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Full text of "Walther von der Vogelweide. Ein Dichterleben, mit zwei Abbildungen"

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(;$üt)rcnbc  (ßciftcr) 


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(Eine  Sammlung  von  Biograpljten 

.Begrnnbet  con  Dr.  2Inton  Bettell{etm 
£|crausgegebcn  oon  (Ernfi  ^ofmann 


(grflcr  3anb 


Berlin 

€rnft  ^ofmann  &  (£o. 

1910 


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ii^JraxiLiv*:l>fVoee^^  X  ■  ^  ^ 


f}crr  U)altl)er  von  öer  Dogelmeiöc 

ajimiatur  tcv  'IBcin^artmcr  Vic^cvlH•ln^fct)rift,  pag.  139,  in  tcr  fönii-(l.  offcittliclicn  "J^ibliotiwf  ju  atuttgnrt 


LG. 


alter 
von  bcr  Pogclipdbc 


(Ein  Pid?terleben 

I 


21nton  (ErBdjönbadj 


mit  3ipet  2(bbilbungen 


Dritte,  rerbcffcrte  2luflage 


Berlin 

€rn|i  ijofmann  6c  <£o. 

1910 


ttad^brucf  ocrboten 
Überfe^ungsred^t  üorbctjalten 


Dem  2lmtsgenoffen  unb  ^^eunbe 
in   banfbarer  Creue  3U9eeignet 


I 


Inhalt 

©ette 

»ortDort vn 

I.  3)as  ^Mittelalter 1 

n.  ^er  oolfstümli^e  SKinncfang  unb  Sleinmar      .    .    18 

m.  SBalters  ?Infänge 40 

rv.  öot)c  gjlinne 59 

V.  »ei  tönig  ^t)ilipp 81 

VI.  3n  3:^ütingen.    SBolfram  von  ^\^tnhaä)    ...  100 

vn.  ^m  2Bclfen()ofe 116 

Vm.  ^liebere  aJlinne.    9leibl)art 132 

IX.  Äaijer  8^ricbricf)  II 154 

X.  ®nomi[d)e  3)id)tung.    ^rreibanf 171 

XI.  SBatters  Religion 192 

Xn.  2)ie  legten  Älänge 208 

SBcigabe:    5lur3e    Überfidit    bcr    tDi[fenj(^aftllc^cn 

ßitcratur 222 

?lbbilbungcn: 
EBalter  nad)  ber  9Jliniatur  ber  SBcingortener  ßicbct» 

^onb[cf)rift litclbttb 

3)enfmal  in  iBo5cn 44 


Hus  dem  Vorwort  zur  erfien  Auflage 

Dtcfc  Schrift  ift  baju  befttmmt,  ein  fnappcs  unb  in 
\iä)  5ufammen5ängcnbcs  93ilb  oon  bcm  JÖcbcn  unb  ber 
T)i^tung  SBalters  pon  ber  SBogeltoeibe  ju  geben,  unb 
3tDar  gemä^  bem  heutigen  Staube  ber  u)i|[en[^aftlt(^en 
gor[(^ung.  3n5be[onbere  ijt  t)er[u^t  toorben,  bas  Sßefen 
unb  bic  gefc^i^tlic^e  SBebingt^eit  bes  Sängers  genauer 
ju  er!ennen.  ßu  biejem  Sel^ufe  ^abe  i^  bie  einft^Iägige 
fitteratur  Don  neuem  unb  sroar  bis  auf  hk  $Beröffent* 
lid^ungen  ber  jüng[ten  3^it  ^^i^ob  bur^gearbeitet.  gcmer 
ift  ^ier  aufgenommen,  loas  oon  ben  (Ergebmifen  meiner 
©efd^äftigung  mit  bem  Dichter  [eit  bem  S3eginn  meiner 
a!abemi[d^en  Jße^rtätigfeit  (1872)  mx  meiner  roieber^olten 
Prüfung  Staub  gel^alten  ^at.  —  Die  Di(^tungen  SBalters 
f)dbt  iä)  naä)  ber  ^lusgabe  oon  £a^mann  aitiert  (Q.), 
toeil  biefe  ujegen  i^res  ^Ipparates  oon  Lesarten  nod^ 
immer  als  grunblegenb  era^tet  roerbcn  mu^.  hingegen 
l^abe  i^  bie  seitli^e  Abfolge  ber  ßieber  unb  Sprühe 
im  ganzen,  hti  ja^lrei^en  ^usna^men  im  einjelnen,  fo 
aufgefaßt,  wk  bies  SBil^elm  2BiImanns  in  feiner  Ileinen 
3:eitausgabe  (1886)  getan  §at.  3^  mufe  bas  um  fo 
na^brüdlid^er  unb  banfbarer  ^ier  ausfpre^en,  je  roeniger 
iä)  fonft  in  oielen  unb  ujefentli^en  Dingen  \>k  ^nfi^ten 
biefes  um  SBalter  oerbienteften  gorft^ers  5U  teilen  ocr* 
mag  ... 

®ra3,   SBei^nad^ten   1889. 


Vorwort  zur  dritten  Huflage 

Diefes  Heine  f&uä)  toar  einem  weiteren  £efer!reife  ju* 
gebac^t,  bem  es  ein  Inappes  unb  in  fic^  jufammen^ängenbes 
93ilb  bes  JÖebens  unb  ber  Did^tung  SBalters  oon  ber 
S3ogelu)eibe  geu)ä^ren  follte,  unb  ätoar  gemaS  bem  l^eutigen 


Stanbe  bcr  iDiffcnf^aflli^en  gorf^ung.  Dicfcs  3^«!  (^cint 
einigermaßen  errei^t,  unb  bamit  toirb  mir  bie  33crpiltd)= 
tung  auferlegt,  bei  ber  neuen  Auflage  bas  3utDad)[enbe 
(Ergebnis  ber  Stubien  bem  2Ber!(^en  einjuDerleiben.  X>cr 
§aupl[a^e  na(^  [inb  es  bie  Hnterfuc^ungen  oon  5lonrab 
fSuxhaä),  in  benen  [ic^  ber  gortfc^ritt  befaßt,  unb  i^nen 
gerecht  3u  toerben,  ^ab^  iä)  mi(^  bemüht.  5Rur  baß  \d)  über 
lei[e  SBeränberungen  unb  häufigere  (£in[^altungen  ni^t 
hinausgehen  tonnte,  ol^ne  bas  ©efüge  bes  SSuc^es  ju  äer= 
ftören.  Hnb  no^  in  einem  anbercn  fünfte  l^abe  xä)  bie[e 
S(^rift  umgeftaltet:  bie  freien  Übertragungen  oon  (5e= 
bieten  2BaIters  bur^  (Ebuarb  Sam^aber  [inb  fortgefallen 
unb  an  i^re  Stelle  finb  meine  Überlegungen  getreten. 
Damit  roirb  ein  2Bun[{^  erfüllt,  ben  gricbric^  3örn(fe 
[(^on  3ur  erften  5luflage  ausgefproc^en  l^atte.  9lun  i[t  bie 
Umformung  mittel^o^beutj^er  ^oe[ie  3U  neu]^o^beut[^er, 
beren  Sprad^ftanb  um  700  ^a^xe  oon  ber  ur[prüngli^en 
©eftalt  fic^  entfernt,  mit  eigenartigen  Sc^roierigfeiten  Der* 
tnüpft,  bie  einmal  für  ]\6)  betrachtet  toerben  follen  unb 
bie  i(^  f(^tDerIi(^  alle  roerbe  überrounben  ^aben.  Gs  ^at 
mx6)  babei  ber  ©efic^tspunft  geleitet,  ha^  bort,  wo  meine 
Sprac^mittel  ni(^t  ausreichten,  eine  formale  SBe[onberI)eit, 
etroa  eine  §ebung  me^r  ober  roeniger  ober  ein  genaues 
5?eimbanb  baran  gegeben,  jebod^  bem  Sinne  bes  Dieters 
bie  3^reue  betoa^rt  tourbe.  Denn  mistiger  als  alle  )on= 
[tigen  $Hü(f[i^ten  mußte  ber  2Bun(^  bleiben,  baß  bie 
iefer,  fo  gut  es  ging,  bem  alten  Dichter  fclb[t  in  fein 
tiefes,  glänsenbes  ^ugc  bilden  fönnen.  Daran  lag  au^ 
meine  greube  bei  ber  Arbeit,  bie  [olc^ermaßen  er|t  je^t 
oöllig  mein  (Eigen  geroorben  i[t. 

(5ra3,  Dftcrn   1909. 

flnton  6.  Sdiönbadi. 


I. 
Das  mittelalter 

2Btr  nannten  bas  neun3e:^ntc  ^a^r^junbert  mit  $Bor= 
liebe  ein  3eitalter  ber  2Bi!fenf(I}aft  unb  toaren  fe^r  [tolj 
auf  bie  (£rgeBni[fe  unferer  gorfc^ungen.  i^aum  gibt  es  nc(^ 
ein  $inberni5,  [o  gro^,  bafe  toir  nii^t  meinten,  es  über^ 
löinben  gu  fönnen ;  ein  SHät[eI,  fo  biinfel  unb  f^toierig,  ha^ 
mix  ni^t  löenigftens  [eine  fiöfung  oom  gortfd)ritt  unferer 
Stubicn  in  ber  3ufunft  erl^offten.  Diefes  Selbftgefül^I, 
ujomit  iDir  hk  mobernen  Grrungenfi^aften  bes  SBiffens 
im  großen  unb  ganjen  überbliden,  inbem  toir  fie  frcubig 
mit  ber  geringeren  i^enntnis  ber  nä(f;[tporf|ergegan(^enen 
(Sefd^le^ter  oerglei^cn,  es  erfahrt  eine  [onberbare  2Bonb^ 
lung  5U  Sef^eibenl^eit  unb  Demut,  fobalb  roir  an  einjelne 
gragen  eines  einjelnen  gorirfiungsgroeiges  genau  5eran= 
treten  unb  uns  erfunbigen,  intoietoeit  tcir  l^ier  über 
eine  too^Igegrünbete  unb  5UoerlQ[Sige  5lnf(f,auung  ber  %aU 
[a^en  gebieten,  gröbere  unb  feinere  3iiiommen^änge  ber 
Dinge  3U  beuten  oermögen.  Da  seigt  \\^  alsbalb,  wo 
überall  es  uns  gebri(^t,  roel^e  XluüoIIfommen^siten  un[erem 
2Bi[[en  anl^aften,  roie  öiele  ^^ut  ai^tungsöoll  anerfannte 
XReinungen  nur  als  bürftige  ©eroebe  gli^ember  Rombina* 
tionen  über  ben  Sachen  [c^raeben,  feiten  3ur  gcftigfeit 
]iä)  oerbi^tenb,  l^äufiger  ins  5Ri^ts  serflatternb. 


(£s  mufe  uns  3um  Sct[picl  \>oä)  bcfc^ämen,  rocnn  loir 
ftnben,  bofe  tcir  über  bic  ^luffaffung  ber  größten  unb  roi^* 
ttgftcn  5lbf(5nittc  im  Qehtn  unjcrcs  eigenen  Söolfes  no^ 
nic^t  3ur  ^^larl^ett  bur^gebrungen  finb.  2Bic  je^t  im  S)er- 
^ältnis  3ur  frü^cften  ^ox^dt  unb  toieber  3ur  ©egenroart 
jene  (Spotte  beutf^en  fiebens  cerftanben  tcetben  foll,  bie  roir 
uns  geioö^^nt  ^öben,  bas  „TOttelalter"  3U  nennen,  baruber 
[(^toanfen  no(^  immer  bie  5ln[i^ten.  Xlnb  [ie  [(^roanfen 
ni(§t  roeniger  als  etroa  oor  brei  ©enerationen,  am  (£nbc 
bes  a(3^t3e5nten  ^ö^r^unberts,  3U  einer  ßtii,  beren  finbli^e 
HniDiffen^eit,  roas  unb  xoic  ^i[torif(^  3U  erforfc^en  ift,  uns 
in  i^ren  ©ef^i^tstüerfen  fo  belät^elnsroert  ft^int.  Sis 
herauf  3U  SBindelmanns  S^reibübungen  für  ben  ©rafen 
t>on  Sünau,  bis  3U  Jße[fings  (Ertnerfung  bcr  Rritif,  bis  3U 
Serbers  5lnfangen  unb  ©oet^es  3^genb,  ^atte  bas  SO^ittel* 
alter  als  eine  gunbgrube  für  bie  Si[torie  ber  üerfteinerten 
5Rei^soerfay[ung,  für  bie  fiufubrationen  gelehrter  3uri|ten 
\iä)  einer  getüi[[en  freuen  ?l(^tung  erfreut.  Dann  ent[tanb 
im  9taume  toeniger  ^^^tse^nte  eine  leb^fte  SBcroegung 
in  ben  ^Injic^tcn  barüber,  Sto^  unb  ©egen[tofe  !reu3tcn  ]\6) 
l^eftig,  aus  bicfen  Äämpfen  errou^s  bie  beutf(^e  ^^ilologie 
unb  bie  beutfc^e  ©ef^i(§tstDi[fenf(^aft.  Diefer  fru(^tbare 
©egenfafe  toirb  fofort  oerftönblic^,  roenn  man  bie  beiben 
©ruppen  oon  St^riftftellem,  wtlä)t  t^n  ^auptfa(^Ii(^  aus= 
matten,  mit  i^ren  Schlagwörtern  nennt:  9^ationaliften 
unb  5Romantifer.  Die  „^ufflärun^^'  i[t  bie  ftärf[te  geiftigc 
Strömung  nac^  ber  ^Deformation,  3n  granfrei(^  am 
frü^eften  fi^  entfaltenb,  traf  (ie  Deutft^lanb  rool^I  Dorbe» 
reitet  unb  fefete  alsbalb  3:aufenbe  fpi^er  Jeb^m  in  Arbeit. 
3^re  aufeerorbentlit^e  SBi^tigfeit,  bie  reiben  unb  für 
Sa^r^unb^rte  fortu)ir!enben  (Srgebniffe  il^rer  Seftrebungen 
—  auä)  Ranis  ^^ilofopl^ie  gehört  barunter  —  roirb 
niemanb  unterf^afeen,  bcr  geft^id^tli^  benfen  gelernt  l^at; 


cBcnfo  roal^r  tft  es  jcbo^,  bafe  btc  Säuberung  oon  ^ber* 
glauben  unb  SBorurtcilen  balb  in  eine  fa^Ie,  nü^tcme  unb 
unergiebige  5luffaffung  bes  Jßebens  um[^Iug.  SclbjtDer* 
ftänbli(^  toar  ben  3lufflärem  bas  äWittelalter,  Don  bem 
[te  roenig  rougten,  ein*(5reuel:  es  toar  ber  tiefe,  büftere 
5lbgrunb,  in  bem  [i(^  bie  5biltur  bes  fla[fif^en  Altertums 
\yt\  i^rem  Sturse"  Begroben  ^atte,  unb  aus  bem  \At 
3Ken[d^]^eit  nur  mü^fam  toieber  3um  £i^te  emporflomm. 
,;aJlittelaIterii(5"  unb  „albern,  untoiffenb,  bef(^ränft",  bas 
[inb  für  ben  Spra^gebrauc^  ber  5lufflorung  ibenti[(^c 
SBortc :  toenngleii^  irgenbeine  ^^or^eit  gan5  jung  unb  neu 
roar,  [ie  rourbe  als  „mittelalterli^"  abge[tempelt  unb  v\ 
ber  9taritätenfammer  bes  5lberu)i^es  im  „äRittcIalter"  auf* 
Betoa^rt.  Der  SRüdf(^Iag  fam  Don  ber  3u  flaffif^er  SBIüte 
auf[teigenben  beulf^en  Dichtung.  Sie  tourbe  (o  üBermä(^* 
tig,  baß  bie  9tomanttfer  erft  im  £eBen  t\t  ^oefte  Juchten, 
bann  bas  £eBen  5ur  ^oe[ie  5U  geftalten  unternahmen,  unb 
ba  bies  in  ber  eigenen  bürftigen  unb  brangoollen  ^t\\  nt^t 
iDo^l  anging,  bas  ferne  3o3ieIi(^t  bes  SRittelalters  für  bie 
(Epoche  ber  Dichtung  im  engften  2ßort[inn  erflärten.  Sei 
bem  5QlonbgIan3e  ber  S^mbernat^t,  bie  nun  ^eraufbe* 
|(^iooren  tourbe,  ftredten  fi^  bie  ritterlichen  $elben  über 
bas  menfd^Ii^e  SKafe  ^i^ous,  quirlte  ein  Buntes  ©eroimmel 
aBerteuerlit^cr  giguren  burc^einanber,  oerlor  bas  5luge 
bie  ^llar^eit  bes  Urteiles,  ^örte  bas  O^r  m  ben  flapprigen 
SBerfen  ber  93^eifterfänger  "tAt  fü6e[ten  SRelobien.  Diefe 
2^röumereien  [te^en  oon  ber  SBal^ri^eit  genau  fo  xsmi  ob 
u)ie  bie  Hbgefc^marft^eiten  bes  5luffläri^ts,  bo(^  ^at  bie 
romantif^e  SBegeifterung  für  bas  beutfc^e  TOertum  aus* 
gebauert  unb  ben  roi[fenf(^aftIi(^en  ^Betrieb  ber  altbeutfc^en 
Stubien  als  \At  \it\\t  unb  rüi^mensmertefte  i^rer  Spuren 
}urüdgelaf[en.  ga[t  feine  5Rad^foIgcr  i^at  jebo^  ber  äRann 
gefunben,  ber  es  ujaBrenb  bes  ac^tje^ntcn  Sa^rl^unberts 


im  SBer[tänbnt5  mittelalterlicher  Dinge  am  i»eite[ten  ge= 
bracht  'i)aiU,  Kultus  äJlöfer.  (£r  ging  oon  feiner  5lrbeit  über 
osnabrüdif^e  3iif^önbe  aus,  In  benen  eine  ^äf)t  Überliefe* 
rung  fi^  lang  erhalten  ^atte,  unb  erfaßte  auf  biefer  (i(^eren 
(Srunblage  has  altbeut[^e  2Befen  in  feinem  i^erne.  äRöfers 
trefflid^e  S^riften,  in  lebensooller  berber  Sprat^c,  toerben 
je^t  feiten  nac^  ©ebü^r  getöürbigt,  feltener  gelcfen. 

^Tu^  bem  mobemen  Urteil  über  ha^  SDlittelalter  fe^It 
CS  burc^aus  an  illärung.  SBas  töir  bauon  im  33erfe]^r 
ber  gebilbeten  9[Raffen  I)eutf^tanbs  beoba^ten  fönnen, 
lel^rt  uns,  bafe,  toenn  bie  Hnfid^erl^eit  ber  5ln[i(^ten,  ob  bas 
SO^ittelalter  3U  loben  ober  gu  fc^elten  fei,  \iä)  naä)  einer 
Seite  neigt,  folc^es  getoi^  na^  ber  ungünftigen  §in  ge* 
fi^iel^t.  (£s  ift  ganj  ri^tig  gefagt,  toas  neulid^  ein  ga^ 
genoffe  f(f)rieb :  „Das  Sülittelalter  ift  b^m  großen  ^ublifum 
ber  ©ebilbeten,  u)enn  mi^  nid^t  alles  täufd^t,  no(^  immer 
bie  finftcre  3^^^  ^^s  gauftred^tes,  ber  geubalgeroalt,  ber 
5^e^ergeri(^te  unb  neuerbings  ber  3ubenoerfolgungen. 
2Beiter  pflegt  man  im  allgemeinen  to^nig  oon  i^m  3U 
KJiffen:"  Sat  es  bo^  oor  etlichen  3<i5i^^  ^i^  SHeftor  ber 
erften  beutft^en  Xtnioerfität  über  fi^  gebrad^t,  in  feierlicher 
5?ebe  5U  behaupten,  bas  ^riftlic^e  SJlittelalter  fei  „bie  3stt 
tiefer  (Erniebrigung  ber  SRenfd^^eit".  (£s  f(^eint  bem  beut* 
fd^en  $immel  aufbehalten,  fol(^e  5lusfprü^e,  folt^e  grüßte 
einer  reit^en  ©eiftestätigfeit  unb  metl)obifd^er  gorfc^ung, 
oerbunben  mit  einer  ebenfo  erftaunli^en  93orniert]^eit,  5U 
jeüigen ;  rounberlic^ertoeife  gebci^en  ftc  5umeift  im  Qä)aiUn 
ber  afabemif^en  fallen.  3lls  eines  ber  3^^«^^^  biefer  95er* 
urteilung  bes  äl^ittelalters  roirb  man  es  rool^l  anfeilen 
bürfen,  roenn  jüngft  bie  S^ibelungen  aus  ben  llRittelfc^ulen 
oertrieben  unb  unfere  5tnabcn  babur^  gejroungen  lourben, 
bie  SD^ciftenoerfe  altbeutfcf)er  Di^tung  in  5lus3ügen  ober 
Übcrfe^ungen  fennen  3U  lernen.  3®ör  barf  man  geroifelic^ 


¥ 


l^offcn,  bafe  btc  Shinbe,  mit  bcr  btc[e  SScrtDlrrung  ber 
©eiftcr  cnbigt;  fc^on  Qz\d)lagen  ^ai,  aber  es  mar  fränfenb 
genug,  bie  flägli^e  (gpifobe  3U  einer  Süt  bur^Ieben  ju 
mü[[en,  xdo  naä)  langer  3^rübfal  enbli(^  l^elle  unb  rul^moolle 
3:age   für   Deut[(^Ianb   ^^raufgesogen   finb. 

2ßel(5en  i^räften  barf  man  bie[e  £aunen  ber  ©egen* 
tuart  3uf$reiben?  Die  5lufflärung  i[t  nergangen,  aber  [ie 
iDirft  hoä)  no(^  fort:  [0  einfluferet^e  unb  im  35oI!  ange= 
[eigene  Sü^er  tüie  9?otte(f5  2BeItge[(^i(^tc  fte^en  für  i^re 
(5runb[ä^e  ein  unb  empfehlen  fic^  bur^  Eingriffe  auf  bas 
abergläubi[(^e  TOttelalter.  Ginseine  gorft^er  jtrebcn  [elbft 
in  ben  germani[tifcf)en  Stubien  bana^,  bas  geijtige  SBer= 
mögen  b^r  Deutfc^n  alter  3^^^  tunli^[t  ntebrig  einsu* 
f(^aöcn,  iDie  es  ju  i^rer  SBorfteÜung  oon  ber  ^Barbarei  biefer 
Gpo^e  [i^  \ä)idt.  Dabei  l^ilft  ein  anberes:  fe^r  oiele 
beutf^e  ^rote[tanten  mit  Durt^fc^mttsbilbung,  überjeugt 
pon  ber  geiftigen  3nferiorität  i^rer  fat^olif^en  3^^^= 
genoffen,  fönnen  fid^  biefe,  fofem  fie  gläubig  finb,  nur 
als  Dummföpfe  porftellen  ober  als  une^rlic^e  Scuc^Ier, 
oerfappte  greibenfer  unb  5lt]^eiften.  Das  beeinflußt  bann 
au^  i^re  ^nfi^t  oon  einer  3^it  ^^^  ^^^  ^^^  5^tr(^enfpal* 
tung  liegt:  bas  StRittelalter  entbehrte  bes  ^roteftantis=« 
mus,  es  !ann  ni^t  anbers  benn  ftumpffinnig  unb  blöbe  ge= 
loefen  fein.  Daß  ferner  ber  an  \xä)  ja  gar  nic^t  \)oä)  genug 
anäuf^Iagenbe  ^uff(^n)ung  ber  naturroiffenf^aftli^n  unb 
ted^nifd^en  Stubien  bas  gef^i(^tli^e  ^i^t^^^ff^  11^^  ^^ 
fonbers  bas  am  TOttelalter  ^aftenbe  f^roa^t,  gibt  ein 
ungünftiges  $üloment  me^r.  So  mäßigt  fi^  allgema^  unfer 
erftes  (Erftaunen  über  hu  2Rißa^tung  bes  altbeutf^en 
SBefens  in  ber  ©egenroart.  Unb  hahti  l^aben  rotr  no^  ni^t 
in  ^tixaä)t  gesogen,  to^Ic^e  §inberniffe  fi^  einer  gereiften 
§iftorif(^en  (Erfenntnis  bes  SJlittelalters  in  biefem  f elbft 
cntgegenftellcn. 


3!t  es  hmn  whfixä)  \o  fd^toterig,  bie  SBergangcn^cit 
bcs  eigenen  SSolfes  5u  üerftel^en?  äRtt  allem  Sebac^t  unb 
allem  9fla(^brud  mng  auf  biefe  grage  „3o"  geantxDortet 
merben.  —  2Ber  forgfältig  eriDägt,  tote  es  mit  ben  ©rünben 
für  feine  Hrteile  über  S0len[(^en  im  i^rei[e  feiner  perfön* 
liefen  (Erfahrung  fid^  rer^ält,  roirb  beftätigen  fönnen,  ba^ 
es  f(^on  §ier  oft  ungemein  fi^toer  roirb,  ri^tig  5U  feigen. 
50lan  überlege  nur :  roie  roenige  Söorgänge  t>on  $Bebeutung 
im  £eben  ber  ©efellft^aft  finb  felbft  ben  äRenf^en,  loel^c 
il^nen  gans  nal^e  geftanben  l^aben,  in  il^rer  23er!nüpfung  unb 
i^ren  SJlotioen  erfd^öpfenb  befannt,  fo  bafe  ein  juDerläffiges 
IBilb  baoon  gegeben,  hk  (S^l^araftere  in  i^rer  (gigenl^eit 
begriffen,  ber  5lnteil  oon  SRe^t  unb  Unre^t  bem  etnjelnen 
beftimmt  jugcmeffen  werben  fann !  (£s  lägt  fi^  fül)nli^  be» 
Raupten,  ba^  2:ag  für  3^ag  tint  ungel^eure  93?affe  von 
ungere^ten  ^Beurteilungen  ber  3)?enf(^en  untereinanber 
]iä)  anl^Quft;  gan5  abgefe^en  oon  ber  Unbill,  bie  f(§on  in  ber 
SBerfc^ieben^eit  ber  fittli^en  SHafeftabe  ber  S^^^oibuen  be* 
grünbet  liegt.  Der  Xrieb  3ur  Xatigfeit,  bie  (Energie  bes 
£ebens,  würbe  htn  meiften  erlahmen,  loenn  fte  fid^  biefe 
il^re  £age  Dollfommen  flarma^ten;  glürflid^ertoeife  ge« 
fd^iel^t  bas  nur  anwerft  feiten,  gemeinl^in  fjil^i  man  fi^, 
inbem  man  nur  hu  großen  Sauptergebniffe  im  5luge  be* 
l^ält.  3nimer]^in  ift  es  ein  sroeifel^after  Xroft  ju  loiffcn, 
bafe  ]xä)  bie  Sel^ler  bes  Hrteiles,  bie  jeber  für  \xä)  begebt, 
hti  allen  miteinanber  loieber  ausgleiten,  freili^  o^nc 
barum  beri^tigt  5U  ujerben.  (Bntjie^t  fit^  fo  in  ber  lebenben 
Cöegenroart,  bei  unfern  oerfeinerten  SlRet^oben  pfr)(^ologi* 
f(^er  ^Beobachtung,  htx  bem  für  bie  fleinften  ßinbrücfe 
empfänglichen  ©emüte  mobemer  SJlenf^cn  im  $in=  unb 
Sßiberfpiel  bes  gefelligen  SBcrfe^res,  entgleist  fit^  bann  no^ 
bie  SBal^rl^eit  i^äufig  unferem  fBM,  fo  roirb  man  bemeffcn, 
roel^  l^arte  Aufgabe  f^on  bem  £iterar^iftorifer  5uteil  toirb, 


n>enn  er  2B€[cn  unb  (Eigenart  eines  mobemen  Dieters  aus 
ben  überlieferten  3eugni[fen  enttoerfen  foll.  3wax  \U\)t 
i^m  je^t  mei[ten5  tin  ausgebel^ntes  2RateriaI  ju  (Sebote, 
aber  roie  oft  trügt  es,  niie  [^illem  bie  Stimmungen  ber 
^lufjei^nenben,  ober  tut  [i^  gcrabe  bort  eine  Jßüde  auf,  loo 
ber  ^ei!el[te  ^unft  ber  ganzen  SBertnotung  liegt!  SBel^e 
Unfumme  oon  (Einflüffen  auf  einen  SJlenfd^en  unjeres  3cit= 
alters  i[t  ju  anali)[ieren,  roie  forgjam  muffen  hk  ©egen= 
iDirfungcn  in  ber  Seele  bes  Dieters  ober  Staatsmannes 
beregnet  toerben,  ber  ben  ©egenftanb  ber  gorf^ung  bilbet ! 
So  fte^t  es  bemna(^  mit  ben  pfri^ologif^en  i^onftruftionen 
im  gellen  Sd^eine  unferer  3^^^,  hd  ber  Überfülle  oon 
Quellen  unb  äTlitteilungen  aller  ^rt.  Unb  nun  [(^retten  mir 
5urüd  in  bie  oergangenen  Sal^rl^unberte  unferes  5Bol!es, 
aus  ber  blenbenben  £i(^tflut,  toelc^e  bas  moberne  £eben 
umroallt,  in  bie  fü^le  Dämmerung  bes  SKittelalters :  nur 
langfam  finbet  fi^  unfer  ?luge  in  bem  roeiten  oerlaffenen 
Sau  3urec^t. 

(Einesteils  f^einen  ja  bie  ^Probleme  mittelalterlichen 
!Dafeins  fo  oiel  einfacher,  mithin  too^l  au^  lei^ter  5U  löfen, 
aber  bas  fc^ehtt  nur  fo.  Der  (Seioinn,  ben  es  ber  gorf^ung 
bringen  fann,  roenn  hk  9^ac^ri(^ten  uns  [o  fparfam  5U» 
fommen,  bafe  mx  ben  Kombinationen  oiel  5Raum  oerftatten 
muffen,  toirb  me^r  als  aufgeioogen  babur^,  ba^  eben 
biefe  iiombinationen  ber  tatfat^lic^en  (Srunblagen  5U  fel^r 
entbel^ren  unb  ju  fe^r  eine  fubjeftioe  5Berbinbung  oon  SBor* 
gangen  barftellen,  Ut  uns  nur  als  oereinjelte  überliefert 
finb.  (£s  förbert  roenig,  roenn  wir  glauben,  bie  (£^arafterc 
bes  S0littelalters  liegen  fic^  leicht  oerfte^en,  fie  Baubeiten 
na^  bcrben,  greifbaren  ©runbfd^en,  bie  Parallelogramme 
il^rer  geiftigen  i^räfte  beftünb^n  roirflid^  nur  aus  ben 
fimplen  £inien,  ni^t  toie  beim  mobemen  SKenfc^en  aus  ben 
^Refultanten  jal^tlofcr  ilomponenten.    Das  alles  glaubt 


man  eben  nur,  ertoeifen  lö^t  [id^  üiel  el^er  bas  unbequeme 
©egenteti:  bie  ret^  ausgeprägten  3nbiotbuaIitäten,  u)el(^e 
uns  in  ben  oltbeutfdien  X)t^tem,  (gelehrten,  insbefonberc 
aber  tn  ben  ^olitifern,  gürften  unb  Sif(^öfen  entgegen* 
treten,  tonnen  nid)t  aus  einer  SQlafie  glet^förmig  Deran= 
lagter  Beute  aufgeftiegen  fein,  i^re  ©ii[ten3  fe^t  einen  ganj 
äl^nlid^en  ©rab  ber  3nbiDibuali[terung  üon  (gaben  unb 
(S^l^arafteren  Doraus,  töie  bie  9^eu5eit  x^s^xi  für  fic^  bean* 
Ipruc^t.  9hir  unjere  9J2itteI,  va  ben  entfernt  t)er[(^D3tmmen= 
ben  Sd^aren  \At  (£in3elart  gu  erfennen,  finb  [e^r  unuoll* 
!ommen,  bes^alb  cermögen  toir  uns  bas  Seelenleben  ber 
SKenf^en  jener  ^o^^^unberte  \^xati  begreifli^  5U  ma^en. 

2Bir  begel^en  [omit  in  unfern  üerallgemeinernben  Se* 
l^auptungen  über  bas  S[RitteIaIter  ebenbenfelben  gel^Ier, 
u)el^er  in  ber  mobernen  $RaturiDiffenf^aft  ^eimif(^  ift,  o^ne 
büfe  babur^  bas  ^nfe^en  i^rer  (Ergebniffe  gefd^äbigt  roürbe : 
[ie  fe^t  in  i^ren  Xlnterfuc^ungen  bas  3^bioibuum  fc^Ie^t* 
toeg  für  bie  gan3e  5llaffe,  ber  es  angeprt,  einen  grof^, 
ein  5^anin^en  für  alle  gröf d^e,  alle  Äantn(^n ;  i^r  oertritt 
bas  (£3eperiment  unter  ben  Umftänben  a  b  c  fämtli^e  (£x= 

perimente   unter   ben   Umftänben   a^   b^   c^ 

a^  b^  c'^,  fie  oerroanbelt  alfo  bas  9la(5einanber  ber  einseinen 
©efc^öpfe  unb  SBorgänge  in  ein  S^ebeneinanbcr.  OTes  bas, 
roeil  aud^  bort  bie  SQlittel  nid^t  3urei(^en,  um  bie  3^bi= 
Dibualifierung  fo  roeit  3U  fül^ren,  als  bie  Statur  es  oer* 
langen  niürbe.  ^t\^t\i  uns  l^eute  bie  gerii^tlid^en  gingerab* 
brüdEe,  bie  Sertiltonage,  ber  ^Ibcrnüerlauf  über  ben  Sanb« 
rüden,  bafe  ni^t  jroei  äFlenfd^en,  feit  roir  bie  2BeIt  fennen, 
in  i^rer  äußeren  (Snttoidlung  uolüommen  übereinftimmen 
—  n)ie  mag  es  erft  mit  ber  inneren  fte^n? 

9^ur  bie  Söertiefung  unferer  gef^id^tli^en  Stubien 
fann  biefen  $0längeln  in  etroas  abhelfen.  X)a  loir  auf 
bie  (Eröffnung  neuer  Quellen  ni^t  me^r  oiel  ^offen  bürfen, 


fo  lofet  uns  allein  btc  gcnaueftc  Sc^anblung  bcr  über* 
lieferten  3^ii9"i[f^  ^^'^  oorncl^mlic^  bas  forgfame  (Ertoägen 
aller  oerfc^tebenen  ^rten  von  äHitteilungen  eine  (£rn)eite* 
mng  un[ercr  5lenntnis  no^  ertoarten.  ^n  man^em  fann 
ber  heutige  93etrieb  ber  2Btf[en[(^aften,  'Oh  ]i^  auf  bas 
SKittelalter  begießen,  üerbe[fert  roerbtn.  IXnfere  $iftorifer, 
[oroeit  [te  nic^t  überhaupt  in  ben  $ilfsu)iffenf^aften  \hdtn 
bleiben,  entfi^Iagen  fi^  5U  lei(^t  bes  Stubiums  ber  poeti* 
l^en,  religiöfen  unb  gelehrten  Literatur,  überbies  „fönnen 
[ie  mä)t  altbeutfd^",  roie  ber  t>er[torbene  SKülIenl^off  3U 
[agen  pflegte,  roas  um  nichts  toemger  [onberbar  ift,  als 
toenn  ein  gorf^er  in  Qxkä)x\ä)tx  ©e[^i^te  (5rie^if(^  ni^t 
Der[tünbe.  XIn[ere  ^l^ilologen  ^inroieber,  bie  (5ermani[ten 
im  engeren  Sinne,  befümmem  ]\ä)  üiel  ju  rnenig  um  ben 
^iftorif^en  $intergrunb  ber  Denfmäler,  um  beren  5Be* 
jie^ung  ju  bem  gefamten  Lebensinhalt  ber  3^^^-  ^^t« 
roenbig  leibet  barunter  bas  na^fü^Ienbe  SBerftänbnis.  3^ 
röill  nur  barauf  ^inroeifen,  toelc^e  ^uff^tüffe  über  bie 
Arbeit  mittelalterlicher  SRenfd^en  bie  Stubien  in  ber  SBoIfs* 
TDirtf^aft  biefer  S^l^r^unberte  geroal^ren,  roie  fie  5.  S.  in 
ben  2Berfen  üon  ^nama'SUxmQQ,  ßamprei^t,  Sucher, 
Hlri^  Stu^  u.  a.  oorgelegt  roerben.  (£rft  [ie  mac^n  bie 
oerlebenbigenbe  ^Infd^^^^^Ö  möglich,  laffen  hinter  ben  toten 
2Borten  bie  ringenbcn  SJienf^en  erfennen  unb  fd^ü^en  uns 
Dor  einer  oer[tanbesma6ig  re^nenbcn  ^e^anblung  ber 
Dinge,  ber  toir  am  Sc^reibtif^e  nur  5U  lei^t  ü^rfallen. 
Gs  ^at  5um  ©lürf  immer  gorfc^er  gegeben,  roelt^e  auf  bie 
Beobachtung  bes  3^Iö^^^"5tt^9^5  aller  £ebensäu6erun* 
gen  brangen  unb  fi^  ein  großartig  energi[(^es  ^Tuffaffen 
ber  (Entroirflung  unferes  SBoIfes  erarbeiteten,  fie  feien 
uns  Ieu(^tenbe  SBorbilber.  3<^  ^oill  nur  jroei  t)on  i^nen 
nennen:  5larl  äRüIIen^off,  ben  S($öpfer  ber  beutf^en 
^Itertumsfunbe,  unb  i^arl  SBil^elm  5Ri^f^,  ber  tiefer  als 

®ät6nf>adi,  Sßattec  bon  ber  SSogeltoetbe.  2 


10 


bisl^cr  ein  anbcrer  bas  gcfc^ic^tlii^  £cbcn  bcs  3P^itteI= 
alters  begriffen  unb  öon  ben  „Staufi[$en  Stubien"  bis 
3ur  „©e[^i^te  bes  beutfc^en  SBolfes"  mei[terli^  bargelegt 
^at.  (3o  roie  bie[e  bürfen  an^  toir  uns  ni^t  mit  ber 
unentbe^rll^en  5e[t[tenung  äußerer  Xat[a^en  begnügen. 
SO^ag  es  bentft^en  gorf^ern  einesteils  f^roerer  fallen,  bas 
gei[tige  2Be[en;  bie  2Beltanf(^auung  bes  beutf^en  SJlittel* 
alters,  objeftio  3U  erfa[fen  unb  ber  Überlieferung  ab5u= 
ringen,  meil  bas  ©efü^l  ber  ©emeinfamfeit  mit  jenen 
SKenfc^en  unb  Suftänben  l^ie  unb  ba  bas  Urteil  ab[tumpft, 
[0  roirb  es  i^nen  bod^  au^  roieberum  lei^ter,  benn  fie 
bringen  in  i^rer  5Ra(^empfinbung  ein  SBerfseug  ber  5lrbeit 
mit,  bas  fremben  ©ele^rten  mangelt. 


Das  gef^i(^tlic^e  Hauptproblem,  roel^s,  wir  bürfen 
es  tDO^l  fagen,  bem  (Europa  bes  SRittelalters  ju  löfen 
oblag,  mar  bie  SBirfung  ber  germanifc^en  9lationalitöt  unb 
bes  (S^riftentums  aufeinanber,  ober  oielme^r  bie  3ct[e^ung 
bes  beutf^en  SBolfstums  bur^  bie  ^ri(tli(^  9leligion, 
tDol>ei  biefc  felb[t  ben  umbtlbenben  Ginflufe  bes  überu)un= 
benen  (Segners  erful^r.  9Bir  lernen  bie  ©runblagen  ger* 
manifc^en  2Befens  ]ä)on  in  ben  Anfängen  ber  (^riftlic^n 
^ra  fennen,  unb  obglei^  bas  35olf  (i^  bamals  bereits 
eine  i^o^e  5lultur  ertoorben  ^at,  bilben  bie  erften  3ufam= 
menjtöge  mit  ben  ^Römern  boc^  einen  fo  frül^en  ^unft  feiner 
(£ntu)idlung,  bafe  es  uns  barna(^  gegönnt  i[t,  bie  SBurjeln 
feines  (E^arafters  toeiter^in  3U  oerfolgen  als  bei  irgenb^ 
einem  anberen  arif^en  Stamme.  2Bir  fe^en,  bafe  bie 
(Sermanen  ein  5lriegst)olf  roaren,  bös  Söie^aut^t  unb  ^(fer= 
bau  betrieb.  CBintge  i^rer  (£tgen[c^aften,  roie  fie  bann 
ujä^renb  ber  SBölferroanberung  fic^  entfalteten,  erflären 
fi^  au(^  aus  biefer  fiebensroeife.  So  ber  enge  3ufammcn= 
^ahg  bes  2)^enf^en  mit  ber  S^latur,  bie  S^letgung,  olles 


11 

SIbftraftc  in  fpmbolif^c  Spraye  unb  SBrau^  ju  pllen, 
oinb  baraus  ]iä)  cnttoirfclnb  eine  9?eligion,  bie  ^max  nur 
menige  ©ötter  perfönlic^  ausgeftaltet  ^at,  ober  bafür 
mit  Scharen  vertrauter  Dämonen  Jßuft,  (£rbe  unb  SBaffer, 
Säume  unb  gelfen  erfüllt.  (Es  i[t  bem  altgermanifi^en 
©lauben  eigen,  bafe  barin  bie  ©ötter  me^r  als  93erater, 
gül^rer  ober  als  ©egner,  feinb[elige  35erberber  erft^einen, 
ni^t  in  ber  mmaparen  ^öl^e  ber  OTmac^t:  bcr  W)- 
ftanb  oon  i^nen  ju  ben  Sllenf^en  ift  ni(§t  fo  grofe  ^^^ 
anb^rtDärts  unb  roirb  burc^  9?ie[en  unb  $eroen  einiger* 
mafeen  ausgefüllt.  So  hUiht  ber  ilraft  unb  5lrbeit  bcs 
$0?en[^en  ein  größerer  9?aum  jur  ^Betätigung  oorbel^altcn, 
er  i|t  [elbftänbiger  unb  fü^lt  \\ä)  me^r.  Damit  ^ängt  aufs 
engfte  bie  £eiben[^aft  bes  5^rieges  sufammen,  bie  aus  einer 
befonbers  ftarfen  ßebensenergie  fommt  unb  bur^  bie 
Sebrängnis  ber  norbeuropäifc^en  3uftänbe  bann  jur  oer* 
5e5renben  glamme  entfa(^t  roirb.  5luf  bie[e  Seclenbe= 
toegung  |inb  auä)  hu  fittlic^en  Überjeugungen  ber  (5er= 
manen  gebaut  unb  bie  roi^tigften  35erpltni[fe  i^rer  (£xU 
[tenj:  bie  Xreue  3n)i[(^en  $errn  unb  ©efolgsmann,  bie  Se= 
äie^ungen  ber  gamilie,  hk  Stellung  ber  3rroU;  bie  bes 
Kaufes  roaltet,  bie  Aufteilung  bes  geroonnenen  33obens,  bie 
ftänbi[^e  ©lieberung  bes  SBolfes.  Aus  ber  friegerif^en 
Stärfe  toä^ft  aber  au^  bie  ^arte  Selb[t[u^t  unb  baneben 
bie  tolle  SBerroegen^eit,  bie  ju  jeber  Stunbe  bas  £eben 
in  bie  Sanb  nimmt  unb  meg3u[^Ieubem  bereit  i[t.  3^ 
biefen  Dingen  liegen  hk  Unterf^iebe  jrotfi^en  ben  ©er* 
manen.  unb  ben  übrigen  arif^en  SBöIfern.  Auf  biefen  (Eigen* 
tümli(^!eiten  richtet  \iä)  bas  unfi^ere  ©erüft  auf,  bas 
mir  ben  germanif(^en  Staat  nennen,  eigentli^  eine  Stam* 
mesorganifation,  ber  bie  fpüteren  Sersogtümer  entfpret^en, 
bis  [ie  huxä)  bie  getoaltige  gauft  ilarls  bes  ©rofeen  ju 
einer  (Einheit  äufammengejroungen  werben,  bie  3U)or  balb 

2* 


12 


ausetnanberfällt,  beten  iBet[pteI  aber  bo^  bem  ganjcn 
SJlttlelalter  unüerloren  bleibt.  Dtefen  Romplei  oon  (Eigen* 
[^aftcn  trifft  bas  d^riftentum,  unb  feltfam  ftöfet  [eine 
Selbftloiigfeit  auf  bie  germanift^e  Sorte.  (Es  bringt  au^ 
nur  fel^r  langfam  ein,  es  l^ot  gunöc^ft  uiel  ftärfer  t>ur^  (eine 
Dogmen  getoirft  als  burc^  feine  (Et^tf.  ^ber  bie  ^ri[t* 
liä)t  Sittenlel^re  ^at  benn  hoä)  allgemad^  bie  germanif^ 
9?au5eit  enoei^t,  bie  Spieen  gebogen,  ni^t  abgebrochen; 
u)enn  toir  auf  ber  $ö5e  bes  SJlittelalters  fo  oiele  plö^li^e 
9?üdf[(^Iage  aus  einem  JÖeben  ber  (Seujaltfamfeit  in  eines 
ber  ^sfefe  roa^rne^men,  fo  besei^nen  biefe  5lataftrop^n  in 
ben  Seelen  beutft^er  gürften  ben  Übergang  i>om  ^eibnifc^n 
5um  ^riftli^en  (Etl^os,  unb  je  feltener  fie  nad^mals  toerben, 
befto  entf(i^iebener  ift  ber  Sieg  ber  ^ri[tli^en  Jßebensauffaf* 
fung.  Die  (Eintoirfung  bes  ©ermanentums  auf  bas  ^rift* 
Ii(^e  2Befen  äufeert  fic^  bagegen  roeniger  m  ber  gortbilbung 
ber  Dogmen,  als  in  ber  fir(^Ii(^en  Organifation.  Die  Hm* 
roanblung  ber  Sif^öfe  in  fiel^ensträger  ber  toeltli^en 
2)la(i^t  ift  nur  bie  Söorftufe  ju  bem  roeltlic^en  5Iusbau 
ber  §ierar^ie,  ber  n)efentli(§  ben  (5ermanen  5U5uf(^reiben 
ift :  bas  ^apfttum  als  bie  Spi^e  bes  ©an3en,  ber  SBertreter 
bes  Simmels^enn  als  bas  gei[tli(^e  §aupt  ber  (Erbe,  bas 
ift  eine  germanif^e  Sd^öpfung,  bur^  wtlä^e  eine  not« 
roenbige  (Einrichtung  ber  fir^Ut^en  ?lbmint[tration  3u  einer 
roeltgebietenben  ibealen  $ö]^e  emporgel^oben  rourbe. 

Die  Ausbreitung  jenes  Xeiles  ber  ontifen  5lultur,  ben 
bie  S{\iä)t  übernommen  ^atU,  oollsog  fi^  naturgemäß  in 
beftimmten  S^ranfen,  roel^e  [(^on  baburd^  gegeben  loaren, 
bafe  bie  feltene  5lun[t  ber  S^rift  bas  etn3ige  äRebium  ah' 
gab.  (Es  rourbe  alfo  biefe  Silbung  oon  oorne  ^cretn  tint 
gelehrte  unb  befanb  ]iä)  bamit  im  ©egenfa^  3u  bem 
naä)  unb  na^  abbrödelnben  (Erbe  germant[^er  Ober* 
lieferung.   SPlan  barf  es  ba^er  nic^t  als  ein  3t\ä)tn  ber 


13 

HnfelBflänblgfcit  beulft^cn  (5ct[tes  anfcl^ctt;  iDcnn  bic 
Jßttcratur,  bte  nun  entfielt,  fi^  lange  ^^^r^unbertc  ^tn» 
bur(^  ausf^Itcfelid^  aus  frcmben  Stifsmitteln  crl^ält.  i)a5 
tft  ber  grau  innerhalb  unb  au^cr^alb  bcr  R\xä)t.  ^nncr^alb 
\kx  Siixä)t:  bcnn  bte  gefamte  im  engeren  Sinne  fir^Ii^e 
Literatur,  oor  allem  bie  ^rebigt,  ift,  loenigftens  fotoeit  mir 
fie  f^riftli^  be[ifeen,  eine  Öberfe^ungsliteratur,  unb  gtoar 
bis  5um  STuftreten  ber  TOnoriten  unb  Dominifaner  im 
13.  ^ö^r^unbert,  bas  Reifet  bis  5U  ber  3^^^»  100  bas 
(5ri[tli^e  3^teref[e  ber  SRaffen  lebl^aft  genug  geroorben 
war,  um  felbft  f^öpferif^  ju  toirfen.  ©lei(^3eitig  bamit 
erf(^einen  beut[c^e  XIrfunben  unb  9tec^tsbü^r.  ^lufeer^alB 
ber  ilirc^e:  benn  in  ber  geiftlid^en  ^oefie  üerl^ölt  es  fi^ 
um  nii^ts  anbers,  au(^  fie  beruht,  roie  man  no(^  immer 
me^r  einfe^en  roirb,  ganj  auf  bem  t^eologif^en  S^rifttum, 
bas  aus  granfreic^  [tammt;  bem  flaffifd^en  Jßanbe  bes 
aRittelalters. 

5Uun  ift  bie  i^ir^e  stoar  hU  Domel^mfte;  aber  niä)t  bie 
einsige  Trägerin  b«r  5Refte  oon  antifer  Silbung,  oon 
5binft  unb  überhaupt  allem  ilulturrermögcn,  roeli^e  fi^ 
bur^  ben  S5erni(^tungsgang  ber  23ölferu)anberung  in  bic 
ruhigere  Gpo^e  ber  SReubilbung  ber  ab enblönbif^en 
Staaten  i^erübergerettet  ^aben.  Der  Söerfe^r  mit  ben 
^flansftötten  unb  5loIonien  bes  abfterbenben  altrömif(^en 
Sßefens,  unb  toare  es  aut^  nur  eine  Seerfa^rt  beute* 
gieriger  (Eroberer,  l^interlieg  in  ben  ©ermanen  immer 
fruchtbare  5teime  fpätcrer  (Entfaltungen.  Dann  aber  ging 
bie  gül^rcrrolle  in  ber  fulturoermittelnben  5lrbeit  auf  bas 
(5emif(^  Don  S3ölfem  unb  SBöIferreften  über,  bas  bie  rö= 
mif^c  SBilbung  am  tiefften  eingefogen  l^atte  unb  ba^er  hit 
Äraft  na^m  ju  eigenen  $ert>orbringungen,  ben  neuen 
Staat  granfrei^.  Cs  fe^t  fi^  nur  in  anberer  (Seftalt  W^ 
[clbe  3^tigfeit  fort,  wmn  bas  fianb,  weites  ben  Deutf^en 


14 

feine  gelehrte  X^eoloQxt  barbtetet,  au^  bem  Sheujungs« 
probuft  5tDif^cn  germanifc^cm  2Be[en  unb  tomantfc^r 
gorm,  bem  ^Rittertum  unb  [einer  gefeiligen  Silbung,  bie 
legten  unb  für  ben  (Erfolg  entf^eibenben  3üge  oerleil^t. 
Deutft^Ianb  nimmt  au$  biefes  (5ef(^enf  mit  ber  begleiten» 
ben  ^öfif^en  Did^tung  banfbar  unb  begierig  auf.  (5o 
ba^nt  fi^  bos  le^te  Stabium  bes  großen  (gnttoidelungs» 
projeffes  on,  in  roel^em  nac^  bem  glüdli^en  SBorte  23et!)= 
mann=Sonn)eg5  ber  analijtifd^e  ©eift  ber  9tömer  unb  ber 
fgntl^etifd^e  ber  ©ermanen  fi^  oerflec^ten,  nämli^  bie 
5lufno]^me  bes  jus  romanum  unb  bie  $Berabf(^iebung 
ber  altbeutf^en  SBoIfsre^te,  bie  nun  abfeits  oon  ben 
großen  Sßerfefirsftragen  auf  ben  Dörfern  als  2ßeistümer 
unb  3^aibinge  in  ber  Stille  fi^  fortfriften. 

SD^an  barf  borob  ni^i  glauben,  bafe  bie  Rraft  bes  ger= 
manif^en  ©eiftes,  oon  Anfang  an  bur^  bas  G^riftentum 
unb  bie  romani[(^e  i^ultur  übertout^ert  unb  erftirft,  gar 
nid^t  3ur  Äußerung  \)aht  fommen  fönnen.  Das  ©egenteil 
ift  ber  gall:  burd^  bie  2Bortu)a^I  bes  gotift^en  SBibeIübcr= 
fefeers  fc^immert  bie  beutf^e  5Iuffaffung;  in  SBerfen,  bercn 
Silbungsprinsip  unb  S^mud  eigentümli^  finb,  gewann 
eine  germanif(^e  33oI!spoefie  5Iusbru(f;  juerft  ©aren  es 
^orifc^e  ©efänge,  in  benen  fi^  äx)üf,  (Epos  unb  Droma 
no(^  eng  oerf^IangeU;  bann  traten  bie  gormen  auseinanber, 
unb  auf  beutfc^em  ©ebiet  entftanb  bie  epif(^  Di(^tung 
ber  Selbenfage,  bilbete  fi^  eine  oolfstümlic^e  2r)x\f,  eine 
polfstümli^e  ©nomif,  biefe  in  mancherlei  ©eftalten,  aud) 
als  ^^ötfel,  als  ^riamel  unb  als  3i^rbe  ber  uolfstümlii^en 
5?e(^tsfpra^e.  Diefe  ©attungen  ber  33olfspoe(ie  entroideln 
fi^,  huxä)  romanif(^e  (Einflüffe  mannigfa^  geförbert,  5er= 
auf  bis  ins  3U)ölfte  S^l^r^unbert,  erft  bann  treten  fie 
eigentli^  in  bie  fc^riftltt^e  Literatur  ein.  ^\)x^  Xräger 
roaren   roöl^renb    bes   S^xialUxs    ber   ^Bölferroanberung 


15 


[angcsfunbige  Sülänner  aus  eblcn  ©e[^Ic^tcrn,  nachmals 
fam  bic  SJoIfsbi^tung  bur^  S3crf$icbungcn  in  ber  ©efcll* 
i^aft  5U  bcn  lanbfa^renben  SpicIIcuten;  b^ren  (Erfolge 
iDcdtcn  bcn  SBetteifcr  poeü]d)tx  (Sctftli^er,  unb  im  ^us= 
iau\d)  ber  Stoffe  stoifc^en  biefen  unb  ben  (^toeifenben 
Sängern  oon  93eruf  geftaltcte  [t^,  toas  mit  oon  erjä^Ienber 
beulft^er  X)i^tung  im  elften  unb  5U)ölften  Jal^rl^unbert  be= 
fi^cn.  äRit  bem  ^Hittertoefen  trat  eine  neue  Mad}t  auf  ben 
^lan,  eine  ^oe[ie,  bie  3um  !teil  auf  bie  oor^anbene  doI!5= 
tümli^e  ]xä)  [tu^te  unb  fie  nai^  Stoff  unb  gorm  loeiter 
bilbete,  3um  Xeil  aber  neuen  3^^ölt  in  neuen  fünftli^en 
SBerjen  unb  Strophen  ausfprat^.  So  bauerte  bie  beutj^e 
93oIfsbi(^tung  ungebrochen,  toennglei^  mel^r  unb  me^r  gc* 
[^iDä^t,  aus,  fie  trieb  no(^  eine  feine  S^a^blüte  in  bem 
33oI!sIieb  bes  15.  Sal^r^unberts,  allerlei  (5eran!  in  ben 
gaftna(^tsfpä6en  unb  35oIfsbü^em,  bis  bie  tiefe  religiöfe 
unb  fo3iaIe  Seroegung,  roel^e  im  16.  ^o^r^unbert  alle 
Üeile  ber  Station  er[(^ütterte,  auc^  biefen  9^eften  if)re 
Selb ftänbigf eit  na^m.  ©eftorben  ift  fie  barum  nit^t,  bie 
bcutf^e  5öolfspoefie,  fie  \)at  ]xä)  nur  aufgelöft  unb  über 
ben  gan5en  Organismus  ber  neu^o(^beutf(^en  Dichtung 
^in  oerteilt;  toir  freuen  uns,  roenn  toir  in  ben  froftigen 
Harmonien  unferer  mobemen  Sänger  auc^  i^re  2;öne  leife 
unb  bo(^  tief  ergreifenb  mitfltngen  ^ören. 

Unter  allen  beutf^en  £änbern  ift  iD\Uxxtid),  finb  bie 
füböftli^en  SRarfen  gan3  insbefonbere  burt^  ben  SRei^tum 
i^rer  23ol!sbi(^tung  begünftigt.  Sier  l^aben  bie  epift^en 
£ieber  ber  ^elbenfage  i^re  le^te  ©eftaltung  erfahren  — 
mellei(^t  in  ber  Steiermarf  —  unb  finb  3u  größeren  (5e= 
bilben  3ufammengefügt  roorben,  25orarlberg  unb  Xirol 
f^einen  bie  $auptftätten  biefer  Xätigfeit  geroefen  3U  fein. 
3n  Xirol  lafen  W  S^üler  eines  Senebiftinerflofters  ben 
lateinifd^en  Waltharius  manufortis  mit  ben  erflärenben 


16 


5lnmcrfunöen  i^rcr  fiel^rer,  aber  auc^  bte  beftcn  Qiüdt 
geiftltd)er  5Bolfspoe[ie,  bic  aus  Jranfcn  unb  Dom  5R]^em 
famen.  ^n  £)ftcrrc{c^  btesfcits  unb  jcnfctts  ber  Gnns  blühte 
eine  DOÜstümltt^e  £tebe5lt)ri!  oon  [tartcr  Silbtraft  unb 
Ictbenf^aftlic^er  5Betoegung.  SBäre  Jie  au^  roeniger  gut 
beseugt,  als  fte  toirflic^  x]t,  märe  fein  25ers  ber  namenlofm 
jeieb(5en  uns  aufbetoal^rt,  in  benen  toir  [ie  finben,  roir 
müßten  [ie  als  eine  Cnttoirflung  erf^Iiefeen,  bie  ber  ritter" 
lid^cn  £t)rif  im  legten  Drittel  bes  stuölften  Sö^^^ii^^^^^s 
tJorange^t,  benn  bie[e  fe^t  unbebingt  jene  ooraus. 

gragt  man  [i^,  roelc^e  Umftänbe  gerabe  C[terrei(^ 
biefe  bebeutenbe  Stellung  in  ber  (Sefc^i^te  ber  altbeut[c^en 
^oefie  ermögli^ten,  fo  mu^  man  auf  bie  alteren  gef(^i(^t* 
liefen  SBer^öltniffe  bort  5urü(fgretfen.  Hr[prüngli^  teil» 
toeife  Don  igelten  be[iebelt,  rourbe  bas  fianb  burc^  bie 
9?ömer  eingenommen  unb  als  ^rot)in5  oortreffli^  organi= 
[iert.  2Bir  fennen  no^  gar  ni^t  rec^t  hh  5lusbel)nung 
unb  bie  (Erfolge  ber  römif^en  ilultur  in  biefen  (Segenben, 
aber  toenn  [ie  auä)  mit  2Be[tbeutf(^lanb  unb  [einer  glänsen« 
ben  $aupt[tabt  Girier  nit^t  gleid5ge[tellt  toerben  bürfen, 
[o  roaren  [ie  hoä)  jebesfalls  oiel  wichtiger,  als  mir  je^t 
uji[[en,  jebe  neue  ©rabung  le^rt  uns  has.  OT  bie[e  Serr» 
lic^fcit  u)urbe  bur(^  bas  Unroetter  ber  SBölferroanberung 
3er[^lagen  unb  tüü[t  gelegt.  Die  [pärli^  Äunbe,  bie  uns 
aus  ben  folgenben  bunflen  ^ö^i^unberlen  überliefert  t[t, 
3eigt  uns,  ha%  bie[e  (Bebiete  3um  größeren  Steile  oon  ben 
na(^  il^rer  5lrt  lei[e  unb  unmerfli^  einioanbernben  Slaroen, 
äum  fleineren  oon  b«n  abge[plitterten  5He[ten  unb  2Raro» 
beuren  ber  germani[d^en  S5ölferma[[en  befe^t  rourben, 
wtlä)t  barüber  ^in  na(^  bem  Süben  gesogen  loaren.  ?lls 
man  biefe  Streden  bann  3U  (5ren3marfen  bes  farolingi[^en 
unb  beutf(^en  9?ei^es  einrichtete,  roanbertcn  lang[am  fo-= 
lonifierenbe  Sauern  t'm:  ^Bagern,  Alemannen,  granleu, 


fogar  Sad^fen.  Stc  Btiben  btc  urfunbli^  [i(^tbarc  $Be= 
»ölferungsfd^i^t,  auf  bcr  \\^  btc  $crr[^ft  ber  2^roun= 
gaucr  unb  anbercr  großer  (5ef(5Ie^tcr,  cnbli^,  bie  übrigen 
r>«rbrängcnb,  bas  Scraogtum  bcr  SaBcnBergcr  aufbaut. 
t)cr  öjterrcid^ifc^c  SSoIfsftamm,  toel^er  ft^  nun  allmöl^Iti^ 
cnttDtdcIt,  t[t  alfo  fcinestoegs  rem  beutfc^;  üielmcl^r  bas  (£r= 
gebnis  bcr  SJltfd^ung  D^rft^iebener  9?a[fen;  in  bcn  5IIpen= 
länbcm  t[t  bie  obere  Dedc  beutf(^,  bie  ftummen  JRaffen 
barunter  [inb  meiftcns  flaroif^,  toenig  romanif(^.  X)er 
SBoIfs^araftcr,  ju  bem  \At\t  oerf^ieben  gearteten  Seftanb* 
teile  im  JCauf  bcr  Sa^r^unberte  o^rfc^meljcn,  i[t  bes^alb 
au^  !ein  cin^eitli^  ge((^Ioffener.  (£5  ift  ein  lebhaftes, 
betDcglic^cs  SBefen,  Iei(^t  angeregt,  balb  gcbömpft,  tu^tig 
im  SBorfturmen,  aBcr  ni^t  nac^^altig  unb  ausbauernb,  bcn 
fc^önen  ©aben  \\t\^\  ni(^t  oft  bie  rechte  S^ffensfraft  jur 
Seite,  ^uf  biefen  Soben  nun  leiten  bie  großen  firc^* 
Ii(^en  Stiftungen,  Bistümer  unb  i^tö[tcr,  00m  elften  ^a^r* 
^unbert  ab  einen  Strom  oon  Silbung,  ber  allentl^albcn 
befru(^tenb  roirft  unb  bie  ^eimif^en  Talente  ^eroorlorft. 
3ti  bcn  breiteren  Xalern  unb  befonbers  im  heutigen  SRieber^ 
öfterrei^  gebeizt  eine  lool^Il^abenbe  Sauemf(^aft,  aber  au(^ 
ein  mä^tiger  ^bel,  bcn  bie  Sabenberger  ni^t  immer 
niebcr3U)ingen,  unb  ber  bcn  gall  biefes  Saufes  5U  einer 
3unfer]^errf(^aft  ausnu^t,  ber  erft  bie  gabsBurger  ein 
(gnbc  ma^en.  X)ie  meiften  ber  S3abenbergif^en  Scrjögc 
förbern  eifrig  alle  5^uIturbe[treBungen  in  i^rem  Jßanbe  unb 
toirfen  alfo  baju  mit,  in  £)fterrei(^  bcn  5Bobcn  für  eine 
cigcnftänbige  ^oefie  3U  Bereiten. 

2ßic  ft(§  biefe  entfaltet  \^qX,  loollen  totr  nun  naiver 
baricgen. 


II. 
Der  poIkstOmltdie  Illinnefang  und  Reinmar 

SBoIfstümli^e  ßicbesliebcr  \)at  es  unter  bcn  Dcutf^en 
fett  ben  5lnfängcn  i^rcr  5lultur  gegeben.  Die  urfprüng= 
li^ [tc  unb  mächtig  fte  ber  menfc^Itc^en  fieibenf^aftcn  rang 
barna$,  ]xä)  in  gehobener  Jorm  ausjufpre^cn ;  bas  toar 
bann  eben  ^oc[ie,  motzte  [ie  in  üereinjcite  alliterierenbe 
5Bcrfe  ober  in  Strophen  gcfleibct  fein.  2Bie  ^errfc^t  bie 
£iebe  in  ber  bcutft^en  §elbenfage,  nennen  toir  nur  5Ribe= 
lungcn,,  (Subrun  unb  bas  SBalt^arilieb,  unb  roärc  bas  mög= 
li^,  fofcrn  es  fonft  f einerlei  fiiebesbi^tung  gegeben  ^ätte? 
Unb  roenn  roir  bis  5um  sroölften  So^r^unbcrt  fol^c  fiiebe5= 
lieber  ni^t  roirfli^  aufgejeic^net  finben,  fo  brauchen  roir 
nur  3u  fragen,  roer  fie  benn  in  jener  ßtii  ^ötte  auffc^reiben 
f ollen?  Die  ©eiftlic^en,  ooran  bie  äRönd^e,  befanbcn  fi^ 
na§e3u  allein  im  ^Befi^e  ber  S^reibfunft;  fie  roaren  aber 
ber  gan5en,  aus  un(^riftlid)en  SBorausfe^ungen  entroidciten 
SBoüspoefic  unbbefonbers  ben£iebe5lieb<jrn,  roiefie  uns  aus* 
brüdlid)  fagen,  feinbfelig  gefinnt,  —  roie  Ratten  fie  ber  3^a(^= 
roelt  überliefern  mögen,  roas  fie  felbft  in  ber  ©egenroart 
bcf erbeten?  3ft  es  bo(§  nur  ein  glüdlic^er  3ufan,  roenn 
uns  aus  bem  beutf^en  $elbenfange  bes  neunten  bis  elften 
3a§ri^unberts,  oon  bem  roir  fonft  allüberall  roiffen,  bafe 


19 

er  rct(^  unb  fröfttg  enttotdclt  max,  ein  bürftigcs  Sru^ftüd, 
bas  Silbcbranbslicb,  erhalten  blieb,  toel^cs  auf  htm  legten 
23latt  einer  Sanbfc^rift  eingetragen  tonrbc,  um  ben  für 
5Be[[ere5  unbrau^baren  9?aum  3U  oertoerten.  3^  über« 
baupt,  was  mix  an  beut[^em  S^riflroerf  aus  jener  früheren 
^eriobe  be[i^en,  i[t,  foroeit  es  niä)i  Sc^uIjtDcrfen  bientc, 
nur  burc^  3^1^^^  ouf  uns  gefommen.  Unb  no^  eine 
fc^Iagenbere  5Inalogie  fte^t  uns  ju  ©ebote:  ber  ^eibnifc^e 
©laube  ber  ©ermanen  f)atU  hk  ganse  2Belt  mit  bamo= 
nif^en  5lräften  erfüllt  unb  alles,  toas  bem  SRenft^cn  3U' 
liebe,  ^auptfät^lic^  aber  3uleibe  gef^a^  unb  in  irgenb* 
einer  2Beife  £eben  unb  Seu)egung  3U  jeigen  fi^icn,  auf 
^erfonen  unb  ©eftalten  jurürfbesogen.  So  tourbe  balb 
bie  S(^abigung  bes  ilörpers  buxä)  unoerftanbene  5lranf= 
feilen,  felb[t  eine  Si^abigung  bes  Eigentums,  fofern  [ie 
nid)t  einem  äRenfc^en  3ugef^rieben  toerben  fonnte,  als 
ilraftöu^erung  eines  Dämons  angefe^en  unb  bur^  po= 
etifc^e  3ciiiöß^^fo^^Tneln,  burc^  bilberreic^e  SBerfe  unb 
Strophen  bef^rooren.  X)iefe  5Irt  X)i^tung  breitet  jic^  bann 
no^  toeiter  aus,  bur^  i^re  Sprühe  foll  ßeib  unb  Se[i^ 
gef(^ü^t,  foll  bem  9?ebenben  ge^eimnisoolle  SRa^t  oer= 
Helfen  toerben,  allen  entf(^eibenben  2Benbungen  bes  menf(^= 
li^en  £ebens  ftanben  fold^e  „Segen"  5ur  Seite.  Die 
Äir^e,  anfangs  bulbfam,  roeil  i^re  eigene  fiiturgie  oicl* 
^aä)  mit  folc^en  Überlieferungen  äufammenl^ing,  toe^rte  ]xi) 
fpater  mit  $Ra(^bru(f  u)iber  biefe  ^oe[ie,  roel^e  unter  einer 
oberflä(^li(^en  §üllc  b«s  G^riftentums  entf^ieben  ^eibnif(^ 
5Bor[tellungen  oerbarg.  Deshalb  [inb  uns  auc^  nur  äufeerjt 
toenige  folt^e  bcutf^  3öuber[prü(^e  aus  ben  er(ten  (^ri[t= 
li(^en  ^af)x^urit>txUn  erhalten.  Hnb  bo^  fönnen  loir  bur^ 
Sammlung  unb  33ergleid^ung  bes  S[Raterials,  bas  uns  i>or= 
nel^mli^  feit  b«m  15.  Sa^r^unbert  überliefert  ift,  mit  aller 
Seftimmt^eit  erroeifen,  ba^  fein  3^dQ  ber  S3ol!sbid^tung 


20 

tDä^rcnb  bc5  SRittcIattcts  annä^crnb  [o  cntroidelt  max  rote 
eben  btcfc  3ö^^crpocfic,  ba^  bic  95or[tcnungcn,  üon  bencn 
fte  ausging,  bas  gansc  ficben  bamals  bur^brangcn, 
mochten  [tc  auä)  noä)  fo  feiten  an  bie  Oberflöi^e  treten 
nnb  uns  in  f^riftli^cn  3^^Ö^^fI^^  mdf)im^\nbax  toerben. 
Das  ooIIstümIi(^e  £ieBesIteb  ftanb  ni^t  anbers  ju  ber 
(Seroalt  ber  Rxxä)t,  es  mufete  i^r  ausroeid^en  unb  blieb 
jal^r^unb^rtelang  auf  münbli(^e  ^Verbreitung  bef^ränft. 

!Die  Jßiebesbit^tung  bes  5BoIfes  roud^s  aus  bem  ge* 
meinfamen  Soben  aller  SBoIfspoefie  empor.  Das  fönnen 
toir  fcä^on  baraus  entnehmen,  bafe  bie  älteften  namen* 
lofen  Jßiebeslieb^en,  toel^e  roir  befi^en,  in  benfelben  ober 
nöi^ltoerroanbten  Stropl^enformen  gebietet  finb,  beren 
]iä)  bie  oolfstümlit^e  (Epif  in  ben  S^ibelungen,  ber  ©ubrun, 
auc^  in  ben  fpielmannsmäfeigen  ^Bearbeitungen  oon  Os= 
toalb,  50lorolt,  ber  5Rabenfd^Iac^t  ufro.  bebiente.  Der  3n» 
l^alt  biefer  Stropl^en  i[t  meiftens  ganj  einfat^.  Die  greube 
an  ber  SBieberfunft  bes  grü^Iings,  ber  ben  SBinter  in 
bie  glu^t  gef^lagen  l^at,  roirb  ausgefproc^en.  „2Bie  f(^ön 
ift  ber  Sommer,  toenn  i^  fo  2ßalb  unb  §etb«,  fiaub, 
Slumen  unb  illee  anfe^e;  bas  beft^ert  uns  greube,  bie 
nxä)t  u)ieber  oergel^t/'  Dafe  mit  fol^er  greube  ]iä)  bie 
fiiebe  gern  o^rfnüpft,  lehren  uns  anbere  Strophen:  „3" 
l^elles  ©rün  fleibet  fi^  ber  SBalb,  überall  ertönt  ber  Sang 
ber  SBögel  unb  gibt  es  Sßonne,  bie  Rrone  aber  ber  SWaien» 
ujunber  ift  bie  Siebe;  roer  roäre  ni(^t  jung  in  fo  fti^öner 
3eit?"  —  ,;S3ergangen  ift  ber  falte  SBinter,  ber  mi^  fo 
fränfte,  nun  lobe  it^  mir  ben  grünen  2BaIb,  meines  gerjens 
greube.  9lo(^  mel^r  ber  mannigfachen  SBonnc  fpenbet  mir 
bie  ©Ute  einer  grau."  Die  SBlumen,  bie  geibe,  fic  forbern 
3um  ©efange  heraus.  tSfuf  bem  ^nger,  mo  ©ras  unb 
25Iüten  um  bie  2ßette  fpriefeen,  ba  f^ioingen  ]xä)  2Räb^en 
unb  3ii^9lii^9ß  i^n  ^Reigen.   Die  SJlöbc^n  werben  ermahnt, 


21 

fu§nlt(^  ^inaussutrctcn,  aber  sutotilcn  ftnb  [ic  fpröbc,  fic 
faffcn  ft(5  an  ben  $anbcn,  fpringcn  unb  rufen  Ipöttt[(^ 
babei:  „2Ba$  alles  ^ter  ^erumge^t,  bas  [inb  33'läb(^en,  bie 
ben  ganaen  Sommer  allein  bleiben  molUn."  Die  Surften 
fingen  entgegen:  ;,5lomme;  !omm\  ©efelle  mein,  i^  ^ane 
f^on  fo  lange  bein;  füfeer,  rofcnroter  9[Flunb,  fomm'  unb 
mac^e  mid^  ge[unb."  Das  £ieb(§en  malt  eine  fleine  Siebes* 
fsene  aus:  „eines  StRorgens  roollf  i^  ge^n  über  eine 
2ßiefe  breite,  ba  fa^  i^  ün  'Mäh^n  [te^n,  fie  grüßte 
mxä)  Don  roeitem:  ,£ieber  greunb,  wo  moUt  U)x  ^in? 
^xauä)t  xf}x  fein  ©eleite?'  35r  5U  gügen  neigf  iä)  mi^, 
trat  banfbar  i^r  jur  Seite."  3[t  ^ier  bas  SKäb^n  be* 
ge^rli^,  fo  fe^nt  \xä)  au^  ber  Jüngling  unb  ruft  bem 
35öglein  5u:  „Sflat^tigall,  fing'  tin  feines  £ieb  für  meine 
^ersensfönigin !  Sag'  i^r,  bafe  mein  gers  unb  Sinn  na^ 
ber;  SDlinne  i^res  füfeen  Äeibes  entbrennen."  Dber  er  tröftet 
hk  ^traurige  mit  bem  Sommer,  ber  nun  alsbalb  fommt 
unb  feine  Slumen  fpenbet;  fpriegt  bann  ber  5llee  gar  auf, 
u)ie  möchte  fie  no(^  flagen?  Ober  fie  beteuert  in  f^Ii(^ten 
2Borten  il^re  Streue:  „Du  bift  mein,  iä)  hin  bein,  beffen 
follft  bu  getoiö  fein.  Du  bift  oerf^Ioffen  in  meinem  ^txim, 
verloren  ift  bas  Sd^lüffelein,  fo  mußt  bu  immer  brinnen 
fein."  (Ein  fa^renb^r  illerifer,  bem  ber  grü^Iing  feine 
i^lofterft^ule  oerleibet  ^at,  ber  ausgefprungen  ift  unb  nun 
als  93agant  bur^  bie  Dörfer  ^ul)t,  bittet  bas  SJläbi^en: 
„fiafe  mid^,  fü^e  Serrin,  beiner  2uhe  genießen;  bu  3^roft 
meiner  5Iugen,  33enus'  ^feil  l^at  mx6)  getroffen,  unb  td^ 
!ann  mi^  ni^t  mel^r  pon  bir  trennen."  Unb  um  fie  5U 
föbem,  oerglei^t  er  fie  mit  allen  berül^mten  grauen,  loie 
fie  i^m  gerabe  burt^^inanber  einfallen:  Dibo  unb  Selena, 
Dallas  unb  $e!uba,  alle  übertrifft  fie  an  Sc^önl^eit  unb 
£iebli^!eit;  loirb  ber  gelehrte  5lufpuö  fie  ni(^t  berüden? 
Ober  er  benft  fi^  lodenb  aus,  roie  bas  SOläbt^n  hd  bem 


22 


SBaum  [tc^t,  fitcbcstoortc  auf  ein  ^latt  [(^rcibt  unb  bcr 
3ciiibcr  bcr  Jrau  33cnu5  fic  3ur  fiicbc  stoingt.  Das  fagt 
er  i^x  bann  ^alb  latetnif^,  tyilh  bcutf^  unb  [ingt  if)r'5 
3U  in  einer  luftigen  SBcife  mit  jau^senbem  9{efrain.  Sis* 
u)eilen  finbet  er  ein  ^übft^es  beutf^es  £ieb,  roorin  eine 
grau  i^re  ^erjU^e  Steigung  offenbart,  toie  etwa:  „3lIIe 
3:rauer  roill  ii^  meiben;  ge^n  loir  allfamt  auf  bie  §eibe; 
fommt,  ©efpielen,  an  ben  9?ain;  fcl^t  ber  Slumen  ^olben 
S^ein!  3^  f^gc  bir,  i^  fage  bir,  mein  ©elelle,  fomm' 
mit  mir!  —  Süge  SJlinne,  Serrin  mein,  fli^t  mir  f^ncll 
ein  5lrän5lein  fein,  bas  trägt  bann  ein  jtoljer  9Jlann,  ber 
mof}l  grauen  bienen  fann.  ^6)  [age  bir,  iä)  fage  bir,  mein 
©efelle,  fomm'  mit  mir!"  Das  überfe^t  ber  ©oliarbe 
in  5ierli^e  lateinifi^e  SBerfe,  [ingt  es  bann  feinen  3^^= 
fumpanen  oor  ober  etroa  mit  fd^alf^after  Seiterfeit  oor 
einem  großen  SBifc^of  unb  feinem  $of[taat;  er  toirb  fre(§ 
genug,  ]\ä)  bie  f^öne  i^önigin  oon  (Englanb,  (Elianor  oon 
^oitou,  bas  3beal  ber  Jßiebes^öfe,  in  feine  5lrme  ju 
ujünf^en;  3U)ar  runjelt  ber  Serr  bie  ^Brauen,  lägt  aber 
bo^  bem  übermütigen  23urf(^en  ein  ©ef^enf  unb  eine 
i^onne  SBeines  reiben. 

Tlit  bem  äJlanne,  ber  fi^  barauf  oerfte^t,  bie  ©unft 
ber  grauen  bur(^  feinen  Dienft  5U  erroerben,  betreten  toir 
f^on  einen  anberen  23oben.  Der  5Dlinnebienft  ift  eine  Slüte 
bes  9?ittern)efens  unb  biefes,  bie  G^ecalerie,  f)ai  roie  be* 
fannt  juerft  im  füblic^en  granfreic^,  in  ber  ^roüence,  fefte 
(Einrichtungen  befommen,  oon  ba  be^nt  es  fi^  ungemein 
xa]ä)  auä)  über  ben  SRorben  granfreic^s  aus.  Das  Flitter» 
tum  ift,  genau  genommen,  ein  Stabium  in  ber  (£nt= 
iDi(feIung  ber  europäif(§en  2Be^r!raft,  bas  ft^on  längft 
im  ©ange  mar  unb  bur^  bie  militärif^en  gorberungen 
bcr  5lrcu35üge  oorläufig  jum  ^bft^lufe  gebraut  rourbc.  (Es 
ift  im  legten  ©runbe  aus  bem  altgcrmanif^n  ©cfoIgs= 


23 

roefcn  txmad)\tn,  bas  aber  [(^on  unter  ben  SOflcrotDingern 
unb  i^arolingern  bur^  bie  ^al}xtsuvm  ouf  bem  äUärs* 
felb  unb  ben  häufig  barna^  folgenbcn  i^riegssug  eine 
bcr  nrfprüngli^en  ©eftalt  frcmbe  ^lusbilbung  angenommen 
^atU.  9Ktt  bem  (Enttoideln  ber  alten  fianbaufteilung 
an  bie  (Eroberer  3U  ber  gef^loffenen  Organifation  bes 
£et)ensu)efens,  oermittelt  oon  bem  roii^tigen  Sinbegliebe 
ber  SBerlei^nng  oon  Seneft3ten  ^auptJäd^Ud^  aus  geift* 
li^em  Se[t^,  bur^  bie  (Einführung  ber  (grbli^feit  ge= 
fe[tigt  unb  begren3t,  ift  natürli^  anä)  hk  le^enspflii^tige 
®e[ellf^aft  [elb[t  oeränbert  unb  bejtimmt  gegliebcrt 
ujorben.  X)a6  biefe  (SIteberung  in  Stäube,  oom  5^önig 
bis  5um  unfreien  Dienftmann  mit  bem  S^ittergurt,  ber  aber 
juroeilen  als  ber  roenigft  entbehrliche  in  SBirflii^feit  fogar 
bem  eblen  greien  porange^t,  in  bie  ibeale  (Einl^eit  eines 
lRitter[tanbes  oerf^molg,  ift  ein  (Ergebnis  ber  friegerif^en 
Unternehmungen  bes  elften  unb  jroölften  S^^i^^unberts, 
oor  allem  ber  5lreu33üge.  5lber  (ie  entfpri^t  auc^  bur^* 
aus  ben  militärif^en  Sebürfniffen  ber  S^^^f  ^f*  ^i"  2RitteI= 
bing  3U)if(^en  bem  uralten  SSolfs^eere  neben  feiner  (Er= 
gan3ung  ber  (Sefolgf^aft  unb  3U)if(5en  ber  fpäteren  (£in= 
ri(^tung  fte^enb^r  Armeen,  unb  ungemein  be3ei^nenb  l^at 
bas  9?ittenDefen  \xd)  3uerft  unb  om  oolltommenften  in  bem 
£anbe,  bas  eben  na^mals  au^  3uerft  ein  ftänbiges  Seer 
aufftellte,  in  gran!rei(^,  ausgebilb^t.  Die  ibeale  (5lei(^^cit 
aller  2Ritglieb«r  ber  ritterlichen  ©enoffenf^aft,  eine  5Irt 
Si)ftem3roang,  n)el^  ben  Jürften  unb  ben  fianbebel» 
mann  —  allerbings  mit  gebü^renben  OTdfi^ten  —  auf 
bem  Xurnierpla^  roibereinanber  anreiten  lieg,  roirb  burc^ 
bie  Rreu33üge  suuiege  gebraut,  in  benen  gemeinfam 
(Erfolge  erftritten,  gemeinfam  9^ieberlage  unb  (Elenb  er= 
bulbet  werben,  in  benen  Röntge  als  Settier  ^eimfe^ren, 
rittcrli(^e  $erren  fi^  Rönigsfronen  gewinnen  unb  uner* 


24 


^örtc  ÜBet^fel  bes  (5t]ä)xdt5  bcm  mutigen  ^cntcurer 
btc  f&at}n  311  (E^rcn  unb  IHcit^tümcrn  eröffnen. 

(Ein  anberes  ibeales  ^rinsip,  bie  ^o^ftellung  ber 
grau  unb  ber  grauenbicn[t,  beruht  glcit^falls  auf  ger= 
mantf^er  ©runblage,  auf  bcr  beutf^cn  ^d^tung  oor  ben 
grouen,  bie  Xacitus  [(^on  beseugt,  bie  aber  freili^  mä)i 
[tar!  genug  ift,  um  aud^  bie  re^tli^en  ^Begie^ungen  ber 
grau  im  realen  ficben  entfpre^enb  umjugejtaltcn.  Dafe 
bie[e5  ^ringip  fi^  gerabe  mit  ber  G^eoalerie  oerbinbct,  ift 
tDO^l  (aufeer  burc^  (Eintoirfen  arabif^=fpanif^er  Äultur) 
3unä(5ft  im  SBe^felbesug  bur^  bie  [teigenbe  SBere^rung 
beeinflußt,  roelt^e  bie  jungfräuli^e  ©ottesmuttcr  äUaria 
genießt;  möglic^eriDeife  l^aben  jebod^  babei  auc^  [e^r 
greifbare  Hmjtanbe  mitgeu)ir!t:  befonbers  in  gran!rei(^ 
lajfen  häufige  SBelifeoeränberungen,  [tarier  SBerluft  an 
STJannern  in  ben  immertoö^renben  Kriegen  unb  gelben, 
bie  grau  als  (Brbtoc^ter  unb  SBittoe  fe^r  bebeutenb  er* 
[feinen. 

5lufs  f(^nell[te  tritt  biefcs  ganse  ritterliche  2Be|en  mit 
einem  toeitläufigen  3lpparat  oon  gormein,  Sitten  unb 
SBräuc^en  na^  Deutfc^Ianb  über,  roelc^es  geroo^nt  loar, 
Anregungen  ber  S3ilbung  unb  gefelligen  5lun[t  aus  gran!= 
rei^  3U  erfahren.  3ii^örber[t  rourben  natürli^  bie  beut= 
[d^en  ©renjlänber  ergriffen,  hk  er[ten  finb  bie  glamonber, 
üon  il^nen  roerben  bie  5lun[tausbrü(Je  bes  pfifi^en  Jßebens 
geprägt:  gein  unb  roo^Igejogen  rcben  ^eißt  „flämen", 
unb  u)cm  bie  ^öfif^e  3^^*  fe^It,  ber  ift  ein  „börper". 
Den  5R^ein  entlang  f)xdUt  \\ä)  bie  d^eoalerie  über  Süb* 
beutft^Ianb  aus  unb  fommt  na^  t)[terrei^,  fpöter  nac^ 
SJlittel*,  am  (päte[ten  na(^  5Rorbbeut[^Ianb,  roo  [ie  nie  gan3 
feiten  guß  gefaßt  ^at;  au^  bie  Straße  bur^  bas  fang* 
rei(^e  Dberitalien  nac^  ^nmxb\kxxdä)  x]i  oon  ben  pro* 
penaalild^en  (Eintüirfungen  bef(^ritten  roorben.    (Es  i[t  nun 


25 

Ic^rrct^  511  htohaä)itn,  mit  [tarf  btc  ooHstümlt^e  JßteBcs* 
bic^üing  in  ^]Umxä)  getDe[cn  fein  mufe,  bcnn  jie  sroingt 
if)xt  2Bci[en  junöt^ft  bcm  Sn^altc  bcr  9ttttcrpoefic  auf. 

Der  aRtnnebien[t  übertragt  bie  gormen  bes  Bebens* 
toefens  auf  bas  Söer^ältnis  stoeier  ßieBenben:  bie  grau 
i[t  bie  Scnin,  bcr  2)^ann  htQibt  ]iä)  in  i^ren  Dienft,  fein 
®efang  Breitet  i^r  2oh  unb  bas  aller  grauen  aus,  feine 
Xatcn  oollbringt  er  i^r  jur  (g^rc,  i^re  Steigung  ift  fein 
Selben  unb  ber  Jöicbesgenufe  fein  ^ö^fter  £o]^n.  ilein 
3roeifel,  bafe  anfangs  nur  ber  junge  unoermä^lte  $Hitter 
unb  bas  SJJäb^en  einanber  gegenübertraten  unb  ber 
minniglid^e  Jßel^ensbienft  mit  bem  (El&eBünbnis  aBgef^loffen 
tDurbe,  aber  Balb  oerf^oB  fi(^  biefes  SBerpItnis,  unb  bie 
§errin,  um  bie  ber  ritterli^e  3Jlann  roirbt,  ift  Beinal^e 
immer  eine  verheiratete  grau.  Der  ©runb  bafür  ift  un* 
f(^u)er  einsufe^en:  ber  SJlinnebienft,  ber  ibeale  Beizens* 
bienft,  loar  eine  gorm  gefenf(^aftlid^en  SBerfe^rs  jiDif^en 
SJlännem  unb  grauen,  roeld^e  ]xä)  bort  ni^t  aufre(^ter* 
galten  liefe;  u)o  bie  fc^r  nü(^ternen  unb  gemeinen  gorbe* 
rungen  bes  roirfli^en  ßebens,  (Selb  unb  Sefi^,  SJlac^t  unb 
93eru)anbtf(^aft,  (BrBausfit^ten,  barüBer  Beftimmten,  oB 
eine  oiellei^t  oor^anbene  9^eigung  jum  (El^eBunbe  führen 
burfte.  Die  ,;3Jlinne"  ^ebt  bie  oermä^lte  grau  unb  ben 
bienenben  ^Ritter,  ber  übrigens  au^  verheiratet  fein  lann, 
aus  biefen  SBebingungen  bes  getnöl^nlit^en  Dafeins  l^eraus, 
fie  ergebt  fi^  in  SHufionen,  bie  fel^r  gefä^rlii^  toerben, 
foBalb  fie  fi^  mit  3^atfa^en  Befleiben  roollen.  Denn  ber 
(Sema^l  njaltet  eiferfü^tig  feines  gausre^tes,  unb  mag  er 
ben  Sänger  no(^  fo  gerne  ^ören,  er  umgibt  feine  grau 
bo^  mit  Spaltern  unb  gutem,  unb  ber  erl^örte  ©eliebte, 
ber  3U  feinem  (5lüd  eilt  ober  fid^  in  ber  SKorgenfrü^e  fort« 
f^Iei^t,  fe^t  jeben  5lugenBIid  £eiB  unb  £eBen  aufs  Spiel. 

Hnb  no(^  eines  fommt  in  Setra^t,  roas  fe^r  toefent* 

©  (^  3  n  B  a  ^ ,  SBaltex  üon  bcr  SSogcItoeibc.  3 


26 

It(^  haju  betträgt,  bte  Derf(^tebcne  (EntiDitfluttg  ju  er* 
flärert;  3U  toeld^er  bie  ^oefte  bes  Stittertums  bei  htn 
^rooensalen,  gransofen  unb  Deut[^en  gebieten  i[t:  bas 
[inb  bie  9Jlini[teriaIen  ober  Dienftmanncn,  beren  Stanb 
in  Deutf^Ianb  eine  ungleich  l^öl^ere  93ebeutung  geroonnen 
5at  als  anberxDörts.  Hrfprüngli^  unfreie  £eute,  Jinb 
fie  burc^  3^ü(^tigfeit,  roo^I  au^  bur(^  93ilbung  ausge» 
Seid^net;  3unä(^ft  als  SBerroaltungsbeamte  i^ren  abeligen 
Serren  unentbe^rli(^  geworben;  finb,  allmä^li(^  auffteigenb, 
neben  fie  getreten  unb  fogar  über  fie  ^inausgelangt. 
3nsbefonbere  im  5Heic^sbienfte  unb  ujieber  oorne^mli^ 
unter  ben  Staufern  ^aben  biefe  TOnifterialen  bie  ange= 
fe^enften  Stellungen  eingenommen.  Xro^bem  blieb  bis 
roeit  ins  breiäel^nte  3a5r^unbert  hinauf  ein  gen)iffer  50la!el 
ber  Unfreiheit  an  il^nen  l^aften,  CBl^e  sroif^en  5lbeligen  unb 
äRinifterialen  fe^te  nac^  alter  SBolfsanf^auung  ben  beffer 
geborenen  Xeil  bauernb  l^erab  unb  tourbe  bes^alb  gc* 
mieben.  9lun  gepren,  roie  ermittelt  morben  ift,  bie 
Dichter  aus  ber  erften  (Epoche  bes  beutf^n  SKinnefanges 
3um  größten  Xeile  biefem  Staube  ber  9Kinifterialen  an, 
unter  ben  älteren  bebeutenberen  finben  fie  ]xä),  in  hex  ge* 
famten  Slüteseit  biefer  Jßi)rif  ma^en  fie  gut  sioei  Drittel 
aller  Sänger  aus.  Sie  finb  um  bie  2B«nbe  bes  12.  unb 
13.  ^al^r^unberts  f(^on  5umeift  mit  bem  9iittergurt  aus* 
geftattet.  (£s  traten  biefe  l^eroorragenben,  gebilbeten, 
3U  Sof*  unb  Staatsämtem  oerioenbeten  SJlinifterialen  in 
b«r  ritterli^en  ©efellfd^aft  ber  3ßit  ben  beutfd^en  grauen 
abeliger  TOfunft  entgegen,  mit  benen  fie  bie  SBoraüge  ber 
Silbung  gemein  ^citten,  oon  benen  fie  aber  noc^  immer 
bur^  Stanbesunterfi^iebe  getrennt  roaren.  Da  ergaben 
\\ä)  bann  bie  tatfä(^li(^  t^or^anbenen  Seaie^ungen  ber 
aJlimte  pon  felbft :  bie  grauen  mußten  l^äufig  i^rc  ©cma^le 
ungünftig  mit  ben  Dienftmannen  vergleichen,  es  mußte 


üon  Dom^crcin  in  btcfc  ^ocfic  bcr  Xon  ber  Sc^nfu^t 
bringen,  bcr  innere  3o3iefpaIt  eintreten,  ber  jie  Beseic^net. 
Der  Hmltanb,  bafe  bie  grau  bur(§  i^re  SBcsie^ung  3U  bem 
Dieter  oft  ni^t  blog  in  i^rer  G^e,  [onbern  and}  in  ber 
Stanbese^re  gef^äbigt  5U  ojerben  für^tete,  erflärt  ooll 
ausret^enb  bas  S^eue,  lln[i^ere,  t>or  allem  aber  bie 
^eimli^feit  bes  ganäen  SJer^ältniffes.  (Enbli(|  barf  ni^t 
unbeachtet  bleiben,  bag  [ol(^e  Dinge  auc^  5ur  Xe^ni!  ber 
$lRinnebi^tung  gehörten  unb  bamit  3U  einer  ^^rabition, 
bie  bis  in  bie  ^ntüe,  3U  ben  (Slegüern  ^Roms  jurürfreic^te, 
[ie  brauten  fi^  innerhalb  ber  oerfetteten  3a]^r]^unberte 
alleseit  roieber  3ur  ©eltung. 

Darum  ift  benn  and)  roieber  bie  Slüte  bes  9Jlinnebien= 
ftes  nur  !ur3,  ber  3Kinnefang,  in  bem  er  fi^  oerförpert, 
bleibt  nic^t  lange  auf  feiner  Sö^e,  [$on  oon  ben  erlten 
naml^aften  Diätem  l^ören  roir  5^lagen  über  ben  S3erfall. 
Der  trat  bereits  ein,  als  man  bie  Ginbilbung  3U  einem 
roefentli^en  gaftor  bes  fonoentionellen  SD^innefanges  er= 
^ob,  auf  bie  2Bir!li^feit  in  ber  ^oe[ie  r>er5i^tete,  iDcil 
bo(^  bie  ?^oe[ie  ni^t  in  bie  2Birni(^feit  umgefefet  werben 
fonnte,  unb  wänwisen  fang;  fo  betrieben  unfere  ^na= 
freontiter  im  oorigen  ^^^r^unbert  bie  ft^äferli^e  £ic* 
besbi(^tung  unb  entf^ulbigten  fit^  oor  pl^iliftröfen  ilri= 
tifern  mit  ber  ^^ein^eit  i^res  braoen,  langweiligen  ßebens, 
unb  fo  fingen  unfere  2Baffertrinfer  oon  ^eute  i^re  Brau- 
fenben  unb  flingenben  3^^^^^'^^^  ^^t  fünftlic^en  Stro= 
p^en  unb  f^roierigen  i^e^rreimen,  weil  es  eben  fo  ]^er= 
fömmli^  ift  unb  3um  ^anbroerf  bes  SJlobebi^ters  gehört. 

