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(;$üt)rcnbc (ßciftcr)
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(Eine Sammlung von Biograpljten
.Begrnnbet con Dr. 2Inton Bettell{etm
£|crausgegebcn oon (Ernfi ^ofmann
(grflcr 3anb
Berlin
€rnft ^ofmann & (£o.
1910
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ii^JraxiLiv*:l>fVoee^^ X ■ ^ ^
f}crr U)altl)er von öer Dogelmeiöc
ajimiatur tcv 'IBcin^artmcr Vic^cvlH•ln^fct)rift, pag. 139, in tcr fönii-(l. offcittliclicn "J^ibliotiwf ju atuttgnrt
LG.
alter
von bcr Pogclipdbc
(Ein Pid?terleben
I
21nton (ErBdjönbadj
mit 3ipet 2(bbilbungen
Dritte, rerbcffcrte 2luflage
Berlin
€rn|i ijofmann 6c <£o.
1910
ttad^brucf ocrboten
Überfe^ungsred^t üorbctjalten
Dem 2lmtsgenoffen unb ^^eunbe
in banfbarer Creue 3U9eeignet
I
Inhalt
©ette
»ortDort vn
I. 3)as ^Mittelalter 1
n. ^er oolfstümli^e SKinncfang unb Sleinmar . . 18
m. SBalters ?Infänge 40
rv. öot)c gjlinne 59
V. »ei tönig ^t)ilipp 81
VI. 3n 3:^ütingen. SBolfram von ^\^tnhaä) ... 100
vn. ^m 2Bclfen()ofe 116
Vm. ^liebere aJlinne. 9leibl)art 132
IX. Äaijer 8^ricbricf) II 154
X. ®nomi[d)e 3)id)tung. ^rreibanf 171
XI. SBatters Religion 192
Xn. 2)ie legten Älänge 208
SBcigabe: 5lur3e Überfidit bcr tDi[fenj(^aftllc^cn
ßitcratur 222
?lbbilbungcn:
EBalter nad) ber 9Jliniatur ber SBcingortener ßicbct»
^onb[cf)rift litclbttb
3)enfmal in iBo5cn 44
Hus dem Vorwort zur erfien Auflage
Dtcfc Schrift ift baju befttmmt, ein fnappcs unb in
\iä) 5ufammen5ängcnbcs 93ilb oon bcm JÖcbcn unb ber
T)i^tung SBalters pon ber SBogeltoeibe ju geben, unb
3tDar gemä^ bem heutigen Staube ber u)i|[en[^aftlt(^en
gor[(^ung. 3n5be[onbere ijt t)er[u^t toorben, bas Sßefen
unb bic gefc^i^tlic^e SBebingt^eit bes Sängers genauer
ju er!ennen. ßu biejem Sel^ufe ^abe i^ bie einft^Iägige
fitteratur Don neuem unb sroar bis auf hk $Beröffent*
lid^ungen ber jüng[ten 3^it ^^i^ob bur^gearbeitet. gcmer
ift ^ier aufgenommen, loas oon ben (Ergebmifen meiner
©efd^äftigung mit bem Dichter [eit bem S3eginn meiner
a!abemi[d^en Jße^rtätigfeit (1872) mx meiner roieber^olten
Prüfung Staub gel^alten ^at. — Die Di(^tungen SBalters
f)dbt iä) naä) ber ^lusgabe oon £a^mann aitiert (Q.),
toeil biefe ujegen i^res ^Ipparates oon Lesarten nod^
immer als grunblegenb era^tet roerbcn mu^. hingegen
l^abe i^ bie seitli^e Abfolge ber ßieber unb Sprühe
im ganzen, hti ja^lrei^en ^usna^men im einjelnen, fo
aufgefaßt, wk bies SBil^elm 2BiImanns in feiner Ileinen
3:eitausgabe (1886) getan §at. 3^ mufe bas um fo
na^brüdlid^er unb banfbarer ^ier ausfpre^en, je roeniger
iä) fonft in oielen unb ujefentli^en Dingen \>k ^nfi^ten
biefes um SBalter oerbienteften gorft^ers 5U teilen ocr*
mag ...
®ra3, SBei^nad^ten 1889.
