullo stesso 
oggetto da Barthelemy (2) io mi sono convinto coi miei occhi 
della giustezza della maggior parte dei fenomeni osservati da lui nei 
 processi dello sviluppo partenogenetico dei Bormbiw Mori, una 
sola osservazione che il Sig. Barthelemy dice di aver fatto, io 
non la posso confermare, che cio& quelle farfalle vergini che pro- 
vengono da generazioni estive forniscono prole partenogenetica e@ 


(1) Quast’ osservazione da me fatta concorda perfettamente colle esperienze di Bar- 
thölemy, il quale in un articolo intitolato: Etudes et considerations generales sur la par- 
thenogeneses (confr. Annales des sciences naturelles. Zoologie. Vol. XII, 1859, pag. 311). 
si esprime intorno alle farfalle che si sviluppano da uova non fecondate del Bombyx 
Mori in questa guisa: « Quant aux individus qui en resultent, ils peuvent £tre indifie- 
remment de l'un ou de l’autre sexe, contrairement & ce qui se passe chez les Abeilles, 
oü les vierges ne produisent que mäles. Je n’ai m&me jamais constate une superiorite 
notable d’un des sexes sur l’autre. » 

(2) Confr. Barthölemy: luogo eitato pag. 311. « J’ai pu ainsi me convaincre que la 
parthenogenese existe pour le Bombyx Mori ec. ». 


—6 — Er EN 


precisamente ancora nello stesso anno, e che al’ incontro uova 


non fecondate che hanno svernato non producono prole n& da ge- 
nerazioni estive ne, da generazioni antunnali (1). Dalle osserva- 
zioni da me fatte e sopra comunicate intorno a quest’ ultima cir- 
costanza, Ella puö vedere che io ho ottenuto con fortuna parti- 
colare una prole partenogenetica dalle generazioni autunnali di 
quei bivoltini, coi quali per via della benigna di Lei mediazione 
ho potuto fare degli esperimenti. 

E qui devo ancora far osservare che onde persuadersi del- 
l’esistenza di prole partenogenetica non & sempre necessario di 
attendere l’uscita di bacolini da uova non fecondate: siccome 
le uova non fecondate de’Bombi® Mori, nelle quali si sviluppe- 
ranno bacolini, hanno da passare per lo stesso processo di cam- 
biamento di colore fino al grigio-plumbeo che le uova fecon- 
date, si puö esser sicuri che nelle uova non fecondate, subito 
che assumono il colore grigio-plumbeo, € gia molto avanzato lo 
sviluppo partenogenetico del contenuto dell’uovo e che in allora, 
rompendo i gusci delle uova, si puö levarne il giovine bacolino in 
perfetta formazione. Del resto secondo le mie esperienze moltissimi 


bacolini partenogenetici del Bombyx Mori non arrivano ad uscire 


dall’uovo, ma muojono, rasgiunto che hanno l’ultimo stadio di 
sviluppo, nell’interno dell’uovo, senza aver potuto romperne il gu- 
scio. Da che cosa sia prodotta questa morte prematura dei ba- 
colini non mi & finora del tutto chiaro. 


Di questo solo ho potuto pur troppo persuadermi nei molti 


sperimenti da me fatti e l’anno scorso e nel corrente sulla parte- 
nogenesi del Bombix Mori, che la maggior parte delle uova non 
fecondate divenute grigie sulle mie cartoline non ha corrisposto 
alle mie speranze, poiche i bacolini non sono usciti da queste uova, 
trovando ” .‚rö io in quasi tutte queste uova grigio-plumebee dei 


(1) Conf. Barthelemy: luogo citato, pag. 313, ove dice: « Enfin la generation d’au- 
tomne du Bombyx Mori, sur laquelle je me suis efforce dans ces dernires annees d’at- 


tirer l’attention, ne donne jamais d’oeufs parthenogenesiques ». 
3 J 


RE 1% 


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. Zu 7 N | 
bacolini completamente formati ma morti. Probabilmente il sum- 
mentovato cambiamento di tempo, a cui furono esposte nel pas- 
 sato maggio le mie uova, dalle quali io mi aspettavva prole par- 
tenogenetica, ha ucciso di freddo i bacolini preparati ad uscire dal 
guscio. \ 

Comunque sia, tale frequentissima interruzione dello sbucare di 
bacolini partenogenetici deve essere stato il motivo, pel quale molti 
osservatori furono indotti in errore, pensando di dover conchiu- 
dere solamente dalla seguita nascita dei bacolini la esistenza 
della partenogenesi, e dalla mancanza di questa nascita di baco- 
lini l’assenza della partogenosi. Per lo stesso motivo Ella pure, 
stimatissimo Signore, credette di aver ottenuto risultati negativi, 
allorche nelle di lei prove esaminö il Bombi& Mori partenogen- 
ticamente. | 

Temendo che questa lettera abbia colla sua lunghezza stan- 
. cato gia di troppo la di Lei pazienza, finirö assicurandola di tutta 
la mia stima ec. 

Monaco, li 26 giugno 1874. 


CARLO DE SIEBOLD. 


VI. 


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Estratto dal BULLETTINO 


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