S0lan  pflegte  fomit  bamals  ben  ^öfift^en  SOlinnefang 
als  eine  5binft,  roel^e  ber  gefelligen  Unterhaltung  biente, 
unb  3ujar  no^  lange  unb  3um  2:eil  berufsmäßig,  na^= 
bem  feine  S3orausfe^ungen  f(§on  i^re  ©ültigleit  eingebüßt 
l^atten.    Das  jeigt,  tt)el(^en  HBert  man  in  einem  fonft  giem* 

3* 


28 

liä)  f^mudflofen  £cBcn  btcfcr  ^ocfic  bcimafe,  unb  bas  will 
au^  bei  bcr  ^Beurteilung  i^res  3^^<ilt^5  Beachtet  roetben. 
CBs  ift  ja  insgemein  übltd^,  mit  [trengen  SBorten  bie  Xln* 
[ittlid^feit  ber  mittelalterlichen  ,;5D^inne"  unb  il^rer  San« 
ger  ju  oerurteilen,  überl^aupt  bebenfli^  über  eine  3^it 
ben  5lopf  3U  [(Rütteln,  bie  an  [olt^en  SKinneliebern  fid^ 
freuen  fonnte.  Das  ift  natürlich  um  fo  leichter,  je  mel^r 
hk  ungetrübte  Jßauterfeit  bes  el^elid^en  ßebens  in  ber 
©egentoart  ba5U  berechtigt  unb  bie  reine  Pflege  ber  5lunft, 
bie  l^eute  bem  fransöfif^en  Drama  unb  ber  Operette  ju« 
gute  fommt.  5lber  —  ganj  abgefe^en  oon  bem  Unter* 
f^ieb  aroifc^en  ilun[t  unb  £eben,  ber  uns  ja  au^  t)erbietct, 
bie  heutige  $oefie  bes  SBerfalles  3u  beurteilen,  als  ob 
fie  aus  bem  (Elenb  ber  SBirfli^feit  gef^öpft  loärc  —  man 
füllte  hoä)  milber  fein  gegen  jene  mittelalterli^en  Sünber 
unb  erroögen,  \>a^  in  ber  Zai  ein  gar  ni^t  unroefentli^er 
5ortf(^ritt  ber  ©efittung  bur(^  ben  SRinnebienft  juftanbe 
gebracht  roorben  ift,  ber  fogar  no^  anfielt,  als  ber  95linne* 
fang  5um  2)leifterfang  abftieg  unb  in  bie  bürgerlichen  Stein* 
gepufe  ber  5Heid^sftäbte  einen  Strom  oon  Jßuft  unb  fii^t, 
oon  freierer  9Jlenf^li^feit  einführte. 

3n  JDfterreid^  alfo  fanb,  loie  toir  fc^on  mi\\tn,  bas 
9iittertum  eine  oolfstümlic^e  fitebesbi^tung  oor,  unb  fo* 
glei(j^  fügte  ]xä)  ber  neue  ^i^^alt  in  bie  befannten  formen. 
Da  finb  5um  58eifpiel  bie  fc^önen  Strophen,  roa^re 
S^mudtftütfe  unferer  altbeutfc^en  ^oefie,  loel^e  einem 
Serm  oon  5lürenberg  aus  einem  ^tittergefc^lec^te  Öfter* 
reic^s  um  1170  3ugef ^rieben  u)erben,  aber  nur  loeil  fein 
SRame  in  einem  ber  JÖieb^en  oorfommt,  roirfli^  ftnb  fie 
namenlos.  3^^  leibenfc^aftlii^er  Se^nfu^t  fpric^t  bie  oor* 
ne^me  grau :  „^^  ftanb  ^eut  abenbs  fpät  auf  einer  3^^^^f 
ha  §ört'  iä)  einen  9litter  ^ttxli^  fingen  m  bes  Äürenber* 
gers  2Beife,  i^n  allein  oema^m  id)  aus  ber  SKenge;  ent* 


locbcr  freue  t^  mt(^  fetner  ßtebe,  ober  er  mufe  mir  bas 
£anb  räumen."  got^fa^renb  jebod^  eriDtbert  bem  IBoten 
ber  9?tlter:  „^hin  bringt  mir  eilig  ^tx  mein  5Ro6  unb 
(EifenÜeib,  benn  einer  grau  muß  i(^  bas  ßanb  räumen. 
Die  roill  mi^  basu  sroingen,  ba6  i^  i^t  ^olb  fei,  aber 
fie  roirb  meiner  Wmxit  immer  barben  muffen."  —  50lilber 
ift  ber  Sinn  einer  anbern  fe^nenben  grau:  „Slknn  \^ 
fo  ollein  [tel^e  in  meinem  SRat^tgetoanbe  unb  i^  benfe  an 
bi^,  bu  ebler  Wtter,  bann  jteigt  mir  bas  5?ot  ins  ^ntli^ 
iDie  ber  9iofe  am  Dom  unb  trauriger  Se^nfu^t  üoII  roirb 
mein  Serj."  Sie  fenbet  fiiebesfunbe  an  t^ren  greunb, 
ben  fie  behalten  loill;  ben  fie  bittet,  er  möge  i^r  ^olb  blei= 
\itxi  u)ie  früher  unb  er  möge  bebenfen,  roas  fie  firf^  üerfpra= 
c^n,  ba  fie  sule^t  t^n  fa^  .  Dann  fagt  roo^I  ber  9litter: 
„Du  ft^önes  "iS^tx^i,  nun  fei  bu  mein  eigen,  greube  unb 
ficib  follen  mir  teilen,  folang  als  i(^  lebe,  bift  bu  mein, 
bu  3ieure."  Xlnb  fie  trennen  \\i)  nic^t  me^r,  bie  fi(^ 
gefunben  ^aben.  —  3uroeilen  aber  \i\tybi  \i\t  ^erjensfreube 
nid^t  ungetrübt,  wehmütig  ruft  bann  bie  grau:  „Ginen 
feinen  SHitter  ^att'  ic§  mir  geroonnen;  ben  l^aben  mir  bie 
Später  unb  il^r  feinblic^er  Sag  genommen;  niemals  !ann 
mein  Serj  me^r  fro§  roerben."  Ober  fie  fleibet  i^ren 
S(^mer3  in  bas  f^öne  SBilb :  „(Einen  galfen  50g  \^  mir  lan= 
ger  benn  ein  3^^^^;  ba  er  nun  mein  eigen,  unb  roo^l  ge- 
jö^mt  f^on  XQQX  unb  \^  mit  ©olb  i^m  f^müdte  fein  ftolses 
geberfleib,  ba  ftieg  er  in  bie  £üfte  unb  flog  üon  mir  gar 
roeit.  Seither  fal^  i^  ben  galten  oftmals  fliegen,  er 
trug  an  feinem  guge  feibene  9liemen,  unb  fein  C5efieber 
bedte  allrotes  ©olb:  a^  fenbe  ©ott  fie  einanber,  bie 
fi^  lieb  finb  unb  ^olb."  5Iu(^  ber  5?itter  toirbt,  er  !lagt, 
bafe  er  fein  '^h>i6)tx\,  nid^t  felbft  fe^en  barf,  fonbem  il^r 
SBoten  fenben  mug:  fo  roeiß  er  gar  vX6)i  re^t,  ob  er  i^r 
gefällt,  unb  bo(^  ift  i^m  nie  ein  Sakib  fo  lieb  geioorben. 


(£r  mal^nt  m  glücflt^er  SBcrtrautl^ctt  btc  (Scitcbtc,  mtc  bcr 
TOcnbftem  ft^  in  btc  SBoIfcn  pllt,  fo  möge  [tc,  bie 
%tmt,  tl^re  Slide  bergen,  i^re  klugen  5u  onberen  SRännetn 
ft^toetfcn  Iaf[cn,  bamtt  niemanb  gcnjafire;  rote  es  unter 
i^nen  Beiben  fte^e.  %vi6)  ein  übermütiger  unb  [ieggeroo^n* 
ter  5Hitter  ift  in  ber  C5efen[^aft,  berb  [pottet  er:  „2Bei= 
ber  unb  bas  geberfpiel,  bie  roerben  gar  \t\6)i  ja^m: 
lodt  mon  fie  nur  rid^tig,  fo  [uc^en  fie  ben  9}lann.  So 
toarb  [i^  ein  f^öner  9?itter  a\x6)  eine  gfi^aue  gut;  roenn  t(^ 
baran  je^t  benfe,   fo  todlt  mir  auf  mein  Stut." 

(£5  [inb  bie  f^ön[ten  fiiebt^en  bes  beginnenbcn  SRinne^ 
fanges,  mt\6)t  in  biefer  fleinen  Sammlung  oereinigt  u)ur= 
ben,  gleid^oiel  ob  ein  ein5iger  Dichter  \\6)  in  fo  oer[^icbene 
Situationen  glei(^  gef(^i(ft  5U  finben  roufetc  unb  für  jebe 
ben  paffenben  2^on  unübertreffli^  anf^lug,  ober  ob,  toas 
\6)  für  allein  rid^tig  l^altc,  ^ier  mel^rere  grauen  unb 
3Jlänner  i^re  tieffte  CBmpfinbung  ausgefpro^en  l^abcn. 
?In  unb  für  \\6)  liegt  in  bem  auftreten  ebler  grauen  als 
Dichterinnen  gar  nid^ts  33eru)unberli^es,  \>Ck  bo^  i^re  ba= 
mals  aus  5^Io[terf(^uIen  gef^öpftc  Silbung  [te  gan5  idd^I 
baju  befähigte,  ^^^^sfalls  untertreiben  [i^  biefe  Stüdc 
nod^  etroas  oon  ben  2RinneIiebcrn,  bie  unter  bem  (Einfluß 
ber  neuen  gefellf^aftlic^en  ^ßerfe^rsformcn,  ber  l^öfifc^cn 
Sitte  unb  ber  bamit  oerbunbenen  franäöfift^en  Sangesfunft 
entftanben  finb.  (£5  l^errft^t  eine  grei^eit  unb  griffe, 
eine  Unmittelbarfeit  bes  ©efü^Is  barin,  bie  man  nur  ein* 
mal  3U  empfinben  brauet,  um  bie[e  ^rt  oolfstümlic^r 
SKinnepoefie  für  immer  oon  ber  fpätercn  2Bei[c  ju  fon» 
bem.  ^Bistoeilen  in  5Bilbern,  nirgenbs  aber  bur^  ein  ©c» 
fpinft  ber  ^Reflexion,  bricht  bie  £eibenfc^aft  l^eroor.  Die 
grau,  bas  5IRäbd)en  reben  ^ier  für  [i^  felbft  unb  roerben, 
entgegen  ber  fpäteren  ^öfif^en  9?egel,  xot\6)t  bies  bem 
SWanue  ^uioeift,  ber  $errin  jebo^  blog  ©eroä^ren  ober  93er' 


fagen  gcftattcl.  Dicfe  Haltung  bcr  grau  Ift  an  ft^  noc^ 
fem  2Rer!maI  einer  befttmmten  Gpo^e  bentfc^en  £eBens, 
fte  t[t  nur  «in  ilennsei^en  ebenbicfer  älteren  fit)ri!, 
bas  balb  burc^  bie  ©ebote  l^öfif^er  3uä)t  oerbrängt  toirb, 
ol^ne  bafe  es  barum  aui^  in  ber  SBirflic^feit  3u  vtx- 
]ä)wmhtn  brauste.  Sieben  ber  geheimen  93?inne,  bie  fi^ 
oor  bem  ©efe^  unb  feinen  SBäc^tem  üerbergen  muß, 
rebet  ^ier  no^  eine  unbefangene  Smpfinbung,  bie  f^ön 
3ur  c^elic^en  Xreue  aufblüht.  Stehen  alfo  \>u\t  Stropl^en 
no(§  mitten  innen  jiDift^en  SBolfsgefang  unb  50linnelieb, 
fo  ^nhtn  mir  $errn  X)ietmar  oon  5li[t  aus  Dberö[ter* 
rei(5,  einen  t)iä)Ui,  b^r  oon  i^nen  jeitli^  gar  ni(^t  ©eit 
entfernt  i[t,  o^ne  S^^^U^  f^^n  im  oollen  3^9^  ^s  ritter* 
li^cn  SO^innebienftes. 

$errn  Dietmars  ßieber  [inb  uns,  meint  man,  in 
äujei  „Süt^Iein"  erl^alten.  2Ran  t^rfte^t  l^ier  unter  „95ü(^= 
lein"  fleine  Sammlungen  oon  aJlinneliebern,  bie  man  fi^ 
etroa  f olgenberma^en  entjtanben  benft :  ber  ritterli^e  San* 
gcr  iDünf^te  bie  t)on  i^m  gebic^teten  ßieb^r  aufbetöal^rt  3U 
miffcn,  er  f(§rieb  fie  entroeber  felbjt  auf,  loenn  er  bas 
fonnte,  fonft  liefe  er  es  uon  einem  f^reibfunbtgen  5lnap= 
pen  ober  iUerüer  beforgen.  Ober  au^:  bie  fa^renb^n 
SpieÜeute,  bie  ]\ä)  i^ren  Lebensunterhalt  erwarben,  in» 
b€m  fie  auf  i^rer  SBanberft^aft  bie  Lieber  i>ome]^mer  T>i^^ 
ter  öffentlich  vortrugen  —  wu  ^eute  SBirtuofen  unb  IReji* 
tatorcn  —  fammelten  fi^  bie  i>on  ben  SBerfaffern  überfom* 
menen  Stropl^en  unb  trugen  fie  ein  in  i^re  fleinen  perga* 
mentenen  Sefte  ober,  toie  bie  5BiIber  ber  SBeingartner 
ganbfi^rift  glauben  laffen,  auf  lange  ^ergamentftreifen, 
bie  um  Stäbe  gerollt  lourben.  SRan  barf  oiellei^t  an= 
nehmen,  bafe  bies  gemeinigli(§  in  ber  Abfolge  gefd^a^,  in 
loel^er  bie  Lieber  aut^  gebi(^tet  toorben  toaren.    5Run 


32 

ftnb  unjere  großen  §anbf(5riften  dtbcutf^cr  SWtnnefanger 
aller  2Ba5r[c^ctnItd^!ctt  na^  aus  folgen  gcftc^cn  unb  23ü^* 
lein  jufammengeftellt  toorben:  ßieb^aber  ber  9D^tnnepoeftc 
Ratten  fie  511  einer  St'xt,  als  bie  £uft  baran  f(^on  abnal^m, 
Don  ben  gal^renben  ertoorben  nnb  abfc^reiben  lafjen.  33er* 
gleist  man  nun  bie  Stropl^enfolge  ber  £ieber  eines  San* 
gers  in  biefen  oerfc^iebenen  §anbf^riften,  prüft  man  als* 
bann  biefe  Jßieber  auf  i^ren  3i^^olt  ^in,  fo  gelingt  es  3U* 
toeilen,  aber  aud^  nur  sutDeileU;  roirfli^  eine  (^ronologijt^ 
Drbnung  ber  lieber  ^erguttellen.  Das  i[t  natürli^  (el^r  roi^ 
tig,  toeil  es  uns  beim  50linnefang  faft  gans  an  anderen 
3eid^en  fe^lt,  aus  benen  [i^  bie  ^bfa[fungs5eit  ber  ein* 
seinen  Stüde  be[timmen  liege,  unb  mir  fomit  auf  bie  Unter* 
fud^ung  ber  Sprad^e,  ber  X^ä)mt  unb  bes  inneren  CBnt* 
toidfelungsganges  ber  Dichter  angetüiefen  finb,  al[o  auf 
^Beobachtungen,  benen  ein  siemli^  ftarfes  fubjeftiDes  StRo* 
ment  innetool^nt,  fo  bag  toir  fixere  S(^lü[fe  feiten  baraus 
sieben  bürfen.  9lun  fie^t  man  ja  leicht,  toie  loenig  ©e* 
ujä^r  ber  befpro(^enen  5?eIonftruftion  oon  Stropl^enfolgen 
5U  „SBüd^lein^'  eigen  ift,  wie  oiele  3iifalle  bei  ber  ^ufjei^* 
nung,  fei  es  bur^  ben  Dieter  felblt,  fei  es  burc^  bie  ga^* 
renben,  mitgefpielt  ^öben  fönnen,  um  bie  ^Reil^en  5U  er* 
5ielen,  in  benen  hk  großen  Sanbfi^riften  uns  bie  ©ejänge 
überliefern.  9Kan  benfe  5um  Seifpiel  nur  baran,  roie  xa\i) 
hoä)  mei[tens  bie  fa^renben  fieute  [xä)  oon  Ort  gu  Ort  be* 
loegten;  feiten  unb  nur  an  größeren  gürften^öfen  oerroeil* 
ten  fie  länger,  loeil  bort  bei  reic^li^eren  3Jlitteln  au^  bie 
greigebigfeit  ber  görer  länger  bauerte.  S3or  allem  oerfagt 
uns  biefe  2r)xit  im  3^<^M^  '^^^^^  Äunftüberlieferung  ben 
©eroinn  biograp^ift^er  (Sinsel^eiten  unb  taufet  als  ©rieb* 
nis  bes  !Di^ters  oor,  roas  eigentli^  nur  ben  5Ipparat  fei* 
nes  Schaffens  bilbet.  ^^ro^  allebem  jebo^  gibt  es  ein* 
jelne  gälle,  in  benen  rofr  uns  bei  ben  ©rgebniffen  fol^er 


Untcrfu^uttgsiDcifc  beruhigen  tonnen,  unb  Dietmar  üon 
2li[ten5  fiieb^r  gehören  baju. 

Dtefer  eble  §crr  [^ctnt  ein  jiemli^  bctoegbares  (5e* 
müt  bcfcffen  5U  §aben,  er  toibmet  feine  ^^letgung  mit  (Erfolg 
oerf(§iebencn  grauen,  freut  fid^  [eines  (Slüdes,  [trebt  aber 
\\ä)tl\ä)  naä)  ^Ibroec^flnng,  i[t  |e§r  unbulb(am  gegen  Sprö- 
bigfeit  nnb  3urüd]^altung  unb  gibt  ein  begonnenes  23er= 
l^öltnis,  roenn  es  roenig  ^usfi^t  gen^a^rt,  lieber  balb 
iDieber  auf,  o^ne  oiel  ju  [(^ma^ten.  Das  SBefte  an  feiner 
^oefie  fpenbet  il^m  bte  oolfstümlii^e  figrif,  oon  ber  er 
auä)  bie  fnappe  Jaffung  feiner  meift  einftrop^igen  £ie= 
bcr  \xä)  angeeignet  ^at.  So  ertoeitert  er  l^übf^  ben  ^us« 
brud  ber  Sommerfreube :  „'$i%  ber  tleinen  SBöglein  Sang 
bringt  uns  l^eran  bie  liebe  3^^^,  ber  lange  SBinter  ift  ba«= 
l^in,  unb  frif(^  ergrünt  bie  £inbe  breit.  Da  fielet  man 
Slumen  fein  unb  ]ä)ön  im  ©lang  auf  weiter  $aibe  ftel^n: 
bann  fc^roebt  man^  ^er3  in  greuben  ^od),  unb  meins  au(^ 
toirb  bes  Xroftes  fro^."  Ober:  „©anj  oben  auf  bem 
fiinbenjroeig  ba  fang  ein  23ö gelten  fo  fein,  unb  t>orn  am 
SBalbe  ujarb  es  laut;  ba  ft^roang  fic^  au^  bas  gcrje 
mein  an  einen  Drt  mir  ujo^Ioertraut:  bie  9?ofen  fal^  iä^ 
buftenb  blü^n,  fie  mahnen  ber  (Sebanfen  mi^,  bie  na^ 
ber  Serrin  ju  mic^  jie^n."  Sel^r  tro^ig  unb  felbftberou^t 
fprid^t  er  3U  b«r  grau  burc§  feinen  knappen:  ,,^6)  bin 
ein  Sote,  ^ergefanbt,  0  §errin,  fpenbe  beine  ©üte:  ein 
9?itter,  ber  bi(^  auserlas  aus  aller  Slkit  für  fein  ©emüte, 
j^eifet  mxä)  bir  flagen  feinen  S^merj:  feit  er  bi(^  fal^, 
fe^nt  fi(^  nat^  bir  fein  ^erj.  Das  lange  SBarten  f(^fft  ii)m 
£eib;  bu  follft  i^m  enblit^  $offnung  geben,  folang  er 
]\ä)  auf  bi^  noä)  freut."  hingegen  lägt  er  bie  grau  fel^n* 
füd^tig  flagen:  „Schier  bünft  es  mic^  faft  taufenb  t^ai)x, 
bafe  i(^  im  5lrm  bes  fiiebften  lag;  mein  ift  bie  S(^ulb 
ni^t,  bafe  er  gar  fo  fem  mir  blieb  f(§on  mani^en  Züq. 


Seit  \i)  Wc  58Iumcn  ni^l  mcl^r  fa^  unb  nic^t  mel^r  l^ört' 
ber  SBöglcm  Sang,  ba  f^ujanb  bic  furjc  grcube  mir  unb 
iDorb  bcr  5lummcr  mir  fo  lang."  CBin  gan5  cinfa^es, 
altertümli^cs  3^agclicb  roirb  b«m  5Iiftcr  3ugcf(^rtcben,  tdcI» 
c^es  bas  3o5tegcfprac§  bcr  (Beliebten  ersa^lt,  bie  ber 
9Jlorgen  auf  gemeinfamem  Jßager  überraf(^t;  ba  [priest 
bie  grau:  „S^Iäfft  bu  no(^,  mein  griebel,  5u  balb  roirb 
man  uns  leiber  roerfen,  f^on  §ör[t  bu  eines  pbf^en  93ög= 
leins  £ieb  00m  Jöinbenatoeige  \)txy  Hnb  er  antroortet: 
„(5ar  fanft  u)ar  \6)  entfd^Iafcn,  nun  ruf[t  bu,  teures  5linb, 
mir  ÄlagetDorte  ju;  ac^,  nirgenb  gibt  es  greube  o^ne 
Jßeib.  X)o^  roill  i^,  greunbin,  tun,  roas  bu  mir  gebieteft." 
Da  begann  bie  grau  ju  meinen:  „SBon  bannen  reite[t  bu 
unb  Iäffe[t  mi{^  allein;  ©ann  fommft  bu  toieber  ^er  3U 
mir?  iD  roe^,  all  meine  greube  nimmft  bu  mit  bir." 
Sel^r  l^übf^  ift  bie  Strophe  unter  Dietmars  £iebem,  in 
b^r  jenes  alte  Silb  oom  galfen  roieber  oorfommt:  „OTein 
ftanb  eine  graue,  blidft'  über  gaib'  unb  ^ue,  fie  Ja^  na^ 
il^rem  £ieb[ten  aus.  Da  30g  ein  galf  Dorbei  am  §aus: 
„tB[(^,  ©ie  bu,  galf,  bo(^  glüdlic^  bift!  Du  flieg[t,  u)o= 
l^in's  bir  lieb  ift;  bu  n)ä^l[t  bir  frei  in  SBalb  unb  gelb  ben 
Saum  aus,  ber  bir  roo^lgefällt.  So  \^Qib'  i^  5lrme  au(^ 
getan,  \^  fu^te  felbft  mir  einen  9Kann,  ben  toä^lten  meine 
^ugcn;  ben  neiben  mir  f(^öne  grauen,  ac§,  la^t  mir  meinen 
liebften  Serrn,  ein  anbres  '©lud  gönn'  i^  eu(^  gern." 

SBöJrenb  in  t)fterret^  [i(^  bie  ritterli^c  Siebes» 
bit^tung  mit  [tar!em  i>ol!stümli(§en  SBobengefd^mad  ent= 
wtdfclte,  mar  in  b^n  r^eini[(§en  fianben,  bamals  ben 
©o^r^abenbftcn  (Bauen  unb  Stäbten  bes  Deutft^en  9?ei(^es, 
axi.  ben  fran3ö[i[^en  25orbilbern  ein  ^öfi[^er  SRinnefang 
aufgefprofet.  3^1  bie  IR^eingegenben  roar  ja  aus  9florb* 
fran!rei(^  unb  aus  ben  Sfliebcrlanben  bas  Wtteru)e[en  mit 
feiner  feinen  3^^**  "^^^  Xra^t  unb  Sitte  unb  grembroor« 


tcn  3ucrft  gcfommen  unb  ^öttc  f^ncll  ftcgcnb  alles  für 
ft(^  gciDonncn.  3^  S<mit  galten  bie  r^einif^en  5Ritter 
als  bie  be[ten  in  ber  neuen  ©Übung,  fe^r  frü^  f^on  übten 
[ie  \\6)  in  ber  ^Bearbeitung  ^öfij^r  Grsä^lungen  aus 
granfrei(§  unb  eigneten  \\6)  balb  alle  Runft  ber  franjö* 
(if^en  £i)ri!  an:  bie  breiteilige  Stropl^e,  bie  !ünftlid^en 
9?eime,  bie  ba!ti)lifc^en  SBerfe,  beren  Süpfen  ben  ftar! 
betonten  beutf(^en  2Borten  fo  po[fierli^  anfielt.  2)ie 
35erbinbung  ber  9?§einlänber  mit  bem  faiferli(^en  Saufe 
tyti  Staufer  mad^te  ben  SDlinnefang  auc^  an  bem  p^ften 
Sofe  b'er  G^riftenl^cit  l^eimif^  —  fclbft  5tai[er  §einri^  ber 
Se(5[te  ^at  ein  paar  ßiebeslieber  gebietet  —  oon  ^ter 
aus  mar  i^m  xa\6)t  ^Verbreitung  gefi^ert.  9Za^  Sn^alt 
unb  5orm  ttebt  jene  fiprif  bes  Donautales  roeit  ab  oon  ber 
r^einif^en  5lun[t:  roie  bas  rau^e  aber  roarme  Rleib  aus 
^eimif^em  £ab«n,  bas  man  im  Sübo|ten  trug,  üon  ben 
bunten  gefc^nittenen  unb  geriffenen  (seibengeroeben  ber 
ritterlichen  ©eroänber,  ben  Gülat,  ^almat  unb  roie  [ie 
Reiften,  foroie  oon  ben  gefteppten  oielfarbigen  Äouertturen, 
bie  nunmel^r  bie  5Ro[fe  5öfi[(^er  5?itter  unb  grauen  f^mürf* 
ten.  Salb  §ielt  auc^  in  £)[terrei(^  unb  an  bem  $of  ber 
5Babenberger  bie  jierlic^e  93Zinnebi(^tung  na^  romanift^n 
SD^uftern  i^ren  (Ein5ug. 

(Es  ujaren  gan3  bebeutenbe  äJ^änner  in  großen  Stellung 
gen,  bie  \\6)  bem  3<iii^ßr  ^^^  G^eüalerie  unb  b«r  Xrou* 
oeres  alsbalb  gefangen  gaben.  Da  i[t  5riebri(^  oon  Sau= 
fen,  bes  5^aifer  ^Rotbart  oertrauter  greunb,  ein  mächtiger 
Serr,  ber  einer  unter  ben  erften  bie  neue  5hinft  übte.  SJlit 
^mt  unb  2Bürbe  \it)^i  bie  männlid^  fefte  $altung  im  Gin* 
flang,  bie  feine  fiieber  seigen.  Seine  £eibenf^ft  beroegt 
fi(^  meift  in  einfachen  (Sängen,  aber  m  einselne  (Sebit^te 
ift  bo(^  f(^on  üiel  feine  IHefleiionspoefie  oerrooben,  bie 
eines  fomplijierten  Sa^baues  bebarf.    ^erj  unb  Sizx))^ 


36 

hxt  Segc^rlit^fcit  bes  einen,  bie  S^töät^  bes  anbem 
[teilt  er  gerne  fi^  gegenüber.  Die  St^önl^eit  bes  Som* 
mers,  ber  SB^d^fel  int  3o^r,  roerben  in  feinen  roo^Igebau^ 
ten  Strophen  nic^t  erroöl^nt,  er  ocriäfet  aI(o  ba  bie  ältere 
SBoIfsroeife,  ganj  füllt  i^n  bie  (gmpfinbung.  t)afür  brin«« 
gen  bie  Sreigniffc  bes  eigenen  Sebens,  bie  'Sdi)iUn  na(^ 
Italien  im  Dienft  bes  i^aifers,  na(§  bcm  i^eiligen  ßanbe 
im  !Dien|te  ©ottes,  garbe  unb  5^if^e  in  [eine  ^oe[ie. 
^m  be[ten  gelingen  i^m  bie  [d^li(^ten,  gefü^loollen  £ie* 
ber,  njie  toenn  i^m,  ber  511  5io6  in  2Bel[^lanb  ba^injie^t, 
bie  ferne  (Beliebte  in  ben  Sinn  fommt:  „^  benfe  gern 
bisweilen,  [0  i^  i^r  na^e  wäre,  toas  i^  i^r  wollte  [agen. 
Das  für^t  mir  bann  bie  SJleilen,  roenn  i^  i^r  all  bas 
St^toere  barf  in  ©ebanfen  flogen."  Xtnb  nod^  pb[(^er: 
„3^1  meinem  3^ranm  bie  ganje  '^aä)i  ]af)  \i)  bie  rounber* 
[d^öne  grcTu,  unb  leiber  bin  \ä)  aufgetoa^t  5U  frü^,  beim 
er[ten  SJlorgengrau :  ba  roar  [ie  mir  ent[^iDunben  —  njeife 
niä)i,  mo^in  [ie  fam  —  unb  all  bie  frol^en  Stunben  bie 
Xeure  mit  ]\i)  na^m.  Daran  jinb  [^ulb  bie  ^ugen  mein, 
ber  möc^t'  i^  gerne  lebig  [ein."  Spielt  ^ier  gehaltene 
Seiterfeit  in  bie  sarten  ©efü^le,  [0  tüiegt  boc^  ber  (£m[t 
in  Sau[ens  fiebern  oor,  unb  bitter  [inb  bie  5öer[e,  mit 
benen  er  [i^  roiber  bie  SRitter  roenbet,  toeli^e  bas  5^reu3= 
3ei^en  auf  hk  S^ulter  gel^eftet  l^aben,  bann  aber  unter 
ni(^tigen  SBorujänben  ©ott  bie  5?ei[e  roeigern.  „2Ber  's 
5lreu5  ^^[t  nal^m,  äurüd  bann  fe^rt,  ber  wirb  roo^l  (Sott 
5ule^t  nod)  [el^n,  mtnn  i^m  bie  ^^forte  bleibt  i>er[perrt, 
hmä)  bie  bes  $erm  (Setreue  ge^n."  5Iuf  bem  ilreusjuge, 
fürs  uor  b^m  Xobe  [eines  Rai[ers,  am  6.  2)^ai  1190,  im 
(gefegte  hd  ^^ilomelium,  fiel  auä)  ber  §err  oon  Sau[en, 
unb  [einen  Xob  beflagten  bie  (£5roni[ten  als  ein  [(^roeres 
Unheil  für  bie  ^ri[tli^e  SBelt. 

^n   bie[e  pra(^toolle   ritterliche  (£r[^einung   ]^k^t 


3^/ 

]iä)  nun  eine  ganse  Seerf^aar  cbler  Sänger.  T>a  t|t 
$ctnri(^  oon  SBelbefe,  ein  9ZteberIanbcr,  ber  allerbmgs  in 
feinen  I^rif^n  ©ebid^ten,  hk  bei  guter  £oune  unb  frtf^en 
5RahirbiIb«rn  bo^  ettoas  troden  finb,  nic^t  fo  glüdli^  toar, 
als  ha  er  mit  feiner  „(Sneibe"  na^  ben  Sßorten  ©ottfriebs 
von  Strasburg  auf  ben  IBaum  epif(^er  Dichtung  bas  erfte 
SReis  impfte,  ben  reinen  9?eim  einführte  unb  bamit  bie 
geläuterte  ^öfif^e  Spra(^e  ber  (Brsä^lung  für  ein  ^oc^beut* 
fc^es  ^ublüum  bienftbar  maä)it.  Da  ift  ber  liebenstDür^ 
bige,  in  feinen  ßiebern  t)on  tiefer  religiöfer  (£mpfinbung 
getragene  5Ilbre^t  üon  ^o^annsborf,  ein  SBa^er,  ben 
(Suftao  5i^er)tag  in  ben  „23ilbern  aus  ber  beutfc^en  33ergon= 
gen^eit"  oorgefü^rt  §at,  ba  ift  bie  glänjenbe  ©eftalt  bes 
fi^wungDOÜen  unb  Ieibenf^aftli(^en  X^üringers  $einri^ 
oon  iülorungen,  beffen  ^flame  no^  im  fpöten  iBoIfslieb  fort* 
lebt,  unb  Diele  anbere  abelige  Serren,  bie  jeb^r  in  feiner 
2Beife  bas  £ob  i^rer  Serrinnen,  bas  Sä)\d\a\  i^rer  £iebc 
fingen  unb  tro^  allem  SBorbilb  ber  fransöfif^en  llReifter 
bod^  jeber  in  uns  ben  (ginbrud  einer  feft  umriffenen  ^er= 
fönli^leit  3urü(!Iaffen. 

Unter  i^nen  allen  ift  einer  für  £)fterrei(^  befonbets 
roit^tig  geroorben,  $err  SHeinmar,  ben  man  ben  ^Iten 
nennt,  um  i^n  oon  bem  fpäteren  Spru^bi(^ter  9teinmar 
von  3^^ter  5U  fonbern.  (£r  entftammte  einem  eblen  (5e= 
f^Iec^te,  roa^rf^einlid^  aus  §agenau  im  Slfa^,  roie  einige 
rü^menbe  95erfe  5U  f^Iiegen  geftatten,  bie  fein  fianbsmann 
(Sottfrieb  oon  Strasburg  i^m,  „ber  Jßeitefrau  ber  beutf^cn 
Sfla^tigallen",  na(^ruft.  (£r  mnh  um  1160  geboren  fein 
unb  mu6  f^on  um  1180  eine  Stellung  am  Sßtener  Sofe  bei 
Ser5og  fieopolb  V.  geroonnen  ^aben,  in  beffen  Umgebung 
er,  fot)ieI  uns  befannt  ift,  unter  bel^aglic^en  unb  e^renoollen 
JBer^ältniffen  gelebt  ^at.  Cr  mag  \ä)on  ein  berühmter 
Sänger  geioefen  fein,  als  er  t>on  bem  beutfd^n  SBeften  na^ 


38 

bcm  Oftcn  300.  Man  fann  aus  feinen  ja^Irei^en  ßtcbem 
eine  ©ruppe  [treiben,  in  ber  ein  froherer  SOlut  \i^  fpiegelt, 
mit  iDol^I  ber  glü(fli(^e  (Erfolg  einer  er[ten  Siebe  il^n  eingibt, 
^ber  bie  gan^e  (Eigenart  biefes  Sängers  ift  aud^  in  b^n 
Jrül^Iiebern  ni^t  5U  oerfennen,  bie  no^  unter  bem  Sänne 
fran^öfif^er  SQhi(ter  ent[tanben  jinb.  9?einmar  loar  ein 
©eitler  unb  feiner  Mtn]ä),  pon  feltener  3oi^t5eit  unb  9lein* 
l^eit  bes  (Semütes.  Xali  unb  ©eft^mad,  ber  Sinn  für  bie 
3ierli(^feit  ber  (Jorrn,  gehörten  3U  feiner  urfprünglid^en 
23egabung,  fonjol^I  im  Spiel  ber  (Sebanfen  als  im  Sau 
bes  S5erfes  unb  ben  Serfr^Iingungen  ber  9leime.  gaft 
roeibli^  ift  fein  2Befen  5U  nennen,  gans  anb^rs  geartet  als 
ber  oorne^me  $err  oon  Saufen  unb  ber  ftürmift^  äRo= 
runger.  93alb  gibt  er  ]\ä)  ber  ^efleation  ^tn,  beob» 
aä)iti  feine  eigene  £eibenf(^aft,  analtjfiert  fie  unb  freut  fi(^ 
ber  mannigfachen  ^bf^attungen  bes  (Sefü^Ies,  u)el(^e  bie 
n)e^felnben  Stimmungen  i^m  in  bie  Seele  jaubern.  (Eines 
feiner  erften  Jßieber  gibt  biefe  Sefonber^eit  bereits  ganj 
beutli^  funb;  ^Heinmar  fagt  barin:  „Sisroeilen  finb'  \i) 
einen  XaQ,  mo  i^  oor  ber  (Sebanfen  glut  ni^t  fingen  fann 
no(^  la^en  mag.  Da  meint  wo^l  mancher,  ba^  mein  SOhit 
gebeugt  mir  fei  oon  £iebesf^mer5 :  boc^  grabe  bann  freut 
fi(^  mein  Serj."  Des  Sängers  2Bünfd^e  erfüllen  fi^, 
bie  grau  liebt  i^n,  aber  mit  anbers  fprat^en  bie  Did^te* 
rinnen  jener  namenlofen  Strophen,  roie  anbers  läfet  9?ein* 
mar  feine  greunbin  reben:  „S^^mtiltn  fommen  fieute  ^er, 
bie  sogen  beffer  fort  unb  ^eim;  ein  9?itter,  beff  i^  lang 
begehr',  bebäc^t'  er  mel^r  ben  SBillen  mein,  er  blieb'  mir 
immer,  immer  na^.  2ßie  gern  i^,  aä),  i^n  hti  mir  fä^e ! 
Die  böfen  $Reiber  ^or^en  ba,  ob  etroa  jemanb  ^eimlic^ 
Jßieb's  gef(^ä^e."  2Bie  fc^ü^tern  unb  bef^iben!  (Ein 
anbermal  ertoögt  ber  fro^e  Did^ter,  roie  er  ben  Sommer  ju* 
bringen  folle,  eine  liebe  §offnung  oer leitet  i^n  ju  2Bün» 


I 


\6)tn :  3n)ct  2^ge  nur  unb  eine  gute  9la^l  motzte  er  o^ne 
Störung  mit  ber  teuem  grau  [pret^n,  bann  tDoIItc  er 
alle  2^rauer  fahren  laffen  unb  immer  frö^Ii^  [ein.  Dar= 
na^  möchte  er  [i^  m6)i  grämen,  roenn  mi^günftige  fieute 
gegen  i^n  unfreunblic^  loaren;  roürbe  bo(^  fie  bann  i^n 
für  ben  unhöflichen  ©rufe  enlf^öbigen.  2Btrb  i]^m  folt^e 
Seligfeit  einmal  bef^ert,  fo  tüill  er  \\6)  bas  £etb  ni^t 
reuen  la[fen,  bas  i^m  je^t  (eine  SJlinne  bereitet. 

SJiögen  \\6)  au6)  biefe  jugenbli^en  fiieber,  in  benen 
mitunter  bie  Se^nfu^t  naä)  ber  fernen  $eimat  5um 
5lu5brud  gelangt,  ni^t  mit  ber  gein^eit,  (Blatte  unb  £ie* 
bensEDürbigfeit  ber  fpäteren  oerglei^en  laffen,  fie  rü^* 
men  boc^  bereits  ben  9Jleifter  ber  Spraye  unb  b«s  SBol^l* 
lautes,  ben  fingen  Sergensfünbiger,  ber  bie  £uft  bes  Siebes* 
ft^merjes  tiefer  erforf^t  ):)ai  als  fonft  einer  unter  ben 
beutf(^en  SÜlinnefängern.  ^as  ^nfe^en,  beffen  iReinmar 
bamals  ft^on  genofe,  \n  ber  geimat  unb  am  gürften^of 
ber  Sabenberger,  es  bünft  uns  ein  iDo^lerroorbenes. 

Diefer  S0lann  roar  ber  fiel^rer  2Balters  oon  ber  SBogel* 
iDcibe. 


ni. 
V7alters  HnMnge 

So  3temli^  allen  fübbeutf^cn  Stämmen  t|t  bte  Sei« 
mat  SIßalters  [(^on  jugeba^t  toorben :  ben  bemannen  unb 
insbefonbere  ben  S^toei^ern,  bann  ben  gtanfen,  hen 
£)fterrei^ern  im  allgemeinen,  ganj  oome^mli^  ben  Xho^ 
lern;  eine  fpöte  ]ä)h^U  Überlieferung  b^r  S0leifterfänger 
nennt  i^n  unter  ben  groölf  ^l^nen  il^rer  ilunft  unb  be3ei^= 
net  i^n  als  Jßanb^errn  aus  23ö^men.  Sieben  [i^  fol^e 
Dinge  burc^  SöoIIsabftimmung  entf^eiben  unb  finge  man 
^eute  bamit  in  Xirol  an,  fo  bliebe  fein  3tt>eifel,  bafe  2Bal= 
ters  SBater^aus  ber  SBogeltoeibel^of  im  Jßa^ener  9tieb  ge* 
roefen  fei,  untoeit  oon  bem  f^neüfliegenben  (Eifad,  in 
einer  ber  ft^önften  ©egenben  bes  ^errli(^en  Sübtirol.  (£s 
ift  ein  unbanfbares  ©efd^äft,  über  bie  lebhafte  5Begeifte= 
rung,  toel^e  bies=  unb  jenfeits  bes  93renner  aufgeflammt 
ift,  einen  Strom  fü^ler  (Srujögungen  unb  5Bebenfen  3u 
leiten,  aber  es  mug  bod^  geft^e^en,  roollen  fi^  bie  beut= 
]i)tn  ip^ilologen  nxä)t  bem  SBoriourfe  ausfegen,  bafe  au^ 
il^nen  ber  3öuber  roilÜommener  Selbfttäuf^ung  bas  ruhige 
Urteil  gefangengenommen  ^abe. 

2Bas  roiffen  toir  oon  SBalters  ©eburtslanb,  loas 
fönnen  mix  roiffen?  äJlit  ^usnal^me  bes  ermähnten  9Kei« 
fterfangerfpru^es,   bem  niemanb  irgenbroel^e  ?Iutorität 


bcttncffen  totrh,  Bcft^cn  toir  fem  ctnjtgcs  3^^9i^i5  aus 
bem  SKittcIaltcr  unb  ber  nät^ftangrcnjcnbcn  3^^^,  bos 
auf  eine  toennglet^  nur  münblt(^e  OB  erlief  erung  5urü(i* 
ginge  unb  uns  bie  §eimat  bes  Did^ters  befunbete.  (Er  felbft 
fagt  uns  ni(^ts,  er  nennt  fi(^  nic^t  einmal  mit  üollem 
Sflamen,  nur  bie  ^uffd^riften  über  ben  Sammlungen  feiner 
©cbid^te  unb  bie  lobenben  ober  flagenben  SBerfe  feiner 
3eitgenotfen  machen  uns  bamit  befannt.  2Bo  liegt  nun 
bie  SBogeltoeibe,  ber  SBalter  entftammte?  Sei  anberen 
Dichtern  genügt  \At  Eingabe  eines  Drtsnamens,  um  bie  $ei= 
mat  fi^rsufteüen,  fo  \it\  2BoIfram  Don  (Ef^nbac^,  bei 
©ottfrieb  Don  Stra^urg,  bei  SBimt  oon  ©raoenberg,  bei 
ben  meiften  SDlinnefängern.  Jßeiber  gerabe  \it\  2Balter 
ni^t,  benn  ,,SBogeIiDeibe''  ift  feine  Stabt,  fein  Dorf,  feine 
95urg,  fonbem  bejei^net  als  glurname  otelleic^t  nur  einen 
abiigen  ^nfi^,  ein  feftes  Saus  mit  einem  fteinemen  3:urm, 
gonj  bef^eiben  unb  unberü^mt.  (Es  gab  oiele  fol^e  fleine 
SRitter*  ober  Dienftmannenfi^e,  roie  uns  tv\t  fel^r  inter= 
effante  Sc^ilberung  ber  3iiftönbe  Deutfc^lanbs  aus  jener 
3eit  belehrt,  toir  finben  fie  au^  l^eute  no^  in  Slkftfalen, 
am  IR^ein,  'v\  granfen,  in  Xirol  unb  ber  S^toeis.  Der 
5Rame  „SBogelroeibe"  fclbft  ^ilft  uns  gar  ni(^t  loeiter,  benn 
in  oerf^iebenen  (Segenben  Sübbeutfc^lanbs  l^aben  \\^  ni^t 
weniger  als  oier^e^n  Drte  biefes  S^amens  na^roeifen  laffen, 
an  benen  SBögel  entroeber  gefüttert  rourben  ober  auf  ber 
SDßanberung  mit  SBorliebe  einsufallen  pflegten.  Der  SBor* 
3ug  ber  fübtiroIif(^en  ;,SBogelu)eibe'^  bag  fie  nämli^  im 
3PlitteIaIter  ertDiefenermafeen  ein  f leiner  (Ebelfi^  roar,  ift 
nur  gan5  f^einbar,  benn  unter  ben  übrigen  ,;5Bogelu)eiben" 
fann  es  no(^  mehrere  abiige  gegeben  l^aben;  in  ben  aller*- 
feltenften  gällen  reicht  unfere  auf  Xlrlunben  geftü^te  5lennt* 
nis  fo  ©eit,  bies  oon  alten  Söfen  3U  erroeifen.  (Es  ift 
nun  allerbings  mögli^   Bie  3ö§I  ber   SBogelroeibe^öfe 

©  dö  ö  n  B  a  ^ ,  SBotter  Dort  ber  SSogelweibc.  4 


42 

enger  311  Begrenjen,  unb  jiDor  bur^  cht  §ilfsmittel,  bas  mit 
2BaIters  ©ebt^tcn  felbft  entnel^mcn. 

Die  pftfc^e  fiprtf  legt  fd^on  m  t^ren  5Infängen  bas 
grdfete  (5tm\ä)i  auf  feine,  gebilbete  Spraye  unb  insbe* 
fonbere  auf  SHeinl^eit  ber  9?ctme;  ein  (Erforbernis,  bas 
bur(^  bie  genouejtens  mit  ber  I)i(5tung  uerbunbene  SJhifif 
5en>orgerufen  tourbe.  So  finben  ]\d)  in  ber  Xai  nur  hti 
ben  allererften  Prägern  bes  StRinnefanges  etliche  9leim« 
ungenauigfeiten,  bei  ben  näd^ftfolgenben  überl^aupt  feine 
me^r  ober  ^öc^ftens  UngenauigfeiteU;  bie  bloß  für  unfer 
^uge  in  ber  S(i^rift  befte^en,  in  ber  bamats  übli^en 
Spret^roeife  jcboc^  ocrf^roanben.  Unter  biefen  unebenen 
^Reimen  gibt  es  eine  befonbere  ?Irt,  [ol^e  nämlit^,  bie  nur 
unter  ber  SJorausfe^ung  munbartlic^er  5Iusfpra(^e  ganj 
genau  finb,  unb  biefe  bienen  uns  feIb[tDer[tanbIi(^  als 
SKerlseid^en,  bur(^  bie  roir  ben  !t)ialeft  bes  Dieters,  fo* 
mit  fein  gcimatlanb,  3U  bcftimmen  oermögen.  Der  met^o» 
hi]^t  ©runbfa^  gilt  au^  no(^  für  oiel  fpatere  3^^^:  an 
S^illers  ungenauen  5?eimen  erfennen  toir  ben  St^uiaben. 
SBalter  oon  ber  SBogeltoeibe  l^at  in  feinen  ^oefien  stoei 
fol^er 9?eime  gebraucht  (ni^t:  liep,  oeru)orren:pfar* 
ren),  mt\ä)z  gans  rein  finb,  toenn  bie  ^lusfprat^e  bes  bai)* 
rif^*öfterrei^if(^en  Dialeftes  bafür  angenommen  roerben 
barf ;  bie  3uge5örig!eit  bes  Dichters  ju  biefem  Sßolfsftamme 
ift  alfo  gan5  gioetfellos,  loenngleti^  neueftens  and)  batoiber 
SBebenfen  auftreten.  5Run  ift  mit  fol^em  (Ergebnis  frei= 
lic^  no^  ni(^t  fe^r  oiel  gewonnen,  benn  biefer  Dialeft 
iDurbe  in  Ober^^Bapem,  in  £)fterrei(§  ob  unb  unter  ber 
(£nns,  in  Saljburg,  teiltoeife  in  Steiermarf,  Äämten  unb 
Xirol  gefproc^en.  3^ro^bem  ^ört  an  biefem  5^n!te  f^on 
unferc  Sic^er^eit  auf,  alles  ©eitere,  toas  loir  ettoa  behaupten 
fönnen,  finb  SBermutungen  unb  ^Kombinationen  pon  93cr* 
mutungen.    SBenn  unter  ben  mögli^en  ßanbf^aften  §cute 


43 

in  ber  öffcntUd^n  SReinung  Xirol  bic  crfte  Stelle  ein« 
nimmt,  fo  ocrbanft  es  bies  nur  bem  Gifer  unb  ber  ^Betrieb* 
fam!eit  feiner  33ertreter;  aber  feinesroegs  ber  befferen  95c* 
f^affen^cit  ber  ©rünbe;  oon  einem  Seioeife  !ann  über= 
^aupt  gar  nid^t  bie  9{ebe  fein.  Die  Qaä)^  fte^t  ^eute  um 
ni^ts  beffer,  als  fie  cor  40,  oor  30  nnb  25  ^al)Xtn 
ftanb:  alle  S^Iüffe,  bie  man  für  Xirol  oorgebrac^t  l^at, 
fangen  DöIIig  in  ber  £uft,  alle  ^iftorif^en  (Erörterungen 
oerbi^ten  fi(^  nirgenbs  3U  etroas  ©reifbarem,  fie  entbel^^ 
ren  alles  tatfä^li^en  Hntergrunbes.  Das  fei  l)ier  gan5 
no^brüdlic^  feftgeftellt,  unb  aud^  bie  von  me^r  Segeifte* 
rung  als  äRet^ob«  eingegebenen  Si^riften  ber  alleriüng= 
ftcn  3^i^  änbern  niä)i  ein  ^ünftc^n  an  biefem  Sa(^per= 
^alte. 

^m  (Gegenteil :  bie  Sad^e  Xirols  ftel^t  oerl^öltnismafeig 
fi^let^ter  als  bie  anberer  fianbf(^aften,  oon  benen  man 
oicHei^t  Steiermar!  unb  ilärnten  geu)iffer  allgemeiner  Hm= 
ftänbe  u)egen  roirb  ausf^lie^en  bürfen.  Denn  ni^t  ein 
einjiger  ^ufent^alt  SBalters  in  3:irol  ift  na^geioiefen. 
Sollte  er,  umf^roeifenb  roie  er  hk  33klt  bur^fu^r,  nie* 
mals  bas  ^Bebürfnis  empfunbcn  l^aben,  in  bie  Serge  feiner 
f(^önen  unb  bamals  au^  reiben  §eimat  surürfsufe^ren, 
unb  follte  er  uns  bas  nirgenbs  angebeutet  f)ahm?  9^i^t 
bie  geringfte  Spur  ^ai  bie  eigentümliche  ©rogartigfeit  tiro= 
l\]ä)ex  Sjenerie  in  feinen  ©ebi(^ten  ^^nterlaffen,  fein  poe= 
tif^es  93ilb,  fein  3^9  oo^  9^aturbef$reibung  ftammt  bort* 
^er.  ^nbererfeits  bilbet  9Zieberöfterrei(§  unb  ber  Sof  ju 
9CBien  im  2Be^fel  oon  SBalters  ^a^xUn  ben  einäigen 
feften  ^unft:  mag  er  geioefen  fein,  mo  immer,  bis  an  bie 
©renken  bes  Deutf^en  9?ei(^s  im  2Beften  unb  5Rorben, 
ftets  feiert  er  ba^in  jurürf,  unb  bas  einjige  urfunbli^e 
3eugm5  über  i^n,  bas  roir  befi^en,  ujeift  uns  einen  früher 
unbefannten  ^ufenti^alt  SBalters  in  Üfterreic^  na^.    93er* 

4* 


44 

fäl^rt  unb  überleöt  man  o^ne  jebe  SBorctnöenommcn^it, 
fo  l^at  $Ricberö[tcrrci(^  ben  bcften  ^nfpru(^,  als  btc  gcimat 
b€s  Dieters  angefel^cn  ju  tocrben.  Dafür  fprc^en  bte 
bcibcn  Stellen,  in  benen  2Balter  biefes  fianb  erroo^nt, 
bafür  oteIIei(^t  feine  3^^"ii"9  ^on  ©egenbcn.  3^^^5= 
falls  läfet  ft$  au^  biefe  ^Tnfi^t  surseit  ni^t  erioeifen. 

5Run  roirb  ja  fein  SBerftänbiger  ben  Xirolern  i^re 
grcube  an  2ßalter  oon  ber  S^ogeltoeibe;  beffcn  3beal= 
geftalt  ber  allju  frül^  uns  entrifjene  2Rei[ter  §einri^  Blatter 
auf  bem  3o5ö""^5plal3  3U  SBo5en  (eine  9la(^bilbung  fielet 
in  bicfem  93u^e  nebenan)  aufgerichtet  l^at,  mißgönnen 
roollen.  ^Riemanb  '^at  me^r  baju  getan,  bas  ^nbenfen 
äßalters  aufgufrifd^en  unb  ben  Sinn  ber  ©egenroart  ba= 
für  ma^  3U  erl^alten,  als  thtn  bie  ^^iroler,  benen  ft^on 
lange  ein  jtarfes  ©efü^l  für  bie  l^eimatli^e  ßanbft^aft 
unb  i^re  (g^re  eigen  ift.  3)as  muffen  roir  alle  i^nen 
banfen.  Unb  es  toäre  auc^  f^roer,  einen  £)rt  aus3ufinben, 
tDo  2ß alters  I)en!mal  paffenber  ftünbc  als  bort  an  ber 
(5ren3e  oon  Deutf^  unb  2Belf^,  an  ber  Straße,  auf  ber 
fo  oiele  beutfc^e  SJlönner  alter  3^^*  3^^^  $ecrfa]^rt  nac^ 
bem  Süben  gesogen  finb  unb  fo  oiele  I)cutf^e  neuer  3^it 
nac^  Italien  o^anberten,  um  bort  aus  bem  farbigen  Jßeben, 
ber  £anbf^aft,  ber  Runft  fi^  SJlut  unb  5tif(^e  für  bie 
f(^affenbe  Arbeit  ^eimsul^olen.  ^uf  bem  SD^arfte  ber 
malerif(^en  ilauf^errnftabt,  bei  il^ren  IRebenge^ängen  unb 
5ru(^t!örben,  im  9?a5men  ber  lounberoollen  Serge,  unter 
bem  blauen  §immel,  umioe^t  oon  ber  loei^en  unb  roarmen 
-ßuft  —  ioel(^em  Steinbilb  eines  beutf^en  X)i(^ters  ift 
eine  ft^önere  Stätte  bef^ert?  — 

C^tioas  beffer  finb  roir  über  bie  3^^*  ^0^  2Balters 
©cburt  unterrii^tet.  "üflaä)  Angaben,  rocl^e  ber  Xxd}ttx  in 
einem  feiner  fpateften  £ieb«r  über  bie  oierjig  ^a^xt  maä^i, 
bie  er  nun  fc^on  gefungen  ^abt,  fann  er  ni^t  lange  x>or 


Denfmal  in  Bo3en 


45 

1170  geboren  fein  unb  mug  etroa  in  ber  jtDettcn  Salfte  ber 
a(^t5iger  Sa^re  fein  poetif^es  ßebenstoerf  Begonnen  ^aben. 
^Ifo  bürfen  mir  es  ja  ^ei^en,  benn  SBalter  trieb  feine 
:Di^tung  als  Seruf,  er  o^rf^affte  \x^  ben  Sebensunter^aU 
bamit.  80  fid^r  es  ift,  bafe  SBalter  einem  eblen  ©ef^Ie^t 
angehörte  —  b^n  gesiemenben  3:itel  „$err"  gibt  er  fi^ 
felbft,  unb  feiner  feiner  3^itgenoffen  nennt  i^n  anbers  — 
fo  geiDiS  auä)  ift  SBalter  arm  geroefen.  (£r  xoar  no^  ärmer 
oIs  SBoIfram  t>on  (Ef^enba^,  benn  biefer  befofe  bo^  für 
fi^'nnb  Slkib  unb  5linb  einen  Surgftall,  jroar  ein  bürftiges 
Seim,  aber  bo(^  ein  eigenes  Dat^;  Spalter  hingegen  ent= 
beerte  biefer  3uflu^t,  erft  fpöt  ^at  er  fi^  felbft  bur^  feine 
5lunft  ein  3^«sgut  erujorben.  (£inem  jungen  5ERanne  oon 
feiner  Ittbfunft  unb  feinen  ^ßer^ältniffen  ftanben  bamal^ 
nic^t  all3u  oiele  2ßege  offen,  ^m  nö^ften  lag  es,  in  ben 
Dienft  eines  größeren  Serrn  3U  treten,  mit  beffen  Cöefc^id 
bas  eigene  5U  oerflet^ten,  feine  gelben  3U  f^Iagen  unb 
fein  23rot  3U  cffen.  TOen,  bie  fic§  etwas  IBilbung  ange= 
eignet  ^aittn,  mar  ber  geiftli^e  Stanb  3ugangli(^;  roer 
aber  au(^  basu  feine  Steigung  füllte,  roas  fonnte  ber  tun? 
2Bir  u)iffen  ni^t,  loel^e  ßebensplane  2BaIter  ge^gt  l^at, 
mir  fönnen  nur  permuten,  baß  er  bur(^  irgenbeine  3}er= 
binbung  an  ben  §of  Sersog  ßeopolb  V.  na^  Sßien  ge= 
fommen  ift,  um  bort  na^  einer  Stellung  3u  fut^n.  2Ba^r= 
f^etnli^  ^at  er  als  iBeiläufer  eines  oornel^men  §errn 
ober  in  bem  (Bbelgefinbe  bes  Ser3ogs  felbft  feine  ^la^rung 
gcfunben  unb  babei  ©elegenl^eit,  fid^  in  ben  ^öfif(^en 
5lünften  aus3ubilben ;  jebesf alls  l^at  er  fic^  bem  angefe^enen 
SKeifter,  gerrn  5Reinmar,  angef(^loffen,  —  ber  3EDar  um 
ctroa  se^n  ^a^xe  älter  mar  als  SBalter,  ein  Xlnterf(^ieb, 
ber  in  ber  3^genb  fe^r  oiel  beträgt,  —  unb  ift  fein  Si^üler 
gctoorben,  oielleii^t  au^  o^ne  bafe  biefes  SBerl^ältnis  eine 
ganä  beftimmte  äußere  gorm  annal^m. 


46 


9letnmar  ^attc  in  Öftcrreid^  noc^  Jortf^rittc  gemalt 
unb  ]\ä)  auf  bte  gö^c  feiner  5hinft  gefd^toungcn.  Gs  ift 
i^m  an^  QtQlMt,  ^icr  eine  neue  §errin  3U  finbcn,  ber  er 
fortan  feine  £ieber  roei^t.  „©eglüdt"  barf  man  ido^I 
fageU;  oBgleid^  bem  Dieter  feine  £iebe  ^auptfa(^Ii(^ 
Sinters  bereitet  ^at,  benn  fie  ift  bo^  ber  Sorn,  aus  bem 
er  immer  f(^öpft,  unb  au^  ben  Sc^merj  geftaltet  er  jur 
5llage  nxä)t  o^ne  has  be^agli^e  ©efü^I  bes  erfolgreit^n 
Mnftlers.  OTes  brel^t  fi^  in  S^einmars  ßiebern  barum, 
bafe  er  ber  geliebten  $errin  feine  2Bünf^  vorträgt,  bafe 
fie  bie  (Erfüllung  i^m  üerfagt,  aber  i^n  hoä)  roieber  cr= 
mutigt.  Das  ftellt  ber  Dichter  mit  einer  rDir!li(^  ftaunens* 
werten  50lannigfaltig!ett  ber  SDlittel  bar:  balb  !ü^n  oor= 
bringenb;  balb  fa^te  3urüdtoeid^enb,  in  linben  unb  fü^en 
SBitten,  bann  fle^enb  unb  3^ränen  in  b^r  Stimme  ober 
au^  in  5llagen,  bie  alle  TOftufungen  von  ber  Sße^mut 
bis  3ur  §erbigfeit  burt^meffen.  Gr  bringt  ftets  ^b* 
roc^flung  in  bie  Situation,  inbem  er  bie  feinften  ^bbilber 
aller  feiner  Stimmungen  vorträgt  ober  fie  in  bie  Seele 
ber  grau  ^ineinrefleftiert.  (Er  empfinbet  geroife  ebenfo 
unmittelbar  roie  jeber  anbere  roirlli^e  Dichter,  auf  feine 
$örer  jebo^  mufe  er  alles  bur^  ein  äRebium  ber  Objefti* 
oierung  toirlen  laffen,  was  uns  bann  ben  (Einbrud  mat^t, 
als  ob  er  fclbft  fi^  beftänbig  in  9^efIexion  bewege.  3" 
ber  %at  gibt  es  feinen  fubjeftioeren  Dieter  als  9teinmar. 
X)er  ganje  Stoff  feiner  ^oefie  wirb  huxä)  Stimmungen 
gcbilbct:  Se^nfu^t  unb  3^rauer  geben  bie  ©runbaüorbe, 
greubigleit  fe^t  mit  gelleren  Xönen  ein,  aber  biefe  greube 
ftellt  oon  ber  2^rauer,  bie  5Reinmar  3um  9JlerfmaI  ^öfif^en 
Sanges  erhoben  l^at,  gar  ni^t  fo  weit  ab.  Seine  3^rauer 
ift  ein  weid^es  3ßi^fne6en  unb  bie  greube  ein  a^nlic^ 
f^mel3enbes  (Befugt,  fe^r  oerf^ieben  oon  ber  Reiter  ge» 
fteigerten  Jßebensempfinbung,  bie  wir  ^eute  barunter  be* 


47 


greifen.  Ungemein  luenig  Xat]aä)li^t5  finb^t  \xä)  in  Jeinen 
Jßiebem.  35erfteigt  \iä)  9?ctnmar  3U  bem  für  i^n  be* 
3ei(^nenben  2Bunf^c,  nur  einmal;  fei  es  auc^  blo^  jum 
Scheine,  bie  ©eliebte  im  5lrm  5U  galten,  fo  ift  er  glei^ 
iDieber  fo  befc^eiben,  bafe  ein  Heiner  f&oU,  ber  i^m  abenbs 
ein  paar  goffnung  fpenbenbe  SBörllein  ber  Serrin  über* 
bringt,  ft^on  fein  Serj  freubig  eräittern  maä)t,  bann  fteigt 
fein  $0(^gefü5l  empor  roie  5ur  Sonne!  Dag  in  folt^en 
Stellen  bod^  (g^tes  ftecft,  erfie^t  man  aus  bem  ft^Ii^ten 
2Bort :  „id^  hin  bein",  in  bas  ber  X)i^ter  ein  anberes  90^al 
feine  ßeibenf^aft  jufammenfaßt,  ober  aus  bem  frönen 
Jßiebe,  iDo  hk  ßiebe  in  ©eftalt  ber  $errin  felbft  burd^  bie 
^ugen  3U  feinem  fersen  bringt  toie  ein  geroappneter 
SKann,  ber  auf  $Raub  aussieht,  bem  niemanb  3U  U)iber= 
jte^en  t^ermag.  Ittui^  hti  9ieinmar  finbet  fic^  bas  SBilb 
Dom  galten  einmal,  aber  roas  ift  baraus  geioorben!  Der 
Sänger  t>erglei^t  fic^  unb  Jein  allsu  fü^nes  Sßünfd^en  mit 
bem  galfen,  ben  fein  roilber  Sinn  fo  \)oä)  trägt,  ber  über 
bes  Rogers  ©ebot  nad^  S3eute  ftrebt  unb  bes^alb  nur 
35erluft  etn^eimft.  ©egen  feine  £eibenf^aft  gel^alten  fi^eint 
9teinmarn  alles  fonft  in  ber  Sßelt  nur  u)enig  (ginbrud  3U 
machen:  er  lel^nt  es  ab,  pon  ben  Slumen,  oom  grü^ling 
unb  SBtnter  3U  fingen,  benn  er  ^at  S3efferes  3U  tun;  ber 
Xob  feines  ©önners  gersog  Jßeopolb  ergreift  i^n  3iüar  tief, 
lä^t  aber  hod)  noc^  feiner  fiiebesflage  9laum,  unb  felbft 
bie  übernommene  5lreu3fa]^rt  fann  t^m  bie  fe^nfü^tigen 
C5ebanfen  ni^t  t>ertreiben,  bie  um  bas  $aupt  ber  ©eliebten 
flattern. 

2Bir  finb  5eut3utage  niä)t  fä^ig,  biefem  Did^ter  gereti^t 
3U  toerben,  toir  empfinben  bie  SBorausfe^ungen  feiner 
^oefie  ni(^t  mit.  Uns  erft^einen  feine  £ieber  man^mal 
unmönnlii^,  blag,  eintönig,  alläu  berebt;  feine  3ßit9^* 
noffen  ©aren  bat>on  entsüdtt.    9teinmar  übertreibt  gewiß 


48 


mä)i,  wenn  er  bic  grau  sögern  la^i,  oh  fie  bem  Dichter 
feinen  Sang  oerbteten  folle,  ba  i^r  bann  bte  £eute  fluten 
tDürben,  er  rül^mt  ft^  ntc^t  mit  Hnret^t,  bafe  er  bic 
SJlenf^en  „^o^"  unb  „]^unberttau[enb  fersen"  ^ö^er 
[plagen  gemacht  ^abt.  Diefe  bebeutenbe  SBirfung,  bie 
yiä)  in  IReinmars  ^nfe^en  nnb  [einem  ßinfluS  auf  fo 
Diele  junge  Sänger  seigt,  !ann  ni^t  allein  in  ber  überaus 
äierli^en  gorm,  ben  loed^feloollen  Stropl^engeböuben,  ber 
fi(^erlid&  reijenben  unb  feinen  SJlufif,  auä)  n\6)t  in  ber 
Haren,  rool^Itönenben  Sprache  begrünbet  geroefen  fein. 
®erabe  ber  ^i^^^It  mufe  für  bie  ritterliche  ©efellf^aft, 
in  ber  9?einmar  lebte,  befonbere  2Bi(^tigfeit  gehabt  l^aben. 
Diefe  Eingabe  an  eine  leibenf(^aftlic^e  ßmpfinbung,  biefc 
SBeife,  fic^  in  ein  ©efül^I  fo  gans  5U  uerlieren  wk  m  einen 
3;raum,  fit^  i^m  3U  überlaffen  unb  t)on  i^m  getragen  3U 
ujerben,  fie  mufete  für  bie  l^arten  felbftfüc^tigen  Rrieger 
unb  ipolitifer  am  Sabenberger  Sofe  einen  beftridenben 
lRei5  ^oben.  Äam  bas  alles  bann  im  ©eleite  ber  ritter^ 
li^en  SKobe  unb  i^rer  feinen  Lebensformen,  fo  oerftel^t 
Yxä)  bie  übertDältigenb  ftarfe  2Birfung  oon  ^Icinmars 
Jßiebern,  tjerfte^t  fic^  bas  iBebürfnis  na(^  bem  Doppel* 
leben,  bas  5. 5B.  in  ber  ^erfönlic^feit  Hlrit^s  oon  fiie^ten* 
ftein  3um  ^usbrud  !ommt.  9Kan  l^at  ben  [teirif(^«öfter== 
reic^if(§en  fianbl^errn  einen  Don  Quijote  genannt,  bas 
ift  aber  nur  teilroeife  richtig,  weil  er  mit  feinen  Si^rf^^^^ten 
ber  Jßiebe  immer  gan5  reale  Unternehmungen  im  S^tereffe 
bes  fteirif^en  ^bels  oerbinbet;  oicl  e^cr  roäre  etroas  oon 
ber  ^rt  bes  ^^i^^^is  be  la  50Zanc^a  ft^on  in  ber  SBelt* 
t)erfun!en]^eit  9?einmars  ju  fpüren.  Das  foll  aber  gar 
fein  3^abel  fein  —  roer  roügte  nid^t  Don  Quijotes  rü^renbe 
Seite  3U  finben?  —  fonbern  nur  ein  33erfu(^,  bas  2Befen 
^leinmars  begreiflich  ju  machen.  Darum  fagt  man  !aum 
3utreffenb,  9?einmar  §abe  bie  ^oefie  ärmer  gemacht,  inbem 


49 


er  il^re  ilreife  ocrcngt  ^cibe;  delmc^r  ^at  9lemmar  fie 
bereichert;  ta  er  bie  (gmpfmbung  t>crtteft,  alle  fpra(^Ii(^en 
TOttel  Deroielfälttgt  unb  in  ben  Dten[t  ber  erroeiterten 
tttufgabc  gefteüt  §at.  Ohzx  glaubt  man,  SBalter  l^ätte 
o§ne  iReinmars  Sä)uU  fo  let^t  bie  geiftige  greil^eit  ge= 
funben,  müä^t  i^n  fein  menf^Iic^es  ©efü^l  in  bie  SBelt 
jubeln  liefe? 

©etDtfe  ift  einer  folc^en  fubjeftiuen,  ib«ali[tif(^n  Di(^* 
tung,  ©ie  IReinmar  fie  trieb,  nur  eine  furse  Spanne  bes 
Erfolges  bef^ieben.  IReinmar  ^at  felbft  erleben  muffen, 
bafe  man  anfing,  fit^  üon  feinen  £iebern  absulel^ren, 
ha)i  man  über  bas  ^Iter  ber  lang  befungenen  §errin 
fpottete,  Utib  es  gebri^t  i^m  au^  nit^t  an  Selbftironie, 
mit  ber  er  auf  fein  ergrauenbes  Saar  anfpielt.  Dabei  mag 
bie  grage  gan3  unberührt  bleiben,  intüieioeit  IReinmars 
Jßieber  naio  finb,  bas  fällt  gerabe  hti  feiner  ^rt  oiel 
roeniger  ins  (Setoid^t  als  man  meint:  in  9?einmars  roeic^er 
Seele  Hangen  hh  einmal  angef^lagenen  Saiten  immer 
fort,  leifer  unb  ftärler,  roie  ber  ^tem  feines  ßebens  an 
fie  f^lug.  Si^erli(^  aber  ^aben  \xä)  feine  3^i^9^ttofN 
toenig  um  bie  (£^i^txt  befümmert,  fonbern  fit^  an  ber 
5Ben)eg:ung  gefreut,  bie  SReinmars  ^oefie  in  i^re  ©emüter 
brachte,  unb  bie  burc^  etli^  3^it  ßi^  (Element  ber  l^öfifc^en 
(Ergie^ung  rourbe.  (Es  foll  nid^t  behauptet  roerben,  bafe 
9?einmar  ror  2Balter  fte^t  toie  Slr)\r)  unb  fein  „(Sup^ues'' 
üor  S^afefpeare;  aber  nic^t,  loeil  es  an  fi(^  fo  fel^r  falf^ 
roäre,  fonbern  toeil  man  mit  bem  „(Eup^uism"  ber  eng* 
lifd^en  Jßiteratur  eine  irrige  unb  einfeitige  S5orftellung 
oerbinbet  unb  babei  gans  oerg'ifet,  toie  beb^utenb  biefe 
SRit^tung  auf  S^afefpeare  loirfte,  unb  roie  uncntbel^rli^  Jie 
für  i^n  roar  als  (Segengeroi^t  roiber  5lt)b  unb  SCRarlomc. 
(Setoiffe  einfeitige  IHi^tungen  muffen  ftets  bur^  bebeutenbe 


50lcnf^en  otrtrcten  fein,  rocnn  ein  ©rofecr  [te  5U  ctn^ctt« 
lieber  5öoIIenbung  t>erbtnben  foll.  — 

2Bir  l^abcn  von  SBaltcr  feine  fiieb^r  aus  einer  3^^* 
erl^alten,  bie  oor  feiner  SBefanntfc^ft  mit  ber  ^oefie 
SReinmars  läge.  3^^  t^n  älteften  Stüden  bereits  fc^Iägt 
ber  (£in{Iu6  bes  Jßel&rers  mö^tig  bur^,  unb  es  i[t  n\ä)i 
unintereffant,  bafe  oielleic^t  bas  erfte  ber  uns  beroa^rten 
(5ebi(^te  2Balters  (fi.  90,  15)  über  bie  Dürftigfeit  unb 
£)be  ber  2Belt  flagt.  Das  finb  nur  leere  Jormeln,  bie  ba 
5ujammengetragen  toerben,  bie  (Erfal^rung  fe^It,  TOfemut 
fpri(^t  aus  bem  Jüngling,  bie  2BeIt  gönnt  i^m  feinen 
9laum,  feine  Semü^ungen^  emporsufornmen,  finb  o^ne 
(Erfolg,  überall  fte^t  il^m  feine  trmli(^feit  im  2Bege. 
Solche  SBeltflagen  finben  \iä)  auä)  in  ber  fpäteren  ßiebes» 
bi^tung  SBaltcrs  ungemein  l^äufig,  geroi^  ^at  i^n  biefes 
Oefü^l  ber  Unbefriebigung  in  bie  gerne  geführt,  ift  aber 
3uglei^  ber  Ausgangspunkt  für  feine  le^r^afte  ^oefie  ge* 
njorben.  Darum  ift  es  nur  angelernt  unb  entbel^rt  ber 
Srifc^e  ujirfli^en  Lebensinhaltes,  roenn  2Balter  ein  nät^ftes 
9Kal  (£.  91,  17)  feinen  jungen  (Benoffen  ben  2Bert  unb 
3:roft  ber  Spinne  rül^mt:  fo  fpri^t  oon  biefer  (Baä)t  nur, 
ber  fie  mä)t  fennt.  (Etroas  lebl^after  unb  ein  roenig  an= 
geregt  hmä)  bie  6ommerfreube  f^ilbert  SBalter  in  einem 
anberen  £iebe  (Q.  92,  9),  roie  er  ]iä)  Don  feiner  Serrin  — 
tä)t  reinmarift^  —  me^r  greube  ^offe  als  oom  (Sefang 
ber  5Bögel.  ^ebantift^  lobt  er  feine  Auserroä^lte,  oon 
beren  Xugenben  unb  £iebensn)ürbigfeit  fic^  i^re  S^ön« 
^eit  abliebe  toie  ber  eble  Stein  oon  feiner  golbenen 
gaffung.  S^on  i^r  ^Inblid  ift  liebli^,  —  erft,  roenn  einem 
etroas  23efferes  toiberfä^rt!  3^)01  natürli^  in  allen 
(E^ren;  ein  SRann  trogt  SBorteil  für  fein  fieben  baoon,  auc^ 
falls  il^m  ni^ts  roirflii^  gewährt  toirb. 

Das  ft^merft  alles  na^  ber  Schule  unb  ift  gemacht. 


9?ctnmars  Untcrrti^t  trägt  anä)  in  htm  nää)]Un  Stüd 
(£.  93,  20)  grüßte,  too  ni^t  ol^nc  (5ef(^i(f  unb  gcin^ctt 
hk  Scrrin  als  eine  tool^Iocrflauftc  Surg  befc^riebcn  totrb, 
bic  S(^IüffcI  3U  i^rem  ßcbcn,  i^rcr  Xugenb,  mö^tc  bcr 
Sänger  gerne  geroinnen.  Scibft  bie  $ut,  unter  ber  bie 
grau  ft^  beftnbet,  entmutigt  x\)n  ni^t,  er  ^at  tDa]^rf(^etnIi(^ 
huxä)  fie  nt^ts  einjubügcn,  benn  er  [agt  ganj  ausbrüdlt^, 
bag  er  x\)x  nur  in  ;,IiebeooIIem  2Ba^ne"  bient.  greilt(^ 
reut  i^n  biefe  müßige  Hoffnung  balb  roieber  (Q.  95,  17): 
bas  ift  au(^  gar  n\ä)t  bie  rechte  greube,  bie  man  [xä)  \tlb\i 
nur  einbilbet.  SBa^rl^aft  glüdlit^  aber  [inb  5U  prctfen, 
bic  ]xä)  gegenfeitig  in  Xreuen  ergeben  [inb.  Das  fann 
ein  Xox,  u)ie  es  i^rer  fo  t>iele  gibt,  gar  ni(^t  ermeffen. 
SBiellei^t  ht]U^t  hoä)  auc^  für  il^n  eine  goffnung,  er 
3ä^It  barauf,  bafe  bie  grauen  3U  roä^Ien  Derftel^n  unb 
folc^e  Scanner  oorjie^en,  bie  \xä)  roirflid^  i^rem  X)ienjtc 
loei^en.  —  SlTlan  fie^t,  SBalter  i[t  no^  fel^r  toeit  baDon, 
fi^  ein  beftimmtes  3icl  3^  fteden,  feine  2Bün[^c  finb  no(^ 
frei  unb  ^öften  nur  gelegentlid^  an  einem  grauenbilb,  tote 
ber  zufällige  ^nblicE  feinem  ^uge  besagt,  er  fpielt  mit 
(gmpfinbungen,  toeil  bas  bie  S^^^^^^  lo^nenb  unteri^ält. 
Dafür  aeugt  auc^  fein  nä^ftes  ßieb  (£.  96,  29),  beffen 
SKufif  [e^r  ^übf^  geroefen  fein  toirb.  Gr  be^anbelt  barin, 
üiellei^t  rxaä)  bem  Scifpiel  Sartmanns  oon  ^ue,  etroas 
ironift^  ben  2Bert  ber  „stsete",  bas  ift  ber  treuen  ©e= 
finnung,  ^ier  ido^I  nur  betreffs  ber  $errin.  Diefer  flagt 
er,  bafe  fie  cigentlit^  i^m  oiel  IXngemac^  oerurfa^e,  unb 
u)ünf^t,  üon  i^r  freigelaffen  3U  roerben.  2Bem  bie  3^reue 
bei  ber  ©eliebten  nu^t,  ber  §at  lei^t  treu  fein,  ein 
anberer  roirb  toegen  feiner  2^reue  ^ö(^ftens  ausgela^t. 
Die  $crrin  möge  fein  $eil  bebenfen,  fie  möge  W  SBe* 
[(^eiben^cit  feiner  (£ru)artungen  anetfennen  unb  belohnen, 
©ans  formell  loicber  finb  bie  illagen  bes  nä^ften  £iebes 


52 


(£.  97,  30),  meüetc^t  tft  nur  bas  eine  barm  richtig,  bafe 
SBallers  2Bci[en  nid)t  überall  ben  gen)ünf(5ten  ^nflang 
finbin.  (Er  ärgert  ]xä)  bann  über  bte  ^ufpaffer  unb  über 
bie  S^eugterigen,  bie  bur^aus  ben  Flamen  fetner  ^errtn 
njtffen  toollen,  betbe  fertigt  er  ah. 

(Ein  frifd^rer  3^on  läfet  \iä)  in  einem  folgenben  £iebe 
lytxm^mtn.  IDas  gan3e  ^^x  5inbur(^  (£.  99,  6)  l)ai 
ein  guter  50lann  greube,  SBinters  unb  Sommers,  i^m 
fpenben  fie  bie  grauen.  Unb  ba  nun  ein  SD^ann  5u  ni^ts 
taugt,  ben  ni^t  eine  l^o^gemute  Stimmung  erfüllt,  fo 
motzte  aud^  SBalter  ]x^  gerne  freuen.  (Er  wti^  f(^on, 
bafe  nur  bie  geliebte  gerrin  bies  oermitteln  !ann;  fenbet 
fein  Serj  bie  ^ugen  gu  i^r,  bann  —  fagt  er  mit  einem 
Silbe,  bas  t>on  il^m  auf  ^Reib^art  unb  oon  biefem  3U  bem 
grob  traoeftierenben  StJ^roeiser  Sanger  Steinmar  über* 
gegangen  ift  —  fpringt  es  frö^Ii^  empor,  ^ber  bie 
klugen  bes  $er3ens,  roo  fommen  bie  ^er?  „gragt  i^r, 
mel^e  benn  bie  ^ugen  fei'n,  toomit  i^  fie  fe^'  burc^ 
jebes  £anb:  es  finb  bie  (5eban!en  bes  ^erjens  mein, 
bamit  f(^au'  iä)  huxä)  SPlauer  unb  2Banb".  ^n  biefe 
l^übft^e  fran3öfif(^e  SBenbung  fnüpft  er  bie  95itte,  bafe 
au^  bie  $errin  i^re  (Sebanfen  i^m  sufe^ren  unb  feinen 
guten  SBillen  burc^  ben  i^ren  vergelten  möge.  —  Das 
f^eint  nit^t  vkl  geholfen  ju  ^aben,  benn  ein  nöti^ftcs  £ieb 
(£.  100,  3)  flagt  barüber,  bafe  bie  grau  uon  bem  £obc  bes 
Dieters  ungerührt  bleibt.  Unb  bo^  söge  er  i^ren  Dan! 
jebem  anberen  üor,  ben  er  lei^t  fänbe:  „grember  grauen 
fiob  fönnt'  xä)  genießen,  —  motten  fie  barob  ftets  glücf» 
\xä)  fein!  ^ber  ©iber  meiner  Serrin  särtli^  (Srüfeen 
bünft  i^r  aller  Danf  mi^  toinjig  Hein".  —  (Ein  anbermal 
tritt  ber  Dichter  bereits  in  einer  9lone  auf  (£.  112,  35), 
ber  bes  Soten,  bie  er  fpäter  fo  oeroollfommt  l^at.  Die 
grau  fon  i^rem  iHitter  feinen  Rummer  roenben,  i^m  greube 


53 

bereiten,  er  fhigt  bafür  U)t  JÖob  unb  tut  fein  IBeftes.  !t)te 
Serrin  jcbo^,  rocld^c  bie  Sitte  roo^I  t>erftc5t;  mti]t  fie  ah, 
benn  fie  roill  nur  hu  gcrabe  Strafe  btr  (E^rbarfcit  ge^en 
unb  \id)  nxä)t  auf  bic  frummen  gufepfabe  pcrirren,  bie 
überall  neben^erlaufen.  —  3n  munter  fpringenben  Daf^ 
ix)Un  (Q.  110,  13)  rül^mt  SBalter  nun  ben  roten  iölunb 
ber  .^lau,  roelt^  il^m  freunblic^  lo^elnb  begegnet  ijt: 
„Seil  fei  ber  Stunbe,  ba  iä)  fie  erfannte,  bie  mir  ben 
Jßeib  unb  ben  Sinn  l^at  bejroungen,  feit  iä)  mein  Serj 
an  bie  §errin  gar  roanbte,  aus  bcm  bie  3^eure  mic^  felbft 
^at  Derbrungen.  So  fann  i^  je^t  mi^  oon  i^r  ni^t 
me^r  f^eiben:  bas  ^ai  il;re  St^ön^eit  unb  ©üte  gemacht 
unb  i^r  roter  'SRunh,  ber  fo  lieblit^  mir  lad^t."  —  Der 
gehobene  9Wut  ift  ettoas  gebämpft  in  einem  anberen  Jßiebe 
(jC.  121,  33),  worin  ber  jugenbfro^e  Sdnger  über  bie  TOen 
fc^ilt,  roel^e  bie  SBelt  fo  traurig  finben.  £eiber  f^einen 
|te  re^t  ju  behalten,  benn  bie  2BeIt  ^k^t  ben  rei^n 
2;oren  bem  armen  5llugen  oor.  —  Das  loar  ujo^I  eine 
eigene  bittere  (Erfahrung  2Balters. 

Dem  feineren  grauenbienfte  menbet  fi(^  ber  Dieter 
mit  einem  f(^önen  fiiebe  (TOnnefangs  grü^ling  152,  25) 
3u  unb  er  um^ft  ]iä)t\xä)  mit  feiner  Aufgabe.  ^Iles  ift  in 
biefem  unb  in  ben  anfc^liefecnben  Stüden  oiel  ooller  unb 
reid^er  als  oor^er.  (Sine  Weitere  Stimmung  fpri(^t  ]ä)on 
aus  ben  erften  SBerfen:  „©cme  lebt'  \ä)  naä)  ber  fieutc 
SDlunbe,  nur  bleiben  fie  bei  i^rem  2Bort  ni^t  fte^n:  ge* 
«Pinnen  fie  oon  meinem  ©lüde  i^nbe  unb  loirb's,  ba^  fie 
mi(^  froren  SJlutes  fe^n,  fo  tabelt's  einer  mir  suleibe,  ein 
anbrer  finbet  e^reno^oll  bie  greube.  3^  ^oeiS  ni^t,  roem 
i^  folgen  foll;  roar'  i^  nur  u)eif'  unb  flug,  gern  mac^t' 
i^  alles  ujo^l."  SBielleic^t  läßt  \iä)  bas  IRe^te  im  Dienft 
einer  gerrin  erlernen,  unb  fo  toenbct  fi^  2Balter  an  bie 
grau  mit  ber  SBitte,  tjr  Diener  fein  5u  bürfen.'  Das  wirb 


54 

il^m  gemalert,  [(^on  erfreut  [t^  ja  ber  Dichter  eines  ge= 
lüiffen  ^nfel^ens;  nur  für^tet  bie  Dame,  bag  SBalter  es 
ntd^t  ganj  treuli^  meine;  (Sott  [oII  i^r  Reifen,  be[[en  ge= 
tüife  3u  roerben.  ^od)  i[t  alfo  ni^t  alles  Aar,  unb  ber 
Sänger  ^at  trübe  Stunben.  —  Das  fpri^t  ber  (Eingang 
bes  nä^ften  Siebes  (fi.  13,  33)  aus:  „mar\ä)ex  fragt 
mi(^  um  mein  £eib  unb  fagt  mir,  ba^  es  nic^t  oom  §cr= 
3en  gel^e.  Der  oerliert  \>oä)  feine  3^it,  benn  i^m  roarb 
nie  üon  rechter  Qkht  iceber  roo^l  noc^  iDc^e,  bes^alb 
tft  fein  (5laube  J^le^t.  Do(^  menn  er  ben!t,  toie  äRinne 
fränft,  bann  loirb  er  meinem  Sang  geregt."  S3iel  ^off= 
nungsDoller  Hingt  [(^on  bas  folgenbe:  „Sülinn'  i[t  ein 
alltäglich  2Bort  unb  hoä)  feltfam  in  ben  2:aten,  bas  i[t 
[^on  fo.  SCRinn'  i[t  aller  3^ugenb  §ort,  o^ne  fie  roirb  nie 
ein  9Kenf(^en5er5  re^t  frol^.  SBeil  i^  be[fen  [ic^r  bin, 
nun,  grau  TOnne,  freu'  aud^  meine  Sinne,  bemt  mi^ 
f(^mer5t  es,  toär  mein  Xrojt  ba^in."  Der  3:ro[t  i[t  bie 
3uDer[i(^t  lauf  bie  freunblic^e  ®e[innung  ber  $errin ;  fönnte 
er  i^r  nur  feine  Steigung  flarma^en,  bann  roürbe  i^m 
i^ersli^er  (Empfang  juteil.  —  Dies  ift  auä)  ge)(^el)en, 
unb  bie  nä^ften  Sieb^r  (£.  109,  1.  71,  35.  113,  31)  be= 
jeugen  ein  befc^eibenes  Siebesglüd,  bie  (Sefü^le  SBalters 
werben  erroib^rt.  Das  f^toellt  bie  Sruft  bes  Sängers 
unb  fteigert  feine  Hoffnungen,  ^e^i  erfährt  er,  loie 
tuxä)  bie  Siebe  oft  Jreube  unb  Schmers  in  eins  oer» 
f^meljen.  CBinfa^  aber  gerabe  bes^alb  um  fo  ^erslic^er, 
gefte^t  nun  bie  grau  i^re  (Smpfinbung :  „(£s  lebt  ein  gelb 
mit  treuem  Sinn,  ber  immer  mir  gebieten  fann,  roas  er 
bes  (Suten  oon  mir  roill.  Sein  biebrer  9Kut  bringt  i^m 
(5ett)inn:  \ä)  tat  i^m  fiieb's  fc^on  manchen  Xag.  Das 
tommt  oon  TOnn'  unb  il^rem  Spiel.  'SJlii  ift  bur^  i^n, 
mufe  i^  gefte^n,  ein  geil  oor  allen  grau'n  gcfd^el^n.  Drum 
ift  bas  ©lud  uns  befben  je^t  erblül^t,  es  roarb  in  meinem 


55 

$er5cn  ]\ä)  bcn  Steg  [ein  ritterti^  (Semüt."  3^  b!e  grau 
gerät  alsbolb  in  Äampf  mit  |i^  Ielb[t:  (ie  äiDeifcIt,  ob  jie 
iDirb  oerfagcn  tonnen,  toorum  er  [ie  fle^t.  Unb  bennod^ 
barf  [ie  es  nit^t,  bas  i[t  i^re  [^merslit^e  Älage.  ,,tiber 
alle  anberen  J)at  er  es  baoongetragen  unb  i^re  £iebe5= 
mü^en  matt  ge[ctt",  [^liefet  [ie  mit  einer  ^]^ra[c  9lein= 
mars.  3um  3:eil  übenoinbet  bie  £eiben[d^aft  i^re  Se= 
benfen,  bcnn  bafe  SBalter  ]k  gefü&t  unb  umarmt  ^abt, 
gibt  bie  grau  in  einem  meitem  £iebe  (ß.  119,  17)  ju: 

©Ott  ^at  \xä)  freunbli(§  mir  geseigt 

Unb  Sorge  meiner  £ieb'  ge[ellt, 

bafe  \ä)  mi^  gern  bem  sugeneigt, 

ber  allen  Jßeuten  too^lgefällt. 

I)a  gab's  in  eiligem  CSrnjarmen 

oiel  5lü[[e  unb  ein  ^eife  Umarmen, 

unb  bies  brannt'  mir  ins  Ser3,  bafe  es  mi^  arg  bebrängt, 

xä)  [ollf  nur  tun,  tootum  er  fle^t. 

Das  tat  i(^  au^,  toüfet'  i^  wie's  ge^t. 

Das  erregt  nun  freili(^  \>tn  SIeib,  mit  gingern  tDei[en 
hk  Beute  auf  ben  (5lüdli(^en,  [ie  bebrängen  il^n  mit  lä[tigen 
gragen  (fi.  63,  32),  loer  benn  [eine  milbc  Serrin  [ei.  So 
mu6  er  für  eine  2Beile  [i(^  ab[eits  galten,  um  [ein  ©lud 
ni^t  5U  oerlieren.  3:rauer  unb  $offnung  be5err[^en  il^n 
nun  abrDe^[elnb,  bie  Aufregung  mad^t  i^n  Iran!,  aber  bas 
Söertrauen  auf  bie  3ii^"ft  ^ölt  i^n  aufregt.  Der  neue 
grü^ling  gibt  i^m  bas  fri[(^e,  bewegte  £ieb  (ß.  114, 
23)  ein: 

S5om  SBinterreif  bie  fleinen  S^öglein  fror, 

il^r  ßieb^en  war  oergangen; 

nun  pr'  i^s  roieber  lieblich  loie  suoor, 

ba  neu  bie  2Bie[en  prangen. 

Dort  [a^  i^  ©lumen  janfen  mit  bem  RUt, 


56 

oB  eines  länger  roäre? 

SDleiner  $crrin  fünb'  i^  bte[es  Möxt. 

2)es  SBtnters  groft  unb  mani^c  anbrc  SRot, 

bie  fd^afftcn  uns  oiel  ßetbc. 

^ä)  ^offte  nt^t,  ba6  i^  je  SBIumcn  rot 

noä)  \ä)aut'  auf  grüner  geibe. 

geut  frdnüs  no^  gute  ajlen[(]^n,  lüg'  iä)  tot, 

bie  gern  na^  greuben  rongen 

unb  juBelnb  tansten  unb  ben  9leigen  [prangen. 

SBerfäumt'  iä)  folgen  roonnerei^en  Xag, 

ptt'  mxä)  ein  glu(]^  getroffen 

unb  üBerbies  ooll  tttngft  ein  harter  Schlag. 

Da^in  roar'  all  mein  Soffen 

Hnb  jebe  greube,  ber  \ä)  einftens  pflag. 

©Ott  [egn'  eu^  alle! 

Do(^  tDünf(^t  au(5  i^r,  bafe  i^  im  $eil  no(^  roalle. 

So  fingt  er  oon  neuem  [einer  gerrin  5u  (E^ren 
(Jß.  118,  24),  unb  toirb  au(^  feine  3iiiJßi^fi^t  Bisroeilen 
Hein,  fo  fladert  fie  boc^  toieber  auf,  roenn  er  fi^  i^rer 
S^ön^eit  erinnert,  an  ber  [ie  Selena  unb  Diana  übertrifft. 
Sie  i[t  eine  toa^r^afte  3auBerin  (£.  115,  30),  [ie  er- 
oBert  Diele  Serren,  bie  Bei  roeitem  ftattlit^er  [inb,  ols 
ber  Dieter  felBft,  ber  fi^  männlicher  S^ön^eit  ni(^t 
rui^men  fann,  toie  bie  grau  roeife.  Si^t  er  Bei  i\)x 
(£.  115,  6),  fo  oerliert  er  ganj  bie  SBefinnung,  [ein  5^opf 
roirBelt,  alles  üergifet  er,  loas  er  i^r  ^atte  [agen  wollen, 
^llmä^li^  toirb  ber  Sänger  un[i(^er  über  ben  (£m[t  in  ber 
(5c[innung  ber  ©elieBten.  3ii^ßiii  treten  £ügner  unb 
33erleumber  3tDi[(5en  Beibe  (£.  44,  11),  bie  er  boc^  ni^t 
anbers  als  burd^  SBera^tung  [trafen  fann.  (Er  fafet  \iä) 
re[igniert  (fi.  41,  13):  „S^liemanb  finbet  grcuben  ^ier. 


57 

benn  Jte  oergcl^n  wie  ber  SBIumen  farbiger  S^ein;  brum 
barf  au(^  bas  §cr5C  mein  nur  «in  e^tes  baucmb  ©lud 
[i^  no(^  erflc^n/'  So  mxil  [i^  SBdter  bcnn  aufmalen 
unb  CS  anbertoarts  vtx\viä)tn.  S^^^^  ^bcr  rennet  ex  mit 
bcncn  ab,  bic  i§m  [einen  grü^Iing  oerborben  ^abcn 
(£.  60,  34): 

3e^t  toill  iä)  teilen,  e§  i(^  ^kJ)', 

hk  ga^r^ab'  unb  mein  (Eigen  bann, 

hali  es  3um  Streit  gebei^e  nie: 

es  erbt  nur,  roer's  üon  mir  gewann. 

äRein  ganges  Unheil  bas  üerma^'  i^  jenen, 

bie  [i^  tjon  Sag  unb  $Reib  ni^t  gern  entmö^nen, 

3ubem  auc^  all  mein  bös  ©efc^id. 

SKein  Äummer  brüde 

aller  fiäftrer  9iüden ! 