Vorwort zur dritten Huflage
Diefes Heine f&uä) toar einem weiteren £efer!reife ju*
gebac^t, bem es ein Inappes unb in fic^ jufammen^ängenbes
93ilb bes JÖebens unb ber Did^tung SBalters oon ber
S3ogelu)eibe geu)ä^ren follte, unb ätoar gemaS bem l^eutigen
Stanbe bcr iDiffcnf^aflli^en gorf^ung. Dicfcs 3^«! (^cint
einigermaßen errei^t, unb bamit toirb mir bie 33crpiltd)=
tung auferlegt, bei ber neuen Auflage bas 3utDad)[enbe
(Ergebnis ber Stubien bem 2Ber!(^en einjuDerleiben. X>cr
§aupl[a^e na(^ [inb es bie Hnterfuc^ungen oon 5lonrab
fSuxhaä), in benen [ic^ ber gortfc^ritt befaßt, unb i^nen
gerecht 3u toerben, ^ab^ iä) mi(^ bemüht. 5Rur baß \d) über
lei[e SBeränberungen unb häufigere (£in[^altungen ni^t
hinausgehen tonnte, ol^ne bas ©efüge bes SSuc^es ju äer=
ftören. Hnb no^ in einem anbercn fünfte l^abe xä) bie[e
S(^rift umgeftaltet: bie freien Übertragungen oon (5e=
bieten 2BaIters bur^ (Ebuarb Sam^aber [inb fortgefallen
unb an i^re Stelle finb meine Überlegungen getreten.
Damit roirb ein 2Bun[{^ erfüllt, ben gricbric^ 3örn(fe
[(^on 3ur erften 5luflage ausgefproc^en l^atte. 9lun i[t bie
Umformung mittel^o^beutj^er ^oe[ie 3U neu]^o^beut[^er,
beren Sprad^ftanb um 700 ^a^xe oon ber ur[prüngli^en
©eftalt fic^ entfernt, mit eigenartigen Sc^roierigfeiten Der*
tnüpft, bie einmal für ]\6) betrachtet toerben follen unb
bie i(^ f(^tDerIi(^ alle roerbe überrounben ^aben. Gs ^at
mx6) babei ber ©efic^tspunft geleitet, ha^ bort, wo meine
Sprac^mittel ni(^t ausreichten, eine formale SBe[onberI)eit,
etroa eine §ebung me^r ober roeniger ober ein genaues
5?eimbanb baran gegeben, jebod^ bem Sinne bes Dieters
bie 3^reue betoa^rt tourbe. Denn mistiger als alle )on=
[tigen $Hü(f[i^ten mußte ber 2Bun(^ bleiben, baß bie
iefer, fo gut es ging, bem alten Dichter fclb[t in fein
tiefes, glänsenbes ^ugc bilden fönnen. Daran lag au^
meine greube bei ber Arbeit, bie [olc^ermaßen er|t je^t
oöllig mein (Eigen geroorben i[t.
(5ra3, Dftcrn 1909.
flnton 6. Sdiönbadi.
I.
Das mittelalter
2Btr nannten bas neun3e:^ntc ^a^r^junbert mit $Bor=
liebe ein 3eitalter ber 2Bi!fenf(I}aft unb toaren fe^r [tolj
auf bie (£rgeBni[fe unferer gorfc^ungen. i^aum gibt es nc(^
ein $inberni5, [o gro^, bafe toir nii^t meinten, es über^
löinben gu fönnen ; ein SHät[eI, fo biinfel unb f^toierig, ha^
mix ni^t löenigftens [eine fiöfung oom gortfd)ritt unferer
Stubicn in ber 3ufunft erl^offten. Diefes Selbftgefül^I,
ujomit iDir hk mobernen Grrungenfi^aften bes SBiffens
im großen unb ganjen überbliden, inbem toir fie frcubig
mit ber geringeren i^enntnis ber nä(f;[tporf|ergegan(^enen
(Sefd^le^ter oerglei^cn, es erfahrt eine [onberbare 2Bonb^
lung 5U Sef^eibenl^eit unb Demut, fobalb roir an einjelne
gragen eines einjelnen gorirfiungsgroeiges genau 5eran=
treten unb uns erfunbigen, intoietoeit tcir l^ier über
eine too^Igegrünbete unb 5UoerlQ[Sige 5lnf(f,auung ber %aU
[a^en gebieten, gröbere unb feinere 3iiiommen^änge ber
Dinge 3U beuten oermögen. Da seigt \\^ alsbalb, wo
überall es uns gebri(^t, roel^e XluüoIIfommen^siten un[erem
2Bi[[en anl^aften, roie öiele ^^ut ai^tungsöoll anerfannte
XReinungen nur als bürftige ©eroebe gli^ember Rombina*
tionen über ben Sachen [c^raeben, feiten 3ur gcftigfeit
]iä) oerbi^tenb, l^äufiger ins 5Ri^ts serflatternb.