SJlein  töricht  Jßieben 

Dermal'  iä)  benen,  bie  es  falf(^  getrieben, 

\>xt  grauen  erben  S^merg  unb  £eib  na^  JÖiebesglüd. 

SBliden  roir  auf  bie[en  er[ten  tab[^nitt  in  bem  Sänger* 
leben  SBalters  Don  ber  SSogeltöeibe  gurud,  fo  finben  loir 
Dieberfpret^enbe  Anfänge.  Der  Diä)Ui  be^enf^t  bie 
$lRittel  [einer  5lun[t,  anmutig  fliegen  il^m  Ut  5Ber[e,  bic 
Spraye  i[t  lauter  unb  mclobi[(^,  gern  fügt  [ie  [i^  ben 
5ierli^en  2Bei[en.  SHii^t  alles  i[t  glei^  gut,  manches  flingt 
[pieleri[^.  Dft  greift  er  auf  bie  2Benbungen  suriid,  bie 
anbere  üor  i^m  gebraucht  l^aben,  hoä)  niemals,  o^^e  [ie 
5U  Derfeinem,  [ie  überra[(^enb  umgubilben.  Sein  SBortrag 
läuft  gerne  in  ^ointen  aus  roie  hti  griebri(§  t)on  Sau[en, 
eine  geiDi[[e  $Borliebe  für  (Bpigrammati[i^es  i[t  i^m  eigen. 
"üHoä)  merft  man,  bafe  IReinmar  als  SBorbilb  auf  i^n  roirlt, 
aber  [i^tli^  lö[t  er  [i^  oon  bem  3auber  bes  ariei[ters 
unb  bri(^t  mit  jugenblid^em  Sühit  [i^  neue  SBal^n.    2Bas 

Sd)ö\ibaä),  ?3altei-  ocn  bcu  5.'ot-.ffu)elbe.  ö 


58 


U)n  je^t  f^on  Icnn3ct^net,  t[t  bie  frif^e  unb  unmittelbare 
^nf(^auung,  bas  feine  (Empfinben,  toeli^es  man(^mal  in 
(Sereigt^eit  umft^Iägt;  unb  ber  Sinn  für  bas  re^te  äJlafe. 
Sol(^e  [inb  eble  ©ottesgaben  für  ben  Dichter.  2B alters 
^^oefie  ^at  bereits  $altung,  ber  Sänger  getoinnt  an  Selb[t= 
gefü^I:  aus  bem  3üTtgIing  toirb  ein  9Kann,  ber  mit  feftem 
Sd^ritt  \\ä)  in  bie  2BeIt  ^inausroagt,  um  [ein  £eben  ju 
erftreiten. 


ßohe  niinne 

2Btr  tDtffen  n\d)t,  um  loelc^e  3^^^  2BaIter  jucrft  als 
fa^rcnbcr  SKann  oom  Sßtencr  §ofe  ausgesogen  i[t;  totr 
iDi[fen  and)  ni^t,  unter  loel^en  Umftänben.  9Zur  oer= 
muten  barf  man,  ba^  er  genötigt  tnar,  [td^  anbertodrts 
umjutun,  ütcllet^t  oermoc^te  er  neben  5Reinmar  nt(^t  rei^t 
auf5ufommen.  3^^^,  QU^  tote  es  mit  5Reinmar  ftanb,  tft 
uns  feinesroegs  beseugt.  S0lan  glaubt  gemeinl^in,  IReinmar 
^abc  in  SBien  als  ,,$ofbi(^ter"  bauernb  Denüeilt,  hod) 
erf^liefet  man  bas  nur  hd  bem  SKangel  jeglicher  Über* 
lieferung  aus  [einer  5llage  über  ben  Zoh  §er5ogs  fieo* 
polb  V.  TOerorts  [inb  mir  auf  blo^c  Kombinationen 
unb  (Einfälle  angeroiefen. 

3ebesfalls  i[t  SBalter  oiel  unb  roeit  l^erumgefommen. 
2Bo  er  [elb[t  feiner  ga^rten  gebenft,  ba  erum^nt  er  (Segen* 
ben,  in  benen  roir  il^n  nie  gefugt  Ratten,  unb  jenes  ur= 
funbli^e  3^iigniS;  bas  [i^  gefunben  ^at,  toeift  auf  einen 
^ufent^alt,  ber  uns  fonft  ganj  unbetannt  uxir.  9flur 
oöllig  oereinselte  fünfte  [einer  Äaufba^n  fönnen  toir  mar* 
ficren  unb  ^max,  rooi^l  gemerft,  nur  aus  ber  jroeiten 
$alfte  feines  Gebens.  Denn  bie  5i[tori[^en  ^n[pielungen 
in  [einen  Sprüchen  [inb  bie  alleinige  ©runblage  un[eres 
2Bi[[ens,  unb  [elb[t  bie[e  [inb  nii^t  immer  Har,  [onbern 


60 

ge[tatten  vielerlei  Deutungen.  So  gewinnen  mit  no^ 
bas  meifte  für  bie  (grfcnntnis  non  SBaltcrs  fieben,  [ofern 
tDtr  uns  um  feine  innere  Gntiöidlung  befümmem,  toie  (ie 
aus  feinen  Di^tungen  ermittelt  toerben  fann.  ^ber  bie* 
ten  biefe  ^oefien  uns  bafür  aui)  einen  fieberen  §olt? 
Sinb  fie  btnn  überl^aupt  ^ai)lxt\ä)  genug  oorl^anben,  um 
^Beoba^tungen  über  3iifammen5änge  unb  gortf(^ritt  5U 
erlauben?  (£^e  biefe  fragen  allmä^lic^  beantroortet  rDer= 
ben,  follen  einige  allgemeine  (Erumgungen  ^ier  ^Ia§  fin* 
ben.  — 

SBalter  50g  aus  als  fa^renber  S0lann.  2Bie  l^aben 
tDtr  uns  bas  ^u  beuten?  25or  allem  ift  SBalter  immer  ge== 
ritten,  toenn  er  üon  einem  Drte  5um  anbern  gelangen 
mollte.  Das  rerfte^t  fid^  einmal  f^on  htx  bem  3iiftanbe 
ber  mittelalterlichen  Strafen  üon  felbft,  bann  5iemt  es 
SBalters  ritterlichem  Staube,  enbli^  erfahren  roir  es  aus 
bes  Diesters  eigenen  SBorten.  Die  $ofe  abeliger  Ser= 
ren,  ber  ©rafen,  93if^öfe  unb  gürften  roaren  bie  großen 
Stationen  feines  3^Q^^'  Sßäl^renb  er  in  ben  lleinen 
Serbergen,  in  Dörfern  unb  SBeilern,  ein  ©aft  roar,  ber 
für  Unterfunft  unb  ßt^rnnQ  besal^Ite  mit  jeber  anbere, 
voax  für  il^n  an  ben  Söfen  ni^t  nur  beibes  frei,  fonbern 
bem  Sänger  u)urbe  nad)  fürserem  ^lufent^alte  ein  (5e= 
f^enf  3uteil,  ettoa  ©elb,  Stoffe,  St^murf,  dn  $ferb.  (5e= 
fiel  feine  5lunft  unb  auc^  feine  ^erfönli^feit  bem  Serrn, 
fo  bel^ielt  er  i^n  länger,  na^m  i^n  oiellei^t  gar  unter 
feinen  gofftaat,  in  fein  „©efinbe"  auf.  5Ric^t,  bafe  es 
bem  Dieter  überall  fo  gut  geworben  ift,  au^  er  ^at 
über  unmilbe  dürften  3U  flagen,  über  5lon!urrenten  unb 
Streber,  hk  \xä)  unoerft^ämt  oorbrängen  unb  i^re  Zx'u 
oialitäten  als  Äunft  ausbieten.  TOer  im  ganjen  ift  mon 
bem  Sänger  unb  (Ebelmann  bo^  geroife  mit  ^(^tung  be* 
gegnet,  bafür  jeugt  fein  fpöteres  S^itffal. 


61 

Sßas  ertoartcte  man  üon  bcm  fa^rcnben  Dieter,  coas 
]^atte  2BaIter  3U  Iei[tcn?  9Jhi[tf  unb  ©cfang,  bas  t(t  SBox= 
träge  oon  £icbern.  Sein  3n(trument  führte  ber  Sänger 
mit  [i^,  entroeber  bie  giebel  neB[t  SBogen,  bie,  mit  einem 
Zuä)  umpllt,  beim  9teiten  an  htn  Sattel  gef^nallt  ober 
löie  ber  „S^nerffad"  eines  heutigen  3:ouriften  über  ben 
$Rüden  gelängt  tourbe.  SBiellei^t  au(^  eine  fleine  $arfe, 
v)t[ä)t  ber  Sänger  auf  bas  5lnie  [teilte  unb  gegen  bie 
IBrujt  [temmte.  Ott  unb  3dt  bes  $Bortrages  toaren  rool^l 
Sßinters  unb  Sommers  oerfci^ieben :  in  einem  ber  großen 
iBurgsimmex  na(^  bem  SKal^le  ober  bes  ^benbs,  toenn 
bas  geuer  in  bem  mä^tigen  5lamin  loberte.  ^u^  fonft 
fanb  (i^  in  ber  tauten  unb  langfam  oerfliefeenben  ^al^res* 
seit  bie  (Selegenl^eit  rei^li^,  ha  ber  Dieter  biefe  SlRonate, 
roofem  es  irgenb  mögli^  loar,  an  einem  unb  bemjelben 
Sofe  gubrac^te.  Sßä^renb  bes  Sommers  aber  Bot  ber 
Saumgarten  ober  ber  §of  in  ber  Surg,  oiellei^t  auc^  eine 
ber  fteinernen  £auben,  roie  fie  \x^  am  Oberftod  alter 
S^löjfer  manchmal  ^insiel^en,  ben  pafjenben  freien  5{aum. 
3n  ben  großen  5lai[erpfal3en,  hei  ben  dürften  unb  auf 
htn  ^Bif^ofpfen  toirb  bas  nit^t  er^ebltt^  anbers  geroefen 
[ein.  2Baren  bie  $örer  im  galbtreis  oerfammelt,  bie  35or= 
ne^mften  auf  er^ö^ten  Si^en  in  ber  äUitte,  bann  ^ub  ber 
Sänger  an.  (£s  läßt  [i^  üermuten,  baß  er  3uer[t  ein  33or= 
fpiel  auf  (einem  ^nftrument  gum  be|ten  gegeben  l^aben 
wixh.  Sßalter  felb(t  erröä^nt,  toie  er  auf  ber  ©eige  5um 
Xanj  auffpielte.  3n  weither  ^rt  jebo^  ber  eigentli^c 
3Sorttag  ber  Sieber  ftattfanb,  barüber  befi^en  mir  feine 
genaueren  SKitteilungen,  meber  oon  ben  Did^tern,  noc^  oon 
il^ren  3eitgeno[fen,  au^  bie  überlieferten  IBilbioerfe  ]^el= 
fen  uns  nic^t.  Sicher  ift  eines:  bie  $Borftellung,  hie  man 
je^t  insgeheim  üon  ber  Sa(^e  ^at,  baß  nämli(^  ber  fa^renbe 
SKann  auf  ber  giebel  ge[pielt  unb  basu  gefungen  l^abe,  ift 


62 

unnötig.  3ioci  ^auptattcn  t)on  ©eigen  (inb  uns  aus 
bcm  TOttelaltcr  be!annt:  bte  eine,  toeld^e  loie  §eute  an 
ben  §als  gefegt  rourbe;  bie  anbete  legte  man  über  bie 
5^nie  unb  griff  mit  ber  linfen  Sanb  bie  Saiten,  inbcs  bie 
9?e^te  ben  58ogen  führte.  SBa^rft^einli^  befafe  man  au(^ 
5^niegeigen  in  ©eftatt  bes  ^Bioloncello.  Bei  feinem  oon 
biefen  Streic^inftrumenten  i(t  es  bem  Spieler  mögli^, 
glei^3eitig  5U  fingen,  insbefonbere  aber  5U  fingen,  toie  es 
bie  SUlinnepoefie  forberte,  fo  nämli^,  bafe  ber  3n^alt 
oolüommen  unb  in  ber  rid^tigen  Sßeife  afsentuiert  ben 
§örenben  üernei^mlic^  U)urbe.  (gntroeber  begleitete  ft(^ 
ber  Sänger  auf  einer  fleinen  Rniel^arfe  (liet  slagen  nennt 
bas  S^leib^art)  ober  er  begleitete  fein  £ieb  überhaupt 
nic^t,  fonbern  fpielte  nur  bie  $ÖZelobie  unb  fang  es  bann. 
9Benn  man  fic^  jebo^  bie  überlieferten  SOlinnelieber  ge= 
nauer  anfielt,  [0  roirb  man  finben,  bag  es  bei  ber  über= 
großen  SJJe^rjal^l  barunter  einfar^  unbenfbar  ift,  fie  feien 
ol^ne  ^Begleitung  gefungen  roorben.  35re  llRelobien  toaren 
namlid^  meift  fel;r  fomplisiert,  unb  roal^rfd^einlit^  ^aben 
ni^t  einmal  gegriffene  ober  geriffene  ^üorbe  genügt, 
toelt^e  bie  guten  Üaftteile  unb  bie  l^armonif^en  Übergänge 
aus5eic^neten ;  um  ben  Sänger  feft  3U  erhalten,  ift  ein 
burd^ge^enbes  5l!fompagnemcnt  nottoenbig  geroefen.  50lan 
benfe  an  bie  l^eutigen  großen  5Re5itatioe  unb  Opernarien. 
(Es  bleibt  alfo  nur  bie  ^Innal^me  übrig  (fie  roirb  uns  ins= 
bcfonbcre  burc^  3^ugniffc  aus  ber  ^rooence  rci^li^  be= 
ftätigt),  bafe  ber  Sänger  einen  ©enoffen  mit  [lä)  l^atte, 
ber  3u  feinem  £iebe  bie  Begleitung  fiebelte.  Bei  armen 
niebrigen  ga^renben  toerben  fi^  je  3U)ei  Mnftler  3U  ge= 
meinfamer  5Irbeit  3ufammengetan  l^aben ;  hd  SBalter  roirb 
man  oermuten  bürfen,  bafe  er  einen  gemieteten  SpieU 
mann  ouf  feinen  ga^rten  mitgenommen  f)at  (£r  felbft 
nennt  einmal  feinen  5lnappen  Dietri(^,  ber  i^m  loo^l  bie 


63 

nötige  §tlfe  gcki(tet  ^at.  Uhi^  üon  £tc^tcn[tcin  unb 
[pät  barna(]^  bcr  ©raf  §iigo  oon  9Jlontfort  fangen  auf  bie= 
felbe  2Bet[e  mit  Xlnterftü^ung  bur^  einen  ^Begleiter.  3)er 
35orttag  epif^er  £ieber  hmä)  hk  go^renben  üetlangte 
natürli^  nur  eine  geringe  mu[i!alifc^e  £ei[tung,  SBor*  unb 
3rDif(J^en[pieI  motten  genügen,  J)k  unb  ba  ein  ^üorb, 
um  ben  r^ijt^mifc^en  ^fjent  ju  oerttärfen,  ettua  beim 
Anfang  bes  ^bgefanges  ber  Stropl^en. 

SBalter  l^at  bie  Sßeifen  gu  (einen  Jßiebern  unb  Sprüchen 
felbft  fomponiert;  loie  benn  au^  alle  angefel^enen  ritter= 
liefen  S0linne[anger  vor  unb  na^  i^^m  getan  ^aben.  3*^ 
SBalter  i(t  gerabe  [einer  SOlelobien  loegen  berühmt  getoefen, 
unb  bas  £ob  ©ottfriebs  oon  Strafeburg  gilt  oorne^mlic^ 
feinem  mufifalifd^en  ilönnen;  er  ift  hanaä)  ber  crfte  in  ber 
$Hei]^e  ber  grofe^n  50hififer,  bie  £)fterrei(^  ^eroorgebrai^t 
§at;  u)ennglei(^  es  uns  bis  je^t  no(^  nic^t  gelungen  ift,  eine 
ber  aus  ber  "üflaäßlüU  bes  TOnnefanges  erhaltenen  S0^elo= 
bien  il^m  beftimmt  sujuroeifen.  $0lan(^es  feiner  £teber  fingt 
fid^  faft  oon  felbft,  man  fül^It  ni^t  blofe  ben  ^R^pt^mus, 
fonbern  auä)  bie  Snteroalle  ber  äJlelobie.  3^  "i^t  u)eni= 
ger  als  ein^unbertein  folc^er  ilompofitionen  finb  uns  bie 
Gleite  erl^alten,  barunter  befanben  fi^  umfangrei^e  unb 
ft^roierige  Stummem,  bie  oerlorenen  gar  ni^t  gu  rechnen. 
9^ur  ein  grofees  bur^fomponiertes  StüdE  ift  babei,  ber 
fiei^,  bie  übrigen  i^aben  blofe  je  eine  SBeife  für  mel^rere 
Strophen,  roenn  au^  biefe  in]^altli(^  bisroeilen  gan5  lofe 
äufammen^ängen.  IBefonbers  fallt  bas  hd  ben  ein^ 
ftrop^igen  Sprüchen  auf,  gnomift^en  unb  politif(%en  Di(^= 
tungen,  beren  siemli^  grofee  3^51  SBalter  auf  nur  neun= 
5ei^n  oerf(^iebene  SBeifen  aufgeteilt  ^at  (£s  ift  alfo  bas 
SBebürfnis  naä)  neuen  SJJelobien  hti  ben  fiiebern  oiel  ftär= 
fer  geroefen  als  bei  ben  Sprühen,  offenbar,  toeil  in  biefen 
ber  ^xi^alt  me^r  ju  bebeuten  ^atte. 


64 

Ob  Sßaltcr  oon  ber  Söogelmcibe  als  ga^rcnber  aufecr 
feinen  eigenen  £iebem  unb  Rompofitionen  no^  bie  anbetet 
Did^ter  rotgettagen  l^at?  (£5  f^eint  ganj  nnjtDeifel^aft, 
bafe  et  es  tat.  2)a  et  als  junget  SJJann  in  bie  2Belt  30g, 
toat  bet  SBottat  feinet  eigenen  Schöpfungen  geroife  Bei 
toeitem  ni^t  gto^  genug,  um,  befonbets  bei  Idngetem  tttuf=» 
enthalt,  bet  Sötluft  feines  ^ublüums  ju  genügen.  5lu(^ 
iDiffen  XDix  oon  anbeten  Di^tetn  unb  gal^tenben,  tnie  fel^t 
bie  l^öfifd^e  ®efellf(^aft  na^  bleuem  unb  ^uftegenbem 
begietig  toat.  !Da  l^at  bie  £t)tif  übet^aupt  nit^t  aus= 
geteic^t.  Übetbies  ift  SBaltet  fi^etlic^  bes  öfteten  in 
fütftlii^e  Saufet  gefommen,  bie  no^  ni(^t  üon  bem  aRobe= 
gefc^mad  bes  tittetlic^en  SQlinnefanges  ganj  etfullt  roaten, 
feine  SBotttäge  tnetben  fe^t  Detf(^iebenen  2Bünfc^en  l^aben 
5Re(^nung  ttagen  muffen,  unb  biefem  Xlmftanbe  toitb  man 
es  insbefonbete  3uf(^teiben  bütfen,  bafe  fi^  SBaltet  fooiel 
als  möglich  um  ©noeitetung  bes  Stoffiteifes  füt  feine 
eigene  Dichtung  bemüht  l^at,  wk  uns  bas  aus  feinen  fpäte= 
ten  ^df)xtn  befannt  ift.  3ii9lei<^  oetfte^t  fic^  aus  btefcn 
SBetl^dltniffen  bie  9flotn)enbigfeit  f^nelletet  ©eroegung, 
gtöfeetet  9?eifen,  bie  uns  t)on  ben  ga^tenben  bejeugt  finb. 
2Bas  ^ätU  SBaltet  fonft  fo  toeit  in  gans  Deutfci^lanb  unb 
batübet  hinaus  um^etgettieben?  (£s  ift  —  in  gebü^ten= 
bem  ^bftanbe  —  nic^t  anbets  mit  ben  Umsügen  but(^ 
bie  9Belt,  auf  bie  ^cutsutage  ^Birtuofen,  ^anotama,  3^^= 
fus  unb  SBanbett^eatet  angeroiefen  finb.  2)^an  mag  es 
batnat^  als  fielet  eta^ten,  ha^  2Baltet  aufeet  feinet  eigenen 
^oefie  no^  bie  SKinncliebet  anbetet  fetten,  abet  au^ 
fonftige  beliebte  Stüdfe,  3.  SB.  bie  üolfstümlic^en  3)ic5tungcn 
ous  bet  $elbenfage,  roo^l  ni^t  minbet  oolfstümli^e  ©no= 
mif,  feinen  Su\)öxtxn  Dotgettagen  '^at  SBielleic^t  lag  es 
i^m  aus  biefet  ilenntnis  nal^e,  einmal  bas  £ieb  üon  SBaltet 
unb  Silbegunbe  3U  etroäl^nen  (Q.  74,  19),  bas  in  £)ftct= 


R£i7R£i7r3£i?R£i?egi?R;gi?eäi»C;£i?         65 


ret$  cntftanben  toar.  SJlag  fein,  bafe  ber  Dti^tcr  als  alter 
SJlann  [t(^  auf  bte  9?e3{tatton  feinet  eigenen  Satten  Be= 
f^ränft  ^at,  im  toeitaus  größeren  3ßittaume  feiner  3ugenb 
nnb  üollen  50lanne5  tätig  feit  ift  bas  geroife  nic^t  ber  ^all 
gctoefen.  (Es  lägt  fic^  ni^t  leugnen,  bag  bie  allgemein 
ubliä)t  SBotftellung  oon  2ßalter  5U  biefen  ^nnal^men  ni(3^t 
ftimmt,  aber  biefe  SBorftellung  ift  eben  nii^t  burc^  3^M' 
niffe  unb  3^atfac^en  Begrünbet. 

(£in  anberes:  es  totrb  üiel  ©eroic^t  barauf  gelegt, 
SBalter  fei  ber  erfte  fa^renbe  Wlann  geroefen,  ber  hk  neue 
^öfif^e  50linnepoefie  Dorgetragen  ^abt,  fein  auftreten 
bc3ei(^ne  alfo  getoiffermafeen  einen  ^bf^nitt  in  ber  ®e* 
fc^ic^te  ber  burc^  bie  ga^renben  üerbreiteten  Did^tung. 
Das  lägt  fi^  ni(^t  ertoeifen,  roir  roiffen  gar  ni^ts  baruber. 
®an5  lei^t  fann  fc^on  Dor  2Balter  ein  9titter  bie  £ieber 
bet  neuen  5lunft  auf  SBanberfa^rten  mitgenommen  ^aBen. 
Die  $auptfad^e  ift,  ba^  Bei  genauerer  Setraci^tung  ber 
Stritt  —  roenn  SBalter  i^n  getan  ^at  —  üon  ber  älteren 
SBeife  ber  gal^renben  3U  ber  feinen  gar  nic^t  fo  grofe  ift, 
als  er  fic^  üon  roeitem  ausnimmt.  (£s  barf  nämli(^  ni^t 
üBerfe^en  werben,  baß  f(^on  ber  ältere  äUinnefang  gans 
auf  ben  Ortsroet^fel  angeroiefen  ift.  Das  ergibt  fi(^  aus 
folgenben  (grroägungen.  93ei  ber  SBeft^affen^eit  bes  35er= 
^ältniffes,  in  bem  ]xä)  ber  ritterli^e  Sänger  gu  fetner 
$errin  meiftens  Befanb,  roar  Beiben,  fofern  fie  fi^  n3irl= 
li^  lieBten,  äu^erfte  33orfid^t  geBoten.  §atte  bas  ©efu^l 
einmal  gefprod^en:  bann  tra(^teten  bie  £ieBenben  au^  fo- 
fort,  fi^  5u  Befi^en;  es  maren  eBen  gefunbe  unb  leBen5== 
fräftige  SRenfc^en,  bie  [lä)  eine  platonift^e  (Smpfinbung 
nur  fe^r  mül^fam  3U  fonftruieren  oermo^t  Ratten.  5Raf^ 
roallte  bas  S3lut  unb  oom  ©ebanlen  3ur  3^at  bauerte  es 
ni^t  länger,  als  ^aolo  äFlalatefta  unb  grancesca  ha  5Ri« 
mini  jum  £efen  bes  fran5öfif(^n  ßancelot  hxauä)Un.  — 


66 

CB5  oetftanb  [i^  oon  felbjt,  bafe  bcr  9'lamc  ber  grau  nic^t 
öenannt  werben  burfte.  Überhaupt  mar  alles  ju  r)ermei= 
ben,  was  auf  bie  Spur  leiten  unb  bas  iBer^ältnis  offen= 
baren  fonnte.  2Bar  benn  aber  ©e^eiml^altung  über^upt 
mögli(^?  Ittn  einem  großen  gürften^ofe  Deutlt^Ianbs  be= 
(tanb  bie  gamilie  bes  $errn  mit  allem  3"9^[i"^^f  ^s 
^eigt  mit  ben  ^offä^igen  (5eno[fen  bes  gaus^altes,  aus 
^ö^ftens  3rDan5ig  bis  breigig  ^erfonen,  wo^u  man  üiel* 
lei^t  no(^  eine  Dienerfc^aft  ron  etroa  ^unbert  Äöpfen 
fügen  borf.  SBenn  nun  ein  abeliger  ^Did^ter  bei  längerem 
5lufent]^alte  einer  Dame  bes  Sofes  [eine  ©efü^le  in  £ic* 
htm  Dortrug,  loie  ^äiit  man  unter  btejen  Hmftönben  ni(^t 
erraten  [ollen,  loer  gemeint  roar?  Die  (£inri(^tung  ber 
Später  bes  ©atten  (mei[ten5  §ofbeamte,  p^erc  Diener, 
5urDeilen  (5ei[tlic^e,  [elten  Rnet^te),  bie  in  ber  ge[amten 
3Rinnepoe[ie  als  „äJlerfer"  unb  „Süter"  eine  [te^enbc 
5Rolle  l^aben,  betDei[t,  ha)ß  man  in  ber  9?egel  [(^nell  erfuhr, 
5rDi[(^en  meinem  ^aar  \xä)  eine  Sfleigung  ent[ponnen  ^atte. 
Dann  rourbe  aber  ber  5Boben  für  ben  Sanger  balb  5u 
^eig,  unb  es  mufete  i^m  geratener  [(feinen,  aus  ber 
gerne  bie  2Bün[^€  unb  5llagen  ober  gar  ben  Dan!  für 
bas  geno[[ene  ©lud  in  £iebern  5U  ber  ©eliebten  fliegen 
5U  Ia[[en.  2Bir  [e^en  aus  ben  Übertreibungen  im  „5rauen= 
bienft"  Hlri^s  oon  £ie(^ten[tein,  toie  bie  Sa^en  [tanben. 
Sei  bie[er  ^ufffa[[ung  erflärt  \x6)  aud)  er[t  bie  merf* 
tDürbige  (£r[c^einung;  bafe  bie  übergroße  SDle^rsaljl  ber 
äJlinnelieber  bie  2^rennung  bes  Sängers  unb  ber  Serrin 
ooraus[e^en:  alle  bie  Reinen  gormen,  bie  barauf  gebaut 
[inb,  loerben  rei^li^  entroicfelt:  bas  Sotenlieb,  oor  allem 
bie  „2Be^[er',  jene  ®e[änge,  bie  aus  Strophen  ber  grau 
unb  bes  $IRannes  be[te]^en  unb  bie  bei  roa^r^after  9Ieigung 
geroife  nur  ben  9leflei  roirflit^  getau[^ter  5Bot[(^aften  in 
ber  !ün[tleri[^en  ^Bearbeitung  bes  Dieters  enthalten.  %uä} 


67 


^ter  ftnb  bie  gereimten  ^riefletn,  bie  Xtlri^  oon  £te(^ten= 
[tein  in  [eine  (£t^af)lunQ  einft^altet;  mit  i^rer  ungelenfen 
Spraye  unb  ben  fehlerhaften  SBer[en  flaffif(^e  3^^Q^^' 
Grlei^tert  iDurbe  bie  Sac^e  allerbings  huxä)  einen  anberen 
Hm[tanb.  Die  Ortsoeränbernng  war  für  [e^r  t)iele  ^Ritter 
jener  3^^^  ber  geroö^nli^e  unb  natürliche  3ii[lonb,  has 
Stilleliegen  hk  ^usna^me,  unb  besl^alb  empfanb  man  ben 
2Binter  als  bte  untcibli^  S^^resseit,  loeil  er  biefer 
Seroegung  aufeerorbentlii^e  $inberni[[e  bereitete.  SDIan 
braucht  nur  einmal  na^  ben  UrfunbeU;  beren  Ort*  unb 
3eitangaben  [i^  freili^  ni(^t  immer  mit  ben  I)aten  ber 
roirfli^en  5Borgdnge  beden,  bie  fiebensbal^n  eines  großen 
^beligen  ju  oerfolgeU;  [o  toirb  man  über  bie  5Beit)egli(^= 
feit  crftaunen.  Xlnb  jroar  lehren  bas  nid^t  bloß  x)er= 
einjelte  gälle,  fonbern  bie[er  (ginbrud  änbert  ]\ä)  nic^t  bei 
umfa[[enber  !Dur$mufterung  ber  Hrfunbenbü(^er  unb  ber 
Lebensläufe  mä^tiger  Ferren  aus  bem  TOttelalter.  ©eroife 
beruht  barauf  auc^  bie  SBebeutung,  u)el(^e  bie  fal^renben 
Spielleute  [^on  frül^  für  ben  ritterli^en  TOnnefang  ge= 
mannen.  Sic  toirb  man  ^auptjä^lit^  als  58oten  oenoenbet 
^aben,  ni(^t  bloß;  ujeil  [ie  le[en  unb  ((^reiben  fonnten, 
fonbern  au^,  ujeil  [ie  o^ne  Sflotenaufjeid^nungen  hk  eigen= 
tümli^en  unb  [(^loierigen  äRelobien  ber  Lieber  behielten. 
Ste^t  es  [o  bei  ber  90^innepoe[ie,  n>ar  fie  folc^ermaßen  auf 
ben  Ortsroe^[el  unb  bie  nebenher  au(^  minber  gefa^r* 
oolle  münbli^e  Überlieferung  angeroiefeU;  bann  roar  es 
fein  Sprung,  fonbern  nur  eine  begreifliche  2Beiterentu)id* 
lung  ber  gegebenen  35er^ltniffe,  wenn  au^  §crr  SBaltcr 
in  bie  ^Rei^e  b^r  gal^renben  trat  unb  Liebeslieber  in  feinen 
Sangesplan  aufnahm. 

9lo(^  ein  2Beiteres:  man  f)at  fi^on  oft  bemerft,  bafe 
bie  oor^anbenen  ^öfif(^n  Lieber  fe^r  roenig  beftimmt  in 
ber. Ausmalung  ber  realen  3iift^^^^*  ^^r  augenblidli(^en 


68 

Situation  ber  £iebcnb«n  finb,  unb  man  ^at  bas  mit  $Re(§t 
aus  ber  poctif^en  SRobe,  aber  au^  aus  ber  gebotenen 
Seimlic^feit  bes  33er^ättnif(e5  erflärt.  2Bar  bas  ber  gall, 
bann  barf  es  ni^t  rounbeme^men,  roenn  fo  Jf^nell  wän- 
wisen  erf^einen,  bcnn  bei  ber  9lotrö enbigf eit,  unbeutli^ 
3U  [ein,  ja  ju  fingieren  —  tim  $Rotmcnbig!eit,  bie  oiel 
größer  roor,  als  tötr  fie  je^t  nat^empfinben  fönnen  —  lag 
es  hoä)  ungemein  nal^e,  iiberl^aupt  ins  Gingebilbete  aus3U== 
iDei(^en  unb  Stimmungen  barsuftellen  ftatt  örtlich  fe(t= 
gelegter  ©efül^Ie.  Der  pfiffe  aJlinne[ang  töar  jomit  nac^ 
feinen  (gxiftenjbebingungen  eine  5lun[t,  bic  barauf  ausging, 
nid^t  fo  fel^r  hk  SBirfli^feit  5U  oerarbeiten  unb  5U  geftalten, 
als  fi^  üon  i^r  nur  anregen  5U  laffen.  Der  XInterf(^ieb 
3rüif(3^en  tä)Ux  unb  unechter  (Smpfinbung  fällt  babei  toenig 
ins  ®etüi(^t. 

gür  uns  aus  ber  g^rne  35eurteilenbe  ift  bas  übrigens 
f^on  an  ]x6)  ni^t  fo  bebeutenb.  (Es  oerl^ält  ]xd)  eben  bei 
ber  beften  £iebeslt)rif  au^  ber  mobernen  2üi  nid^t  anbers : 
©oet^es  Sefen^eimer  JÖieber  lo^rben  oon  uns  genoffen, 
ol^ne  ba^  roir  i^ren  toirüi^en  §intergrunb  uns  oor  ^ugen 
3U  l^alten  brausen;  bie  Scf)ön]^eit  oon  $eines  £ieber= 
frängen  toirft  auf  uns  ganj  unmittelbar,  roie  fe^r  bem 
Jßiterar^iftorifer  baran  gelegen  fein  mag,  fie  na^  äufeerli^ 
begrunbeten  (Sruppen  3U  fonbern.  —  ^nbererfeits  roirb 
man  ni(^t  oerfennen,  ba^  genialen  S^laturen  biefe  (Srenjen 
bes  SRinnefanges  raf^  3U  enge  rourben,  ha^  fie  bie  33er= 
pflid^tung  ber  Hnbeutlid^feit  als  eine  briitfcnbc  ^effel  i^rer 
ilunft  cmpfanben  unb  bomac^  ftrebten,  fi^  i^rer  3U  cnt= 
lebigen:  fo  ma^t  fi^  au^  SBalter  in  feinen  fpätercn  Jßie* 
bem  frei,  beren  S^aioetät  ben  Übergang  com  ^bealismus 
bes  äHinncbienftes  gum  ^Realismus  ber  Dorfpoefic  bil* 
bete.  — 


69 


3unä^[t  beoba^ten  mit  jcboc^  SBaltcr  crft,  tote  er  bic 
rechte  $DZei[tcrf(^aft  in  bem  ^öfi[(^en  Sangc  gcroinnt  unb 
i^n  fclb[t  5ur  $ö]^c  emporl^ebt.  5Bon  ben  £tebern,  bcrcn 
9?ei]^e  je^t  erörtert  merben  foll,  n)if[en  totr  ni(^t,  wo  [ie 
gelungen  rourbcn;  meiftens  too^I  in  ber  grembe,  einjelne 
auä)  hti  seitroetltgcr  ^Inroefenl^eit  am  SBiener  $ofe,  töo  mir 
bie  $errin  uns  ju  benfen  ^aben.  Sie  liegen  getoi^  ber  3^^^ 
naä)  Diel  roeiter  auseinonber,  als  es  in  un[erer  Dar[teIIung 
]ä)tint,  ho^  i[t  es  ni6)t  möglich,  [ie  über  anbere  ^B[^nitte 
]^in  3U  t) erteilen,  o^ne  bafe  3iiI<^^iti^"^<i^9  u^^  33er[tanbnis 
gteid^ermagen  litten. 

^it  einem  SQlale  ertoa^t  in  bem  reiferen  Dichter  bie 
2itbt  3U  einer  f(^önen  Dome^men  grau.  (Er  ^at  fie  be* 
iDunbem  bürfen,  als  [ie  mit  i^ren  Dienerinnen  aus  bem 
SBabe  [(^ritt,  unb  [eine  ^]^anta[ie  säubert  i^m  ben  ^err* 
li^en  Jßeib  oor  bie  ^ugen.  ^räi^tig  [e^t  er  ein  (Jß.  53,  25) 
unb  mit  bem  SeIb[tgefü]^I;  roie  es  bem  Sänger  giemt,  be[[en 
Sieb  [^on  rpeitl^in  geflungen  i[t:  „3c^  [a^  ein  tDunberooIIes 
SBcib;  aä),  mürbe  mir  von  i^r  ein  Danf!  t)rum  rü^m' 
iä)  5eute  i^ren  £eib  gar  ^o^  in  meinem  be[ten  Sang. 
(Sern  bin  iä)  bien[tbar  allen  grauen,  bo^  bie[e  ^üb'  iä)  mir 
ermäl^It.  SJlag  jeber  naä)  ber  [einen  [^auen  unb  loben, 
iDel^e  i^m  gefällt.  Cr  tu'  es  meinetl^alben  au^  mit  meinen 
eigenen  SBorten,  i^  bin  nic^t  ho]'  barob:  i^  prei[e  l^ier, 
er  borten". 

35r  Saupt  bas  i[t  [o  iDonnereit^, 
als  ob's  mein  $immel  [ollte  [ein. 
SBas  gab'  es  [on[t  no^  5um  SSerglei^? 
Cs  ]^at  bo^  au^  bes  §immels  Schein. 
3rDei  Sterne  leuchten  braus  mir  nieber, 
aä),  fönnt'  iä)  [ie  mit  mir  brin  [e^en 
unb  xDär'  [ie  mir  [o  na^e  mieber! 


70 


Dann  mö^f  ein  SPBunbcr  xxoä)  gcfc^e^en : 

i^  BDürbc  jung,  [ofem  [ie's  tut, 

unb  auä)  mein  f^Ieid^enb>  [(^mac^tenb  Sie^tum  ujürbc  gut. 

^uf  i^te  SBangen  (Sott  mit  glei^ 

^at  teure  färben  fein  gemalt: 

ein  flaxes  SRot,  ein  reines  SBeife 

töie  ?lo[e  brauf  unb  £ilie  ftra^It. 

SBär's  feine  Sünbe,  m'6ä)i'  iä)  [agen, 

no(^  lieber  \ä\)'  xä)  [ie  mir  an 

als  felblt  bes  $immels  Stementoagen. 

Unh  hoä),  loas  lob'  i^  armer  äUann? 

Sie  [teigt  babur^  mir  allju  f)oä), 

unb  meiner  2Borte  ^rcis  me^rt  nur  bie  Sel^nfuc^t  no^. 

(£in  ^oljter  trägt  [ie,  bas  ift  rot : 
prefet'  iä)  brauf  einmal  meinen  SJlunb, 
bann  fäm'  i^  auf  aus  biefer  9^ot 
unb  bliebe  ^infort  [tets  gefunb. 
Sobalb  fic's  an  bie  SBange  legt, 
ba  u)är'  iä)  gar  gu  gern  babei: 
bas  buftet,  roenn  man's  nur  beujegt, 
als  ob's  ein  SBü^slein  Sal[am  [ei. 
SUd),  möchte  [ie's  bo^  leiten  mir! 
So  oft  [ie  lieber  toollte,  gab'  i^'s  i^r. 

3^r  $als,  bie  §änbe  unb  ber  5u6  — 
bas  gibt  ben  aller[^ön[ten  ©lans. 
2Bas  [on(t  iä)  an  i^r  rühmen  mufe, 
bas  [ä^'  \ä)  lieber  einmal  gans! 
Se^r  ungern  ^ätt'  xi):  „2)ed'  bas  'SfladttV* 
gerufen,  als  i^  blofe  [ie  ]af). 


71 

Sic  blidft'  nxä)t  ^cr,  als  es  mf(5  padit, 

ujo's  jc^t  noä)  \6)mtx^t,  mk'5  cinft  gc[(^5, 

[obalb  t(§  bcnfc  an  bas  Sab, 

bas  flar'  unb  reine,  aus  bem  bic  3^eure  bamals  trat. 

!Die  freubige  §offnung  na^  trüber  3«^^  fprii^t  [i^  in 
fernem  [(^önen  Qk\>t  aus  {Q.  42,  15).  Ob  ni^t  jemanb 
iDieber  frö^Ii^  [ein  möchte,  fragt  ber  Dichter,  unb  toirft 
ben  3ungen  üor,  ba^  fie,  benen  hh  ßebenslujt  bas  Serj 
[^roellen  foll,  [i^  langweiliger  3^rauer  Eingeben.  35nen 
unb  htn  5{ei^en  \k\)t  es  an,  Reiter  5U  [ein.  grau  ©lud 
^at  eben  i^re  ©üter  blinblings  ausgeteilt:  bem  5Reid^en 
Derlei^t  [ic  trüben  Sinn,  bem  armen  Dichter  froren  50lut; 
gern  gäbe  ber  Di(^ter  tmoon  etxoas  ab  unb  tau[^tc  bafür 
ein  Xcil  Don  ber  £a[t  bes  9Je[i^es  ein.  Dann  aber  fä^rt 
2BaIter  in  tiefer  (Empfinbung  fort:  „2Ben  geheime  Sorge 
bru(ft,  ber  benfe  l^olbcr  grau'n,  er  toirb  befreit,  unb  geben!' 
an  l^eller  2;age  ©lud !  $Dlein  be[ter  Xro[t  toar  bies  in  fum= 
merooller  3ßit.  TOt  ben  fin[tern  Xagen  siegt's  über  mid) 
roie  9lot.  Hnb  bo^  ^ilft  mir  bann  bie  ^tih^,  benn  bie 
[c^mt  (i(^  i^res  £eibes:  t[t  ber  SBalb  nur  grün,  roirb 
|ie  balb  rot." 

grau,  toenn  ic^  an  bi^  gebat^t, 
toas  bein  reiner  £eib  erle[ner  3:ugenb  trägt  — 
ad),  ^a\i  ein !  —  bu  greif [t  mit  '^ad)t 
grab  ins  $er5  mir,  too's  bie  „liebe"  ^cgt. 
,fikh",  and)  „lieber",  hk  [inb  bein  ni^t  tpert, 
benn  bu  bi[t  bas  „lieb[te",  bas  id)  meine: 
bu  bi[t  mir  allcine 

[tatt  ber  ganjen  SBelt,  0  §errin,  toas  mir  fon[t  aud)  loiber» 

fä^rt. 


72 

i  'üfloä)  gehobener  i[t  bte  Stimmung  bcs  Sängers  in  bcn 

üollflingcnben  5Bcr[en  bes  näd^[tcn  ©cbi^tcs  (£.  45,  37) : 
3Bcnn  bic  93Iumcn  aus  b«m  (5ra[c  bringen,  als  ob  [ie  la^= 
Un  gen  bcn  (5Ian5  ber  Sonne,  unb  toenn  bie  flcinen  33ög= 
lein  liebli^  [ingen,  im  l^olben  SJlai  unb  in  ber  $0lorgen* 
frü^e,  ba  glei(^t  auf  (Erben  ni^ts  mel^r  biejer  2Bonne. 

Du  fü^Ift  hiä)  l)alb  bereits  im  Simmelrei(^. 

Hnb  fragen  |ie  na^  anbrem  5um  35erglei(^, 

bann  fag'  iä)  tu^,  mas  Schönes  e^e 

ben  klugen  mein  gefiel 

unb  no(^  gefiele,  roenn  ii^'s  roieber  [äl^c. 

X)as  i[t,  roenn  eine  eble  fjrau  unb  reine 
in  f^mutfer  3^^^t  ^ufs  ftattli^jte  gcfleibet, 
aus  l^eiterm  Sinne  unter  Sülen[(^en  ge^t, 
gar  tool^Igemut,  ni^t  mei^r  alleine, 
bistoeilen  an  ber  2Belt  bas  ^uge  roeibct, 
bort  iDie  bie  Sonne  h^i  ben  Sternen  |te^t  — 
ba  mag  ber  ^ai  mit  allen  SBunbem  prangen, 
loas  fommt  mit  i^m  benn  lieblicher  gegangen 
als  [ol(^  ein  ((^önlieitsoolles  SBeib? 
SBir  la[[en  alle  93lumen  fein 
unb  ftarren  auf  ber  ^ol^en  Senin  £eib. 

SBol^lan,  mollt  il^r  mit  mir  bie  SBal^r^eit  [c^auen, 

fo  eilen  toir  3um  ge[t  im  S0laienrei(^e, 

ber  i[t  mit  feiner  Seerft^ar  eingesogen. 

$Run  blidt  auf  ii^n  unb  bann  auf  ft^öne  grauen, 

toas  brunter  me^r  gefalle  beim  33ergleic^e 

unb  ob  i^  mi(^  in  meinem  95lid  betrogen. 

^6),  ujer  mic^  ba  nur  prüfen  ^iege 

unb  bafe  iä)  eines  na^m',  bas  anbre  liefee, 

roie  überf^nell  i^  ba  ju  roä^len  wüBte! 


73 


$crr  50lat,  x^x  müfetct  S0ldr3  c^'  fein, 
bet)or  i^  meine  $enin  ba  oermifete. 

Da  finb  olle  9?egt[ler  ber  Äunft  gesogen.  2Bie  rau[(^en 
biefe  Strophen,  na(^  5Irt  ber  Stangen  gebilbet,  in  bem 
roeiten  Sa^bau  i^rer  9teimbänber  doII  ba^in!  Xlnb  was 
ift  ^ier  ans  ben  einfachen  ^Tlaturetngängen  ber  t>ol!stum* 
litten  ßiebeslieber  geworben!  Die  Slüm^en  [inb  belebt, 
fie  la^en  has  $immel5li^t  an,  unb  mit  ber  gangen  Sen« 
li^Ieit  bes  SlRaienmorgens  gie^t  bie  Jßebensfreube  ein  in 
bas  ©emüt.  Xtnb  bo^  roirb  [ie  no(^  gefteigert  bur(^  ben 
5lnblirf  ber  frönen  grau,  bie  SBalter,  als  ein  e(^ter 
Mnftler,  in  ooller  ^Betoegung  üorfü^rt.  5Dlit  tDeI(^er  gri[(^e 
unb  Rtd^txt  roenbet  \xä)  bann  ber  Sanger  an  bie  Sörer, 
inbem  er  i^nen  fü^nlid^  hk  SBa^t  freigibt  groif^en  ber 
5lRaienprad^t  unb  bem  5Inbltd  ber  gerrin.  (Sx  geigt  ba  bie 
SBerroegenl^eit  bes  X)i(^ters,  ber  feiner  SlRittel  unb  i^rer 
2Bir!ung  t)oII!ommen  fi^er  ift,  er  fü^lt  [ic^  [einem  ^ubli« 
fum  überlegen,  er  leitet  gu  bem  ©enug,  ben  er  felbft  oor* 
bereitet  l^at.  Diefe  ©eroanbt^eit  ift  buxä)  Übung  erroorben 
unb  tDo^I  au(^  huxä)  bie  Srfa^rung  abgenötigt,  bafe  bie 
^^eilna^me  ber  $örer  an  ben  SRinneliebern  balb  ermattet, 
roenn  [ie  ni^t  per[önlic^  in  bas  3ntere[[e  gegogen  roerben; 
biefes  Runftmittel  ^at  SBalter  allein  ausgebilbet. 

S^on  tritt  ber  Sänger  in  nähere  iBegie^ungen  gu  ber 
gepriefenen  $enin,  bas  nä(^[te  Jßieb  (ß.  43,  9)  i[t  ein  Sei« 
fpiel  feiner  l^öfifd^er  i^onoerfation,  be[[en  Einlage  Xllric^ 
Don  £ie(^ten[tein  beim  5lufbau  feines  grauenbu(^es  oor« 
f^toebte.  2Balter  fie^t  es  als  ein  ©lürf  an,  bafe  er  bie 
grau  lennen  gelernt  ^at,  er  motzte  be[[en  noä)  ujürbiger 
loerben,  möchte  gerne  leben,  roenn  er  nur  gu  leben  toüfete, 
aber  er  ful^lt  feine  Itnerfa^ren^eit  unb  bittet  nun  bie 
Dame,  i^n  bas  'ißla^,  bas  rechte  ©lei^getoi^t  ebler  Sitte 

2ä)or\iaä),  SBoTter  tion  ber  SSogeTluribe.  G 


74 

3U  lehren.  Darauf  antmortet  [tc  ^ö^xä),  fte  riete  tno^l 
gerne,  boc^  fei  [ie  ber  mäze  no^  meniger  lunbig  als  er. 
Sie  tDÜFs  aber  üerfuc^ett;  toofern  er  i^r  3uer(t  bas  Hrtetl 
bcr  SJlänner  über  grauen  befanntgibt.  Der  Sanger  rü^mt 
nun  bie  Stetigfeit,  bas  So^^alten  roeibli^er  G^re  als  bie 
5b:one  ber  grauentugenben.  Da5u  fugt  [i^  roo^l  mafeoollc 
Seiterfeit  roie  bie  SRofe  3ur  £ilie.  Xlnb  Äiebensroürbigfeit 
int  S^erfel^r,  freunblit^e  5lnfpra(^e,  bas  [^mürft  bie  grauen 
roie  ber  SBogelfang  bie  £inbe,  roel^e  auf  bunter  2Biefe  ftef)t. 
Hnb  bie  $errin  erroibert:  „3d^  Ief)r'  (£u^,  roer  Don 
SIRännem  uns  bel^agt:  nur  ber  ^u  [Reiben  roei^  bas  Sö[' 
unb  (5ut'  unb  [tets  bas  ^e[te  von  uns  grauen  fagt;  bem 
finb  mix  ^olb,  toenn  er's  in  streuen  tut.  33er[te^t  er  [x^ 
auf  fro^e  Sitten,  ift  mafeooll  fein  (Semüt,  üon  §eiterfeit 
getragen,  bem  fpenben  n)ir,  toas  immer  er  begefirt.  2BeI(^ 
2Beib  lönnt'  il^m  bes  gabens  ^fanb  oerfagen?  Gin  guter 
SD^ann  ift  feibner  SBanbe  to^rt."  5luf  bicfes  äRa^nroort  läfet 
SBalter  nun  ein  £tcb  folgen  (ß.  46,  32),  bas  [xä)  an  bie 
gepriefene  „grau  50la6e"  felbft  roenbet.  ^llcs  3:reffli(%e 
in  ber  SBelt  ift  burd^  fie  errei(^t  roorben.  ©lüdEIid)  ber 
SJiann,  bem  fie  ^ilft.  Der  brauet  ]xä)  nirgenb  etioas  3U 
Dergeben,  ni(^t  bei  oorne^m,  ni(^t  bei  gering.  (£r  hitUi, 
fie  möge  i^n  hoä)  bie  eble  TOttelftra^e  finben  lehren. 
Übermäßiges  Streben  tut  nac^  feiner  Seite  gut,  bas  \)at 
ber  Dieter  an  fi(^  felbft  erfahren,  ^m  meiften  in  ber 
2kht.  ^Riebere  aRinne  maä)i,  bafe  ber  SRann  in  ficiben* 
fc^aft  ba^infiec^t,  o^ne  C^re  3U  geioinncn.  5lber  bie  Fio^e 
aRinne,  fie  erl^ö^t  ben  SRut,  fo  baß  er  \xä)  auffc^roingt 
na^  ben  3u  erroerbenben  (g^ren.  Hnb  je^t  ift  fie  ^icr  unb 
tDtnft  bem  Dieter,  i^r  3U  folgen.  2Bo  ift  grau  SRagc  ge= 
blieben?  Sie  ift  fort,  aber  felbft  toenn  fie  toieberfame, 
roürbe  bcr  Sänger  i^r  ni^t  me^r  ge^or(^en:  feine  Sinne 
nal^m  eine  ^o^e  grau  gefangen.   3tDar  fürchtet  2BaIter, 


btc  neue  ^\tht  loerbe  i^m  oicl  Sd^mers  bringen,  aber  er 
i[t  be3aubert  unb  gibt  [i(^  her  ßeibenf^aft  ^in. 

W\\  einem  metrif^en  5^un(t[tüdE  (fi.  47,  16)  fu^t  ber 
Dieter  bie  ^Betounberung  ber  Dame  ju  erregen:  eine 
Strophe  trägt  er  oor,  beren  S3erfe  na^  ilürse  unb  £ange 
[9mmetri[(^  georbnet  unb  mit  S^Iagreimen  gef^müdt  [inb, 
'hos  ^ei^t,  es  reimen  unmittelbar  aufeinanberfolgenbe 
2Borte.  ^Bereits  \)oX  SBalter  Hrfa(^e  5U  flagen,  er  fle^t  bie 
2Rinne  an,  [ie  möge  fi^  befinnen  unb  t^as  Xtnre^t  f(^lic^ten, 
'tiQiC>  il^m  bur^  bie  unoermäl^Ite  §errin  toiberfö^rt;  min« 
beftens  [ollte  [ie  i^n,  ben  treuen,  juroeilen  anfeilen,  er  tüill 
fi^  f^on  flug  benel^men.  ^ber  bas  l^ilft  ni(^t,  unb  in  einem 
5^ran5  üon  fünf  Stropi^en  (£.  47,  36)  gibt  SBalter  ein 
forgfam  ausgefüi^rtes  SBilb  feiner  ^nfi(^t  über  bie  grauen 
ber  Dorne^men  2BeIt.  '^XQtx  gefellige  Xugenben  [prid^t  [i^ 
ber  Sänger  3u :  er  lebt  gern  mit  ben  grö^Iic^en  unb  emp= 
finbet  bo(^  \io,<s>  fieib  ber  2^rauemben  in  feinem  ^erjen,  er 
toei^  mitäufü^Ien.  Das  mangelt  bem  ^öfif^en  $0linne= 
bitter,  b«n  peinlichen  Sinnes  nur  bas  eigene  ©ef^id  er* 
füllt  —  bie  Spifee  fe^rt  fic^  u)o]^l  löiber  5{einmar  —  unb 
barum  );)Qii  2Balter  au(^  anbere  Stoffe  gepflegt.  5lber  gern 
roill  er  fi^  ber  50linnepoefie  tüieber  juroenben,  falls  er  nur 
roü^te,  u)ie  er  bamit  \yi.\i  23eifall  ber  grauen  geroinnen 
fönnte.  Denn  bie  oome^men  grauen  );)G^tx{  einen  großen 
geiler,  fie  roiffen  bas  ©ute  unb  bas  Sc^tec^te  \it\  ben 
SWännem  ni^t  3U  unterf(^eiben ;  SBalter  roirft  bas  ber 
$errin  roieberl^olt  üor.  Sie  füllten  fi(^  baran  erinnern, 
baS  Damen  nur  bann  ^^tung  unb  fiiebe  oerbienen,  roenn 
fie  bie  ^Borjüge  bes  SBeibes  befi^en:  „SBeib"  ju  fein  im 
ebelften  Sinne  bes  SBortes  ift  bie  5^rone  aller  grauenart. 
Dasu  gel^ört  no(^  freunblid^er  ©rufe  unb  Dan!  (xn  ben 
Sanger.  SBcrben  biefe  ii^m  ni(^t  suteil,  bann  roill  au^ 
2Balter  xCx^i  me^r  il^r  £ob  fingen,  er  roill  i^nen  ben  5{ü(fen 


76 

feieren  unb  hamit  fagen,  ha^  [ie  für  i^n  nur  fo  üicl  xöcrt 
feien  oIs  er  für  fte.  2Bos  ^ai  er  üon  bem  ^ot^fal^renben 
Übermut  biefer  Damen? 

T)k  f^arfe  ßeftfon  setgt,  tote  [e^r  SBalter  ]xä)  bes 
eigenen  Sßertes  betonet  mar,  er  mu&  bie  ^nerfennung  [ei= 
ner  ^^itgenoffen  f^on  gefunben  l^aben.  Das  ©cbi(^t  le^rt 
au(^,  roelt^e  gei[ttge  greifet!  SBalter  bereits  enungen 
^atte:  er  [tel^t  über  ben  9langunterf$ieben  ber  äRen(^en 
unb  felbft  über  feiner  eigenen  ßeibenf^aft.  fiosrei^en  fann 
er  fid^  no^  niä)t  (£r  fragt  in  bem  nä^ften  feinen  ©efange 
(£.  69,  1),  ujas  bie  StRinne  benn  fei.  3o?ar  toiffe  er  man* 
d^es  üon  i^r,  aber  gerne  toüfet'  er  mel^r.  TOnne  üerbient 
i^ren  Flamen  nur,  fofern  fie  töo^I  tut;  f^afft  fie  fieib, 
bann  ift  es  ni^t  bie  rechte  Qkht.  „2Benn  iä)  gut  gu  raten 
miä)  befinne,  toas  bie  i0linne  fei,  fo  fagt  mir  alle  „ja": 
äiDeier  gersen  SBonne  ift  bie  SJlinne;  teilen  fie  fi^  brein, 
bann  ift  bie  SJlinne  ha.  Soll  aber  ungeteilt  bie  greube  fein, 
bann  üermag  ein  gerg  allein  fie  ni^t  ju  bergen,  ^c^,  tooll* 
teft  bu  mir  teilen  l^elfen,  $errin  mein!"  Das  mufe  jeboc^ 
balb  gef^e^en,  fonft  mill  2Balter  fi^  löfen  unb  toieber  ein 
freier  SKann  roerben.  Dann  loirb  aber  niemanb  me^r  fom= 
men,  ber  fie  in  feiner  ^rt  5U  preifen  üerftünbe.  Darum  foll 
fie  ]xä)  bebenfen.  Doc^  ift  ber  Dieter  felbft  no^  oon  £iebe 
geblenbet.  3m  folgenben  Siebe  (ß.  40,  19)  fu^t  er  9{e^t 
unb  §ilfe  miber  bie  ©eliebte  cor  bem  SRi^terftul^le  ber 
grau  5ERinne.  (£r  beruft  \iä)  ^ier  auf  bas  Qoh,  roomit  er 
bie  Serrin  geehrt  ^at,  rüdCt  ber  äRinne  feine  SBerbienfte 
Dor  unb  üerlangt,  bafe  fie,  bie  fein  Ser5  getroffen  §abe, 
au^  auf  bie  ©eliebte  einen  i^rer  übrigen  ipfeile  abfenb«. 
^nbemfalls  müßten  fie  f(^eiben,  unb  bie  äRinne  oerlöre 
i^ren  Diener.  —  greunblid^er  ift  bie  Stimmung  in  einem 
folgenben  £ieb«  (£.  85,  34).  Der  Sanger  rü^mt  bie 
S^önl^eit  ber  grau.   Sie  ertoib^rt  banfenb,  baoon  roiffe 


r 


[tc  ni^ls,  aber  gut  möchte  [tc  [ein,  unb  bas  [oll  er  [ie 
legten.  Da  forbcrt  er  roteber  JÖiebensröürbigfeit  gegen  alle, 
einem  jebot^  foll  fie  \\^  5U  eigen  geben.  2BiII  [ie  [einen 
£eib,  [0  i[t  ex  bereit,  mit  i^r  3U  tau[(5en.  Sie  meint,  ]^öf= 
\\6)  roolle  [ie  gerne  [ein  unb  be[[em,  toas  [ie  barin  Der= 
[äumt  \)oiit,  Dod^  nur  i^r  lRebegeno[[e  bürfe  ber  Sanger 
merben;  es  täte  i^r  leib,  toenn  er  [eines  £eibes  [i^  begeben 
[ollte.  SBalter  motzte  bas  gerne  roagen,  es  bünit  i^n  ein 
[anfter  3^ob,  aber  bie  $errin  toeigerfs,  [ie  roill  [elb[t  no(^ 
länger  leben  unb  oon  einem  3^au[^  nid^ts  u)i[[en.  — 

2BaIter  toar  mit  \At\t\i  ßiebem  über  9teinmars  2Bei[e 
Iäng[t  l^inausgelommen,  er  ^citte  [ie  [elb[tanbig  fortgebilbet 
unb  mit  bem  Sc^iDunge  [einer  fräftigen  reifem  SRatur  er= 
füllt.  9?einmar  mu^te  bas  empfinben,  unb  toenn  ber 
jüngere  ^Rebenbu^Ier  il^n  übertDU^s  unb  je^t  am  SBiener 
$ofe  [i(^  3U  i^m  [teilte,  [0  fonnte  ber  (5egen[aö  unb  bamit 
©ereijt^eit  bes  älteren  Sängers  nic^t  ausbleiben.  2Bir 
merten  bas  in  einem  Jßiebe  (fi.  120,  25),  too  SBaltcr  mit 
9leinmar[^en  ©ebanfen  [pielt,  über  bas  SBeri^ältnis  3tDi[(^en 
ber  toa^ren  Stimmung  bes  !Di(^ters  unb  bem  3^one  [einer 
Jßieber  rebet  unb  bie  $errin  bittet,  [ie  möge  [einen  Dien[t 
rec^t  tDürbigen,  obgIei(^  i^re  ©egentoart  i^m  bie  23e[innung 
raubt  unb  i^n  [^toeigen  ma^t.  Darauf  erfolgte  ein  5iem= 
Ii(^  heftiger  Angriff  SReinmars,  ber  am  S(^lu[[e  eines 
ßiebesliebes  über  einen  äl^ann  flagt,  löelc^er  stoar  \it\ 
grauen  [(^roeige,  aber  au^  niemanb  [on[t  reben  la[[e.  Der 
[olle  [i^  fortmachen  unb  einen  Ort  Derla[[en,  an  bem  er 
ni(^ts  5u  [uc^en  ^at.  SBalter  ertoibert,  inbem  er  iReinmar 
parobiert.  SÖSeil  $Reinmars  §enin  für  bie[en  toie  ber  5ln= 
bru^  ber  0[terfreube  [ei,  brauet  bas  ja  für  anbere  ni^t 
5U  gelten,  unb  ber  freunblic^e  ©rufe  [einer  grau  [ei  i§m, 
SBalter,  mel^r  roert  als  bas  £ob  SReinmars,  roomit  be[[en 
Serrin  alle  übrige  Damen  matt  [e^en  [oll.  Unb  er  fäi&rt 


78 

mit  f^arfcm  Spotte  fort  unb  fnüpft  an  ein  £icb  an,  tDorin 
9?ctnmar  oon  bem  Dicbftal^l  eines  Ruffes  \vnä)i,  ben  er 
roieber  an  feinen  ^la^  suriidfbringen  toill.  SBaltcr  aber 
läfet  bie  Dame  antmorten:  „Das  Stellen  [olc^er  ßeute 
[(^abe  il^r  ni^ts  an  i^rer  (£^re.  2Ber  einen  S{u%  oon  il^r 
tDirflid^  l^aben  toolle,  ber  muffe  il^n  auf  gesicmenbe  Ittrt  er= 
toerben.  Mit  ber  2Biebererftattung  t>mä)  ben  Xkh  gebe 
fie  ]\^  mä)t  ahJ'  Selbem  SBalter  ^usbrüdfe  ber  9te^t5= 
fprad^e  anmenbet,  bringt  er  eine  n)i^ige  ^ointe  in  büs 
(Bebi^t.  ^ber  im  ganjen  j^interlä^t  biefe  eiferfü^tige  ^olc* 
mif,  beren  Spuren  fc^on  in  früheren  9fle(fereien  5u  finben 
roaren,  einen  unerquidli^en  (Einbrudf.  Die  SBege  ber  beiben 
mögen  \xä)  fpäter  ni(^t  me^r  gefreugt  i^aben,  9}crftimmung 
blieb  jebesfalls  jurüdf,  unb  erft  ber  3:ob  bes  älteren 
Sängers  brachte  ^rieben  unb  SBerfö^nung.  — 

9lo$  geraume  3ßit  f^roanft  2BaIter  3tDif^en  Hoffnung 
unb  Gntfagen,  es  toirb  il^m  aber  immer  beutli(^er,  bafe  bie 
grau  ]xä)  ^wax  bisroeilen  an  feiner  Unterhaltung  freut,  bafe 
eine  ^tx^l\ä)t  Steigung  jeboc^  in  i§r  mä)t  auffommt.  So  mi= 
f(^en  fi(fi  Sorge  unb  greube  in  feinen  Jßiebern.  9^oc^  rü^mt 
er  bie  S(^ön]^eit  unb  (£^re  ber  Serrin  unb  ftellt  i^nen 
feine  3^^^  ^^^  3^reue  gegenüber,  bod^  ujie  beneibet  er  bie 
(fi.  117,  29),  benen  bie  langen  2Binternä^te  ©lücC  fpenben! 
5llle  frönen  grauen  unb  alle  gute  ^al^resaeit  Reifen  bem 
nichts  (fi.  118,  12),  ber  feinen  äRorgen  mit  3^rauer  beginnt. 
SlJlü^felig  ft^leit^en  bann  bie  2^age  ba^in,  unb  fclbft  ju  ber 
Serrin  ge^t  er  nur  feiten,  benn  feine  Hoffnungen  f(^iDin= 
ben,  fie  fpottet  feiner  (£.  70,  1),  er  ^abe  ja  befanntli^ 
fein  ©lüdE.  So  oerliert  er  bie  3^^^  unb  oersel^rt  fid^  in 
fru^tlofen  SBünfd^en.  3öT^re  sielten  oorbei,  bie  3ugenb 
ocrge^t  (£.  52,  23).  So  barf  bie  grau,  ber  er  fonft  olle 
Opfer  gebraut  l^ätte,  bie  aber  lieber  mit  i^ren  unb  feinen 
geinben  oerfe^rt  als  mit  i^m  —  bas  tabelt  er  mehrmals 


r 


79 

an  i^x  —  \\6)  nt^t  tounbem,  tocitn  er  m  frcmbe  ßanbcr 
3ic§t  unb  bort  nac^  grauen  roirbt.  ^lllerbtngs  gibt  es  nur 
eine,  beren  SBerfagen  i^n  fc^mer3t.  Doc^  bie  grau  nimmt 
biefe  Unfi^er^eit  bes  (Empfinbens  übel  (£.  70,  22)  unb 
oertoeift  fte  bem  Sänger.  Slidt  er  na^  anbeten  aus,  mt 
(oll  fie  i^n  lieben?  So  mufe  [ie\[i^  il^m  entfremben.  SBalter 
birgt  feine  5^ränfung,  er  f^eint  unter  ben  9Ken[d^en  l^eiter 
(£.  116,  33),  in  SBa^r^eit  i[t  er  traurig  unb  roirb  nid^t 
roieber  frol^,  beoor  ni^t  bie  Serrin  milber  toirb  unb  beffere 
3eiten  für  "ba^  Deutf(^e  $Reic^  fommen.  Da3u  i(t  toenig 
msfi^t  (fi.  117,  8):  ber  2Belt  unb  ben  grauen  ift  bie 
ro^e  geroaltfame  5lrt,  bie  je^t  \n  bas  $ofIeben  einbringt, 
lieber  als  bie  feine  ältere  SBeifc.  So  roirb  SBalter  enbli(^ 
einmal  ärgerlt^,  unb  in  einem  ßtebe  (£.  72,  31),  bas  er 
f(^u)erli(^  oor  ben  klugen  ber  [proben  §errin  gefungen  ]§at, 
bie  il^n  [o  f^lec^t  be^anbelte,  bricht  er  los :  OTen  3Uen[^n 
mac^t  feine  ^oefie  greube,  taufenb  Sersen  erl^eben  fi^ 
baran,  fie  allein  bleibt  falt.  Xlnb  boc^  follte  fie  roiffen,  ba^ 
fie  nur  in  feinem  Sänge  lebt,  niemanb  lüürbe  \\6)  fonft  um 
fie  fümmern.  SBo^in  foU  bas  führen?  ©laubt  fie  benn, 
bafe  fie  f^ön  bleibe  unb  einem  jüngeren  9Jlann  gefalle, 
inbes  nur  ber  Sänger  altere?  C)  nein,  ber  3unge  toirb  fie 
bann  oerf^mäl^en  unb  i^ö^nenb  fortpeitf^en. 

(£s  bleibe  bal^ingeftellt,  roas  oon  bem  ©efü^l  in  biefen 
fiiebern  als  t6)i  für  b«n  Dichter  in  ^nfpru(^  genommen 
roerben  barf,  jebesfalls  ift  mit  fold^en  un5öfli(^en  unb  un= 
l^öfifd^en  Strophen  bas  SBerl^ltnis  3u  (£nbe,  bas  2Baltern 
nur  bittere  (£nttäuf(^ung  gebracht,  i^n  aber  auf  bie  Söl^e 
ber  ritterli(^en  Sangesfunft  geführt  §at.  2Bas  innerhalb 
ber  gegebenen  ©rensen  ju  leiften  roar,  ^at  SBalter  ge* 
f^affen.  Unter  bem  3ouber  feines  2Bortes  beleben  \\6) 
bie  ^bftraftionen,  getoinnt  bas  ^eimlic^fte  ©efü^I  leben* 
bigen  unb  padenben  ^usbrurf.     CBine  üppige  gülle  ber 


80 

S^äfec  feines  (Empftnbens  ftreut  er  in  (Selängcn  aus  unb 
reißt  [eine  §örer  in  bie  Stimmung  hinein,  toelc^e  i^n  be* 
[eelt.  Seine  (Erfahrungen  tourben  ein  btcibenber  (Betoinn 
für  fein  £eben,  [ie  mat^ten  i^n  emfter  unb  tiefer,  aber 
fie  rüfteten  i^n  au(^  3U  ben  Aufgaben,  bie  [einer  l^arrten 
unb  5u  beren  Jßöfung  bas  Deutfc^e  5Rei(5  unb  SBoI!  [ein 
£eBen  unb  feine  5lun[t  für  \\^  forberten. 


Y. 

Bei  KSnIg  Philipp 

.  (£me  groge  Ratoftropl^e  crf^ütterte  hk  2BeIt:  Rax]n 
$ctnri(^  VI.,  SBarbaroffas  parier  So^n,  bcr  „Sammcr  her 
(Erbe",  iDie  btc  S^i^Ö^^oflß^  t^n  nannten;  bcr  na(^  ben 
2Bortcn  bcs  ^opftcs  3iino3cn5  III.  glet(^  einem  f^arfen 
9lorbfturm  über  bos  TOenblanb  fu^r,  er  max  am  28.  Sep= 
tember  1197  3u  S0le[[ina  geftorben.  Selten  §otte  ein 
beutf(|er  $en[c^er  über  eine  fol^e  3füne  ber  S[fla(5t  geboten 
toie  biefer  erlauchte  Staufer  am  (£nbe  feines  lurjen  Bebens; 
mitten  aus  htn  fül^njten  planen  unb  toeitgreifenbften  (£nU 
würfen  rife  il^n  ber  Xoh,  SJlit  eherner  gauft  ^atte  er 
Italien  3u  23oben  gejiüungen,  in  Deutfc^Ianb  bie  gur^t 
als  §üterin  oon  ©efe^  unb  9iec^t  aufgefteüt;  überall  bie 
6c^eu  vox  bem  faiferlit^en  S^amen  ertoedt  unb  wa^  er«» 
galten.  9lun  bemä(^tigte  \iä)  eine  ungeheure  SBerroirrung 
aller  (J5emüter.  3undc^ft  toarb  [ic^tbar,  toie  fel^r  bos 
^Infe^en  bes  b^utft^en  Äaifertums  mit  ber  ^erfon  bes 
(Sef^iebenen  oerfnüpft  loar,  benn  ber  SJlac^tbau  §einri^s 
hxaä)  fofort  in  ]iä)  sufammen.  Das  faiferli^e  ©ut  tourbe 
als  ^ctrenlos  era^tet  unb  raf^  t)on  ben  nä(^ften  gürften 
in  SBef^lag  genommen.  2)er  neue  ^apft  richtete  einen 
bebeutenben  Äir^enftaat  auf  unb  oerfünbigte  feine  Jße^ens* 
l^o^eit  über  9leapel  unb  Siäilien.    3"  Deutft^lanb  ent= 


82 


[tanb  bei  ben  (Bä)waä)tn  gtofe«  5lnö[t,  unb  fi^cr  mit  9?c^t, 
benn  ni^t  blofe  am  5Rei(^5gut  Dcrgriff  [i(^  alsbalb,  tocr 
ytar!  genug  wax,  ben  grieben  ju  brc^en,  jonbern  au(^ 
[ttittiger  unb  stoeifel^after  ^rtoatbefi^  fiel  but(^  ©etüalt* 
tat  ben  SOläc^tigen  ju.  So  tooren  $unger  unb  (Elenb  nit^t 
umfonft  35or3ei(^en  bes  na^enben  Unl^eils  geroe(en,  bie 
„9^ot  ob  aller  9^ot"  fam  aber  erft  bröuenb  l^eran:  nic^t 
mel^r  fd^ien  ber  (£ib  binbenb;  ben  bie  beutf^en  gür|ten 
bem  einäigen  Sproffen  bes  S^aijers,  bem  5^näblein  grieb* 
ri^,  geletftet  Italien,  ©egenfönige  [ollten  gefürt  loerben, 
unb  toie  eine  fi^toere  ©eroittertDolfe  l^ingen  bie  ©reuel 
bes  SBürgertrieges  an  bem  finftern  Sori5ont  unb  über  ber 
f^xDüIen  £uft. 

3u  bie[er  3^it  trat  SBalter  oon  ber  SBogelroeibe  auf 
ben  ^lan  unb  rebete  über  bas  ©efc^id  bes  ^Hei^es  in 
feinen  Sprüchen,  suerft  an  ben  göfen  ber  gürjten  unb  oon 
biefen  aus  3um  beutft^en  SBoIfe.  ©eroig  i[t  es  fein  3iifaII, 
bafe  bie  politif^en  ©ebi^te,  bie  [i^  auf  bie  SBebrängnis 
bes  5lronen5rüi|tes  (1198)  bejiel^en,  au(^  bie  erften  [inb, 
u)eld^e  uns  oon  SBalter  betoal^rt  blieben.  2Bem  es  über= 
^aupt  bamals  f^on  gegeben  mar;  [i^  als  SBürger  bes 
Deutfd^en  5Rei^es  3U  empfinben,  bem  mufete  bas  brol^enbe 
<3ö)\d\al  l^ersbeiüegenbe  SJla^ntoorte  auf  bie  fiippen  brän* 
gen,  unb  fo  suoörberft  too^I  bem  Sanger,  ber  bas  £anb 
unb  bie  aJlen[(^en  genau  fannte,  unb  ber  bie  (5dbt  ht\a^, 
bes  SBoIfes  allgemeine  Stimmung  in  (ein  £ieb  5u  fa[[en. 

9Kan  nimmt  gemein{)in  an,  SBalter  fei  ber  erfte  ge= 
mefen,  ber  bie  ^olitif  in  bie  :Did^tung  ber  ga^renben 
cinbejogen  l^abe.  Das  i[t  ni^t  unbebingt  nötig.  Darf 
\ä)on  jener  9ieim,  mit  bem  ein  Spielmann  bas  Serj  5^arls 
bes  (Brofeen  für  ben  oerbannten  Uobalri(^  3U  rül^ren 
toufete,  ni^t  politi[(^  genannt  roerbcn,  [o  i[t  bo(^  fic^cr» 
li(^  bas  gleid^falls  aus  ben  5^rci[en  ber  ga^renben  über* 


lieferte  Carmen  de  Heinrico,  bas  in  partcii|^er  5luffa|fung 
berietet,  rote  i^önig  Otto  I.  \\^  mit  [einem  reuigen  23ruber 
0U5[ö]^nt,  als  politififie  ^oe(ie  anjufprec^en.  Xlnb  bie  be= 
beutenben  (£reigni(fe  ber  nä(^[ten  3a§r^unberte,  ber  3^= 
üeftiturftreit,  bas  ^Tuffteigen  bes  ftaufif^en  Kaufes,  tDer= 
\iv\  au(^  in  ben  S3erfen  ber  Spielleute  i^ren  SBiber^all 
gefunben  ^Ben.  Die  Sagenbilbung,  roel^e  (ic^  augen= 
blidlic^  an  bie  toid^tigen  $öorgänge  (^liefet,  roar  geroi^  oft= 
mals  bur(^  politifc^e  ^enbenjen  beeinflußt;  unb  ber  Spiel= 
mann,  ber  bas  9}emommene  roeit  unb  breit  erjä^lte, 
biente  bamit  betoup  ober  unbetoufet  einem  politif^en  3"= 
tereffe.  Die  gorm,  in  ber  SBalter  [eine  9Jleinung  über  bie 
Hngelegenl^eiten  bes  5Hei^es  oorträgt,  i[t  ber  Spru^,  eine 
Stropl^e  aus  längeren  25er[en,  ben  bie  gnomi[c^e  Dichtung 
bes  alten  ga^renben  Speroogel  unb  [einer  ®eno[[en  [(^on 
fennt.  SBermutlic^  toaren  bie[e  au^  [eine  Söorgänger  in 
9?üd[ic^t  auf  ben  3n]^alt  ber  Sprü(^e. 

SBaiter  toar  oermutli(^  ein  £)[terrei(^er  ober  l^at  toenig* 
ftcns  lange  unb  oft  am  ö[terreic^i[^en  $ofe  gelebt,  er 
nal^m  ba^er  tDa^r[c^einIi^  bereits  einen  gen)i[[en  Stanb* 
punft  ein,  als  er  anfing,  [i(^  mit  ben  ^Ingelegenl&eiten  bes 
9tei(^es  in  [einer  Dichtung  3U  be[^äftigen.  Der  §of  ber 
5Babenberger  roar,  mit  ^usna^me  etlicher  SBer[timmungen, 
[tets  [taufi[d^  ge[innt  getoe[en,  unb  [o  roaren  auc^  bie  beiben 
Ser5öge,  griebric^  ber  5^at]^oIi[^e  in  £)[terrei(^  unb  ßeo= 
polb  ber  ©lorreic^e  in  Steiermarf.  W\i  bem  2obe  grieb* 
ri(^s  (16.  5IpriI  1198)  gelangte  fieopolb  allein  3um  5Be= 
[i^  ber  ö[terrei^i[(^en  £anbe  unb  biente  bur(^  alle  gä]^r= 
li^feiten  bem  3ntere[[e  ber  Staufer.  Das  mag  au(^ 
SBaltem  beeinflußt  Jaben,  benn,  [oioeit  toir  es  rDi[[en, 
trat  er  [ofort  o^ne  3ö9^r^  ^'^  ^arteimann  für  ^^ilipp, 
Ser^og  oon  S(^u)aben,  ben  jüngeren  trüber  bes  Der[torbe= 
nen  5lai[ers,  auf,  ber  am  8.  9Kör3  1198  ju  äRül)l5au[en 


84 

m  3^^üttngen  oon  ben  ocrfammeltcn  gürften  3Um  5lönig 
getDä^It  tootben  roar.  ^aä)  einigem  S^roanlen  rief  bie 
Gegenpartei,  meiere  in  ilöln  il^ren  S^roerpunft,  in  bcm 
(ErsBif^of  ^bolf  einen  tatfräftigen  gül^rer  ht]a)i,  unb 
oielleit^t  [^on  burc^  ben  alten  ^bftanb  5rDi[^en  ben  Deut= 
f^en  am  5?]^ein  xinb  benen  üon  ber  Donau  mit  be[timmt 
u)urbe,  ben  ©rafen  iDtto  üon  ^oitou  aus  bem  Sau[e  ber 
2BeIfen  am  9.  ^uni  besfelben  ^af)xts  jum  Äönig  aus. 
So  roar  geft^e^en,  roas  man  aUertoegen  für^tete,  bas 
beutfc^e  5Rei^  l^atte  ^md  $erren,  unb  ber  brubermörb«ri[(§e 
5lampf  begann. 

SBol^I  fanb  2BaIter  Urfad^c,  als  er  biesmal  ben  gof 
3U  SBien  oerlieg,  CSottes  Segen  für  feine  ga^^rt  3U  er= 
flel^en  (£.  24,  18):  ,,aRit  Seile  lafe  mic^  ^eut  auf[te^n, 
Serr  ©ott,  in  betnem  St^u^e  gel^n  unb  reiten,  tool^in  xä) 
bes  2Begs  mic^  feiere.  Unb  bu,  fierr  dl^rift,  bring'  an 
ben  3:ag,  loas  beiner  ©üte  Äraft  oermag,  unb  pte  mein 
burd^  beiner  SKutter  (gl^re,  roie  i^r  unb  bein  ber  ^eil'ge 
(gngel  pflegte,  als  fie  U^,  Rxnh,  in  beine  Ärippe  legte 
(fo  jung  als  SKenfc^,  fo  alt  als  (Sott!),  bemütig  oor  bem 
(£fel  unb  bem  9?inbe  —  es  na^m  bi^  C5 abriet  [o  gut 
in  feine  freubenreic^e  Sut  mit  ganjer  3:reue  o^ne  ge^I 
—  fo  \)üV  au^  mein,  bafe  fi^  betoöl^rt  erfinbe  an  mir  bein 
fd)ü^enb  göttli^er  IBefe^l."  äJlit  3:rauer  blidte  SBalter 
auf  SBien  3urürf,  benn  ber  ^eitere,  fangesfro^e  unb  milbe 
$er3og  griebri^  toar  oom  5lreu33uge  nic^t  ^eimgefel^rt, 
unb  ber  nun  an  feiner  Statt  bas  §err[^eramt  übte,  $er= 
30g  Jßeopolb,  roar  l^ärter  unb  ber  5lunft  bes  Dichters 
weniger  freunblic^  gefinnt.  So  Reibet  benn  biefer  fem  (5e= 
fül^I  in  einen  Spru(^,  ben  er  bem  §ofe  felbft  in  ben  3Jlunb 
legt  (£.  24,  33) : 

3)er  Sof  Don  SBien,  ber  fpra(^  3U  mir: 

„SBalter,  gern  gefiel'  iä)  bir. 


85 


nun  ^a^t  bu  miä):  bas  möge  ©ott  erbatmen! 

SKetn  ^nfe^n,  bas  toar  ein[ten5  xtiä), 

ha  Uhu  nirgenb  toer  mir  glet(^ 

als  5^öntg  5lrtu5  ettoa;  roe]^  mir  Firmen! 

2Bo  finb  bie  9litter  jefet  unb  grauen, 

hU  man  hti  mir  follte  flauen? 

Se^t,  TDie  fläglit^  mir's  ergebt! 

gaul  ift  mein  Da(^,  es  brödEeln  mir  bie  3Bänbe, 

unb  niemanb  hUxbt  mir  gfreunb  nrx^,  leiber. 

Denn  Silber,  ©olb,  bann  9?o[fe,  5lleiber, 

bie  teilt'  iä)  aus,  unb  gülle  blieb  gurüdf. 

3efet  aber  fehlt's  am  Äran3  unb  am  ©ebänbe, 

[elb[t  grauentanj  oertrieb  mein  SOlifegefc^idf." 

9flo(^  als  Sßalter  hm  RoniQ  ^i^ilipp  auffui^t,  ge= 
beult  er  bes  toten  ^er^ogs,  ber  i^m  ein  freunblid^er  ©önner 
getoefen  [ein  mufe.  2Bir  entnehmen  übrigens  biefem 
Sprud^  (2.  19,  29)  au(^,  ha^  SBalter  o^ne  (5(^tDierig!eiten 
M  ^^ilipp  3utritt  unb  gütige  ^ufna^me  gefunben  l^at. 

Der  $of  bes  Stauferfaifers  u)ar  ein  ausgeseic^neter 
^la^,  um  einen  HberblidE  ber  £age  Deutf^lanbs  3u  ge= 
toinnen.  3^^^  gto^e  poIitif(^e  äRä^te  mit  roeiten  3nter^ 
effenfreifen  [tauben  je^t  gegeneinanber.  3n  Sübbeut[c^= 
lanb  bas  [taufi[(^e  5lönigtum,  bas  in  ber  ungel^euren 
Sausmac^t  tourselte,  roel^e  bie[es  (5e[^Iec^t  [eit  langem 
3u[ammengefügt  ^^tte.  S^rieb  hoä)  ^i^ilipp  [elb[t  bar= 
über  an  ben  ^ap[t:  „Das  [ollt  i^r  u)i[[en,  ha^  bamals 
unter  allen  5Reid^sfür[ten  niemanb  reicher,  mä^tiger,  an= 
ge[e5ener  toar  als  id).  Überall  l^atte  ic^  roeite  93e[i^ungen, 
[tarle  unb  uneinnehmbare  ^Burgen,  [o  oiele  Dien[tmannen, 
bafe  t(5  bereu  S^^  niemals  genau  angeben  fonnte,  unb 
Stäbte  unb  Dörfer  mit  überaus  reichen  3Tt[ci[[en.  ^d) 
befafe  einen  gro&en  S^a^  an  (5olb  unb  Silber  unb  fo[t= 


86 

boren  Steinen  unb  auä)  bas  l^etlige  i^reuj,  bie  £an5e,  bie 
5ltone,  bie  ©eroänber  unb  alle  ^^fignien  bes  5lai[ertum5. 
S^iemanb  fonnte  3um  ilönige  erroä^lt  röerben,  ber  nid^t 
me^r  meiner  Hnterftü^ung  als  iä)  (eines  SBo^ltooIlens 
beburft  ^äiU.'*  Die  i^raft  ber  Staufer  toar  bie  Spi^e 
einer  großartigen,  na^  unten  [ic^  uerbreiternben  Organi= 
[afion  abeligen  ©efi^es,  eines  Sr)[tems  oon  £e^ensgütern, 
inneri^alb  beffen  unter  htn  friegerif(^en  ^Rittern  ein  be= 
ftänbiges  Stieben  unb  Drängen  ftattfanb,  um  bie  frei 
tDerbenben  ]^i)]^eren  ^lä^e  ein3une^men.  Die  Dien[t= 
mannenfc^aft  ber  Staufer  mar  ftets  friegsbereit,  benn  ber 
Ärieg  brachte  neue  5lusfi^ten  auf  3^^^^^  ^^5  §au6= 
gutes.  Die  Staufer  toaren  hk  einjige  gürftenfamilie 
Deut[(^lanbS;  beren  §aupt  ben  ilampf  um  bie  5lönig5= 
unb  5laiferfrone  fürs  erfte  beginnen  fonnte,  o^ne  bie  äRittel 
in  ^Infprud^  3U  nehmen,  roelt^e  ber  ober(ten  5ieic^sgerDalt 
3u[tanben.  3^re  SKac^t  toar  eine  burc^aus  ari[to!rati[(^e. 
§intDieber  ftü^ten  ]xä)  bie  ]t\t  i^rem  Ronflift  mit  5^ai[er 
^Rotbart  arg  gef(^n)äc^ten  SBelfen  in  9^orbbeutf(^lanb  auf 
gans  anbere  5Berbinbungen.  (Einmal  auf  bie  na^e  33er= 
toanbtfc^aft  mit  bem  engli[(^en  i^önigs^aufe,  bas  loegen 
feiner  fortroäl^renben  geinbfeligfeiten  mit  granfrei^  einen 
feften  ^n^alt  in  Deutf^Ianb  fu^te.  Damit  aber  UKir 
auä)  f^on  ein  anberes  gegeben.  Sßa^renb  bie  nieber* 
beutfd^en  gürften  in  i^ren  Spmpat^ien  3U)i[(^en  Stauf  unb 
2ßelf  geteilt  toaren  unb  i^re  §altung  bur(^  [e^r  oer* 
[(^iebenartige  S^i^^^^^ff^^;  3-  33.  bas  S3er^ältnis  3U  Däne= 
marf,  beftimmt  rourbe,  eriou^s  in  ber  Stabt  5^öln  bem 
2Belfen!önig  bie  rDi^tig[te  Stü^e.  Sc^on  3ur  3^^^  Sein= 
ri^s  IV.  unb  V.  Ratten  bie  aufblü^enben  r^einij^en 
Stäbte  in  bie  ^oliti!  eingegriffen,  unb  allen  ooran  roar 
bamals  SBorms  für  bie  faiferli^e  ©etoalt  loä^renb  ber 
2Birmi[[e  bes  93ürger!rieges  eingetreten.    3^3^^^^"  'ftotte 


87 


]iä)  Röln  3ur  crftcn  ganbelsitabt  X)eutf^Ianb5  §cron= 
gebilbct,  3um  Xau[^pla§  für  0[t  unb  2Be[t;  insbejonbcre 
ithoä)  Derbcnftc  es  feine  übermä(^ttge  Stellung  ber  §erT* 
[^aft  über  ben  englif^en  SKarft.  (Eine  3^i^^ong  timren 
bie  Kölner  bie  erften  5^aufleute  (gnglanbs,  [ie  l^ielten  grofee 
ftänbige  5RteberIagen  in  fionbon  unb  befugten  alle  eng= 
lifc^en  3a]^rmär!te.  Die  Ux\aä)t  biefes  ^uffc^tounges  mar 
bie  fixere  unb  bequeme  2Ba[[erftra6e  bes  9?^eine5;  ber  naä) 
einer  StxU  bie  Stabt  mit  ben  3nbu(trien  am  Oberr^ein 
üerbanb,  anbererfeits  i^r  bas  $IReer  unb  baburc^  Gng= 
lanb  na^erüdte.  Äeine  Sanbelsftabt,  roel^e  auf  bie  \ä)mk= 
rigen,  gefa^rooHen  unb  !o[t[pieIigen  3iifö^rten  ber  fianb= 
töege  aus  einem  SBinnengebiete  angeroiefen  loar,  üermo(^te 
es  mit  Rbln  aufsune^men.  Der  5Hei$tum  unb  bamit  ber 
Ginflufe  ber  fölnif(^en  ilaufleute  (tieg  ra[^  unb  an^altenb. 
So  ujurbe  hk  Stabt  3ur  Operationsbafis  für  bie  Anfänge 
bes  SBelfen,  bot  i^m  bie  50littel  um^renb  ber  erften  S^^re 
toe^felnben  ©lüdes  unb  ^arrte  bei  Otto  aus,  als  na(^ 
bem  Sturse  oon  1204  alles  i^n  oerIa[jen  ^atte.  Sie 
n)urbe  [ein  le^ter  Mdtl^alt,  unb  bie  Bürger  [tritten  lieber 
mit  i^rem  eigenen  Sr^bift^of,  bem  Rönigsma^er  ^bolf, 
unb  oerjagten  i^n,  als  bafe  [ie  ben  2Belfen,  bas  Reifet 
bie  englif^e  3inian5,  Ratten  fallen  Ia[[en,  auf  ber  jum 
beften  Xeile  i^re  5^aufmann[(5aft  berul^te.  (£s  i[t  bas 
er[temal  in  ber  beut[(§en  (5t\ä)xä)U,  ba^  [täbti[c^e  unb 
5lbelsintere[[en  [o  toibereinanber  5U  gelbe  liegen,  $anbel 
unb  3T^i>iiIti^i^  oerfnüpft  miber  ben  ^derbau  unb  [eine 
feubalen  5lrieger[^aren,  ber  5lorben  Deut[(5lanbs  loiber 
hin  Süben;  aber  es  i[t  ni(^t  bas  le^temal,  unb  fa[t  bis 
3ur  ©egentoart  bauert  bie  Trennung  unb  ber  Streit  bie[er 
3ntere[[engruppen  fort,  roeld^e  bie  un^eiloolle  Sonbe= 
rung  bes  beutf^en  SBolfes  in  5lla[[en  [0  [e^r  0 ertieft  ^aben. 
gür  ben  3w[<^auer  in  jener  trüben  3^it  [elb[t  loar 


88 

bcr  $ori5ont  ntc^t  fo  toctt  als  roir  \\)n  l^cutc  feiert  lönnen, 
btc  §anb«Inben  ^erfönli^Icttcn  traten  vk\  ftärfer  in  bcn 
SBorbergrunb.  SBor  allem  aBet  mufete  \iä)  jebes  ein  (5e= 
fü^l  ber  ^Riebergefd^lagenl^eit  unb  3^rauer  über  ben  r)er= 
iDorrenen  3iiftanb  bes  Jteic^es  bema^tigen,  unb  Sßalter 
oerleil^t  biefer  Stimmung  treffli^  ^usbrud  in  feinem 
berühmten  ©ebi^te  (ß.  8,  4) : 

^ä)  fafe  auf  einem  Steine 
unb  htdt^  Sein  mit  SBeine, 
barauf  ftellt'  ic^  ben  (Ellenbogen 
unb  ^att'  in  meine  $anb  gebogen 
has  Rinn  unb  eine  2Bange. 
Da  bac^f  i^  nun  gar  lange, 
toie  benn  \yk  SBelt  oerlangt  ju  leben : 
iä)  tDußte  feinen  9?at  3U  geben, 
um  breierlei  5u  werben, 
ha)^  feines  bürft'  oerberben. 
3tDei  baoon,  CS^re,  fal^rnbes  ©ut, 
gar  oft  einanber  Schaben  tut; 
bas  britte,  ©ottes  ©nabe,  [iegt 
unb  jenen  beiben  überroiegt. 
Die  toünf(5t'  iä)  all  in  einen  Schrein. 
Do^  leiber,  bas  fann  niemals  [ein, 
bag  $Rei(^tum  unb  ber  SlRenf^en  $ulb 
unb  ©ottes  ©nabe  mit  ©ebulb 
5ufammen  in  ein  Ser3  gelangen: 
bal^in  finb  2ßeg  unb  Steg  oergangen. 
Untreue  liegt  im  Sinter^alt, 
bo^  auf  ber  Strafee  fä^rt  ©eroalt. 
griebe  unb  5Re^t  [inb  \kä)  oon  SBunben: 
CS  bleiben  jene  o^n'  ©eleit,  roenn  biefe  beiben  nxä)i 

gefunbcn. 