(£s mufe uns 3um Sct[picl \>oä) bcfc^ämen, rocnn loir
ftnben, bofe tcir über bic ^luffaffung ber größten unb roi^*
ttgftcn 5lbf(5nittc im Qehtn unjcrcs eigenen Söolfes no^
nic^t 3ur ^^larl^ett bur^gebrungen finb. 2Bic je^t im S)er-
^ältnis 3ur frü^cften ^ox^dt unb toieber 3ur ©egenroart
jene (Spotte beutf^en fiebens cerftanben tcetben foll, bie roir
uns geioö^^nt ^öben, bas „TOttelalter" 3U nennen, baruber
[(^toanfen no(^ immer bie 5ln[i^ten. Xlnb [ie [(^roanfen
ni(§t roeniger als etroa oor brei ©enerationen, am (£nbc
bes a(3^t3e5nten ^ö^r^unberts, 3U einer ßtii, beren finbli^e
HniDiffen^eit, roas unb xoic ^i[torif(^ 3U erforfc^en ift, uns
in i^ren ©ef^i^tstüerfen fo belät^elnsroert ft^int. Sis
herauf 3U SBindelmanns S^reibübungen für ben ©rafen
t>on Sünau, bis 3U Jße[fings (Ertnerfung bcr Rritif, bis 3U
Serbers 5lnfangen unb ©oet^es 3^genb, ^atte bas SO^ittel*
alter als eine gunbgrube für bie Si[torie ber üerfteinerten
5Rei^soerfay[ung, für bie fiufubrationen gelehrter 3uri|ten
\iä) einer getüi[[en freuen ?l(^tung erfreut. Dann ent[tanb
im 9taume toeniger ^^^tse^nte eine leb^fte SBcroegung
in ben ^Injic^tcn barüber, Sto^ unb ©egen[tofe !reu3tcn ]\6)
l^eftig, aus bicfen Äämpfen errou^s bie beutf(^e ^^ilologie
unb bie beutfc^e ©ef^i(§tstDi[fenf(^aft. Diefer fru(^tbare
©egenfafe toirb fofort oerftönblic^, roenn man bie beiben
©ruppen oon St^riftftellem, wtlä)t t^n ^auptfa(^Ii(^ aus=
matten, mit i^ren Schlagwörtern nennt: 9^ationaliften
unb 5Romantifer. Die „^ufflärun^^' i[t bie ftärf[te geiftigc
Strömung nac^ ber ^Deformation, 3n granfrei(^ am
frü^eften fi^ entfaltenb, traf (ie Deutft^lanb rool^I Dorbe»
reitet unb fefete alsbalb 3:aufenbe fpi^er Jeb^m in Arbeit.
3^re aufeerorbentlit^e SBi^tigfeit, bie reiben unb für
Sa^r^unb^rte fortu)ir!enben (Srgebniffe il^rer Seftrebungen
— auä) Ranis ^^ilofopl^ie gehört barunter — roirb
niemanb unterf^afeen, bcr geft^id^tli^ benfen gelernt l^at;
cBcnfo roal^r tft es jcbo^, bafe btc Säuberung oon ^ber*
glauben unb SBorurtcilen balb in eine fa^Ie, nü^tcme unb
unergiebige 5luffaffung bes Jßebens um[^Iug. SclbjtDer*
ftänbli(^ toar ben 3lufflärem bas äWittelalter, Don bem
[te roenig rougten, ein*(5reuel: es toar ber tiefe, büftere
5lbgrunb, in bem [i(^ bie 5biltur bes fla[fif^en Altertums
\yt\ i^rem Sturse" Begroben ^atte, unb aus bem \At
3Ken[d^]^eit nur mü^fam toieber 3um £i^te emporflomm.