89 


II 
I 


So  Hat  uitb  \ä)ön  toar  l^ier  ausgc[proc^en,  was  alle 
cmpfanben,  hafe  bic  3ßit9eno[fcn  unb  bic  ^lac^fal^rcTi, 
wt\d)t  nod^  untcT  bem  (£mflu[[c  münblt^cr  5lunbe  über  bcn 
Sänger  ftanben,  \id)  SBaltern  am  licbften  oorftclltcn,  u)ic 
bic  crften  3eilß^  btcfes  Sprui^es  il^n  f^ilbern:  fo  i\t 
er  auä)  in  ber  9Jlane[fif^€n  Sanb[c^rift  abgemalt,  bie  ein 
gutes  ©efc^irf  neulich  aus  ^aris  nac^  §eibelberg  äurücf= 
gebracht  ^at  2}on  ber  einleitenben  SBetra^tung  ber  üblen 
SBeltlage  toenbet  \iä)  SBalter  5um  beutf^en  5tei(5  in  bem 
folgenben  ©ebid^t  (ß.  8,  25):  „Des  Stromes  2BeIIen 
rauf(^ten  fü^I.  3^  fa^  barin  ber  gif^e  Spiel,  iä}  [a^, 
roas  ringsum  in  ber  2BeIt:  htn  SBalb,  bas  £aub,  ^o\)x, 
©ras  unb  gelb.  Unb  roas  ha  alles  friert  unb  fliegt 
unb  [eine  Seine  jur  (Erbe  biegt,  bies  [af)  xii)  unb  i^  fag' 
eu^  bas:  feins  lebt  oon  i^nen  oi^ne  $a6,  bas  Sßilb  unb 
bas  ©eroürme,  fie  [treiten  [tar!e  Stürme,  [o  tun  bie  SBögel 
unter  fid^.  3"  einem  finb  [ie  rounberli^:  fie  bünften 
alle  )i^  3u  nt^t,  befägen  [ie  fein  [tar!  ©cric^t.  Sie  [e^en 
ilönig  \id)  unb  5te(^t,  [ie  orbnen's  3iDi[(^cn  $enn  unb 
Sb\eä)t  Drum  toe^  bir,  armes  beut[^es  Jßanb!  Sc^le^t 
i[t's  um  bein  (5e[e^  betoaubt.  Der  5CRüden  toaltet  ein 
König,  [el^t,  bein'  (g^f  unb  5In[c^n  aber  oerge^t.  fB^U^x' 
hiä)  [d^nell,  no(^  i[t  es  S^it,  \ä)\iä)i'  beiner  bö[en  Sßerber 
Streit!  Die  fleinen  5ür[ten  oerberben  bein  ©lud;  $errn 
^r;ilipp  [e^'  bie  5^rone  auf,  hk  anbem  u)ei[e  bu  jurüd!" 
Denn  $l)ilipp  ber  Staufer  i[t  es,  ben  [c^on  bas  S^idt[al 
5um  ober[ten  ^errn  bc[timmt  ^at  (£.  18,  29) :  „3rDar  i[t 
bie  5^rone  älter  als  5^önig  ^^ilipps  Saupt,  bo(^  [^aut 
i^r  bran  ein  SBunber,  faum  bafe  i^r  es  mir  glaubt:  [ie 
pafet  il^m  gan5,  als  l^ätt's  ber  S^mieb  für  il^n  gego[[en; 
(o  ]i)ön  \^xdi  ]iä)  ber  9ieif  ju  i^m,  bem  5lai[er[pro[[en, 
ba6  niemanb  trennen  barf  bic  beiben  ®lürfsgeno[[en.  (Eins 
[teigert  nur  bes  anbem  froren  S^ein,  [o  lenktet  roiber 

Sc^önbod),  äöaltet  öon  ber  SSogelipcibe.  7 


90 


il^n  bas  funfeinbe  (5c[tetn.  t)k  tttugcnrocibe  fc^n  bic 
5ür[tcn  gem.  2ßer  je^t  um  Deut[(5lanb5  3u!unft  irrcnb 
bangt,  bcr  ]d)au',  ob  vodä)em  Saupt  bic  e(^te  5lronc  prangt. 
Der  Stein  barin  fei  allen  Serrn  ein  ßeitejtern." 

Der  2Bunf^,  ben  ber  Dieter  mit  bie[en  legten  SBor- 
ten  äußerte,  ging  ni^t  fofort  in  (Erfüllung.  Denn  wä\)= 
renb  ber  nä^ften  ^a^u  ft^toanfte  bas  Slriegsglürf.  3^<i^ 
gelangen  $]^ilipp  feine  Heerfahrten  meiftens,  aber  er  unter* 
na^m  fie  ni^t  immer  5ur  regten  3cit.  9Kan(^maI  f^eint 
fein  3ögem  bei  ben  fpdrlic^en  5Ra^ri^ten  fajt  unoerftänb* 
li^,  tDenn  man  ni(^t  anne-^men  roin,  er  l^abe  feine  $off= 
nungen  me^r  barauf  gefegt,  mit  ben  gürften  3u  oer* 
^anbelU;  als  fie  mit  (Seroalt  an  \iä)  5U  feffeln.  Denn 
^^ilipp  roar  fein  Äriegsmann.  Sein  SBater  l^atte  i^n 
für  \>ie  Rix^e  beftimmt,  er  §atte  barum  gelehrte  Stubien 
angefangen,  felbft  mel^rere  gei[tli(^e  toter  übernommen 
unb  ent[{^ieb  \iä)  er[t  für  bie  2BeItIic^feit,  als  fein  faifer= 
lieber  ^Bruber  §einri^  es  toünf^te.  25on  5ierli(^er  (5e[talt, 
flein,  aber  ni(^t  f(^iDä$li(^;  loofilgebilbet,  ja  ft^ön,  gc= 
toann  [ic^  ber  blonbe  3üngling  bur^  feines  93ene5mcn 
unb  £iebensrDürbtg!eit  bie  Scrjen  aller,  bic  mit  i^m  t)er= 
!e^rten.  So  bef^rcibt  i^n  aud^  SBalter  (£.  19,  5),  ber 
htn  Äönig  mit  feiner  erlauchten  ©emal^lin  äUaria,  bic 
üorbem  als  gricc^ifc^e  ^rin5e[fin  3rcnc  ge^eigen  ^aiU, 
3Bci]^na(^t  1199  ju  $0lagbcburg  in  fcftlit^cm  3ugc  nac^  bem 
Dome  fd^rciten  fa^.  Drei  SBürbcn  tragt  ber  füge  junge 
50lann:  er  i[t  5lönig,  i[t  Sol^n  unb  Sruber  eines  5lai[er5. 
Unb  i^m  folgt  feine  l^o^geborenc  5lönigin,  eine  9to[e 
ol^ne  Dom,  eine  Xaube  o^ne  (Salle,  —  liebliche  SBilber, 
mit  benen  man  bie  jungfräulich  (Gottesmutter  preijt. 
Hmgeben  roaren  fie  ba  oon  ben  SBome^mften  aus  ben 
(Sauen  X^üxinQtns  unb  Sa^fens,  eine  prächtige  (5t]dU 
f^aft  abcliger  genen,  ooll  ^öfif^er  3^^^-    '^^^  poIiti[(^e 


91 

©ciDinti,  bcn  biefes  2Bei]^na(^t5fc[t  für  ?^^tlipp  besei^netc, 
mar  mä)t  ganj  5UDerIäfftg.  3iDar  ^atU  [lä)  eine  „5let^5= 
pattei"  gebilbet,  beren  Programm  in  ber  mannl^ften  (£r= 
flärung  5U  lefen  toar,  tuet^e  fef^sunbaroansig  beutfi^e  gür= 
ftcn  om  28.  Mai  1199  oon  Speier  aus  an  ben  ^apjt 
ri^teten,  toorin  [ie  i^re  früheren  Mrnberger  Abmachungen 
befräftigten,  bie  SBa^I  ^^ilipps  anaeigten  unb  bie  9ied^te 
bes  SReic^es  fe^r  flar  gegen  bie  bes  ^apftes  abgrensten. 
3ebo(^  gerabe  in  bem  folgenben  ^a^xt  erj^eint  bie  ftau= 
fif^e  Sa^e  im  $Riebergange  begriffen,  bem  SBelfen  er= 
öffnen  \iä)  neue  Hilfsmittel  unb  3^iH^t  ^^^  Stimmung 
mancher  gür[ten  ft^Iägt  um,  beren  per[önli(^e  §abgier 
Don  ^^ilipp  ni^t  ausreic^enb  befriebigt  ujurbe,  unb  of)nc 
roirüi^e  gro^e  SBerlufte  löei^t  boc^  ber  Staufer  Iang[am 
3urü(f,  am  roeiteften  im  ^a^u  1203.  (£5  i[t,  als  ob  bie 
XIngunft  bes  Sä)id\als  i^m  au^  äeitroeilig  bie  5lraft  ge= 
lä^mt  ^abt. 

ajlit  ber  SBenbung  3um  Üblen  üerlnüpfen  [i^  brei 
Sprüche  2BaIters  (fi.  19,  17.  16,  36.  17,  11),  bie  (dmtli^ 
als  2Bamungen  aufäufa[[en  finb.  ^m  erften  rebet  er  ben 
5lönig  an  unb  teilt  i^m  mit,  biejenigen,  roelc^e  i^m  naf)e* 
[tünben,  sieben  i^n  ber  ilarg^eit;  er  ma^nt  i^n,  bafe  in 
feiner  Stellung  Spar[amfeit  unflug  [ei,  benn  er  verliere  oiel 
me^r  baburd^,  als  er  etv)a  ausgebe.  Au^  geroinne  er  \iä) 
Anl^anger  nur  burd^  freiwillige  Spenben.  Das  öeifpiel 
bes  milb^n  Salabin  foll  i^n  belehren,  ber  ba  [pra(^,  eines 
Äönigs  Sänbe  müßten  löcherig  [ein;  barum  für^tete 
unb  liebte  man  i^n.  Unb  löelc^e  Summen  l^at  ni^t 
bas  engli[^e  SBol!  für  [einen  5^önig  SRic^arb  fiötöenl^erj 
besa^lt,  um  i^n  aus  ber  ©efangenf(^aft  ju  lö[en?  (£r 
oerbanfte  bies  bo^  nur  [einer  oor^er  bexDie[enen  5^eigebig* 
feit.  (£s  i[t  bas  Sc^enfen  tin  $Ra(^teil,  mit  bem  man 
Sroei    33orteile    erwirbt.     Unb    roieber    rü^mt    er    bem 

7* 


92 

5lönig  ^l^ilipp  bic  „$0lilbc''  als  eine  Saat,  bte  boppelte 
gxiit^t  trage.  Sie  ]^at  für  ^lleianber  alle  5lei^e  ber 
SBelt  erobert.  Serber  (inb  bie  23er[e,  in  benen  SBaltcr 
auf  bas  bö[e  S(^irffal  ber  htihtn  Qxkä)x]ä)tn  5lai[er  3\aaf 
tttngelus  unb  ^llexius  oenoeift;  bie  ^i^ilipp  Der[(^u)ägert 
unb  im  S^nuar  1204  abgefegt  loorben  roaren.  Gs  lag 
fonjt  ni^t  in  ber  SBeife  bes  reii^en  Königs  ^^ilipp,  3U 
fargen,  allein  na^  unb  nai^  erf^öpften  bie  immenoä^ren* 
ben  ©aben  hoä)  auä)  bas  große  [taufif(^e  Sausgut.  2Bie 
genau  SBalter  unteni^tet  loar,  ]k^t  man  aus  [einen 
na^ften  Strophen.  (£r  ^at  es  oortreffli^  erraten,  menn 
er  auf  bie  mächtigen  5iei^sbien[tmannen  Sübbeut[^Ianbs 
Seigt  (2,  83,  14)  als  auf  biejenigen,  benen  oielc  3Dflängel 
oon  ^^ilipps  ^Regierung  sujure^nen  feien;  bas  roären 
f^Iec^te  5Rat|^läge,  bie  gut  anfingen  unb  Bös  enbeten. 
Dem  Sänger  ge^t  bte  £age  bes  ^Reit^es  5u  Sersen,  er 
flagt,  fo  [^limm  fel^e  es  aus,  als  toenn  bas  (Enbe  ber 
SBelt  {(^on  oor  ber  2üre  [tünb^.  OTe  3^^^"  fünbigen 
es  on,  felb[t  bie  Sonne  ^at  ii^ren  Si^ein  aufgegeben 
(Sonnenfinftemis  oon  1201),  ber  SBürgerfrieg  bri^t  alle 
23anbe  bes  Slutes,  ixtiht  ben  35ater  toiber  ben  Sol^n,  htn 
33ruber  loib^r  ben  Sruber.  Die  (5ei[tli(^en  [outen  uns 
ben  ^fab  3um  gimmel  öffnen,  aber  i^r  Jßeben  betrügt 
i^re  Äel^re.  Überall  ^err[^t  (Seroalt,  [ie  oertreibt  aud) 
bas  SRe^t  oom  Stuhle  bes  9?i(^ters  (ß.  85,  25).  „So 
[inft  ber  9lu^m  bes  beut[(^en  SReic^es  ba^in.  (£in[t  toar 
es  bas  ma^tigfte,  fein  ^Rac^bar  erroies  [ic^  als  feinb* 
feiig,  ber  ni(^t  be[iegt  rourbe  unb  es  büßen  mußte,  ^e^i 
i[t  bie[e  (g^re  gefc^rounben."  SBalter  [ie^t  au^  ganj 
flar,  roeld^e  äRa^t  be[onber5  ber  [taufi[(^en  Sai^e  [c^abet, 
unb  er  Der[äumt  ni^t,  [ie  offen  ju  nennen. 

$Rac^  langem  unb  oor[i(^tigem  3ögem  f}attt  nämli^ 
^ap[t  3i^"ö3en5  III.,  ber  im  3<inuQr  1198,  er[t  [iebenunb* 


93 


^i^ßißiö  3^0^^^  ölt,  hm  römtf^en  Stul^l  befticgen  \)aiU, 
im  grül^Itnge  bcs  Z^^^^s  1201  huxä)  bk  (gntfcnbung  bcs 
Äarbmallegatcn  ©utbo  con  ^räne[tc  na^  Dcutf^Ianb 
fn  bem  3:5ron|treitc  gartet  ergriffen.  Da^  er  ]i^  für 
Otto  ben  SBelfen  entf^ieb,  moi^te  man  nic^t  anbers  cr= 
wartet  l^aBen.  (gehörte  bo^  ^^ilipp  htm  Saufe  ber 
8taufer  an,  bas  oon  je^er  b^r  Rixä)t  feinblii^  gefinnt 
mar,  unb  befanb  [i^  fclbft  no(^  in  bem  Sänne,  ben  er  als 
SKanbatar  feines  Snibers  $einri^  unb  als  Sersog  oon 
2^uscien  huxä)  St^dbigung  ber  päpftli(^en  So^eitsred^te 
im  ©ebiete  bes  5^ir^enftaates  auf  (i^  gelaben  l^atte.  Hnb 
enblic^  3eigte  \iä)  ^^itipp  tro^  perfönli^er  grömmigfeit 
hex  bem  früheren  fd^riftlic^en  SBerfe^r  roenig  geneigt,  oon 
ber  burc^  bie  Xrabition  feines  Saufes  il^m  oorgesei^neten 
Stellung  bes  toeltli^^n  Oberl^auptes  absugel^en.  2Bas 
fonnte  ber  ^apft  geroärtigen,  toenn  er  bur^  feine  Unter* 
ftu^ung  bie  2Ra(^t  b«s  Staufers  ausbe^nen  ^alf?  Somit 
f(^eint  es  gans  oerftänbli^,  bafe  ber  ^apft,  bem  es  ni(^t 
gelungen  roar,  beibe  X^ronbeioerber  gum  SBersi^t  5U  be* 
toegen,  nun  hk  (gntf^eibung  in  bie  eigene  S^^i^^  nal^m 
unb  Otto  anerfannte.  3w9^^i<5  f^fete  er  auä)  alle  f^on 
betDö^rten  TOttel  ber  firc^Iic^en  (5en)alt  für  bie  Sa^e  bes 
2BeIfen  in  SBemegung.  Dabur(^  fteigerte  [i^  bie  (£r= 
bitterung  bes  Rampfes,  unb  ooll  tiefen  S^merges  fprai^ 
SBalter,  all  bas  Unheil  überfc^auenb,  in  einer  5lrt  SBifion 
(£.  9,  16):  „^it  meinen  ^ugen  fa§  i^  flar,  roas  aller 
Sßelt  ©el^eimnis  loar,  fo  halß  \ä)  mer!t'  an  jebem  Ort 
ber  2Renf^en  So^i>^l"  u^^  ^^^  SBort:  gu  9?om,  ba  prt' 
iä)  lügen,  stoei  5lönige  betrügen.  ^Daraus  entftanb  ber 
größte  Streit,  ber  je  gefc^al^,  oorbem  bis  l^eut,  als  [i^ 
begannen  5U  entjroeien  fie  beibe,  Pfaffen  unb  hk  2akn. 
!t)a5  mar  bie  '^ot  ob  aller  9^ot,  benn  £eib  unb  Seele  lagen 
tot.    Die  Pfaffen  müßten  \i^  gar  fe^r,  bo(^  enbli^  loarb 


bcr  £aien  mc^r.  Das  S^toert  nun  legten  jene  nielver 
unb  griffen  3U  ber  Stola  toieber:  [te  bannten,  bie  fie 
roollten,  unb  niemals,  \At  fie  follten.  SUan  fronte  bort 
fein  ©ottesl^aus.  Da  ^ört'  \^  fern  in  einer  5^lau5  ein 
lautes  SBeinen  bitterlich ;  ber  illausner  grämt'  unb  l^örmte 
[i(^,  ©Ott  flagt'  er  all  [ein  ferneres  £eib:  0  toe^,  ber 
'^(xp\i  \\i  no^  5u  jung;  ^ilf,  §err,  je^t  beiner (£^ri(ten]^eit!" 
Sotoeit  finben  toir  SBaltcrs  $Berbinbung  mit  5lönig 
^^ilipp  in  feinen  Sprühen  bejeugt.  3"^  3al)re  1204  trat 
bie  groge  SBenbung  ein,  toeld^e  ^l^ilipp  3um  Serrn  oon 
Deutfd^lanb  ma^te  unb  feinen  ©egner  in  einen  2Binfel 
bes  ^ßimatlic^en  Srbes  trieb.  5Rad^einanber  fielen  bie 
gürften  oon  Otto  ab,  fein  eigner  33ruber  oerliefe  i^n,  bie 
beutf(^en  Stf^öfe  machten  fi^  los  oon  bem  SBefe^le  bes 
^apftes  unb  traten  gu  bem  Staufer  über.  W\i  ein  paar 
5^iegsfa]^rten  toar  ber  Sieg  für  biefen  entfc^ieben.  1207 
traf  bie  päpftli^e  9[Riffion  in  Deutf^lanb  ein,  beren  '^xat^ 
es  mar,  grieben  mit  ^^ilipp  3U  fd^liefeen.  anfangs  1208 
fanb  bie  ^usfö^nung  ftatt.  5lber  ein  smeites  Sllal  binnen 
3c§n  Salären  traf  ein  finfteres  ®ef(^id  bas  Saus  ber 
Staufer  unb  roarf  es  oom  erreichten  3t^l  3urü(f,  ftürjte  bas 
5Rei^  in  SBerroirrung.  Söfe  Xraumgefid^te  ^titten  es  ben 
9Jienf(S^en  oor^er  oerfünbet:  am  21.  3uni  1208  tourbc 
^^ilipp  in  ber  ipfalj  3U  ^Bamberg  burc^  Otto  oon  2Bittels= 
)d(3i^  ermorbet.  Das  gange  beutf^e  33olf,  ja  bie  SBelt, 
[(i^üttelte  ein  (Sntfe^en  ob  ber  ungeheuren  greoeltat.  2ßir 
pren  nid^t,  n)ie  2Balter  oon  ber  ^ßogeltoeibe  bur^  bas 
gur^tbare  fic^  ergriffen  fül^lte,  ja  feit  ^^il^PP^  glänjen^ 
bem  ^uffteigen  ift  uns  nichts  über  fein  ißerl^ältnis  gu  i^m 
belannt.  (£s  ift  barum  pufig  angenommen  ujorben,  9Bal= 
ter  fei  no^  früher  3U  bem  SBelfen  übergetreten,  fo  erfläre 
fi(^  fein  Sc^toeigen  über  ^^^lipps  !Iob.  5Iber  abgefe^en 
oon  ber  Unflu^^eit,  beren  man  ben  Did^ter  bann  gei^t, 


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I 


95 

njenn  man  il^n  btc  ftaufift^c  gartet  aufgeben  läfet  eben 
bamals,  ba  fie  ben  unbeftrittcnen  Steg  an  i^re  gähnen 
fe[felte,  liegt  gar  fein  3^ii9"i5  für  biefen  2Be^(eI  Dor. 
SBalter  roar  in  bie  Dienfte  bes  ßanbgrafen  §ermann  oon 
3^pringen  getreten,  aber  ni^t  bauemb,  er  ((^iDeifte  im 
Süben  um^er,  als  ^l^ilipps  i^riegs^aufen  1203  ^^pringen 
grauenl^aft  oerrDüfteten  unb  an  bem  armen  £anb  bie  ltn= 
treue  feines  ©ebieters  rösten.  SBalter  !am  barna^  an 
ben  tl^üringifd^en  Sof  3urüd,  mo^te  \>k  ^ebrängnis  feines 
$erm  il^m  ni^t  9?ürffi(^ten  auferlegen?  (Es  bebarf  gar  ni^t 
bes  legten  ^usfunftsmittels,  nämli^  ber  SBermutung,  9BaI= 
ters  Jßieb  auf  bie  (Brmorbung  5lönig  ^^ilipps  fei  uns 
oerloren  gegangen;  atlerbings  maä)t  es  ber  Staub  ber 
Überlieferung  bei  unferen  roi^tigften  altbeutf(^en  Saugern 
u>a]^rf^einli(^,  halß  wir  ^itmli^  oieles  unb  geroi^  auc^ 
SBi^tiges  bur^  f^ltmme  3ufäne  eingebüßt  ^aben.  — 

Öberblidt  man  htn  SBerlauf  b^r  2a\)xtf  bur^  hk  2Bal= 
tct  roie  ein  Serolb  bes  5Rei(^es,  roie  ein  Senbbote  jener 
ftaufif(i^en  gürftenpartei  oom  Xage  5U  Speier  im  3^ter* 
effe  i^önig  ^^ilipps  roirfte,  fo  barf  es  uns  mä)t  erftaunen, 
ujenn  roä^renb  all  biefer  SBirrniffe;  biefes  S^roanfens  aller 
©ef^ide  (Q.  102,  29)  in  ber  S^ele  bes  Diesters  bie  Sel^n- 
fu(^t  na(^  ber  teuem  §eimat  waä)  rourbe.  (Er  fpri^t 
fie  aus  in  einer  fd^önen  Stropl^e  (£.  84,  1) :  brei  Sorgen 
erfüllen  il^m  bas  Scrj:  um  ©ottes  Sulb  unb  bie  JÖiebe 
feiner  $errin:  hk  britte  bereitet  il^m  ber  u)onnenrei(f|c 
$of  3u  2Bien.  Da  ftarb  9?einmar,  bes  Serjogs  Sanger, 
unb  SB  alter  feiert  in  5U)ei  tiefempfunbenen  Sprü(^^n  bes* 
felben  Xones  (ß.  82,  24.  83,  1)  bas  SInbenfen  bes  aRei= 
fters,  Diellei(^t  belebt  oon  ber  ftillen  unb  ni(^t  unbef^ei= 
benen  Hoffnung,  bafe  nun  für  i^n  eine  beffere  Stätte 
in  SBien  fi^  roerbe  finben  laffen:  „SI(^,  bafe  SBeisl^eit, 
frol^e   3^genb,   bes   SRannes   Sc^ön^eit,   feine  Xugenb, 


bod^  nicmanb  erbt,  loenn  t^m  bcr  £cib  crftirBt !  %t%i  flagt 
tDo^l  man^  erfahrner  5[Rann,  bcr  b«n  SBcrluft  crmc[[cn 
fann,  rocld^  feine  5^unft,  9teinmar,  mit  bir  oerbirbt.  Don!= 
bor  (Erinnern  follft  bu  ftets  genießen,  roeil  bu  nic^t  einen 
%Ci%  ooriiber  lie^ejl  fliegen,  an  bem  bu  ni^t  gerühmt 
ber  grauen  feine  Sitten.  Sie  mü|[en  immer  banfen  beiner 
3unge.  2Bar'  bir  au(^  nur  bas  eine  fiieb  gelungen:  »SBo^I 
bir,  0  SBeib,  u)el^  fc^önes  SDSort!*,  bu  ptteft  fo  für  Jie 
geftrittcn,  \>Oi\i  alle  grau'n  für  bid^  5U  ©ott  um  ©nabe 
follten  bitten."  —  „Sei  (Sott,  9?einmar,  bein  2^ob  [(^mergt 
mi(^  Diel  tiefer  als  ber  meine  bi(^,  menn  bu  no(^  lebtejt, 
unb  i(^  u)är'  ge[torBen.  3(^  toill  es  ganj  aufri^tig  Jagen: 
Di(^  felber  toollt'  i^  Taum  beflagen,  bie  eble  5lunft  beroein' 
i(^,  bie  mit  bir  oerborben.  Du  toufeteft  aller  2ßelt  ben 
frol^cn  SJlut  3U  meieren,  menn  bu  5ur  greube  beine  IRebe 
tt)ollte|t  lehren.  W\^  fj^mer^t,  "ti^x^^  \t%i  bein  2Runb 
fd^toeigt  unb  bein  füfeer  Sang,  unb  ba&  [ie  ftumm  ^eroorben 
no^  \it\  meinem  fieben.  %^  ^ätteft  bu  nur  eine  2Beile 
gugegeben,  i^  toär'  mit  bir  gefommen,  benn  mein  Singen 
bauert  nid^t  mel^r  lang. "  3<^  toünj^e  beiner  Seele  §eil 
unb  fage  beinen  fiiebern  I)anf." 

SBalter  ift  bann  tDirflit^  roieber  einmal  na^  öfter^ 
rei^  äurudgefe^rt.  tltus  ber  Z^\i  biefer  2Banberfa^rt 
[tammt  au(^  bie  einjige  Urfunbe,  toelc^e  i^n  nennt.  2Bolf= 
ger  Don  (Sllenbre^tsfir^en,  Sifc^of  üon  ^affau,  fpäter 
<Patriar^  üon  ^Iquileja,  l^at  im  $erb[t  1203  eine  9?eife 
nad^  5Rom  unternommen,  um  \\^  ujegen  feines  Anteils 
oxi  einer  5lunbgebung  ber  $Bi|(^öfe  toiber  ben  ^ap[t  5U 
re^tfertigen.  SBas  er  unb  fein  $offtaat  auf  biefen  unb 
anberen  ga^rten  ausgegeben  ^aben,  bas  ift  oon  einem 
5^ämmerer  auf  elf  ^ergamentblättern  üerjei^nct  toorben, 
bie  fi(^  1874  im  Stabtard^ioe  ju  (Eioibale  fanben.  Do 
roirb  nun  jum  12.  S^ooembcr  1203  ätoeimal  angemerft, 


bofe  her  Stf(i^of  bcm  Sänger  2BaIter  üon  ber  SßogcItDctbe, 
[offenbar  nac^  einem  SBortrage,  ein  jiemlit^  beb eutenbes 
®elbge[(5enf  l^at  oerabreid^en  laffen,  bamit  er  \\i)  einen 
^el3  !aufe. 

^n  bem  $ofe  5U  2Bien  tritt  SBalter  5unäc^[t  als  5Bit= 
tenber  auf,  er  fpri^t  ben  $er5og  Jßeopolb  an  (£.  20,  31) : 
Das  ©lüdstor  ift  cor  i^m  gef(^Iof[en,  überall  regnet  es 
Spenben,  i^m  mirb  fein  3^ropfen  juteil;  möchte  bo(^ 
bie  SJJilbe  bes  dürften  aus  £)[terrei^  au^  bes  Sängers 
gebenfen !  3^  einem  anberen  Spruche  (ß.  25,  26)  banft 
er  für  erhaltene  ©aben  unb  rü^mt  ben  SBiener  §of,  ben 
SRei^tum,  ber  ^t\  b^n  geften  bort  fi^  ausbreitet:  Silber 
toirb  gef(^enft,  als  ob  man  es  auf  ber  Strafe  fänbe, 
9?o[fe,  als  röenn  [ie  ßämmer  wären.  3"  biefen  frol^en 
Xagen  toar  es  rool^l  au^,  too  SBalter,  burd^  einen  ^oeten 
aus  ber  ^rooence  angeregt  ober  i^erausgeforbert,  bas 
^errli^e  ^reislieb  auf  Deutf(^Ianb  fang,  bas  einen  Sö^e=^ 
punft  feiner  l^öfif^en  5lunft  be3ei(^net  unb  me^r  als  ein 
anberes  feiner  ©ebic^te  basu  beitrug,  feinen  S^amen  in  allen 
©auen  bes  5?ei^es  l^eimif^  3U  machen ;  melbet  boc^  einmal 
ein  SBote,  ber  bem  §errn  Ulri^  oon  fiie^tenftein  eine  freu=» 
bige  5lunbe  bringen  loill,  bies  bur(^  bie  erfte  Strophe  bes 
Diel  gefungencn  Siebes  an.  5Rod^  ^eute  ergreifen  uns  bie 
Dollen  Harmonien  biefer  35erfe,  begeiftert  uns  bie  SBater= 
lanbsliebc  bes  Dichters  unb  mac^t  unfer  gerj  pl^er 
fc^lagen.    So  fang  SBalter  (£.  56,  14) : 

3^r  mü^t  fpred^en:  fei  roillfornmen! 
benn  ber  5Reues  fünbet,  bas  bin  i(^. 
^lles,  roas  i^r  fonft  oernommen, 
bas  ift  nur  ein  Sau(^,  je^t  fraget  mi(^  I 
2)0(^  oerlang'  \^  Spenben : 
toixb  mein  ßo^n  re^t  gut, 


98 


bann  erjäl^r  \(i)  no^;  mos  eu(^  oicl  I)e[[er  tut; 
ölfo  lagt  nun  (gieren  an  mic^  loenbcn! 

Dcutf(^e  grauen  roill  16)  klaren 

fol^c  iBotf^aft,  bafe  fic  toctt  unb  breit 

ftetgen  in  ber  $ölen[(^en  (£]^ren: 

um  geringen  Solb  tu'  i^  Sef^eib. 

SBas  roollt'  i(^  an  (5e[(i^enfen? 

[ie  [inb  mir  gu  l^el^r, 

barum  füg'  x^  mid)  unb  bitte  um  nichts  me^r, 

als  ha^  (ie  mic^  mit  liebem  ©rufe  bebenfen. 

33iele  £änber  l^ab'  x(i)  [c^on  gefe^en 

unb  mi(^  an  bic  §ö(^ften  borl  geroanbt; 

möge  Bö[es  mir  gefd^e^en, 

ptte  je  mein  §er5  als  rDai)x  erlannt, 

ha^  il^m  mö^te  too^^I  gefallen 

fremben  SBolfes  Sitte. 

^(^,  tDos  plf's  mi(^  auc^,  loenn'id^  für  anbre  ftritte? 

2)eut[^e  ^rt  bleibt  bo^  üoran  in  ollem. 

SBon  ber  (Elbe  ^in  bis  an  ben  ^R^ein 

unb  3urüd  bann  gar  gen  Ungarlanb, 

ba  mögen  wo^l  bie  SBeften  fein, 

bie  \d)  jemals  auf  ber  2Belt  no(^  fanb. 

Söerfte]^'  id)  mxä)  aufs  Schauen, 

auf  ^n[tanb,  eblen  £eib, 

bei  (Sott,  fo  f(^n)ör'  xä)  mo%  bafe  l)ier  ein  2Beib 

mir  lieber  i[t  als  anbermärts  hk  grauen. 

Deutf^e  äRönner  finb'  xä)  too^lgeaogen, 
ganj  ben  (Engeln  gleich  b^r  grauen  ^rt. 
SBer  [ie  j^mä^t,  f)at  fi^  betrogen, 
baoor  bleib'  iä)  allejeit  beuja^rt. 


99 


2^ugenb;  ebler  £iebc  Sinn, 

toer  bte  ftnbcn  toill, 

ber  fu(]^c  fte  in  un[erm  fianb,  er  fommt  ans  greubcnstel. 

^öä)t'  xä)  noc^  re(^t  lange  leben  brin! 

Das  i[t  nic^t  me^x  ber  Dieter,  b^n  Xrabition  unb 
5lun[tübung  an  einen  engen  i^teis  üon  Stoff  unb  gorm 
iDiefen,  bas  ift  ber  SReifter  beutf^en  Siebes,  erfahren  unb 
t)om  Sc^idfal  geprüft,  gehoben  von  ebelftem  Stolse  auf 
5)eutf(^Ianb,  als  beffen  ^Bürger  er  \iä)  fü^It.  2Bie  er  in 
biefent  ©cfange  erf(^eint,  fo  follen  röir  uns  SBaltern  für 
5lat[er  unb  5leic^  tätig  benfen :  ous  ben  (Empfinbungen,  bie 
er  l^ter  funbgibt,  f(^öpft  er  StRut  unb  5lraft  für  feine  poli* 
lif^e  ^beit, 

3unäc^ft  aber  geleiten  u>ir  i^n  an  ben  Sänger^of  i>es 
fianbgrafen  ^ermann. 


VI. 

in  Thüringen.    Wolfram  von  erdienbadi 

unmutig  unb  freunblt(5  ift  bie  mäk  £anb[^aft  mit 
il^tcn  grünen  Sügeln,  lieBItd^cn  Zähm,  SBurgcn,  5^Iöftcm 
unb  X)örfcrn,  we\ä)e  in  alter  3^it  3;^üringen  l^ie^,  eine 
„golbene  ^ue'',  in  ber  bamals  no(^  2Bein  idu(^5,  bur^ 
befc^eibcnen  S^murf  rei^DoII.  Dort  loeilte  SBalter  üon 
ber  SBogeltöeibe  mel^rmals,  oud^  3U  längerem  Ittufent^alte. 
CBr  fagt  es  uns  felbft,  2Bolfram  nennt  i^n  bort  unter  ben 
Sangesgenoffen,  unb  toüfeten  loir's  auä)  nid^t,  jo  müßten 
toir  es  bo^  o ermuten,  htnn  bem  [(^roeifenben  Sdnger  roirb 
bie  SBartburg  mit  i^rem  milben  §errn  unb  i^rcr  glänjen« 
ben  Sof^altung  ein  toilüommenes  3ißl  geroefen  jein.  £onb* 
graf  ßubtoig  ber  Giferne,  aus  ber  Sage  uns  rool^lbefannt, 
l^atte  bie  ®ütermaf[e  3uf ammeng ebrac^t  unb  mit  fefter 
Sanb  ht\)txx\^i,  roeld^«  i^m  gur  ©runblage  einer  ma^tigen 
unb  ange[e5enen  Stellung  tm  9lei(^  biente.  SBon  [einen 
Sö^ii^^  föfete  il^m  junä^ft  £ubn)tg,  jubenannt  b^r 
gromme,  bann  na^  baffen  2;obe  1190  ^ermann.  Diefcr 
toar  f(^on  in  feiner  3ugenb  ein  Jreunb  beutf^er  T)ic^tung 
getoejen,  roie  geinric^  oon  Söelbefe  in  feinem  (Epos,  ber 
„(gneibe'',  oon  i^m  rühmte,  unb  ^atte  auf  feiner  5Reuen* 
bürg  an  ber  Hnftrut  einen  5lreis  oon  Sängern  um  fi^ 


I 


Dcrfammclt.  Salb  iDurbc  bcr  t^üringtf^e  Sof  ein  9KtttcI= 
punft  für  ^oe[ie  unb  5lunft;  unb  mo^te  au(§  unter  ben 
Sparen  oon  gal^renben,  ©el^e  bie  greigebigfeit  bes 
ßanbgrafen  on^og,  man^  [(^le^ter  SDlann  unb  elenber 
(Souller  [ein,  es  befonben  [t^  bo(^  au^  bie  beften  Dichter 
babet;  bie  2)eutf^Ionb  in  jener  ^Blütegeit  [einer  Jßiteratur 
befaß.  X^üringen  felbft  roar  ni^t  arm  an  Sängern.  (£5 
gab  eine  ©ruppe  abeliger  SJlinnebi^ter  bort,  \At  man  bei= 
na^e  als  eine  Sd^ule  auffaffen  barf,  an  i^rer  Spi^e  gerr 
Sug  oon  Salsa.  2ßtr  fennen  [ie  feinestoegs  alle,  unb  oon 
einjelnen  ift  uns  gar  5U  menig  überliefert,  aber  bafe  ein 
£i)ri!er  u)ie  $einri(^  tjon  50iorungen,  bie[er  l^enlic^e 
9Kenf(^,  xri  il^rer  '^xiit  [te^t,  mag  fij^on  ausrei(^enb  i^re 
SBebeutung  ertoeifen.  TOgcmat^  rüdfte  bie  neue  pfij^e 
(gpif  in  ben  Söorbergrunb  am  §ofe  bes  Jßanbgrafen.  Sein« 
x\6)  Don  SBelbefe  oollenbete  bort  [ein  SBerf,  SBolfram  oon 
(E[^enba^  trug  Wt  23ü(^er  [eines  „^ar^ioal"  oor,  toie  [ie 
ent[tanben,  Serbort  oon  gri^lar  bearbeitete  für  [einen 
gür[ten  bas  „£ieb  oon  Xroja",  bas  Reifet,  tmt  große 
poetif^e  (£r5ä]^lung  00m  trojani[^en  i^riege,  Ittlbre^t  oon 
§alber[tabt  bi(^tete  auf  ber  "^t^^yxx^  Ooibs  W,ti(x^ 
morp^o[en  in  beutf^e  S3er[e  um,  ein  3^ii9^i5,  roie  bie 
fla[[i[(]^e  23ilbung,  bie  roir  in  bem  tprtngif^en  S0linne[ang 
burt^bliden  [e^en,  au(§  bie  lHi(^tung  bes  (Epos  für  einige 
3eit  be[timmte.  Selb[t  ber  junge,  1200  geborene  £anb= 
graf  Äubroig  ^OiXCb  no^  in  23erbinbung  mit  SBalter  oon 
ber  SBogelioeibe,  u)ie  txxit  furse  SÜlal^nung  aus  [päter  ^txi 
(£.  85,  17)  uns  betoei[t.  Das  Drama  gelangte  er[t  im 
oierse^nten  '^Q^x^yxxCtitxi  an  bie  Jiei^e,  bas  große  9K9[te= 
rium  oon  ben  sel^n  S^i^öf^^i^ß^  er[(i^ütterte  bur(^  bie  ©e* 
ujalt  [eines  eoangeli[(^en  Stoffes  bie  Seele  bes  £anbgrafen 
griebri^  bes  greibigen  (1322). 

3fli^t  jeber  ^nlömmling  ©irb  am  $ofc  oon  2:§üringen 


102 

gleich  na(^  [einem  2Bert  erfannt  unb  ri^tig  einge[rf)ä^t 
iDotben  [ein,  3u  arg  max  ber  3ulauf  fa^renber  Sänger, 
er[t  na^  unb  naä)  famen  aus  bem  ©eroine  ber  Stimmen 
bie  reinen  oollen  %öm  ber  ebel[ten  ^oe[ie  jur  ©eltung. 
So  ^at  es  aud)  SBalter  einmal  um[on[t  Der[u(^t,  i[t  mi6= 
mutig  toeggegangen  unb  l^at  hti  irgenbeinem  5Ra^bar= 
für[ten  [einem  ^rger  über  bas  Speftafel  £uft  gemalt.  Gr 
[agt  in  einem  Sprudle  (ß.  20,  4):  „2Ber  etroa  in  bem 
Dli)x  an  bö[er  i^ranfl^eit  leibe,  bem  rat'  i^  [e^r,  ba^  er  ben 
Sof  3:^üringen5  meibe:  benn,  fommt  er  ^in,  getoig,  er 
toirb  betäubt.  3^  ^cibe  mitgebrängt,  Us  i^'s  ni^t  me^r 
oermag.  Die  ^Rotten  fahren  ein  unb  aus  bei  S^Iat^t  unb 
3^ag;  ein  SBunber  [(i^eint's,  menn  man  ge[unb  ha  bleibt. 
So  i[t's  um  bes  Jßanbgrafen  Sinn  bemenbet,  ba^  er  [ein 
®ut  mit  5lämpfert)olf  Der[^rDenbet,  oon  bem  ein  jeber  gern 
ein  9taufbolb  mäx'.  ^ix  i[t  bies  all^u  l^o^e  2Be[en  funb: 
unb  galt  ein  guber  gutes  2Beines  tau[enb  ^funb,  es  [tünbe 
bo^  !ein  9iitterbe(^er  leer."  ^ber  einige  3^it  [päter  barf  er 
]\^  [d^on  „bes  milben  £anbgrafen  3^ge[inbe"  nennen 
(fi.  35,  7),  unb  er  prei[t  [einen  ^errn  als  ben  gür[ten, 
be[[en  greigebigleit  [tets  gleichbleibe,  inbes  [ie  bei  anberen 
Don  ber  ßaune  abfange,  unb  [(^liefet  mit  bem  pb[^en 
Silbe :  „2Ber  ^euer  [penbenb  prallt  unb  roieber  farg  roirb 
über's  Z^\)x,  bem  grünt  unb  bont  [ein  £ob  roie  Sommer* 
Ilec.  X^üringens  Slume  leuchtet  aus  bem  2Binter[(^nee, 
[ein  5?u]^m  blü^t  fort  unb  fort  unb  je^t  toie  ba  er  jung 
no$  loar."  SBalter  tritt  nun  au^  mit  gans  anberer 
Si^er^eit  auf.  So  maxnt  er  ben  £anbgrafen  (Jß.  103,  13), 
er  möge  [ein  wk  ein  u)ei[er  ©ärtner,  ber  bie  feinen  5^räu* 
ter  tDoi^l  ht\)ixUt,  bas  Hnfraut  aber  unb  be[onbers  bas 
üppige  Domge[träu(^  ausrobet,  loelc^es  alle  anberen  (5e= 
wä6)]t  oerbrängen  toill. 

(Es  i[t  too^l  einer  aus  ber  Sc^ar  ber  ?fu[^er,  bie 


i 


103 

[id^  an  ben  fianbgrafen  marfien  unb  \id}  roiber  bic  lua^ren 
T)\ä)Ux  übcrJ^ebett;  ben  SBaltcr  einmal  als  „§ert  SBic* 
mann"  anfährt  (£.  18,  1) :  er  [olle  ]iä)  bas  ni^t  beüom- 
men  laffen,  tDol^loerftanben,  ba^  er  bte  ilxinft  ber  äReiJter 
[töre:  benn  tote  ber  SBeisen  jur  Spreu,  fo  »erhalte  fic^ 
SBalters  fiieb  3U  fernem.  Sßä^renb  SBalter  bie  SBelt  mit 
[einen  (5e[ängen  erfreut,  läuft  $err  SBicmann  in  ber  3^re 
toie  ein  3<i9^5ii^^  ouf  fal[(^er  gä^rte.  Unb  toiber  bie 
ganje  5lla[[e  feiert  [i^  SBatter  im  Flamen  ber  5^ün[tler, 
ujenn  er  üon  ben  S(^reiem  unb  £ärmma(^em  [pri^t 
{2.  103,  29),  bie  \iä)  ni^t  5um  S(^tt)eigen  bringen  Ia[fen, 
[onbern  unbeint  tDeiterM^sen :  „3<^  unb  ein  onbrer  Xox, 
mix  brüllen  in  [ein  ü^x,  ba§  nie  ein  Wönd)  im  d^ox  [o 
greuli^  ^at  ge[d^rien."  Wan  merft  aus  bie[en  Xenien,  bafe 
Sßalter  ]iä)  5U  ben  ©ebietem  im  9teic^e  [einer  i^un[t  rec^* 
net  unb  mit  bem  Steigen  [eines  ^n[e5en5  \xä)  au6)  bie 
[eIb[tbeiDu6te  Überlegenheit  über  bie  5lleinmei[ter  angeeig= 
mi  ^at  Die  anbere  Sorte  üon  Hnru]^[tiftern  am  Sofe, 
jene  ber  5lrippenreiter  unb  abeligen  Su[^neppcr,  ^at 
SBaltem  in  ein  unangenehmes  Abenteuer  oertoidelt,  für 
bas  er  \iä)  mit  ein  paar  boshaften  Sprühen,  einer  re(^ten 
^robe  mittelalterlicher  S(^ma5oer[e,  [^ablos  l^ält  (fi.  104, 
7.  82, 11).  ein  §err  ©erl^arb  Itt^e  nämlic^  ^at  bem  Diener 
unb  ^Begleiter  bes  Dichters  3U  (£i[ena^  ein  9to6  im  SBerte 
öon  brei  SJlarf  Silbers  er[(^o[[en.  Darüber  jur  9{ebe  ge= 
[teilt,  ent[c^ulbigt  er  [i^  —  [o  läfet  i^n  Sßalter,  entrü[tet 
über  bie  $offart  bes  3un!ers,  [agen  —  bie[e5  ^ferb  [ei 
jenem  oertoanbt  getDe[en,  bas  i^n  ein[t  in  ben  Singer 
gebi[[en  ^dbt.  Der  Dieter  leugnet,  bafe  bie  beiben  5Ro[fe 
Derroanbt  roaren,  unb  bietet  \i^  3um  (&iht  bafür  an. 
(£in  5rDcites  IDlal  rät  er  [einem  ilnappen,  in  (Ermangelung 
eines  anberen  ^ferbes  auf  $erm  ©erwarb  ^^en  3U  $ofe 
5U  reiten,  unb  gibt  babei  eine  lä^erlic^e  unb  arg  [^impf= 


104 

Itc^c  93cf^retbung  üon  bcm  ^usfcl^cn  bes  IRittcrs,  bic 
gctDtg  an  bcffcn  totrüt^c  (£r[^emung  ontnüpft. 

2ßaltct  ^at  toentgftcns  nod^  ein  fitcb  in  ^^l^üringen 
gelungen,  bas  töir  aber  niä)i  beji^eU;  von  bem  uns  nur 
2Bolfram  im  „'^ßat^inaV  bie  erfte  3^ilß  anführt:  „®uten 
3:ag,  il^r  93öfe  unb  ©ute",  aller  2Ba]^r[^einli(^feit  na^ 
toar  au^  bics  coli  ^eiteren  Spottes.  Hub  ferner:  loenn 
SBolfram  anbertoärts  oon  neuen  Xänsen  fpri(^t,  bie  aus 
X^üringen  gefommen  finb,  fo  mirb  man  rool^l  SB  alter  für 
beren  5lomponiften  galten  bürfen  unb  bamit  Don  ber 
SBa^r^eit  ni^t  arg  abirren,  ^^^^sfalls  l^at  SOSalter  jelbjt 
in  3;pringen  üiele  5lnregungen  empfangen:  S^lac^roirfung 
Seinri^s  con  SDlorungen  lä^t  fi^  bei  i^m  aufseigen,  [ein 
eingiges  ^,3:agelieb"  ift  üiellet^t  SBolframs  energifi^em 
25orbilbe  3U  banfen,  unb  au(^  bas  grotesfe  „SBo!al[piel" 
(£.  75,  25),  eine  tttn^äufung  fraufer  Silber,  bie  in  fünf 
a^tjeilige  Strophen  auf  hk  langen  ^Heimoofale  ä  e  i  6  ü 
5u[ammengepre6t  [inb,  fann  [einen  n)unberli(^en  Sumor 
Don  SBolfram  ableiten.  Das  (inb  jebo^  nur  unbebeutenbe 
(ginjel^eiten,  eine  Diel  tiefer  greifenbe  (Eintoirfung  l^at  2Bal* 
ters  inner[tes  2Be[en  bur^  SBolframs  gewaltige  ^er[ön* 
lid^feit  erfal^ren.  — 

2Bolfram  oon  (£[^enba(^  i(t  ber  größte  beut[^e  X)i(^= 
ter  bes  S^Wttelalters.  (£r  [tammte  oiellei^t  aus  einem 
abeligen  (5e[^le^te  bes  bai)ri[(^en  S^orbgaues,  mar  jeborf) 
arm  unb  tool^l  [(^on  bes^alb  toä^renb  [einer  3^19^1^^  "^^^ 
im[tanbe,  [i^  bie  äußeren  ©runblagen  ber  Silbung  an= 
Sueignen:  er  ^at  nie  le[en  unb  [^reiben  gefonnt.  Die 
^rmut  ^at  i^n  auä)  seittoeilig  gesroungen,  fein  fe[tes  $aus 
5U  SBilbenberg,  too  2Beib  unb  5^inb  i^m  lebten,  ju  oer= 
la[[en  unb  als  fa^renber  9?itter  über  fianb  5U  sielten.  2Bir 
n)i[[en  nur  oon  einem  längeren  Aufenthalte  SBolframs  om 
Sofe  bes  fianbgrafen  $ermann  oon  3:]^üringen,  aber  er 


105 

f)at  gciDtfe  auä)  anbcrtDärts  gemeilt,  einmal  in  ber  Stcicr* 
mar!,  bic  er  genau  fennt  unb  wo,  mk  üBer^aupt  in  ben 
©auen  ^nmxö\Unn^5,  [eine  Sßerfe  Soben  faxten  unb 
[o  ins  Jßeben  einbrangen,  ba^  famtnifc^e  unb  [teiri[^e 
^Ritter,  3.  fS.  bie  mächtigen  Stubenberger,  balb  bie  ^Flamen 
unb  2Bappen  aus  2BoIframs  $auptepos  in  i^ren  gamilien 
i^eimif^  matten.  Überall  roirb  er  Stüde  aus  [einen  er= 
aä^Ienben  Di^tungen  oorgetragen  ^dbtn;  beren  (Ein* 
teilung  in  SBü^er  unb  in  fleincre  ^b[d^nitte  ^atte  er  nit^t 
nur  für  bie  Sd^reiber,  benen  er  btftierte,  angeorbnet,  [on* 
bem  [ie  mar  i^m  au^  ein  9Ka6  für  [eine  poeti[^c  Arbeit 
unb  für  [eine  2:atigfett  als  $Re5itator.  (£r  i[t  ni(i)t  [e^r  alt 
geroorbeu;  ctroa  um  bie[elbe  3ßit  geboren  roie  SBaltcr, 
aber  vox  bie[em  geftorben,  ungefähr  1220.  Der  %oh  ^at 
if)n  Ui  ber  5Irbeit  üb€rra[^t,  benn  [ein  „Sßillel^alm''  i[t  im 
neunten  f&uä)  [teden  geblieben,  unfertig  unb  abgebro^en. 
2Bir  be[i^cn  oon  i^m  [on[t  no(^  tm  oollenbetes  (Epos 
„^aräioar'  in  [et^je^n  SBü^ern,  mit  mc^r  als  24000 
S3er[en,  5iDei  epi[^e  Jßieber  aus  bem  8agen!rei[e  oon 
„^^iturel"  unb  [ieben  lr)x\]ä)t  (Sebi^te.  Seoor  loir  ben 
S^öpfungen  bie[es  Susannes  naiver  3U  treten  [u(^cn,  [ollen 
etli^c  93emerfungen  über  bas  2ße[en  ber  ritterli(^en  (£pif 
überl^aupt  oorgelegt  toerben. 

Dos  beutf(§c  5öfi[(^  (Epos  ^at  ni^t  glei^  ben  alten 
Di^tungen  ber  §elben[age  [eine  2Bur3eIn  im  SBolfe,  aus 
frcmbem  ©oben  i[t  es  aufge[pro6t,  es  l^at  au^  nic^t  toie 
ber  3Kinnefang  eine  oolfstümli^e  23or[tufe,  ]^ö(^[tens  in 
bejug  auf  bie  gorm,  ha  bie  oier^ebigen  ^Reimpaare  für 
poeti[c^e  (Ersä^Iungen  [(^on  lange  im  ©ebrau^  loaren. 
^^nlii^  ber  gei[tli(^en  ^ro[a  unb  $oe[ie  bes  beut[^en 
TOttelalters  entlehnt  au^  bas  l^öfif^e  (Epos  [eine  Stoffe 
ber  fran3ö[i[^en  SBilbung,  über[eöt  unb  bearbeitet  bie  lRo= 
mane,  loelc^e  in  gran!rei(5  3ur  Unterhaltung  ber  ritterlid^n 

©d&ÖTtBotö,  SBalter  toon  ber  S?oaeItPcibc.  8 


(5efcIIf(]^oft  bientcn.  23cfanntlt(^  gehört  bic  grogc  äRc^r^ 
3al^I  biefer  5Homanc  in  33crfen  ben  fcltif^-brctonif^en 
Sogenfrcifen  an,  bie  meift  t^ren  5DlittcIpunft  in  bem  cin= 
jtigen  $elben!önig  ^rtus  unb  in  feiner  3:afelrunbe  au5= 
erlefener  ^Ritter  ^aben.  3«ber  einselne  biefer  5lämpen 
befi^t  feine  fabelhafte  ©ef^ic^te,  in  ber  fic^  bie  alten 
irifc^en  SOlärc^en  gans  merfroürbig  oerf^Iingen;  biefe  finb 
mit  bem  Äftoanbe  ber  eigentümlich  üppigen  ^^ontafie  bes 
SBoIfes  ausgef^mürft,  bie  uns  f^on  feit  ben  Anfängen  fei^ 
ner  i^nltur  in  5^unft  unb  £egenbe  fic^tbar  roirb.  ^ber 
biefe  feltif^en  ©ef^it^ten  aus  3rlanb,  SBales,  S(^ottIanb 
unb  ber  Bretagne,  bie  auf  ben  alten  2Begen  bes  9Bein= 
^anbels  fübroörts  gelangt  roaren,  geben  gemiffcrmafeen  nur 
bic  rollen  33roden  Stoff  Qi^,  fie  roerben  oon  ben  norb= 
fransöfif^en  fafirenben  (Srsä^Iern  ju  ebleren  ©ebilben  um= 
geftaltet.  Diefe  Sänger  leifteten  bamit  eine  fel^r  bebeutenbe 
geiftige  5lrbeit,  bie  man  getoö^nli^  unterf^ö^t,  roo^I  bes= 
^alb,  roeil  man  fo  roenig  roeig,  roie  fie  5uftanbe  gefommen 
ift.  Sie  orbnen  bie  t)eru)orrenen  Abenteuer,  fut^en  einen 
fortlaufenben  gaben  in  bem  SBirrfal  ^ersuftellen,  grup= 
pieren  bie  (Sreigniffe  um  einen  Selben  ober  oerbinben  fie 
roenigftens  epifobif^  mit  i]^m,  bef^neiben  bie  allerärgften 
5lusu)ü^fe,  tilgen  bie  f^limmften  2Bieber]^oIungen,  rüden 
bas  ©ange  aus  bem  $intergrunbe  unfultioierter  33er^ält= 
niffe  unb  barbarifc^er  3urtönbe  in  eine  not^/ immer  mar^en= 
^afte,  aber  bo^  bem  ßeben  i^rer  '^t\\  unb  i^res  ßanbes 
beffer  angepaßte  Umgebung.  CBrforbert  f(^on  bies  alles  eine 
ganj  er^ebli^e  Xätigfeit,  ©ilbung  unb  ^Begabung,  fo  ift 
CS  bo^  no(^  ber  geringere  Xeil  oon  bem,  u)as  biefe  Dichter 
9florbfran!rei(^s  unb  i^re  33orgängcr,  fa^renbe  Grsä^ler, 
loirfli^  an  bem  feltifi^en  ^to^material  getan  ^aben. 

Hm  nämli^  i^rc  ©cfi^ic^ten  für  ben  ©ef^mad  bes 
ritterli(^en  ^ublüums  juäurüften,  ^aben  fie  ben  3i*foTn= 


r 


107 


mcn^attg  3rDif(^en  ben  einjelncn  abenteuern,  bte  33erfettung 
ber  für  ]iä)  überlieferten  33orgänge  bem  £eben  i^rer  eigenen 
3eit  abgeborgt.  Der  abeltge  IBurg^err,  roel^er  auf  ber 
i^reujfa^rt  na^  bem  Orient  gebogen  ift,  bort  jal^relang 
fämpft  ober  in  bie  ©efangenfi^aft  ber  Sarajenen  gerät; 
injiDifd^en  umlagern  lanbgierige  9la(^barn  hk  SBittoe  ober 
(Erbto^ter  unb  roolten  fie  3U  einer  i^r  unangenehmen  2}er= 
mä^Iung  sroingen;  ber  9?itter,  ber  3U  einem  großen  Xur= 
nier  ausfäl^rt  unb  babei  allerlei  Si^limmes  gu  über  [teilen 
5at;  ber  junge  $elb,  ben  man  ruft,  bamit  er  für  eine 
^artbebrängte  grau  ben  re^tlic^  geforberten  S^^eüampf 
leifte;  alle  biefe  unb  no(§  oiele  anbere  [inb  giguren  unb 
SP^otioe,  bie  aus  ber  SBirflic^feit  entlehnt  finb  unb  oon  i^r 
nidji  roeiter  abfte^en  als  bie  ilunfttoerfe  ber  3öuberburgen 
bes  (Epos  Don  ben  auf  franjöfifc^en  S(^Iöffern  il^rer  3^xi 
iai\ää)li^  oor^anbenen.  Darum  [inb  hk  ^rtusepen  granf^ 
rei^s,  3um  minbeften  in  i^ren  23inbegliebern,  groar  ni(^t 
^iftorif^e,  roo^I  aber  Sdkpm.  Deshalb  finben  ]\ä)  aber 
auc^  biefelben  SKotiDe  fo  ^äufig  in  hen  oerf^ieb^nen  9?o= 
manen  loieber,  bilben  förmlich  einen  epif^en  %ppaxat,  ber 
Don  einem  Stoff  auf  ben  anberen  übertragen  toirb,  ein 
gemeinf^aftli^er  5?af)men  für  bie  5lRannigfaItigfeit  fel= 
tif(^er  äJlärd^en.  ^uf  beren  Umgeftaltung  unb  3toüi[ie= 
rung  Reiben  (olc^erma^en  bie  Gpüer  im  9Zorben  oon  granf= 
rei^  i^re  poetif^e  5^raft  geroenbet;  bie  5lun[t  u)urbe  an 
ben  Stoffen  geübt,  weniger  an  ber  gorm.  Selten  rei^t 
bas  Talent  toeiter,  unb  auä)  ein  [(^öpferifc^r  ^oet  roie 
Greftien  be  ^^roies  nimmt  nur  fc^roa^e  Anläufe  jur  (£5a= 
ra!teri[ti!  feiner  giguren,  begnügt  ]\ä),  ein  äu^erli^  ri^ 
tiges  Silb  ^öfifc^er  ©efellfc^aft  3U  liefern,  o^ne  \xä)  in  bie 
Seelenjuftänbe  feiner  Reiben  fonberli(^  3U  pertiefen. 

Die  fran5öfif(^en  (£pen  in  biefen  5^i^tungen  loeiteräu« 
bilben,  bas  übernehmen  nun  bie  bcutf^en  (Erjö^Ier.    Sie 

8* 


108 

tun  bas  fd^on  bei  ben  erften  Anfängen,  tDcI(§c  um  bie 
MxtU  bc5  3tDöIften  ^a^xlfunhexU  unb  am  Sflieberr^iem  ]xä) 
ftnbcn  als  frül^cftc  Senbboten  hts  ctniDanbcrnben  fran$ö«- 
fif^en  9ttttertum5;  no^  bcm  ^öfifc^en  SDltnncfang  roraus* 
cilenb;  f(^on  fie  vtx]uä)tn,  bic  §anblungcn  p|9d^oIogt[(^ 
3U  moliotcrcn.  J)as  fällt  3tcmli(§  ungcf^idt  aus,  aud^ 
nod^  im  2^ri[trant  bes  (Sill^art  üon  Obcrge,  cr[t  gerrn 
§einrid^  oou  SBelbefc  gelingt  es,  bie  ^nalt)fen  oon  Stim* 
mungen  unb  Überlegungen  in  htn  eptf^en  93eri^t  l^inein* 
gutragen,  dm  Run]i,  bie  üon  ben  Iijrift^en  SJlinnebic^tern 
bereits  geübt  tourbe.  $artmann  t)on  ^ue  ma^t  in  feinem 
eigenen  (Enttoirflungsgange  \o\ä)e  Stufen  burc^:  bur(^ 
geiftli(^e  unb  juri[ti[(^e  5BiIbung  fotoie  burc^  bie  33ertraut= 
^eit  mit  allen  5lünften  bes  ^Rittertums  tool^I  oorbereitet, 
überträgt  tx  im  „(£rec"  nod^  unfrei  unb  unbe^ilfli^,  waf)' 
renb  ein  paar  Heinere  SIrbeiten  unb  bie  fortgefe^te  Pflege 
ber  £t)rif  feine  C5aben  fo  ausbilben,  ba^  er  im  „^loein" 
ein  SReifterftücf  fein  burt^gebilbeter  (£r3ä]^Iung  unb  ^öfifd^er 
ilonüerfation  3U  bieten  oermag.  Das  Söc^fte  jebo^,  toas 
in  ritterlicher  (£pif  an  unb  für  fi^,  innerhalb  bes  ©efi^ts«» 
freifes  ber  (i^tvaUxk,  geleiftet  toerben  fonnte,  bringt  ©ott* 
frieb  -Don  Strafeburg  3uftanbe.  Sein  2Berf  ift  ein  $rac^t= 
gemälbe  poetifd^  aufgefaßten  5RitterIebens,  burd^  Silbung 
Dcrfeinert;  bie  33orf(^riften  l^öfif^er  S^^^  (i^^  feinen  Sel= 
htrt  fo  ins  93Iut  gebrungen,  bafe  fie  fi^  3um  Xatt  gefelligcn 
SBerfe^rs  ausbilben;  ber  5lomfort;  ber  feiner  3^^*  mögli^ 
roar,  ift  barüber  ausgebreitet,  ©ottfriebs  Sprache  ift  ge= 
f^müdft  unb  jierlic^;  3UtDeiIen  artet  bie  (£Iegan3  ins  Spiele» 
rif^e  unb  ©emac^te  aus,  in  feiner  23orIiebe  für  bie  TOe= 
gorie  merft  man  bie  SJhifter  ber  ürc^Ii^en  Sc^riftfteller 
unb  a^nt  bie  fommenbc  bürgerliche  I)ibaftif.  ^ber  ©ott* 
frieb  ift  bo^  oor  allem  Dieter,  unb  er  ^at  bie  ^öfif^e 
TOnne,  bas  3^n^nim  feines  (Epos,  3ur  2kht,  ber  menf(^« 


109 

\id)]Un  aller  £cibenf^aften,  ernjcttert  unb  Dertteft,  ^r  l^at 
t^r  eine  unu)ib«rfte^It^e  ©etoalt  oerlte^en,  tote  erft  bte 
mobeme  ^oe[ie  [ie  toteber  auf  bte  Sa^n  gebracht  ^at 
greili^  entrürft  er  3^riflan  unb  3foI^^  ^^^^  ^^^  Symbol 
ht5  3ou6ßi^ti^önfe5  anfc^eincnb  aller  fittlii^en  S3erantu)or= 
tung,  tut  aber  hie  l^eutige  Dichtung  anbers?  Sie  bebtent 
\xä)  feines  fo  äu^erlt^en  äRittels,  bo^  [teilt  [ie  hk  fittli^e 
2Biber[tanbsfraft  ber  2)^enf(^cn  fo  ge[c^rDä(^t  bar,  [teigert 
hingegen  bie  Wa^t  bämonifc^er  £eiben[c^aften  [o  fe^r, 
böfe  ber  einselne  um  ni^ts  toeniger  toillenlos  feinem  S^ttf= 
[al  l^ingegeben  [(^eint  als  büs  berühmte  ßieBespaar  bes 
Stragburger  9Kei[ter5.  9lur  bürfen  iDir  nt^t  oerge[[en, 
ha^  ©ottfrieb  eins  Doraus^atte :  inbem  er  ein  Ieiben[(^aft= 
li^es  (Sefül^l  fo  in  allen  [einen  ^5a[en  bür[tellte,  ^at  er 
ben  gansen  S^l^alt  ber  rttterlii^en  5[Rtnnepoe[ie  bereit 
^ert,  auf  eine  gemein[(5aftltd^  ©runblage  gehoben,  unb 
[omit  po[itiD  als  bic^teri[c^e  S(^öpfung  aufge[tent,  roas 
bie  gei[tr)on[ten  fir(^Ii^en  ^[g^ologen  [eit  langem  huxä) 
negatioe  5lritif  ju  erreichen  ]\ä)  bemül^ten.  Sein  2Berf  i[t 
roal^r^aft  ein  Seelengemälb«  im  $Ha^men  ber  Jßebensfor^ 
men  ]^öfi[$er  SBilbung. 

SBie  bie  f)öä)\U  Slüte  ritterli(]^en  3Jlinne[anges  in  ben 
Jßiebern  2BaIters  uon  ber  SBogeltoeibe  nur  jutage  tritt, 
inbem  ^öfifd^e  5liin[t  unb  bie  ur[prüngli^e  Rraft  oolfs* 
tümli(^er  Jßiebe5poe[ie  [i(^  burt^bringen  unb  ju  neuen 
Schöpfungen  oer[(^mel5en,  [o  ge[(^te^t  es  auc^  in  ber 
§öfi[c^en  (£pi!.  ge^lt  SBolfram  t>on  (&\ä)tnbaä)  auf  ber 
einen  Seite  bie  feine  ©Übung  unb  ge[ellige  ©eroaubt^eit 
©ottfriebs,  [o  geniest  er  anberer[eits  augerorbentli^er 
5Bor5üge:  er  [(^öpft  aus  b«m  Som  ber  SßoIfspoe[te  unb 
SBoIfsüb erlief erung  mit  oollen  Sänben,  feine  tä)tt  unb 
lebenbige  ©läubigfeit,  [ein  [tarfes  rcligiö[e5  (Sefül^I,  t)er* 
leiten  il^m  einen  gans  unoerrüdbaren  ^la^  in  ber  [ittlid^en 


110 

SBcItorbnung  unb  geben  i^m  einen  [teeren  9Jiafe|tab  für 
bie  ^Beurteilung  feiner  poetift^en  Ct^araftere  an  bie  §anb. 
So  tft  ber  ^^^arjiüal"  nit^t  blofe  ein  23ilb  ritterli^en  £e= 
bens,  in  ooller  breite  unb  2^iefe  ausgeführt,  er  ift  3U= 
glei^  ein  5BiIb  bes  Sßeltlebens  überhaupt,  [teilt  bie  gröfe= 
Un  Probleme  menf^Iit^er  Arbeit  bar  unb  reif)t  \\ä)  fomit 
roenigftens  ,im  35orfa^  unb  (Sntrourf  ben  bebeutenbften  (£pen 
alter  unb  neuer  3^tt  an.  9BoIfram  ]^at  einige  pra^toolle 
üiebeslieber  doII  feltener  Rraft  unb  ©ebrungenl^eit  ge= 
bietet,  bie  an  Dantes  Vita  nuova  unb  an  bie  Sonette 
50li^el  5lngeIos  erinnern,  er  ^at  bie  sartefte  £iebespoefie 
in  ben  „3^iturer'Iiebern  uorgetragen,  er  ^at  bie  praftift^en 
unb  gef(^t(^tli(5en  5lufgaben  bes  ^Rittertums  in  feinem 
„SBille^alm"  ^u  f^ilbern  unternommen,  aber  bas  3^^trum 
feiner  gansen  £eiftungsfä]^ig!eit,  ber  5Brennpun!t,  in  bem 
alle  9?tc§tungen  feiner  geiftigen  5lröfte  sufammenfallen, 
ift  unb  bleibt  hod)  ber  „^araiDal". 

S(^on  t)u  93eu)ältigung  ber  äußeren  S^toiertgteiten 
babei  toerft  unfer  (Erftaunen.  (£in  Dichter,  ber  niä)i  lefen 
unb  f^reiben  fann,  ber  alfo  einen  ungeheuren  Stoff  ge= 
bäc^tnismäfeig  in  fic^  aufnimmt,  ber  biefen  aber  in  fol(^em 
©rabe  burc^arbeitet  unb  bewältigt,  bafe  er  i^n  mit  fpielen= 
ber  ßeid^tigfeit  bisponiert,  ha^  xf)m  nur  gan3  geringe  S3er= 
ftöfee  bei  ben  3a]^nofen  ^erfonen  unb  Üeinen  Gpifoben  be= 
gegnen,  ber  aber  au^  alles  fo  überblidt,  ba^  er  mit  ooller 
Souoeränität  £i(]^t  unb  S(^attcn  oerteilt,  einjelnem  Sc= 
beutung  beilegt,  anberem  nimmt,  bie  Sliaffe  oon  einem 
®efi(^tspun!te  aus  3U  einem  riefigen  Ü^elief  orbnet,  bas, 
oon  ujenig  93?ittelfiguren  ausgel^enb,  immer  mc^r  mit  ben 
rei(^ften  Details  [lä)  oerbreitert  unb  enblit^  in  einen  fagen= 
haften  Sintergrunb  unb  in  eine  gel^eimnisoolle  gerne  auf= 
gc^t  —  ein  folt^er  Did^ter  gebietet  über  eine  Summe  oon 
gä^igfeiten  unb  geftaltenbcr  5^raft,   hk  uns  mobernen 


I 


111 


Sä)wää)l\nQtn  foloffal  erfc^eint.  XInferc  Setounberung 
mu6  no^  [tctgen,  roenn  toir  bes  genaueren  uns  überseugen, 
mit  u}el(5  liebeoDlIer  Sorgfalt  2BoIfram  bte  fleinften 
3^ebenperfonen,  irgenbetnen  unbebeutenben  knappen,  einen 
glei^gültigen  9^itter,  eine  pla^füllenbe  Statifttn  bef)an= 
belt,  mt  er  fie  alle  plaftif^  j^erausarbeitet,  alle  mit  inbi= 
Dibuellen  3^9^^  ausftattet,  i^nen  fieben  lei^t  oon  [einem 
ßeben.  Itnb  bies  alles  in  ber  richtigen  ^Ibftufung,  o^ne 
bali  bie  mistigeren  ober  gar  bie  $auptgeftalten  feines 
SBerfes  au(^  nur  ein  Strichelten  einbüßten,  bas  i^rer  lBe= 
beutung  5u!ommt.  Do^  fänben  mix  bes  Greifens  fein 
Gnbe;  tDoIIten  toir  in  bie  (ginsel^eiten  biefes  rounberoollen 
Sßerfes  uns  oerfenfen;  bel^alten  u)ir  lieber  bas  $aupt= 
Problem  im  5Iuge. 

^arsioal,  ber  So^n  eines  großen  ritterli(f|en  §elben, 
ber  im  2Rorgen=  unb  ^benblanbe  (i^  ^Hu^m  unb  5^önigs= 
gut  gewonnen  §at,  roirb  mit  TO[i(^t  hnxä)  feine  StRutter  t>on 
ber  i^m  oorbe[timmten  Jßaufbal^n  abgehalten,  in  einer  ein= 
famen  SBalbroüJte  unb  in  r>oll[tänbiger  SBeltfremb^ett 
erjogen,  nur  fein  feines,  roei^es  ©emüt  entu)idelt  fi^.  5Ils 
bas  (5e[Sid  i^n  ^iitausruft  in  bie  2Bclt,  begebt  er  erjt  alle 
gel^ler  eines  jungen  reinen  3:oren,  er  ma^t  ben  Ruxs 
ritterli^er  Silbung  bei  bem  teuren  93^ei(ter  ©urnemana 
bur^,  erringt  fi^  als  ^reis  ^öt^fter  Xapferfeit  SBeib 
unb  Rrone,  toeil  er  aber  an  Söertrauen  unb  ©e^orfam  gc= 
iDö^nt  ift,  folgt  er  hd  htx  großen  (Gelegenheit,  bie  fi^ 
i^m  auf  ber  Surg  oon  SO^ontfaloäfd^e  barbietet,  lieber 
ben  oberflä^li^en  33or[(^riften  pfifc^er  3uc^t  als  bem 
antrieb  ebelfter,  menf^lit^er  (Empfinbung,  er  unterläßt 
bie  entft^eibenbe,  mitleiboolle  grage  unb  hülßt  eben  bar= 
über  bas  p(^fte  ©ut  ein,  htn  23efi^  bes  ©rales.  2Bcil 
i^m  bann  au(^  bie  gebü^renbe  ^alme  ujeltli^en  5?itter* 
tums,  bie  ^^eilna^me  an  ber  3^afelrunbe  bes  5lönigs  3lrtus, 


t)er[agt  roirb;  [inft  er  in  tiefes,  stDeifeboIIes  brüten, 
verliert  bte  fi(^er  auf  \\^  [elbjt  geftcllte  (Einheit  bes  SBe* 
fens,  bas  3^^^!  altgermam[(^er  öelbenf^aft,  unb  gerät 
in  3ioiefpalt  mit  ©ott,  ber  il^n,  ben  oermetntli^  j^ulblofcn, 
fo  l^art  geltraft  ]^at.  ^ie  toü[ten  ^benteuerfa^rten  finb 
fein  SBufetDeg,  aber  jur  rechten  CBrfenntnis  feiner  Stellung, 
3ur  (ginlel^r  in  fic^  felbft,  3ur  ^usfö^nung  bes  inneren  3rDi* 
ftes,  jur  Serftellung  bes  (5Iet(^getDi(^te5  feiner  Seele  bringt 
i^n  erft  ber  IRat  feines  Dl^eims,  bes  ^riefters  Xreüre^ent; 
bie  XInterrebung  ^t\  ber  Sinfiebelei,  ein  mit  uollenbeter 
Äunft  fomponiertes  ©efprä(^,  ift  bes^alb  ber  $ö^epun!t 
bes  ©ebi(]^tes.  $Run  oerftel^t  ^ar^ioal  bie  eigene  6ünb'= 
]^aftig!eit,  oerji^tet  auf  bas  eitle  prangen  loeltli^en  lRu5= 
mes,  toenbet  \\^  gu  t)emut  unb  (gntfagung  unb  ertoirbt 
babur(^,  roas  er  oorbem  vergebens  angeftrebt  l^atte,  bas 
5löntgtum  bes  (5ral,  bie  SBoIIenbung  irbifc^en  ©lücCes. 
Hnera^tet  biefes  Gnbes  ift  „^aräioal"  fein  geiftlic^es, 
v\6)\  einmal  tvx  religiöfes  (£pos,  obgroar  man  nie  l^attc 
oerfut^en  follen,  in  biefem  fati^olifd^eften  aller  Dieter  bas 
SKitglieb  einer  ftillen  eoangelift^en  ©emeinbe  oor  ber  5Re* 
formation  ausaufinben.  5Reine  ilRenfc^Ii^feit  unb  ec^t 
frommes  (Smpfinben,  bas  finb  für  2Bolfram  Segriffe, 
bie  in  eins  fallen,  ^arsioal  mad^t  feinen  2Beg  aus  lin* 
bif^er  iRaiüetat  bur^  bie  SBerbilbung  gefellf^aftli^er 
äflobe  unb  Difaiplin,  burc^  bie  Prüfung  l^arter  Selbftpein, 
3U  einem  geläuterten  äRenf^entum.  (£r  tritt  bie  ^fabe, 
bie  Dante  burt^  bie  SBilbnis  unb  bas  3nferno  empor  3U 
ben  lichten  gö^en  f^ritt,  bie  lange  na^  il^m  ber  Simpli= 
jiffimus  eines  Did^ters  gegangen  ift,  ben  bie  grauen= 
oollen  3ettumftänbe  im  beften  2ßa(^stum  gefnidt  :^atten, 
unb  bas  gröfete  ^t\A^i  bes  neuen  Deutf^lanbs,  ©oet^es 
gauft,  es  roeife  für  ben  S^lufe  ber  Dinge  feine  anbere 
fiöfung,  als  SBolfram  fie  gegeben  §at. 


113 

Dtcfc  grogartige  (Srfaffung  ber  3^^!^  ^^^  menf(^= 
It^cn  ßcbens,  bicfe  (ErtDeitening  bes  $ort5ontc5  [einer 
3eit,  DJäre  SBoIfram  ni$t  mögli(^  getoefen,  toofern  er  ni^t 
an  b^r  33oI!sbt(^tung,  an  bem  (£rbe  germanift^en  (5ei[le5, 
iDäre  genal^rt  unb  5erange5ogen  toorben.  Das  [tedt  nun 
bei  i^m  nxä)t  fo  fel^r  in  b^n  51nfpielungen  auf  bie  beutft^e 
Scibenfagc,  in  Derein5elten  Flamen  baraus,  es  ift  in  ben 
inncr[ten  5lern  [einer  Dichtung  aufgenommen.  2Bie  ^ar«» 
5toaI  enblic^  totrb,  na(^bem  er  burd^  b<is  prüfenbe  g^uer 
gefommen  i[t,  fo  '^at  bas  alte  SBoIfsepos  ]iä)  [eine  größten 
Selben  gebarst.  Die  SD^ilbe,  bie  SBei^l^eit;  roeli^  ^arjiDal 
ausjeit^net,  bas  i[t  bie  gruc^t  bes  (£;]^ri[tentums ;  baburc^ 
[treiben  [i^  ©ermanen  unb  Deut[^e.  ^m  genaue[ten  er= 
fennen  loir  ben  5lnteil  ber  5BoI!s|)oe[ie  an  SBoIfram  in 
feinem  Stil.  3^^^  i[t  ^^^F^^  fo  per[önli^  als  er  irgenb 
fdn  fann,  aber  fein  inner [tes  ^rinjip  unb  [eine  au6erlic^= 
ften  (Sigenl^eiten  oerbanft  er  bod^  glet^ermaßen  ber  iBoIfs* 
bi^tung.  SBoIframs  SBilbfraft  i[t  fo  energi[(^  unb  üppig, 
bafe  [ie  \xä)  [elb[t  [(^äbigt.  2Benn  er  [i^  bemüht,  alle  inne= 
ren  SBorgänge  in  äußere  umjubilben  —  natürlich  entnimmt 
er  [eine  5BergIei(^  bem,  roas  il^m  3unä^[t  liegt,  unb  barum 
l^at  man  too^l  ge[agt,  er  „oerrittere"  bie  2BeIt  —  bafe  er 
3uer[t  unb  anlegt  nac^  5ln[^auli(^!eit  [einer  Dar[tenung 
ringt,  bas  lernt  er  bo^  roieber  ron  ber  ^oe[ie  ber  ffal^ren» 
ben,  bie  SBoIfram  in  il^rem  2Bert  erfannte,  bie  aber  bie 
5öfi[(5en  (gpifer  unbeachtet  am  SBege  oerborren  liegen. 
3Tt  anberen  9KitteIn  [eines  Stiles,  in  bem  breiten  Dialeft, 
tritt  SBoIframs  inbioibuellc  5Irt  [tarier  l^eraus  unb  ni^t 
3U  [einem  S5orteiIe.  SlRan  merft  überall  hti  i^m,  bag  bie 
SBilbung  feiner  Sä^e  [i^  ber  ilontrolle  [eines  kluges  cnt« 
30g :  oertDidelte  5lon[tru!tionen,  bie  anbers  auslaufen,  als 
[ie  anfangen,  Doppelbe3üge  oon  SBorten  unb  ^5ra[en, 
oeriDorrene  Übergange  [inb  bei  i^m  gan3  getoö^nli^.    Die 


114   c^ 


Dunfel^citcn  bcs  ^usbrudes,  roel^e  babur(^  entließen  — 
tDcnnglctc^  fie  bcn  (£rn[t  [eines  SBeJens  bem  £efer  tiefer 
einprägen  —  finb  bod^  ein  roirflic^es  ^inbernis  ber  S5er= 
ftänbigung  mit  i^m.  Das  ift  aber  au^  bas  einjige,  roas 
hxt  I)eutf$en  oon  l^eute  3u  i^rer  (£nt(^ulbigiing  t)or3ubrin= 
gen  roüfeten,  toenn  man  [ie  be5i(^tigte,  hal^  fie  ben  gri)6ten 
Dichter  i^rer  S^orjeit  üernac^läffigt  im  Sßinfel  (teilen  Ia([en, 
[tatt  [i(^  [einer  in  gerej^tem  Stolse  oor  aller  SBelt  ju  er* 
freuen.  SBolfram  forbert  Stubium,  er  forbert  (Sifer  unb 
Eingabe,  er  lo^nt  l^inrüieberum  fönigli(^;  bie  (Segentüart 
aber  i[t  fo  bequem  unb  ^at  ein  [o  furjes  ©ebärm,  bafe  (ie 
\xä)  ber  Mü^t  ent[c^lägt,  einen  Dichter  [i^  ansueignen, 
he]]^n  SBerfe  bas  Eigentum  aller  S^ulturoölfer  iDären, 
^äiU  er  bas  ©lud  gehabt,  in  Dantes  too^lfliefeenber 
Sptaä)t  ju  reben.  —  Die[e  (£in[^altung  [oll  nid^t  ge[c^lo[[en 
roerben  ol^ne  ben  Sintoeis  barauf,  bafe  2Bolfram  unb  (5ott= 
frieb  [ii$  mit  aller  S^ärfe  gegen[eitig  befe^ben,  ein  SBor= 
gang,  ber  ni(^t  nur  bie  überlegte  ^^[tigteit  i^rer  5lunjtan= 
[i^ten  beseugt;  [onbern  no^  aufs  erfreulicfifte  melbet,  toel^ 
feines  35er[tänbni5  für  bie[es  (Ebelgut  ritterlicher  (£pi!  [i^  in 
ben  5lrei[en  ber  §öfi[^en  (5e[ell[^aft  ausgebilbet  l)atte.  — 
^n  2Balters  S^iö^ti^  loar  es  9?einmar,  ber  [einen 
Sinn  lentte  unb  bie  5^un[t  i^m  eröffnete.  5Run  ha  SBalter 
ein  SRann  geujorben  i[t  unb  ge[^affen  ^at,  u)a5  innerl^alb 
bes  iBerei(^es  [einer  ®aben  liegt,  bie  burci^  ©ebraut^^  unb 
Übung  [i(^  aufs  [^ön[te  ausbilben,  nun  tritt  SBolfram  an 
i^n  ^txan.  (£s  i[t  ein  ent[^eibenber  SBenbepunft  [eines 
£ebens.  Die  beiben  größten  Deut[c^en  i^rer  3ßit  —  bcnn 
ilai[er  griebri^  II.  toar  fein  Deut[^er  —  [ie  treffen  [i^ 
unb  toirfen  aufeinanber,  unb  —  o  tDunberbares  unb  uner= 
prtes  2Balten  bes  ®e[d^ides !  —  [ie  treffen  ]xä)  im  fersen 
t^res  SBaterlanbes,  an  ber[elben  Statte,  too  t)iele  §unberte 
oon  3^5^^^  bama^  bem  beut[c^en  33olfe  aus  (Slenb  unb 


115 


5Rot  ein  Stern  aufging  in  feiner  Dichtung.  (£5  fällt  uns 
mä)t  \ä)mex,  511  erfcnnen,  tüie  ftarf  in  SIBalters  £ieb^rn  unh 
Sprüd^en  ber  Ginflufe  feines  greunbes  SBolfram  tätig  ilt. 
2Bir  finben  feine  SDlerfmale  in  ben  Silbern  unb  (5lei^= 
niffen,  beren  fi^  SBalter  bebient,  in  feinem  (£rn[t;  in  feiner 
gefe(tigten  Sittlic^feit,  aber  au(^  in  feinem  §umor,  in  feiner 
oolfstümlit^  ^eiteren  SBeife  unb  Sc^alf^aftigfeit,  ni^t 
minber  jebo^  in  feiner  Humanität  unb  in  ber  ftärfer  5er= 
Dortretenben  religiöfen  ®e[tnnung.  Der  gro^e  Dichter, 
ber  gemäfe  ber  931einung  eines  begabten  S^lai^ai^mers  beffer 
rebete  als  je  ber  2Runb  eines  fiaien,  SBolfram  t)on  (&\ä)tn= 
ba(^,  er  ^at  au^er  bem  eigenen  2ßerfe  feine  eblere  Spur 
5urü(!gelaffen,  als  bc^  er  im  ^Tustauf^e  ber  greunbf^aft 
feines  ®ei[tes  einen  Xeil  an  2ßalter,  ben  Sangesgenoffen 
aus  t)fterrei^,  abgab;  hingegen  empfing  er  oon  beffen 
unmittelbarer  grifi^e  unb  ausbauernber  3^genbli^feit 
ben  ^Infporn  jur  gortfefeung  unb  33onenbung  [eines  un= 
[terbltc^en  SBerles. 


YII. 

Hm  Welfenhofe 

SBäl^rcnb  ollentl^albcn  im  3{t\ä)  bte  Älagen  erfc^ollen 
über  bcn  plö^lt^en  3^ob  bes  ilönigs  ^^iltpp  uitb  au(^ 
feine  (Segner,  rote  ^rnolb  ryon  £übe(f,  bem  ©efc^iebenen 
bas  3^^9^^s  tiefer  3^rauer  na^fanbten,  flieg  ber  Stern 
bes  2BeIfen  xa]ä)  njieber  empor.  Otto  ^atte  bte  legten 
3o^re  teils  als  glü^tling  in  ben  r^einif(^en  ©rensgegen« 
ben,  teils  auf  feinem  braunft^toeigifc^en  (grbgute  oer= 
bra(^t;  alles  l^atte  i^n  oerlaffen,  fogar  fein  Sc^u^^err, 
$apft  S^no^ens  III.  9^n  trat  er  aus  feiner  unfreiroilli* 
gen  (Einfamfeit  ^erüor,  unb  ba  er  ber  einstge  X^ronroerbcr 
im  gelbe  loar,  f^on  gefront,  unb  bie  ©unft  bes  ^apftes 
fofort  fi^  i§m  roieber  juroaubte,  feine  ^(nl^änger  fi^  uon 
neuem  um  i^n  f^arten,  fo  fanb  er  toentg  Si^toierigleiten 
unb  balb  allgemeine  ^Tnerfennung.  %uä)  bie  ftaufifc^e 
Partei  Öübbeutf^lanbs  lieg  ftc^  für  i^n  geroinnen,  ob* 
glei(^  mit  SBorbe^alt  unb  o^ne  innere  Siii^ß^Öii^Ö;  toeilte 
hoä)  ber  le^te  Sprofe  bes  §aufes,  no(^  ein  i^nabe,  als 
Äönig  in  Sisilien  unter  ber  SBormunbf^aft  feines  päpft= 
liefen  Jße^ens^errn  unb  behütet  oon  einem  SRate  etferfüd^* 
tiger  ©rofeer.  Diefer  ©unft  ber  Xlmftänbe  oerbanfte  ber 
2Belfe  bie  unbestrittene  ©eroalt  als  beutf^er  5Unig  unb 
balb  bie  5^aif erfrone.   (£r  entbehrte  ni^t  ber  (Eigenfi^ften 


p 


117 

pcr|önlirf)cr  2;ü^tigfett,  er  mar  ein  ^o^geroa^fcner  ftar^ 
fcr  Sert,  tapfer,  ja  oertDegen,  in  ritterli^en  Dingen  lüo^l 
geübt  roie  [ein  9}orbilb,  ber  O^eim  SRid^arb  ßöroenl^ers, 
bef[en  £iebling  er  gen)e[en  tüar.  TOer  tote  biefem  fehlte 
aud^  i^m  bie  rechte  ma^DoIIe  illug^eit,  er  mußte  (i(^  beim 
Eingriff  ni^t  311  bänbigen  unb  feine  3^^^  abjutDarten  unb 
geigte  ]\^  be[[er  im  Xlnglüd,  mo  [eine  $artnädfigleit  unb 
3a^igfeit  i^m  mehrmals  3u[tatten  fam.  aUan  barf  i^n 
faum  einen  Deutf(^en  nennen:  für  fran3ö[i[c^e5  unb  eng* 
Ii[d^e5  (£rbe  t[t  er  in  [einer  3^19^^^  ^erangegogen  morben, 
ber  2:0b  ilaifer  $einri^5  VI.  er[t  mar  bie  Pforte,  mel(^e 
il^m  Deut[(^Ianb  erft^Iofe,  unb  je^t  mürbe  [ie  il^m  bur^  ben 
ebenfo  unermarteten  Eingang  eines  anberen  Staufers  aber* 
mals  geöffnet.  Otto  mar  §art  unb  gemalttätig,  l^o^fa^- 
renb,  unb  befaß  ben  [tär![ten  93egriff  oon  [einer  i^önigs*, 
no(]^  me^r  oon  feiner  5lai[ermürbe.  Darum  mar  er  ein 
trefflt(5cr  gen,  bie  (5e[epre(^er  unb  griebens(törer 
Deutf^Ianbs  im  3aum  3U  galten,  er  breitete  gurtet  um 
feinen  ^Flamen  unb  ft^ü^te  babur^  bie  Sc^mac^en.  ^ber 
er  mar  gerabe  bes^alb  menig  geeignet,  aus  einem  biplo* 
matif^en  ilampfe  als  Sieger  l^eroorguge^en,  mo  es  ber 
SBorfi^t,,  ber  9Jläßigung,  ber  5Ila^giebig!eit  beburfte,  gumal 
in  ben  SBer^anblungen  mit  einem  ©egner  mie  3nno3en3  III., 
ber  einer  ber  größten  ilirc^enfürften  mar,  bie  je  ben  Stu^l 
bes  ^eiligen  ^etrus  eingenommen  ^aben.  Das  follte  \xä) 
alsbalb  3eigen. 

Der  ^apft  begrüßte  Ottos  neue  (Br^ebung  mit  greu* 
ben,  mar  biefer  bo^  bur^  lange  ^^xt  unb  trübe  Sc^id* 
fale  fein  S^ü^Iing  gemefen.  So  unternafim  benn  Otto, 
als  er  bie  beutf^en  ^Ingelegen^eiten  raf^  auf  einigen  $of* 
tagen  georbnet  ^atte,  f^on  im  ^uguft  1209  bie  gal^rt  na(^ 
9iom  unb  beeilte  fi^,  bie  ^eißerfe^nte  i^aiferfrönung  3U  er* 
langen.    Sie  fanb  am  4.  Oftober  ftatt,  nac^bem  fid^  bie 


118 

Dciitf^cn  bcn  (£tn3ug  in  9tom  Ratten  crgroingen  müfjcn; 
felbft  iDöl^rcnb  unb  nat^  bcr  5lrönung  gab  es  erbitterte 
5lömpfe  mit  ben  Bürgern  bcr  eroigen  Stabt,  bencn  Otto 
bie  ]^erfömmli$en  SetDillignngen  unb  ©elbfpenben  oerfagt 
l^atte.  Das  njar  ein  übles  Omen  für  ben  neuen  5laifer, 
unb  f(^nell  erroa^rte  es  ]i^.  ^t^i  er[t  (ollte  bie  (£ntf(^ci= 
bung  gefällt  werben  über  bie  [trittigen  (Sebiete  9PlitteIita= 
liens;  ob  [ie  5um  5Reic^sgut  ober  gum  Äird^enftaat  gehören 
follten,  unb  ba  seigte  \iä)  [ofort,  ha^  bes  i^aifers  5Ib[i^t, 
ben  italienifc^en  9?ei(^5be[i§  auf  ben  Staub  5urüd3ufü^ren, 
ben  er  beim  Xobe  5lai[er  $cinri(^s  VI.  innegel^alten  ^atte, 
unb  bes  ^ap ftes  SBor^abcn,  bas  Patrimonium  ^etri  ni^t 
biofe  3U  erhalten,  fonbern  au^  3U  oerme^ren,  gönälid)  un= 
oereinbar  u)aren.  3eber  oon  beiben  befanb  [i^  unter  bem 
(£influ[Je  ber  Xrabition  [einer  Stellung:  Otto  fonntc 
nic^t  anbers,  obgleid^  ein  SBelfe,  unb  i^erfu^r  roie  [ein 
!ai[erli(5er  33orgänger;  3"no5en3  oertrat  eben[o  roie  alle 
^äp(te  mit  S'la^bnicE  bas  3ntere[[e  ber  i^urie,  [ogar  oer= 
möge  [einer  ^o^en  Begabung  unb  politi[(^en  5lun[t  be[on= 
bers  energi[(^.  Der  ilonflüt  begann  [d^on  1210,  ba  [id) 
Otto  immer  beutli^er  3u  einem  gelb^uge  gegen  bas  5lönig= 
rei(^  Sisilien  rü[tete,  bas  er  ber  9?ei(^sgeu)alt  toiebcr 
unterftellen  toollte;  bamit  roäre  au$  bie  ©efa^r  abge= 
ujenbet  geu)e[cn,  bag  ber  [taufi[^e  3üngling  bort  3um 
^Rebenbu^Ier  in  'Deut[(^Ianb  loerbcn  motzte.  Der  ^ap[t 
ging  toeit  in  feinen  3ii9e[tänbni[[en  an  ben  5lai[er,  aber 
bafe  bie  grü(^te  [einer  [i3ili[^en  ^olitif  oerni^tet  rourben, 
fonnte  er  ni^t  bulben.  So  !am  es  1211  jum  Bru(^e. 
Snnogens  roanbte  [ein  äJlac^ttoort  roiber  ben  unbanfbaren 
Otto,  er  [(^idte  Briefe  in  Italien  unb  Deut[$Ianb  um^er, 
wt\d)t  alle  Untertanen  bes  bem  5lai[er  gelei[teten  Gibes 
entBinben  [ollten,  er  ^atte  au^  [oglei^  in  gricbri^  oon 
Sisilien  einen  neuen  Bewerber  um  bie  beut[c5e  5^önig5!rone 


119 

3ur  ganb,  bem  ja  eigcntlt^  fett  ben  legten  2^gcn  Rdjcr 
^ctnri^s  unb  feit  tven  bamals  gegebenen  3ufagen  ber 
Jürften  getotffe  ^nfprü^e  jtDeifellos  5uftanben.  Otto 
feierte,  bur^  alles  btes  geängftigt,  raf(^  naä)  Deutf^Ianb 
jurürf  1212,  ftellte  feine  Autorität  lieber  ^er  unb  Der- 
fieberte  fi^  auf  bem  Xage  5U  granffurt  ber  Xreue  ber 
roanfenben  gürften.  Soroeit  roar  alles  gut,  aber  am 
11.  5luguft  ftarb  bem  i^aifer  feine  ©ema^Iin  Seatrii, 
.bur(^  bie  er  mit  bem  $aufe  ber  Staufer  oerbunben  toar, 
unb  er  fanb  fi^  ber  f^toöbif^en  §eerfoIge  beraubt;  bann 
betrat  bes  ^apftes  3ö9li"9»  griebrid^,  f^on  im  Sommer 
biefes  S^fires  ben  beutfc^en  ©oben.  So  entbrannte  ber 
5lrieg  oon  neuem  unb  roä^rte  no^  ßroei  3ai^re,  bes  2BeIfen 
©lud  jebo^  na^m  ftetig  ab,  unb  am  27.  3uli  1214  roar 
mit  ber  großen  9ZieberIage  Ottos  IV.  gegen  5^önig  ^^i= 
lipp  ^uguft  Don  Srantreic^  hei  Souoines  bie  beutf^e 
5^rone  für  i^n  oerloren,  für  Jriebri^  gefi^ert. 

Die  poIitif(^e  Xätigfeit  SBalters  oon  ber  35ogeI= 
ojeibe  beginnt  roieberum,  als  Otto,  mit  bem  Sänne  bes 
^apftes  belaben,  1212  na^  Deutfc^lanb  5urüdfam,  unb 
innerhalb  ber  nä^ften  ßdt  ^at  ber  Dieter  bie  SBorgängc 
mit  aufeerorbentlit^er  Xeilna^me  ocrfolgt.  (Er  ftel^t  auf 
feiten  bes  5^aifers  unb  gegen  ben  ^apft,  eine  Haltung, 
bie  oon  oielen  reic^streuen  50Zannern,  au^  oon  ©eiftli^en, 
bamals  eingenommen  rourbe.  X)cnn  fie  fa^en  nur  ßioei 
3:atfa^en,  bie  aufeinanber  folgten  unb  fi(^  bot^  iDiberfpra= 
^en:  ^apft  Snnojenj  ^atte  bur^  alle  TOttel  ben  roel- 
fif^en  Otto  gegen  ben  Staufer  emporjubringen  unb  3U 
galten  getrachtet  unb  feinen  ^rieben  mit  ^^ilipp  erft  ge» 
mac^t,  als  fein  S^ü^ing  ausfit^tslos  oerloren  fc^ien; 
jc^t  roar  bur^  eine  plö^lic^e  2Benbung  bes  St^idfals 
Otto  bo^  5laifer  gemorben  unb  ^atte  alsbalb  bie  ©nabe 
feines   ©önners   eingebüßt.     Da^er,   fo   fc^lofe   man,   ift 


120 

b^r  ^apft  jcbcs  b^utf^en  5lönigs  gfeinb;  [ci  et  Staufcr 
ober  SBelfC;  unb  btc  S(^ulb  an  bem  3ßi^^ü^^f"^ff^  ^^^^ 
fomit  nxä)t  Bei  Dtto  liegen.  Xtm  bie  italienifd^e  9?ei(^* 
politif;  um  ben  3iiföntmen[to6  fdferlic^er  unb  päpft* 
lieber  3^*ßi^^Ifß^  i"i  Süben  fümmerten  \iä)  bie  9Jla[fen 
nic^t;  unb  es  i[t  ungemein  beseid^nenb;  ba^  2BaIter  nie* 
mals  ein  2Bort  barüber  uerliert.  Die  beutf(^en  grürften 
unb  93i[(5öfe  löufeten  ganj  tool^l,  toie  bie  Saiden  [taiiben, 
unb  fie  ^oben  fi^  auc^  oon  Otto  3urü(!ge5ogen,  fobalb 
biefer  feiner  ^olitif  bie  oer^ängnisoolle  9?ic^tung  gab 
gegen  ben  ^ap[t,  unb  oornel^mlit^,  fobdb  er  bie  SBiebtr* 
rereinigung  Si5ilien5  mit  bem  beutf^en  9tei(5e  getoattfam 
anftrebte.  Das  tourbe  bem  SBoIfe  im  großen  unb  ganzen 
gar  nxä)i  beutli^  fi^tbar,  es  lag  5U  ferne  unb  berührte  bie 
$eimat  ju  roenig  unmittelbar.  Sßo^I  aber  lourben  bie 
böfen  golgen  bes  neuen  Streites  3U)i[(^en  5^aifer  unb 
'?ßap\t  aufs  bitterfte  unb  tieffte  empfunben,  bie  Hnfit^er* 
^eit  unb  35eru)irrung,  u)el(^e  toieber  ^ereinbra^en,  ber 
allerorten  abermals  aufflammenbe  SBürgerfrieg.  Hnb  biefe 
folgen  tourben  ber  Serrfd^fud^t  unb  Sabgier  bes  ^apftcs 
3ur  £aft  gelegt.  2Bir  bürfen  uns  ni^t  tounbern,  bafe 
Sßalter  fo  leibenfi^aftlic^  toiber  ben  ^ap[t  auftrat,  loenn 
toir  aus  ben  2Borten  eines  unoerroerfli^en  3^^Q^^f  ^^ 
3ilter3ienfers  (£aefarius  pon  Seifterba^,  erfal^ren,  toie 
fe^r  oiele  bamals  in  Deutf^lanb  bas  Sßorge^en  bes  Slßap^ 
[tes  tabelten,  unb  toenn  toir  pren,  ha^  ber  gü^rer  einer 
römif^en  ^belspartei  es  loagte,  ben  prebigenben  ^^^nosens 
mit  bem  5?ufe  ju  unterbrechen:  „'^ein  SD^unb  ift  ©ottes 
SRunb,  aber  beine  SBerfe  [inb  SBerfe  bes  3:eufels." 

Dagu  mufe  ertoogen  tDerbeU;  baß  überhaupt  niemals 
in  Deutf^lanb  bas  9{e^t  bes  ^ap[tes,  über  bie  beut[c^ 
5^önigs!ron^  3U  oerfügen,  roirflid^  anerfannt  roorben  toar ; 
nur  fanb^n  bie  &ur|ten,  roelt^e  htm  jetoeils  uom  ^apfte 


DeriDorfcncn  Obcr^crrn  fcinbfcltg  toarcn,  es  fel^r  in  i^rcm 
3ntcreffc,  ben  Sann  bes  ^apftcs  unb  [eine  ftr(^ liefen  gol« 
gen  als  einen  rDtllfornmenen  ^nsgangspunfl  il^rer  ilämpfe 
nnb  als  ein  Silfsmtttel  ausjunu^en.  2Baren  bte  5ür= 
(ten  mit  bem  getoäl^Iten  Äöntg  snfrieben;  oermo^te  er 
i^re  2Bünf(^e,  bie  mei[t  auf  (Enoerbung  von  3^erritorial= 
h^\i^  hinausliefen,  3u  erfüllen,  bann  fc^abete  i^m  bes  ^ap* 
(tes  Sann  unb  geinbf^aft  gar  nichts,  geiftlid^  unb  roelt* 
Iid}e  $erren  oerfe^rten  ol^ne  S^eu  mit  bem  (Eifommunt* 
gierten,  er  tourb^  in  bie  Sixx^tn  3ugela[fen  unb  tool^nte 
unbel^elligt  ber  SRejfe  hti.  Se^r  feiten,  ba^  ein  i^ir^en* 
fürft  fein  (5eu)i[[en  bur^  bie  5lufna^me  bes  gebannten 
i^önigs  befi^roert  füllte;  toei^e  ©emüter  tote  ber  Sif^of 
(Sarbolf  Don  Salberftabt  mußten  freili^  unter  bem  3mk^ 
fpalt  i^rer  ^fli^ten  gegen  i^aifer  unb  ^ap(t  un|ägli^ 
leiben.  2Btr  feigen  ein  re(§t  beutlit^es  Silb  biefer  SBer= 
i^ältniffe  in  ber  ^Regierung  ^^ilipp  bes  Staufers.  (Er 
töurbe  üon  ben  beutf^en  dürften  jum  ilönig  geroö^It, 
inbes  er  \\ä)  im  Sänne  bes  ^apjtes  befanb.  'X)h  §errcn, 
bie  mit  ^^ilipp  oerbunben  roaren  unb  oon  i^m  gu  getoin* 
nen  roufeten,  [inb  i^m  unenttoegt  treu  geblieben  unb  achteten 
b^s  $ap[tes  feierli^fte  (£infpra(^c  für  nit^ts;  auä)  5U  bem 
Abfall  oon  gürjten,  ber  seittoeilig  ftattfanb,  trug  bes 
^apftes  ®egnerf(^aft  nichts  bei,  unb  [^liefelt^  ift  ^^ilipp 
als  Rönig  allgemein  anerfannt  roorben,  fogar  oon  bem 
eigenen  Sruber  Dttos,  bem  ^faljgrafen  §einri^,  o^ne  bafe 
ber  Sann  oon  i§m  genommen  roorben  toäre,  unb  ber  ^apft 
mufete  ]x6)  bequemen,  o^ne  5Rürfii(^t  auf  biefen  Umftanb 
bie  griebensoer^anblungen  mit  b^m  Staufer  ansufnüpfen. 
Die  i^önigsioal^l  toarb  eben  als  eine  toeltli^e  SRe^tsange* 
legen^eit  betrachtet,  in  bie  bem  ^apftc  fein  (Eingriff  ^uftanb, 
ebenforoenig  als  in  alle  Sefi^oer^ältniffe :  unb  toenn  3.  S. 
bie  SRaoensburger  megen  ber  (Ermorbung  bes  Sif^ofs 

<S^5nBa(5,  9SaItet  bon  ber  SBogeltoeibc.  9 


122 

Äonrab  t)on  SBürsburg  (om  6.  Dcjcmbcr  1203)  oom  Spaip' 
|te  für  unfähig  crflärt  tourbcn,  ficl^cn  5U  nehmen,  fo  tuar 
bas  ein  Schlag  ins  2Baffcr,  benn  btc  ^laoensbiirgcr  [inb 
no^  vou  Dor  als  mä^ttgc  §crren  in  i^rcm  ^cimtfc^n  Cöe* 
biete  perbliebett.  S[Ran  barf  alfo  getroft  fagcn,  im  bama= 
ligen  Deulf^Ianb  fonnte  bie  Autorität  bes  ^ap|tc5  für 
roeltli^e  Dinge  nur  bann  mit  (Erfolg  geltenb  gemalt  wtx= 
ben,  fofern  fi^  bie  ^ntereffen  einzelner  ober  ber  Tlt^i^a^l 
uon  gürften  in  berfelben  9?ic^tung  beioegten,  fon[t  ni^t. 
X)iefe  5Berqnidung  txxä)\x6)tx  unb  territorialer  ?Ingelegen= 
Reiten  ift  feine  ifolierte  ^iftorif^e  3^atfa^e,  ^l^nli^es  fin= 
hd  in  frül^erer  nnb  fpäterer  3^it  \^^^^t  ^^^  ^^^  (5e[(^i^te 
ber  beutfc^en  Ätr(]^enfpaltung  bietet  bafür  f(^lagenbe  ^na= 
logien. 

T)as  mar  alfo  ber  fefte  5Boben  jeitgenölfift^er  33erf)ält= 
niffe  unb  5Infd^auungen,  oon  bem  SBalter  oon  ber  33ogel= 
tDcibe  ausging.  3ii^ö(^ft  rebet  er  mit  brei  jt^önen,  in  fi^ 
f^on  bur^  bie  gemeinfamen  5lnfangsröorte  5u[ammen^än= 
genben  (5prü(^en  (£.  11,  30)  ben  Raifer  Otto  an,  roie  er 
auf  bem  granffurter  Xage  (1212)  bie  gürften  um  ji^  oer« 
fammelt,  unb  entwirft  ein  großes  S3ilb  faiferlic^er  '$flaä)i 
unb  Serrli^feit.  So  fpri^t  ber  Sänger:  „Serr  Äaifer, 
feib  uns  l^ier  toillfommcn:  ber  5^nigsname  i[t  i>on  (£u^ 
genommen,  brum  glänjet  (Eure  ilron'  ob  allen  Äronen. 
Ss  ift  geioaltig  (Sure  Sanb  unb  fann  bo^  fpenben; 
iDollt  3^r  5ur  (5nab'  (£uä)  ober  9?a(^e  toenben,  fo  fann  fie 
beibes,  ftrafen  unb  belol^nen/'  Knb  baran  fnüpft  fic^  eine 
(Empfehlung  bes  SD^arfgrafen  Dietrit^  oon  äRei^en,  ber 
bem  ilaifer  befonbers  treu  ift:  es  ujäre  leichter,  einen 
(Engel  3um  Abfall  oon  (Sott  5U  uerleiten,  als  i^n  bem 
5^aifer  ju  entfremben.  ^m  nä^ften  Qpxuä)  ftellt  \xä)  ber 
Dieter  als  (Sottes  gronbote  i>or,  ber  ba  fommt,  um  für 
bas  l^eilige  £anb  (5ere^tigfeit  toiber  bie  §eiben  ju  bege^» 


123 

rcn  unb  bcn  ildfer,  beffen  ma6)i  noc^  uncrf^üttert  f^tcn, 
bamtt  5um  Äreujsug  aufjuf orbern :  „Serr  Äai[cr,  x^  bin 
§crrcnbot'  unb  bring'  (£ud)  SJlcIbung  mit  t)on  C5ott:  3^t 
^crrf^t  auf  Grbcn,  er  im  Simmelrei^e,  ^l^r  feib  (ein 
5Bogt;  brum  f)k^  er  mi^  (£uä)  flagen,  bafe  je^t  bie  Sei= 
ben  i^n  unb  (Eu(§  5U  [^änben  roagen  in  feines  Sohnes 
Jßanb  mit  böfen  Streitigen.  3^n  gönnet  i§m  ein  [treng 
(5eri(^t;  fein  So^n,  ben  nennt  man  3efu5  (i^^rift,  roie  ber 
es  (£u(ö  entgelten  roill,  ^iefe  er  mi^  fagen  (tut  gegen  il^n 
bo(^  (£ure  W^t)>  ^^  ^^^'^  ^^^  rid^ten,  too  er  33ogt  einft 
ift,  roenn  ^\)x  ben  2;eufel  aus  ber  Solle  roollt  oerflagen." 
t)a5felbe  3:^ema  f(^lägt  ber  htitU  Spxuä)  an,  morin  er 
htn  5^aifer  mal^nt,  roenn  er  in  Deutfd^lanb  mit  $ilfe  bes 
Stranges  ben  grieben  Fiergeftellt  ^abe,  bann  möge  er  fic^ 
an  bie  fremben  ^eibnif^en  33ölfer  mai^en,  ba  fei  Üiu^m 
5U  eriDerben,  unb  Otto  fei  au^  gan5  baju  gerüftet  burc^ 
bie  5lräfte  bes  Äötoen  unb  bes  ^blers,  bie  er  als  Seer= 
5ei(^en  auf  feinem  Sd^ilbe  trug,  als  i^n  ber  ^apft  ju  5Rom 
frönte.  9^iemanb  aus  ben  Reiben  uermöc^te  i^m  ju  roiber* 
fte^en. 

So  gefeftigt  f^ien  bamals  bie  äRac^t  Ottos,  bag  ber 
Sänger  es  roagen  burfte,  i^m  einen  Rreujäug  3U  emp= 
fehlen;  oielleit^t  roar  babei  no^  bie  Hoffnung  im  Spiele, 
eine  fol^e  Seerfa^rt  tonnte  i^aifer  unb  $apft  oerföl^ncn. 
JJemer  legt  2Balter  3U  berfelben  ßtii  ein  gutes  SBort  für 
ben  fianbgrafen  Sermann  oon  3:^üringen  ein  (2. 105, 13), 
ber  je^t  bie  ©nabe  bes  Raifers  fuc^te,  nac^bem  er  i^m 
fürs  Dorl^er  entgegengetreten  toar.  SBalter  roeift  barauf 
^m,  bies  fei  roenigftens  in  offener  geinbf(^aft  geft^l^en, 
iDö^renb  anbere  gürften  perä(^tlii^eru)cife  im  geheimen 
unb  fi^  gegenfeitig  oerratenb  bie  2Biberfa(^er  bes  Äaifers 
toaren.  9[Ran  barf  übrigens  ni^t  glauben,  tceil  aus  biefer 
böfen  3^^^  [o  ^^^l  ö^^^  ©efinnungsröet^fel  ber  gürften 

9* 


124 

berietet  wxxh,  fei  bie  StttUc^fett  bcs  gangen  SBolfes  eine 
mebrige  getoefen;  bas  möre  ebenfo  unnötig,  als  toenn 
^eute  jemanb  aus  ben  IBanferottliften  htx  3citungen  auf 
bie  befonbere  SBertoorfen^eit  bes  gefamten  ilaufmanns» 
[tanbes  ft^Iiefeen  roollte.  (£s  [oll  nid^t  geleugnet  toerben, 
bafe  b^r  Sürgerfrieg  biesmal  toie  überall  —  mit  im  alten 
IRom,  toie  in  (gnglanb  toäl^renb  bes  Rampfes  ber  $öufer 
ßancafter  unb  ?)orf  —  in  ben  ©emütem,  befonbers  ber 
^anbelnben  ^erfonen,  SBerroirrung  angeri^tet  unb  bie  Sitt«» 
li^feit  gefc^äbigt  ^abe;  fonft  l^atten  nid^t  bie  beutf^en 
Surften  unb  bie  beutft^en  5lönige  felb[t  eibli^  gef^loffene 
S^erbinbungen  als  blofe  oorübergel^enbe  OTiangen  auffaffen 
lönnen,  bie  mit  grofeen  ^nberungen  ber  allgemeinen  £age 
aufgelöfi  unb  ujtebir  neu  angefnüpft  toerben  fonnten. 
TOer  —  unb  bas  ift  bie  gauptfati^e  —  bas  Sßolfsgeroiffen 
erl^ielt  fid^  uuüerfel^rt :  biefem  gegenüber  blieb  SBerrat  au^ 
35errat  unb  tourbe  ni^t  befc^bnigt;  toer  feinen  Gib  bra^, 
^eimfte  bafür  öffentli^en  3^abel  ein  unb  motzte  fic^  bar= 
auf  gefaxt  machen,  bafe  es  il^m  insfünftige  nic^t  fo  leitet 
toerben  toürbe,  einen  uorteill^aften  SBertrag  ju  f^Iiefeen. 
2Bir  finb  barüber  ^inlönglic^  aus  ben  (Sl^roniften  ber  oer* 
fc^iebenen  Parteien  unterrid^tet,  roel^e  bie  3^reulofig!eit 
ni^t  blofe  im  gegnerifi^en  JÖager  fträfli^  finben,  fonbem 
fi(^  au(^  f(^arf  über  bie  eigenen  ^n^önger  ausfpred^en. 
Die  $altung,  roeld^e  3.  S.  bie  großen  S^^rbü^er  uon 
Rbln,  5lrnoIb  oon  Jßüberf,  bie  (T^ronif  oon  St.  ^eter  gu 
(Erfurt,  Otto  oon  St.  Slafien  unb  anbere  bei  ber  (£r* 
jö^Iung  ber  SBorgänge  jener  ^al^re  unfeligen  Stiftes 
einnehmen,  getoä^rt  uns  hk  Seru^igung,  bafe  ber  fitt» 
li^e  äRafeftab  bes  S3olfes  bamals  fein  fd^Ie(§terer  toar  als 
^eute  unb  in  ben  lefetoerfloffenen  ^Q^^^unberten :  toei^  ^at 
immer  als  toeife  gegolten,  unb  f^umrs  ift  nie  für  ettoas 
anberes  als  f^ujars  gel^alten  toorben. 


125 

Um  bicfc  3c{t  ift  2BaIter  in  Ronflift  mit  bem  ariarl» 
grafen  Dictri^  oon  SRcigcn  geraten.  SBorüber  unb  roie 
bic  ganse  Sa^e  perlanfen  i[t,  baoon  l^ören  toir  gar  ni^ts. 
5Rur  ücrnel^mcn  loir  (2.  105,  27),  bafe  2BaIter  biefen 
Surften,  ber,  cingeflemmt  pif^en  Sö^men  unb  bem  lanb* 
gierigen  Springer,  eine  befonbers  Jd^toierige  Stellung 
l^otte,  ber  Hnbanfbarfeit  befd^ulbigt,  i^n  an  bie  gelei[tete 
$ilfe  erinnert  unb  mit  oerbedften  Sorten  i|m  ben  Dicnjt 
fünbigt.  Dur^  biefen  Streit  loirb  au^  bie  SBerbinbung 
2BaIters  unb  bcs  Sersogs  ßubroig  oon  SBat)ern  l^infällig 
geiDorben  [ein,  beflen  ©eft^enfe  ber  9Karfgraf  Dietri^ 
einmal  bem  Sanger  oermittelt  l^atte  (ß.  18,  15). 

SBalters  Semül^ungen  für  5laifer  Otto  fonsentrieren 
fi$  in  feiner  3:ätig!eit  roiber  ben  ^apft.  3ioar  mad^t  er 
3UDörb€rft  bie  ©eftnnung  ber  gürften  oerantroortlit^  in 
bem  treffli^en  Spru^  (£.  31,  13):  „SBon  grantrei^s 
Seine  bis  ^in  nac^  Steiermarl  jur  9Kur,  r>om  ^o  3ur 
3:raoe  fenn'  iä)  aller  SlRenf(^n  Spur:  bie  meiftcn  füm= 
mert's  ni^t,  toie  i^nen  3ufommt  i^r  ©eioinn.  2;at'  i(^ 
roie  fie,  bann  lebe  roo^I,  ge^'  fc^Iafen,  CBbelfinn!  ©elb 
mar  roilltommen  ftets,  jebod^  es  ging  bie  (EJr'  bem  ©elbe 
no^  üoran,  jefet  ift  bas  C5elb  fo  ^e^r,  hal^  es  felbft  ju  ben 
grouen  cor  bir  (£]^re  ge^t  unb  mit  ben  gürften  M  ben 
ilönigen  \iä)  berät.  SBie  f^le^t  bas  römif^e  $Hei^  um 
(Selbes  toillen  fte^t!  Du  bift  niä)i  gut,  o  ©elb,  an 
Staube  pngft  bu  hi^  3U  fe^r!"  —  Dann  aber  fonbert 
SBalter  \>tn  ^apft  t)on  ben  übrigen  $errfd^aften  ber  2BeIt 
aus  unb  greift  i^n  für  fi^  an,  inbem  er  i^m  3uerft 
Doppel3üngig!eit  oorroirft  (ß.  11,  6):  „$err  ^apft,  fo 
benf  ii^'s  gut  3u  treiben,  benn  x^  mxü  (Buä)  gel^orfam 
bleiben.  2Bir  ^örten  (Sviä)  \>tx  (S^^riften^eit  gebieten,  roie 
fie  bes  ilaifers  follte  pflegen,  ba  35r  i^m  fd^enftet  ©ottes 
Segen,  bafe  toir  i^n  ^iefeen  ,§erm*  unb  oor  i^m  fnieten. 


126 

9lun  tDoIIet  btes  unb  anbcres  nic^t  Dcrgeffcn !  3^^  [prac^t 
ju  i^m:  ,2Ber  auc^  bt(^  fegne,  fei  gleichfalls  gefegnet; 
roer  bir  fliK^t,  fei  gerietet  mit  einem  glu(^e  rei(^  gemeffen/ 
Xlm  ©Ott,  bebenft  (£uä)  je^t  babei,  halß  3^r  ber  Pfaffen 
5lnfe]^n  fo  üernid^tet!"  Hnb  f(^ärfer  ^af)xi  ber  Dichter 
fort  (£.  12,  30):  „(Sott  ma^t  5um  i^önig,  toen  er  roill. 
Darüber  tounb're  i^  mi^  ni^t  oiel,  als  £aie  ftaun'  xä) 
an  ber  Pfaffen  fie^re:  roas  fie  befahlen  no^i  oor  roenig 
3^agen,  bas  roollen  fie  uns  je^t  ganj  anbers  fagen.  Um 
©ottes  roillen  unb  bei  (Eurer  eignen  (gi^re,  fo  fagt  uns 
boc^  in  ^fli(^t  unb  streuen,  mit  loelt^er  9?ebe  3^r  uns 
5abt  betrogen?  Sei's  mit  ber  alten  ober  neuen,  bur^ 
eine  l^abt  ^^x  uns  belogen.  5llärt  uns  bte  2Ba^r:^eit  auf 
in  i^rem  ©runbe:  jtoei  3ii^9^ti  finb  5U  oiel  in  einem 
SKunbe."  Hnb  er  oernjeift  auf  bas  (goangelium  oom 
3insgrof^en  (£.  11,  18),  in  bem  ber  $err  bie  trügerift^en 
^l^ariföer  entlarot  unb  tl^nen  rät,  ©ott  gu  geben,  toas 
©ottes  ift,  unb  bem  ilaifer,  roas  bes  5laifers  ift.  Die 
SBursel  alles  Übels  meint  ber  Dichter  3U  treffen,  inbem  er 
an  bie  Sc^enfung  5laifer  i^onftantins  erinnert  (£.  25,  11), 
bte  ben  5lir(^enftaat  f(^uf:  bamals  ^atte  ein  (£ngel  im 
$immel  breimal  SBe^e  gerufen  unb  bas  ©ift  beflagt,  bas 
nun  über  hxt  G^riftenl^eit  fei  ausgegoffen  roorben,  benn 
jefet  ift  infolgebeffen  ber  oberfte  $err  gef(^tDä(^t  unb  bas 
5?e$t  ber  £aien  in  bie  $änbe  ber  Pfaffen  geraten.  Der 
(Engel  §at  alfo  basumal  bie  SBa^r^eit  oerfünbigt. 

Die  f^ärfften  Sprühe  2Balters  gegen  ben  ^apft  finb 
in  eine  Rdit  oon  Strophen  besfelben  2;ones  georbnet. 
(£s  gel^ört  roo^l  3U  bem  Stärfften,  roas  im  Rampfe  3tDif(^en 
Äir^e  unb  Staat  je  gefagt  rourbe,  roenn  SBalter  ben 
^apft  roegen  bes  eigenfü^tigen  2Be(^fels  in  feinen  5ln» 
fiepten  über  Otto  als  Simoniften  einen  neuen  3ubas  nennt, 
ber   bie  (S^riftenl^eit  oerfü^re   (£.  33,   11):   „2Bir  alle 


127 


flogen  unb  ocrftc^n  bo(^  ni^t  bcn  Stäben,  bü^  es  ber 
^offt  ift,  unfer  S5ater,  ber  auf  böfen  ^faben  uns  leitenb 
ganj  unoöterlt^  uns  irreführt;  rotr  folgen,  o^ne  ba^  ber 
gufe  aus  feiner  8pur  ]xä)  je  verliert.  9^un  merfe,  2Belt, 
n)as  mir  an  biefem  Zun  mißfalle:  i[t  er  ein  ©eij^als, 
nun  fo  fnaufern  eben  alle;  lügt  er,  fo  lügen  alle  mit  i^m 
feine  £üge;  betrügt  ber  ^apft,  fo  ftrebt  ein  jeber,  'aa)^ 
auä)  er  betrüge.  5Re^mt  (£u^  in  a^t,  ba^  feiner  meine 
2Borte  rüge:  nn  neuer  3ubas  bringt  ber  ^apft  uns, 
iDie  ber  alte  einft,  ju  galle."  (£rft  je^t,  meint  2Balter 
(Jß.  33,  21),  ift  ber  römif(^e  Stu^l  fo  in  £)rbnung  roie 
cinft  unter  bem  berüchtigten  3^^^^^^^  ©erbert  (=  ^ap ft 
Siloefter  IL,  999—1003).  Dod^  ^at  biefer  loenigftens 
blo^  fein  eigenes  Seelenheil  o^rnic^tet,  inb^s  ber  je^ige 
^apft  bie  ganse  (T^riften^eit  preisgebe.  Da  follen  alle 
bem  lieben  ©ott  flagenb  jurufen,  bamit  er  ni^t  länger 
fc^lafe,  fonb^rn  bie  5U(^tlofe  ©eiftli^feit  ftrafe :  bie  Waffen 
nämli^  oereiteln  ©ottes  2Berfe  unb  fälf^n  fein  2Bort, 
fein  5lämmerer  beftie^lt  ben  §immels§ort,  fein  5Hi(^ter 
morbet  unb  raubt  felbft,  fein  Sirt  ift  unter  ben  S^afen 
3um  2Bolf  geiDorben.  Der  ^apft  oerleitet  bie  Sif^öfe 
unb  bie  übrigen  ©eiftli^en,  ruft  ber  Dichter  ein  anbermal 
(£.  33,  1),  unb  feffelt  fie  mit  ben  Stricfen  bes  2:eufel5. 
Sat  er  bie  S^lüffel  Sanft  Meters,  roie  man  behauptet, 
roorum  fra^t  er  benn  ^etri  ße^re  aus  ben  Sü(^em  unb 
Derfauft  bie  Rir^enämter?  Das  fann  er  nur  aus  bem 
Su^  bes  3^eufels  gelernt  ^aben.  ^a  ber  ^apft  toirb 
gar  befc^ulbigt  (£.  34,  24),  bag  er  ben  Unglauben  förbere, 
unb  ba5U  f)elfen  t>k  ©eiftlic^en,  loeil  i^re  2Borte  unb 
2Berfe  fi^  roiberfpre^en.  Unb  gegen  ben  ganjen  Älerus 
rid^tet  ber  Sänger  feine  5Inflage  (ß.  33,  31):  „(Es  lebt' 
bie  G^riften^eit  no^  nie  fo  arg  ba^in;  bie  fie  ersie^en 
follten,  benen  fehlt's  an  frommem  Sinn.     (Es  roär'  ju 


128 

f^Iimm,  tat'  nur  ein  bummcr  £aie  bos,  —  ftc  aber  fünb'= 
gen  o§ne  S^eu  unb  ol^ne  gur^t  vox  ©ottes  Safe.  3^^ 
§immel  roeifen  Jie  unb  fal^ren  felbft  5ur  §ölle.  Sie 
fpre^en:  wer  nur  folgen  roollte  i^ren  £e]^ren,  nid)t 
i^rem  2Berf,  ber  söge  fi(^erli(^  3um  ^immel  ein.  Die 
Pfaffen  follten  feufc^er  als  bie  JÖaien  fein;  in  toelt^em 
^U(^  ftejt's  benn  unb  an  ©eitler  Stelle,  bafe  ]ici)  ]o 
üiele  Pfaffen  mü^n,  loie  fte  ein  f^nes  2Beib  entehren?" 
^m  befannteften  finb  hk  stoei  folgenben  Sprüche 
SBalterS;  in  benen  bie  bra[tifd^e  Säuberung  au^  am 
metften  auffällt,  ^apft  3"no3en3  l^atte  als  i^rone  feiner 
ftegrei^en  SBeftrebungen  für  bas  ^Infel^en  ber  ilirt^e  einen 
5lreu55ug  ins  2Berf  5U  fe^en  unternommen,  1213  f^rieb 
er  eine  SBulle  barüber  aus,  fteuerte  felbft  bebeutenb  hti, 
oeranlafete  bagu  auc^  i^arbinäle  unb  Sifd^öfe  unb  liefe 
in  allen  gröfeeren  5lir^€n  DpferftöcEe  aufftellen,  in  benen 
bie  frommen  ©aben  gefammelt  unb  bann  unter  ge= 
priger  Kontrolle  —  bie  Sperre  mar  breifa(^  —  jum 
heften  ber  ilreusfal^rt  oerroenbet  roerben  follten.  !I)as 
toar  ein  banfbarer  ©egenftanb  für  SBalters  Eingriffe,  ber 
mit  ben  ^rebigern  für  hit  5lreu35ugsfteuer  3uglei(^  bie 
traf,  toel^e  ben  Sann  bes  ^apftes  roiber  Otto  oer!ün= 
bigten  unb  gum  5lbfall  oon  i§m  ermal&nten.  So  rebet 
ber  T)iä}üx  ben  DpferftodE  an  ,(£.  34,  14):  „Sagt  an, 
Serr  Stod,  l^at  (£u(^  ber  ,^apft  ^ter^er  gefenbet,  bafe 
^^x  i^n  rei(^  mat^t  unb  uns  arme  Deutfc^e  pfönbet? 
2Benn  i^m  ein  oolles  5lRafe  ^eimfommt  5um  Jßateran,  fo 
tut  er  einen  fingen  ©riff,  roie  er  f^on  früher  ^at  getan. 
(£r  fagt  alsbalb,  bas  X)eutfd^e  5Hei(^  fei  je^t  oerloren.  Bis 
alle  Pfarrer  toieberum  hit  S(^äflein  fein  gef(^oren.  3^ 
meine,  ujenig  oon  bem  Silber  reift  in  ©ottes  £anb,  benn 
niemals  teilte  folc^en  S^a^  ber  Pfaffen  ganb.  gerr 
Stod,  3u  unferem  Schaben  feib  ^x  ^ergefanbt,  bamit 


129 

^x  (Suä)  im  biiutft^en  35oI!  ble  ?larren  fu^t  unb  Xoren/' 
Hitb  von  3nno5en5  fagt  2BaItcr  (£.  34;  4):  „m)x,  prt 
^^x,  iDte  (^rt[tlt^  über  uns  ber  ^apft  nun  lac^t,  ha  er  ju 
feinen  2BeIf^en  [agt:  ,Das  ^ab'  id^  gut  gema^f.  SBas 
er  ba  fpri^t,  has  ^äü'  er  be[[er  nie  gebac^t!  (£r  fagt: 
,3wei  5llemannen  bra^t'  i^  unter  eine  Rrone,  unb  je^t 
gerftören  fie  il^r  5?ei(^  fi^  felbft  gum  So^ne,  toir  unterbefe, 
mir  füllen  unf're  i^aften.  ^  meinen  Stod  f^ff  i^ 
il^r  ©elb,  i^r  ©ut  ift  alles  mein,  i^r  beutf(^es  Silber 
fä^rt  in   meinen   röelf(^en   Sd^rein.     3^1^   ?^Mf^";   ^6^ 

nur  Sü^ner,  trinfet  2Bein,  unb  lafet  bie  Deutf^en 

faften*."  Sat  ni^t  ber  Sd^reiber  aus  patriotif^er  St^eu 
ein  böfes  Si^impfiDort  l^ier  unterf^IageU;  fo  mag  man 
etwa  benfen,  bag  oor  bem  legten  2ßorte  biefes  SBerfes 
ber  Begleitenbe  iöluftfer  eine  fleine  Xriolenfigur  fpielte 
unb  bas  „faften"  P5nif(^  na(^ningen  liefe. 

HBalter  toeife  in  biefen  Strophen  bie  9Jlenf(^en  bei 
i^ren  f^tDä(^ften  Seiten  5u  faffen,  unb  ebenbarum  roirften 
bie  Sprü(^e  'fo  einf(^neibenb.  SQlan  l&at  ja  ganj  richtig 
gefagt:  SBalter  übertreibt  ins  XIngemeffene,  er  mufete  bie 
guten  5lb fiepten  bes  ^apftes  fennen,  mufete  roiffen,  roie 
3iino3en5  fic^  bemüht  ^ötte,  bie  jtDecfmäfetge  SBertoenbung 
ber  gefammelten  ©eiber  ju  fi^ern,  er  i>erfä5rt  alfo  mit 
SBeiDufetfein  ungerecht.  Sei  biefem  Urteil  ift  nur  eines 
aufeer  a6)i  gelaffen :  2Balter  ift  ^olitifer  unb  ^arteimann, 
unb  mit  ©erec^tigfeit  ma^t  man  überl^aupt  feine  ^olttif. 
(£in  iKWann,  ber  an  3)ingen  unb  Greigniffen  immer  Beibe 
Seiten  fielet,  bie  gute  unb  bie  fi^Ie^te,  bem  bas  SBe= 
bürfnis  ber  iDbjeftiüität  in  feine  Statur  gelegt  ift,  ber 
taugt  eben  ni^t  3um  ^olitifer,  benn  biefer  mufe  häufig 
feine  eigene  CSinfi^t  verengen,  bamit  i^m  bas  ^atl^os, 
beffen  er  für  feine  2:ätig!eit  bebarf,  ni^t  gefc^toa^t  toerbe. 
2Bir  fpüren  in  biefen  Sprüchen  SBalters  ben  ^tem  unb 


130 

bie  5lraft  oon  SJJarttn  ihit^cr;  aber  mar  oiellci^t  fiutl^cr 
mentger  ungcrc^t  totbcr  bcn  ^bla6?  $at  er  ntd^t  aud) 
im  Dtenftc  ber  Sa6)t,  bie  er  für  gut  ^ielt,  überfe^en, 
ha^  bie  Sa^e  bes  (Segners  nic^t  burj^aus  ft^Iec^t  toar? 
%U5  ber  (ginfeitigfeit  entfpringt  bie  fieiben!(fyxft,  unb 
toem  bie  fieibenf^aft  xtä)t  x\t,  ber  [olltc  bie  (£in|eitig!eit 
nt(^t  tabeln. 

T)k  2Birfung  ber  Sprüt^e  max  au^erorbentli^,  bas 
bcjeugt  uns  ein  Sßiberfat^er  Sßallers,  ber  fromme  unb 
fluge  SBerfaffer  bes  „2BeIf(^en  ©aftcs"  3:^omafin  oon 
3irclaria;  er  toar  ein  X)ien[tmann  SBolfgers,  bes  ^atri* 
or^n  oon  ^quileja,  ber  als  23ifc^of  oon  ^a[[au  fic^ 
2ßaltern  gün[tig  gejeigt  l^atte.  (£r  migbilligt  bas  33or= 
gelten  bes  Diesters  bur(^aus,  beflagt  es,  bag  er  Xaufenbe 
betört  unb  bem  ^ap[tc  unre^t  getan  ^dbt,  fo  gut  unb 
brao  au^  fon[t  feine  $Reben  gcioefcn  fein  mögen.  ^Tu^  m 
unferer  eigenen  3txt  l^aben  SBalters  Sprüc^  roiber  Siom 
ücrf^iebene  Deutung  erfahren,  ^^sbefonbere  l^aben  fie 
bem  x)orgcf(^rittenen  Liberalismus  bienen  muffen,  unb 
ber  alter  Sänger  ift  oft  genug  als  flaffif^er  S^uge  für 
5lRcinungen  aufgerufen  n)orben,  mit  benen  er  nie  etioas 
3U  f(^affen  l^atte.  SBegreifli^erroeife  fümmcrt  fi^  ein 
moberncr  ^arteimenf^  mä)i  um  bie  gef^it^tli^en  f8t= 
bingungen  jener  alten  ülämpfe  5tDif(^en  Äaifer  unb  ^a;>ft; 
toürbe  er  es  im  CErnfte  oerfu^n,  bann  fönnte  i^m  nid^t 
entgegen,  bafe  bie  alten  unb  bie  neuen  Proportionen  biefer 
$öläc^te  \iä)  aus  95er§ältniffen  gan5  oerf(^iebencr  unb  unter 
fi(^  unt)erglei(^barer  ^rt  5ufammcnfcöen. 

SBalter  l^at  für  feine  35erbienfte  um  bie  Sac^  Äaifer 
Ottos  geringen  ßol^n  geerntet.  SBel^mütig  ruft  er  feinem 
Serm  ju  (ß.  31,  23) :  ben  f^nen  SRamen  „9Birt"  müffc 
er  entbel^ren,  immer  fei  er  nur  ©aft;  fönnte  er  nur  er« 
leben,  bafe  au^  er  als  2Birt  einen  ©aft  begrübe,  ber  bann 


fi^  bei  t^m  bebcnfcn  müfete.  §cutc  ^icr,  morgen  bort, 
bas  fei  fein  £os:  oiel  bcffer  flingt,  „ic^  bin  ju  $aus" 
ober  „ic^  EDtll  na6)  Saus".  Unb  er  ma^nt  ben  Äaifcr, 
bafe  er  in  [einer  Sebrängnis  bo^  hts  armen  (Saftes  m6)i 
tjcrgeffe.  Die  SKa^nnng  loar  oergebens.  Ottos  ©eftirn 
toar  bereits  im  Grbleicä^en,  benn  mit  raffen  Schritten 
brang  griebri^,  ber  Staufer,  als  5laifer  na^mals  ber 
3tDeitc  feines  S^amens,  in  Sübbeittft^Ianb  cor,  unb  au^ 
2BaIter  roanbte  fic^  bem  jungen  Sproffen  bes  Saufes  ju, 
in  beffen  Sut  er  bas  9^ei^  fixerer  geborgen  tou^te  als 
bei  bem  raupen  unb  fargen,  unfreunbli(^cn  unb  freunb* 
lofen  2BeIfen. 

SBäl^renb  all  ber  böfen  !it\X  mar  bem  Sänger  bas 
f^önfte  £iebesglü(f  aufgeblül^t. 


vm. 


niedere  Illinne.  Heidharf. 

SBaltcrs  le^tcs  äRinneocr^altnis  ^attc  einen  üBIen 
Ausgang  genommen,  unb  er  l^atte  ft^  mit  gröBU^cr 
S^ellrebe  oon  fetner  $errtn  getrennt.  ?hin  feiert  er 
tDteber  einmal  ans  £)[terret^  gurürf,  finbet  aber  bie  £age 
ber  Dinge  am  $ofe  nic^t  gerabe  günftig  für  fi^.  9^cue 
(Sänger  ftnb  aufgetau(^t,  roel^e  il^re  junge  Äunft  ber 
beroöl^rten  bes  SJleifters  entgegenftellen  nnb  lIRifejtimmung 
roiber  il^n  ^u  erregen  fu^en,  inbem  fie  bel^aupten,  3BaIter 
l^abe  in  feinen  fiiebern  bie  grauen  l^erabgefe^t.  Gs  roirb 
freili(^  nur  bes  erften  ©cfanges  beburft  ^aben,  mit  bem 
SBalter  bie  sufammen^öngenbe  3itxf)z  feiner  f(^önften 
Jßiebesbi^tungen  beginnt,  um  ben  S^roarm  ber  5Reiber  ju 
bef^ämen.  äSalter  ^ebt  an  unb  Derroeift  auf  bie  böfcn 
3citläufte,  mt\ä)t  ben  Sänger  b«r  5Iufmerffamfeit  feines 
^ublüums  berauben  (fi.  58,  21):  „(Es  fpre^n  bie  S3er= 
sagten,  alles  Jßieb  fei  tot,  unb  niemanb  lebe  je^t,  ber 
ctoas  fingt.  SBebä(^ten  fie  bo^  nur  bie  allgemeine  9^ot, 
unb  iDie  l^eut  alle  2BcIt  mit  Sorgen  ringt !  i^e^rt  toiebcr 
uns  bes  Sanges  2^ag,  bann  ^ört  man  fingen  au^  unb 
fagen,  unb  eine  neue  JßieberfüIIe  roirb  ercoedt.  (Ein  flcines 
5BögIein  §ört'  x^  fc^on  barüber  flagen,  bas  l^atte  unter 
3tDeigen  ]\ä)  »crftedtt;  ,i^  finge  ni^i/  fo  rief's,  ,beoor 


CS  mä)t  wiU  tagen'."  S^limmet  ift  es  für  ben  Dieter, 
bofe  arge  ßeute  t§n  bei  ben  grauen  oerleumben  unb,  im 
Sinblid  auf  feine  legten  ßieber,  i§n  be[^ulbigen,  ba6  er 
in  feinem  Sänge  Übles  T>on  il^nen  fage.  2Rit  gerechtem 
Stol3  beruft  ]\^  SBalter  auf  fein  ^reislieb  unb  fragt, 
roer  benn  bie  beutf^en  groucn  me§r  gerühmt  ^be  als  er? 
S^hir  fonberte  er  böfe  unb  gute  grauen  —  mk  auä)  in 
feinem  berühmten  2:pringer  £iebe^  bas  SBoIfram  sittert 
—  alle  o^ne  Hnterft^ieb  5U  loben,  roarc  hoä)  \^Uä)t 
Dann  fäl^rt  er  bie  neibif^en  Scheiter  an  unbji^idt  fie, 
bie  je^t  niemanben  finben,  ben  fie  anf(^rDär5en  fönnen, 
mit  fe^r  beftimmten  2Borten  t>om  §ofe  roeg  naä)  Saus. 
5Run  lernt  2Balter,  burd^  bie  eigene  (Entioictlung  ba^in 
gebraut  unb  ber  f^Ii^ten,  natürli^en  Steigung  \x^  3U= 
roenbenb,  ein  5übf(^s  SRäbci^en  fennen,  bas  il^m  gefällt. 
Sä}mtxlx^  lebte  fie  am  §ofc,  e^er  auf  einem  unfernen 
X)orfe.  (Er  leitet  feine  Sesie^ungcn  ju  i^r  burc^  be= 
f(^eibene  S(^mei^leien  ein.  Gr  [priest  bas  ^ersliebe 
ilRäb^n  an  {£.  49,  25),  roünf^t  i^r  guten  äRorgen, 
fagt  i§r,  bafe  niemanb  i§r  ^olber  fein  fönne  als  er.  grei= 
li4  tabeln  i^n  bie  Sörer,  loeil  er  fein  ßieb  je^t  fo  niebrig 
menbe,  baraus  maä)i  er  fi^  aber  ni^ts,  benn  toer  fo 
fpre(|en  fann  mit  jene,  ber  ^at  eben  £iebe  nie  empfunben. 
^uf  bie  Jßiebe  allein  fommt  es  an,  fie  säubert  au^  bie 
Sci^ön^eit  ^eroor,  inbes  bie  Sc^ön^eit  allein  o^ne  freunb= 
li(^s  (gntgcgenfommen  ni(^t  3ur  2kht  rei^t.  „3e^t  er= 
trag'  i^'s,  roie  ic^'s  e^  ertrug,  unb  wie  i^'s  immer  will 
ertragen:  Du  bift  fd^ön,  unb  bas  ift  mir  genug;  roas 
^aben  benn  bie  fieute  ba  3U  fagen?  ßafe  fie  f(^iDa§en, 
benn  iä)  bleib'  bir  ^olb  unb  ne^m'  bein  gläfern  9iing* 
lein  lieber  als  aller  5löniginnen  ©olb."  $Rur  treu  mufe 
fie  i^m  fein,  bann  für^tet  er  hin  Serjeleib  bur^  fie  5U 
erfal^ren.   —  Das   3)läb^n  ift   f^eu   unb  furci^tet  ]iä) 


134 

oor  htm  abcligen  §errn,  bes^alb  [oll  bas  nää)\U  £icb 
(Jß.  50,  19)  fic  ermutigen:  „93in  iä)  btr  5UtDiber?  3^ 
lüeife  ni^ts  baoon;  i(§  liebe  bi(§.  (Btns  bo(§  brüdt  mic^ 
nieber:  I)u  f^auft  oft  neben  unb  gar  über  mxä).  I)as 
follft  bu  oermeiben,  benn  i^  fann's  ni^t  leitven.  So\ä)t 
fiiebe  bringt  mir  großen  Sd^aben,  brum  ^ilf  mir  tragen 
meine  £aft;  i^  bin  511  ferner  belaben.  3ft  bas  beine 
eigne  gut,  hülß  htm  5lug'  auf  mit^  blidt  gar  fo  feiten, 
tu[t  bu's  alfo  mir  3ugut,  bann  roill  i^  bici^  ni(^t  b€5= 
roegen  ft^elten.  SDleibe  nur  mein  $aupt,  bas  fei  bir 
erlaubt,  unb  f(^au'  bafür  ^erab  auf  meinen  JuS,  ift  bir 
bas  lieber:  bas  fei  bann  bein  ©rufe."  Die  üornel^men 
unb  ^o^mütigen  Damen  [inb  bem  Sanger  glei^gültig, 
fie  allein  ift  feine  Serrin.  StRag  fein,  bafe  jene  oon  befferer 
©eburt  finb,  fie  jebo^  ift  an  \\ä)  gut.  SBiellei^t  ift  er 
i^r  auc^  lieb?  Dann  mufe  fie  erroägen,  bafe  5ur  SJlinne 
ujenigftens  smei  gepren,  aber  auc^i  nur  aroei,  unb  fie  foll 
i^n  bann  i^re  5Reigung  merfen  laffen. 

Die  <B\ä)tx\)txt  barüber  ^at  ber  Dieter  au^  in  bem 
nä(^ften  ^übf^en  £iebe  no^  ni^t  oöllig  gewonnen 
(£.  65,  33) :  „3n  3iDeifel,  Hoffnung,  gur^t  unb  2Ba^n 
war  iä)  gefeffen  unb  iä)  backte:  ,aus  i^rem  Dienft  ge^'  x^ 
fortan*,  als  mi^  ein  Xroft  i^erroieberbrad^te.  ,3:roft* 
freiließ  ift  juoiel  gefagt,  bo^  fei's  barum!  Gs  ift  ja 
!aum  ein  Xröft^en,  f^roat^  unb  Hein;  fo  Hein,  ha^  roenn 
xä)'5  fage,  x\)x  alle  fpoltet  mein.  Do^  freut  man  ft^roer» 
\xä)  ]xä),  man  roiffe  benn,  roarum.  Gin  Salm  voai  es,  ber 
ma^t'  mxä)  fro§ :  er  ]viaä),  mir  follte  ©lud  gefi^l^n.  3^^ 
mafe  mir  biefes  Heine  Strol^,  toie  i^'s  bei  Äinbern  §ob' 
gefe^n.  9^un  l^ört  unb  merfet,  roie  fie  mir  gefinnt:  Jic 
liebt  mxä),  liebt  mi^  ni^t,  liebt  mic^  —  bas  gute  Äinb!* 
So  oft  id^'s  probte,  immer  loar  bas  (gnbe  frö^li^.  Das 
tröftet  mi^,   —   benn   ©laubc,   ber  mo^t  feiig."     3n 


135 


btefer  Hoffnung  J)at  SBoltcr  feinen  9Bün[^en  ettoas  t>or* 
laut  5lu5bru(f  gegeben  unb  ift  bafür  oon  bem  SJläb^en 
f)axt  getabelt  ujorben,  bafe  er  i^re  unb  feine  (£^re  fränfe. 
So  roirb  i^m  Sc^toeigen  auferlegt,  ^ber  er  bri^t  es 
balb  mit  ber  (Entf^ulbigung  (ß.  62,  6):  ©ebanfen  finb 
ja  gollfrei,  unb  er  ]^abe  nichts  getan,  als  bie  Se^nfu^t 
feiner  Sinne  in  lEBorte  gefleibet.  Sie  §abe  i^m  einmal 
gefagt,  er  bringe  au^  feine  ©egner  in  gute  Stimmung; 
bas  mö^te  er  hti  i^r  oerfu^en:  fie  foll  roieber  gut  fein 
unb  il^re  (5üte  i^m  auc^  jeigen.  Darauf  preift  er  i^ren 
frönen  fieib,  ben  fie  an  \iä)  trage  roie  ein  ^errli^es  5lleib, 
in  roel^es  bas  ©lud  gejteppt  fei.  S^<^^  ^^^e  er  fic^ 
niemals  getragene  i^Ieiber  f^enfen  lajfen,  l^ier  aber  tDoIlte 
er  es  gerne.  Selbft  ber  5^aifer  möchte  um  eine  fo  tDonne= 
rei^e  (5aht  ein  fal^renber  Spielmann  ©erben.  Unb  mit 
fü^ner  Sßenbung,  bie  um  fo  padenber  geroefen  toäre,  roenn 
SBalter  fie  rüirfli(^  einmal  oor  ilaifer  Otto  gebraucht 
^ätte,  forbert  ber  Sänger  hzn  5^aifer  auf,  ^ier  feine  i^unft 
als  Spielmann  5U  oerfuc^en,  befinnt  fi^  jebo^  im  ^ugen^ 
blirf  unb  bittet  i^n,  lieber  anbersroo  aufsufpielen.  Dann 
f^ilt  SBalter  ben  garten  2Binter  (fi.  39,  1),  er  fe^nt  fit^ 
nad^  bem  Sommer,  roenn  bie  33öglein  fingen  unb  bie 
93läb^en  an  ber  Strafe  ben  33all  werfen,  i^önnte  er 
ben  2Binter  bo^  oerf^lafen!  3^^  belebt  eine  frö^li^e 
$offnung :  tritt  ber  VSHax  feine  $errf^ft  roieber  an,  bann 
loirb  er  bort  Slumen  pflüden,  too  fi^  je^t  ber  S(^nee 
ausbreitet.  5lber  auc^  ber  2Binter  oerge^t,  ber  Jrü^ling 
na^t  (£.  73,  23),  unb  ber  Dichter  roünfd^t  feinen  §i)rern 
in  roi^igen  9Borten  (Slüdf.  (£r  legt  i^nen  bann  ben  Streit 
mit  feinem  SKäbd^en  oor,  bas  feinen  S^mers  nic^t  fänf= 
tigen  toill.  (Er  oerroenbet  ^usbrüde,  bie  er  toörtli^  ber 
gormel  eines  alten  2Bunbfegens  entnimmt,  unb  befc^ioört 
fie  toicber^olenb  um  §ilfe  für  bie  tiefe  SBunbe  feines 


136 

Scrsens,  btc  [tets  offen  bleibt,  toofern  [ie  ni^t  bur$ 
$tlbegiinbe  geseilt  toerbe.  Dtefer  feine  Sif^erj  wax  ben 
3n5örern  roo^I  Der[tänblt^,  b^nn  bie  Sage  max  allgemein 
befannt,  tote  bas  eble  Liebespaar  SBalter  nnb  $ilbegunbe 
oom  $ofe  ^Ittilas,  too  fie  als  ©eifeln  toeilten;  auf  einem 
9?o6  na^  i^rer  fübfransöfif^en  $eimat  entflol^en,  unb 
wie  [ie,  na(^  bem  [d^roeren  Äampf  am  2BasgeniDaIbe, 
biefes  3i^l  enblid^  erteilten. 

SJlit  einem  näd^[ten  £iebe  (£.  54,  37)  toenbet  ]ii) 
SBaltet  naä)  einer  5llage,  ba^  er  feine  gtcunbe  befi^e,  bie 
il^m  raten  unb  Reifen  motten,  unmittelbar  an  bie  ge= 
roaltige  grau  HJlinne,  roel^e  in  feinem  Serjen  roo^nt,  unb 
bittet  fie,  [ii^  in  bas  $er$  ber  ©eliebten  3u  [c^leid^en,  i^n 
aber  mitsune^men;  fie  toerbe  bas  [^on  Derfte^en,  benn  [ie 
fei  bie  931ei[tcrin  aller  X)iebe,  fein  §er5ens[d^lo6  fei  fo  feft, 
bas  fie  nic^t  öffne,  ©r  preift  bie  SJlinne,  bafe  jung  unb  alt 
Don  ii^r  bejtDungen  toerbe.  Sollte  ber  T)iä)Ux  überwältigt 
werben,  fo  banft  er  (Sott,  bag  er  htn  regten  2Rinnebienft  gu 
finben  toeig,  ber  i^önigin  5lRinne  iDill  er  fein  fiebeu  toci^en. 
3)a3U  bebarf  er  au^  bes  ©lüdes,  unb  barüber  fpri^t  eine 
anbere  pbfd)e  Strophe:  „gortuna  teilet  ringsum  i^re 
Spenben,  mir  aber  fe^rt  fie  i^ren  9iü(fen  5U,  fie  lofet 
mi^  o^ne  ©naben  fort  mit  leeren  $änben.  'üdo^  locife 
i^  ni(^t,  loas  iä)  i^r  besl^alb  tu'.  Sie  toenbet  fic^  ungern 
3U  mir:  lauf  id^  um  fie  ^erum,  ftets  bleib'  xä)  l^inter  i^r. 
Sic  nimmt  ]iä)  gar  n\ä)i  3^^^;  ^^^  anjufe^'n.  ^^, 
möchten  bo^  bie  ^ugen  i^r  im  9Zacfen  fte^'n,  bann  müfet' 
es  roiber  i^ren  2Bunf(^  gef^el^'n." 

3n  einem  prö^tigen  £iebe  befc^reibt  2Baltcr  (£.  51, 
13,  ogl.  f^on  oben  S.  72)  bie  Serrlid^feit  bes  i^önigs 
SRai,  ber  allen  feine  Jreube  fpenbet,  fein  3<^uber  ma^t 
bie  2Renf(^en  jung.  Z^'tytx  Safe  f^roinbct,  nur  ber  2Bett= 
cifer  bleibt,  mit  bem  bie  SBäume  unb  bie  bunte  $eibe 


137 

aufblühen;  IBIumcn  unb  illec  ftrciten  auf  her  SBicfe:  bu 
Bift  für5cr,  \ä)  hin  langer.  Da  rcbct  au^  bcr  Sanger  bas 
SRäb^n  an:  „SHoter  SKunb,  rote  bu  ^erab  bi^  fefeelt! 
£a6  bein  [(^Itmmes  £a(^en  fein.  S^öm'  bic^,  bafe  bu  mi^ 
oerle^eft,  Ia(^[t  nur  über  meine  ^ein.  ^]i  bas  gut 
getan?  SBel^e  ber  oerlornen  Stunb^,  fommt  aus  Hebens* 
iDürb'gem  ÜFhinbe  foI(^r  Spott  mxä)  an.  2Bas  mir,  grau, 
bie  greube  [tört,  bas  ift  (Euer  2tih.  5Bon  (Eud)  allein 
es  mi^  oerfel&rt;  ^x  ungnäbig  SBeib!  2Bo^er  ne^mt 
^t  benn  ben  SJhit?  35r  feib  boc^  fonft  rei(5  an 
©naben;  toollt  ^^r  Xlngunft  auf  mid^  laben,  bann  feib 
35r  nic^t  gut.  £inbert,  §errin,  meine  Sorgen,  mac^t 
mir  ^olb  W  ßtitl  Sonft  mu6  i^  mir  greube  borgen, 
gern  bleib'  (Eu(^  bies  ßeib!  2BoIIt  35r  um  (£uä)  fejn? 
OTes  ftral^It  im  llRaienf(^ine;  möc^t'  oon  (£u(^  mir  eine 
fleine  greube  nur  gef^e^n!"  —  5lun  trifft  er  bas  301ab* 
(^en,  unter  i^ren  ©enoffinnen  ujanbelt  fie  im  ©rünen, 
unb  liebli^  fc^ilbcrt  SDSalter  bie  Begegnung  (£.  74,  20): 

„SRel^mt,  Serrin,  biefen  ilranj!" 

alfo  fpra(^  i^  5U  ber  iDunberf(^önen  2Raib: 

„bann  fc^müdet  i^r  ben  2^an3 

mit  ben  frönen  23Iumen  auf  bem  l^ellen  Äleib. 

^äti*  x6)  nur  oiel  ber  CBbelfteine, 

bie  müßten  all  auf  euer  Saupt! 

SBenn  i§r  mir  bas  nur  glaubt? 

Sel^t  §ier  bie.  3^reu',  mit  ber  it^'s  meine." 

Sie  na^m,  roas  iä)  i^r  bot, 

roie  ein  frif^es  5linb,  bas  (£^re  fü^It: 

il^re  SBangen  rourben  rot, 

glei^  toie  ber  9iofc  unb  £ilie  ©lanj  im  Jßit^te  fpielt. 

ilaum  roollten  einen  SBIid  bie  i^ellen  5lug?n  toagen, 

bod^  neigt'  \\ä)  mir  bie  Solbe. 

€(^önBo(ö,  SSoItet  bon  ber  SSogctoeibe.  10 


138 


2)a5  toarb  mir  gum  Solbc. 

(Sah's  DtcIIett^t  noc^  me^r,  bas  mu^  tc^  l^etmli^  tragen. 

5Dltr  x\t  Don  t^r  gcft^cl^cn 

Solches,  bafe  x6)  Sommers  allen  Mäh^tn  mufe 

fc^arf  nad^  i^ren  tilgen  fe^en: 

traf  ic^  etroa  |ie,  has  roäre  mir  ein  greubengru^. 

2Bie,  toenn  [ie  roeilt  bei  biefem  2;an5e? 

5(uf,  §errin,  feib  fo  gut 

unb  rüdet  euern  gut! 

^ä),  \a^'  iä)  fie  bo(^  l^ier  im  ilranje! 

„So  fc^ön  feib  il^r,  Serrin  mein, 

ha^  xä)  tuä)  mein  i^ränslein  gerne  geben  roill : 

es  mag  tool  nit^t  bas  fd^le^teft  fein. 

SBeifeer  unb  au(^  roter  Slumen  toei^  ic^  oicl, 

bie  fte^n  toeit  oon  ^ier  in  jener  $eibe. 

2Bo  fie  f^ön  entfpringen, 

bort  tDO  bie  SBöglein  fingen, 

ba  gel^n  njir  ^xn  unb  bret^en's  beibe.'' 

^k  warb  mir  nod^  ein  2^raum 

fo  gnäbig  als  bie  ©unft,  bie  fie  an  mi^  oergab. 

(£5  fanfen  bit^t  oom  Saum 

bie  SBIüten  auf  bie  SBiefe  neben  uns  ^erab. 

Sel^t,  löie  frol^  mix  roaren  in  b«r  Jteube ! 

3)o(^  als  xä)  00m  ©lüde 

glitt  tn  \)m  3^raum  surüde, 

hü  roarb  es  3^ag,  unb  xä)  ertoac^t'  00m  ßeibt. 

"äBeift  er  §ier  fc^on  auf  bas  ©lücf,  bas  i^m  ein  füfeer 
Xraum  befeuert,  fo  roibmet  Sßalter  fein  näc^ftes  f^önes 
£ieb  ganj  biefen  ^^antafien  (£.  94,  11) :  „5lls  ber  Som» 
mer  roieber  tarn  unb  bie  Slumen  munbcrfam  aus  htm 
(örafe  fprangen  unb  bie  23öglein  fangen,  ba  lam  16)  ge» 


gangen  \miä)  hxt  2Bie[e  breit  unb  lang,  ba  bcr  Üare  SBac^ 
cnlfprang,  längs  bes  3BaIbe5  toar  fein  ©ang,  too  bas 
£teb  ber  SJlac^ttgall  erflang.  Sei  ber  Quelle  [lanb  ein 
93aum,  bort  erfc^ut'  iä)  einen  3^raum.  ^ä)  max  oon  ber 
Sonnen  geflogen  5u  bem  SBronnen,  bamtt  i^  unterm  £in= 
benjiDeig  ben  Sitten  fänbe  fü^l  unb  toei^.  Sei  bem 
93aum  iä)  nieberfafe,  meiner  Sorgen  xä)  oergaß,  ia\ä) 
entf(§Iief  i^  in  bem  ©ras.  Da  fam  es  mir  üor  gur  Stunb', 
ba6  mir  bient'  bas  (grbenrunb,  meine  Seele  aber  mar 
^oä)  im  Simmel,  lei^t  unb  Aar,  unb  ber  Jßeib,  ber  follte 
f^roeben,  roo  er  roollte.  Da  fel^lt'  mir  nic^t  bas  fleinfte 
2Bc^.  ©Ott,  bcr  toalt'  es,  loie's  auc^  gel^M  S(^önern 
3^raum  iä)  nimmer  fe^'.  ©erne  \ä)lkY  iä)  je^t  no(^  bort, 
^ätU  ni^i  an  biefem  Ort  laut  gef^rien  eine  ilräl^e. 
2Benn  bo^  jeber  Rxä^'  gef^ä^e,  roas  i^  gerne  münf^te 
i^r.  OTe  greubc  [törf  fie  mir.  Son  bem  S^reien  ic^ 
erft^ra!;  aä),  hü%  bort  fein  Stein  me^r  lag,  §eute  ujär' 
i^r  le^ter  3^ag.  Do^  ein  rounberaltes  2Beib  trö[tete  mir 
Seer  unb  £eib:  (£ibe  mufet'  fie  fc^toören  unb  bann  mir 
!lug  erflären,  mas  ber  3^raum  bebeute.  Das  merfet, 
liebe  Jßeute:  ,3iDct  mel^r  eins  gufamm'  gibt  brei';  ferner 
fagt'  fie  mir  babei,  bafe  mein  Daum*  ein  ginger  fei."  2ßas 
ber  Di(^ter  fo  lange  geträumt,  unb  ujooon  er  oftmals  unb 
immer  bringenber  ber  ©eliebten  erjä^Ite,  bas  tft  enblic^ 
3ur  SBal^r^eit  geroorben,  unb  baoon  gibt  bas  JÖicb  ilunbe, 
xDeI(^es  bie  5lrone  aller  Di^tungen  SDJalters  genannt  mer= 
ben  mufe :  Unter  ber  JÖinbe  (£.  39,  11) : 

Unter  ber  £inbin 

auf  b€r  Seibe, 

2Bo  unfer  jroeier  23ett  toar  c§'. 

Da  fönnt  i^r  finben, 

u)o  mit  beibe 

10* 


bie  Slutncn  brüdtcn,  ©ras  unb  iUec. 
S^al^e  bcm  SBalbe  im  [tillcn  3:al, 

3:anbarabet! 
£icbli(^  fang  bie  IRa^ttgall. 

3(^  roar  gegangen 

nac^  ber  tttuc, 

ba  toar  mein  £ieb  [ter  fiü^  f^on  bort. 

Da  roarb  i(^  empfangen, 

^eilige  graue,  ; 

feitl^er  bin  \^  glüdfli^  immerfort. 

(5ab  er  mir  Mffe?   SBieltanfenbmal ! 

2^anbarabei ! 
9iot  ift  ber  SJhinb  no(^,  mo  er  fie  [tal^I. 

Dort  l^atte  ber  3:reue  .     , 

rcid^  unb  linbe 

t>on  IBIumen  gebaut  bie  fiagerftatt. 

Drob  Iä(^It  aufs  neue 

im  Sersen  brinnen, 

loer  toieber  betritt  ben  alten  ^fab. 

^n  ben  IRofenblättem  merft  er  gut  , 

3^anbarabei! 
bas  ^lö^t^n,  u)o  mein  Saupt  gerul^t. 

2Bie  toir  'ti^x.  lagen, 

toüfet'  es  jemanb,  — 

©Ott  fei  mir  gnäbig !  —  Da  f(^mt'  ic^  mic^. 

Hnb  toas  toir  ba  pflagen, 

bas  barf  niemanb 

SBiffen  als  juft  er  unb  i^. 

SBiellei^t  basu  bas  Sööglein  Hein, 

itanbarabci ! 
Dos  .wirb  geioib  oerfd^rtoiegen  [ein. 


141 

SBarum  finb  mix  alle  barübcr  einig,  biefes  ßieb  na^t* 
lid^r  ßtebesiDonne  fei  bas  f(3^önjte,  bus  SBdter  je  gefungen 
^at?  Man  toirb  ^ter  bie  2Birfung  nic^t  gang  in  i^re  lBe= 
ftanbtetle  auflöfen  fönnen,  ebenforoenig  als  bei  irgenb* 
einem  anbeten  RnnfttDer!,  aber  einiges  lagt  fi^  bod^  er= 
fennen.  Die  ganptfac^e  ift,  ob^toar  uns  bie  SRelobic  fe^It, 
geroig  bie  epif(^*bramatif^e  (5e(taltung,  loel^e  bie|em  (5e= 
bt^tc  fotoie  benen  ber  ganjen  ©ruppe  eigen  i|t.  Sie 
cntfprii^t  bem  5Bebürfnis  bes  Dieters,  lebenbiger,  anf^aii= 
lieber  bargnftelTen,  unb  basu  loirb  er  gerabe  bur(^  2BoIf* 
ram,  ber  biefc  Run]t  fo  treffli(^  in  feinen  ^ageliebern  iXbit, 
angeregt  roorben  fein.  2Ba^rf(5einIi^  auä)  huxd)  alte  DDlf5= 
tümlid^e  fiiebesftrop^en;  oielleid^t,  aber  nur  üiellei^t,  liat 
i^n  no$  bie  i^onfurrenj  mit  9^eib^rt  beeinflußt,  gerner 
ift  bem  (5ebi(5te  eine  besaubernbe  St^alf^aftigleit  eigen, 
btc  barin  liegt,  bag  bas  SJJöb^en  anbeutenb  er5a5lt,  tDOüon 
fic  boc^  nie  fpret^en  follte;  ber  (Segenfa^  5tDif(^en  ©efü^l 
unb  Sitte  ift  immer  toirffam,  oon  2BaIter  bis  5U  ben 
SJlab^enliebern  Sermann  t)on  ©ilms.  Xlnb  enbli(^  bctoegt 
]\ä)  bie  Spra(^e  bes  T)i$ters  in  ber  f^roierigen  ^Reienftrop^e 
(ben  jroei^ebigen  SBerfen,  bie  oon  oier  $ebungen  umfränjt 
unb  beft^loffen  roerben)  fo  unbeft^toert  unb  fo  grajiös,  bag 
f(^on  ber  ^HJ^pt^mus  ben  fiefenben  mit  fortreißt. 

Wit  htm  (Sebi^te  „Unter  ber  ßinbe"  l^at  bas  ßiebes= 
oer^öltnis  öugerlii^  unb  innerli^  feinen  ^ö^epunft  er= 
ret^t.  X)axnaä)  fann  ni^ts  me^r  tommen,  unb  besl^alb 
bürfen  loir  uns  nit^t  rounbern,  roenn  mir  aus  2BaIters 
fiiebem  barüber  au(^  nichts  mel^r  erfahren.  S^roeigt 
büs  SBöglein  auf  bem  ßinbenjrDeig,  fo  muß  aud^  ber  Sän= 
ger  f^roeigen.  Die  ^aufe,  mtlä)t  in  feiner  Sririf  entfte^t, 
ift  mithin  gan3  gere^tfertigt.  (Es  roar  bie  ^aufe  oor  ber 
TOre^nung  Sßalters  mit  ber  SJlinne  überhaupt.  Dag 
i^m,   als  er  f(^on  bie   3[^ier5ig  üb erf ^ritten  ^atte,  bas 


142 

füfeeftc  ßtebesglücf  erBIül^te,  mixh  ntemanb  untoa^rfi^em« 
Ixä)  ftttb^tt;  cbcnfotoentg,  bafe  es  nt^t  alljulangc  tDö^ttc. 
Xlnb  nun  fünbtgt  bcr  ^Dic^tcr  bcr  grau  TOnne  feinen 
Dicnft  auf  (£.  57,  23) :  „fitebe,  bic  ^ai  eine  5Irt,  roollte 
(ie  hoä)  bie  oermetben,  beffer  fd^ten'  fte  mir.  5Qlan(^er 
bliebe  bann  beioa^rt  oor  ber  £tebe  S^merj  unb  ßeiben; 
übel  f^idt  fit^'s  i^r.  (£s  finb  il^r  merunbjtoansig  3a^re 
ütel  lieber  als  i^r  merjig  finb,  unb  fie  ftellt  fi^  bofe  an, 
fielet  fie  irgenb  graue  gaare.  So  üertraute  fie  fi^  mir, 
büfe  iä)  lannV  all  i|re  5hinft.  Xrofebem  ift  es  mir  ge-^ 
f(^]^n:  fommt  ein  junger  'Sani  ju  i^r,  f(^nell  ocrlier'  xä) 
alle  ©unft,  ft^ielenb  roerb'  ic^  angefel^n.  ^rmes  2Beib, 
njas  plagt  fie  fic^?  SBeife  (Sott,  ob  fie  \ii)  au^  pu^t  unb 
Xoren  taufest,  fie  ift  oiel  älter  hoä)  als  i^.  ^Tlun  geroö^nt 
fie  fi^,  bie  £iebe,  ha^  fie  nur  uerfe^rt  mit  5^naben, 
]^üpfenb  roie  ein  Rinb.  2Bo  ift  il^r  SBcrftanb  geblieben? 
Sie  oerliert  i^r  flug  (Beigaben,  gansli^  toirb  fie  blinb. 
fiiefee  fie  bies  bumme  S(^er5en,  unb  benahm'  [xi)  als  er= 
fa^mes  2Beib !  Sie  ftöfet  ]xä)  fonft  no(^,  unb  bas  f^mcrjte 
mi^  bo(5  brin  im  ^erjen.  Siebe  ^alte  mir's  3ugut, 
roöl^renb  fie  fi(^  5^ämpfer  mä^lt,  fe^'  ic^  mic^  l^ier^er. 
SBettaus  l^ab'  xä)  frifi^ern  931ut  als  noi^  mancher  Springs 
insfelb.  2Bas  roill  fie  oon  mir  me'l^r?  3^  ^i^^'  ^^^  fonft, 
n)ie  i^'s  oermag.  Sie  laufe  i^ren  fe^fen  na^,  oon  mir 
geroinnt  fie  in  ber  SBo^e  nur  ben  fieb'nten  !Xag."  ^Tus 
bem  ^ßitern  3^on  biefer  in  l^orasifc^er  5^efignation  ge= 
f(^riebenen  SBerfe  roirb  man  entnel^men,  bafe  bem  ^i^tcr 
bie  (gntfagung  nic^t  me^r  ferner  fallt. 

Ittnberes  lag  2Baltern  surjeit  nol^er  am  fterjen. 
9Bö]^renb  feiner  (Saftfal^rten  im  9?ei(^e  roar  an  bem  l^ei* 
mif^n  $ofe  eine  neue  5^unft  emporgefommen,  bie  2Bal= 
ter  nt(^t  ols  loürbige  ©enoffin  ancrfannte.  Cr  fpri^t  bas 
mit  möglit^fter  i^lar^eit  in  einem  befonberen  Siebe  aus 


143 

(Jß.  64,  31):  ^ä),  nun  löirb  b^r  l^öfifd^  feine  (5e[gng  Bei 
her  ©efellfd^aft  bnrd^  grobe  2;öne  oerbröngt !  SRöge  (5ott 
bie  9^enlinge  fc^änben!  So  liegt  nun  bte  2Bürbe  b^s 
SJlinneliebes  bornieber,  büs  fränft  alle  feine  greunbe. 
3IBer  es  toirb  fi^on  fo  fein  muffen,  fei's  benn.  !Die  Hn* 
jiemlit^feit  ^at  geftegt.  S^eilic^  toürbe  man  ben  Sanger 
mit  SBergnügen  begrüben,  ber  bie  alte  I)i^tung  roteber  auf 
bie  SBa^n  braute.  Xia^u  ift  jeboc^  feine  Soffnung.  Denn 
berer,  bie  ]\ä)  ber  neuen  ftörenben  2ßeife  sutoenben,  finb 
ungleich  mel^r  als  berer,  bie  ben  alten  Sang  gerne  l^ören. 
Darum  roill  iä)  es  ^^Iten,  toie  bas  Spric^roort  ^befie^It, 
unb  roill  ni$t  in  b^r  StRü^Ie  bie  Sarfe  ju  fc^Iagen  üerfu^en, 
inbes  Stein  unb  9?ab  umlaufenb  freif^en.  Xro^  meines 
3omes  mu6  i^  über  bie  töri^ten  £ätmer  la^en,  benen 
i^r  eigener  Speftafel  fo  gut  gefällt.  Sie  benel^men  fi^ 
iDie  bie  i^ib^^t  in  einem  Xei^,  bie  fi^  felbft  an  i^rem 
Quafen  freuen,  toä^renb  bie  ^Zac^tigall  i^r  £ieb  oerjagenb 
oufgibt.  2Benn  boä)  jemanb  —  oielleic^t  ber  Serjog  — 
biefes  Ärgernis  f^toeigen  ^ie^e,  bamit  bie  älteren  Sänger 
toieber  5um  SBorte  gelangten!  2ßürben  ber  neuen  2Beifc 
bie  IBurgen  unb  Söfe  oerf^loffen,  bas  roäre  alles,  roas 
ber  Dichter  toünf^te;  bie  ©efa^r  roäre  bann  ni6)t  grofe, 
b^nn  hü  ben  ^Bauern  bürfte  biefe  ilunft  f^on  bleiben,  ift 
fie  ja  bo(^  opn  bort^er  gefommen. 

Diefe  2Borte  am  S^luffe  bes  Siebes  ujeifen  mit  ooller 
iBeftimmt^eit  barauf  ^in,  in  mt\ä)ti  ^Trt  oon  Di^tung 
2Balter  eine  gefä^rlid^e  ilonfurrenj  für  ben  feinen  $IRinne= 
fang  erblidte.  (Es  toar  bie  l^öfif^e  Dorfpoefie,  als  beren 
(Jül^rer  unb  l^auptfäd^lit^fter  Xräger,  ber  allein  für  2Balter 
in  Setra^t  fommt,  ber  bagrif^e  Ütitter  S^eib^art  oon 
^Reuent^al,  tote  er  fit^  nennen  mollte,  am  2Biener  $ofe  auf* 
trat,    3^eib]^art  ujor  jünger  als  SBalter,  oielleii^t  ebenfo 


um  jel^n  Sa^re  rote  SBaltcr  9?etnmarn  nat^ftanb.  Cr  ^attc 
fi(5  in  feiner  $eimat,  ido  er  ein  eigenes  ^ntoefen  befafe, 
gnm  Sänger  ausgebilbet  unb  vihit  ol^ne  3^^^^!^!  iVit't\i  bie 
5^-unft  ber  l^öfifd^en  Jßt)rif,  bie  er  au(^  na^mals  üöllig  Be* 
l^errf^te.  (gin  (Ereignis,  bas  mit  feiner  Dit^tung  sufam* 
menpngt;  über  bas  toir  aber  bo^  nid^t  Diel  (genaues 
tüiffen  —  oiellei^t  \At  Untreue  feiner  ©eliebten  gribcrun 
—  l^at  es  il^m  oerleibet,  m  feine  $eimat  gu  längerem 
^ufentl^alte  gurütfjufel^ren.  Denn  ^^leib^art  loar  ein  fal^* 
renber  Sflann  toie  2BaIter,  er  l^at  nac^  feinen  eigenen  5ln* 
gaben  gan3  Deutft^Ianb  burd^jogen,  ja  er  toar  auc^  im  (5e= 
folge  bentft^er  gerren  in  S^^^Ii^^-  ^"^  ftrebte  nun,  fi^ 
am  öfterreid^if(j^en  Sofe  eine  Stelliing  5U  fc^affen,  roas 
i^m  gelungen  ift,  benn  toir  finben,  \iQi\  er  bie  ©unft  Scr* 
30g  Jßeopolbs  VI.  genofe,  aud^  ben  5lreu33ug  na^  2)amiettc 
1217—19  ma^te  er  mit.  Sefonbers  jebo^  ift  er  htx  Scr« 
30g  griebrid^  IL,  bem  Streitbaren,  bem  Seilten  ber  Saben= 
berger,  beliebt  getoefen.  2Bien  blieb  nun  fein  Stanbquar= 
tier,  bas  er,  als  perl^eirateter  SIRann,  oon  feinen  Jährten 
üus  immer  toieber  auffud^te.  (£r  roar  au(^  eine  3^ttlang 
bei  CBrsbif^of  (£b erwarb  II.  oon  Salzburg  unb  bamals  l^at 
er  fi^  in  ber  Steiermarl  auf gel^ alten,  toiber  roel^e  ber 
baprifd^e  Did^ter  eine  ebenfo  ftarfe  tttbneigung  geigt,  roie 
fie  um  brittl^alb  ^^^^^unberte  fpäter  ein  namentofcr 
Steirer  in  einem  Sd^eltgebid^t  gegen  Sägern  befunbcte, 
b^n  fein  St^idfal  jtoang,  bort  3U  oertoeilen.  Den  Gin= 
fall  ber  SBö^men  in  £)fterrei^  oon  1236  l^at  ^leib^art  no^ 
gefe^en,  aber  um  1240  roirb  er  geroig  fd^on  geftorben  fein, 
bas  (£nbe  feines  ©önners,  $er3og  griebrid^,  in  ber  fieitl^a* 
fd^lac^t  oon  1246  l^at  er  alfo  ni(^t  me^r  erlebt.  Die  '^txi^ 
ßcnoffen  rühmten  i^n,  SBoIfram  oon  CBf^enba^  fanntc 
feine  £iebcr,  unb  fpäte  SBoIfsüb erlief erung  ^at  ben  iBauern* 
feinb  S^eib^art  3U  einer  fomift^en  gigur  umgebilbet,  ju 


145 

einem  Spafema^er  wk  ocr  ^^afje  ^mis  ooet  tme  Der 
Pfarrer  auf  bem  S{af)UnbtxQt  Bei  SBien. 

^Reib^art  i[t  [t(§erltc^  ein  bebcutenber  $0lenf(5  gerocjen. 
Keffer  als  feine  äußere  (5ef(^ic^te  oermögen  toir  bie  innere 
(gntroidflnng  feiner  ^oefie  5u  überf^auen.  (Er  ]^at  mit 
l^öfif^em  SP^innefang  begonnen  nnb  in  hk  bort  beliebten 
„2Bc(5fer'  gnnäd^ft  einen  frifc^en  neuen  3ug  gebrai^t,  in= 
bem  er  frö^Iic^e  Sauernmöb^en  fic^  unterreben  liefe. 
Der  ©egenftanb  gab  fi(§  lei^t,  es  loar  bie  Sommerfreube, 
bas  SBaÜroerfen;  unb  Befonbers  ber  9teie,  ben  W  Dorf* 
jugenb  unter  ber  £inbe  gcmeinfam  ober  in  paaren  nac^ 
einer  $lReIobie  5U  fpringen  pflegte,  ^^leibl^arts  9?eien« 
lieber,  oon  fd^ioieriger  mufifalifc^er  5lompofition,  begin* 
nen  in  ber  9?egel  5uerft  mit  einer  ^Raturft^ilberung  als  (£in* 
gang,  bie  ebcnfo  tt)pif(^  i[t  toie  bei  ben  älteren  TOnne= 
föngern,  nur  im  ganjen  etwas  rei^lid^er  unb  farbiger  aus* 
fönt.  Daran  ff^Iiefet  fi^  eine  (Erja^Iung,  bie  oft  in  ben 
beroegteften  Dialog  umfpringt.  Der  ^n^alt  ift  beinal^e 
immer  berfelBe:  nämlt^  bie  Xeilna^me  an  bem  gemein* 
f(^aftli(^en  Steigen,  ift  aber  in  ber  mannigfaltig ftcn  SBeife 
rariiert  unb  ausgeft^müdt.  SReift  mill  bas  junge  SD^äbc^en 
l^inaus  5U  ben  ©cnoffinnen,  toirb  aber  oon  ber  S0Juftcr, 
bie  böfe  50^9^^  beforgt,  mit  ©üte  ober  ©etoalt  5urürf* 
gel^alten,  ma^t  fi^  jeboc^  enbli^  baoon.  Ober  es  finb 
jroei  ©efpielinnen,  bie  \x^  mitcinanber  freuen  unb  flagen. 
Ober  gar  eine  TOe,  bie  fc^on  mit  einem  grufe  im  ©rabc 
ftel^t,  roirb  plö^li^  tansluftig  unb  fpringt  hinaus  auf 
ben  Dorfpla^.  Das  fpielt  fid^  entroeber  in  ben  SBorten 
ber  Streitenben  mit  leben'bigfter  ^nf^aulic^feit  cor  uns  ab, 
ober  ber  Dieter  ersöl^lt  es  felbft  mit  faum  geringerer 
Äunft  in  ber  5Iusmalung  ber  oerf^iebenen  ^erfonen. 
CBr  ift  eigentli^  ftets  bie  Hauptfigur:  fei  es,  bafe  er  aus* 
brudlit^  genannt  loirb  als  ber  ©eliebte,  um  beffentioillen 


146 

has  $0löb<^cn  forteilt,  fei  es,  baß  er  im  $intergrunbe  bleibt, 
barum  nit^t  Djeniger  für  bie  gange  (Sgene  bebeutfam.  Diefe 
Qiuät  ^aben  feine  SBertöanbtf^aft,  tote  man  frül^er 
glonbte,  mit  \>en  altfranjöjifc^en  fiiebcsballaben,  ben  ^a= 
jttonrellen ;  bie  glänjenbe  ^lusgeftaltung  ber  eingelnen  9P^o= 
tioe,  roel^e  fc^on  in  ben  3^^^^^  TOgriet^enlanbs  ]xä)  fin= 
b^n,  ^at  er  allein  unb  aus  eigenen  SQlitteln  oorgenommen. 
Diefe  Sommerlieber,  bie  ?leib^art  in  feinen  jüngeren 
3a]^ren  am  Iieb[ten  gefungen  ^ai,  gei^nen  fi^  burc^  ben 
befonberen  IBau  i^rer  lurggeiligen  Strophen,  aber  au^ 
noc^  inl^altlic^  in  einem  fünfte  aus:  in  i^nen  gibt  büs 
Mähä)tn  unoer^ol^Ien  feine  Steigung  funb,  unb  fie  bilben 
in  biefem  ^Betrad^te  bie  unmittelbare  ^ortfefeung  ber  üoI!s= 
tümli(^en  £iebespoefte  bes  gujölften  3<^]^r]^unberts,  too 
ebenfalls  bie  grau  toerbenb  auftritt,  ^us  ber  33erbin= 
bung  ber  alten  ^auerntanglieber,  bie  es  immer  gegeben 
^at,  mit  biefer  ftellenioeife  au^  ins  (£pif(^e  unb  Drama* 
i\]ä)t  oerfallenben  £iebesli)rif,  ferner  mit  ber  neuen  ^öfi* 
f^en  Sangesfunft,  aus  biefen  (Elementen  ift  ^leib^arts 
Sommerpoefie  entftanben. 

©anj  anberer  ^rt  finb  feine  2BinterIieber.  S^on  bie 
f(^n)erfänigen  unb  meitlöufigen  Strophen  fenngei^nen  fie, 
auä)  ift  i^r  Stoff  gang  oon  jener  fommerlic^en  Di^tung 
mrf^ieben.  Denn  auf  fürgere  unb  ti)pif^  geftaltete  9^atur= 
eingänge  folgen  l^ier  gumeift  ein  paar  Stropl^en,  bie  aller* 
ed^tefte  ^öfif^e  TOnnepoefie  entl^alten;  f^nitte  man  biefe 
l^eraus,  fo  fönnten  fie  für  fid^  irgenbeinem  ritterli^en 
£i)rifer  feineren  S^Iages  3ugef(I)rteben  roerbcn.  ©eroö^n^ 
lid^  gang  unoermittelt  folgt  bann  auf  biefe  gartgefponne* 
ncn  Gmpfinbungen,  bie  im  5^onoerfattonstone  gebilbeter 
©efellf^aft  bargeftellt  finb,  eine  ^Hei^e  oon  Strophen, 
iDeI(^e  Svenen  aus  ben  2Binterftuben  ber  ^Bauern  f(^ilbern, 
\x)o  ber  langfamere  Xang  oon  benen  getreten  toirb,  bie 


147 


Sommers  bcn  9?cien  gcfpningen  Ratten.  (£5  läuft  in  bcr 
9?cgcl  barauf  hinaus,  bafe  bic  Öpptgfcit,  bie  $offart  b^r 
^Bauern  in  5llcib«m  unb  Sitten,  i^r  Xlngefc^id,  il^re  9?o= 
^eit  unb  Xölpel^aftigfeit  oerfpottet  loerben.  I)as  fü^rt 
9leib§art  in  breiten,  mit  nieberlänbif^er  5^unft  betdllier* 
ten  (Semalben  aus.  Sier  [inb  es  bie  Sauern,  roel^e  um 
bie  SO^äb^en  roerben,  mitten  barunter  ^^leibl^art,  ber  ^max 
htn  Dorfburfc^en  natürli^  an  Silbung  unb  ©eroanbtl^cit 
fe^r  überlegen  ift,  aber  nid^t  an  förperli(^er  Rraft.  ©erat 
er  mit  feinen  ^^ebenbu^Iern  aneinanber,  bann  sielet  er 
öfters  ben  fürseren,  muß  löo^I  anä)  entfliel^en,  rä^t  fic^ 
aber  burd^  Spott  in  bem  nur  feiten  geftörten  ©efül^I, 
büg  f(^lie6Ii^  boc^  bie  5Dfab^en  i^n  ben  „Dörpern"  r)or= 
äiel^en  toerben.  Die  SBinterlteber  befc^äftigen  Sfleibl^art 
insbefonbere  in  feinen  fpäteren  ^a^ren.  Die  fiiebe  ftel^t 
babei  ni^t  fo  im  S5orbergrunbe,  bie  i^ompofition  roirb  aU^ 
mä^Ii^  lorferer,  bafür  brängt  fi(^  bie  bunte  unb  ujirre 
SÜlaffe  bes  Stoffes ;  ber  !ton  entbehrt  immer  mel^r  ber  ton= 
nigen  §  eiterfeit,  bie  in  ben  Sommerliebern  roaltet,  er 
roirb  trüber  unb  ^^rber.  Das  meifte  oon  ben  33orgängen, 
bie  S^eib^rt  in  b^n  SBinterliebern  berietet  —  b«n  Som= 
merliebirn  bürften  oielfa^  (Erfinbungen  jugrunbe  liegen  — 
roirb  roirüi^  erlebt  fein.  Sie  fallen  in  il^rer  STieJ^rja^l 
na^  t)fterrei(5  unb  enthalten  bie  genaueften  eingaben  über 
£)rte  unb  ^erfonen.  Dabei  irrt  fi(^  ber  Dichter  nie,  oer^ 
roed^felt  nie  bie  ja^lrcit^en  S^amen,  unb  fo  laffen  \xä)  na(^ 
ber  3^\t  unb  nat^  htn  (Segenben  bes  (Entfte^ens  —  f&at)^ 
em  unb  £)fterrei(5  —  gan5e  (Sruppen  fäuberli^  fonbem. 
SReib^arts  ^oefie  gibt  ber  gorfd^ung  no(^  manche  9?ät= 
fei  auf.  ^ber  eines,  unb  gerabe  bas  2Bi(^tigfte,  fte^t  hoä) 
oollfommen  feft:  bas  ^ublifum,  für  roelc^es  9ieib]^art 
feine  iReien  unb  ^^önje  fomponiert  unb  gebietet  ^at, 
ift  nie  ein  anberes  geroefen  als  basfelbe,  an  bas  2Balte? 


148 

unb  hie  übrigen  ^öftf^en  Sänger  fi^  n)onbten,  nämlit^ 
bte  feine,  gebtibete,  ritterliche  ©efellft^aft  ber  (Jürftenl^öfe 
unb  (Bbelfi^e.  9^i^t  blofe  toiffen  nnr  burc^  Sfleib^ari 
felbft,  bü6  er  bie  (5unft  oornel^mer  $erren  genog  unb  oon 
il^r  lebte,  3um  2^eil  nennt  er  fie  ja  au^.  9lo^  xr^^x:  an 
einer  Stelle  (gaupts  Ausgabe  88,  13  ff.)  I^eifet  es,  bafe  bie 
Jßente  bleues  oon  bem  I)i^ter  ^ören  njollen;  fie  rounbern 
]\ä),  wo  bie  Säuern  l^ingeraten  finb,  bie  früher  auf  bem 
2:unnerfelbe  waren,  bas  Reifet,  oon  benen  S^eibl^art  ersa^lt 
l^atte.  darauf  erroibnt  ber  Sänger:  (£iner  fei  no^  bö, 
unb  üon  bem  fangt  er  nun  an.  :Der  Sa^oerl^alt  ift  flar. 
S^eibl^art  l^at  dnt  3^itlting,  burc^  irgenbroelt^e,  nja^rjc^ein* 
liä)  ungünjtige  Umftänbe  oeranlogt,  nichts  9^eues  jur 
(Erweiterung  bes  gofes  Don  ben  Sauern  gefungen,  man 
oerlangt  Sarnac^.  t)ie  ^öfifc^en  i^reifc  fanben  CSenufe 
unb  CBrgö^ung  in  S^eib^arts  ^oefie,  fotDO^I  in  ben  Som* 
mer«=  als  in  ben  Sßinterliebern.  Die  abelige  ©efellf^aft 
erweiterte  fi^  —  mübe  ber  fentimentalen  SJlinnepoefie  — 
an  ben  fröWIic^cu  SReien  unb  befonbers  an  ben  föftli^en 
Jtän^en,  in  benen  bie  Sauern  fo  oortrefflic^  unb  Iebens= 
DoII  com  ariftolratifd^en  Stanbpunfte  aus  abgeft^ilbert 
tDurben.  Der  Seifall  ber  $öfe  ^at  mof)l  baju  beigetra^ 
gen,  bag  S^eib^art  fi^  allmä^Ii^  me^r  auf  bie  2Binter« 
lieber  uerlegte.  Die  Sauern,  mit  benen  er  in  t)fterrei(^ 
5lbenteuer  erlebte,  ftammen  alle  aus  einer  (Segenb,  bem 
Siertel  ob  bem  SBiener  2Balb.  ^u^  bas  fprii^t  bafür, 
ha^  Sleib^art  bas  (ErgäWlte  größtenteils  felbft  mitgema^t 
Wat;  nur  roenn  man  i^n  na6)  iReuem  brängte,  wk  an  ber 
erroä^nten  Stelle,  b<inn  mußte  er  bismeilen  au^  in  feinen 
itänsen  erfinben. 

Daß  5ReibWart  feine  fiieber  für  Sauern  gebietet  unb 
i^nen  vorgetragen  Wabe,  ift  gän^licW  ausgef^loffen.  Hnb 
3iDar  ni^t  nur  bes^alb,  töeil  bie  fargen  fübbeutf^en  Sau= 


149 

cm  niemals  geneigt  maren,  einen  fal^renben  Sänger  rei^* 
Ii(5  3U  befti^enfen,  unb  mit  etli^en  (E^tDarcn,  einem  Ärug 
Dünnbier  ober  einem  $ansgefpinft  $crrn  S^eib^art  ]6)rßtx* 
Ii(5  gebicnt  getoefen  toäre.  S^on  bie  gorm  feiner  Di(^* 
tungen  ma^te  bicfe  ben  ^Bauern  unjugänglit^ :  bie  9Jhifi!, 
ber  Sau  feiner  Stxop^m  finb  oiel  ju  ücrtnidelt  unb  f^mic* 
rig,  bie  Sprache  fefet  5U  oiel  Silbung  ooraus.  9Jlan  barf 
babci  ni^t  mit  fo  f(^Iimmen  ^lusnal^men  unter  ben  Sauern 
red^nen,  toic  ber  fpipübifc^e  9Jleier  §elmbre^t  toar,  ber 
es  mit  ben  rittcrli^en  SBegelagerern  l^ielt.  Die  Sauern 
ber  alpinen  (Segenben  unb  i^rer  Sorlanber  ^aben  bümals 
oon  gebilbeter  Dt^tung  l^öc^ftens  bie  (Ersäl^Iungen  ber 
Selbenfage  oertragen  unb  ni^t  me^r.  (£ntf(^eibenb  aber 
ift  ein  anberes:  in  ben  Sommerliebern  ftid^t  SReibl^art 
Ut  Sauern  hti  i^ren  3Jläb(^en  aus,  um  feinet^alben  läuft 
bie  2^o(^ter  unb  ©efpielin  ju  ber  Jßinbe,  er  ift  ber  Segün= 
ftigte;  in  ben  SBinterliebern  aber  oer^öl^nt  iReib^art  bie 
Säuern  toeiblic^.  Xlntcr  feinen  fämtlic^en  ©ebit^ten,  (oroeit 
fie  3ur  ^öfifc^en  Dorfpoefie  gel^ören,  befinbet  fi^  !aum 
cineS;  für  bas  SReib^art  ni^t  bie  bcrbften  Sd^Iäge  be«= 
fommen  ^ätte,  toenn  er  es  roägte,  fie  ben  Sauern  oorju* 
fingen.  Die  beutf^en  £anbleutc  in  Sar)cm  unb  t)fterrei(3^, 
bie  §eute,  nad^  ^^^r^unberten  ber  Demütigung  unb 
ilnc^tfc^aft,  no^  fo  cmpfinblid^  finb  gegen  bie  Über* 
legen^eit  ber  ©ebilbeten,  bie  jeben  „Stabtfrad"  mit  bem 
größten  SWifetrauen  betrachten,  beren  gan^e  falfd^e  unb 
^eu^Ierif^e  „Spanier"  fid^  im  SBiberfpru^  SU  ben  Sor» 
nel^meren  enttoirfelt  ^at,  bicfe  Scanner  folltcn  ju  einer 
3eit,  tDO  fie  fi^  fo  oiel  felbftänbigcr  füllten,  bas  Sd^roert 
an  ber  Seite  trugen  unb  frei  auf  i^rcn  Sufen  fafecn,  ]xä) 
ben  Sod^mut  unb  $o]^n  eines  fa^renbcn  SRitters  unb  San* 
gers  l^aben  gefallen  laffen?  ^uf  ben  Spottoers  eines 
Surften  aus  bem  9la$barborfe  fe^t  ber  ridj^tigc  Sauer 


150 

einen  ganftft^tag,  unb  SReib^art  totrb  er  befolbet  unb 
txna^it  l^aben,  hamii  er  ]iä)  über  U)n  luftig  ma^e! 

9^eib]^art  entnol^m  feine  Stoffe  bem  Souernleben,  er 
mif^te  ftd^  unter  bie  „Dörper"  unb  erlebte  man^es  bei 
i^nen.  S^ieberöfterrei^  max  bamals  f^on  ftarf  bepölfert, 
es  göl^Ite  um  bas  ^^^r  1200  ettüa  110  ^farrgemeinben, 
bei  benen  hh  fleineren  eingepfarrten  Dörfer  unb  SBeiler 
natürlich  ni^t  mitgegäl^lt  finb.  £anb  unb  Jßeute  gebiel^en, 
es  toar  tro^  aller  ^laderei  unter  ben  legten  ^abenbergern 
eine  gute  !^t\t  ^leibl^arts  Säuberungen  ftimmen  auc^ 
gan^  mit  htm,  toas  bie  fpätere,  reifere  Überlieferung 
uns  aus  b^nfelben  (Segenben  mitteilt.  ^Ifo  aus  bem 
länblic^en  SBolfsleben  [(^öpft  bie  pfifc^e  Dorfpoefie,  il^r 
^nl^alt  lommt  toirflid^  üon  b^n  Sauern,  roie  2Balter  fagt, 
aber  niemals  ift  fie  b^n  93auem  felbft  ^ugeba^t  unb  üor* 
getragen  toorben. 