,;aJlittelaIterii(5" unb „albern, untoiffenb, bef(^ränft", bas
[inb für ben Spra^gebrauc^ ber 5lufflorung ibenti[(^c
SBortc : toenngleii^ irgenbeine ^^or^eit gan5 jung unb neu
roar, [ie rourbe als „mittelalterli^" abge[tempelt unb v\
ber 9taritätenfammer bes 5lberu)i^es im „äRittcIalter" auf*
Betoa^rt. Der SRüdf(^Iag fam Don ber 3u flaffif^er SBIüte
auf[teigenben beulf^en Dichtung. Sie tourbe (o üBermä(^*
tig, baß bie 9tomanttfer erft im £eBen t\t ^oefte Juchten,
bann bas £eBen 5ur ^oe[ie 5U geftalten unternahmen, unb
ba bies in ber eigenen bürftigen unb brangoollen ^t\\ nt^t
iDo^l anging, bas ferne 3o3ieIi(^t bes SRittelalters für bie
(Epoche ber Dichtung im engften 2ßort[inn erflärten. Sei
bem 5QlonbgIan3e ber S^mbernat^t, bie nun ^eraufbe*
|(^iooren tourbe, ftredten fi^ bie ritterlichen $elben über
bas menfd^Ii^e SKafe ^i^ous, quirlte ein Buntes ©eroimmel
aBerteuerlit^cr giguren burc^einanber, oerlor bas 5luge
bie ^llar^eit bes Urteiles, ^örte bas O^r m ben flapprigen
SBerfen ber 93^eifterfänger "tAt fü6e[ten SRelobien. Diefe
2^röumereien [te^en oon ber SBal^ri^eit genau fo xsmi ob
u)ie bie Hbgefc^marft^eiten bes 5luffläri^ts, bo(^ ^at bie
romantif^e SBegeifterung für bas beutfc^e TOertum aus*
gebauert unb ben roi[fenf(^aftIi(^en ^Betrieb ber altbeutfc^en
Stubien als \At \it\\t unb rüi^mensmertefte i^rer Spuren
}urüdgelaf[en. ga[t feine 5Rad^foIgcr i^at jebo^ ber äRann
gefunben, ber es ujaBrenb bes ac^tje^ntcn Sa^rl^unberts
im SBer[tänbnt5 mittelalterlicher Dinge am i»eite[ten ge=
bracht 'i)aiU, Kultus äJlöfer. (£r ging oon feiner 5lrbeit über
osnabrüdif^e 3iif^önbe aus, In benen eine ^äf)t Überliefe*
rung fi^ lang erhalten ^atte, unb erfaßte auf biefer (i(^eren
(Srunblage has altbeut[^e 2Befen in feinem i^erne. äRöfers
trefflid^e S^riften, in lebensooller berber Sprat^c, toerben
je^t feiten nac^ ©ebü^r getöürbigt, feltener gelcfen.
^Tu^ bem mobemen Urteil über ha^ SDlittelalter fe^It
CS burc^aus an illärung. SBas töir bauon im 33erfe]^r
ber gebilbeten 9[Raffen I)eutf^tanbs beoba^ten fönnen,
lel^rt uns, bafe, toenn bie Hnfid^erl^eit ber 5ln[i(^ten, ob bas
SO^ittelalter 3U loben ober gu fc^elten fei, \iä) naä) einer
Seite neigt, folc^es getoi^ na^ ber ungünftigen §in ge*
fi^iel^t. (£s ift ganj ri^tig gefagt, toas neulid^ ein ga^
genoffe f(f)rieb : „Das Sülittelalter ift b^m großen ^ublifum
ber ©ebilbeten, u)enn mi^ nid^t alles täufd^t, no(^ immer
bie finftcre 3^^^ ^^s gauftred^tes, ber geubalgeroalt, ber
5^e^ergeri(^te unb neuerbings ber 3ubenoerfolgungen.