Da  ift  no^  eines  merfmürbigen  Hmftanbes  ju  ge* 
benfen.  ^n  ben  Sanbfc^riften,  hk  9^eibprts  fiieber  ent* 
]^alten,  finbet  fic^  au(^  eine  gan^e  9Jlenge  lyon  Stüden, 
9?eigen  unb  ^^änje,  bie  in  feiner  9Jlanier,  aber  ni^t  lyon 
\\)m  felbft  gebic^tet  finb,  ja  l^äufig  fi^  gerabeju  rotber  i\)n 
lehren,  ein  übel  ausgefallenes  Abenteuer  üerfpotten,  bas 
(Segenteil  üon  feinen  eingaben  behaupten,  bie  S(^mä]^un= 
gen  auf  i^n  surüdtoerfen,  il^n  läd^erlic^  matten.  9Jlan= 
c^erlei  5^enn3ei(^en  gibt  es,  biefe  (Sebic^te  9fleib]^art  ab3u= 
fprec^en,  wo  ni^t  f^on  ber  3^Plt  bie  Sa^e  flarftellt. 
3ft  S^eibi^art  juiDeilen  grob,  fo  finb  biefe  £ieber  unflätig. 
3^re  gorm  aber  ift  meiftens  oortrefflic^,  i^re  Spxaä)t 
ni(^t  toeniger  pfifc^  als  bie  ^leib^arts,  ber  S5ersbau  gut, 
bie  9leime  felbft  unrein.  Oftmals  finb  bie  ilompofitio= 
nen  benen  ^leibl^arts  na^gebilbet,  au^  roo^l  felbftänbig, 
immer  aber  jiemlid^  [(j^roierig.  Sol^e  Süterfmale  getoä^rcn 
uns  ^uffc^lug,  wo  mx  bie  SBerfaffer  biefer  loif^tigen  unb 


intereffantcn  falfc^en  „S^ctt^arte"  311  Jüchen  ^aben.  ©erDtfe 
nid^t  unter  bcn  ^Bauern.  Denn  btefe  ^aben  \\^  bamals 
nt^t  beffer  auf  9J?u[i!  oerftanben  als  §eute,  unb  ^eute 
gibt  es  im  ganaen  5Bereid^e  b^r  ^Ipen  ni(^t  Dtel  me^r  als 
brei  ober  oier  langfame  Xan3meIobien  für  bie  Dolfstüm^ 
li^en  „©'[tanseln".  Diefe  heutige  SSoIfspoefie,  bie  „9}ier= 
3etligen",  bie  „S^naba^üpfln",  barf  niemanb  als  5lnalogie 
für  bie  £ieber  gegen  9^etb§art  l^eranjie^en,  na(^  ^i^^^I* 
.unb  gprm  finb  'tAt  je^igen  Siebten  jenen  Stücfen  gan5 
unoerglei^bar.  Darum  erübrigt  uns  nur  eine  ätoette  5ln= 
na^me :  jene  lieber  [inb  entroeber  oon  b^n  beleibigten  unb 
oer^ö^nten  ^Bauern  bei  berufsmäßigen  fa^renben  San* 
gern,  bei  „S^eltern",  roie  [ie  feit  alter  '^tW  fi^  bejeugt 
finben,  ausbrürflic^  beftellt  unb  besa^It,  bann  na^  bem 
S^leib^artf^en  SJlufter  oerfaßt  D3orben.  Ober  ^Tleib^arts 
Sßiberfa^er  am  ^ofe,  ^Ritter,  Sänger,  l^aben  gegen  i^n 
btefe  Stüde  gebietet,  ^^^^^falls  finb  bie  fogenannten 
„falf^en  ^Reib^arte"  Äunftpoefie  unb  ni(^t  33oI!5poefie. 
$rieib]^art  ^at,  roie  ertDäF)nt,  suerft  bie  ^^öftfc^e  5lunft 
bes  SJlinnefanges  erlernt.  Darum  fennt  er  Sleinmar  unb 
!ennt  2Balter.  (£r  ift  ein  oiel  3U  genial  angelegter  Dieter 
geroefen,  als  baß  er  ben  llnterf(§ieb  3rDif^en  biefen  feinen 
beiben  33orgängern  ni(^t  ^'oXit  erfennen  follen.  (£r  ftellt 
fi^  oon  Anfang  0^  gegen  SReinmars  5lbftra!tionen,  2Bal= 
ter  l^ingegen  al^mt  er  na^.  Sr  tut  es  unb  bleibt  babei 
[clbftänbig,  roie  er  b^nn  getoiß  ein  ftarfes  ©efü^l  feiner 
(Eigenart  ieber3eit  befeffen  ^at.  greilid^  ftrebte  er  mit  23e= 
iDufetfein  barnat^,  aus  ben  befannten  ©eleifen  3U  weichen. 
(£r  löanbte  fein  ^ugenmerf  neuen  unb  feltenen  Üleimen 
3U,  Dor  allem  aber  trachtete  er  na^  neuen  SBeifen.  3^eib* 
]^arts  5lompofitionen  finb  gar  ni^t  oolfstümlic^,  man 
iDirb  f(^njerli(^  na(^  i^nen  ^aben  tansen  fönnen.  2Bie 
ein  SBauernreie  jener   "^tiX  tDirfli(^  ausgefel^en  ^t,  bas 


152, 

tnag  uns  bas  IBcifpfel  eines  fpäteren  (Scbt^tes,  bes 
„9?ingc5"  Don  Sans  SBittentDetIcr  lehren:  was  bort  5um 
3^an3e  gefnngen  toirb,  bas  finb  SBerfe,  bic  na^  Sau  unb 
Sn^alt  ben  9?etmcn  nn[erer  i^inbcrfpiele  um  ni^ts  über* 
legen  finb.  ^Tleib^art  fielet  ju  feinen  Aufgaben  als  ilünftler, 
er  bilbct  bas  (Segebene  bur(^  tttufna^me  neuer  Stoffe 
unb  SJerfnupfung  mit  oor^anbenen,  unbenu^ten  (Elementen 
in  feiner  gans  perfönli^en  2Beife  fort.  5lein  SBunber, 
hü^  er  tro^  aller  ^d^tung  für  SBalter  mit  biefem,  bem 
SBertreter  ber  flaffif(§en  Did^tung;  als  ein  oorioarts  ftreben* 
ber  Stealift  in  f^arfen  (Segenfa^  geriet. 

SBalter  oon  ber  Sßogelioeibe  mugte,  als  er  ^leibl^art 
am  2Biener  gofe  oorfanb,  in  beffen  ^oefie  eine  (SnU 
artung  feiner  eigenen  erfennen,  toie  etroa  ©oetje,  ha  er 
aus  b«m  flaffif^en  3^0^^^"  ^^^  ^^^  ^^^  Dramen  bes 
jungen  S(^iller  in  !Deutf(^lanb  ixrbreitet  fal^.  5Uic^t  bie 
SBefd^affen^eit  ber  Stoffe  allein  mufete  2Balter  mißbilligen 
— benn  eben  l^atte  er  fi^  felbft  bem  epif(^*bramatif(^n 
fiiebe  ber  nieberen  $IRinne  sugeroanbt  —  obglei^  ^Ueibl^art 
um  fe^r  üieles  roeiter  ging  unb  außer  feinem  perfönli^en 
S^idfal  no(^  eine  gülle  oon  giguren  in  bie  Darftellung 
oeriDob;  gerabeju  freoell^aft  \zhoä)  erfc^ien  SBaltern  bie 
Söerroenbung  ber  SP^innepoefie,  toorin  er  bie  ebelfte  SBlüte 
ber  ilunft  erblidte,  als  3ioif(^enftü(f  in  ^Reib^arts  2Binter= 
liebern.  '  2Bie  ^eute  ungefähr  tin  ernft^after  äRufiler 
fi^  an  ben  getragenen  2Jlelobien  ärgert,  mit  benen  moberne 
ilapellmeifter  i^re  bürftigen  SBaljer  einleiten  —  ganj 
anbers  als  ßanner  unb  So'^^i^^  Strauß,  M  beren  !öft= 
lid^en  ilompofitionen  SBorfpiel  unb  2;an5e  in  eins  ge* 
ftimmt  finb  —  fo  mußte  2Balter  bie  ^ol^e  fiprif  f^ma^» 
liä)  ^erabgejogen  oorlommen,  toenn  fie  als  Ouoertüre 
für  bie  glegeleien  nieberöftenei^ifd^cr  Säuern  gebraucht 
rourbc.    Darum  fein  f(^arfer  unb  entft^icbener  ^roteft  in 


153 


hcm  Bcfpro^ncn  Jßtcb«.  Sfletb^art  rta^m  ben  $anbf(^u]& 
auf,  er  parobiertc  SBaltcrs  ^rcislieb  (gaupts  5lusgaBc  93, 
15.  98,  26  ff.)  unb  anbete  [einer  be[tcn  Stüde,  unb  \o  [tnb 
bie  beibcn  SP'länner  ausetnanbergefommen.  S^lid^t  tote 
SBoIfram  unb  2Balter  fanben  ]xä)  SBalter  unb  ^Reib^art 
gegenfettig  angejogen.  Sie  befe^btten  ]iä)  als  IReprafcn* 
tauten  ber  ibealiftif^en  unb  realifti[^en  Dichtung,  u)ie 
[ie  ftets  in  ber  ©efc^id^te  ber  ^oefie  aller  Sßölfer  einanber 
f)axi  auf  bem  gfube  nachfolgen.  (£5  ift  ein  eujig  gleich' 
bleibenber  C5egenfat  sroifd^en  smei  SO^äd^ten  in  ber  Dic^ 
tung  —  n)ie  ^lato  unb  ^riftoteles  in  ber  (Enttoidlung 
aller  ^^ilofop^i^  immer  roieberfcmmcn  —  fid^  feinbfelig 
berü^renb,  aber  ]xä)  auä)  in  3i^lc^  unb  TOtteln  ergänsenb. 


<Bdibn^aäi,  SBalter  öon  btx  SSoflcIweibc.  11 


DL 

KaÜer  Friedrich  IL 

3m  SRax^  ks  ^a^xes  1212  maä)U  ]iä)  Ivcr  jugcnb* 
li^e  RbnxQ  griebri^  oon  Siatitcn,  5latfer  Sctnrtc^s  VI. 
So^tt,  auf,  tmmtt  er  als  ilanbibat  bes  ^opftes  3nno5cn5 
gegen  ilatfer  Otto  IV.  feinem  §an[e  bte  beutf^e  5l5ntgs= 
frone  roteber  sutoenbe.  5Ra(^  oielen  gä^rl^feiten,  ol^ne 
3Kannf^aft,  nur  t)on  italtenif^en  Stäbten  mit  (Selb  unter= 
]tü1^i,  trifft  er  im  September  bes  ^a^res  in  X)eutf^Ianb 
ein.  Seine  ^ntoefen^ett  genügte,  oerbunben  mit  ber  Hn* 
beliebtl^eit  iDttos  im  Süben  bes  9iei^es,  um  bem  jungen 
Staufer  fofort  t)iele  ^n^nger  ju  oerf^affen.  33or  allem 
folgten  bie  alten  SHeid^sminifterialen  feinem  9lufe,  unb 
loieber  einmal  gruppierten  fit^  bie  beutf^en  gürften  unter 
ber  (£inn)irfung  i^rer  ^i^tereffen  oon  neuem,  griebri^ 
t)ermo(5te  il^nen  im  erften  ^ugenblict  freiließ  nic^t  oiel 
3U  gerDäl^ren,  aber  man  fonnte  bo^  XIrfunben  oon  i^m  er= 
langen,  'beren  Autorität  sroeifel^afte  ^nfprü^e  fieberte, 
unb  etliche  ge^en  9{ei^s=  ober  Sausgutes  fielen  no(^ 
immer  für  bie  ah,  bie  fid^  jeitig  genug  melbeten.  Darum 
ift  bas  erfte,  toas  uns  oon  griebri^  erjä^lt  mirb,  bafe 
er  f^on  ju  58afel  fi^  eine  ilanjlei  bilbete,  loeld^  bie  Do* 
fumente  für  bie  iBergaBungen  in  aller  gorm  SRe^tens 
ausjufertigen  IJatte. 


Der  (Erfolg  entfprac^  b«n  fü^nften  Soffnungen:  [(^on 
am  5.  Dcsember  1212  ronrbe  gn^brid^  ouf  einem  großen 
$oftage  in  granffnrt  3um  beutfi^en  ilonig  geioä^lt  — 
inbes  5laifer  Dtto  311  ^ac^en  bas  fpärli^e  $aufletn  feiner 
Xrenen  jaulte  —  am  9.  Dejember  tourbe  er,  freiließ  mit 
nachgeahmten  ^Heit^sinfignien,  gefrönt.  "iKx^i  roenig  trugen 
3U  grtebric^s  gortf^ritten  bie  ^bma^ungen  bei,  roelc^e  er 
mit  bem  fingen  Äönig  ^^^tlipp  ^uguft  oon  granfrei^ 
iDiber  £)tto  unb  beffen  engltf^e  iÖerbünbete  getroffen 
l^atte,  unb  infolge  beren  Sfyca  y,t\xi  Segen  oon  20000  ÜDlarf ' 
3uteil  tDurbe,  roie  ber  G^ronift  oon  St.  $eter  3U  (Erfurt 
\At  fran3ö[i[(^en  Sub[ibten  nannte.  Diefes  ©elb  Jpenbete 
griebrid^  an  feine  5In]^änger  xtx^Xx^  aus,  tool^I  mel^r  no$ 
an  bie  frif^getoorbenen  als  an  bie  alten.  Unter  ben 
erfteren  befanb  \\^  aud^  SBalter  oon  ber  Sßogelroeibe,  unb 
bafe  ber  junge  5lönig  ben  Sänger,  ber  eben  burc^  bie 
^apftfprüc^e  feinen  IRul^m  in  I)eutf(^Ianb  ausgebreitet 
l^atte,  fofort  mit  einem  naml^aften  (Sef^enf  beba(^te, 
3eigt  feine  finge  33orausfi(^t.  äBir  finb  über  \At  Sa(^e 
bur^  brei  Strophen  SBalters  unterri^tet.  3n  ber  erften 
(fi.  26,  23)  melbete  er,  baß  i^m  „§err  Otto"  —  fo  nennt 
er  ben  ilaifer  je^t  —  3U)ar  eine  fefte,  eibli^e  3iiföge  ge- 
geben, aber  biefe  ni(^t  erfüllt  ^cibe,  tro^em  i^m  ^nfprüt^e 
auf  feine  Danfbarfeit  3urtänben;  oon  griebri(5  ^)(iSit  er 
nid^ts  3u  forbern,  es  fei  benn,  baß  ber  junge  5lonig  fi^  ber 
alten  Sprühe  erinnere,  bie  SBalter  einft  im  3ntereffe 
i^öntg  ^^iltpps  gefungen  ^abe.  So  finbet  es  ber  Dichter 
gan3  in  £)rbnung,  roenn  er  fi(§  i>on  bem  „böfeften"  $erm 
nunmehr  3U  bem  „beften"  roenbet.  Der  Sprud^  l^at  i^m 
eine  Spenbe  eingebracht,  benn  er  banft  alsbalb,  inbem  er 
(fi.  26,  33)  Ottos  £änge,  bas  l^eifet  feine  befannte  ^o^e 
(Seftalt,  mit  ber  5lür3e  feiner  gretgebigfeit  unliebfam  oer* 
0lei(^t,  bem  neunse^njäl^rigen  griebri^  hingegen  ein  fo 

11* 


156 

großes  SKafe  i^ion  5[RiIbe  ^u]6)xtxbt,  baß  er  [i^  mit  ben 
Sauren  roo^I  no(§  5U  einem  ^liefen  austoa^fen  loerbe. 
Die  5lnfpieliing  bes  legten  SBerfes  rourbe  oerftanben  unb 
in  einer  2Bei[e  beantroortet,  bie  bem  S^ers  tnt]pxaä): 
ber  RbnxQ  cerlie^  2ßaltern  30  maxi  ©infünfte  (£.  21,  1), 
aber  loa^rft^einli^  üon  einem  entlegenen  (5ut  im  5Be[i^e 
Ottos  ober  feiner  5lnpnger;  iebesfalls  roar  ber  3^^^ 
ni(^t  einjutretben,  unb  fo  genießt  ber  Dieter  oon  bem 
großen  (Erträgnis  ni^ts  als  ben  ^^lamen,  roorüber  er  nun 
fpoüet. 

Soweit  toir  feigen  fönnen,  ift  SBalter  je^t  nii^t  am 
Sofe  grtebrid^s  geblieben,  fonbern  ^at  abermals,  unb  jtoar 
bur^  längere  3^tt,  ein  unjtet  um^erf^toeifenbes  Beben 
geführt,  griebric^  rourbe  5um  sroeitenmal  unb  feierlich  in 
ilöln  bur^  ben  päpftlid^en  Legaten  gefrönt  am  25.  J^vXx 
1215,  feine  ©emal^Iin  ilonftan^e  brachte  i^r  Sö^nlein 
Seinri^  ua^  Deutf(^Ianb,  ^apft  3nno5en5  III.,  btefer  (5e* 
roaltige,  ftarb  am  16.  ^vXx  1216,  nat^bem  er  no(^  üor^er 
ben  Xriump^  bes  großen  lateranif^en  5lon5ils  in  9lom 
erlebt  l&atte  (1215).  9li(^t5  oon  biefen  (Sreigntjfen  fpiegelt 
fic^  in  Sßalters  £iebern.  X)agegen  l^at  er  als  ©aft  an 
man(]^em  Sofe  geroeilt,  ni^t  immer  als  beliebter,  benn 
es  roirb  fd^merlic^  ^^'iaW  fein,  baß  SBalter  in  bem  jur 
©aftfreunbf^aft  nac^  ben  Orb^nsregeln  oerpflit^teten 
5Benebti!tinerftifte  Xegemfee  in  £)berbai)ern  o^ne  (£r= 
quidung  fortgelaffen  njurbe;  feine  Haltung  gegen  ^apft 
unb  ®eiftli(^!eit  mag  i§m  biefen  üblen  SBilÜomm  3uge= 
sogen  ^aben.  (Er  räc^t  fic^  mit  einem  Spru^,  in  bem  er 
ärgerli^  ben  W)i  als  „mhn6)"  bejei^net  (ß.  104,  23): 
„9Wan  fagt'  mir  ftets  oon  Xegemfee,  roie  bort  ein  gaftli(^ 
Saus  in  ^^ren  ftel^',  brum  ujanbt'  i^  mic^  bal^in  mel^r  als 
'ne  5lReiIe  x)on  ber  Straße.  3^  ^^  ci"  fonberbarer  SKann, 
baß  i^  mir  felbft  fo  toenig  fann  o^rtrau'n  unb  mi(^  fo 


157 

fcl^r  auf  anb'rcr  SBort  i)«rlaf[c.  3<^  fc^clte  ntcmanb;  bo^ 
rotll  xä),  Bei  ©ott,  fic  mctbcn.  Dort  tron!  i^  2ßaffer,  unb 
fo  naffer  mu^i'  xä)  oon  bes  SD^öiK^es  ^tf(^e  [(Reiben." 
Da  führte  i^n  fein  2Beg  tool^I  au(^  na^  Kärnten,  bas  ni^t 
fo  entlegen  roar,  als  es  f^eint,  obgleich  bie  größeren 
^a^xhü^n  oon  5loImar  es  einmal  ein  £anb  nennen,  bas 
na^e  Bei  £)fterrei^  liegen  foll.  Sine  oielBefiK^te  Strafte 
ging  aus  bem  5Rorben  hmä)  DBer[teiermar!,  Bog  bann 
Bei  fSxnd  an  ber  93^ur  ab  unb  30g  ]xä)  über  griefa^ 
unb  St.  33eit  an  ben  ^erjogsl^of  3U  SBilla^  unb  t)on 
ha  na^  ^t^Iien,  faft  toie  ^eute  bie  (iifenBa^nlinie  2Bien= 
2^ari)is*^onteBa.  Daft  2BaIter  ]\ä)  bort  toieber^olt  Beim 
gerjog  SBeml^arb  aufgel^alten  ^ai,  mag  man  aus  bem 
crften  ber  Beiben  Sprühe  (Q.  32,  17.  27)  erfc^lieften,  bie 
einer  unangenehmen  Angelegenheit  geroibmet  finb.  Der 
Ser3og  lieft  nämli(^  für  ben  Sänger,  ben  er  ]ä)o\x  oft 
Dörfer  Bef(^enft  ^attt,  ein  neues  illeib  ma^en,  biefes 
ujurbe  iebo(^  burd^  einen  SKiftgünftigen  2BaItern  oorent* 
galten.  2BaIter  ^atte  bie  Säumnis  bem  Serjog  3uge= 
[^rieben  unb  offenbar  ein  f^arfes  2Bort  barüBer  fallen 
laffen.  Das  ^aiU  man  toieber  bem  §er3og  entjtellt  unb 
üBertrieBen  ^interBra^t,  unb  biefer  toar  baroB  ärgerlich 
geiDorben.  Der  erfte  Spxuä)  SBalters  \uä)t  bie  Sa^e  in 
i^rem  roa^ren  Jßi^te  bar3uftenen  unb  ben  Ser3og  3U  Be* 
fänftigen,  im  stoeiten  oerglei^t  ber  Dichter  bie  Boshaften 
3tDifd^enträger  mit  5lRäufen,  benen  man  Stellen  ange= 
^ängt  \)at,  unb  bie  \xä)  babur^  feIB[t  oerraten.  Der  Sänger 
bro^t  bem  SBerleumber,  ben  er,  roofern  biefer  üBerl^aupt 
fatisfaftionsfäl^tg  ift  unb  ber  $er3og  es  ni^t  anbers 
iDünf^t,  mit  einem  hörten  St^roertfc^lag  treffen  wiU. 
Dabei  preift  SBalter  ben  Sersog,  ber  alle  Opfer  um  ber 
G^re  roillen  Bringe.  Der  ^\x^a\i  biefer  Stropl^en  ift  alfo 
9an3  unBebeut^nb,  unb  fie  ^aben  nur  babur^  3"tereffe 


158 

toeil  fie  uns  ous  bcm  3^one;  in  bem  2BaItcr  ^ier  t>cn  Scr^og 
anfpri^t;  cntncl^mcn  laffcn,  tocld^  angcfc^cnc  Stellung 
ber  Berühmte  8angcr  an  einem  Heineren  §ofe  innel^atte, 
htn  er  ah  unb  3U  als  gal^renber  auffuc^te. 

3m  3a\)tt  1219  Befanb  \iä)  SBalter  toieber  htx  Serjog 
Jßeopolb  bem  (5Iorrei(^en  oon  JÖfterreid^,  unb  l^ier^er  ge= 
prt  eine  Rüü  oon  5  Sprühen  {2.  31,  33.  32,  7.  34,  34. 
36,  1.  35,  17),  mit  benen  feine  na^toeisbare  Xatigfeit 
in  ber  $eimat  abfc^liefet.  Der  Sänger  fam  jur  regten 
3eit,  benn  eben  feierte  Sergog  ßeopolb  oon  bem  5lreu53uge 
(1217—19)  5eim,  ber  mit  ber  (Eroberung  Damiettes  glüdf* 
lid^  beenbet  toar.  IBor^er  ^^tte  ber  Sergog  für  bie  ga^rt 
bas  C5elb  gufammengefpart,  je^t  rourbe  er  freigebig.  3^ 
fomif^er  (Einleitung  befreust  fi^  SBalter  roiber  alles  Xln» 
5eil,  unb  mit  Dlet^t,  benn  es  finb  un]^öfif(^e  Sänger  ba 
(]ä)wnlxä)  i]t  bamit  nur  ^dh^axt  gemeint),  ujel^e  bie 
feine  alte  Sangto^ife  ftören  unb  bo^  bei  $ofe  beliebt  (inb. 
!Der  Sergog  foll  entf(^eiben,  ob  er  guten  ober  groben  Sang 
oeme^men  toill.  Die  (Entfc^ eibung  mufe  ungünftig  aus= 
gefallen  fein,  benn  SBalter  l^ebt  ben  nä^ften  Sprut^  bamit 
an,  bafe  er  nun  enblit^  aui^  einmal  fd^arf  fingen  toill  unb 
bort  gebieten,  loo  er  bisher  nur  bat.  SJlxt  einer  2Benbung, 
bie  foujol^l  9teinmar  als  er  felbft  f^on  gebraust  l^at,  flagt 
er,  ha^  man  je^t  hk  Spenben  ber  gerren  unb  ben  ©rufe 
ber  grauen  auf  un]^öfif(^e  SBeife  ertocrben  mufe.  So  rotll 
er  nun  auc^  tun.  Singt  er  nämli(^  ^öfifd^,  fo  laufen  feine 
(Segner  unb  melben  bas  einem  2Rann  namens  Stolle  (oon 
bem  u)ir  ni^ts  roiffen).  Dort  oerleumben  fie  i^n.  Das 
fann  SBalter  auä),  uienn  er  roill:  er  roirb  na^  bem  öfter= 
rei^ifc^en  Spric^roort,  bafe  Jßügen  unb  Sßortoerl^alten 
ilröpfe  ma^t,  ni(^t  nur  fi^  felbft  einen  ilropf,  fonbern 
auä)  feinen  geinben,  ba  fie  bur^aus  fol^e  Sc^elmenftüde 
U)ollen,  an  ben  $als  lügen.  Hnb  bas  roill  er  juerft  td  bem 


Scr3O0  Detfu(^cn,  in  beffen  fianb  er  fingen  unb  fagen  ge* 
lernt  '^ai:  geroa^rt  xf)m  ßcopolb  Xroft,  fo  roirb  er  ou(^ 
befferen  2ßut  getoinnen.  5ßietlei(^t  ift  bcr  8pru(^  J^on  bei 
bcm  Patriarchen  oon  ^quileja  vorgetragen,  an  mel(^em 
Sofe  SBalter  aufeer  biefem  feinem  alten  ©önner  no^  ben 
gersog  fieopolb  felbft  unb  beffen  35etter  §er5og  Seinrt(^ 
0U5  SRöbling  bei  SBten,  antraf.  Die  brei  §erren  rü^mt  er 
nun:  folange  i^re  §öfe  i^m  offen  ftel^en,  l^at  er  2Bein  in 
ber  Ru^t,  ©raten  in  ber  Pfanne  unb  brautet  fic^  nx^t 
roeiter  umsutun.  fieopolb  ^at  fi^  bem  Sanger  gnöbig  er= 
Briefen,  benn  er  nennt  i^n  oerfprod^enermaSen  gerabeju 
feinen  3^roft,  ben  Serjog  Seinri^  oerglei^t  er  mit  btm 
Bcrül^mten  Sangerfreunb,  bem  milben  Ser3og  2BeIf  VI., 
5Bruber  geinri^s  bes  Stolsen,  ber  1160  gu  50lemmingen 
in  S^roaben  naä)  üppigem  fieben  geftorben  roar.  tffu(^ 
ben  öftenei$if(^n  ^bel  lobt  er  nun  unb  ermal^nt  i^n  3ur 
greigebigfeit.  Do(^  mug  es  SBalters  ©egnem  gelungen 
fein,  bas  D^r  bes  Sersogs  fieopolb  für  fid^  3U  geroinnen, 
benn  ber  le^te  jener  fünf  Sprüche  roe^rt  in  gehaltenen  unb 
überlegenen  2Borten  eine  5BerrDünf(^ung  bes  $er3ogs  ab, 
ber  ben  Sänger  in  ben  2BaIb  f^idt  —  etroa  vok  l^eute 
„ba^in,  too  ber  Pfeffer  maä)\t,"  ober  „u)o  gü^fe  unb 
(gulen  fi^  gute  Sflat^t  fagen".  3a,  2BaIter  fe^rt  biefen 
glu^  graberoegs  roiber  ben  Ser3og  unb  fagt  i^m:  ,föt^' 
bu  in  ben  2BaIb,  lafe  mi(^  htx  ben  aJlenfi^en,  bie  mi$ 
gern  ^aben,  bann  gel^t  es  uns  Beiben  oortreffli^".  2Ran 
begreift,  bafe  ber  Ser3og  biefen  argen  Schimpf  nid^t  gut= 
roillig  ^innal^m,  unb  SBalter  rotrb  fortan  ben  SBiener  §of 
unb  JÖfterrei^  l^aben  meiben  muffen.  (£r  gebenft  fpäter 
bes  Ser3ogs  nur  no^,  roo  er  feine  i^arg^eit  beim  5Rürn* 
berger  Softage  tabelt. 

(£s  ift  ni^t  bas  einsige  SRal,  bafe  mix  auf  eine  93e= 
fonber^eit  in  bem  G^aralter  SBalters  aufmerffam  roerben : 


160 

i^m  wat  ein  ]^oc^be[(^tDmgte5;  aber  auä)  fe^r  empfinbltc^es 
unb  erregbares  ©emüt  eigen;  es  toirb  ni(^t  leitet  geroefen 
fein,  mit  i^nt,  bem  nil^mgetDo^nten  Di(^tcr,  3U  oerfe^ren, 
unb  am  lei^teften  mochte  er  ba  bei  bem  eigenen  £anbes* 
l^erm  anfto^en,  ber  i^n  als  [einen  Untertan  an[a§  unb  bie 
©lorie  ber  5lnerfennung  feiner  3^itgenof[en  ni(^t  ad^tete. 
Dafe  2BaIter  [ic^  am  S^Iuffe  feines  £ebens  fern  oon  ber 
Seimat  dn  Saus  grunbete,  bas  roirb  mit  biefem  unerquidr 
li^en  Streite  sufammenl^ängen,  ber  i^m  ^]Uixtx(i)  tnU 
frembete.  SBeffer  gelang  es  bem  Dieter  einige  3^^^  ^or= 
md)  (£.  80,  27.  35)  Ui  bem  ©rafen  Diet^er  IL  oon 
ila^enellenbogen.  Den  preift  er  juerft  in  ftolsen  2Borten 
als  freigebigen  $€rrn  unb  ma^t  i^n  aufmerffam,  ba^ 
ein  £ob  aus  feinem  SJhinbe  i^m  me^r  ^Ru^m  eintragen 
roerbe  als  bie  lieber  oon  taufenb  lanbfai^renbcn  ^fuf^ern. 
Der  ©raf  f^enft  bann  2Baltern  einen  9ling  mit  einem 
foftbaren  Diamant,  roorauf  eine  Strophe  folgt,  in  iDel= 
^er  ber  Sänger  ben  Spenber  einen  ber  fc^önften  ^Ritter 
nennt,  ber  il^n  ol^ne  oorl^rige  93itte  ju  ft^ä^en  roiffe;  bie 
St^ön^eit  ift  aber  bie  innere  ber  3^ugenben,  roelc^e,  nac^ 
aufeen  gefe^rt,  ben  ©rafen  ausjeif^net,  ber  offenbar  5ä6= 
\xd)  geroefen  ift.  5luc^  ^ier  merfen  toir  2BaIters  feine 
äBeife,  3U  loben,  bie  5lunft,  mit  ber  er,  o^ne  loertoolle 
(Bdbm  3u  oerfc^mä^en,  ]x^  felbft  über  bie  fa^renben  fieute 
ftellt  unb  baburc^  u)ieberum  feinen  rul^menb^n  Sprühen 
eine  ^öl^ere  Sebeutung  oerlei^t. 

SnstDif^en  roaren  bie  großen  politif^en  ^läne  grieb= 
ri^s  gereift,  ber  je^t  ni^t  me^r  burc^  bie  9?üdfi$t  auf 
feinen  el^emaligen  SBormunb  unb  Sef^ü^er,  ?apft  3^no= 
äenj,  gebunben  roar  unb  beffen  biplomatift^e  5^unft,  fei= 
nen  S^arfblid  unb  feine  ^errf^erftellung  ni^t  me^r  3U 
freuen  brauchte,  ^uf  bem  granffurter  Softage,  17.  ^ril 
1220,  gelingt  es  i^m  o^ne  äußerlichen  Drud,  bei  ben 


161 

gürflen  bie  SBal^I  feines  Rnahtn  $etnn^  5um  bcutf^en 
SibniQ  bur(^5ufc^cn,  am  22.  S^oocmber  1220  frönt  i^n  [elbft 
$apft  $onoriu5  in.  5um  Äaifer.  (Es  i[t  ein  Xriump^  fei= 
ncr  ^olitif,  bag  er  htx\)t5  in  einem  Zdf)xt  guftonbe  gebrockt 
^at  ^ber  es  3eigt  au(^  5uglei^,  toie  griebri(^  IL,  ber 
einer  ber  bebeutenbften  SRenfc^en  [einer  S^xi  unb  iebesfdls 
ber  bebeutcnbjte  Staufer  gexöefen  ift,  [eine  Stellung  in 
Deut[d^lanb  auffaßte.  Sie  beilegte  i^m  ni(^t.  Dur(^  bie 
5lämpfe  ip^ilipps  loar  bas  überaus  reiche  §ausgut  bei 
gamilie  3er[plittert,  teiIrDci[e  aufgese^rt,  [o  bafe  ja  ^^i^ipP 
felb[t  in  [einen  legten  ^ai)xtn  l^atte  fargen  mü[[en;  unb 
bie  ehemals  ge[(^Io[fene  ^aä)i,  ber  große  [(^u)äbi[^e 
3^erritoriaIbe[i^,  loat  nic^t  me^r  in  ber  ^lusbel^nung  Dor= 
l^anben,  mü^t  bem  5lai[er  bie  unum[(5rdnfte  5Iusübung 
[einer  Serr[^erre^te  geroä^rleiftet  ^ötte.  Darum  lonnte 
er  lei^teren  Serjens,  [ofern  er  bas  Imperium  bel^ielt, 
auf  bie  beutf^e  ilönigsfrone  3ugun[ten  [eines  Sohnes 
Dergit^ten  unb  überbies  babur^  [einem  Saufe  bie  Erbfolge 
[it^ern.  (Er  fanb  bie  tDe[entIi(^en  ©runblagen  [einer  SP^ac^t 
in  [einen  italieni[(^en  93e[i^ungen,  oome^mli^  in  Siäilien. 
X)ort  füllte  er  \xä)  au^  ju  Sau[e,  benn  er  mar  überhaupt 
fein  Deut[(^er,  [onbern  ein  Staü^Tier  na^  (Seburt,  Sprache, 
Grjie^ung  unb  allen  Einlagen  [eines  reiben  (5ei[te5.  Seine 
ge[amte  ^er[önli^feit  x]i  unbeut[^,  nur  bie  ^^rabition,  bte 
auf  [eine  $oIitif  einroirft,  i[t  [taufi[^.  Dort  in  Sizilien 
l^at  er  bie  2}errDaltung  eingerid^tet,  beren  Organismus  (eine 
3eitgeno[[en  be[taunten,  unb  bie  i^m  bie  9JlitteI  3U  [einen 
langjährigen  kämpfen  roiber  ^ap[t  unb  Äir^e  bereit^ 
[teilten.  5lber  beoor  er  [eine  italieni[^e  SKac^t  ausbauen 
lonnte,  mußten  bie  beut[d^en  Angelegenheiten  in  Orbnung 
gebracht  toerben.  Dasu  uianbte  er  alles  auf  unb  50g  au^ 
bie  beroai^rte  Silfe  bes  oolfstümli^en  Sängers  5^ran. 
Das  S3e4altnis  SBalters  pon  ber  SJogelxoeibe  ju  5lai[et 


162 

Sfrtebrid^  tft  ein  gan5  anbcres  als  has,  in  bcm  er  5u  bcn 
früheren  Scrrfc^cm  geftanbcn  ^atU.  Dort  toar  es  ein 
fretiDilliges  5Inerbietcn  t)on  gall  5U  Jall,  2BaIter  ftellte 
feinen  Sang  in  ben  Dienft  bes  ^tei^es  unb  erhoffte  bafür 
auc5  ßol^n;  ^ier  ift  [i(^erli(^  ein  ^aft  eingegangen  tuorben 
mit  gegenfeitigen  Sßerbinbli^Ieiten :  2BaIter  toirb  nun  oon 
ben  planen  bes  5laifers  unterrichtet  unb  bemüht  fic^,  |ie 
burd^  ben  (Einfluß  feiner  ^oefie  3U  förbern.  (£r  ift  alfo 
nunmel^r  als  politifc^er  ^gent  5U  betrachten,  ber  in  feftem 
Dienftoerl^ältnis  fte^t.  3)em  entfpric^t  ber  £o{)n  bes 
Sängers:  ein  eigenes  §eim. 

3ut)örberft  ^anbelte  es  fic^  barum,  bie  öffentliche 
SReinung  bafür  3U  geroinnen,  ba^  ber  junge  Seinrit^  jum 
beutfc^en  ilönig,  einfttodlen  unter  SBormunbfd^aft,  geroä^It 
unb  fomit  bereits  im  ooraus  3um  bereinftigen  5Ra$f olger 
feines  Sßaters  beftimmt  roerbe.  Diefem  3ioed  ift  ein  Spruc^ 
SBalters  gum  granffurter  Softage  geroibmet  (Q,  29,  15) : 
er  mal&nt  fc^ers^aft  bie  Surften,  bie  i()ren  Äönig  gern 
los  toären,  feinem  9?ate  3U  folgen,  bann  brächten  fie  i^n 
balb  über  3:rani,  bie  italienifc^e  Mftenftabt,  hinaus.  35or 
allem  follen  fie  nic^t  b^n  5lönig  oom  5lreu33ug  abgalten; 
bas  tun  fie  jebo^,  toenn  fie  fic^  toeigem,  auf  feine  ^läne 
ein3uge5en,  il^nen  gerei^e  bie  fja^rt  immer  3um  5BorteiI, 
wk  fie  auä)  ausgel^en  möge.  Daran  fc^Iiegt  fi^  unmittel= 
bar  ein  Spru^,  in  bem  2Balter  ben  5lönig  um  eine  Seim= 
ftätte  bittet.  (Sx  Ileibet  bas  in  rül^renbe  2Borte,  bie  teil= 
roeife  an  alte  oolfstümlic^e  Sprühe  erinnern  (2.  28,  1): 
„35r,  S3ogt  oon  5Rom,  5lpuliens  gürft,  lafet  (£uc^  er= 
barmen  unb  lafet  mi^  nic^t  tro^  reicher  5lunft  alfo  t)er= 
armen!  ©ern'  möd^t'  i^,  fönnf  es  fein,  am  eignen  gerb 
enoarmen.  Sei,  roie  i^  bann  oon  33öglein  fange  unb 
00m  ©rün,  oon  SBlumen  unb  ber  ^^eiht,  wk  id)  cinftens 
fang,    ©etoä^rt'  mir  eine  fc^öne  grau  bann  i^ren  Danf, 


163 

i^  liefe'  t^r  5Rof'  unb  ßtite  aus  bcn  SBangen  blü^n.  So 
fomm'  iä)  ]pät,  frül^  rctf  t^  fort:  rocl^,  (Saft,  btr  toel^! 
Der  2Btrt  allein  [ingt  frö^Iic^  oon  bem  grünen  5llee. 
SBe^rt  ah  oon  mir  hk  9^ot,  o  §err,  halß  eure  5^ot  oergel^'." 
!I5er  SinxDeis  auf  bie  Sebrdngnis,  in  bie  griebri^s  2Bün[^e 
hex  ben  gürften  gerieten,  mag  bie  Sitte  bes  Sängers 
unter[tüfet  §aben,  unb  als  griebri^s  SBille  gef^e^en, 
\tin  Sol^n  jum  5^önig  erhoben  ift,  ba  oergifet  er  auc^  nit^t 
bes  Dichters.  SBalter  erroibert  auf  bas  rei(^e  ©ef^enf 
mit  jubelnbem  :Danf  (£.  28,  31) :  „^ä)  ^ah'  mein  fielen, 
5ör's  alle  2ßelt,  xi)  ^ab'  mein  fielen.  9^un  fürtet'  x^ 
nxä)t  ben  garten  groft  an  meinen  3^^^^  unb  brau^'  bei 
fargen  $errn  ni(^t  mel^r  ju  flel^en.  Der  eble  milbe  5lönig 
^at  mxä)  fo  beraten,  bafe  xä)  im  Sommer  fü^I  unb  toarm 
im  SBinter  too^ne.  9lun  folgen  mir  bie  ^a^haxrt  langer 
ni(^t  mit  i^rem  $o]^ne,  [ie  [e^n  mx6)  ni(^t  als  $Bogel= 
f^eu(^e  an,  roie  fie  je^t  taten.  3^  ^^"9^  i^ar  xä)  toiber 
Sßillen  an  ber  5Irmut  fran!  unb  fo  getoo^nt  $u  freiten, 
bafe  mein  5Item  ftan!.  Den  ^at  bes  Äönigs  gulb  mir  rein 
gemalt  unb  baju  meinen  Sang/'  Dafe  2BaIter  in  biefen 
SBerfen  übertreibt,  ift  ganj  begreifli^  unb  liegt  in  bem 
3rDe(fe  bes  Spruches;  man  roirb  besl^alb  ni(^t  barauf^in 
(roas  oor  furjem  roirfli^  g^f^^a^)  fi^  ben  Sanger  toie 
einen  l^eutigen  Jßanbftrei(^er  mit  jerriffenen  Stiefeln  oon 
§aus  5u  $au5  bettelnb  oorftellen  bürfen.  Das  ®ut, 
roel^es  2BaIter  erhielt,  roirb  oiellei^t  in  ber  ©egenb  oon 
2Bür5burg  gelegen  ^aben,  toie  man  oermutet,  ba^er  mo^te 
i^m  au^  ber  ©raf  oon  i^afeenellenbogen  befannt  toerben, 
ber  in  bemfelben  Serei(^e  £änbereien  oon  b^n  SBürsburger 
^Bif^öfen  3U  £e^n  trug.  2Ba^rf^einIi(^  tourbe  ber  Ort 
mit  9türffi(^t  auf  2ßalters  SBerioenbbarteit  im  ^Rei^sbienfte 
geujä^It.    2Bir  roiffen  ni^ts  ^Rä^eres.  — 

SÖSa^renb  ber  ^btoefen^eit  bes  5laifer  griebri(^  aus 


164 

Dcutft^Ianb  iDurben  bte  iRegtcruttösgefi^äftc,  ba  ber  neun* 
jäl^rtgc  RbnxQ  $etnrt^  fte  nxä)t  ido^I  üerfe^cn  fonntc, 
einer  Äommiffion  übergeben,  bte  oornel^mltt^  aus  grofeen 
ftauftf^en  9letc^5mtnt[tcrtalen  beftanb,  unb  an  beren  Spi^e 
\x^  ber  (£r5bif(5of  (gngelbret^t  oon  Äöln  Befanb,  ber  mit 
foli^en  ©eroalten  ausgeftattet  mar,  bafe  er  in  ber  Xat 
als  „©ubemator*'  bes  !Deutf^en  SReic^es  bejett^net  toerben 
burfte.  Das  toar  ein  fluger,  energif^er,  bisroeilen  [ogar 
rüdfic^tslofer  IDlann,  ber  bie  Ctbnung  üortreffli^  ju  cr= 
Italien,  ben  l^abgierigen  unb  geraalttätigen  ^bel  $u  ban= 
bigen  roufete.  SJlan  nannte  i^n  tool^I  barum  ben  „gürften* 
meifter".  greilt(^  ma^te  er  [i(^  oiele  g^inbe,  befonbers 
unter  ber  5Ritterf^aft;  toelt^e  im  grieben[tören  faft  ein 
(SetDerbe  fanb.  ^ber  au(^  in  ber  großen  9lei(^spoIitif 
überf^ritt  er  juroeilen  fetbft  bie  für  i^n  fe^r  ujeit  ge= 
gogenen  ©renken,  unb  es  fel^It  ni^t  an  SBeifpielen,  roo 
üniaferegeln,  bie  er  in  austodrtigen  ober  ^eimif^en  ^n= 
gelegen^eiten  getroffen  f)attt,  oom  Äaifer  loieber  rud* 
gängig  gemacht  merben  mufeten.  S^it^tsbeftoroeniger  loar 
er  bie  [it^erfte  Stü^e  bes  [taufi[(^en  5tegimentes  unb 
fteltte  als  ber  gefürc^tete  ^nujefenbe  bie  ober[te  5Rei(^s= 
autorität  $eitxoeiIig  bar.  50lit  biefem  mächtigen  unb  be* 
beutenben  SP^anne  toar  SBalter  oon  ber  SBogeltoeibc  na^e 
oerbunben,  i^m  finb  einige  feiner  Sprüche  geroibmet. 
3u  Mmberg  fanb  am  25.  3uli  1224  ein  goftag  ftatt, 
wo  auf  ^Betreiben  (£ngelbre(^ts  neue  Seftimmungen  felt= 
gefegt  iDurben,  um  ben  freien  SBerfe^r,  befonbers  ber 
ftäbtif(3^en  Äaufleute,  toiber  bie  abeligen  Strau^biebe  3U 
f^ü^en.  X)esrDegen  fagt  au^  2BaIter  (fi.  84,  14),  bort 
l^abe  ein  gutes  (5eri(^t  ftattgefunben.  SBenn  i^n  bie 
£eute  bann  roeiter  fragen,  toas  bort  gef^e^en  fei,  fo  Ic^nt 
er  es  ab,  barauf  ju  antroorten  —  er  roar  niä)t  als  (5abe= 
l^eif^enber  bort  —  er  oertoeift  auf  bie  fa^renben  fieute, 


165 

hu  über  bic  Äargl^eit  ber  t)er[ammelten  gürftcn  Üagten, 
unb  [^liefet  mit  einem  [pi^en  3:abel  für  §er5og  £eopolb 
t)on  £)[tenei(§.  Xlnroillfürli^  fommt  man  auf  ben  (5e= 
banten,  was  SBalter,  tva  er  hoä)  ni(^t  üortrug,  auf  jenem 
$oftage  ju  [Raffen  ^atte,  unb  toes^alb  \xä)  bie  £eute  gans 
insbefonbere  an  i^n  als  an  einen  Xlnterri^teten  toen* 
beten,  roofem  [ie  nx^t  iDufeten,  bafe  er  irgenbeine  amtli(^e 
!Xatigfeit  bort  ausübte;  unb  [o  toeit  es  oon  ber  SBa^r^eit 
abliegen  mag,  toenn  SBalter  für  ben  Grsie^er  bes  jungen 
ilönigs  §einri^  gel^alten  rourbe,  fo  i[t  es  hoä)  nxä)t  un= 
roai^rf^einli^,  ha)^  er  [ein  ßel^ngut  als  5Be[taIIung  für  eine 
beftimmte  l)ienftlei[tung  beim  9lei(^  erhalten  ^at.  C£r 
rü^mt  ben  (grabif^of  bann  in  einem  bejonberen  Sprud^ 
(£.  85,  1) :  (Engelbre^t  f}abt  Hrfa^e,  \i^  ju  freuen,  benn 
er  l^abe  bem  5{ei^e  treffli(5  gebient,  unb  f)oä)  fteige  fein 
Jßob.  Deshalb  möge  er,  ber  gür[tenmei[ter,  ]iä)  auä)  um 
hk  Drohungen  ber  geiglinge  ni^t  feieren,  bie  i^n  be* 
feinben.  (£r  ^obe  bas  ni^t  nötig:  er,  ber  treue  ilönigs* 
Pfleger,  bes  Äaifers  (E^ren^ort,  ber  befte  Raxx^Ux,  ber 
Ädmmerer  ber  ^eiligen  brei  Könige  unb  ber  elftau[enb 
3ungfrauen,  bas  Reifet,  ber  Io[tbaren  ^Reliquien  im  Dome 
äu  ilöln.  3^  einem  anberen  Sprühe  bittet  2B alter 
htn  (Erabifc^of  um  $Rat  (£.  84,  22)  in  Sa^en  feiner 
5lunft,  er  toill  oon  i^m  erfal^ren,  toel^e  2:onart  er  in 
einem  aufgetragenen  Jßtebe  antoenben  foll.  5lein  3iDßif^Ii 
bafe  fi^  bies  auf  ein  politif^es  ©ebi^t  ht^it%  bas  oon 
2Balter  ©erlangt  mirb;  toel^es  jebo^  unb  ob  überhaupt 
eins  ber  uns  befannten  barunter  gemeint  ift,  baoon  loiffen 
toir  ni^ts.  —  3^^  tux^tx  3ßit  barnac^  erfüllte  fi^  bas 
(Öef^id  bes  SRei^soertoefers.  (grjbif^of  (Engelbrec^t  rourbe 
am  7.  ^Rooember  1225  oon  einem  SBertoanbten,  bem  ©rafen 
griebri^  oon  TOena^Sf^^^urg,  ermorbet.  SBos  aus  2Bal= 
tcrs  früherem  Sprudjfe  ^eroorge^t,  bafe  oiele  oom  5lbel 


166 

bcn  (BuBemator  tDegcn  feiner  Strenge  unb  (5ere$ttglett 
l^afeten,  bte  i^nen  bos  ^anbrnerf  oerbarb,  tDurbe  je^t 
gong  offenbar,  benn  eine  Partei  unter  hm  Stanbesgenoffen 
bes  äRörbers  fu^te  fogar  ben  Jßauf  bes  Strafoerfa^rens 
5U  §emmen.  SBalter  liefe  fid^  baburt^  ni^t  abl^dten, 
bas  £ob  bes  Söerftorbenen  5u  fingen,  er  tat  es  in  einem 
befonberen  Sprudle,  ber  fi^  5<iuptfad^Ii(^  n)iber  ben  5Ber* 
Bretter  feiert  (£.  85,  9):  er  fann  feine  SD^arter  finben, 
roeld^e  bte  Untat  fü^nen  toürbe,  unb  ^offt,  ber  Sßörber 
toerbe  lebenb  pon  ber  §ölle  oerfc^tungen  n)erben.  93ei 
bem  fc^rectli^en  (£nbe,  bas  ber  ©raf  oon  ^f^^^ni^Ö  ^m 
nät^ften  ^^^restag  oon  (Engelbre^ts  Xobe  5u  Rbln  fanb, 
ift  ein  2;eil  ber  t)on  2BaIter  genannten  Strafen  an  i^m 
DoIIjogen  u)orben.  — 

(Ein  neuer  3ufammenftofe  äroifd^en  Äaifer  unb  ^apft 
ftanb  betjor  unb  nal^m  bes  Sängers  ilunft  sum  legten 
SJlale  in  5lnfpru^.  Sei  feiner  feierlichen  ilrönung  im 
Zdi)xe  1215  l^atte  \iä)  Äönig  gn^bric^  felbft  unertDarteter= 
toeife  bas  5lreu5  aufgeheftet;  fei  es,  bafe  er  ujirfli^,  \>m6) 
feine  rafc^en  (Erfolge  gehoben,  eine  geerfa^rt  ins  Seilige 
£anb  5u  unternehmen  gebac^te,  fei  es,  ha^  er  nur  ber 
5lir^e  feinen  guten  SBillen  seigen  toollte.  Der  ^apft 
§onorius  IIL,  bes  großen  3^i^o5en5  unbebeutenber  5Ra(^= 
folger,  nal^m  il^n  beim  SBort,  unb  oon  biefer  3^^t  ön  bis 
5ur  Sannung  bes  5laifers  bur^  ?opft  (Sregor  IX.  am 
29.  September  1227  bauert  txn  ununterbrochenes  33er= 
^anbeln  sroifd^en  griebri^  unb  ber  römif^en  Äurie:  Xer= 
mine  tourben  betoilligt,  ni^t  eingel^alten,  Sntf^ulbigungen 
Dorgebrad^t,  neue  griften  eingeräumt,  ©etoife  l^at  ber 
5^aifer  einen  ilreujsug  na(j^mals  ernftli^  in  fein  politif^es 
Programm  aufgenommen  —  ber  f^idte  fid^  gan5  ujol^l 
5U  feinen  2Bünf(^en  unb  Steigungen  —  allein  bie  58«= 
feftigung  feiner  9Ka§t  in  3^^^^^^/  ^^^  Sicherung  ber  beut* 


fj^en  (Erbfolge  unb  mand^es  anhcrc  festen  i^m  tDid^liger; 
in  bcit  legten  Stabien  "ht^  ^abets  mag  er  aud^  tat* 
fä^Ii^  bur^  äußere  St^roterigfeiten  unb  Unfälle  ab* 
gehalten  toorben  fein.  ^Tnbererfeits  oerfte^t  es  [i(^,  bafe 
ber  $apft  auf  bas  Ieb]^afte[te  bröngte.  Stanb  tio^tx  an 
fid^  tv\  bebeutenbes  fir^Ii^es  3ntere[fe  auf  bem  Spiele, 
[o  tDurbe  'xAt  Sad^Iage  t)iel  fritifd^er  für  \i\t  Rurie,  als 
na(^  ben  oorübergel^enben  (Erfolgen  oon  1220  bas  er* 
oberte  Damiette  fc^on  1221  toieber  oerloren  ging  unb  jiDar 
bur(^  bie  Sd^ulb  bes  unfähigen  Dberlommanbierenben,  bes 
ilarbinallegaten  ^elagius.  (Es  mußte  bem  ^ap(te  alles 
baran  liegen,  biefe  flaglit^e  Sparte  roieber  ausjutoe^en, 
unb  als  5lönig  ^^iKpP  ^uguft  oon  granfreic^  1223 
geftorben  mar,  berul^ten  alle  Soffnungen  bes  römifc^en 
Stuhles  allein  auf  5laifer  griebric^.  Denn  ber  (Eifer  für 
bie  5lreu55üge  toar  allgema^  erfaltet,  oon  ben  gran5o[en 
5atte  man  gar  ni^ts  me^r  5U  enoarten,  bie  oielfa^en 
S^icberlagen,  ber  geringe  ©etoinn,  oor  allem  aber  bie 
jebesfalls  mit  ben  (Eipebitionen  oerbunbenen  ungel^euren 
SBerlufte  an  9P^en[^en  unb  Kapital  [(^redten  oon  toeiteren 
S3er[ud^en  ob.  Der  (Ent^ufiasmus  ber  er[ten  Äreujfal^rten 
^atte  einem  rul^igen  ^broägen  unb  Sere^nen  ^la^  ge* 
mad^t,  bas  ber  gortfe^ung  biefer  3ü9ß  ni(^t  günftig  loar. 
Der  ilaifer  jui^te  ben  2Bünf(^en  bes  ^apftes  auc^ 
barin  ju  toillfa^ren,  \y(x\  er  SBaltern,  ber  f(^on  früher 
einmal  ein  Äreujlieb  gebic^tet  ^atte,  auff orberte,  \\i)  roieber 
für  bie  (Sottesfa^rt  ju  bemül^en.  Um  ben  (Eifer  bes 
Sängers  5U  fpornen,  fenbet  er  t^m  aus  3tölicn  ein  fo  fo[t* 
bares  (Sef^enf,  baß  baoon  (£.  84,  30)  bie  Ägen  ge* 
blenbet  toerben,  baß  aber  au^  bie  ^ugen  ber  9leibif^en 
bas  SBeiße  fe^en  laffen,  bas  l^eißt,  [(^eel  bliden.  2Balter 
]^at  bem  laiferli^en  ©ebote  g^lge  gelei[tet  unb  eines 
[einer  f^önjten  ßieber  als  ^ufforberung  jur  Äreujfal^rt 


168 

gebit^tet,  bte  er  [elbft  nit^t  mel^r  roagcn  burfte.  Das 
Hnl^cfl  toar  jcbo^  n{(^t  aufjul^altcn.  Der  i^aifcr  [^ifftc 
fi^  am  8.  September  1227  mit  bem  ßanbgrafen  fiubtotg 
von  ZJ)üTmQtn  in  SBrmbt[t  tin,  beibe  erfraitften,  am  11. 
ftarb  ber  ßanbgraf,  unb  griebrtc^  lehrte  jurürf.  "^uä)  [ein 
ganjes  §eer  warb  burc^  eine  böfe  Scu^e  ^art  mit« 
genommen.  £)b  ber  5laifer  unter  bie[en  llm[tanbcn  im 
9?e(|te  mar,  roenn  er  jurüdblieb  unb  babur(^  bcn  5lreu53ug 
im  n)efentli(^en  uereifelte,  ober  ber  ^apft,  ber  i^m  ni^t 
länger  glaubte  unb  il^n  besl^alb  bannte,  bas  läfet  \iä) 
n\ä)t  ausmad^en.  ^^besfalls  u>ar  bie  (gxfommunifation 
bes  ilaifers  au(^  ein  l^arter  Sd^Iag  für  bas  IReit^:  ni^t 
fo  fel^r,  meil  bas  35oIf  fic^  über  bcn  93ann  felb[t  äng[tigte 
—  bie  mifebilligenbe  unb  gleichgültige  Stimmung  bes 
Söolfes  gegen  biefe  SQlaferegel;  bie  burt^  allju  häufigen 
(Btbxauä)  bas  htltt  %ül  il^rer  5lraft  bereits  eingebüßt 
l^atte,  geben  greibanfs  Sprühe  micber  —  fonbern  roeil 
man  ange[i(^ts  ber  stoeibeutigen  Haltung  bes  jungen 
ilönigs  $einri(^  gegen  feinen  23ater  neue  2Binen  in 
I)eutfc^lanb  beforgte.  Unter  biejen  SBer^Itniffcn  finb 
SBalters  le^te  polttift^e  ©ebi^te  entftanben.  (£r  rebet  5u 
©Ott  (fi.  10,  9)  unb  fle^t  il^n  an,  er  möge  bie  geinbc 
feines  9leid^es  unb  (Erbes,  bes  geiligen  fianbes,  jüc^tigen; 
aber  ni^t  blofe  bie  Seiben,  bie  es  menigftcns  offen  be= 
fe^ben,  fonbern  auä)  biejenigen  (E^riften,  bie  no^  gefä^r^ 
lieber,  nämli^  im  gel^eimen,  bamiber  finb.  2Ben  ber 
Sanger  bamit  meinte,  fonnten  bie  3w5örer  lei^t  aus* 
finben.  Dann  menbet  \iä)  SBalter  an  ben  5laifer  (Q.  10, 
17),  nennt  fic^  feinen  „armen  SKann",  gibt  fic^  fomit  als 
bie  Stimme  bes  SBoIfes,  ]^\dt  x\)ni  einen  5Boten  unb 
ma^nt  i^n,  bafe  er  jur  ilreujfa^rt  ausgieße,  ober  au(^ 
fid^  Don  ben  ©egnem  bal^eim  nid^t  irren  laffe :  bie  3{tä)Un, 
bas  ift  bie  faiferlit^  gefinnten   ©eiftli^en,   foll   er   oon 


169 


bcn  Unrechten,  pap[tli^cn,  trennen  unb  biefe  felBlt  aus 
i^ren  5lir$cn  entfernen.  2Biber  ben  RUms  unmittelbar 
feieren  [ic^  bte  befben  nä^ften  Sprü(^e  2BaIters  (fi.  10, 
25.  33):  er  rat  bcn  ^rtejtern  5ur  apo[toItf(^en  ^rmo[en= 
Ipenbe  unb  leitet  neuerbings,  mie  [^on  einmal,  bie  fc^Iim* 
men  3iif^önbe  von  ber  Ronftanlinifc^en  S(^enfung  ^er, 
beren  fjolgen  i^r  Xlr^eBer  ni^t  Dorausgefe^en  \)ab^.  Ttann 
lä^t  er  ben  alten  Klausner  —  eine  früher  bereits  oer^ 
rocnbete  5?oIIe  —  flagen  unb  raten,  ba^  man  gegen 
bie  SBerbreiter  bes  üblen  Cannes  energi[^  porge^e,  ben 
(5ei[tli(^en,  bie  miber  ben  5^ai[er  [inb,  [^Tet^ttDeg  i^rc 
(EigenÜr^en  unb  ^frünben  ne^me. 

Den  [iegret(^en  Äreujsug  griebri(^5  oom  Sa^re  1228, 
ber  mit  ber  Sefi^na^me  3erufalems  unb  ber  Krönung  bes 
Äaifers  jum  5lönige  ber  Seiligen  Stabt  ab[(^lofe,  f}at 
2Balter  m6)t  me^r  erlebt.  Rubere  Sorgen  forberten  ben 
Sanger  für  [i^:  ber  junge  Äönig  $einri(^  geriet  1228 
mit  Der[^iebenen  Jürften,  au^  mit  bem  9?ei^soertDefer, 
Serjog  fiubioig  üon  ^Bapern,  in  3^^\^f  begann  überhaupt 
in  [einer  hochmütigen  unb  boc^  fahrigen  2Beife  bie  9^ei(^5= 
gef^fte  ju  leiten.  Da  rilltet  SBalter  einen  f^arfen 
Sprut^  roiber  i^n  (fi.  101,  23),  nennt  i^n  ein  felb* 
geuKi^fenes  5linb,  bas  frumm  geroorben  fei,  ha  man  es 
ni^t  ^aht  gerabe  biegen  fönnen.  3u  Q^^^  f^i  ^r  leiber 
f(^on  für  bie  9lute,  ju  Hein  für  bas  Sd^mert.  (Er  möge 
ru^ig  bleiben  unb  f(^lafen.  2Balter  ^atte  ben  [iebsc^n* 
jährigen  3ii"9li^9  oor^er  überfi^ä^t,  je^t  prop^ejeit  er 
i^m  ein  übles  Gnbe.  Ob  ein  anberer  Spruc^  besfelben 
2^ones  (£.  102,  1)  [id^  auf  §einri(^s  ^ble^nung  bes 
(g^ebünbnilfes  mit  SJlargarete  oon  ÖJterreit^  begießt,  i[t 
unfi(^cr.  Do(5  ber  anf^liefeenbe  britte  Spruch  (fi.  102, 
15)  toirb  roo^l  ^ier^erge^ören.  Darin  flagt  ber  Sänger, 
ba6  SBeis^eit,  5Ibel  unb  TOer  nun  oon  i^ren  Stühlen 

Sc^önBac^,  SSalter  t?on  ber  aSogelttJctbc.  12 


170 

gefto^cn  fctcn,  unb  ruft  We  ©oltcsmutter  SJlaria  ah, 
fte  mö^tc  tl^ncn  rotebcr  ha^n  öcr^elfcn.  9flun  ^aht  ein 
unerfahrener  9Kä(^ttger  biefe  Sifee  eingenommen,  bes* 
toegen  ^xnU  ha^  ^tä)t,  trauere  bie  3^^^  ^"^  jammere 
bie  S^am.  (£5  f(^eint  pffenjuliegen,  bag  biefe  9lebe 
auf  $einri^  unb  feine  leid^tfinnige  ©efenf(^aft  fübbeutf^er 
$enen  belogen  roerben  mug. 

So  feigen  toir  SBalter  Bis  in  feine  legten  Xage  für 
bas  3ntereffe  bes  Deutf^en  5Hei(^e5  tätig,  ^aran  ^t 
er  ftets  unenttoegt  feftgel^alten,  mochte  er  es  eine  3citlang 
M  bem  2BeIfen!önig  ober,  rool^in  bie  Überlieferung  ber 
Seimat  i^n  f^on  mies,  hd  ben  Staufern  am  beften  ge* 
roa^rt  finben.  2Bir  ^aben  lein  5?e(^t,  feine  §altung  burc^ 
perfönlit^e  (5en)innfu(§t  5U  erllären;  has  lie^e  fic^  and) 
bur(^au5  nid^t  mit  ber  nat^toeisbaren  loeitgreifenbcn  2Bir^ 
fung  eben  feiner  poIitif(^en  T>x(^tur\Qtn  oereinen.  X)a6 
fein  eigenes  fleines  S(^idfal  an  bas  grofee  t>es  9^ei^e5 
gefnüpft  toar  unb  mit  biefem  mani^erlei  2BanbIungcn 
burc^ma^te,  bas  ift  nichts  auffälliges  unb  fonnte  fügli(^ 
nic^t  anbers  fein.  Unb  toir  muffen  uns  \>oä)  re^t  pten, 
politifc^e  ^nf^auungen  ber  ©egentoart,  mögen  fie  oon 
toel^er  Seite  immer  fommen,  unferem  Urteile  über  ben 
ßebensgang  unb  G^arafter  2Balters  oon  ber  SBogelroeibe 
5ugrunbe  3U  legen.  Denn  bas  2Befen  ber  2Renfd^en  bes 
aJlittelalters  fonn  immer  nur  aus  bem  SRittelalter  felbft 
richtig  oerftanben  toerbcn. 


Gnomirdie  Dichtung«    Freidank 

Uralt  ift  bie  Spnid^xDetsl^eit  ber  Dcutf^cn.  Si^on 
5U  ber  3^it;  too  bic  ©ermatten  tto(5  als  etti  ettgerer 
SBerbattb  oott  SBölfertt  itti  Sufattitttett^attge  tnit  ber  grofeen 
arif^ett  ©ettteittfc^aft  ]xä)  befatibeti;  ^attett  |te  eittett  flei* 
nett  Sä)a^  etnfa^fter  (grfal^ningslel&ren  aufgehäuft,  ber 
in  poetifd^e  gormein  geprägt  tDar  unb  ben  fte  mit  ben  t)er* 
toanbten  Stämmen  teilten.  Später,  ba  [ic^  ber  germanif^e 
Xi)pu5  oerfelBftänbigt  l^atte  unb  aus  bem  93unbe  abgerüdt 
war,  finben  [i^  eingelne  Sprit^toörter  ober  ©nippen  ba« 
oon  bei  oerfc^iebenen,  au^  htx  ben  entlegenften  ber  ger* 
manif^en  SBöÜerf^aften,  in  ber[eIBen  ©eftalt  überliefert. 
SBenn  es  irgenb  angebt,  toirb  ber  (Erfal^rungsfa^  in  ein 
Silb  geflcibet,  am  liebjten  in  ein  allertürjeltes  (5t\ä)iä)t6)tn 
eingeft^lolfen,  bas  bie  Seigre  aus  einem  befonberen  oor* 
gelommenen  galle  absieht  ober  i^re  ^ntoenbung  erjä^lt. 
(Es  liegt  biefen  „SBeifpielen",  toie  fie  ganj  richtig  genannt 
toerben,  ebenbiefelbe  ^nfc^auung  jugrunbe  toie  unfern 
alten  t)ol!stümIi(^en  Segens«  unb  3ciuberformeln,  oon 
benen  fi^  oerftümmelte  9{e[te  bis  in  hk  ©egentoart  ge=» 
rettet  l)abtn,  unb  i^ren  epif^en  (Einleitungen:  in  jenem 
galle,  ber  berichtet  toirb,  l^at  ber  Spru^  geholfen,  er  toirb 
au^  no^  je^t  feine  Äraft  betoä^ren.     (Es  oerftel^t  fi(^ 

12* 


172 

Don  felb[t,  bag  btc[c  gform  bcs  93ci[picls  jc^^r  mannig= 
fa^cr  ©eftoltung  fa^ig  i]i,  unb  es  liegen  oiele  3tt)i[^^"= 
jtufen  tnnerJalB  ber  Zm^aM  als  bem  einen  ®renj= 
punft  unb  fursen  6prü(^en  (toie  3.  S. :  Das  i|t  geroi^ 
eine  l^eilige  3^^^,  loß^n  bie  S^afe  grieben  oor  bem 
2ßolf  ^aben,  ober:  5ln  fleinen  9^tem^en  lernt  ber  gunb 
fieber  effen)  als  bem  anbern.  Se^r  beliebt  i[t  bie  Über» 
fragung  eines  bele^renben  33organges  in  bie  ^^ierioelt 
gemefen,  unb  roenn  es  je^t  aud^  [id^er  f^eint,  bafe  bie 
gabeln,  bie  bas  beutf^e  SRittelalter  fennt,  einjeln  unb  in 
b^r  3^ierfage,  fremben  Hrfprungs  finb  unb  jumeift  aus 
ber  antifen  Überlieferung  [tammeU;  fo  bürfen  hoä)  folt^e 
furse  Üierfprüd^e,  roie  fie  l^eute  no(^  fortroä^renb  [i^  neu 
bilbeU;  f(^on  ber  germani[(^en  ^uffaffung  bes  ^^ierlebens 
5ugere(^net  werben.  (£in  befonberes,  au^  ft^on  oltes 
SKittelglieb  biefer  (Enttoidlung  i[t  bie  gorm  ber  „^riamel" 
(oon  praeambulum,  S5or[piel),  bas  Reifet,  eine  ^uf5ä^lung 
paralleler  Jälle,  aus  benen  eine  gemeinfame,  am  S^lujfe 
ausgefproc^ene  fie^re  [i^  ergibt.  (£s  mag  ein  Seifpiel  ^ier 
[teilen:  „SBer  einen  Jreunb  mill  fu(^en,  mo  er  feinen  f)ai, 
unb  jagt  im  2Balb  naä)  Spuren,  roenn  ber  S^nee  jer^ 
ge^t,  unb  faufet  unbefel^en  Diel,  unb  l^alt  gern  ein  Der= 
lornes  Spiel,  unb  bienet  bem  geringen  9Kann,  roo  i^m  ein 
Slo^n  ni^t  bleibt  —  ben  fommt  tool^l  enblit^  9?eue  an, 
fo  er's  5U  lange  treibt." 

Sol^er  Spri(^xDörter  toaren  auä)  in  ber  erften  §olfte 
bes  5[Rittelalters  eine  SJlaffe  im  Umlauf.  3roor  oeränber* 
ten  fie  tägli^  i^r  ^ntli§,  bie  Silber  rourben  geroec^felt, 
erroeitert,  oerengt,  oiele  tauften  unter,  anbere  [tiegen 
empor,  bie  '3Jlt\)x^a\)\  ^xdt  \xd)  glei(^[(^u)ebenb  auf  ber 
Oberfläche  bes  täglichen  SBerfe^res.  ^f)xt  gorm  toar  roo^l 
meiftens  poeti[^,  anfangs  allitterierenb,  unb  als  ber 
Sj^mud  gleichen  Anlautes  ber  ftärfftbetonten  SBorte  gegen 


173 

bcn  gleiten  ^lusgang  ber  SBerscnbcn  cingetau[$t  roarb, 
in  ^Reimpaaren.  3wü  33er[e  motten  in  ber  5Hegel  ge* 
nügen.  So  ^ahtn  bie  Sprü(^e  oolfstümlic^er  ÄebenstDeis»' 
^eit  getoi^  and)  einen  Xeil  bes  geiftigen  ilapitales  gebilbet, 
Don  beffen  3i^f^^  ^iß  fa^renben  Sptelleutc  \\)x  Dajein 
beftritten.  ^IRanc^mal  münjten  [ie  es  in  i^rer  befonbereit 
^rt  aus  unb  prägten  ber  alten  3}oIfsüb erlief erung  ben 
Stempel  i^rer  3ii^iotbualität  auf.  2Bir  lernen  in  ber 
jiDeiten  $älfte  bes  jtDölften  3a§i^5ii"^^rts  ein  paar  foli^er 
Dagierenber  Spruc^bi^ter  fennen.  (£iner  ift  alt,  er  rü^mt 
einzelne  r^einif^e  CBbetleute,  um  ©aben  5U  erhalten,  flagt 
re^t  trübfelig  barüber,  hal^  er  no^  immer  bittenb  oon 
Saus  3u  $aus  roanbem  muß,  unb  tragt  in  etli^en  !raf= 
tigen  unb  bilberrei^en  Strophen  eine  [tarfe  religiöfe 
(gmpfinbung  oor.  2Bir  ]^aben  au^  einige  Sprühe  üon 
biefem  5lRanne,  in  benen  er  feine  5lun[t  an  einer  r)or= 
^anbcnen  Überlieferung  oerfuc^t  ^at  So  ein  paar  furse 
gabeln,  3.  23.,  toie  ber  2Bolf  mit  einem  fingen  SKann  um 
]^o]^en  (Einfa^  Sä)ad)  fpielte;  als  er  aber  einen  SBibber 
Dorbeigel^en  ]a\),  ba  oergafe  er  bes  Spieles  über  ber  er= 
erbten  ©ier  unb  gab  5mei  Üürme  für  einen  Sauern.  9?e^t 
le^rreii^  ift  es  ein  anbermal,  roie  ein  uns  sufällig  beroa^rter 
älterer  Sprud^  ^ier  umgebilbet  roirb.  ^tmx  ^d^t:  XkU 
trübe  gurt  unb  Sul^lf^aft  mit  fc^önen  grauen  reuen  ben, 
ber  \xä)  3u  eifrig  baran  ma^t.  Dos  ©irb  bann  oon  bem 
ga^renben  in  bie  ©eftalt  gegoffen:  SBelc^er  9}lann  ein 
gutes  2Beib  l^at  unb  bo^  eine  anbere  auf[uc^t,  ber  benimmt 
]xä)  roie  ein  Sc^roein,  bas  ben  lautem  Srunnen  oerläßt 
unb  [i^  in  bem  trüben  ^fu^l  toäljt.  Der  jüngere  ber 
beiben  Dichter  finbet  in  feinen  umfangrei^eren  Stropi^en 
au^  me^r  ^anm  unb  l^öuft  bie  93ilber  unb  lebl^ften 
©lei^nifle,  fo  baß  cin3elne  Stüde  beinal^e  als  eine  fleine 
Sammlung   üon    Sprü(§en   über   basfelbe    X^ema    an* 


iwp(Wi?R«Rritf9cwi?ci0nRtfnRtfn     1 74    atsat^sDt^KiPotPtusaaeavxat^tB 

gefeiten  toerbcn  fönncn.  So  fagt  er  einmal:  „SJlan  foü 
ben  SKantel  lehren,  l^etfet  es,  tote  bas  2Better  wt^i;  ein 
Brauer  SJlann  jeboc^  Bleibt  Bei  ber  Saä)t,  rote  fte  jtel^t. 
^xä)t  all3u  fd^toer  tragt  er  an  feinen  ßetben,  unb  mafeüoll 
^ält  er  \\^  in  allen  greuben.  §eut'  finb  [te  mein  unb 
morgen  bein,  fo  teilt  man  gelb  unb  SuBen;  mit  oft  hod) 
[tur3t  er  felBft  hinein,  ber  anbern  gräbt  bie  ©ruben." 

3^^Q^^  fj^o^  fo^<5^  ff^t^^  SBei[piele  bas  in  ber  Statur 
ber  Sad^e  gegrünbete  iBebürfnis  nac^  ber  SBerBinbung 
Don  Spri^tDörtem  $u  ©ruppen,  fo  ift  es  burc^aus  Be* 
greiflic^,  bafe  auä)  größere  Sammlungen  cntfte^en.  Der 
germanif^e  S^orben  toar  bartn  längft  oorangc gangen,  bie 
„Spru(^e  bes  go^en"  gehören  5u  ben  alteften  S3e[tanb= 
teilen  ber  CSbba.  SBas  roir  berart  in  Deutft^Ianb  Befi^en, 
toirb  nic^t  toeit  über  bas  elfte  ^a^x^nnhtxt  3urüdrei^en. 
(£s  finb  suna^ft  anonyme  ilataloge  oon  Spri(^rDörtern, 
alp^aBetift^  georbnet,  in  lateinifci^en  geiametem  oBgefafet. 
2Bie  ]xä)  oon  felBft  oerfte^t,  finb  auä)  in  biefe  Sammlungen 
ni^t  ausf^lieglit^  Sprühe  beutf^en  Urfprungs  auf= 
genommen,  es  Befinben  fi^  fe^r  oft  Sd^e  aus  ber  römi* 
fc^en  Jßitteratur  unb  aus  ber  SiBel  unmittelBar  neBen  fol= 
^en,  beren  beutf^er  SBortlaut  no^  flärli^  hux6)  bie  frembc 
Sülle  f(]^immert.  ©rötere  SBorräte  rourben  oon  einjelnen 
©eiftlid^en  aufgehäuft:  f^on  unter  bem  S^amen  bcs  Seba 
SBeneraBilis  Beftanb  eine  anfc^nli^e  Sammlung  in  alp]&a= 
Betifc^er  golge;  2Bipo,  ber  i^aplan  Ronrabs  bes  Saliers 
unb  ülaifer  $einri(^s  III,,  l^at  ein  SBu^  Spri^ujörter  3u= 
fammengeftellt ;  loenig  fpäter  ber  Wbnä)  Otlo^  oon 
St.  Gmmeram  in  SRegensBurg,  ber  Befonbers  bie  geiligc 
Sä)xx\i  bafür  ausnu^t.  Oberhaupt  lam  im  elften  S^^r* 
^unbert  bie  Steigung  auf,  Sentenjen  aus  ben  Bebeutenben 
Äird^enf^riftftellem  aussusicl^en  unb  in  !nappem  9?aume 
3U  oereinigen.    ^uf  oerf^iebenen  SBegen  ift  bann  biefe 


Vxä)l\ä)t  Überltcfcrung  ins  5BoIf  gebrungcn,  burc^  bie 
^rcbtgt,  fcl^r  ^duftg  au(^  burc^  bie  gebtlbeten  5llcrifer 
unter  ben  IBaganten.  So  tft  es  fem  SBunber,  loenn  [i^ 
bonn  in  ber  SJlenge  ber  SBoIfsfpri^tDörtcr  oiele  biblij^e 
unb  aus  gelehrten  Quellen  oorfinben.  OTgemaj^  l^at  bas 
25orbiIb  latetnifc^er  Sammlungen  beutj^e  ^afyi^rmx  ge=» 
medt,  unb  ^mai  mä)t  Blog  Überfe^ungen  angeregt  loie  bie 
ber  Disticha  Catonis,  fonbem  au^  Jelbftanbige  arbeiten. 
SoI(^e  beutf(^e  Sprit^iDörterbüc^Iein  roirb  es  bei  ben 
ga^renben  ebenfalls  gegeben  ^aben,  namenlos  unb  oor* 
Iduftg  au^  nur  bunt  sufammengerafft,  no(^  nic^t  ju  be« 
ftimmten  3^^^^"  georbnet,  rote  bas  fpäter  hti  ben  „Xu^ 
genbfpiegeln"  unb  ä^nlic^cn  Schriften  gef^e^en  ift.  ^n 
beutfd^en  9Jlanu[fripten  trifft  man  f^on  ujä^renb  bes 
SUJöIften  ^ö^i^^ii^^ßi^ts  (Eintrogungen  einselner  Spri{^= 
loörter  unb  ganjer  C5ruppen  in  SBerfen.  (Eine  ober  mel^* 
rere  foli^er  Sammlungen  biente  bann  als  ©runbftorf 
bes  berühmten  Sßerfes,  bas  in  ben  erften  Degennien  bes 
breise^nten  ^a^x\)unhnts  entftanben  ift  unb  ben  Dramen 
„greibanfs  Sefc^eibenl^eit"  (bas  ift:  illug^ett,  SBerftönb* 
nis)  fü^rt. 

greibanf  nennt  fi^  gar  nit^t  ben  SBerfaffer  bes 
©u(^es,  er  beseid^net  feine  2^tig!eit  gan5  genau  mit  bem 
2Borte  berihten,  bas  ^ti^t,  in  Orbnung  bringen.  (£r  ^at 
bas  93?aterial  großenteils  oor^anbencn  geften  entnommen, 
aber  au(^  oieles  aus  eigener  5lenntnis  l^insugefügt.  Diefe 
mar  fel^r  ausgiebig,  benn  obgleich  ein  ga^renber,  toar 
greiban!  ein  geBilbeter  S^lann,  ^^^tte  vodU  IReifen  gemad^t 
unb  toar  auf  einem  ilreu53uge  im  Orient  geiöefen;  fejr 
oerf^iebenartiger  Stoff  floß  in  feinem  ©ebat^tnis  ju« 
fammen.  Das  HRaterial  roar  aber  ro^,  niä)t  5u  oiele 
oon  ben  Sprühen  toaren  in  SBerfen  ober  SJerspaaren  über* 
liefert,  oiele  in  %ofa,  gar  mand^fe  lannte  er  auc^  nur 


176 

Iateint[(5.  Seine  Sorge  war  es  nun,  bte[er  bunten  JüUc 
eine  einl^ettli^e  (5e[talt  ju  oerlct^en,  er  [e^te  [ic  in  bic 
f)0^x\d)  ersogene  Spraye  um  unb  (t^Iit^tete  [ie  in  bie 
beliebten  SBerspaare  bes  ritterlichen  (gpos.  Diefe  Xatig^ 
feit,  bie  Sammlung,  ^lufjei^nung  unb  93earbeitung  barf 
man  feinesroegs  unter[(^äfeen.  2Bas  bisher  5er[tü(ft  um* 
l)tx\ä)wamm,  fotoo^l  im  ©ebät^tnis  ber  ga^rcnbcn  als  in 
einseinen  5Bü(f)lein,  bas  rourbe  nun  5u  einer  fompaften 
50la[[e  oerbunben,  bie  nic^t  leicht  oerloren  gcfien  fonnte. 
Unb  es  löurbe  huxd)  [ein  neues  (Setoanb  bcr  gebilbctcn 
üome^men  ©efellfti^aft  5ugängli^  unb  in  beren  Ob^ut 
übertragen,  ^t^t  ©erben  bie  otelen  $anb[c§riften  ange» 
fertigt,  üon  benen  u)ir  rDi[[en,  unb  bie  „Se[^eiben^eit"  in 
bas  fe[te  (Seiftest) ermögen  aufgenommen,  bas  an  bie  bür= 
gerli^en  5lrei[e  !am,  als  [ic^  Silbung  unb  ^oefie  3U 
i^nen  ©anbten. 

greibanf  l^at  loo^l  au^  einlaufe  gemacht,  bie  Sprüche 
il;rem  S^^alte  naä)  5U  orbnen,  aber  es  ift  bei  ben  ^n= 
laufen  unb  hti  ber  S3er!nüpfung  einaelner  Sprühe  5U 
5Rei]^en  na^  ettoas  äufeerli^en  ©elit^tspunften  oerblieben. 
Man  u)irb  bas  nid^t  tabeln  bürfen,  benn  bie  SJlaffe  toar 
thtn  in  bem  3uftanbe,  ben  grcibanf  oorfanb,  oiel  fernerer 
3u  überf(^auen  unb  5U  fiepten  als  in  ber  oon  i^m  gelieferten 
^Bereinigung.  1)oä)  ^aben  aud^  bie  5öer[u(^c  [päterer 
S^reiber,  Orbnung  unb  Spftem  in  bie[e  gülle  5U  bringen, 
ein  (5an5es  5U  [(Raffen,  feinen  re(^ten  (Erfolg  gehabt.  Xas 
(5an5e  x]t  nur  im  3^^^!  oor^anben,  eben(o  toie  bei  ber 
33erf$mel5ung  ber  oerfi^iebencn  Sc^id^ten  oon  9Iibelungen- 
liebern  5U  einem  nationalen  (Epos;  au^  ber  9}Iittcl=  unb 
S^toerpunft  bes  2Ber!es  i[t  nur  ein  ibealer.  (Es  loürbe 
!aum  jemanb  gelingen,  ein  in  ]\d)  übereinftimmenbcs  SBilb 
altbeutfi^er  £ebensanf(^auung  aus  biejen  Sprüd^en  3U= 
fammenäu[eöen.  :^u  oiel  grembes  i[t  b<xrunter,  au^  [trcbt 


bic  SBoIfsiDcis^eit  barnac^,  alle  Dinge  oon  i^ren  betben 
Seiten  5U  fe^en,  unb  mir  roerb^n  uns  ni(^t  immer  flar 
barübcr,  roelc^e  für  bic  richtige  gef)alten  roorben  ift.  (Sans 
jeboc^  gebricht  es  ber  ;,S3e[^eiben^eit'^  ni^t  aw.  SDler!= 
5ei(§en  beutf^er  %ii.  X)a5u  roirb  man  bie  (tar!  ^erüor= 
tretenbe  Silbfraft  bes  ^usbrudes  unb  feine  äRannigfaltig^ 
feit  5ä§Ien  bürfen  als  zm  (£rbteil  ber  älteften  poetif^cn 
^uffaffung  Don  9Zatur  unb  Seben.  gerner  brängt  fid)  bic 
9?efleiion  gerne  cor,  'bxt  m6)i  bei  b^m  äußeren  Scheine 
Itel^cnbleibt;  fonbern  'btn  Dingen  auf  ben  ©runb  fommen 
TDill.  3m  großen  unb  gansen  l^anbelt  es  \\6)  aber  \iz\  2rrei= 
bani  in  jenen  Sprühen,  bie  aus  ber  Sibel  unb  ben  römi= 
f^en  Diätem  [c^öpfeU;  um  bas  allgemeine  ^Ber^altnis 
ber  2Ren[(^en  5U  ©ott  unb  SBelt.  X)ie  Dolfstümli^en 
Sprit^roorter  finb  me^r  S^Iug^citsregeln  als  SBeisl^eit, 
aus  gemeingültigen  [ittli^en  ^rinjipien  abgeleitet. 

greibanfs  Spruc^buc^  ift  für  bie  Beurteilung  2Bal= 
ters  üon  ber  33ogeliDeibe  ni(^t  unroi^tig,  f^on  bes^alb, 
roeil  fie  beibe  fo  fe^r  aus  bemfelben  Soben  ber  33ilbung 
unb  SBeltfenntnis  entftammen  unb  fo  oiel  Übereinftimmen= 
bes  in  ©ebanfen,  in  ^^rafen  unb  in  ber  gorm  aufroeifen, 
tid")^  man^e  gorf^er  \i\t  unfi^er  Derf(^u)immenbe  ^er= 
fönlit^feit  greibanfs  mit  ber  f^ärfer  umriffencn  2Balters 
für  eine  unb  biefelbe  gehalten  l^aben.  Diefe  5lnfi^t  ift 
inig,  aber  fie  seigt  bo(^,  roie  nal^e  bie  le^r^afte  X)i^tung 
SBalters  bem  allgemeinen  Urteile  über  2ßelt  unb  10lenf^en 
ftel^t,  bas  in  ber  „SBcfi^eiben^eit"  niebergelegt  roirb.  grei= 
\\6)  mu6  man  bie  ganse  ^rt  pon  SBalters  bibaftif(^en 
©ebi(^ten  anbers  auffaffen.  Sei  i^m  nämli^  ift  bie  enge 
SBcrfnüpfung  mit  bcm  foeben  Srfa^renen  no(5  toirfli^ 
üor^anben,  bie  \it\  greibanf  f^on  einer  abftraften  X)urc^= 
f^nittsle^re  geroi^en  mar.  2Balter  fül^lte  fi^  oeranlafet, 
einen  Jßc^rfpruc^  ju  improoifieren,  [obalb  i^m  etroas  5Be= 


rai? w  rw^cgi?rai?r^i?Rgi?Rgi?     178    lasfr^üc^satastuimaemc^ttKast 

fonberes  Begegnete  ober  er  bie  Summe  aus  einer  ^nja^l 
ä^nliä)tx  (griebmffe  jog.  J^es^db  ftedt  bartn  immer  ein 
fel^r  ftarfes  perfönlic^es  50loment,  unb  auä)  biefe  (Seiegen* 
l^eitsbibaftif  t[t  als  eine  ^ijtorif^e  ansufe^en,  tuenngteit^ 
bie  C5ef^ic^te,  um  bie  es  ]\^  l^ier  ^anbelt,  nur  bie  innere 
bes  Dieters  feIB[t  i[t.  So  finben  \iä)  bei  SBalter  mehrere 
Sprühe,  bie  um  eines  einsigen  SBortes  ober  einer  furjen 
Semerfung  toillen  unter  bie  l^iftorif^en  gc[e^t  toerben, 
anbersfalls  für  rein  le^r^afte  gelten  müßten;  unb  bann 
u)ieberum  etroel^e,  bie  [i(^er  ]^i[torif(^  aufjufaffen  Jinb,  ob= 
f(]^on  i^nen  gerabe  eine  ^l^rafe  fe^lt,  bie  ge|tattete,  |ie 
auf  eine  beftimmte  3eit  ju  besiegen  (3. 23.  fi.  83,  14.  27. 
104,  23). 

%m  engften  pngen  mit  2BaIters  l9ri[^er  ^oe[ic  bie 
Stüde  5ufammen,  in  benen  ber  üble  Sul^^^"^  ^^  2BeIt  be= 
flagt  roirb;  roir  l^aben  ja  f^on  bemertt,  u)ie  auffallenb 
oiele  Don  feinen  Siebes*  unb  Stimmungsliebern  in  fold^en 
Allagen  enbigen.  So  ift  gleit^  ein  Spruc^  (£.  21,  9) 
geujife  oon  perfönlic^en  SBal^rne^mungen  eingegeben,  in 
benen  \xä)  ber  Dichter  über  bie  böfe  2BeIt  ärgert,  ber 
freili^  er  felbjt  au^  5uu)iber  [ei,  hk  nun  oerbroffen  unb 
trübfinnig  [i^  ber  fon[t  gepflegten  greuben  ent[(§lage. 
^e^t  toerben  hk  geizigen  5Rei^en  gepriefen,  frül&er  lobte 
man  bie  mal^rl^aft  milben  Serjen,  bie  nun  na(^[te]^en 
müden.  Daburc^  roirb  hk  Sßa^rl^eit  oerbre^t,  unb  es  ^ört 
auf,  eine  (g^re  ju  fein,  toenn  man  burc^  Sänger  gerül^mt 
toirb.  Die  alte  (£]^re  toünfc^t  ber  Dieter  auc^  in  einem 
Siebe  (£.  59,  37)  jurüd,  toorin  er  bie  2Belt  anrebet:  toenn 
jie  ]iä)  i^m  enttoinben  loolle,  au^  er  lönne  \\ä)  roinben. 
5flod^  fei  bie  3eit  ni^t  ba,  roo  bie  SBelt  auf  i^n  herunter- 
bliden  bürfe.  Söon  il^ren  (Saben  loünfi^t  er  gern  eine, 
nämli(^  bie  C5eliebte;  \>oä)  forbert  er  bie  SBelt  auf,  i^m 
5U  bezeugen,  bafe  er  nie  einen  gufe  breit  aus  feiner  feften 


179 

(Beftnnung  getreten  x]t,  fett  fie  tl^m  gebot,  t^r  5u  bienett. 
Xaxum  tDolIe  bte  9BeIt  es  nt^t  übelnel^men,  roenn  er  um 
Jßo^n  ma^ne,  fein  Seil  ftel^e  in  i^rer  ganb.  2Bie  fie  gegen 
il^n  gefinnt  ift,  roeig  er  ni^t;  er  t[t  i^r  gut,  fotneit  es  auf 
^eiteren,  munteren  Sinn  anlommt.  5lIfo  bittet  er,  fie  möge 
mit  ber  törid^ten  3ugenb  fi^  ni^t  abgeben,  fonbem  il^r 
©efinbe  bie  alte  SBeife  lehren,  toie  G^re  gewonnen  ujerbe. 
Samtlid^es  Xlnl^eil  lommt  oon  ber  5öeränberung  jum 
Stammen  (£.  23,  11.  26.  24,  3),  bie  Slebulabnejars 
!Xraum  toa^rfagte,  unb  bie  ]xä)  in  bem  libergange  oon 
ben  SBätem,  Sßalters  ©enoffen,  5u  ben  heutigen  Söl^nen 
Seigt.  !Da5  St^limmfte  ift  eines  böfen  35aters  böfer  So^n ; 
Beffer  wäx%  es  bliebe  jener  ol^ne  (Srben.  SBiel  5U  oiel  fparen 
bie  SBäter  bie  SRute  unb  l^anbeln  nic^t  na^  Salomos  fie^re, 
fo  merben  benn  au^  bie  Sö^ne  bur^  ben  9JlangeI  an 
nötiger  3ü<^iiÖiing  oerabfäumt  unb  erroerben  ungef^Iagen 
feine  (g^re  me^r.  Die  rüdfic^tslofen  3iii^9^^  fpotten  über 
bie  TOen.  ^Thir  ju!  Die  3^it  roirb  fommen,  too,  bie  je^t 
jung  finb,  altem,  unb  bann  toirb  bas  näc^ft  ^eranma^fenbe 
(Sef^Ied^t  bie  S3äter  ra^en.  Strenger  3^^^  bcbürfen 
aud^  hie  (£belfne(^te ;  toürbe  fie  i^nen  5uteil,  bann  gäbe  es 
me^r  junge  Dritter,  bie  ben  Saal  ber  grau  (B^re  gierten. 
Sie  finben  ijre  abelige  Hnterl^altung  in  böfen  2Bi^toorten 
über  bie  Damen,  n)obur(^  fie  aufeer  ber  Sünbe  nod^ 
S(^anbe  auf  fid^  laben. 

XTnb  nun  fc^reitet  SBalter  jur  unmittelbaren  SBelel^* 
rung  oor,  inbem  er  fi^  an  bie  unerfahrene  Sugenb  toenbet 
unb  fie  antoeift  (£.  37,  24),  ben  3öum  ansujiel^en  unb  um 
fic^  5U  f(^auen,  fonft  roirb  i^r  ungeftüm  rennenbes  SRofe, 
il^re  SBeltbegierbe,  fie  5u  galle  bringen.  Unb  er  f(^reibt 
i^r  oor,  bafe  fie  (Sott  lieben,  fic^  (g^re  auf  Vit  ret^te  SBeife 
erroerben  unb  oon  bem  23öfen  fernbleiben  foll.  Die  guten 
JÖe^ren  ber  ©eiftli^Ieit  möge  fie  fi^  aneignen  unb,  als 


bc[ter  Sc^mudf  i^rer  ©cfittung,  oon  bcn  grauen  gut  reben. 
Sichtbar  im  2Bibcxfpru(^  mit  ben  fni^ctcn  Sä^en,  aber 
nur  [c^einbar,  befinbet  \\6)  ber  (gingang  eines  SRal^ngebic^' 
tes  (£.  87,  1),  bas  [einer  eigentümli^en  gorm  na^,  ber 
Hmfe^r,  roel^e  ber  S(^uIpoe[ie  entlehnt  i[t,  bo3U  bcftimmt 
roar,  ausioenbig  gelernt  ju  loerben.  (£s  \^thi  an :  9liemanb 
fönne  mit  9?uten  allein  'btn  Äinbem  ^^ui^i  beibringen,  a\x\ 
ein  feines  ©emüt  toirfe  [^on  ein  2Bort  bes  Xabels  roie 
ein  Schlag.  Dann  nimmt  SBalter  in  feinen  SJla^nungen, 
u)ie  es  htx  ben  altbeutfrf^en  ^rebigten  befonbers  am  3^age 
ber  S€f(^neibung  bes  Serrn  übli^  roar,  na(^einanber 
3unge,  ^ugen  unb  O^ren  oor  unb  roarnt,  [ie  5U  mi6= 
brauchen. 