2Beiter pflegt man im allgemeinen to^nig oon i^m 3U
KJiffen:" Sat es bo^ oor etlichen 3<i5i^^ ^i^ SHeftor ber
erften beutft^en Xtnioerfität über fi^ gebrad^t, in feierlicher
5?ebe 5U behaupten, bas ^riftlic^e SJlittelalter fei „bie 3stt
tiefer (Erniebrigung ber SRenfd^^eit". (£s f(^eint bem beut*
fd^en $immel aufbehalten, fol(^e 5lusfprü^e, folt^e grüßte
einer reit^en ©eiftestätigfeit unb metl)obifd^er gorfc^ung,
oerbunben mit einer ebenfo erftaunli^en 93orniert]^eit, 5U
jeüigen ; rounberlic^ertoeife gebci^en ftc 5umeift im Qä)aiUn
ber afabemif^en fallen. 3lls eines ber 3^^«^^^ biefer 95er*
urteilung bes äl^ittelalters roirb man es rool^l anfeilen
bürfen, roenn jüngft bie S^ibelungen aus ben llRittelfc^ulen
oertrieben unb unfere 5tnabcn babur^ gejroungen lourben,
bie SD^ciftenoerfe altbeutfcf)er Di^tung in 5lus3ügen ober
Übcrfe^ungen fennen 3U lernen. 3®ör barf man geroifelic^
¥
l^offcn, bafe btc Shinbe, mit bcr btc[e SScrtDlrrung ber
©eiftcr cnbigt; fc^on Qz\d)lagen ^ai, aber es mar fränfenb
genug, bie flägli^e (gpifobe 3U einer Süt bur^Ieben ju
mü[[en, xdo naä) langer 3^rübfal enbli(^ l^elle unb rul^moolle
3:age für Deut[(^Ianb ^^raufgesogen finb.
2ßel(5en i^räften barf man bie[e £aunen ber ©egen*
tuart 3uf$reiben? Die 5lufflärung i[t nergangen, aber [ie
iDirft hoä) no(^ fort: [0 einfluferet^e unb im 35oI! ange=
[eigene Sü^er tüie 9?otte(f5 2BeItge[(^i(^tc fte^en für i^re
(5runb[ä^e ein unb empfehlen fic^ bur^ Eingriffe auf bas
abergläubi[(^e TOttelalter. Ginseine gorft^er jtrebcn [elbft
in ben germani[tifcf)en Stubien bana^, bas geijtige SBer=
mögen b^r Deutfc^n alter 3^^^ tunli^[t ntebrig einsu*
f(^aöcn, iDie es ju i^rer SBorfteÜung oon ber ^Barbarei biefer
Gpo^e [i^ \ä)idt. Dabei l^ilft ein anberes: fe^r oiele
beutf^e ^rote[tanten mit Durt^fc^mttsbilbung, überjeugt
pon ber geiftigen 3nferiorität i^rer fat^olif^en 3^^^=
genoffen, fönnen fid^ biefe, fofem fie gläubig finb, nur
als Dummföpfe porftellen ober als une^rlic^e Scuc^Ier,
oerfappte greibenfer unb 5lt]^eiften. Das beeinflußt bann
au^ i^re ^nfi^t oon einer 3^it ^^^ ^^^ ^^^ 5^tr(^enfpal*
tung liegt: bas StRittelalter entbehrte bes ^roteftantis=«
mus, es !ann ni^t anbers benn ftumpffinnig unb blöbe ge=
loefen fein. Daß ferner ber an \xä) ja gar nic^t \)oä) genug
anäuf^Iagenbe ^uff(^n)ung ber naturroiffenf^aftli^n unb
ted^nifd^en Stubien bas gef^i(^tli^e ^i^t^^^ff^ 11^^ ^^
fonbers bas am TOttelalter ^aftenbe f^roa^t, gibt ein
ungünftiges $üloment me^r. So mäßigt fi^ allgema^ unfer
erftes (Erftaunen über hu 2Rißa^tung bes altbeutf^en
SBefens in ber ©egenroart. Unb hahti l^aben rotr no^ ni^t
in ^tixaä)t gesogen, to^Ic^e §inberniffe fi^ einer gereiften
§iftorif(^en (Erfenntnis bes SJlittelalters in biefem f elbft
cntgegenftellcn.