Die  ©ier  nat^  SBe[i^  |ie!)t  SBaltcr  für  eine  Saupt= 
urfa^e  ber  üblen  3uftänbe  auf  Grben  an.  2BunberIi^ 
[inb  bie  ©aben  ©ottes  in  ber  2ßelt  oerteilt  (£.  20,  16.  22, 
18.  33) :  ber  eine  ift  flug  unb  oerltänbig,  ber  anbere  rei(^, 
aber  fo,  ba^  er  bur(§  feine  Sabfui^t  fic^  felbft  {)crabfeöt; 
jenen  follte  man  ba^er  p^er  f(^a^en  als  biefen.  ^ad) 
©ottes  Sulb  unb  nat^  ehrenhafter  Stellung  füllten  alle 
ringen :  loer  \\6)  beslialb  allein  um  ©ut  unb  ©elb  bemüht, 
bem  füllte  au^  ^ier  unb  im  S^^f^i^s  fein  anberer  fio^n 
5uteil  toerben  als  eben  fein  Sefi^.  9^o^  me^r  roirb  man 
ben  nic^t  für  roeife  galten,  ber  Sünbc  unb  Sc^anbe  mit 
Dollem  Seroufetfein  aus  $abfuc^t  auf  fi$  labt.  Der  2Beife 
gäbe  e^er  fein  £eben,  2Beib  unb  5^inb  oerloren,  als  ba^ 
er  auf  ©ottes  $ulb  unb  auf  (g^re  ueraic^tete.  3^"«r  aber 
ift  ein  %oi  unb  blinb  an  Sinn  unb  Söerftanb,  unb  ebenfo, 
ujer  i^n  feines  Sefi^es  roegen  lobt,  ^u^  SBalter  befennt 
ti(^  l^ier  3U  ber  ^uffaffung  oieler  SBeltle^rer,  bafe  bie 
£after  ni^t  blofe  fünb^aft,  fonbcrn  au^  unflug  feien,  inbem 
er  meint,  babur^  bie  SJ^enft^en  für  feine  9?ügen  5ugäng= 
lidjer  5U  finben.  Die  ri^tige  Haltung  gegen  irbifdje  ©üter 


181 

fct  bic  mittlere :  man  folle  ni(^t  juotel  2Bert  barauf  legen, 
[te  aber  auä)  niä)t  gering  achten.  Xlnterj^ä^t  bu  fie  unb 
Derlier[t  [te  barob,  [o  hü^e\t  bu  au(§  als  ^rmer  bie  greu* 
ben  bes  fiebens  ein ;  ^inujieberum  gibft  bu  Seele  unb  (g^re 
preis,  fobalb  bu  ben  93e[i^  ju  fe^r  Iieb[t.  ^Desl^alb  mufet 
bu  ein  rechtes  ßot  auf  bie  2Bage  legen,  mafeDoll  unb  flug 
oerfa^ren.  I)asfelbe  ^^^ema  erörtert  ein  anberer  SpxnCi) 
{Q.  81,  23):  2Ber  ]\d)  auf  unoerbienten  9{eid^tum  5U  oiel 
einbilbet  unb  \\6)  ^offärtig  aufplu[tert,  ift  tabelnsroert. 
Überhaupt  toirb  bie  rechte  (5e(innung  bur^  ein  3u  großes 
Tla^  ]omo\)l  oon  9lei(^tum  als  oon  ^rmut  geft^äbigt :  bei 
bem  einen  ge^t  bie  3^^^f  ^^i  ^^^  anbem  ber  fluge  Sinn 
öerloren.  2Bie  l^ier  SBalter  überall  für  bas  SRafe,  ben  über= 
legten  unb  oerftänbigen  (5ebrau(^  aller  Dinge,  eintritt,  fo 
rügt  er  au^  bie  fiafter,  mel(^e  aus  ber  Übertreibung 
^croorge^en,  insbefonbere  bie  Xrun![u^t  (fi.  29,  25.  35), 
bie  er  t)iellei(^t  ft^on  in  ber  §eimat,  aber  me^r  no^  auf 
feinen  ga^rten  öfters  fennen  gelernt  l^aben  mo^te.  C5eme 
trinft  er  bort,  roo  man  mäßig  einf(^en!t,  Hnmaß  [(^abet 
am  £eben,  am  (5ut,  an  ber  G^re.  2Ber  fi^  mäßig  ^ält, 
bem  fällt  alles  ©ute  ju.  (£s  [^idt  \\^  n\ä)i  für  einen  e^r^ 
baren  SRann,  baß  i^m  bie  3iinge  oom  2Bein  ^infe,  unb 
©enn  man  i^n  no^  [o  fanft  trüge,  i^m  loäre  bo^  beffer, 
er  brauste  feine  güße.  9Ber  fid^  betrinft,  bricht  au^ 
(Sottes  (5ebot.  — 

(£s  erübrigt  uns  no^  eine  ©ruppe  oon  Sprüchen,  bie 
ein  befonberes  3^tereffe  befi^en.  SBä^renb  nämli(^  bie 
bisher  erörterten  Stüdc  nur  jeigen,  baß  SBalter  oon  ber 
SBogelioeibe  bie  ©runblagen  ber  fittlii^en  ^nf^auungen 
mit  feinen  3^itgcnoffen  unb  mit  ber  t^riftlic^en  2Belt  über* 
^aupt  teile,  gibt  es  no^  einige  Strophen,  in  benen  er 
ni^t  fo  fe^r  ein  et^ift^es  als  ein  3^eal  bes  männli^n 
(E^arafters   fc^ilbert.    Diefe   fönnen   uns   oicllei^t   baju 


182 

bienen,  ber  ^erfönlt^feit  SBaltcrs  cttoas  nä^ct  gu  fom* 
men.  (Es  rolrb  uns  ja  im  allgemeinen  \o  \ä)mtx,  uns  mit» 
telalterli^e  SQlenf^en  lebenb  üorsuftellen,  bafe  toir  für  jebe 
SKögli^feit,  bie  ]\ä)  trgenbxDO  auf  tut,  banfbor  fein  muffen. 
Hnb  htx  SBalter  ge^t  es  uns  au^  nit^t  fel^r  riel  beffer  als 
M  anbeten.  £)^ne  3iDeifel  fteigt  jebem  gorf^er  aus 
feiner  iBef^äftigung  mit  SIBalters  ©ebi^ten  na^  unb  na^ 
ein  iBilb  oon  bem  d^axatitt,  bem  SBefen,  ber  3nbiDibuaIi* 
tat  bes  Sangers  auf;  allein  toie  toenig  beftimmte  309^ 
biefes  annimmt,  merlen  loir  an  ben  ^rdbifaten,  toel^ 
i^m  baraufl^in  juerlannt  tourben. 

deinen  feften  ^un!t  gibt  es  glüdli^ertoeife,  uon  bem 
unfere  5BorfteIIung  über  SBalter  i^ren  ^lusgang  nehmen 
barf.  (Bine  unoer^altnisma^ig  grofee  ^njal^I  von  Jßiebern 
unb  Sprüchen  ift  entioebcr  gan3  ober  ftellenroeife  ber  23er= 
teibigung  feines  5lnf eigens  getoibmet.  Oft  ftreitet  er  mit 
ben  Sängern,  in  benen  er  Äonlunenten  erblidt,  f^on  mit 
9?einmar,  aber  au^  mit  untergeorbneten  Beuten,  unb  bis  in 
W  legten  ^a^xz  feines  £ebens.  (Ein  anberes  ^ben  loir 
f^on  früher  betont:  er  gerat  mit  gürften  unb  großen 
Serren  ^äufig  in  5lonfltft;  oiel  roeniger,  toeil  i^m  etroa  i^re 
©aben  5U  gering  finb,  als  toeil  fie  i^n  nii^t  ac^tungsooll 
genug  be^anbeln.  So  bricht  er  barüber  mit  feinem  ßan« 
besl^errn,  Serjog  Jßeopolb,  unb  roie  er  ben  Sersog  SBem* 
^arb  traftierte,  l^aben  loir  gefe^en.  5laifer  griebri^  IL 
f(^eint  ber  einsigc  getoefen  3U  fein,  ber  ben  Sänger  ri^tig 
3U  nel^men  rougte.  Die  (Erflärung  liegt  5ur  Sanb :  mit  ber 
^usbilbung  feiner  ©aben  unb  feiner  Äunft  ift  auä)  2Balters 
Selbftberoufetfein  bebeutenb  geftiegen.  Unb  bafe  er  bies 
oftmals  betont,  begreift  ]xä)  gut,  benn  bie  3citgenoffen 
toaren  feinesroegs  bereittoillig,  ben  Dichter  in  i^m  ansu* 
erlennen  unb  aus5U5ei^nen,  er  mußte  fi(^  feine  Stellung 
erft  ma^en,  mufete  \iä)  als  ilünftler  legitimieren  unb  be» 


183 

toetfeit,  bafe  er  n\ä)t  locgtocrfcnb  beurteilt  merben  bürfe, 
bafe  er  ni^t  ein  fa^renbcr  SPlann  fei  toie  bie  ©aufler,  9leif= 
fpriitger  unb  ^odenrei^er.  (Ein  9Kann,  ber  fic^  fein  £eBen 
3U  erobern  §atte,  menn  er  au^  oon  ebler  ©eburt  roar;  bem 
lag  es  ob,  oiel  eiferfüd^tiger  über  feine  G^re  5U  roat^en, 
als  einem  anberen,  bem  SBefi^  ober  Söerbinbungen  oon 
oornl^erein  eine  unanfe^tbare  ^ofition  gef^affen  Ratten. 

So  erflärt  fid^  manches,  aber  leinestoegs  alles.  Xln* 
Stoeifel^aft  ift  SBalter  u)trfli(5  fel^r  reisbar  geroefen.  Unb 
f^neir  trat  i^m  ein  fd^arfes  unb  oerle^enbes  2Bort  auf 
hk  Qxpptn,  bas  bann  nic^t  toieber  jurudfgenommen  toerben 
fonnte.  Solche  ftarfe  (Empfinbli^feit  ift  —  roenn  mir  bei 
ben  oeralteten,  jebod^  bis  5ur  Stunbe  huxä)  ni^ts  Seffe= 
res  erfe^ten  SBesei^nungen  ber  Temperamente  bleiben 
tDoIIen  —  mit  ^l^Iegma  unoereinbar;  SBalter  für  einen 
SRelanc^oIifer  ju  galten,  toirb  niemanbem  emftli(3^  bei= 
fallen,  unb  jtüifc^en  ^olerifd^er  unb  fanguinifd^er  Anlage 
entf Reibet  in  feiner  ^ocfie  alles  für  biefe  unb  gegen  jene. 
3n  bemfelben  ©ebic^te  roec^feln  Bei  i^m  oft  bie  Stim« 
mungen,  er  ^tbt  in  ^eiterfter  SBeife  an,  trübfelig  läuft  es 
aus,  unb  umgefel^rt.  Schnell  f^toingt  er  ]iä)  ^offnungs«« 
Doll  empor,  roirb  jeborfi  au(^  raf^  enttäuf^t  unb  mutlos. 
(Ein  xtä)t  pbf^es  SBeifpiel  feiner  $  eiterfeit  ift  ber  Spru(^ 
über  bie  SBol^ne  (£.  17,  25),  ber  er  ben  Strol^l^alm  oor* 
sielet,  ben  au(j^  ein  älterer  ©nomifer  gepriefen  l^atte.  (!t)ie 
So^ne  toar  basumal  eine  oiel  roid^tigere  güftenfpeife,  roie 
uns  bie  oerft^iebenen  Älofterregeln,  5.  93.  bie  ber  illunia* 
jenfer  lehren,  als  roir  im  SdtalUx  ber  ilartoffel  ermeffen 
fönnen.)  —  Dafe  in  fpäteren  ^a^ren  SBalters  9leroen 
guroeilen  übeneist  roaren,  beffen  gibt  es  roenigftens  ein 
3eugni5,  nämli^  bie  britte  Strophe  bes  frönen  Jßiebes 
poTit  3^raumglüd  (ogl.  oben  S.  139),  roelt^e  bie  poetifd^e 


184 

Ausbeutung  eines  ben  heutigen  Sfleuropat^ologen  fe^r  bc* 
fannten  9?et^uftanbcs  beim  3:räumen  enthalt. 

SBon  biefen  ^Borausfe^ungen  aus  erroeifen  ]\d)  eilige 
Sptüd)t  SBalters  wertvoll.  ^\ä)t  fo  [el^r  bie  allgemeine 
St^ilberung  ber  (Eigenf^aften  eines  tü^tigen  SJlannes 
(£.  35,  27) :  grauen  mag  man  f(^ön  nennen,  für  Scanner 
i|t  bas  abgef^madt  unb  unpaffenb  (2Balter  [elb[t  mar  nic^t 
]ä)bn.)  Rül)n,  offen  mit  $er5  unb  §anb,  feft  foll  er  fein, 
biefe  brei  X)inge  [(^iden  [i^  rool^I  5ufammen.  X)as  gilt 
iebo(^  nur  für  ben  inneren  2Ren[^en,  ben  man  prüfen  mufe, 
benn  es  roäre  untoürbig,  auf  bas  ^ufeere  ^in  ju  urteilen. 
SKanc^er  äRo^r  mag,  fügt  er  [pagenb  ^l^in5u,  ein  meines 
Serj  ^aben.  SBerftänbiges  SQla^  ift  2Baltern,  toie  Dielen 
Dichtern  feiner  3^^^,  bie  oberfte,  bas  SBeltleben  rcgelnbe 
2;ugenb.  (£r  preift  jie  in  einem  ^üb[^en  Silbe  (fi.  80,  1) : 
(£in  Se(^fer  —  auf  bem  SBürfel  —  wollte  in  [einer  §offart 
3U  einem  Siebner  werben,  ben  es  hod)  beim  2Bürfcl  gar 
ni^t  gibt.  Aber  oft  mu^,  wem  bie  Strafe  ni^t  breit  genug 
ift,  burd^  einen  gol^lroeg  ge^en.  So  gef^a^  es  ber  über= 
mutigen  Se^s,  aus  ber  nun  eine  !Drei  lourbe.  Als  Sedjs 
roäre  für  fie  auf  bem  Spielbrett  (langer  ^uff)  ein  gelb 
frei  geujefen,  je^t  mufe  fie  fi^  in  bas  ^lä^d)en  ber  Drei 
f^miegen.  Sol^er  9Kangel  an  'iffla^  ift  befonbers  ben 
9[Jlenf^en  eigen,  fä^rt  2Balter  fort  (ß.  80,  19),  bie  i^rc 
©rensen  ni^t  fennen:  n)eibif(^en  SlRännern,  männif^en 
grauen;  £eute,  bie  ni(§t  genau  roiffen,  ob  fie  ritterlich  ober 
geiftli^  leben  follen;  junge  $enen,  bie  fic^  gern  roie  alte, 
alte,  bie  \\6)  gern  roie  junge  benehmen  motten;  alle  bicfc 
leben  oerquer.  T)as  seigt  fi^  uome^mlic^,  unb  babei  backte 
2Balter  geroi^  feiner  eigenen  (Erfahrungen  (£.  80,  11), 
an  ber  greigebigfeit,  welche  bie  TOttel  über[(^reitet.  Dann 
gibt  es  nur  jxDeierlei:  Armut  ober  trügerift^  oerfpret^cn. 
Hnb  bo^  fei  es  beffer,  jc^nmal  „S^ein"  ju  fagcn,  ols  ein= 


mal  „3ö"  5U  lügen.  Durt^  fiteBcnsxDür bigfett  bes  Se* 
nel^mens  fann  man  au(^  fletnere  SBer[pre^ungen  toettüoll 
mad^en,  fofem  man  in  rtd^tiger  SBeife  um  feine  S^re  Be»« 
forgt  i[t.  2Borüber  man  nic^t  iDttflt^  ju  oerfügen  ^at, 
bas  foll  man  au(^  ni^t  oerj^enfen. 

TOt  be[onberem  9fla(^brud  be[^reibt  bei  Dichter  bie 
Übel  ber  Xlntteue,  jnerft  in  einet  Sitiit  uon  fe^s  Sprüchen. 
Cr  fnüpft  [ie  an  einen  beftimmten  51nla6  (£.  30,  9) :  ©ott 
toei^,  bafe  i^  immer  einem  §ofe  bie  Xreue  l^ielte,  too  man 
[i(^  nur  irgenb  pfif^  aufful^rte  mit  2Bort,  ©ebärbe  unb 
§anblungen.  3Kir  aber  graut;  menn  i^  bie  fe^e,  bie  mi^ 
lat^enben  SKunbes  betrugen,  bie  Sonig  auf  ber  ^tun^t 
unb  ©alle  im  ^erjen  tragen.  Das  £d^eln  eines  greunbes 
[oll  o^ne  ^rgroo^n  fein  roie  bas  ^enbrot,  bas  einen  f^ö= 
nen  Xag  oerfünbct.  Gntmeber  tu  fo,  toie  bein  £a(5en  mir 
anseigt,  ober  lat^e  irgenbtoo  anbers.  Sßeffen  SJhinb  mi^ 
betrügen  roill,  ber  mag  fein  £a^en  bel^alten,  oon  bem 
nal^me  \6)  ein  roal^res  „9^ein"  ftatt  sroeier  gelogener  „3a". 
Da  bo^  ©Ott  vx  ber  ^ßilig^^  Si^rift  ein  geredeter  SRid^ter 
genannt  roirb,  follte  er  fo  gnäbig  fein  unb  'tih  treuen  $0lcn* 
\6)tn  aus  ben  falf^en  auslefen.  5Rur  ^ier  auf  (Erben,  im 
3enfeits  werben  fie  o^nebies  gefc^ieben.  Ss  toäre  gut, 
rocnn  jeber  Untreue  f^on  aufeen  ein  SJlerfmal  trüge.  2Ber 
fi^  mir  aus  ber  Sanb  toinbet  toie  ein  ^al,  ben  follte  ©ott 
feinen  3oni  fpüren  laffen.  2Ber  mit  mir  oom  Saus  fä^rt, 
ber  foll  Oi\x6)  mit  mir  ^eimfe^ren.  Des  äRannes  Sinn  mufe 
feft  fein  toie  ein  Stein,  fc^li^t  unb  glei^mafeig  loie  ein  ge== 
gldtteter  Stab  aus  einem  Stüdf.  2Ber  fi^  l^o^mütig  über 
einen  treuen  greunb  ergebt  unb  i^n  geringft^ä^t,  ben 
gremben  l^ingegen  e^rt  unb  oorjiel^t,  ber  loirb  es  er* 
fahren,  —  meint  SBalter  unb  beutet  bamit  auf  ein  bitteres 
©rlebnis  —  ba^  au^  er  oon  einem  ^öl^eren  oerle^t  toirb, 
ba6  W  23ufenfreunbf^aft  \\6)  löft,  fobalb  ©ut  unb  (g^re 

Sd^önBad^,  SBoftcr  öon  ber  SSogeltoeibc.  13 


186 

ouf  bcm  Spiele  [te^en.  ^^  l^ab'  es  [elbft  gefe^en,  bafe 
SBanfelmötiöe  huxä)  Rummti  toieber  auf  il^xe  nä(^ften 
greunbe  getüiefen  roorben  [tnb;  unb  naä)  ©ottes  S^idung 
roirb  [i(§  bas  no(^  oft  ereignen,  ^uä)  finb  alle  über  bas 
Spnä)moxt  einig,  bag  einen  [i(^ern  greunb  unb  ein  tu^* 
tiges  St^toert  er[t  bie  'üflot  fcnnen  leiere,  ^ä)  gebe  ni^ts 
mel^r  auf  ^ugen  unb  Sinn,  benn  bie[e  l^aben  mir  3u  sroei 
greunben  geraten,  bie  tabellos  üon  aufeen  unb  innen  fc^ie= 
nen,  unb  nur  ein  ujenig  falfc^es  SJletall  toar  beigemifc^t. 
Das  roar's  aber,  toes^alb  i^re  S^netben  jtumpf  rourben 
[tatt  r^orf.  SBare  ber  fleine  3^\(^^  ^i^t  geroejen,  [ie 
mären  [o  untabel^aft,  ba^  \iä)  jeber  ^ätU  auf  |ie  oerlaffen 
fönnen.  51^,  bafe  ic^  jemals  bcn  3^rug  erfuhr!  ?lun  mu^ 
iä)  mi(^  meines  Sc^abens  fc^ämen,  i^nen  bleibt  bie  Staube. 
—  Unb  mit  no(^  größerer  23itterfeit  befc^reibt  2BoIter 
bas  SBilb  bes  galfc^en:  (Ein  grofees  SBunber  ^db'  \d)  ge= 
fel^n;  lebte  es  im  SKeer,  bann  hielte  man  es  für  ein  fabel* 
l^aftes  3;ier;  meine  greube  ift  barüber  erf^rotfen,  mein 
S^merj  erroad^t:  bas  i]i  ein  fc^Ie^ter  $0lann.  2Ber  [ein 
ßa^en  auf  einem  Stein  probiert,  ber  finbet  es  une^t.  (£r 
beifet,  o^ne  juoor  gefnurrt  5U  ^aben.  Seine  beiben  Sangen 
blafcn  aus  einem  9ta(^en  falt  unb  roarm.  (Ein  giftiger 
Stapel  liegt  in  feinem  fia^en  oer[tecft,  unb  aus  bem 
tt)oI!enlo[en  $immel  feiner  geiterfeit  fallt  ein  fc^arfer  r^r* 
ni(]^tenber  $agel.  2Bo  biefes  2Bunber  3U  fpüren  i[t,  ba 
betrügt  es:  benn  bie  3um  S^tour  erhobenen  ginger  [enft 
es  u)ie  einen  Sc^ujalbenfc^ioanj  (bie  Sc^roalbe  galt  als 
untreue  SBerleumberin)  unb  ma(^t  babur^  [einen  (Eib  ju* 
ni(]&te.  —  2Balter  ht^k^t  [eine  Allagen  no(^  einmal  auf 
einen  be[timmten  gall,  ben  treulofen  SRatgeber  eines 
Sür[ten  (£.  28,  21):  X)as  i[t  ein  [^le^ter  9Wen[^,  u>el= 
(^cm  Stanb  er  aud^  angel^öre,  ber  freitoillig  betrügt  unb 
[einen  ^errn  lügen  lejrt.   SlUö^ten  i§m  bie  ©eine  lal^m 


187 


xDcrbcn,  iDcnn  er  oor  feinem  gütften  als  ^Berater  fntet;  ift 
er  aber  fo  oomejm,  ha^  er  im  9iate  \i^t,  (o  [oll  feine 
falf^e  Sunge  erlahmen.  SoI(^e  Jßeute  oerberben  uns  au^ 
bie  toa^r^aft  Gblen.  Das  £ügen;  bas  fie  betreiben,  ift 
S3erftanb  o^ne  !tugenb.  Denn  fie  raten  5U  einem  ©elübbe, 
bas  beffer  erfüllt  roäre,  beoor  es  alt  nnb  fi^äbig  roürbe.  — 
3n  einem  anberen  Spni^  (£.  37,  34)  fagt  SBalter :  %li^u 
Diele  Sergen  finb  toie  ©aufler,  bie  bel^enb  trügen  unb  tdu* 
f^en.  Da  fagt  einer:  „S^au'  §er,  ©as  ift  unter  biefem 
$ut?"  Sebft  bu  i^n  auf,  fo  fte^t  ein  n)ilber  gaüe  barunter. 
^oä)  einmal,  bann  ift  es  ein  ftoljer  $fau.  Unb  no^  ein* 
mal,  bann  roirb  es  ein  StReerrounber.  XTnb  mit  oft  bas  au^ 
gef^iel^t,  gule^t  ift  es  hoä)  immer  eine  ^Irä^e.  greunb, 
lä)  fenne  ben  3ciuber,  la^  vxxä)  barüber  la^en.  Sel^alt  nur 
beine  falf^e  ©aufelbü(^fe.  2Bär'  i^  fo  ftar!  roie  bu,  iä) 
f^Iüge  fie  bir  an  beinen  Äopf.  Die  ^f(^e  beines  Spieles 
ftäubt  in  meine  ^ugen.  3<^  '^^If^  ^^^  ^^^^  länger  me^r 
blafen,  toenn  bu  mi^  ni^t  oor  au  biefem  Xrug  bepteft.  — 
Die  allgemeine  CBinbufee  ber  SBelt  an  9tebli(^feit  beflagt 
ber  Dii^ter  ein  anbermal  (Q.  38,  10) :  2Bie  es  ^eute  in  ber 
2ßelt  fte^t,  ift  bas  tm  mit  greunben  tool^l  ausgeftatteter 
50lann,  ber  neben  groanjig  SBertoanbten  nur  einen  greunb 
^at.  grüner  ftanb  es  toie  fünf  5U  brei,  fo  ^at  ]\ä)  bie  SBcIt 
oerönbert!  2Ber  il^r  bis  ans  Gnbe  folgt  huxä)  bid  unb 
bünn,  ber  u>irb  übel  bran  fein  mit  feiner  Seele.  2Bir 
flagen  immer,  \>a^  bie  eilten  fterben  unb  ftarben;  beffer 
iDöre  es,  barüber  5U  fammem,  \>a%  je^t  Xreue,  3u(^t 
unb  (E^re  tot  finb.  Die  SP^enfd^en  laffen  (Erben  surürf, 
biefe  brei  jebod^  ^aben  feine  5linber. 

SWit  ä^nli^en  Sä^cn  ^M  eine  nä^fte  Spru(^folge  an 
(£.  79,  17):  Übel  ergebt  es  bem  SKann,  ber  ^o^e  5Ber* 
rDonbte,  ober  feine  greunbe  befi^t.  gefter  ift  greunbfc^aft 
als  Sippf^aft.  Stammt  einer  aus  fönigli(^em  öoul^  unb 

13* 


l&at  feinen  greunb,  roas  l^ilft  i^m  alles?  SBerroanMI^ft  i[t 
eine  (E^re,  bte  ctncm  oon  felbjt  äutDäd^[t,  greunbe  muft 
man  [t^  ocrbtenen;  bes^ölb  !ann  ein  SBenoanbter  ganj  gut 
uns  unterftüfeen,  ein  greunb  aber  be[[er.  ©etoinnt  man 
einen  \\6)tm,  3ut)erla[figen  greunb,  ben  mufe  man  roert 
Italien.  3^  ^^^"^  i>ö5;  t>enn  \^  l^abe  mir  juroeilen  greunbe 
erforen,  bie  fo  fugelrunb  toaren,  'üa'i^  [ie  mir  oerloren 
gingen,  fo  gern  \6)  fie  fejtge^alten  l^ätte.  2Ber  nun  gegen 
m\^  [o  [(^lüpfrig  i[t  roie  Gfs  unb  mi^  leit^tl^in  aufgebt 
löie  einen  Sali,  ber  foll  mi^  ni^t  untreu  [(gelten,  toenn 
\6)  mi^  in  feinen  $anben  bur^gleitenb  runbe;  l^ingcgen 
bleibe  i^  bem  Xreuen  au(5  felbft  ein  9Kann  oon  einem 
£ot  unb  f^roer  beroegli^  im  SBiered  (mit  ^nlel^nung  an 
Soraj,  (Epifteln  1,  1,  100).  2Ber  bunt  unb  loe^felnb 
gegen  m\6)  ift,  balb  fo,  balb  anbers,  bem  rDälje  \6)  mic^ 
unter  ben  $dnben  fort.  2BaIter  greift  auf  eine  früher 
lunbgegebene  ^nfd^auung  surüd  (£.  81,  15):  9Kan  mufe 
\\6)  ni^t  311  too^Ifeil  ma^en.  ^ollt  i^r  eu^  bereit  finben 
laffen  o^ne  rechten  £o^n,  bann  büfet  i^r's  an  eurem  geile. 
(Es  emiebrigt  eud^  felbft,  toenn  i^r  mit  f^le^tem  Dante 
besal^lt  toerbet.  (Eure  (E^re  minbert  fic^,  unb  überbies  \)Oi\)i 
i^r  ben  S^merj,  bafe  i^r  eine  3^itlang  fc^mäl^lit^e  goff* 
nungen  nähret.  Damit  prägt  SBalter  ben  löftli^en  Sa§ 
ein,  ))q!^  Arbeit  o^ne  Jöo^n  unfittli(^  ift.  Xlnb  mit  bem 
frönen  Spru(^c  fei  abgefc^loffen  (fi.  81,  7) :  2Ber  erf(^Iägt 
Böroen  unb  9iiefen  unb  übenoinbet  alle,  bie  mit  i^m 
fämpfen?  Das  ift  ber,  roel^er  es  oerfte^t,  fi^  felbft  $u 
besroingen,  unb  ber  feinen  roilben  SitWi  m  fefte  !i[xä:^i  fügt, 
^bgeborgte  Selbftbel^errfc^ung,  bie  nur  oor  ben  Jßeuten 
geroa^rt  roirb,  bie  lann  ido^I  bei  gremben  erfc^immem, 
aber  il^r  (Blanj  ift  unftet  unb  fc^roinbet  balb. 

S<X(xi  ift,  bafe  2BaIter  oon  ber  SBogelroetbc  in  biefen 
Sprühen  als  3^öl  bes  SOlannes  ein  feftes,  gef^loffenes, 


189 

in  ft^  ctnl^ettltc^^s  SBcfen  rü^mt,  bcnn  bte  uon  i^m  '^ait 
gcfc^oltcnc  Untreue  Bebeutet  nt^t  allein  JJ^Ift^^eit  unb 
£üge,  fonbem  auc^  innere  Hnfic^er^eit,  alfo  basfelbe, 
tDos  SBoIfram  üon  (gf^enbad^  in  feinem  ^arjioat  „^mti^tl" 
nannte  unb  als  ben  ileim  alles  Hnglüds  im  S^itffale  bes 
SWannes  Be5ei(^nete.  9Kan  !ann  nun  bte  Darftellung  eines 
folc^en  Jßebensibeales  mit  Sesug  auf  bie  ^erfönli^Ieit 
bes  !t)i^ters  üerf^ieben  auffaflen.  (Enttoeber  Befi^t  ber 
^oet  hk  Xugenben,  bie  er  roieber^olt  unb  mit  ^lac^brutf 
rü^mt,  um^renb  er  bie  gegenftreBenben  Gtgenf^aften  Dcr= 
toirft  unb  oeroBf^eut,  ober  er  motzte  jene  nur  Befi^en 
unb  biefe  aBftreifen.  9^a^  bem  35orausgef(^i(!ten  gelten 
tDir  voo^l  mä)t  5u  roeit,  menn  roir  üermuten,  bafe  SBalter 
]\ä)  felBft  unb  feiner  3^^^  ein  3^^^^  mdnnli^er  geftigfeit 
üorl^It,  bas  für  i^n  ben  oBerften  3^ß^unlt  feines  Stre= 
Bens  Bilbet,  bas  er  aBer  ni^t  gan5  5U  erreid^en  oermag. 
SBalter  mar  eBen  ein  fanguinifd^er  S0lenf$,  bem  Sßec^fel 
ber  (Stimmungen  Uiä)t  unterxDorfen,  2Bei(^^eit  unb  S^roff= 
l^eit  liegen  i^m  Beifammen:  oon  plö^li^em  (gntft^lu^  mar 
er,  Don  großer  9iei3Barfeit;  üBer^aupt  einem  ©emüte, 
bas  auf  jebcn  Ginbrurf  raf^  surütfroirfte.  2Bie  feine 
(Bä)V)ää)tn,  feine  neroöfen  (£mpftnbli(3^feiten,  feine  Seftig= 
feit;  bie  ÜBertreiBungen  in  feinen  Sprüchen  unb  fiiebern, 
fo  oerbanft  er  biefem  feinem  ^Temperament  aBer  au^  bie 
ebelften  3^Pii^^  ^i^  Sö^igfeit,  ]xä)  ju  Begeiftem  unb 
für  eine  grofee  Sad^e  fein  ßeBen  ein^ufe^en. 

Gs  ift  faum  eine  3^äufd^ung,  menn  roir  in  biefem 
SBerBanbe  oon  (gigenfd^aften  bie  5lrt  bes  öftenei(^ifd^en 
Stammes  erfennen,  bem  2BaIter  angel^örte.  '^iä)t  um* 
fonft  oenoeilt  er  mel^rmals  Bei  bem  fc^önen  ©runbfa^e: 
SBcffcr  fei  es,  einmal  entf^ieben  „9^ein"  ju  fagen,  als 
oielmals  ein  unüares  „3a'^;  benn  es  u>irb  baburc^  $roar 
eine   augenBlidli^e    TO^ftimmung   erfpart,   aBer   [päter, 


190 

töcnn  ]\ä)  bic  3u[öge  nt^t  erfüllen  lafet,  ein  otel  größeres 
ÜBcI  l^erüorgenifen.  2BaIter  fonntc  eben  nid^t  „iRcin" 
fagen,  tote  bas  fein  realer  ü|tcnet(^er  ^eute  no^  fann. 
2BaIter  ^^It  ftd^  tn  einem  Sprudle  ben  ^o^en  2Bert  htx 
SelbltBe^ertf^nng  t)or,  fie  ift  i^m  geioig  bur^  feine 
Jßeibenfd^aftlid^feit  oftmols  [e^r  fc^mer  gefallen.  „(5ib 
bid^  nm  5U  mo^lfeil,  wirf  bic^  mä)i  roeg",  au^  biefe 
£c5re  crroud^s  i§m  aus  ber  eigenen  trüben  (grfalirung, 
mä)t  immer  ^at  er  mit  ausreit^enber  Überlegung  fi^  feine 
3^ätigleit  unb  feine  ©enoffen  gemd^lt.  (Er  i|t  oon  be= 
jaubember  £iebenstDürbigIeit,  roenn  er  roill,  aber  au^ 
T>on  üerle^enber  Sorte  unb  bisweilen  geraberoegs  un* 
gerecht. 

3um  epif^en  Dii^ter  fehlte  2Baltern  bie  SRu^e  unb 
DbjeftiDität,  auf  bie  Iprif^e  ^oe[ie  roiefen  olle  feine 
(Saben.  (£r  roäre  fein  bebeutenber  Staatsmann  getoorben, 
ba3U  gebrat^  es  feinem  auftreten  an  glei^mäfeiger,  jiel* 
beruufeter  Sic^erl^eit.  TOer  er  ujar  ein  gldnjenber  gerolb 
bes  9?eic^es,  unb  mit  jeber  tü^tige  50lenf^,  mag  er  fon[t 
no^  fo  ben>egli$  fein,  in  feinem  Organismus  einen  feften 
S^toerpunft  j^aben  mu^,  fo  befa&  il^n  au^  SBalter  in 
[einer  ßiebe  5um  SBaterlanbe,  5um  l)eutf^en  5Rei^,  bas 
er  mit  einer  SBeftimmtl^eit  als  ein  fertiges  nationales  (5e* 
bilbe  anfa]^,  bie  ^u  feiner  Sdt  nur  fel^r  menigen  ^eroor* 
ragenben  Spannern  gegönnt  mar. 

SBiellei^t  fj^eint  man^em  fie[er  bas  SBilb  2Balters, 
bas  5^er  entroorfen  ©urbe,  ju  roenig  gün[tig,  unb  jebes^ 
falls  mtxä)t  es  einigermaßen  oon  ben  hergebrachten  5Bor* 
ftellungen  ob.  Unb  boc^  tritt  uns  SOBalter,  fo  roie  njir  i^n 
gefeiten  l^aben,  um  oieles  menfi^lid^  näfycr,  mir  emp«' 
finben  beffer  mit  i^m,  er  i[t  uns  oerltdnbli^er.  %x  feiner 
(Sröfee  hü^t  er  babei  in  SBa^r^eit  ni^ts  dn,  benn  feine 
Lebensarbeit  ift  ijm  buri^  bie  Anlage  feines  SBefens  ni^t 


r 


191 

erleichtert  morben.  (^lüdliä),  töem  etn  tool^lnjonenbes  ©e* 
]^xd  bas  rul^igc  ©leti^Tnafe  ht  bte  Seele  legte,  ben  [teeren 
i^ompafe  tn  allen  gd^rlic^feiten  bes  Dafeins!  SJlinber 
glüdlt^,  aber  gerot^  mä)t  roentger  rü^menstDert,  ber  m(^t 
nur  bem  8(^tdfal,  [onbem  auä)  bem  eigenen  ^ei^en  Slut 
ben  ©etoinn  [eines  ßeBens,  bie  Arbeit  unb  bie  G^re,  toelt^e 
2Balter  immer  mit  ©ottes  $ulb  oerbinbet,  abringen  mufe. 
Diefer  fämpft  ben  l^örteren  5lampf,  unb  i^m  gebührt 
ber  ^öl^ere  £o]^n.  Den  erntet  au^  SBalter  oon  ber 
SBogeltueibe,  benn  er  ift  ber  einsige  beut[^e  Dieter  bes 
Sniittelalters,  ber  uns  an  \iä)  l^eransiel^t  unb  über  bie 
^a^r^unberte  toeg  ju  uns  fpric^t,  beffen  £eib  unb  greube 
toir  mit  i^m  burt^leben,  ber  uns  mitreifet  in  feiner  5Be* 
geifterung  unb  hit  5lraft  feines  l^od^befd^toingten  3^ealts* 
mus  auä)  in  unfere  ^erjen  flögt. 


XI. 

V7alfers  Religion 

2Bcr  es  ^tutt  mit  (Srnft  untcmhnmt;  fi(^  in  büs 
©eiftcsleben  bes  beutfc^cn  SJlittelolters  l^tnctitsufinben,  bcm 
roirb  glcid^  im  anfange  [einer  Stubien  bic  grofee  Zafiaäjt 
entgegentreten,  bafe  bie  SReligion  innerhalb  bic[er  (£po^c 
eine  gan5  anbere,  unenbli(§  oiel  mächtigere  Stellung  ein= 
nimmt  als  in  ber  neuen  unb  neue[ten  ßtii,  oon  ben 
roenigen  ^ö^i^Sß^^^^i^  oiellei^t  abgefe^en,  toä^renb  berer 
bie  5lird&enfpaltung  alle  ©emüter  erf^ütterte.  Der  ^Begriff 
9?eligion  umfaßte  f^on  an  fi^  fo  oiel  me^r.  9li(^t  nur 
umf^Iofe  fie  bas  SBiffen  Don  C5ott,  bas  SBerl^ältnis  stoift^en 
®ott  unb  ben  Wtn]ä)tn,  bie  ^fli^ten  b«r  9Jlenf^en  gegen* 
einanber,  es  rourbe  au(^  alle  i^enntnis  oon  ber  2ßett  über= 
l^aupt  bur$  bie  ^Religion  oermittelt.  Xlnb  jtoar  nid^t 
allein,  toeil  bie  ©eiftlic^en  jugleii^  bie  bamalige  23ilbung 
gan5  oorgugsioeife  oertoalteten,  fonbern  roeil  bie  SBelt 
eben  nur  als  freie  Schöpfung  ©ottes  angefe^en  unb  Der= 
ftanben  rourbe.  So  roar  alles  2Bif[en  über  bie  Dinge  ber 
SBelt  im  Cörunbe  nur  tin  2Biffen  oon  (Sott  unb  feinem 
SBirlen.  Das  Xlnioerfum  mar  oon  ©ott  erfüllt,  unb  barum 
mar  bie  ^Religion  ber  ^tem  bes  mittelalterlichen  £ebens. 

^uc^  ber  alte  ©crmane  l)atte  [eine  großen  5Iugenblide 
gehabt,  in  benen  er  bas  Da[ein  ber  ©ötter,  i^re  Maä)i 


p 


193 

als  gegenwärtig  empfanb.  5lber  bas  roaren  ungeiDö^n= 
liä)t  9Komente  ber  l^öc^ften  (Sr^ebung  bcs  ©emütes:  fo 
füllte  fi(5  ber  9Kann  roä^renb  ber  S6)\aä)t  in  ber  Sanb 
[eines  ©ottes  unb  l^örte  bie  9?o[Ie  ber  ^immlifc^en  93o= 
tinnen,  ber  2Bal!üren,  über  feinem  Raupte  bal^inbraujen. 
(Er  tDufete,  bofe  bie  S^Iat^tjungfrauen  mittoirften  an  bent 
©enjebe  bes  ilampfes,  in  brei  Sparen  geteilt,  beren  er|te 
[eine  (5eno[[en  anfeuerte,  bie  3tDeite  toaltete  im  ©etümmel, 
Ut  britte  Iö[te  im  SRürfen  ber  geinbe  hk  Sr^If^^^  '^^^  ®^= 
fangenen  aus  [einem  eigenen  SBoüe.  3n  feierlichen  Stun= 
ben  bes  fiebens  näl^erten  \\ä)  bie  ©ötter :  5um  Opfer  traten 
[ie  ^erju;  menn  bie  5Runen[täbe  getoorfen  rourben,  um 
bie  3ii^unft  3u  erfor[(^en;  beim  ^Hed^tfpru^  toeilten  [ie  im 
9?tnge  bes  SBoIfes.  ©roge  (Einbrürfe  ber  9^atur  jeugten 
von  ber  5lnrDe[en5eit  göttlicher  50la^t:  ber  breit  l^in* 
rau[(^enbe  Strom,  bie  Duelle,  meiere  aus  ber  unbefannten 
3^iefe  bes  gelfens  empor[tieg,  bie  maje[tati[(^e  (£in[amfeit 
bes  Hrtoalbes.  Dort  erfaßte  S(^eu  oor  t^en  ^eimlic^en 
Jßebensgetoalten  auc^  bas  ^erj  bes  2;apfer[ten.  Do^ 
bel^ielten  bie  tief[ten  Ginbrüde  ettoas  Unper[önlic^es.  33on 
toenigen  germani[(^en  ©Ottern  lebte  ein  beutlii^es  Silb 
in  ber  Seele  un[erer  SBorfal^ren,  oiellei^t  oon  bem  t>or* 
nel^men  2Boban,  bem  einöugigen  5teiter  mit  breitem  Sut 
unb  roallenbem  SÜlantel,  ober  oon  Donar,  bem  rotbärtigen 
9?ie[entöter,  mit  breiter  23ru[t,  ben  sermalmenben  $ammer 
in  ber  3rou[t;  ein  Sauemgott.  De[to  bitter  toaren  bie 
Raufen  ber  Dämonen,  [ie  roo^nten  mit  in  $au5  unb 
Sof,  in  ileller  unb  Streune,  [ie  [agen  in  ben  ^Bergen  unb 
pteten  ©olb  unb  (5e[tein,  roälsten  bie  gelsblörfe  als 
rie[i[^e  Xlnl^olbe,  ober  toeilten  in  ben  ^Bäumen,  auä)  auf 
bem  lau[(^igen  ©runbe  oon  SBäc^en  unb  SBei^ern.  ^Is 
bas  milbe  £i^t  bes  (£;i^ri[tentumes  auf[tieg,  [inb  jtDar  bie 
großen  (Sötter  enttoi^en,  aber  bie  S(%iren  ber  fleinen 


194 

mx^oQtn  \x^  langfam,  nod^  ^eutc  [pufcn  fic  unter  Tnanrfyetlei 
Süllen  in  2BaIi>  unb  5^1^- 

SBas  im  Seibentum  ^usnal^me  mar,  ift  na^  ber 
3re[tfeöiing  bes  G^riftentumes  im  £aufe  ber  fpäteren  SdUn 
bes  2RittelaIters  ber  l^errfc^enbe  3^ftfinb  bes  Gebens  ge» 
toefen.  ^m  cor  bem  breisel^nten  3<^]^^^^unbert,  benn  — 
unb  bas  §alte  it^  für  ein  feftes  (Ergebnis  meiner  S^ubien  — 
er[t  bann  finb  \i^  bie  beutft^en  Jßaien  il^rer  ^riftli^n 
Übersengung  oollauf  beiDu^t  getoorben.  l)ie  ^i^tenfität 
ber  religiöfen  (gmpftnbung,  bie  bamols  ben  ganjen  SJlen* 
[(^en  bur^brang,  i[t  aufeerorbentli^.  2ßie  bas  ge[amte 
SBeltgebaube,  fo  lag  auc^  jebe  einselnfte  $anblung  b^s 
SKenf^en,  jeber  fleinfte  ^bft^nitt  feines  3)a[ein5  in  ber 
$anb  ©ottes.  Diefe  [tärffle  religiöfe  ©ebunbenl^eit  war 
aber  naturgemäß  W  SBorausfe^ung  einer  ungemeinen 
greil^eit  im  Jßeben  mit  ber  2BeIt  unb  ben  SKenf^cn,  fie 
oerliel^  ben  einjelnen  eine  erftaunli^e  SBeroeglic^feit  unb 
Sicä^er^eit  in  roit^tigen  (£ntf^Iü[[en.  Die  Deutf(^n  Jinb 
^eute  üiellei^t  in  einem  getoiffen  Sinne  bas  [eß^aftelte 
33olI  ber  Grbe,  fie  gelangen  am  f^toerften  baju,  aus  ge« 
iDo^nten  IBal^nen  5U  treten;  hk  SBorbilbung  für  ben 
„23eruf'  unb  ber  „5Beruf"  felb[t  füllen  bas  £eben  aus. 
3eber  arbeitet  \iä)  fo  ein  im  Greife  feiner  2:atig!eit,  bafe 
er  jroar  barin  ^Tusgeaeid^netes  leiftet,  aber  au^  nur  barin, 
unb  für  anberes  ungeeignet  roirb,  roeil  bie  basu  erforber* 
li^en  Organe  burc^  2RangeI  an  Übung  oerfümmem.  (£s 
^anbelt  fic^  l&ier  nid^t  barum,  5U  erörtern,  ob  bies  im 
großen  unb  gansen  gut  ift  für  unfer  Söolf,  nur  barum, 
feftsuftellen,  hü^  es  fo  ift.  Das  ganse  ©efüge  bes  ftaat* 
lid^en  unb  prioaten  Gebens  ift  ^eute  für  biefe  Stabilität 
ber  einseinen  eingeri^tet.  3^^^sfalls  toar  bas  im  SKittel- 
alter  anbers.  Die  Arbeitsteilung  mar  im  Sanbmerfe 
fc^on  toa^renb  bes  breigejuten  3<^]^r]&unbcrts  fej^r  ein- 


195 

gc^cnb;  bte  Ztä)nxt  ausgebtlbet,  ober  btc  JJä^igfctt,  bic 
^rbcttsjlatte  311  mtä)]t\n,  fel^r  otel  größer  als  l^eute  bei 
bem  etablierten  ©etoerbsinann.  ^m  ft^erften  befanb  \xä} 
freilt^  jeber  in  bcr  ©enoffenf^aft  oon  femesglctd^en,  alle 
trugen  i^n  unb  er  l^alf  alle  tragen,  taber  loer  aus  feinem 
5lreife  heraustrat,  fanb  ]x6)  bo(^  oöllig  ungebunben.  ^uf 
biefen  35er:^ättntf[en  beruht  bte  ganje  ^flooellenlitteratur 
bes  aJJittelalters,  bte,  mit  ber  heutigen  ßage  oergli^en,  faft 
märchenhafte  3uftänbe  perfönlid^er  grei^eit  unb  Semegung 
barftellt.  9Kan  erinnere  \xä)  nur  einselner  ge[(3^i(^tli^er  3;at= 
fa^en,  3.  f&.  bes  fogenannten  5linberfreu33uges  oon  1212, 
tDO  2;aufenbe  l^albtüü^figer  i^naben  unb  9[Räb(^en  bem 
fernen  Often  sutoallten.  Sie  finb  meiftens  üerborben  unb 
t)er!ommen,  unb  um  biefen  5^inberfreu33ug  braui^en  toir 
bas  breisejnte  ^a^x^unhtxi  mä)t  3U  benetben,  allein  man 
[teile  fi^  blog  hk  ßotel^eit  ber  gefellfc^aftli^en  Orb« 
nung  oor,  welche  ben  toanbernben  Scharen  bte  gal^rt  bur(^ 
bas  fübli^e  (Europa  ans  SJleer  möglich  ma^te.  Uns 
erf(^eint  alles  bies  nur  erflärli^,  toenn  loir  jenes  innere 
®lei(5getDi(^t  in  ^nf^lag  bringen,  bas  bie  gläubigen 
SP^enf^en  bes  SJlittelalters  aus3ei^nete. 

2Bir  ^aben  feine  Urfat^e  gu  t)ermuten,  es  fei  um 
Sßalter  oon  ber  S5ogeltüeibe  anbers  geftanben,  als  um 
eine  grofee  S^¥,  toal^rf^einli^  bie  $0le]^r3a]^l,  feiner  3^^*' 
genoffen.  Äein  ein3iges  S^^Ö^^s  fpri(^t  baroiber,  ha^ 
Sßalter  ein  überseugungstreuer  (El^rift,  bas  l^eifet  5la= 
tl^olif,  geroefen  ift.  ^uä)  feine  Sprühe  gegen  ben  ^apft 
bürfen  babei  nid^t  angeführt  roerben:  roie  früher  5ßrt)or= 
gehoben  rourbe,  ift  es  oon  ben  Deutfc^en  jener  3<iT^r3e]^nte 
faum  als  Sünbe  betrad^tet  roorben,  ben  roeltlid^en,  auf 
bas  ^Regiment  ber  Staaten  bejüglic^en  9Kaferegeln  bes 
^apftes  3u  roiberfte^en.  Sßäre  es  Sünbe  geroefen,  bann 
ptte  fi^  faft  jeber  ber  bamaligen  gürften  unb  Siff^öfe, 


196 

überhaupt  ber  ^enen,  btc  an  polittfd^cn  Dingen  beteiligt 
roaren,  minbcftens  einmol  in  feinem  £eben  beten  f^ulbtg 
gemalt,  ^nbererfeits  bejifeen  toir  gans  flare  unb  unum= 
ftö^lit^e  3^ii9^iFF^  ^^^^  SBdters  ©läubigfeit,  büs  jinb 
feine  religiöfen  ©ebi^te. 

^n  erfter  Stelle  wirb  ber  berühmte  ,;ßei^"  genannt 
roerben  muffen  (£.  3,  1),  ün  überaus  funftooll,  f^m* 
metrtf(^;  in  fc^ioierigen  Stropl^en  gebautes,  bur^fompo= 
niertes  Stürf.  (£s  ift  eine  Darftellung  toic^tiger,  obf^on 
nic^t  aller  roi^tigen  ©laubenstatfa^en  unb  ©laubens* 
leieren,  georbnet  in  ber  Sßeife  eines  ©ebetes,  jum  großen 
2^eile  beinal^e,  als  wenn  bie  ©ebanfenfolge  bes  93ater* 
unfers  babei  Dorgef^roebt  ^ötte.  (£s  umfaßt  Qoh  unb 
^reis  ©ottes,  enbet  aber  in  einem  SBei^tgebete.  Das 
(5ebi(§t  beginnt  mit  bem  Sefenntnis  ber  Xrinität,  beren 
^erfonen  toie  im  S^mbolum  bes  ^eiligen  ^It^anafius  er* 
örtert  roerben.  9^n  §at  bes  2^eufels  ^ai  unb  bie  Qä)wää)t 
bes  (Jleif^es  uns  oon  ©ott  entfernt,  möge  er  mit  feiner 
ilraft  uns  lieber  ju  i^m  Der^elfen,  bann  nnrb  fein  9^ame 
gepriefen  unb  ber  2;eufel  gefc^änbet.  ^ud^  bie  (5ottes= 
mutter  loirb  gerühmt  unb  mit  ben  erlefenften  ber  reiben 
93ilber  unb  Seiioörter  gef^müdft,  u)el^e  bie  Xrabition 
üon  ^Q^x^un'tKxUn  5ufammengetragen  l^atte,  um  bas 
SBunber  ber  SJlcnf^roerbung  (£^rifti  5u  loben.  S^lur  bie= 
jenige  Seele  fann  genefen,  bie  ^erjlic^e  SReue  über  il^re 
Sünben  empfinbet:  tint  Sßunbc,  oom  S^roert  ber  Sünbe 
gefd^lagen,  mufe  aus  bem  ©runbe  l^eilen.  Das  oermag 
uns  aber  nur  ber  Seilige  (Seift  5u  gemä^ren,  ber  bas  roilbc 
§er5  besäumt.  9fhin  roerben  ber  23ater  unb  ber  So^n  an* 
gefleht,  ben  Seiligen  ©eift  5u  entfenbcn.  ^ber  bie  GJ^ri* 
ften^eit  ift  poll  un^riftli^r  Dinge;  fie  liegt  franf  im 
Sied^en^aufe  unb  bürftet  na^  ber  römif(^en  Jße^rc.  Doc^ 
bereitet  i^r  bie  Simonie,  bie  mcltli^e  Sabfu(%t  in  geift* 


It(^n  Dingen,  f^iDcres  £ctb.  3^^  (S^riftentunt  gehört 
auä)  ^riftlt^es  SBitfcn;  tDcr  blofe  nac^  ben  2Bottcn  unb 
mä)i  aud)  naä)  ben  2Berfen  als  C^rtft  lebt,  t[t  l^alber 
Selbe.  (Es  gehört  eben  beibes  snfammen.  Darauf  toirb 
SKoria,  hk  9{ofe  o^ne  Dorn,  bie  auf  (Erben  unb  im 
Stnrmel  oon  allen  3ii^9^i^  (5eprte[ene,  um  t^re  SBermttte= 
lung  htx  ©ott  angerufen.  2Benn  t^r  ©ebet  t)or  bem  Xlr* 
fprung  bcr  ^Barm^etsigfeit  erfitngt,  bann  bürfen  mir 
^offen,  ba^  bie  Sc^ulb  crlet^tert  merbe,  mit  ber  mir  uns 
belaftet  ^aben.  Das  IBab  unferer  9?etntgung  roirb  bie 
9?eue  fein,  toel^e  außer  ©ott  unb  SJiaria  ntemanb  ju 
Fpenben  oermag.  —  (Es  ift  unmöglich,  oon  ber  reinen 
^oefie,  oon  ber  lauteren  grömmigfeit  biefes  Stüdes  huxä) 
einen  ^us3ug  bie  richtige  23or[telIung  5U  geben. 

2BaIter  ^at  ben  tief[ten  Sinbrud  oon  ©ottes  SRad^t 
empfangen,  bie  nit^t  ausgefunben  werben  fann.  Du  btft 
fo  lang  unb  breit,  fagt  er  einmal  (ß.  10,  1),  bag  alte 
unferc  9Kü^  oerloren  fein  roürbe,  rooltten  mir  oer[u(^en, 
barübcr  na^5ubenfen.  Deine  5Q?a^t  ift  unermeffen  roie 
bie  Dauer  beiner  (Emigfeit.  S5iele  forf^en  naä)  bem  ©e* 
l^eimnis,  aber  es  bleibt  unferem  SBerftanbe  unjugängli^, 
benn  man  fann  \>\ä)  nxd)t  abf^ä^en,  mie  bu  bas  ©rö^te 
umfi^Iiefeeft  unb  in  bas  RIcinfte  einbringft.  ^(^,  bes 
2;oren,  ber  3^ag  unb  5Ra(^t  baran  menbet,  ju  erfahren, 
roas  nirgenbs  je  geprebigt  unb  burd^  Defret  beftimmt 
morben  ift. 

2Balter  befennt  feine  Sünb^aftigfeit  unb  bafe  bie  2BeIt 
jmif^en  i^n  unb  ©ott,  feine  fieibenfc^aft  smif^n  i^n  unb 
bas  Sittengebot  trete  {Q.  26,  3) :  „Du  großer  ©ott,  mie 
leiten  ic^  bi^  f^on  gepriefen  ^ahzl  Da  ic^  bo^  2ßort 
unb  2Beife  banfe  beiner  (5abt,  mie  mag'  i^'s,  fo  ju  fre= 
oeln  unter  beinem  Stabe?  3^  tu'  bie  regten  2Berfe 
ni^t,  no^  ^eg'  iä)  malere  5^ne  }u  meinem  S^lö^ften, 


198 

Serr  unb  SBdcr,  no^  5U  Wr:  am  allerlteBftcn  toar  iä^ 
immer  fclber  mir.  !Der  Sctligc  ©eift,  fo  Bitt'  i^  (Sott, 
erleu^te  meine  Sinne.  9Bte  fann  i^  jenen  lieben,  l^cr 
mir  iBöfes  tut?  Stets  lieb'  i^  tiefen  mel^r,  ber  greunb- 
mir  ift  unb  gut.  25ergib  mir  meine  S^ulb;  o  §err,  unb 
meinen  [tarren  9Jhit!"  TOer  f^on  feiert  fid^  ber  Sänger 
t)on  ber  falf^en  Jßiebe  ab  jur  reiften  (fi.  81,  31) :  SRinne 
i|t  toeber  männlit^  no(^  tDeibli^,  fie  ^at  loeber  Seele  no^ 
-ßeib  unb  läfet  \xä)  feinem  roirfli^en  2Befen  Derglei(^en. 
3roar  fennen  toir  il^ren  ^Flamen,  fie  felbft  jebo^  ift  uns 
fremb.  (£s  oermag  aber  niemanb  o^ne  fie  ©ottes  §utb 
5U  erroerben.  (Sk  fommt  3tDar  nie  in  ein  falf(^e5  $cr3, 
aber  bo(§  finb  na(^  ben  eä)Un  $ölinnemün3en  nun  feit  fur= 
3em  falf^e  Stürfe  gefc^lagen  toorben.  2Ber  fi^  aber  xtä)t 
auf  bie  Prägung  oerfte^t,  bcm  tjerpfänbe  iä)  mi^  als 
Sürge  für  hie  Sßal^rl^eit,  ha^  er  oon  feinem  £after  etioas 
3U  fürchten  ^at,  toenn  er  ]xä)  bem  ©efolge  ber  SJlinne  an= 
fc^liefet.  So  angefel^en  ift  biefe  SRinne  im  Simmel,  bafe 
iä)  fie  ba^in  um  i^r  ©eleit  bitte.  Unb  loie  gefa^r^oll  ber 
2Beg  3um  Simmel  ift,  le^rt  2Balter  ein  anbermal  (£.  26, 
17):  „Die  SBeifen  raten,  roer  3um  gimmelreit^e  fa^re, 
bafe  er  Dörfer  \iä)  too^l  ht^üU  unb  betoal^re,  bamit, 
löer  auf  bem  SBege  §ält,  i^n  l^eil  oorüber  laffe:  ein  9täu* 
ber  nennt  ]x^  „9^orb",  ber  fd^abet  fel^r  ber  Strafe,  unb 
mit  il&m  sielet  ein  ]d)mtx  ©ebannter,  ber  ^eigt  „93ranb", 
unb  ben  man  „SBud^er"  tauft,  ber  ^at  fc^on  gar  oerrannt 
ben  ^fab,  tro^bem  finb  no^  ber  SBegelagerer  me^re. 
Denn  „S^leib"  unb  „Sag",  bie  fprengen  bort  bie  Quere, 
f^amlos,  gans  o^ne  SD^afe  unb  (gl^re,  unb  man(^er  no^ 
bricht  Dor,  bes  xä)  ido^I  gern  entbel^re."  9Bie  bie  rechte 
JCiebc  fid^  betätigt,  seigt  ber  Dichter  in  einem  Jd^önen  Spruc^ 
(£.  22,  3);  „2Ber  o^ne  gur^t,  o  $err  unb  ©ott,  unll 
fpret^en  betne  je^n  ©ebot'  unb  M§t  fie  bo^  bem  fejit 


199 

bie  rc^le  TOnne.  (Es  ruft  bi^  „5Bater"  frü^  unb  fpöt 
gar  man^cr,  ber  als  ©ruber  mit^  o^rf^mäl^t,  ber  [prii^t 
bie  [trengcn  SBortc  bann  mit  f^toac^ein  Sinne.  2Bir 
alle  finb  aus  gleichem  3^alg  gegoffen;  es  na^rt  uns  Speife, 
bie,  fobalb  roir  jte  genoffen,  oerliert,  ben  fie  gUDor  befaß, 
bcn  Sßert.  2Ber  iDeiß  ben  Serm  Dom  ilnec^t  5U  unter* 
f^eiben,  ^at  er  fie  lebenb  noc^  fo  gut  gefannt,  loenn  er 
nichts  als  bie  natften  5^no$en  fanb,  bos  gleif(§  oon  2Bür* 
mem  oöllig  roar  üersel^rt?  9hir  einem  bienen  alle: 
d^riften,  3^ben,  Reiben,  il^m,  ber  bie  SBelt  erf^uf  unb 
fie  ernährt."  3)er  ©ebanfe,  ben  ber  5toeite  Xeil  biefer 
Strophe  enthält;  tft  bur^  2ßoIfram  oon  (Ef^enba^  Befon= 
bers  na(^brü(Ki(^  ^eroorge^oben  unb  in  feinen  Folgerungen 
für  bas  fieben  ausgefül^rt  toorben;  in  ber  einfa^ften 
©eftalt,  bie  SBaller  ii^m  ^ier  gibt,  finbet  er  fid^  roieber* 
^olt  in  oerfc^iebenen  ^ir(^enf(^riftftellern,  bie  barauf  l^in* 
©eifen,  baß  au^  3uben  unb  Reiben  ©ottes  ©ef^öpfe 
feien,  unb  bie  Sebeutung  biefes  Sa^es  für  bie  ^riftli^e 
SKoral  betonen. 

!Den  2Beg  5um  $immel,  ben  2BaIter  fu^t  unb  beffen 
©efa^ren  er  fo  etnbrudsooll  ft^ilbert,  befc^ritten  au(^  bie 
tapferen  äRänner,  bie  aussogen,  bas  Seilige  fianb  oon 
ben  Seiben  ju  befreien  unb  ben  (^riftli^en  ©ottesbienft 
an  ben  Stätten  ber  2ßir!famfeit  bes  Seilanbs  3U  fi^ern. 
SBalter  felbft  l^at  feinen  ilreu55ug  mitgemacht,  unb  bie 
Sßorte,  roel^e  barauf  ^ingubeuten  f^ienen,  ftellen  nur 
mit  einem  gelaufigen  Runftmittel  ber  ^oefie  ben  Dichter 
felbft  als  Xeilne^mer  ber  ga^rt  bar,  o^ne  ha^  fie  als 
l^iftorif(^es  3^^Q^^^  fiii  ^^ne  3^atfad^e  aufgefaßt  ©erben 
bürfen.  3^^^^  ^^  h\t]t5  ©ebit^t  für  bie  ilreusfa^rer  be= 
ftimmt,  mußte  alfo  enthalten,  roas  jeber  ^ilger  fingen 
fonnte.  Dot^  finb  bie  beiben  Äreu^Iiebcr  Sßalters  aus 
tief  gerourselter,  frommer  ©mpfinbung  l^enjorgegangen, 


200 


btc  er  mä)t  ergrctfcnber  ^äitt  ausfprec^cn  fönnen,  tDäre 
er  felbft  mitgezogen.  Das  erfte  iKxoon  ift  roa^rf^einlti^ 
1217  ent[tanben;  rote  ]x^  aus  ber  ÖbereinftimTnung  mel^« 
rerer  Stellen  mit  bem  ^usfc^retben  bes  ^apftes  gonorius 
ergibt,  bnr(^  bas  hk  CS^l^rtltenl^eit  jum  5heu53uge  anfge^ 
forbert  tonrbe.  (Es  beginnt  mit  einer  Anrufung  bes  $ei= 
ligen  ©eiftes  (£.  76,  22),  toeld^er  ber  Xroft  ber  SBelt  t(t. 
(Er,  ber  aller  SBertoaiften  ft^  erbarmt,  möge  au(§  biefes 
Jßeib  rä(^en  Reifen.  (El^riftus,  ber  uns  von  ber  Sünbe 
erlöft,  uns  bur^  fein  SBIut  ben  $immel  erfc^lolfen  ^at, 
toirb  hu  Sergen  berer  gur  IReue  entflammen,  bie  je^t  aufs 
SKeer  roollen.  So  roerben  bie  ^tlger  nun  bas  $etlige 
Jßanb  erlöfen,  inbem  [ie  bem  oberften  ße^ns^errn  ^ibtn 
unb  (5ut  als  3^^^  barbringen.  Dafür  ^ilft  i^nen  (Sott 
Don  i^rem  böfen  ^fanbglöubiger,  bem  Xeufel.  Das 
furje  £eben  [(^toinbet  ba^in;  fommt  ber  Xo\>,  fo  trifft 
er  uns  als  Sünber,  unb  nur  toer  unter  (Sottes  ©efinbe 
eintritt,  fann  ber  $ölle  entgelten.  Sei  allebem  gibt  es 
aber  ©ottes  (Snabe.  Die  2Bunben  (E^tilti,  bie  bluteten, 
folange  fein  $eimatlanb  gefne(i^tet  roar,  feilen  |e§t,  ba 
es  befreit  toirb.  Die  ilönigin  aller  gfrauen  mirb  um  Stlfc 
gebeten,  ba  beren  So^n  bort  feine  SJlenf^^eit  Eingab. 
3efet  [ollen  bie  Reiben  befiegt  toerben  unb  bas  StpUx 
für^ten  lernen,  bas  au^  bie  3^^^^  3ü^tigt.  9?ei(^s 
£ob  erf^allt  bem  Rreu^e  oon  ben  pilgern:  erlöfen  roir 
bas  Seilige  (5rab!  (5e^t  auc^  unfer  5eib  gugrunbe,  fo 
ertoerben  roir  boc^  bas  eroige  £eben.  (Sott  ^at  mit  feinem 
5lreu3estob  uns  bas  $eil  ermöglicht;  roer  ]xä)  nun  in 
feftem  (glauben  an  i^n  loenbet,  ber  toirb  feiig.  Dem  fün= 
bigcn  £eibe  finb  feine  ^a^u  3ugemeffen,  f^on  ^at  uns 
ber  2:0b  gezeichnet.  ^Thin  gießen  loir  einmütig  ba^in, 
bas  Simmelreit^  bur^  gebulbige  Eingabe  unferes  £cbens 
3u  gewinnen.    Dort  rä^t  (Sott  als  Selb  feinen  Schmerz, 


r 


201 


mo  jc^t  bie  Sparen  aus  oicien  £anbcn  toallen;  etn  ßttt 
bes  Sciltgen  ©eijtes.  (Sott  möge  uns  mit  [einer  9le^ten 
bef^ü^en  unb  uns  vor  ber  Solle  betoal^ren,  fobalb  un[er 
(Enbe  nal^t.    Hns  allen  ift  Befannt,  tote 

bas  Seilige  Jßanb  [o  reine 
ganj  hilflos  ift  alleine. 
3erufoIem,  nun  toeine, 
rote  bein  rergeKen  ift! 
Der  Seiben  Überfre^e, 
fie  po(^t  auf  unfre  Qä)mää^, 
^at  elenb  bic^  oerfne^tet: 
erbarme  hxä),  o  (i^xi]t\ 

Diefes  Jßieb  ift  in  Strophen  oon  3tDan5ig  S^ikn  ab* 
gefaxt,  bie  toieberum  in  ©ruppen  ju  je  oieren  geteilt  finb, 
jebe  aus  brei  SBerfen  mit  flingenbem  9ieim  gebilbet  unb 
huiä)  eine  ftumpfreimige  abgef^loffen.  Das  gibt  biefe 
Keinen  5lbf(§nitte,  toie  fie  l^eute  noä)  in  b^utf^en  SBall« 
fa^rtsgeföngen  übli^  finb  unb  bamals  in  lateinif^en  ge« 
brauet  iDurben.  Dem  !iviytdt  bes  Siebes  ift  au^  fein 
3n]^alt  angepaßt :  feine  f^roierige  ilonftruftion  ber  Sä^e, 
jeber  SBers  fte^t  für  fic^  mit  einer  Angabe  ober  !Iatfa^e 
unb  erlaubt  fomit  an  feinem  (£nbe  ben  für  bie  iBerbinbung 
Don  Singen  unb  SKarfd^ieren  notioenbigen  (Einft^nitt.  TOes 
fo  einfad^  als  möglid^  unb  barum  fo  loirffam.  9^o^  l^eute, 
toenn  toir  es  oor  uns  l^inlefen,  fpüren  roir  ben  fi^önen 
S(^ritt  biefes  ©efanges,  rote  bie  alte  Sftelobie  oon  2^ahn^ 
l^äufers  Sufetieb  in  ber  ^3^naer  Sanbfi^rift;  mk  9ii^arb 
SBagners  ^ilgerd^or,  toie  bas  ^oe  9Jlaria  oon  ^Robert 
gran5  xjgn  einl^alten.  Der  ^R^^t^mus  bes  ©ebi^tes  oer= 
mittelt  bie  Stimmung. 

2Benn  toirl^ie  f(]^li^te  grömmigfeit  im  Sinne  behal- 
ten, bie  SBalter  hti  biefem  JÖiebe  erfüllt,  bann  geu)inne« 

©d^önbac^,  SBaUct  öon  ber  SSoflcIipeibc.  14 


202 

rotr  aii(5  htn  rt(^ttgen  Stanbpunft  für  bte  ^Beurteilung 
eines  anberen  (^tUä)^^,  bas  fc^r  ücr[^tebenartig  aufge* 
fafet  lüorben  t[t  (2.  78,  24).  Der  Sänger  beginnt  mit 
einem  Jßobe  ©ottes,  bas  [ic^  in  ben  fir^Ii^en  gormein 
beroegt,  barauf  folgt  ein  ^reis  äFlarias,  ber  [üfeen  9Jlagb, 
ber  i^r  Sol^n  ni^ts  üerroeigert,  bie  uns  hm  ^ö^ften 
2;roft  geroäl^rt;  toeil  i^r  2Bille  im  Simmel  gefd^ie^t.  Xias 
ift  bie  5luffa[fung  oon  bem  Ginflufe  ber  gürbitte  SJlarias 
hti  ©Ott,  hu  bur^  un5ä§lige  fiegenben  bes  SRittelalters 
3um  5lusbrud  gelangt  unb  burc^  hie  [pater  ]x^  immer  mel^r 
Jteigernbe  SBere^rung  Ser  jungfräuli^en  SlRutter  (£]^ri[ti. 
3tt  ber  nöd^ften  Stropl^e  toerben  bie  brei  (Srsengel  SJli^acI, 
©abriel  unb  ^ap^ael  getabelt,  u)eil  [ie  ben  Sc^u^  bcs  Sei* 
ligen  fianbes  fi^  [o  roenig  angelegen  fein  laffen,  uner* 
a^tet,  hal^  jeber  uon  il^nen  brei  Sparen  oon  (^geln  jur 
SBerfügung  l^at.  SBenn  [ie  gelobt  ©erben  toollcn,  [o  mögen 
[ie  5uer[t  ben  Seiben  [^aben;  [ie  jefet  5u  loben,  [e^te  [ie 
nur  bem  Spotte  ber  Sarrasenen  aus.  —  Die[e  beiben  le^^ 
ten  Stropl^en  entl^alten  roeber  eine  £a|terung  no^  einen 
frioolen  Sehers;  es  i]t  oielme^r  in  il^nen  bie  ^armlos  ge* 
mütli^e  5luffa[[ung  oertreten,  toeld^e  in  oielen  SBolfsüber* 
lieferungen  bas  Seilige  [i6)  men[^li^  nö^er  3u  bringen 
[ud^t.  SBü^ten  ujir  mel^r  oon  [ol^en  (grsäl^lungen,  u)ie 
[ie  Sons  Sa^s  ein  paarmal  fö[tli^  bearbeitet  l^at,  loie  bie 
„©ö5mi[^en  (£]^ri[tus[agen''  [ie  enthalten,  [o  roürbe  bie[c 
931a^nung  an  hk  (Ersengel,  bem  anbauemben  Unglüc!  ber 
(^ri[tlic^en  §)etx]a^iUn  ins  S^ilige  fianb  bur(§  tatfräftige 
Silfe  3U  [teuern,  toeniger  bem  3fti6Der[tänbnis  ausge[e§t 
[ein. 

SBalter  ^at  no^  einmal  ein  ilreujlieb  (£.  14,  38)  oer* 
fafet,  unb  sroar  im  5luftrage  5lai[er  griebri^s  IL  Die 
(Ent[te]^ungs3eit  läfet  \\ä)  nxä)i  genau  be[timmen,  jebcnfalls 
mä)  1225,  u)a5r[^einlid^  1227  i[t  es  gebietet.  Die[er  ©e« 


203 

fang  rourbe  fcl^r  beliebt,  man  fielet  btes  am  flarften  an  ben 
Sortbilbungcn  unb  Umgc[taltungcn,  bie  er  im  SBolfsmunbe 
erfahren  §at.  ^uc^  ^n  toeife  SBaltcr  aufs  ht^te  ben  ein*, 
fachen,  311m  fersen  rcbcnben  3^on  5U  treffen;  bas  mögen 
bie  erften  Strophen  äeigen : 

Seilt  erft  leb'  i^  re^t  tn  (E^ren, 

fett  mein  Sünberauge  f^aut 

JÖanb  unb  Soben  au^,  bie  ^el^rcn, 

bie  mir  greifen  überlaut. 

J)a  gef^al^  mir,  toas  t(§  bat : 

iä)  tarn  gejogen  an  bie  Statt, 

bie  einftens  (5ott  als  2Renf^  htttat 

8(^öncr  ßänber  äRa^t  unb  CB^re, 
roas  iä)  i^r  no^  je  gefeiten, 
überglänjeft  bu  an  Se^re; 
finb  bcnn  SBunber  §ier  gef^e^en? 
Jungfrau  ba  ein  Äinb  gebar, 
l^eil'ger  als  ber  (Engel  S^ar; 
ob  bas  ni(§t  ein  SBunber  loar? 

£auter  liefe  er  l^ier  \x^  taufen, 
bafe  ber  2flenf^  au^  lauter  fei. 
(Er  ^iefe  bort^in  ]i^  i>er!aufen, 
bafe  tDir  ilnet^te  tourben  frei. 
So  finb  D3ir  jum  Seil  erforn: 
ßob  eud^,  Speer  unb  5b:eu$  unb  Dom ! 
2Be^  ber  Reiben  ni(^t'gem  30m ! 

Darnad^  toirb  bie  ^luferftc^ung  G^rifti  berül^rt,  ber 
tro^  feiner  menf^Ii^en  5Ratur  in  ber  Xrinität  aufgebt, 
fein  Hm^ertoanbeln  oor  ber  Himmelfahrt,  bas  3^ngfte 
©eri^t,  bas  ebenfalls  im  Seiligen  Jßanbe,  unb  5u>ar  im 

14* 


2^e  3o[ap5öt,  [tattfinben  tötrb.  Dtefcs  bur^  CC^rifti 
£cBcn  unb  2Btrfen  uns  fo  teuer  getoorbene  CSeBiet  toitb 
pon  bret  SBöIfertt,  ben  (E^riftett;  ^^ben  unb  Reiben,  m  ^n* 
fpru(]^  genommen;  (Sott  mufe  bie  (Entf^etbung  treffen, 
unb  [ie  fann  ni^t  anbers  als  ^ugunften  ber  ©ere^ten,  ber 
CE^^rtften,  ausfallen.  —  SJlan  ^at  btefes  ©ebic^t  „eine 
fül^Ie,  trodene  unb  f^rounglofe  (Ersä^Iung  oom  fieben  unb 
Selben  (£]^rt[tt"  genannt.  2BtII  man  jebot^  attbeutfti^er 
$oe[ie  überl^aupt  unb  reltgiöfer  insbefonbere  gerecht  roer« 
bcU;  fo  barf  man  (ie  nur  aus  il^rer  ^t\\  heraus  Beurteilen. 
Die  (Ereigniffe  in  bem  irbifc^en  Dafein  3^fu  d^rifti  finb 
bamals  fo  fel^r  als  bas  $eilig[te  cmpfunben  toorben,  bafe  es 
DoIIauf  genügte,  an  fie  mit  fc^It^ten  2Borten  5U  erinnern. 
CSine  poetifd^e  Darfteltung  mit  ftarfen  SKitteln  oertrugen 
fie  ju  jener  3ßtt  gar  ni^t ;  biefe  rourbe  erft  bann  erf orber* 
Ii(§  unb  fanb  fi(^  oon  felbft  ein,  als  bie  5lraft  ber  religio* 
fen  (gmpfinbung  in  ber  SJlaffe  ber  Söienf^en  fic^  geminbert 
y^oXiz.  Der  groge  £ei^  (B350S  oon  ben  2Bunbern  Ci^l^rifti 
]^at  1064  tro§  ber  ^Vi^itxvii^txi,  bie  u)tr  barin  ju  fpüren 
glauben,  aufeerorbentlit^  geroirft.  Die  ^rebigten,  au(^ 
bie  einbrudsDolIften  na^  ben  3ßiigntffen  ber  3ßit9ßnoffen, 
entb eieren  bis  jur  SKitte  bes  breise^nten  3aBr^unberts 
ebenfalls  ganj  bes  St^mudtes,  unb  roir  ftaunen,  toenn  rotr 
lefen,  roel^e  SDtad^t  bie  fimplen  2Borte  auf  bie  ©emüter 
ausgeübt  l^aben.  3^bem  SBalter  biefes  berühmte  5lreu3= 
lieb  gerabe  fo  abfaßte,  loie  roir  es  befi^en,  liefert  uns 
bas  ben  23etoeis,  \i<5^  er  fic^  bur^aus  in  ÜBereinftimmung 
mit  ber  (Sefü^lstoeife  feiner  ^t\i  Befanb. 

9lo(^  barf  man  3U  ben  Rreujiiebcrn  tmt  ©ruppe  oon 
Sprüd^en  jä^Ien,  bie  oiel  reifer  unb  farbiger  gel^alten 
finb,  roeil  fic^  in  i^nen  toeltli^e  unb  religiöfe  Stimmungen 
txrmifd^en  (£.  13,  5): 


r 


205 

£)  roe^  uns  trägen  Beuten,  bte  tnir  uns  ottfejfen 
unb  nteberfielen  jiDifc^en  greuben   an  bte  jammerpolle 

Stott! 
Witt  Sorgen  Ratten  mir  bereits  oergeffen, 
als  bcr  farge  Sommer  uns  in  feine  Dienfte  \iat 
Der  brachte  Slüten  stoar  unb  buntes  Slatt, 
bo(^  toufd^te  uns  ber  SBöglein  furses  £ieb. 
SBol^l  bem,  ber  nur  um  ftete  greuben  ]iä)  bemül^t ! 

KT;.. 

JO  roe^  ber  Sßeifen,  bte  rotr  mit  ben  ©rillen  fangen, 

ba  iDir  uns  follten  magren  gen  bes  falten  SBinters  3«it! 

2Barum  mir  Xoren  benn  ni(^t  mit  ber  5Imeif'  rangen, 

bie  je^t  in  (E^ren  \iä)  bes  Sammelfleiges  freut? 

Das  toar  t^on  je  ber  äJlenfc^en  Streit, 

bie  Dummen  fd^alten  ftets  ber  illugen  5Rat: 

bort  roeift  fi^'s  erft,  mti  ^ier  gelogen  ^at. 

D  u)e^   tüie   hoä)  grau  (g^re  \iä)  entfrembet  beut[t^n 

Jßanben, 
mit  i^r  SBer[tanb  unb  SÜlannl^eit,  Silber  au^  unb  (5olb. 
3Ber  biefe  sioei  nur  §at,  ber  bleibt  oergnügt  bei  Si^anben, 
unb  bo$  D^rliert  er  all  bes  ^immelfönigs  Solb. 
Dem  [inb  bie  (Engel  nic^t  unb  nic^t  bie  grauen  ^olb. 
Du  firmer  auf  ber  SBelt  unb  23ettler  no(^  cor  ©ott, 
2Bie  bu  tDol^l  fürchten  mag[t  ber  2Belt  unb  (E^rifti  Spott ! 

£)  wt\)  es  fäl^rt  ein  Sturm,  bas  rDi[[et  l^o^oerlafelic^, 

t)on  bcm  man  lange  nod^  toirb  fingen  fort  unb  fagen : 

ber  sie^t  burt^  alle  5lönigrei(§e  u)ilb  unb  gräp^, 

barob  t>erne]^m'  iä)  ^ilgrim'  unb  SBallfa^rer  5llagen: 

Säume,  Xürme  ^ai  er  rings  3erf^lagen, 

ben  ftärfften  Serm  bläft  er  bie  $äuptcr  ab. 

^6j,  lafet  uns  bängli(^  fliegen  §in  ^um  Seir^en  ©ra^J 


206 

3) er  Sturnt;  oon  bcm  ^ter  btc  9lcbc  i(t  unb  beffen 
mä^tigcr  (gtnbnid  bicfe  Strophen  angeregt  ^at  —  feine 
allegorifd^e  SBorfteltung  oermag  bte  ^^anta|te  bes  Dtc^= 
ters  fo  in  Seroegung  5U  fe^en  — ,  roirb  oon  ben  G^ro» 
niften  3x1m  2)e3ember  1227  ertoä^nt.  Die  5llagen  über  bie 
2Beltlage  finb  ^ier  mit  tiefer  (grregtl^eit  oorgetragen  unb 
mit  htx  Soffnungslofigfeit  bes  ©reifes,  ber  bie  befferen 
3eiten  nid^t  mel^r  fe^en  n)irb.  ^n  ber  Semül^ung  um 
bas  geil  ber  Seele  erblidt  ber  Sänger  allein  bie  IRettung. 

^us  berfelben  trüben  5Iuffa[fung  ber  Dinge  im  Spät« 
l^erbfte  bes  Gebens,  ber  nur  in  religiöfer  Gr^ebung  no^ 
©lud  roinft,  ift  ein  tounberf(^önes  fiieb  (£.  122,  24)  ^er= 
Dorgegangen.  5lRit  93e3ug  auf  bie  (Einleitung  oon  2Bol= 
frams  ^arsioal  beginnt  SBolter:  Gin  2)^ei[ter  lehrte,  brei 
Dinge  feien  gleich  3uoerlä[ftg:  3^raum,  Spiegelglas  (an^ 
beres  ©las  ujar  bem  Dichter  niä)t  u)o^l  oerfügbar)  unb 
SBinb.  tffber  auc^  x^ieles  fonft  l^at  fi^  als  furslebig 
crtoiefen:  £aub  unb  ©ras,  SBlumen,  bie  rote  geibe,  an 
ber  i^  meine  greube  ^atU,  fie  bauern  ni(^t  aus.  Der 
füfee  SBogelfang  f^toinbet,  fobalb  bie  fiinbe  fa^l  loirb. 
Die  2Belt  roirb  l^äfeli^.  Unbeftänbig  ift  au$  bie  Hoff- 
nung, bie  iä)  auf  bie  SBelt  fe^e,  benn  fie  nimmt  ein  fi^lim- 
mes  (Enbe.  ^ä)  follte  fie  aufgeben,  bamit  fie  meiner 
Seele  nid^t  f^abete.  Denn  ic^  ^ege  gro^e  Sorgen  für  mein 
armes  Jßeben,  Seit  ift's  3ur  Sufee.  ^ä)  bin  fie(^  unb 
fürchte  bie  gärte  bes  grimmen  3Cobes.  5Rot  unb  blei^ 
loerben  meine  SBangen  oor  Slngft.  2Bie  !ann  ein  5tRann, 
ber  nur  3U  fünbigen  roeife,  Su^^^H^t  auf  guten  5Iusgang 
geroinnen?  Seit  iä)  gut  unb  bös  3U  fonbem  oerftanb, 
griff  i^  (roie  ber  fleine  9Wo[es  oor  ^l^arao  na^  ber 
lird^li^n  Überlieferung  unb  ^rebigt)  gerabe  3ur  f^lim« 
men  Seite  in  bie  ©lut  hinein  unb  mehrte  bes  Xeufels 
5?u5m.    'X^es^alb   mufe  i^  je^t  mi^  abhärmen;   möge 


207 


3efii5  mir  mein  grallen  erlct^tem !  O  bu  fettiger  Cr^rijt, 
bcx  bu  über  alle  2BeIt  ^errft^eft,  oerlei^e  mir  bte  Älug* 
l^ett,  bag  xä)  binnen  fursem  bie  ©emeinf^aft  mit  bir  er== 
loerbe,  beren  beine  ^usertoä^Iten  genießen.  SIRit  feigen* 
htn  5Iugen  roar  i^  blinb  unb  ftnbifc^,  tro^bem  iä)  meine 
SRiffetaten  ber  2BeIt  ju  oerl^e^Ien  tougte.  ^Reinige  meine 
Seele,  o  §err,  not^  Beoor  meine  ©ebeine  in  bas  Xal  ber 
5Berlorenen  gefenft  toerben !  — 

Diefe  tief  ergretfenben  Strop^^n  [inb  alter  SBal^r* 
f^einlid^feit  na(^  bas  JGe^te,  was  ber  erfranfte  greife 
X)i$tcr  gef^affen  l^at.  X)ie  gittii^e  bes  S^obes  rau[(^* 
ten  über  feinem  Sanpt,  unb  er  ^at  bas  £ieb  nit^t  fertig 
gebraut,  9}langel  unb  Unebenheiten  nit^t  befeitigen  fön* 
nen.  5)as  ©efü^I  ber  S(§ulb,  mk  es  m  fol^'  fc^ioerer 
Stunbe  bas  menfc^Ii^e  $er5  belaftet,  atmet  in  btefen  35er= 
fen  unb  löft  fi^  auf  in  Demut  unb  ergebener  $offnung. 
2Bir  bürfen  nid^t  glauben,  bag  SBalter  erft  als  alternber 
$0lann  fromm  getoorben  fei ;  aber  nur  natürli^  ift  es,  bafe, 
je  ernfter  feine  Stimmung  überhaupt  hux^  bie  Erfahrungen 
feines  fiebens  rourbe,  er  befto  me^r  au^  ben  religiöfen 
©ebanfen  fi^  suioanbte,  unter  beren  (Etnioirfung  er  ^eran» 
geroa^fen  mar.  SBas  i^m  in  ber  3^it  bes  S^eibens 
mit  erf^ütternber  (Seroalt  cor  bie  Seele  trat,  bas  ift  nit^t 
aus  ber  9liebergcf(^Iagen]^eit  bes  ^ugenbltdes  entfprungen, 
bas  tDurselt  tief  in  feinem  gansen  SBefen  unb  (£mpftnben. 
Stritt  es  in  feiner  ^oefie  ftörfer  ^eroor,  als  feine  2^age 
\\ä)  neigen,  fo  geujä^rt  uns  bas  no^  fein  3^1191^^5  rotber 
bie  religtöfe  ©efinnung  bes  Jünglings  unb  50lannes: 
Sßalter  t)on  ber  SJogelroeibe  wat  ein  G^nft  im  oollen 
unb  gongen  Sinne  feiner  3^^^- 


xn. 


Die  legten  Klflnge 

SaBcn  tDtr  um  bcs  Beffcrcn  3iifo^^ß"5onges  tDitlen 
fd^on  etttt^cs  oorroeggcnommeTi,  fo  erübrigt  uns  l^ter  nod^ 
SEBatters  JßcBensoBcnb  311  betrauten.  2Btr  bürfen  uns  feine 
Jßage  ganj  Be^agltt^  benfen.  Das  fielen,  bas  er  oon 
5^atfer  gi^iebri^  IL  ermatten  ^atte,  lag  oieüei^t  in  ben 
anmutigen  gluren  bes  (Baues  oon  SBür^burg,  einem  5^em= 
gebiete  bes  granfenlanbes ;  toenigftens  gab  es  not^  im 
oiergel^nten  ^^^i^^^Ttbert  bort  einen  $of  feines  ^lamens 
unb  eine  tib erlief erung  baoon.  (£s  ^at  fein  Sebürfnis 
getoig  xtxä)\\^  gebe(!t  unb,  oerbunben  mit  [pöteren  !oft= 
Baren  ®ef^en!en  bes  5laifers  unb  anberer  Surften,  bie 
Sorge  fern  gel^atten.  Sßalter  BlieB  tätig,  toie  er  nic^t 
anbers  fonnte,  bie  greube  bes  S(^affens  f)at  \f)n 
niä)i  oerlaffen.  Sie  quoll  immer  oon  neuem  aus  bem 
©efü^te  innerer  SBefriebigung,  mit  bem  er  auf  feine 
fieBensarBeit  jurüdBIiden  burfte.  Diefe  ftille  ©efafetl^eit, 
an  htt  bie  9?efignation  i^ren  5InteiI  l^at,  finbet  fi^  in 
einem  frönen  ©ebi^te  (fi.  66,  21)  ausgefprod^en :  3^^ 
reinen  graun  unb  eblen  SRänner  —  fo  rebet  er  bie  junge 
3u]^örerf^aft  feiner  ^^^ntafie  an  — ,  mit  mir  fte^t  es  fo, 
ba6  il^r  mir  liebenstoürbigen  unb  ehrerbietigen  (Brufe  fpen= 
ben  foltt.    (Obgleich  iä)  ni^t  me^r  oor  eu(§  finge),  feib 


'ikfi  mit  allem  ©runbe  böju  \t%\  no(^  me^r  ocrpf listet 
oIs  früher.  Hnb  \^  roill  cu^  fagcn,  roarum:  gut  oier* 
Sig  3<^l^re  ober  me^r  ^abe  td^  je^t  oon  äFlinne  gefungen 
tote  nur  irgenb^hter.  5IIs  t(^  anfing,  mar  i^  munter  unb 
lebhaft  mit  ben  anbern.  3ß^t  ge^t  \iOi<o  nit^t  me^r,  il^r 
fcib  bran.  Daju  möge  eu(^  mein  alter  Sang  oer^elfen 
unb  bafür  roerbe  eure  §ulb  mir  5uteil.  SBennglei^ 
mt(§  bas  5nter  sroingt,  am  Stabe  3U  0e|en,  fo  roerBe  i^ 
bo^  um  alles  (El^renoone  (als  roenn  t^  jung  unb  rü[tig 
tDärc)  unb  [trebe  uno^rgagt,  tme  ic^  es  oon  Äinb  auf  ge= 
galten  \!^(i^t.  So  bin  i^  alfo  aui^,  mag  i^  Ion(t  noc^  fo 
loenig  fein,  an  2Bürbe  nit^t  arm  unb  fte^e  gan5  ^ot^  ö^^^Ö 
in  meinem  5lrci[e.  Darüber  fränfen  fi^  bie,  b^ren  ©e* 
finnung  loal^r^aft  niebrig  ift.  Wxt  f^abet  bas  freil!^ 
nid^ts,  bie  anftänbtgen  SJlänner  l^alten  be[to  me^r  auf 
mt(^.  Der  tabellofen  (gl^renl^aftigfett,  bie  fi$  anbauemb 
beroä^rt  l^at,  foll  man  bas  ^ö^fte  ßob  joIIen,  unb  v\  ber 
%cX  gibt  es  fein  rü^menstoerteres  fieben  als  re^t  tun  bis 
3um  (£nbe.  (Do^  bas  \\i  alles  roeltlic^  unb  oergöngli^, 
(£]^re,  unb  ni(^t  ©ottes  §ulb.)  2BeIt,  ben  fiol^n,  ben  bu  3U 
ocrgeben  ]^a[t,  \)Gbt  \^  fennen  gelernt.  W\i  ber  einen 
§anb  Ipenbe[t  bu,  mit  ber  anberen  nimmft  bu.  S^Iiefe* 
\\6)  sielten  roir  bo(^  alle  na(ft  oon  bir  o^.  Sd^äm  bi^, 
roenn  es  mir  au(^  fo  ge^en  foll,  ber  i(^  £etb  unb  Seele  — 
a^,  bas  mar  guoicl !  —  taufenbmal  für  bi(^  getDagt  \^(At. 
iThin  bin  i^  alt  unb  bu  treib ft  bein  Spiel  mit  mir :  ärgere 
i^  mi(^,  fo  Ia(^[t  bu  mi^  baju  aus.  £a(^  nur  noc^  eine 
SBeile  fort,  ber  3^ag  beines  "^^cimx^txs  toirb  balb  5eran= 
sieben  unb  entreißt  bir  altes,  roas  bu  uns  genommen 
^aft:  mit  SBranb  loirb  er  bi(^  jur  Strafe  üeriDü[ten.  931ö(^te 
bo$  roenigftens  meine  Seele  Seil  erfai^ren!  Solange  i^ 
mit  ber  SBelt  lebte,  ^abe  ic^  oiele  9Kenf(^en  fro^  gemad^t, 
^ölänner  unb  grauen.    9)Q,VC  id^  nur  babei  mi^  felbft  ^ 


210 

retten  geiDugt !  5Iber  lobe  iä)  hcs  fieibes  SD^inne,  [o  [d^abet 
bas  b«r  Seele.  Sie  fogt  mir  banti;  xä)  lüge  ober  rebe 
irre.  $rhir  ber  roo^ren,  ber  l^tmmlift^en  £tebe  [pri^t  [ie 
Dauer  5u  unb  rül^mt,  toie  gut  fie  [et  unb  unoergängli^. 
Darum,  Jßetb,  lafe  jene  3Kinne,  bie  ja  aud^  bt^  oerlöfet,  unb 
l^alte  hxä)  an  bie  etoige  Jßiebe.  Die  ßeibenf^aft,  um  bie 
bu  bi(^  bisl^er  bemü^teft,  [ie  i[t  unoollfommen  unb  trüge» 
ri[^.  (3n  bir,  mein  £eib)  §atte  i^  mir  ein  l^errli^s 
Silbroerf  (eine  [prec^enbe  Statue)  ausertoöl^lt ;  o  tw^, 
"^ätV  xä)  es  nie  ge[e]^en  unb  [o  mel  Umgang  mit  i^m  ge* 
l^abt!  3^^t  ^ai  es  [eine  S6)bn^dt  unb  lBereb[amfeit 
eingebüßt.  Gin[t  rool^nte  in  bem  £eibe  ein  SBunber,  bas 
t[t  entflol^en,  iä)  roeife  nit^t,  to-o^tn;  nun  [(^locigt  es.  Unb 
an  bie  Stelle  oon  SHot  unb  -Cilienroeig  bes  ^ntli^es  trat 
bie  ga^I^eit  ber  i^erferl^aft,  Duft  unb  ©lans  [^roanben 
iml^in.  Du,  mein  93ilb,  roenn  xä),  bie  Seele,  in  bir  ein"» 
ge!erfcrt  bin,  [o  lag  mi^  frei,  bamit  loir  an  anberer 
Stätte  fro^  uns  toieberfinben.  Denn  tDieberfinben  loerben 
iDtr  uns. 

2Rtt  größerem  Se^agen  ge[taltet  ein  anberes  £teb 
ben  5lb[(^teb  bes  Dieters  oon  ben  irbi[(^en  greuben 
(fi.  100,  24) :  grau  SBelt,  35r  müßt  bem  2Birte  [agen, 
bafe  x6)  i^n  ganj  besa^It  [^on  ^be  —  bie  große  S^ulb 
i[t  abgetragen  —  baß  er  mxä)  aus  bem  St^ulbbrief  f(^be. 
2Ber  i^n  3um  ©laubiger  ^ai,  bem  mat^t  es  Sorgen,  (gy 
i^  i^m  lange  [c^ulbig  roär',  roollt'  i^  hti  einem  ^htrx 
borgen.  (£r  ft^roeigt  Bis  auf  ben  legten  3^ag :  bann  f orbert 
er  ein  ^fanb  i>on  bem,  ber  [i(^  ju  Iö[en  ni^t  oermag.  — 
„iSBalter,  bu  5ürn[t  mir  o^ne  SRot,  bei  mir  §ier  fon[t  bu 
bleiben,  ©ebenf,  toel^'  (E^ren  x6)  bir  bot,  gat^  beinen 
2BilIen  fonnt[t  bu  treiben,  loie  bu  mxä)  ja  [o  bringenb 
bate[t.  SRir  roar's  nur  re^t  im  gerjen  leib,  baß  bu  es 
alläu  [elten  taU]t    iBebenf  bi(^  bod^,  bu  Ieb[t  ja  gut; 


211 


irnb  fünbigft  bu  btc  Ji^eunbfi^aft  mir,  fo  iDtr[t  bu  nie 
mcl^r  rool^Igcmut."  —  grau  SBelt,  5UDtcI  f^ah'  iä)  gcfogen, 
enliDöl^ncn  mu^  iä),  es  ift  3^^*.  5a[t  ^at  bctn  3örleln 
miä)  betrogen,  mit  greuben  iDar[t  bu  [tets  Bereit,  ^s 
iä)  bir  uä)t  fa^  ins  ©efit^t,  ha  loar  bein  ^ntli^  iönnber= 
f^ön,  i^  lüge  ni^t;  \>oä)  roarft  bu  fo  ber  ©reuet  üoII, 
als  i^  oon  rüdhoörts  bi^  erblirft',  ba^  i^  hiä)  immer 
[(gelten  foll.  —  „1)a  i^'s  ju  änbem  nic^t  oermag,  fo  tu 
nur  eins,  bas  i^  begel^r':  bergig  ni^t  manchen  Reitern 
XaQ,  unb  fie^  boc^  nur  mitunter  ^tx,  roenn  bu  bei  £onger» 
u)eile  mi^  oermigt."  „^as  täf  iä)  too^rli^  aüäugern,  nur 
fürtet  i'(5  beine  Böfe  fiift,  oor  ber  fi^  niemanb  roeife  ju 
roal^ren.  Drum  fag'  \ä)  ,gute  'iRaä)^,  grau  2BeIt,  3ur  $er* 
berg'  mufe  xä)  fahren/'  Die  Durd^fül^rung  ber  TOegorie, 
bie  ben  Xcufel  als  ^ri^abex  eines  SÖBirts^aufes  barfteüt, 
in  bem  bie  reijenbe  grau  SBelt  als  S(^enfmäb(^en  bie 
©äfte  feft^u^alten  fu^t  u)ie  2)enus  ben  3^ann]^äufer  im 
Sörfelberge,  ift  ungemein  lebenbig  unb  babei  bo(^  fo  bi5= 
fret,  bafe  fie  nur  ber  reifften  5^unft  gelingen  fonnte. 

(£s  finbet  fi^  überhaupt  in  3BaIters  legten  ©ebi^ten 
eine  gülle  oon  ^Tnf^auungen  unb  ©ebanfen,  eine  3^iefe 
ber  Gmpfinbung,  eine  SReit^^altigfeit  bes  fpielenben  ^Tus* 
brurfes  —  üerbunben  mit  ber  £odfer^cit  unb  grei^eit 
ber  Safefügung,  loie  fie  hei  alternben  Dichtern  eintritt, 
aus  Sl^afefpeare  ift  bies  am  befannteften  —  loobur^  es 
fe^r  f^u)ierig  roirb,  eines  ber  Stürfe  oor  ben  übrigen 
au53U3et(^nen.  S^^^sfalls  gel^ört  5u  feinen  fc^önften  ®e= 
bid^ten  überhaupt  bie  fogenannte  „(Elegie"  (fi.  124,  1): 

O  we^,  roo^in  entf(^tDcnben  mir  alle  meine  3af)t'? 
2Bar  benn  mein  fieben  3^raum  nur,  ober  ift  es  toa^r? 
Hnb  toas  \ä)  glaubte,  bafe  gef^o^,  roar's  einmal  f^on? 
Denn  fonft  ^ob'  it^'s  oerf^lafen  unb  roeiS  ni^ts  bapon. 


212 


Jfß^t  übet  bin  t^  maä)  unb  i[t  mir  unbcfannt, 

toas  x(i)  5iit)or  gebrauste  mit  xtä)V  unb  linfe  $anb. 

8tnb  Jßeutc  bo^  unb  ßonb;  tDO  iä)  als  Rinb  mar  aufgc= 

sogen, 
fo  fremb  mir  ^tuV,  als  toenn  bte  gansc  3ugcnb  max'  er* 

logen. 
Mit  bencn  iä)  etnft  fpielte,  bte  ftnb  je^t  trag'  unb  alt; 
35crbrannt  t[t  nun  bcr  ^cfer,  gef^lagcn  ift  bcr  2Balb, 
nur  baß  noc^  SBaffer  fließet,  bort  mo  es  emftens  floß, 
nur  bas  ift  mir  oerblteben,  mein  XInglüd  roar'  fon[t  groß. 
§eut'  grüßt  mi{^  mancher  läffig,  ber  einft  mi^  fannte  roo^l, 
bie  gan3e  SBelt  i[t  ringsum  böstoiirger  Ungun[t  t>oIl. 
Da  benf  ic^  im  SBerglei^e  an  alte  2Bonne5ett, 
bie  ift  mir  längft  entfloffen,  ein  5la^n  im  SCReere  loeit. 
95or  mir  nichts  als  SBc^! 

D  mt\),  roie  flägli^  ^eute  bic  junge  2Belt  gebart, 
bie  e^mals  l^elle  greube  fid^  im  ©emüt  beroal^rt! 
Sie  forgen  fi^  unb  fümmem,  a^,  warum  tun  fie  fo? 
SBol^in  ber  2Belt  \ä)  U^xt,  ba  finb'  i^  niemanb  fro^. 
35r  3^an3en  unb  il^r  Singen  oerge^t  in  3ammer  gar, 
bie  (T^riftentoelt  fal^  nirgenb  no^  fo  armfcl'ge  Sc^ar. 
Se^t  an  ber  grauen  iUeiber,  i^r  bürftig  Jeftgelodf, 
bie  ftoljen  ^Ritter  felber,  fie  ge^n  im  5Bauemrorf. 
X)as  ma^t:  ungünft'ge  ©riefe  finb  uns  aus  IRom  ge= 

fommen, 
bie  ^aben  £eib  oerorbnet  unb  greube  uns  benommen. 
Das  frönft  mi^  tief  im  Serjen,  fonft  lebten  roir  oergnügt, 
^6  je^t  mein  frohes  Jßac^en  oom  SBethen  wirb  befiegt. 
Sogar  bie  roilben  SBögletn  bie  jammert  unfrer  Rlagc, 
ujas  SBunber,  baß  i^  ^rmer  mit  Sänge  faft  oer3age? 
T)oc^  laßt  mi(^  nic^t  mel^r  eifern  in  meinem  jäl^en  3^1^  * 
ujer  Crbenglüd  erftrebet,   f)ai  Simmelsl^eil  oerlom. 
Soor  mir  nichts  als  3QBe^! 


f 


5t^,  mclt^c  fügen  SBonticn  serftörcn  unfer  ficBen? 
TOllcn  brin  im  $ontg  fe^'  \6)  bic  ©die  [^ujeben: 
2)on  außen  tft  fte  prö^tig,  bie  SBelt,  toetfe,  grün  unb  rot, 
bo^  innen  fd^toors  unb  büjter  unb  grault^  roie  ber  2;ob. 
2Ben  [ie  bisl^er  D^rlocfte,  ber  fu(^e  raj^  no(^  3:roft, 
es  lö[t  t>on  argen  Sünben  i^n  lei^ter  ^ufee  iloft. 
35r  5Hitter  baran  benfet,  benn  eu$  geht's  nunmehr  an, 
3^r  feib  mit  blanfen  Reimen,  mit  ^ansern  angetan, 
Dasu  tragt  i^r  bie  Sd^ilbe  unb  bas  gemeil^te  S(^ti>ert. 
iD  ©Ott,  toär'  au^  bem  Sänger  ber  Siegesgug  bef^ert! 
Dann  toollt'  ic^  armer  Sünber  mir  ^olen  reichen  Solb: 
ni^t  mein'  i^  £anb  unb  (Eigen,  aud^  nic^t  ber  Serren  ©olb; 
Des  Simmeis  eio'ge  i^rone  möc^f  i(^  im  ^enfeits  tragen, 
bie  barf  ein  f^Ie^ter  Sölbner  beim  5lreu53ug  [i^  erjagen. 
Äönnt'  i^  auf  frommer  Sral^rt  nur  je^t  reifen  übers  9[Reer, 
ba  rief  i^  gerne:  „$eil  uns!"  unb  flagte  niemals  mel^r. 

Die  unfanften  93riefe  aus  9?om,  toie  SBalter  fie  nennt, 
finb  bes  ^apftes  Sann;  \iQ^  felbft  bie  roilben  SBöglein 
bur^  bie  5^Iage  bes  Sängers  \it\vö^i  loerben,  meift  auf 
ben  SBinter  biefes  3a]^res  1227  Jin,  auf  bie  3eit,  too 
ber  5BogeIfang  oerftummt  ift;  ba5u  paßt  ber  Rreusjug, 
ben  SBalter  3U  feiner  5lränfung  nii^t  mel^r  mitma^n 
!ann.  5Iu(^  l^ier  bliiit  ber  Dit^ter  migbilligenb  auf  bie 
©egenroart  unb  oergleid^t  fie  trauemb  mit  ber  früheren 
3eit.  (£s  gef^iel^t  bies  aber  nid^t  oerbriefelic^  unb  ärger« 
lic^,  fonbern  mit  Sße^mut  unb  im  23euju6tfein  beffen,  bafe 
alle  foI(^e  25erglci(^e  bo^  eigentlich  auf  ber  2Biber= 
fpiegelung  bes  3lbftanbes  Berul^en,  ber  stoif^en  ber  frif^ 
aufquellenben  S^iÖ^ubfraft  unb  bem  f^u)ä(^eren  £ebens= 
gefü^I  bes  Filters  \it\  allen  10lenf(^en  eintritt,  toennglei^ 
er  ni^t  Don  jebem  fo  tief  empfunben  ujirb.  iDb  ber  Sänger 
©ol^I  feine  $eimat  eben  toieber  gefe^en  l^tte,  als  er 


214 

btefes  ^tnli^t  £tcb  [(^uf  ?  (£s  tnare  \a  ni^t  unmööli(i&, 
ba6  er  no(^  in  feinem  legten  fiebensja^re  loteber  in  ö|teT* 
reic^  gcroefcn  roäre;  mir  beji^en  fein  Seugnts  barüber, 
unb  an  \xä)  i]t  es  nt^t  gerabe  toal^rf^inlid^.  3lu(^  finb 
bie  eingaben,  toelc^e  bas  (5ebi(^t  [elb[t  barüber  enthält, 
gan5  allgemein  unb  geftatten  feinerlei  be[timmten  Sd^Iuft 
auf  Dxt  unb  3eit. 

'iflaä)  bem  S^^re  1228  erfahren  toir  nichts  me^r  pon 
SBaller.  ilein  £ieb;  fein  Spru^  i\t  oor^anben,  bte  Jpäter 
anjufe^en  roären,  unb  roenn  unr  uns  \>tn  ^i^^^lt  jenes 
legten  ©ebic^tcs  (oben  S.  206f.)  xtä)i  überlegen,  [o  roerben 
roir  ni^t  3meifeln,  bafe  SBalter  bas  fernere  Siei^tum, 
be[[en  er  bort  gebenft,  ni^t  überftanben  §at  unb  no^ 
1228  geftorben  i[t.  Gr  ^at  fomit  ungefähr  60  3a]^re  er* 
rei(^t,  loas  man  ein  ^o^es  Filter  nennen  barf,  toenn  man 
bie  burd^fd^nittlic^  geringere  fiebensbauer  in  jener  ßtit 
unb  SBalters  aufreibenbe  Xätigfeit  in  Setra^t  jiei^t.  SBir 
n)i[[en  ni^t,  too  SBalter  ftarb,  au^  femten  roir  [eine  <5rab« 
[tätte  ni^t,  benn  beinal^e  alles,  roas  barüber  mitgeteilt 
roirb,  ^at  \xä)  als  fpäte,  fagenl^aftc  93ilbung  ol^ne  (Stwä^x 
ber  3^atfa^en  erroiefen.  (£s  ge^t  SDSaltern  barin  niä)t  anbers 
als  ben  beften  beut[^cn  Diätem  bes  SKittclaltcrs  über* 
^aupt;  roiffen  roir  hoä)  nid^t  einmal  fieser,  ob  tin  glürf* 
li^er  3iiföH  jenen  Ort  bem  ©ebäci^tnis  überliefert  l^at, 
roo  bie  ©ebeine  oon  2Balters  großem  Jreunbe  ein|t  ruhten : 
„bes  ftrengen  §errn  2Bolfram  oon  (£\ä)tnbaä)."  —  So 
bleibt  es  benn  rocnigytens  eine  3^at  poetif(^er  ©ere^ttg* 
feit,  roenn  eine  oolfstümlit^e  Überlieferung,  oielleici^t  nur 
aus  ber  Deutung  bes  ^Ramens,  uns  berietet,  auf  bem 
(5rab|teine  SBalters  oon  ber  SBogelroeibe,  ber  in  bas 
Stift  9^eumünfter  5u  SBürjburg  oerlegt  roirb,  fei  naä)  einem 
SBermö^tnis  bes  Sängers  ben  SBögeln  gutter  unb  2Baf- 
fer  iäqUä)  gerei(]^t  roorben.    9^o^  im  fiebjeljnten  3a^r« 


w 


l^itnbetl;  fo  cr^ä^lte  man,  ift  eine  Störung  ber  Stng= 
Dögel  auf  ber  £tnbe  an  Sßalters  ©rabe  burc^  ben  2ob 
bes  greolcrs  aI[ogIet^  geragt  roorben.  — 

SBolters  £eben  um[pannt  bte  Slütejeit  ber  alt= 
beutf^en  ^ocfte:  in  btefen  beibcn  9Kenfc^enaltern  ift  ge= 
[(Raffen  toorben,  toas  burt^  langrtnerige  ^roseffe  in  ber 
feeli[(%en  (EnttDidelung  ber  ^Ration,  bur(^  nü(^teme  5Irbeit 
an  Sprache  unb  gorm,  burd^  bie  Überlieferung  b«r  SBolfs^ 
poejie,  bte  (Erstehung  ber  i^ir^e  unb  bte  (Btnroirfung 
gran!rei(^5  oorbereitet  toar.  ^nnerl^alb  il^res  furgen 
Sö^eftanbes  bilbet  biefe  ^oefie  bie  3^ftönbe  einer  fein* 
erlogenen  ©e[ell[d^aft  ab,  bringt  aber  auc^  bie  grofee 
93egabung  unb  Slunft  einjelner  5ur  IHeife.  Über  Spif, 
£grif  unb  X)ibaftif  breitet  fie  \\6)  aus.  3^  ätoeien  biefer 
(^tbxtit  ift  SBalter  oon  ber  33ogeIujeibe  unbeftritten 
aJleifter,  er  ift  bie  mittelfte  unb  be^errf(^enbe  ©rfc^etnung 
ber  altbeutfd^en  £i)rif.  &aft  trögt  er  fie  auf  feinen 
S(^ultern,  benn  er  ^at  fie  in  i^rer  erften  93lüte  oorge* 
funben,  bei  feiner  Pflege  ift  fie  ausgereift,  unb  fo  \)ai  er 
fie  jurudgelaffen.  %\\t  bie  etnselnen  9li^tungen,  bte  für 
fi^  oor^er  beftanben  Ratten,  ntxbxtihti  er  \n  fetner  ^oefie  ; 
gegen  bas  ©nb«  feines  fiebens  teilen  fie  fid^  toieber  unb 
ge^en  bann  allgemad^  auseinanber,  jeber  ^erDorragenbe 
Sänger  nimmt  |i^  eines  befonberen  !^\ßt\Qts  an.  (Es 
ift  ja  eine  gro^e  unb  l^errli^e  Sd^ar,  bie  ber  beutf^en 
SKinnefänger;  man  Derfu(^e  aber,  \\^  SBalter  aus  il^rer 
SKitte  roegsubenfen,  oerlöre  fie  nid^t  ben  beften  ©lans, 
ber  über  fie  gebreitet  ift?  ©ern  toirb  5ugegeben,  bafe 
2BaIter  ni(^t  immer  glei^  ^U5ge3ei(]^netes  gefi^affen  l^at, 
man(^e  SRinnelieber  $einri(^s  oon  9Jlorungen  tmrb  man* 
einjelnen  Stürfen  aus  2BaIters  l^o^er  £t)rif  oorjie^n, 
aber  gegen  feine  gefamte  ^erfönli^feit  als  3)ic^ter  treten 
bo^  alle  Mtioerber  ^umd.    (£r  entfaltet  eben  eine  S3iel* 


216 

[citigfctt,  in  ber  es  t^m  ntcmanb  glef^tut.  Seine  fiieb^r 
ber  nieberen  SWinne  [inb  ber  f(^ön[te  ^lusbnid  ber  (£mp* 
finbung,  beffen  bie  Spraye  bamals  fä^ig  mar,  unb  be* 
toegen  uns  I)eute  naCi)  fiebcn  ^af)x\)unhtxUn  mit  i^rer  ur= 
[prüngli(^en  5lraft  bas  (5emüt.  Seine  Sprühe  finb  oon 
einem  ^atl^os  für  Äaifer  unb  ^tiä)  eingegeben,  bas 
oor  unb  na(^  SBalter  —  man  überlege  —  unerhört  rwir. 
Seine  religio fe  unb  refleftierenbe  Di^tung  bietet  bas 
3^icf[te,  toas  feine  3^^^  o^5  ber  [ubjcftioen  (grfa^rung  gu 
gejtalten  roufete.  gerner:  SBalters  ©efänge  üben  i^re 
ftarfe  Sßirfung  ni(^t  5um  gering  ften  Xeile  bes^alb,  roeil 
er  ein  reiner  unb  großer  SO^enfc^  uxir.  9lt^t  o^nc 
St^mät^en  unb  f)emmenbe  fieibenft^aften  roar  er,  roie  roir 
ge[ef)en  l^oben,  jebo(^  in  ben  entfc^eibenben  ^ugenbliden 
[eines  Gebens  trugen  il^n  [tets  bie  3"ipulfe  feiner  9^atur 
über  alle  Sinberniffe  roeg  ju  ben  lichten  Sollen,  unb  es 
entfalteten  fi$  bie  eblen,  einfa^en  (5runb5üge  feines  (£^a= 
ralters.  (£r  mar  ein  Kämpfer:  unber  feine  geinbe  ftritt 
er,  toiber  bie  Störer  ber  ^oefie  unb  bie  ©egner  bes 
$Rei(^es,  roiber  alles  Sc^le^te  unb  (Semeinc;  feinen  ]ä)XDex= 
ften  Sieg  erfo^t  er  über  fi(^  felbft  unb  bie  (Setoaltfamfeit 
feines  Sßefens,  bie  boc^  5uglei^  bas  ©e^eimnis  feiner 
©röfee  birgt.  (Er  roar  ein  freif^affenber  ©enius,  er  ^atte 
ben  ^öc^ften  33egriff  oon  feiner  -Runft  unb  freute  fi^  an 
bem,  toas  in  SKufif  unb  Dichtung  i^m  gelungen  uwr. 
5Ils  e^ter  Mnftler  fafetc  er  aber  auc^  ftets  bie  SBirfung 
feiner  5hinft  ins  5luge:  bas  ©emüt  feiner  $örer  5u  cr= 
^eben,  ju  oerebeln  —  benn  bas  meint  er  mit  ben  ted)« 
nif^en  ^usbrüden  „fro^  machen,  erfreuen"  —  roar  bas 
3iel  feines  ©efanges.  (£r  ^at  babei,  wk  feine  ganje 
3eit,  an  ben  iRac^rul^m  ni^t  gebac^t,  i^m  genügte  es, 
glet^  ben  großen  Diätem  ber  ©riechen,  ben  ßcbenben 
genuggetan  ju  l^aben.    Unb  \>oä)  ^ai  er  für  alle  3^^ten 


gctDtrft.  SRt^t  mix,  tocil  ferne  Sprache  fo  flar  unb  but^* 
[i(^ttg  ift,  fo  f^ön  ber  glufe  femer  33erfe,  fonbem  i>or 
allem,  roeil  er  aus  ber  ©ef^ränft^eit  feiner  ßebenserfaj» 
rung,  feiner  Stlbung,  [einer  3eit  bas  allgemein  äRenfd^* 
li^e  mit  firfierftem  ©efiil^I  l^erausjugreifen  oerfte^t  unb 
es  in  einfa^e  unb  barum  un3erftörbare  2Borte  fleibet. 
Desl^alb  mug  er  auä)  uns  als  Älaffifer  beutf^er  ^oefie 
gelten.  (Erft  ©oet^e  ^at  bie  SBeife  toiebergefunben,  in 
bcr  einft  2Balter  gefungen  ^atte,  unb  über  hk  glut  ber 
3eiten  fpannt  fi^  bie  IBrüde  oon  bem  einen  jum  anbem, 
r>on  bem  größten  beutfd^en  2r)x\Ux  ber  neuen  ß^it  ju 
bem  größten  ber  alten,  ber  au(^,  n>er  immer  no^  lommen 
möge,  einer  ber  erften  Dieter  unferes  5Bolfes  bleiben  roirb. 


SBalter  ^at  ni^t  für  ben  9la^ru§m  gebit^tet,  aber  er 
^at  U)n  hoä)  errungen.  3iittö(^ft  nmrbe  i§m  ju  feiner 
eigenen  3t\i  oon  ben  ^Berufenen  bie  ^öc^fte  ^nertennung 
3uteil.  2ßir  fprac^en  f^on  oon  SBoIfram.  SBor  allem 
aber  gefc^a^  bies  bur^  ©ottfrieb  oon  Strasburg.  „2Ber", 
'fo  fragte  er,  na^bem  er  ben  3:ob  9ieinmar5  beflagt  ^at, 
„foll  je^t  bie  liebe  S(^ar  ber  9^a(^tigallen  anfül^ren  unb 
bas  ©efinbe  toeifen?  3^  ^^^^^  i^o^l,  ha^  iä^  fie  finbe, 
bie  bas  iBanner  tragen  loirb,  i^re  älleifterin,  bie  oon  ber 
SBogetoeibe.  §ei,  toie  ^ier  über  bie  $eibe  i§re  gellen 
Üöne  Hingen!  2Bieoiel  2Bunberbarcs  bringt  fie  ^eroor, 
roie  funftooll  fe^t  fie  i^re  SKelobien  in  äRufif,  toie  treffli^ 
töeife  fie  i^re  Itonarten  gu  roe^feln  in  i^ren  SJlinneliebem ! 
Die  foil  i^ämmerin  fein  am  §ofe  ber  $0ünne,  foll  bie 
anberen  leiten  unb  roirb  es  oortreffli(^,  benn  fie  oerftel^t, 
mo  fie  bie  SJlelobien  für  ben  äflinnefang  fu(^en  mufe. 
Sie  unb  i^re  ©enoffinnen  roerben  bur^  i^te  ^rrli(^en 

Säibnhaäi,  VBoftcx  öon  ber  SSofleltoeibe.  16 


218 

Jßieber  bie  yc^nfit^tsüollc  3^raurtgfctt  bcr  SRinne  in  Ifteube 
umft^affen."  Seinen  eigenen  3[ßert  behält  neben  biefem 
^o^en  £obe  non  SBalters  $0hifif  bas  S^ugnis  bes  X^o« 
mafin  oon  3ii^^I<i^iö;  baffen  toir  fi^on  geballten,  bes 
(Segners,  ber  aber  gerabe  burd^  bie  a^tungsüolle  5Rüdfid^t, 
mit  ber  er  über  2BaIter  fpri^t,  betueift,  mie  ^o^  ber 
Songer  oon  x^m  nnb  feinen  3^i^9ß^offen  gefd^ö^t  tourbe. 
(Einmal  lö^t  \\ä)  ein  namenIo[er  S8erufsgenof[e  SBdters 
rernel^men  nnb  ruft  il^n  an,  feinen  Xrautgejellen  üon  ber 
S5ogeIu)eibe,  fu^t  htx  \l}m  §ilfe  unb  9?at,  ba  feine  (5e* 
liebte  i^m  S(^mer5  bereitet,  nnb  l^offt,  roenn  SBalter 
i^n  mit  feiner  ilunft  unterftü^e,  roerbe  er  es  no^  ba^in 
bringen,  bafe  er  mit  i^r  SInmen  brechen  ge^e.  Sx6)txliä) 
^at  SBolter  Sanier  gehabt  unb  ift  l^äufig  oon  Jüngern 
feiner  Äunft  aufgefu^t  ober  (mu  huxä)  9^etnmar  oon 
3roeter)  um  9?at  angegangen  ujorben.  Sol^  ein  S(^üler 
ift  ujal^rfd^einlit^  Xtlri^  oon  £iec^tenftein  getocfen,  na^« 
mats  bas  gaupt  bes  fteirifi^en  51bels,  ber  ben  Ginflufe 
Sßalters  in  feinen  fiiebern  auf  bas  beutli^fte  seigt  unb 
felbft,  mt  mi  hörten,  bas  berühmte  „^\)x  mügt  fpre^en: 
fei  roillfommen!"  in  feinem  „grauenbienft"  sttiert.  Gin 
unmittelbar  oon  SBalter  ^erangebilbeter  Sänger  toar  ber 
rei(^e  $err  Hlri^  oon  Singenberg,  3^ru(^fe6  oon  St. 
©allen,  ber  il^n  feinen  SHJeifter  au5\>xüdliä)  nennt  unb  über 
bie  ^rmut  feufst,  in  ber  2BaIter  tro^  reifer  i^unft  leben 
muffe.  (£r  oergleic^t  bamit  ht^aQlxä)  feine  eigene  Sage, 
er  fönne  fpät  megreiten  unb  fomme  hoä)  na^  §au5  (im 
©egenfa^  5U  SBalter,  oben  S.  163),  unb  es  f^abet  i^m 
nichts,  roenn  er  oon  $eibe  unb  grünem  5llee  fingt.  5lls 
2Balter  geftorben  roar,  unbmet  i^m  ber  oon  Singenberg 
einen  5Ua(^ruf,  ber  htx  geringer  5lunft  bo^  oon  aufrichtigem 
©efü^l  5eugt:  „Unfer  Sangesmeifter,  ben  man  cinft  ben 
oon  ber  SBogelroeibe  nannte,  ift  je^t  5ur  legten  gra^rt  aus* 


gesogen,  bte  feinem  üon  uns  erfpart  bleibt.  3Bo5  ^ilft's 
i§m  min,  Ivafe  er  dies  in  btr  SBelt  erfolgten  ^atte?  Xioi^" 
bem  i[t  lein  ^ol^er  Sinn  ]ä)Vi>aä)  gerooxben.  2Bir  iDünf^en 
i§m  um  feines  füfeen  Sanges  toillen,  ha  je^t  ho^  feine 
SBeltfteubc  entf^rounben  ift,  bag  jenfeits  htx  liebe  SBater 
i^n  gnäbig  unter  feinen  Sc^u^  nel^mc/'  Des  2:ru(5feffen 
greunb,  $err  5?einmar  oon  SBrennenberg,  ben  bie  9legens= 
burger  erfc^lugen,  bejei^nct  ebenfalls  in  einer  Xotenflage 
SBalter  als  „feinen  2Reifter".  ^erfönli^  mu^  i^n  au^  ein 
Sänger  gefannt  ^aben,  ber  in  einer  Strophe,  bie  §erm 
9?ubin,  einem  ^beligen  aus  Sübtirol,  inig  5ugef^rieben 
iDorben  ift,  fagt:  „Sßalter,  au^  bu  mit  beinen  fingen 
Sinnen  bift  fort,  ber  bu  hit  ©unft  ber  $erren  genoffeft. 
2Be5e  biefes  XInglüds!"  $err  9?ubin  Jelbft  ift  gleichfalls 
einer  ber  S^la^a^mer  SBalters.  Diefe  fämtli(^  aufjusö^Ien, 
ift  surjeit  unmögli^,  benn  faft  alle  bebeutenberen  50linnc= 
fanger  ber  fpäteren  3^^^  fte^en  unter  bem  (Einfluß  i>on 
SBalters  SBorbtlb  unb  laffen  bies  in  i^rer  Sprache,  in  ber 
^luffaffung  unb  Se^anblung  i^rer  Stoffe  erfennen.  3)er 
5lRarner,  ein  bürgerli^er  Sänger  aus  b^r  stoeiten  Sölfte  bes 
la.ga^r^unberts,  fü^rt  unter  ben  Dichtern,  beten  TOfc^eiben 
er  beflagt,  unb  bie  einem  ru^mrei^en  älteren  ©ef^let^te 
angehören,  au^  Senn  Sßalter  an.  Dann  aber  toirb 
biefer  3^ame  mi)t]^if^.  grauenlob,  ber  ^o^fa^renbe  unb 
gelehrte  SBinfopf,  toirb,  n>enn  er  fic§  über  ben  alten 
Sänger  er^bt,  beffen  fiieber  nic^t  oiel  beffer  gefannt 
^aben  als  ber  biebere  5lReifter  Sart^el  ^Regenbogen,  ber 
i^n  u)ieber  ju  G^ren  bringen  u>ill.  hingegen  ift  SBalter 
no^  in  bie  Stubierftube  bes  braoen  fing  oon  Xrimberg, 
S^ulmeifters  in  ^Bamberg,  sugefe^rt,  unb  biefer  treffli^e 
SKann  rougte  bes  SBogelu>eibers  Jßieber  unb  üornei^mlic^ 
feine  Sprüht  mit  einem  banfbarcn  ©emüte  ju  roürbigen; 
er  fafet  fein  £ob    in  bie  um  i^rer  Sc^lid^t^cit    toillen 

15* 


[(^öncn  35crfe  jujammen:  „Scrr  2ßaltcr  oon  bcr  33ogel= 
toctbc  —  rocr  bes  oergäfec,  ber  täte  mir  ßcib."  33on 
btcfcr  3cit  ab  ^at  ft(^  SBoltcrs  (Sebät^tnis  nur  in  bcm 
Rotolog  bcr  jiDölf  ^l^n^crrcn  "ht^  beutf^cn  95lei(terge= 
fangcs  crl^dten  unb  in  jtDei  StRcIobicn  ober  Strop]^en= 
gebäuben,  bie  oon  bcr  Äolmarer  SReifterfinger^anbf^rift 
„§errn  Sßalters  oon  ber  SJogelroeibe  gelpoltene  unb  §of* 
ober  2Benbelroeife"  genannt  toerben.  3m  15.  3a^TF)unbert 
[(^minbet  [eine  Spur:  mit  bem  ganjcn  gei[tigen  fieben 
bes  $0JitteIalter5  ift  für  biefe  (5e[t^Ie(^ter  ber  9?enaif= 
fance,  bes  Humanismus  unb  ber  ^Reformation  auc^  SBolter 
üerfunfen. 

5Rtc3^t  für  immer.  5Ro(^  furg  oor  Anfang  bes  ocr^ 
ni^tenben  Dreißigjährigen  i^rieges  tauchen  feine  £ieber 
unter  ben  Supern  eines  unrüf)ig  f^meifenben  (5elef)rten, 
äReI(^ior  ©olbafts,  auf,  um  fi^  bann  be^arrli^  5u  Der= 
bergen,  ^bcr  fobalb  tmt  neue  fiiteratur  [i^  ju  bilben 
beginnt,  pren  mir  feinen  Flamen  toieber.  ^Is  Sobmer 
es  mit  ©reitinger  oerfuc^t,  bie  altbeut[(^e  Literatur  ju 
erroedfen,  gehört  au(^  SBalter  5u  bencn,  bie  nun  uon 
neuem  üortreten,  feine  Di^tungen  finben  fi^  am  reic^ften 
in  ber  ^arifer,  nun  geibelberger,  $anbf^rift,  bie  jene 
beiben  S(^tDei5er  als  „SJlinnefänger  aus  bem  fc^ttwbifc^cn 
3eitpun!te"  (1758.  9)  jum  :Dru(I  beförberten.  3lber  biefes 
2Ikr!  blieb  junäc^ft  erfolglos,  benn  bie  '^tW  mar  bafür 
no(^  ni^t  reif,  anbere  ^lufgaben  lagen  nöl^er  unb  toaren 
bringenber.  So  ift  au^  3iemli(^  alles,  roas  man  fonft 
no^  im  18.  '^^x^^wcCiitxX  für  bie  altbeutf(^e  ^oefie  unter» 
na^m,  motzte  es  oon  ©ele^rten  ausgeben  ober  oon  ben 
Jül^rern  ber  Literatur,  oon  5llopftorf,  ©leim,  fieffing, 
ben  ©öttingern  unb  ©ürger  ober  §erber,  5u  Soben  ge* 
fallen;  ni(^t  unfruchtbar  überhaupt,  fonbem  nur  einft= 
toeilcn  fru^tlos.  CBrft  bie  9?omantif,  bie  9^a(^bläte  unferer 


221 

neuen  fla([i[c^en  Di^tung,  \)ai  5ur  3ßit  ber  Äne^tfcfyxft 
unb  3errüttung  bes  33aterlanbe5  \)<i5  Sers*  3U  [tärfen 
gefugt  hmä)  bie  5luf^eIIung  bes  beut[^en  2RttteIaIters. 
Unb  mögen  ou^  Zkds  „SlRinncIieber"  (1803)  [0  bürftig 
fein,  als  fie  njollen,  unb  bk  Segeifterung  ber  33orrebe  (0 
DertDorren  unb  unflar  wü  bas  IBilb,  bas  bem  5Bu(^e  oor= 
gel^eftet  ift,  [ie  ^aben  hoä)  gemirft,  unb  bie  jungen  Srüber 
3afob  unb  SBil^elm  ©rimm  toufeten  ben  Stritt  5u 
f(i^ä^en,  ber  bamit  gef^e^en  roar.  3)ie  beutfd^e  ^5ilo= 
logie  ent[tanb,  unb  fettiger  Fiaben  hh  bebeutenbften  gorf^er 
in  bie[er  2ßi[[enfc^aft  i^re  ^ufmerf|amfett  pon  2BaIter  ni^t 
mel^r  gelaf[en.  Äubroig  Urlaub,  ber  le^te  gro^e  Sänger 
bir  SRomantif,  ber  bebeutenbfte  i^enner  sugleic^  bes  alt= 
beutf^en  äJlinnefanges,  f)ai  (1822)  ^uerft  bas  £eben  unb 
2Bir!en  2BaIters  oon  b^r  33ogeItöeibe  bef^rieben. 

2Bir  ^egen  feine  gurc^t,  bafe  fortan  bas  ^llnbenfen 
bes  ]^errlt^en  Sängers  je  toieber  in  33erge[Ien5eit  gerate. 
Denn  allgema^  tDurjett  fe[t  unter  ben  Deutf^en  bie  (£r= 
fenntnis,  bafe  es  ein  95ZerfmaI  reifer  Silbung  unb  ®e= 
[ittung  ijt,  mtnn  ein  33ol!  feine  33ergangeni^eit  oerftel^en 
nnb  achten  lernt.  3lus  biefer  (ginfi^t  unb  (g^tfurd^t  er* 
mac^fen  i^raft  unb  äRut  für  ©egenuwirt  unb  3iifunft. 
Unter  bie  Scanner  aber,  bie  unfterblit^en,  beren  banibares 
(5ebä(^tnis  bas  l^eilige  geuer  ber  33aterlanbslicbe  in  uns 
anfaßt,  gel^brt  immerbar  §err  Sßalter  öon  ber  33ogeI= 
u>eibe. 


^ 


Beigabe 

Kurze  Überfidit  der  wilfenfchaftlichen  Utteratur 

ßubroig  lfi)Ianb,  bcm  crjtcn  S3iograpI)cn  SBaltcrs  oon  bcr 
SJogctoelbe  (1822,  bann  totebcr  1862  unb  in  bcn  Sdiriftcn  6, 
1—109),  ijt  bas  Sud)  „Die  ®cbid)te  SBaltcrs  oon  bcr  SBoqcI* 
iDcibe"  tjon  Äarl  £a(^mann  „gum  Dan!  für  bcutfdie  (5c[innung, 
^ocfic  unb  (5or[d)ung"  1827  öctoibmet  toorbcn.  Diefe  ^lusgabc 
(L.)  bilbct,  in  ben  [päteren  5luflagen  beforgt  burc^  $aupt  unb 
aRüncn!)off,  bic  [icbcnte  1907,  bis  !)cutc  bic  unerfrf)üttcrte  (5runb= 
läge  ber  tDif[en[(f)aftIid)en  3ror[(I)ung  über  9CBaItcr.  Unb  sroar 
Sunftd^jt  bcs!)alb,  tocil  [ie  allein  bie  fiesarten  ber  gegen  30  §anb= 
f(f)riften  unb  %xaQmtnit  üollftönbig  oer3ei(i)net.  Unter  bie[en 
tinb  bie  tDid)tigjten:  A,  bie  §eibelberger  $anb|(^rift  SRr.  357, 
13.  3ol)tl)unbert,  buci)jtabengetrcu  abgebrudt  burd)  ^rtang  Pfeiffer 
1844  im  9.  ©anbe  ber  iBibUotl)e!  bes  fiitterarif^en  93ereins  in 
(Stuttgart;  bort  jtet)en  151  Strophen  Seite  27—73  unb  aufeer» 
benx  nod)  35  Stropl)en  an  oier  oer|d)iebenen  Stellen.  B,  bic 
2Beingartner  §anb[d)rift,  jc^t  auf  ber  5löniglic^cn  Sibliotlje!  in 
Stuttgart,  14.  3a^rt)unbcrt,  gcbrucft  burrf)  Pfeiffer  im  5.  93anbe 
ber  iBibttotf)e!  bes  Stuttgarter  fiittcrarifdicn  95ereins,  112  Stro- 
p\)tn  jte!)cn  Seite  144—174.  C,  bie  el)emals  ^arifer,  jc^t  $cibcl= 
berger  §anb[(f)rift,  aud)  bie  aRanef[i[d)e  jubenannt,  mar  fd)on 
burd)  Sobmcr  1758  unoolljtänbig  obgebrudt  roorben,  5riebri(^ 
<Pfaff  ^at  fie  tJon  1899—1909  größtenteils  l)erausgegeben,  fit 
enthält  außer  bcm  fiei^  449  Stropl)en  unter  bcm  Flamen  9BaI* 
ters.  E,  bie  SBüraburger  öanbfd)rift,  jefet  in  9Künd)en,  14.  3al)r- 
l)unbert,  a^Q>^^  in  oerftümmelter  Sammluna  212  Strophen. 


223 


5Hs  ein  tocitaus  bcffcrer  S5crtretct  bcr  Überlieferung  oon  E 
jtenen  [id)  bie  2BolfenbüttIer  »rud)ftüdEe  ü  bar,  bie  ^ebri(§ 
3am(fe  in  ben  Seri(f)ten  ber  ilöniglid)  6ä(i)[t|d)en  ®e[cnf(f)aft 
ber  2Bi[fen[d^aften  1883,  Seite  145—158  ^herausgegeben  ^at, 
Iciber  nur  25  Stropl)en.  F,  W  3Betntarer  §anb[(i)rift,  15.  ^al^r* 
f)unbert,  befafet  49  Stropl)en.  JÖa^mann  !)at  mit  etnbringlid)er, 
allfeitig  ertüägenber  S^örfe  unb  mit  ber  glänsenben  5lombina* 
tionsgabe,  bie  il)n  jum  l)eute  nod)  unerreid)ten  i^onjefturattritüer 
auf  ben  ©ebieten  ber  Üaffif^en  unb  beut[d)en  ^l^ilologie  er^ob, 
aus  einer  an  [id)  fel)r  ntangen)aften  Überlieferung  einen  t)or* 
treffli(f)en  3:ext  I)ergejteUt.  Die  5lrbeit  baran  i^t  felbjtoerftänbli^ 
aurf)  ie^t  nod)  ni(i)t  beenbet,  [ie  toirb  üielleid)t  aus  ber  genauejten 
Seoba(^tung  ber  Snberungen,  toeldje  bie  Se[onberl)eit  ber  ein« 
seinen  §anb[^riften  au5mad)en,  no(^  einiges  SBe[[ere  fd)öpfen 
bürfen.  ^  [einen  ^nmerfungen  \)ai  2a^mami  au(i)  mit  fejter 
§anb  bie  3citpun!te  ber  ^bfa[[ung  einjelner  (5ebid)te,  insbefon» 
bere  ber  Sprüd)e,  bestimmt.  9Ber  einmal  (5elegenl)eit  get)abtl)at(tDie 
3. 93.  iä)  bei  Hlri^  t)on  fiid^tenftein),  [oIcf)e  9lnf  a^e  £ad)manns  genau 
nad)3uprüfen,  toirb  [oroot)I  über  bie  für  feine  3^it  erfd)öpfenbe 
Kenntnis  ber  I)ijtori[dE)en  Quellen  unb  HrEunben  ftaunen,  als  über 
hit  93or[id)t  ber  Überlegung,  mit  ber  [ie  aufgestellt  [inb.  —  £acf)* 
manns  3:ert  rourbe  oon  Äarl  Simrod  1833  gum  erjten  9Kale  ins 
9fleul)od)beut[(^e  überfe^t,  etioas  edKg  unb  [d)tDerfallig,  aber  hoä) 
meistens  [inngemafe,  toeil  er  coirflid)  3Jlittell)ocl)beut[(i)  oerjtanb. 
Dem  SücE)lein  roaren  lel)rreid)e  9tnmer!ungen  oon  2BilI)elm 
SBademagel  beigegeben,  bie  Don  [einer  eingel)enben  Se[d)äftigung 
mit  bem  Did)ter  eben[o  zeugten  loie  bie  3:e3rte  ber  27  (in  ber 
5.  ^luflage  24)  fiieber  unb  Sprüd)e  3GBalter5,  bie  er  bem  erjten 
^anhi.  [eines  Deut[d)en  £e[ebu(i)es,  ber  unübertreffli(i)en  9tn» 
tl)ologie,  einocrleibte. 

©egenüber  ber  mei[terl)aften  9lrbeit  ßac^manns  bebeutet 
bie  3:eitgejtaltung,  roel^e  grriebrid)  §einrid)  oon  ber  $agen  in 
[einen  9}linne[ingem  1838  vorgelegt  l)at,  einen  argen  9lü(f[(f)ritt, 
gans  abge[el)en  baoon,  taüi  toegen  ber  oertoorrenen  Einlage  bcs 
2Ber!es  2Baltf)ers  (5ebi(i)te  aus  allen  oier  Sänben  3u[ammen* 
gejuckt  »erben  mü[[en.   So  förbert  au^  [eine  ^InJ^äufung  oon 


224 


SRotiäcn  über  SOBaltcts  £cbcn  unb  Äunjt  nad)  Ul^Ianb  ni(^t  otcl, 
bic  bcr  otcrte  93anb  Seite  160ff.  entl)ält,  obstoar  id)  nid)t  in  ^- 
rebe  jtellen  toill,  bafe  [id)  l)ier  roie  onbcriDärts  unter  ben  iDüjten 
StRaffen  Sraud)bare5  finbet;  man  toirb  [elten  ungestraft  oon  ber 
Jagens  Äolleftanecn  gang  t)emad)Ia[[igen. 

(£in  no(3^  gegentDörtig  für  jebe  ^rt  (5ror[d)ung  über  2ßalter 
unentbe!)rli(f)e5  Hilfsmittel  bilbet  bas  „®lo[[arium  gu  ben  (5e= 
bid)ten  SBalters  uon  ber  Sßogelroeibe,  nebjt  einem  9?eimDer= 
3eid)nis,  von  d.  51.  §omig,  £iueblinburg  1844".  Xas  ijt  eine 
5lon!orban3  gu  £ad)mann5  5Iusgobe,  bie  gtoar  je^t  l)ie  unb  ba 
ber  ^erid)tigung  bebarf,  aber  nur  äufeer^t  feiten  im  Sti^e  läfet 
unb  für  Unterjui^ungen  über  SBolters  Spro(i)e  unb  2Bort[rf)o^ 
no(^  ni^t  l)inlängli(i)  ausgenu^t  ijt. 

9la(f)bem  einjelne  fünfte  ber  ©e[dE)id)te  äBolters  oon  Otto 
mcl  1853,  3eit[d)rift  für  beutfd^es  Rittertum  9,  138  ff.,  unb  ^nton 
^öffts,  „3^x  fiebensgefd^ic^te  ^Balters  oon  ber  93ogcltDeibe", 
iBerlin  1854,  erörtert  toorben  toaren,  oerbanben  [id)  SBademagel 
unb  3Jlax  9lieger  3U  gemein[amer  Arbeit  an  einer  Ausgabe,  bie 
3U  ©iefeen  1862  erfd)ienen  ijt.  !X)a5  Sud)  [d)eibet  2Balters  ©e* 
bid)te  in  gtoei  ©ruppen,  SBelt  unb  ßeben,  90'?inne,  unb  juc^t 
innerhalb  biefer  eine  Orbnung  nad)  ber  3citfolge  ber  5lbfa[[ung 
I)er3ujtellen.  ^^emer  o^irb  eine  genaue  Prüfung  ber  (£d)tl)eit  bes 
in  oerf^iebenen  Hanb[d)riften  oer[d)iebenen  33erfa[[ern  3uge* 
03ie[enen  (3tropl)enbejtanbes  oorgenommen,  mel)reres  als  3U)eifel= 
l)aft  ober  uned)t  beifeite  gef^oben,  anberes  SBalters  Sd)üler 
Ulrid)  oon  Singenberg  unb  bem  Xiroler  £eutolb  oon  Seoen 
(®äben  näd)yt  Älaufen  am  CSifad)  3uer!annt.  ©ei  ber  fritifdjen 
Sel)anblung  ber  Xtxit  toi^cn  bie  Herausgeber  infofem  oon 
JÖod)mann  oielfad)  ab,  als  fie  gegen  bie  §anbfd)rift  C  bie  älteren 
i^affungen  oon  A,  B  unb  D  (bie  gtoeite  Heibelberger  Hanbfc^rift 
9lr.  350),  oerteibigten  unb  eine  siemli^e  ^Injal^l  neuer  Äon= 
jetturen  aufnat)men.  Diefe  Ausgabe  ijt  eine  bebeutenbe  ßeijtung, 
bie  jefet  über  ©ebül)r  ^urüdgejtellt  toirb:  SBadentagel  vjax  einer 
ber  geban!enreid)jten  unb  feinjinnigjten  ilenner  ber  altbeut[d)en 
^oefie  —  tt)eld)e  gunbgrube  oon  Anregungen  bilben  nid)t  [eine 
„Altfran3ö[i[(^en  £ieber  unb  fieid^e",  auf  ttmn  gar  mand)e  Äon= 


225 

jtruftioncn  bcrul^en,  btc  uns  l)cutc  unter  anbeten  Flamen  geläufig 
jinb  —  unb  9Jlax  Fliegers  überlegenbe  Sorgfalt  ift  mel)reren 
3tDetgen  ber  beut[d)en  fiiteratur  fruc^treid)  zugute  ge!ommen. 
2Ba5  in  bem  Su(^e  jtel)t,  oerbient  immer  erojogen  5U  toerben, 
toenngleid)  einsclnes,  t)or5ügli(^  bie  (5d)öpfung  ber  ^oefien 
fieutolbs  oon  Secen  aus  bem  9^id)ts  ber  Überlieferung  eines  f at)= 
renben  ©pielmanns,  enbgültig  abgele!)nt  toerben  mufe.  t)ic 
d)ronologi[d)en  (Srgebniffc  feiner  Hnter[u(i)ungen  ^at  9?ieger  in 
einer  befonberen  S^rift  „Das  2tbtn  2Balters  oon  ber  S3ogel= 
BDcibe,  (Sieben  1863"  einge^enb  begrünbet,  inbes  SBatfemagel 
fpater  (1865)  für  ben  21.  23anb  üon  ^er^ogs  9tealen3Q!lopäbie 
eine  3u[ammenfa[[enbe  Darstellung  (je^t  5lleine  Sd)riften  2, 
366—391)  [(^rieb,  in  ber  er  [i^  aud)  ju  ber  (unanne!)mbaren, 
üergl.  ^.  öilbebranbt,  3eit[rf)rift  für  beutfc^es  mtertum  34,  6ff.) 
§i)potl)efe  2Bill)elm  ©rimms  befannte,  SPßalter  unb  ^reiban! 
feien  nur  sroei  Si^amen  eines  unb  bes[elben  Did)ters. 

gaft  3U  ber  glei(^en  3ett  roie  SBatfemagel  unb  9^ieger  bc= 
f(f)äftigten  fi(i)  t^ranj  Pfeiffer  unb  ilarl  Sartfd)  genauer  mit  ber 
Überlieferung  oon  SBalters  ®ebid)ten,  jener  legte  in  feiner  ®er= 
mania  5,  21—44  (1860)  eine  Steige  uon  35or[^lägen  jur  ^nbe= 
rung  t)on  fiad)manns  3:erte  cor,  üieles  geiDaltfam,  man^es  über» 
flü[[ig,  tüeniges  brau(i)bar;  bie[er  gab  ebenba  6,  187—214  (1861) 
eine  be[[ere  Einteilung  bes  £eid)es  unb  fonjiäierte  an  oer[d)iebe= 
nen  Stellen  mit  toedifelnbem  ©lud.  Pfeiffers  ^uffa^  roar  ber 
93orläufer  einer  ©bition,  mit  ber  1864  bie  Sammlung  „Deut[d)e 
5lla[[i!er  bes  9J«ttelalters"  eröffnet  tourbe  (je^t  6.  5tuflage,  1880). 
Diefe  5lusgabe  üerbient  ban!bar  genannt  ^u  merben,  toeil  fie  es 
3um  erften  9Kale  unternahm,  fämtli(f)e  ®ebi(i)te  SBalters  (ge= 
[onbert  in  fiieber  unb  Sprü(i)c,  steiften  beiben  ber  £eid))  gu  er= 
flären,  unb  mod)te  [id)  Pfeiffer  au^  bei  oielen  fd)tDierigen  93erfen 
grofee  (£ntl)alt[am!eit  auferlegen,  fo  förberte  bod)  ber  Kommentar 
jebesfalls  bas  33erjtanbnis  bes  Did)ters.  Die  2Biber[prüd)e,  bie 
in  bem  (£l)ara!ter  ber  ganjen  Sammlung  liegen,  tDeld)e  einesteils 
baju  bejtimmt  ijt,  gans  Unfunbige  in  titn  Anfängen  bes  95littel= 
I)od)beut[c^en  3U  unterrid)ten,  anberesteils  aber  toif[enfd)aftlid)cn 
?lnfprü(^en  genügen  xDill,  l)aben  [id)  bei  "ötn  folgenben  Auflagen 


226 


ni(f)t  bcfcitigcn  laffen  —  unter  it)ncn  Icibcn  ja  aud)  bie  toirfll^ 
guten  Sänbe  ber  Serie  von  gebor  93erf)  unb  ^ans  £ambel  — , 
bagegen  [inb  bie  oielen  groben  %tl)\tx,  mit  benen  bie  erjte  Zuflöge 
oerunsiert  toar,  [päter  oon  Sartfd)  ausgetilgt  toorben.  3^  [eine 
„Deut[d)en  £ieberbirf)ter  bes  12.  bis  14.  ^öWunberts,  fieipjig 
1864"  r)atte  »art[d)  bann  Seite  68—94  unter  9lr.  XXI  gegen 
taufenb  SBerfe  SBalters  in  friti[^er  ^erjtellung  aufgenommen 
unb  feine  ^nberungen  in  htn  ^nmerfungen  Seite  325  ff.  mit 
ben  fiefungen  ber  bisl)erigen  Herausgeber  oergIirf)en.  f&ti  ber 
4.  Auflage  1901,  beforgt  burrf)  SQBoIfgang  (5oItt)er,  ^at  [irf)  ni(^ts 
2Be[entIi(i)e5  geänbert.  %n  Pfeiffers  Ausgabe  |(i)Iofe  [id)  bas  Su(f) 
oon  5RuboIf  SÖZengel  an  „I)as  Qzbtn  SBalters  oon  ber  SSogel» 
toeibe",  fieipgig  1865,  bas  toegen  [einer  2Beit[d^tt>eifigfeit  unb  bes 
SJlangels  an  Urteil  unbraud)bar  i[t  unb  l)ier  nid)t  genannt  roürbe, 
roenn  man  es  nid)t  gelegentlii^  norf)  als  Herbarium  tjertrorfneter 
§i)potl)e[en  nad)[ä^e. 

9lad)bem  SBenede  in  ben  ^Beiträgen  2,  301  f  (1832),  ^ou 
u)ort  3U  bem  ^bbrud  ber  £ieber  9leib!)arts  aus  bem  9liebegger 
5^obei,  3uer[t  ben  ©ebanlen  ausge[prod)en  unb  ju  gfolgerungen 
für  bie  2:extfriti!  benu^t  !)atte,  ha)^  un[ere  großen  9Jiinne[änger= 
l)anb[(^riften  ber  $auptma[[e  nad)  aus  einäelnen  ©üc^Iein  3U= 
[ammengejtellt  [eien,  in  benen  bie  fal)renben  Spielleute  [id)  bie 
fiieber  bebeutenber  Sänger  jum  23ortrage  aufseic^neten,  ^at 
Pfeiffer  in  ben  Sorroorten  gu  [einen  ^bbrüden  oon  B  (Seite  Xff.) 
unb  A  (Seite  VIII)  nad)brüdlid)  barauf  DenDte[en  unb  [päter 
(1855)  aRünenl)off  in  [einer  Streit[d)rift  „3ur  (5e[d)id)te  ber 
9libetunge  9^ot",  Seite  19 ff.  [d)on  (Genaueres  über  ben  Sejtanb 
ber  Stropl)en  angegeben,  bie  uns  unter  ben  9lamen  berufs» 
mäßiger  9?e3itatoren  aufbe!)alten  [inb.  Die  oon  5IRüIIen!)off  in 
ben  95orle[ungen  ausgeftreuten  Anregungen,  [eine  bei  altbeut[^cn 
Übungen  oorgenommenen  23er[ud)e,  bie  alten  £ieberbüd)cr  gu 
refon[truieren  unb  it)ren  Aufbau  für  Sd)Iü[[e  auf  ben  3u[ommen* 
^ang  ber  Stropt)en  mit  bem  2^btn  ber  Did)ter  ju  oenoerten, 
[le  l)aben  2Bin)eIm  SBilmanns  oeranlafet,  bie[e  aRett)obe  in  einer 
großen  Arbeit  3U  erproben,  bie  [einer  burd)  Julius  3a^er  ge« 
planten  Ausgabe  oorange^en  [ollte;  [ie  er[c^ien  1866  im  13. 


227 


93anbe  bcr  3ett[d)rift  für  bcut[d)es  Altertum  217—288.  (Es 
tourbc  bartn  untcmomnten:  1.  blc  QucIIcnbcjtönbc  bcr  ^aupt» 
l)anb[d^rtftcn  3U  Dcrgleirf)cn;  2.  btcfc  auf  fiicbcr[aTTnnIuttgen  ju» 
rü(f3ufüt)rcn;  3.  btc  abtDctcE)cnbcn  Stropt)cnfoIgcn  in  bcr  llbcr* 
Itcfcrung  bcr  ©cbid)tc  SBaltcrs  äujgcrltd)  unb  burci)  Ärtti!  bcs 
3nf)altc5  3U  crflörcn;  4.  bic  bt5f)cr  üon  anbcm  fcjtgcftclltc  d)rono* 
logtf^c  Orbnung  mit  §ilfc  bcr  neuen  2Bal)mc!)ntungcn  an  htn 
fiicbem  3U  prüfen,  bie  bclanntcn  t)ijtort[(f)cn  ^Infpiclungcn  ht' 
fonbers  bcr  Sprudle  nod)ntal5  %u  untcrfu(i)cn  unb  aus  allcbcnt 
eine  3citlid)e  ^folse  [amtlid)cr  Di(i)tungen  SBalters  ^cr3ujtellcn. 
3e  größer  bie  §inbemi|[c  loarcn,  bie  eine  fel)r  ocrtDorrenc  Uber= 
lieferung  folgen  (5or[cf)ungcn  bereitete,  bcjto  l)öl)er  ntufe  bie  burrf) 
Sd^arffinn  unb  Se[onnenf)cit  ousgeseid^nctc  £cijtung  von  2BiI* 
manns,  bic  crfte  in  il)rcr  ^rt  folgcridjtig  bur(f)gefül)rte,  ange= 
f^Iagen  toerben.  1869  crfd)ien  bann  als  erster  iBanb  von  3ttd)er5 
(5cmiani|ti[cf)cr  ^anbbibliot^c!,  öallc  a.  S.,  bic  neue  ^lusgabe 
2BaIters  oon  SBilmonns.  Die  Einleitung  (Seite  1—112)  cntt)alt 
3undd)jt  eine  knappe  Darstellung  von  2BaItcrs  £eben,  in  bcr  bic 
Dor^anbenen  (£rgcbnif[e  [orgfam  ge[i(f)tct  [inb,  einen  fe^r  Ic^r* 
rcidEjcn  5lbfd)nitt  über  „2BaIters  Äunjt",  iDoruntcr  nod)  allein 
bie  9Ketri!  ocrjtanbcn  roirb,  unb  als  „5lriti[(i)e  Semerfungen" 
eine  ausfül)rli(f)e  SRcüifion  bcr  frül)crcn  Hntcrfu(i)ung,  bie  meines 
(&cad)tcns  injofeme  gegen  bic[c  feinen  tDe[entlid^cn  gort[d)ritt 
befunbet,  als  l)ier  bic  Stüde  mc^r  pon  3^all  gu  gall  benn  nad) 
einf)citli(^cn  ©cfic^tspunltcn  bcl)anbelt  toerben.  ^n  bcr  ^us* 
gäbe  fclbjt  bilben  SBaltcrs  (5cbid)te  jum  erjtcn  9Kale  eine  cinsigc 
d^ronologi|(i)  georbnete  9lcil)c;  Seite  391  ff.  ijt  eine  3:afcl  bei« 
gefügt,  in  bcr  bic  neuen  3iffßi^  ^it  benen  fia(f)manns  ocrgli(i)cn 
tDcrbcn.  Die  ^nmcrlungcn  benu^cn  nid)t  blofe  mit  oerjtönbigcr 
^ustDat)l  bic  gurgeit  oon  anberen  ermittelten  (£r!lärungcn,  fon= 
bem  bringen  aud)  eine  grofee  SJlengc  neuer  [clbjtänbig  gefunbener 
Deutungen  unb  parallelen  bei;  bas  ganse  Sud)  gen)äl)rt  ein 
\)dä)\i  erfreulid)es  3ßU9^is  für  ben  bomals  neu  beginncnbcn 
^uff^xDung  bcr  beutfci^cn  ^^ilologie. 

DatJon  ijt  allerbings  in  bcr  Ausgabe  2Balters  burd)  <3im* 
rod  (Sonn  1870)  ni^t  öiel  ju  [puren.   Sic  orbnet  jtrenger,  als 


228 


CS  in  ben  älteren  3luflagen  ber  Ilber|e|ung  unb  bei  SBadernagcI* 
9lieger  unb  Pfeiffer  9e[d)e^en  toar,  SBalters  (5cbid)te  nad)  3:önen, 
liefert  etlid)e  gute  neben  ntand)en  gesagten  !Ieitbe[[erungen  unb 
nimmt  Stellung  toiber  bie  neue  $i)pott)efe  über  ÜBalters  §et* 
mat.  Pfeiffer  bro(i)te  nämlid),  nad)bem  er  nod)  hirs  Dorl)er  (5er- 
monia  5,  1—20  [id)  für  t5ftan!en  entf(f)ieben  l)atte,  1864  in  ber 
(Einleitimg  [einer  Ausgabe  (Seite  XXIII)  eine  Stelle  aus  ben 
Urbaren  bes  ©rafen  äReinl)arb  II.  oon  Xirol  (je^t  l)erausgegebcn 
burd)  Ostoalb  3i"9^i^lß  ^on  Summersberg,  2Bien  1890)  jum 
93or[d)ein,  bie  für  bas  (£nbe  bes  13.  3öl)rl)unberts  einen  Sßogel» 
tDeibel)of  am  Sübfufee  bes  Srenner  bezeugte.  Der  (5eban!e 
tourbe  in  3:irol  freubig  aufgegriffen  unb  guoörberjt  burd)  ^atrij 
^naolettt  (<Bo3en  1870)  ein  $of,  t>tn  Pfarrer  3ol)ann  Malier  1867 
namhaft  gema(f)t  !)atte,  im  fia^ener  9?ieb  oberl)alb  3Baibbrud 
am  (Sx]ad,  als  3Balters  (Seburtsjtätte  be3eid)net  (cgi.  äR.  äRai)r, 
3t[d^r.  bes  <5ferbinanbeums  3,  38,  517  f).  Daran  [d)liefet  [id)  eine 
ausgebe^nte  £iteratur,  aus  ber  l)ert)orgel)oben  tjoerben  mögen: 
3.  3tngerle,  (Sermania  20,  257—270;  3.  ^ider,  ebenba  271  ff. 
bagegen  Sd)önbad)  im  ^njeiger  für  beut[d)es  Altertum  4,  5—13. 
5luf  (Srunb  biefer  93ermutungen  ijt  bann  [e^r  ge[d)idt  eine  Se» 
XDegung  eingeleitet  toorben,  bie  einesteils  bie  bamaligcn  poli» 
ti[d)en  SJer^altniffe  Deut[d)lanbs  für  3Balter,  ben  33orjtreiter 
bes  9teid)es  toiber  t)zn  ^apjt,  anberesteils  (freilid)  im  2Biber[piel 
baju)  ben  tiroli[d)en  fiofalpatriotismus  [otoie  bie  Xeilnal)me  ber 
5al)lreid)en  greunbe  biefes  [^önjten  ^Ipenlanbes  benu^tc.  ^uf 
biefe  2Beife  ijt  als  ein  allen  erroünfd^tes  (Ergebnis  §einrid)  9latters 
SBalterbenfmal  in  Sosen  gujtanbe  gelommen.  ^llerbings  ift 
hit  [übtiroli[d)e  SSogelroeibe  baburd)  nid)t  [id)erer  2Balters  5ei* 
mat  geooorben.  ^ud)  nid)t  burd)  ^njolettis  tr>ieberl)olte  (1889), 
ctxoas  gröbli^  geratene  33erteibigung  unb  nid)t  burd)  Osooalb 
9leblid)s  (1892)  SRitteilung  einer  Urfunbe  oon  1431,  in  ber  biefer 
$of  nad)getDie[en  toirb.  (Ostoalb  oon  3i"9erl^  l)öt  jüngjt 
nod)  einige  ^lä^e  mit  bem  3^amen  „SJogelcoeibe"  aufgeseigt.) 
fiampels  llnter[ud)ungen  (1892, 4,  Blätter  bes  93ereins  für  Sxin* 
besfunbe  von  9lieberö|terreid),  26  ff.  Sanb)  l)aben  5U  negatioen 
SHejultaten  geführt;  bie  alleriüngjte  §t)pot^eje  l)inge9en,  auf» 


229 


gcftctlt  uon  %.  ^aUmxä),  ^rag  1893,  SBottcr  [et  in  bcr  ©egenb 
oon  I)iix  als  !Dcut[^böf)me  geboren,  ntu^  als  oöllig  unbegrünbet 
bebingungslos  abgelel)nt  toerben,  ogl.  S(f)önbad),  ^nscigcr  für 
beut[d)es  Altertum  21,  228—233.  Sebesfalls  \)at  bic  ganse  (£r= 
örterung  über  SBalters  Heimat,  üerbnnben  mit  ber  unbered)« 
tigten  (Einbegiel^ung  [einer  ^erfon  als  ^arteimann  in  bte  SBirren 
bes  „Slulturlantpfes",  roe[entlid)  basu  beigetragen,  i^tn  Sänger 
bermafeen  im  93orbergrunbe  bes  3Titere[[es  roeiter  5^rei[e  ju  l)alten, 
tDie  bas  bis  bal)in  feinem  altbeutfd^en  '^id)Ux  begegnet  toar. 
!Dies  xDurbe  nodi  babur^  geförbert,  t)a^  1876  in  ß^iüibale  bie 
9?eifere(i)nungen  SBolfgers  oon  (£llenbred)t5Ürc^en,  $Bi[cE)ofs  oon 
^a[fau,  gefül)rt  oom  22.  September  1203  bis  jum  30.  3uli  1204, 
aufgefunben  tourben,  in  hzntn  bas  erjte  unb  ein3ige  urfunblicE)e 
3eugnis  für  SBalter  oorliegt.  33gl.  3-  3tngerle,  ©ermania  21, 
193  ff.,  unb  [eine  ^ublüation  ber  9?ei[ered)nungen  §eilbronn 
1876;  beren  9Wängel  roerben  berid)tigt,  bie  (£ntjtel)ung  ber  ^uf= 
3etcf)nungen  bargelegt  oon  ^ugu[t  ^öfer,  ^Beiträge  jur  (5e[d)t^te 
ber  beut[d)en  Sprad)e  unb  £iteratur  17,  441—549  (1893).  aber 
cinäelne  fünfte  Saxndt,  3^t  SBalterfrage,  23erid)te  ber  Äönig* 
lid)  Säd)[i[d)en  (5e[ell[d)aft  ber  2Bi[[en[^aften  1878,  Seite  32ff.; 
5^al!off,  2Bolfger  oon  ^a[[au,  SBeimar  1882. 

3n3tDi[(i)en  l)atte  man  begonnen,  htn  altbeut[(i)en  SJiinne« 
[ang  oon  neuen  (5e[i(f)t5pun!ten  aus  unb  mit  neuen  931ittcln  3U 
bur(f)for[d)en.  yiiä)i  nur  ourbe  bie  9Jletl)obe,  3n)i[rf)cn  ber  Stro= 
pl)enorbnung  in  ben  §anb[^riften  unb  bem  Sn^alte  23e3iel)ungen 
auf3u[ud)en,  in  einer  gan3en  9?eil)e  oon  ^bl)anblungen  unb  ^uf« 
[ö^en  feiner  ausgebilbet  (3.  $B.  3Rüllenl)off,  3^  Srricbri^  oon 
§au[en,  3eit[d)rift  für  bcut[d)e5  5lltertum  14,  133 ff.;  SBilmanns 
unb  ^ein3el  über  bie  JÖieber  unb  Süd)lein  ^artmanns  oon  5lue, 
ebenba  14,  144ff.  15,  125ff.  1869.  1872),  [onbern  Sd)erer  ^at 
aud)  3uerjt  in  t>tn  „t)eut[ct)en  Stubien"  1870,  1874  (2.  Auflage 
1891)  an  t>tn  ältejten  9Jlinne[ängern  [el)r  [orgfaltige  [tili[ti[(^e 
Seobad)tungen  angejtellt  unb  bie[e  3ur  per[önlid)en  (£t)ara!teri[ti! 
ber  Di(f)ter  [otoie  basu  oenoenbet,  um  unter  ber  93oraus[e^ung, 
CS  [ei  bei  htn  frül)e[ten  ^uf3ei(^nungcn  ber  £ieberbüd)er  ein 
poeti[d)«ge[(^i^tlic{)er  3w[o"^"ic^^o«g  bcab[i^tigt  gcu)e[en,  bic 


(gnttDitflung  bct  flebcnsfdjidfolc  unb  bcfonbcrs  bcr  fiicbcswer- 
bältnlffc  innerhalb  bcr  einjcincn  ©ruppcn  %\x  crtcnnen.  Sehte 
Sctra(i)tungen  \)Qbtn  ungetnein  anregenb  gexotrlt  unb  otelc  ?lr* 
betten  [inb  baraufbm  entjtanben,  in  benen  [ein  93erfat)rcn  mit 
Dcrfc^iebencn  ^bänberungen  auf  anbete  ntitteK)o^beut[d)e  Sir)* 
rifer  angetDanbt  tourbe.  Sflaturgemöjj  l)at  bie|e  pt)ttoIogif(^e 
Strömung  aurf)  coieber  einen  ©egenfa^  I)en)orgerufen,  ber 
bauptfad^Itd)  in  ben  25anben  ber  oon  ^aul  unb  JBraune  ge* 
leiteten  „93eiträge"  1873 ff.  jum  ^usbrudEe  gelangte.  t)ort  ift 
glei(f)fan5  eine  Srolge  oon  ^uffa^en  oeröffentIid)t  toorben,  bie 
]\6)  ebenfo  Ieb!)aft  bemü!)ten,  einjureifeen  toie  jene  oort)er  auf* 
subauen.  ^ber  nid^t  nur  Xlnter[u(^ungen,  bie  burrf)aus  fejte  (&:^ 
gebni[[e  anjtreben,  [onbem  aud)  [oIrf)e,  bie  es  oomebmiirf)  barauf 
anlegen,  oorbanbene  3:i)e[en  ju  befeitigen,  toerben  lei^t  einfeitig 
unb  geben  bann  irre,  unb  [o  ijt  es  [ebr  ertlärli^,  ta^  auf  ber  einen 
Seite  3u  oiel  bebauptet,  auf  ber  anberen  3U  toenig  sugejtanben 
tourbe.  Der  93eifall,  ben  bie  balb  traftig  geworbene  Oppofition 
befonbers  bei  jüngeren  5or[d)em  fanb,  läfet  fid)  [ebr  toobl  oer» 
|tef)en:  es  ijt  immer  [id)erer  unb  oor  allem  bequemer  3U  oer» 
neinen,  als  mit  bem  oorbanbenen  SJlaterial  Kombinationen  ju 
loagen,  bie  3U  neuen  C£rgebni[[en  fü!)ren  [ollen.  Hberblidt  man 
ttn  9Iieberf(i)Iag  ber  je^t  anmäl)Ii(f)  ins  Stoden  geratenen  Se* 
toegung,  [0  [d)eint  mir  fejt3u[te!)en,  bafe  fid)  stoar  bie  jtilijtif^c 
unb  bie  Hnterfud^ung  ber  bcittb|d)riftlid)en  Stropl)enfoIgen  auf 
3nbalt  unb  3u[ammenbang  ^n  roeit  toeniger  nü^Iicb  ertoielen 
baben,  als  S(^erer  oormals  boffte,  bafe  aber  tro^bem  ber  3Bert 
[oId)er  Seobad)tungen  beute  oon  allen  Seiten  be[[er  getoürbigt 
Doirb  benn  suoor.  ^Is  eine  [d)öne  iSfrud)t  bes  gansen  ^ro5ef[es, 
ber  einen  nid)t  unmerttoürbigen  5lbfd)nitt  in  ber  mobemen  ®e» 
[d)id)tc  ber  beut[d)en  ^{)iIoIogie  bilbet,  barf  bas  Sud)  oon  Äon* 
rab  Surbac^:  9?einmar  ber  ^Ite  unb  SBalter  oon  ber  S5ogeI« 
o^eibe,  fieipsig  1880,  angegeben  ojerben.  Darin  ijt  oer[ud)t  loor» 
ben,  bie  gefammelten  Stilbeobacbtungen  in  eine  fün|tleri[d)e 
C^tioidlung  3U  orbnen  unb  an  bie  Stelle  äufeerlid)er  biograpI)i[d)cr 
5luslegung  unb  SSertnüpfung  ber  (5ebid)te  eine  innere  (5c[cbic^tc 
bes  Dieters  bu  rüden.    Ofüt  2BaItet  ^ot  iBurbac^s  Arbeit  bas 


231 

eine  burd)[rf)Iogcnbc  9?c[ultat  öelicfctt,  bo^  b!e  fiicbcr  bcr  fo- 
gcnanntcn  „nicbercn  SJltnnc",  bic  man  früher  ht  bte  3ugenb 
bcs  Söngcrs  ju  fc^cn  pflegte,  nunmel)r  0I5  (5d)öpfungen  [einet 
relfjten  3elt  erlannt  tourben;  l^ren  ^la^  nel)men  gum  3:ett 
Jßieber  bcr  „!)öl)eren  äRinne"  ein,  ble  2Balter  unter  bem  CKn* 
fluffe  feines  fie^rers  9lelnmar  In  jungen  3a!)ren  gebld)tet  l)atte. 
X)tn  ge[antten  Stanb  ber  beutf^en  ^^Uologle  mit  Sejug 
auf  3Balter  fafet  in  fld)  unb  leitet  !raftoolI  gu  töelterm  gort[(f)rltt 
bas  2Ber!  von  SBlImanns:  „fieben  unb  Dl(i)ten  SBalters  oon 
ber  SJogeltoelbe,  ©omt  1882".  SRarf)  einer  (Einleitung  Ijt  barin  bas 
öufeere  fieben  SDBalters  neuerblngs  genau  unterfurfit  unb  3U* 
[ammenl)ängenb  bargejtellt.  3nsbe|onbere  aber  Ijt  In  bem  brlttcn 
5tbf(i)nltt  „(5eban!en  unb  5lnfd)auungen"  als  (Ergebnis  einer  In 
ben  ^nmerfungen  gur  SRad)prufung  oorgelegten  müI)et)onen  unb 
roeltgrelfenben  Arbeit  eine  faft  gan3  er[cf)öpfenbe  Durd)mujterung 
bcs  3nf)altes  von  3BaUers  (5ebld)ten  Dorgenommen,  ble,  mit  glei- 
chen ober  äl)nll(^en  Stellen  [einer  beut[rf)en  3eltgeno[[en,  pro» 
oen3aIl[d)er  ober  fran3ö[l[cf)er  93organger  oerbunben,  ein  ju* 
t)erlä[[lges  Sllb  [otool)!  be[[en  getoä^rt,  loas  SBoIter  9^eues 
bargeboten  !)at,  als  au6)  be[[en,  toas  er  mit  bem  ®d)a^e  ber 
poetl[(i)en  Überlieferung  [einer  3eit  In  ben  9latlonaI[pra(i)en 
(5emeln[ames  be[ltt.  X)amlt  l[t  ber  t5for[d)ung  ein  2Beg  gebrod)en, 
ber  nun  l)offentIl^  nod)  einmal  bur(f)  ble  Iatelnl[(i)  ge[(i)rlebenc 
Literatur  ber  ÄuIturoöRer  bes  SRlttelalters  füf)ren  rolrb.  5lud) 
In  anberen  unb  tDld)tlgen  fünften,  In  ber  95eurtellung  bes  93Zlnne» 
[anges,  bann  bes  SJllttelalters  überl)aupt  unb  [einer  3been,  oer* 
mag  Id)  SBllmanns  mel)r  benn  oorfier  bel^uftlmmen.  (Ebenbürtig 
ble[er  bebeutenben  fielftung  l[t  SBlImanns'  gioelte  Auflage  [einer 
SBalterausgabe  1883.  2)le  ^nalr)[en  ber  (5ebl(f)te  unb  ble  er* 
üörenben  3lnmer!ungen  [Inb  ungemein  berelctjert  (ble  ^norb= 
nung  greift  auf  £ad)mann  jurürf),  In  ber  (Einleitung  [Inb  ble 
Stropl)engruppen,  ble  un[erer  Ilberlleferung  ooraufllegen,  ge= 
[onbert,  Sprad^e  unb  metrl[ct)e  iJorm  genauejtens  bargcjtellt  unb 
ble  Stilmittel  bes  Dld)ters  oolljtönblg  unb  gerabeju  mujtergülttg 
auselnanberge[eöt;  baraus  lann  man  nocf)  lange  lernen.  1886 
er[d)len  eme  Sd)ulausöabe  oon  SBlImanns  (2.  ^ufl.  1905),  ble 


232 


ßicber  unb  <Sptü(^c  trermt  unb  fcfitc  ^norbnung  bcr  ©cbirfytc 
burd)fül)rt. 

3u  glcii^cr  3eit  (1882)  mit  2BlImann5'  neuer  gtofeer  3BaIter= 
ausgäbe  ift  bie  oon  ^ermann  ^aul  als  erster  Sanb  ber  „^It= 
beut[rf)en  XextbtbIiot{)e!"  er[(^tenen,  mit  (Sinleitvmg,  tnappen 
^nmertungen,  einem  95er5eid)ni5  ber  ^nberungen  bes  3:exte5 
unb  einem  ®Io[[arium,  3.  3luflage  1905.  Sc^on  t)ort)er  l)atte 
ber  35erfa[[er  in  htn  „Seiträgen"  com  2.-9.  Sanbe  Stubten 
3U  eingelnen  Stellen  SBalters  forool)l  als  gur  ge[amten  tlber« 
lieferung  oeröffentIi(f)t.  Diefe  arbeiten  unb  bie  Ausgabe  roirfen 
baburd^  oerbienjtli(i),  bafe  [ie  bie  (5d)tDärf)en  ber  bisher  geübten 
2:extfritif  nad)U)ei[en,  bie  Hn[id)erl)eit  ber  Itberlief erung ,  bas 
3tDeifel^afte  ber  barauf  gebauten  Folgerungen  l)en)orf)eben. 

Seit!)er  I)at  Äonrab  Surbad)  t)tn  1896  in  ber  2lIIgemeinen 
Deut[(i)en  Siograp^ie  oeröffentlic^tcn  ^rtifel  über  SBalter  oon 
ber  Sogelcoeibe  in  einem  befonberen  2Ber!  (erjter  Xeil,  £eip5ig 
1900)  ertoeitert  oorgelegt.  Die[es  burd)  einbringenbe  Sdjärfe 
[otoie  burd)  Strenge  ber  l)iitori[(^en  Darjtellung  ausge3eid)nete 
Sud)  bebeutet  eine  tDe[entlid)e  ^örberung  ber  auf  bie  SBürbigung 
SBalters  bejüglid^en  Stubien.  Sgl.  ba3U  Surbad),  Dcutf^e 
9?unb[d)au  1902,  O!tober,  9looember,  unb  Serliner  Silber.  1902, 
XXXVIII.  9Jleine  üeränberte  Stellung  5ur  (5e|d)id)te  ber  mittel 
alterlid)en  £t)ri!  toirb  be3eid)net  burd)  bie  Sd)rift  „Die  Anfänge 
bes  beut[d)en  SPilinnefanges",  Cöraj  1898. 

Son  (£r!Iärungen  unb  (Erörterungen  ein3elner  Stellen  nenne 
id)  l)ier  nod):  3ontde,  ^auI^Sraunes  Seiträge  2,  574  ff.  unb 
befonbcrs  7,  582 ff.  über  SBalters  ®rab.  Osfar  Sd)abe  in  han 
von  it)m  ()erausgegebenen  2Bi[[en[d)aftIid)en  äRonatsblättern  n, 
29  ff.,  107  ff.,  126  f.  3o[ef  8fa|d)ing  (ju  ben  religiöfen  Did)tunge3 
SGßalters),  ©ermania  22,  429ff.,  23,  34ff.  «Rubolf  §ilbebranb, 
3eit[d)rift  für  beut[d)e5  mtertum  38,  Iff.  9Kai  Flieger,  3eit[c^rift 
für  beut[d)es  Altertum  46  (1902)ff.  Sd)önbad),  3eitfd)rift  für 
beut[d)es  Altertum  39,  337  ff.  unb  Silber,  ber  SBiener  ^fabemie, 
145.  Sanb,  1902.  t)en  Sermutungen  ^.  aßallners  über  Stellen 
oon  2BaIters  (5ebid)ten  in  oer[d)iebenen  Sänbcn  ber  3eit[d)rift 
für  beutfc^cs  ^tltertum  !ann  id)  an  feinem  fünfte  ^ujtimmen. 


r 


233 

CKntgc  Sä^c  meiner  Darlegungen  „itber  ben  btograpf)i[(^en 
(5ef)alt  bes  altbeut[(^en  SJltnnefanges"  im  1.  Sanbe  oon  'ä. 
iBetten)etm5  „©iograpl)i[(f)en  blättern"  (SBerlin  1895,  (£mjt  §of» 
mann  &  do.)  burfte  i^  l)ter  Seite  22 f.  mit  um  [o  größerer  Se* 
rul^igung  aufne!)men,  als  [ie  [eitler  burd)  5Ilor)5  S(f)ulte,  „Die 
Stanbesoerl^ältnilfe  ber  9Kinne[änger",  3eitf(f)rift  für  beut[d)e5 
Altertum  39,  185  ff.  in  rDilüommenjter  2Bei[e  bejtätigt  würben. 
—  Sei  allgemeinen  5Betrad)tungen  über  bas  2Bejen  ber  SWtnne» 
poejie  tüirb  man  bas  grofee  SBert  oon  Sbuarb  2Bed)feler:  Das 
Äulturproblem  bes  HRinnefangs,  beren  erjter  Sanb  [oeben  (1909) 
crfd^eint,  ni^t  überjel)cn  bürfen. 

Die  Stellung  bes  oorliegenben  93ud)es  ju  ben  oerfdiiebencn 
fragen,  bie  fid)  auf  SBalters  fieben  unb  Sd^affen  begießen,  ijt 
in  ben  Se[pred)ungen  ber  erjten  Auflage  au5reid)enb  gefennjei^« 
net  coorben.  ^d)  bemerle  baju  nod),  bajs  ^ier  unb  ba  bie  Äom» 
pofition  meiner  Darstellung  bem  5lnfd)einc  na^  bie  5leif)enfoIge 
Don  SBalters  ©ebid^ten  Dcr[^oben  ^at,  bie  id)  für  rid)tig  t)alte; 
i^  ^offe,  es  ijt  mir  gelungen,  burd^  bie  SBal^I  t)or[id)tiger  ^us* 
brüde  bie  fiefer  cor  3^tümem  3U  betoaI)ren.  — 

5Roc^  jei  bemerft,  bafe  bie  un^ijtorifrf)e  Sd^reibung  SBalter 
(ftatt  2Balt!)er)  in  biefem  Sud)c  loiber  ben  SBillen  bes  93er* 
fajfers  oon  ber  Druderei  unter  bem  3o'önge  einer  mobemen 
Ort^0örapl)ic  burd)gefü^rt  lourbc. 


@pamexTd)e  iBu^btudetei  in  fieipsig« 


©ciffe^clben 


^inc  6amm(ung  t)on  93iograp^ien        ««"»>' 

Ansengruber.    2. '2tufIogc.    Q3on  Dr. 'ant.  93cttet|)cim    .      4 

ArnDt.    Q3on  «^rof.  '^J.  2JJcln^olb 58 

Böcklin.    ^on  Äcnri  9?lcnbctfo^n 40 

Bvron*    93on  'lirof.  S.  Äoct)pct »44 

Carlvle.    2.  2lufl.  ^on  <?)rof.  @.  ».  6(!^ulsc-®acöernl$  .  .      6 

Columbus.    2.  ^uff.    Q3on  <?>rof.  6»  Oluge 5 

Cotta.    Q3on  2Rtntftcr  ?l.  6ti^äfflc 18 

Cromwelt.    Q3on  «?>rof.  QQß.  SKtc^act *50/5l 

Dante*    Q3on  Pfarrer  3 o^.  21.  6cattasälni 21 

Dorwin.    Q3on  <^tof.  QIBtl^.  <?irc»)er 19 

9riedrid3  0er  Gro^e.    Q3on  2lrc^iöt)tref(ot  ®.  QBintcr  .  *52/54 

eörres.    Q3on  <:prof.  3-  '9^.  6c^p 23 

OoetDe.   3.  2luf[.  ^on'?>rof.  91.  9Ä.  3[JicJ?ct.  <?)rclö8clrönt  *13/14/15 

Gritlporser*    Q3on  Dr.  Jo.  ötttenbctgcr 46 

ßebbel.    Q3on  <?)rof.  9?.  QJl.  QBcrncr 47/48 

BerOer.    Q3on  Supcrtntcnbcnt  9^i^.  "33ürlncc *45 

BötOerlin.  Reuter.  2.  "aufl.  ^Son  Dr.  «ab.  QBttbronbf  .  2/3 
A.  V.  Bumboldt.    C*  v.  Bucb.    Q3on  ^rof.  6.  ©ünfber  .    39 

Joljn.    Q3on  Dr.  "J.  ®.  6c^ult^ct§.   ^rctögcfrönf 7 

Kepler.    Oalilei.    Q3on  <^rof.  6.  ©untrer 22 

CeonarOo  Da  Vinci.    SUuftr.    Q3on  "^tof.  ßb.  öotmi    .  *57 

Ceffing.    Q3on  <?>rof.  Ä.  ^orinöft 34/35 

Clft,  Srieörid).    Q3ott  Äarl  3cntfc^ »41 

Cutber.    I.  IL,  1.    QSon  ^rof.  2lrn.  6.  93ergct 16/17.  ^27 

(Dotiere,    ^on  <?>rof.  Ä.  e^nccganö 42 

(Poltke.  2.2lufl.  3Huftr.  Q3on  Obcrfttcutn.  Dr.=W.3ä^ng  *10.  »37 

(Dontesquieu*    QSon  "^prof. -Sltb.  Sorct 20 

(T)03art.    Q3on  <?)tof.  O.  gtctfc^cr 33 

Peter  der  6ro&e.  2  ^önbe.  Q3on  Dr.  Ä.  5BaIi«jc»gfl  ♦30/31 
Scbiller.  2./3.  Slufl.  3nuftr.  Q3ott  <:prof.  O.  Aar n ad  .  .  28/29 
6cbopcnt7auer.  2  93änbc.  93on  Äonful  Dr.  €b.  ©rlfcbati^  *25 
Sf)a1^fpere.  QJon  <^>tof .  51 1.  "23 r a n b l.  (2. Sluff. tn,Q3orbercttung)    *8 

Srnitl),  AOam.    Q3on  Äart  3enffc^     *49 

Spino30*  ^on  <:prof.  2Btl^.  ^ottn 9 

Stanley*   ^on  ^aut  9?ct^arb 24 

Stein.    Q3on  Dr.  ^r.  9?eubaucr.    <^reWgcfrönt 12 

Cennvfon.  Q3on  "^Jtof.  C.  Äocppcl 32 

Cisian.  QSott  Dr.  ©corg  ®ronau *36 

Cur0en}ew.    Q3on  Dr.  Srttft  ^orlowöfl *43 

Wagner,  Kicbarb.   I.  Q3on  <^rof.  SWaj  Äoc^ 55/56 

Walter  von  der  Vogetweibe.  3.  Auflage.    93on  ^ro- 

feffor  21.  e.  Gcbönbac^ 1 


gjerlaö  t>ott  ^rnft  Sofmann  &  Co*  itt  93erUti  W  35 


©effte^^elben 


t ^^1^1  II  l-^V4lli^l  I  11^ II 

3ebe  ^iograp^ie  ift  felbftänbig  unb  einjetn  fäufüc^, 

faft  alle  ^änbe  enthalten  udunblic^e  Slluftrationen. 

<y)reig  eineg  iet)en  93anbeg:  ©e^eftet  gP^.  2,40;  in  feinem 

geinenbanb  (rotbraun  ober  Uav)  9J?.  3.20 

5)tc  mit  *  öcscid^ncfctt  umfangrcld^crcn  ^Sänbc  foftert  bic  Äätftc  me!)t. 

um  be»  "Bcguö  fämttfc^et  «änbc  ju  crtcit^tctn,  öcfiattet  bie 

SJcttaödbttc^^anbttttid  bei  fofortigcr  ©cfamtlicfcruttö 

be«  nmfattdtei^ett  ©ammcttoetf«  9taten»3a^tuttöctu 

^u^gabe  ber  ,,(8eifte^|)elt)en"  in  ©ruppen: 

3)a  bie  umfanQrci^c,  ö«9cntt)ärtlg  58  93änbc  mnfaffcnbe  Sammlung 
bei  bem  «greife  öon  nabeju  200  SWorf  in  ibrcr  ©cfamfbcit  mand^en  su 
foftfpielig  »irb,  ift  eine  '2iuöga&c  einbeitlicber  Gruppen  öorgcfcben. 
5)iefc  werben  5U  einem  gegen  ben  €inäelprciö  ber  93änbe  ermd&igten 
Oruppenpreis  abgegeben.  ®ie  ©ruppen--'2luögabc  ber  „(Seifteöbelben" 
bicnf  öorne^mttd)  @e[ci)enf3n)eden.  ©er  Käufer,  mct^er  ju  Geburts- 
tagen, f^onfirmationen,  3U  Weit^nad^ten ,  3ur  Prdmien- 
Verteilung  oOer  fonftigen  feftlid^en  Gelegenl^eiten  '33ücl^er 
f(^enfen  tt)ia,  greift  f^tteßlicb  mcift  su  ben  Älafrifern,  mobei  er  ©efabr 
läuft,  t>a^  ber  gcmäblte  "2lutor  bereit«  uorbanben  ift  ober  »on  einem 
anbem  ©ebcr  borgereicbt  tt)irb.  —  ilnfere  ®rut>pen''2luögabc  fott  bie 
?luött?abt  an  geeigneter  (Sef^cnflitcratur  öermebren.  ®ie  ftatt- 
lieben  (Stupp^n  ,5)icbter-'23iograi)btcn*,  „=J?oturforf0er  unb  Q^eifenbe*, 
„dürften  unb  Äriegöbclben",  „9Jieifter  ber  färben  unb  ^öne"  uf».  ftnb 
be^bttlb  —  alö  anerlannt  »orjüglid^e  <23ücbcr  —  beifäOiger  "Slufnabme 
ftetö  fidler.    <^efonberö  empfoblen  fei  bie  (Sruppe  II  ber 

^id)UX'^io^xapi)hn*  5  93änbe 


©riHparjcr. 

QSon  Dr.  S>.  Siffcnbcrgcr. 

Äcbbel.    (^ojjpelbanb.) 

Q3on  <^rof .  Dr.  91. 2R.  OB  c  r  n  e  r. 

^njengruber. 

<33on  Dr.  9tnt  93ctfclbeim. 


9)Zoliere. 

QSon^rof .Dr.Ä.6  c^neegan«. 

©ante 

Q3on  Dr.  3.  ?l.  ecartajaini. 


®tttppenpreid: 


geitt  gebb.  2«.  16.80  (ftatt  19.20) 


^u^fü^rUd)er^rofpeft  auf  Q3crlangen  uncntgeltlid^  burc^  ben 
Verlag  t)Ott  etnft  Sofmann  &  ^o*  in  ^erlitt  W  35 


7^-  j.;co   /c# 


Qßaltl^cr  t>ott  ber  ^ogctwcibe 

^u^  bcm  9!}^iftclf)od)bcutfcf)cn  übertragen,  eingeleitet  unb 
mit  2lnmer!ungen  »erfe^en  t)on  9'^ic^atb  Soo^mann 

(«ü^et  bet  ^el«|>eit  unb  6c^ött|>clt*  @cb»  <aJL  2,50) 

@tn  ma^reö  ^(einob  in  ber  Sammlung  tft  fobann  bie  ^u^- 
gabe  ber  ©cbici^te  QBatti^er^  oon  ber  <$oge(meibc  in  neuer, 
bem  mobernen  ßmpfinben  me^r  Q^ec^nung  tragenber  unb 
b,oc^  möglic^ft  pietätöoU  an  \><x^  Original  ftc^  t)altenbcr 
Übertragung  öon  Q^id^arb  Soojmann.  Soojmann,  ber  ft^ 
burc^  feine  ©ante -Übertragung  xoxt  fein  jmeiter  für  bie 
fd^ttjierige  5^unft  ber  Überfe^ung,  bie  jugleid)  ©id)tung  fein 
fon,  befähigt  gejeigt  \)0X,  \)(xX  mit  glücfli^er  Äanb  aüe^,  ma^ 
|)eute  fremb  unb  l)art  anmuten  !önnte,  ju  befeitigen  gen>upt. 
00  möge  bie  fembafte  "^rifcl^e  unb  gefunbe  9D^ann^aftig- 
feit  be^  größten  ß^rifer^,  ben  \i<}i^  beutfd)e  9}^ittelalter 
berüorgebrac^t,  in  biefer  neuen  Raffung  ftd)  rec^t  üiele 
•Jreunbe  ermerben !  (9^eue  QGÖürjburger  Seitung.) 


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®ie  ßieber  ber  SO^löni^e  unb 
Tonnen  ©otamo  '^Subb^o'^ 

^w^  bem  IHltinbifcfjen  ^um  erftenmal  übcrfe^t 

öon  Dr.  ^arl  eugen  ^leumantt 

Oe^eftet  .  .  10  2tt,    ::  400  Seifen  £cj..Oltao  ::  itt  Äatt>ftat>b,  12  3Ä. 

„. . .  ®le  SKad^t  unb  Äraft,  mit  ber  ber  9Jlenfcl&  tn  ben  Selten  folc^ 
rellglöfer  "ScttJcgungen  ptö^Itd^  auf  baö  QBcfen  ber  ©Inge  flc^  tt)lrft, 
tt)lc  er  alled  'fragen  unb  Sroelfeln,  out  bto^c  Gpcfulaflon  oon  flc^  ob» 
f(!^ü(tetf,  tt)le  er  fl^  auö  oüen  Hrnftrlctungen  ber  6lnne  befreit,  um 
ganü3nfulflon,©eln,eeben,3:un  ju  »erben:  blcfeö  eigentlich SWag<fcf)e 
lafTen  unö  blefe  io^mnen  auc^  beute  nod^  mltcmpflnben.  öle  rcben  %\x 
tieferen  ©elftem  In  oX^  Ibrer  ftarren  einförmigfeit  eine  mäcbtlg  er« 
grelfenbe  6prad^e.  Gin  flcfcög^aturgcfübt  gebt  burcö  blc  ©cblcbtc  blcfer 
OJiöncbe  unb  Tonnen  babln.  ^ucb  Ibre  Oteliglon  Ift  ^\x\^^t  mlebcr  bie 
groge  <^bUofopble  beö  gd^menfö^en,  bog  ^lUgefübt  ber  ftorfen  <?)erfön. 
Ucbfelt,  tt)elcbeö  bie  Äormonle  unb  Slnbelt  »on  2BeIf  unb  30  tief- 
innerlich  erfo^ren  bat"  ^^„^^  ^^^^  ^^  ,^terorlfcben  S*o". 

3)lc  beutfd^e  eifcrafur  fonn  mit  9?ecbt  ouf  ein  folc^eö  Übcrfe^ung«* 
Werl  ftota  fein.  3n  leiner  oi^bercn  curopälfcben  eproc^e  »äre  cö  möglich, 
^tcocA  ouc^  nur  entfernt  ^^ntlct^e^  au  telften. 

„*Preu§lf  *  c  3obrbüc^er" . 

g3erla0  »Ott  «mft  ^ofmatm  &  Co.,  gSertinWSS,  ©crfflingcrftr.  16 

iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiin»»«Miiiiiiuiiiiiiiiitin»iiiiiiiiiniiiiiiiiiiiitmiirm 


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