3!t es hmn whfixä) \o fd^toterig, bie SBergangcn^cit
bcs eigenen SSolfes 5u üerftel^en? äRtt allem Sebac^t unb
allem 9fla(^brud mng auf biefe grage „3o" geantxDortet
merben. — 2Ber forgfältig eriDägt, tote es mit ben ©rünben
für feine Hrteile über S0len[(^en im i^rei[e feiner perfön*
liefen (Erfahrung fid^ rer^ält, roirb beftätigen fönnen, ba^
es f(^on §ier oft ungemein fi^toer roirb, ri^tig 5U feigen.
50lan überlege nur : roie roenige Söorgänge t>on $Bebeutung
im £eben ber ©efellft^aft finb felbft ben äRenf^en, loel^c
il^nen gans nal^e geftanben l^aben, in il^rer 23er!nüpfung unb
i^ren SJlotioen erfd^öpfenb befannt, fo bafe ein juDerläffiges
IBilb baoon gegeben, hk (S^l^araftere in i^rer (gigenl^eit
begriffen, ber 5lnteil oon SRe^t unb Unre^t bem etnjelnen
beftimmt jugcmeffen werben fann ! (£s lägt fi^ fül)nli^ be»
Raupten, ba^ 2:ag für 3^ag tint ungel^eure 93?affe von
ungere^ten ^Beurteilungen ber 3)?enf(^en untereinanber
]iä) anl^Quft; gan5 abgefe^en oon ber Unbill, bie f(§on in ber
SBerfc^ieben^eit ber fittli^en SHafeftabe ber S^^^oibuen be*
grünbet liegt. Der Xrieb 3ur Xatigfeit, bie (Energie bes
£ebens, würbe htn meiften erlahmen, loenn fte fid^ biefe
il^re £age Dollfommen flarma^ten; glürflid^ertoeife ge«
fd^iel^t bas nur anwerft feiten, gemeinl^in fjil^i man fi^,
inbem man nur hu großen Sauptergebniffe im 5luge be*
l^ält. 3nimer]^in ift es ein sroeifel^after Xroft ju loiffcn,
bafe ]xä) bie Sel^ler bes Hrteiles, bie jeber für \xä) begebt,
hti allen miteinanber loieber ausgleiten, freili^ o^nc
barum beri^tigt 5U ujerben. (Bntjie^t fit^ fo in ber lebenben
Cöegenroart, bei unfern oerfeinerten SlRet^oben pfr)(^ologi*
f(^er ^Beobachtung, htx bem für bie fleinften ßinbrücfe
empfänglichen ©emüte mobemer SJlenf^cn im $in= unb
Sßiberfpiel bes gefelligen SBcrfe^res, entgleist fit^ bann no^
bie SBal^rl^eit i^äufig unferem fBM, fo roirb man bemeffcn,
roel^ l^arte Aufgabe f^on bem £iterar^iftorifer 5uteil toirb,
n>enn er 2B€[cn unb (Eigenart eines mobemen Dieters aus
ben überlieferten 3eugni[fen enttoerfen foll. 3wax \U\)t
i^m je^t mei[ten5 tin ausgebel^ntes 2RateriaI ju (Sebote,
aber roie oft trügt es, niie [^illem bie Stimmungen ber
^lufjei^nenben, ober tut [i^ gcrabe bort eine Jßüde auf, loo
ber ^ei!el[te ^unft ber ganzen SBertnotung liegt! SBel^e
Unfumme oon (Einflüffen auf einen SJlenfd^en unjeres 3cit=
alters i[t ju anali)[ieren, roie forgjam muffen hk ©egen=
iDirfungcn in ber Seele bes Dieters ober Staatsmannes
beregnet toerben, ber ben ©egenftanb ber gorf^ung bilbet !
So fte^t es bemna(^ mit ben pfri^ologif^en i^onftruftionen
im gellen Sd^eine unferer 3^^^, hd ber Überfülle oon
Quellen unb äTlitteilungen aller ^rt. Unb nun [(^retten mir
5urüd in bie oergangenen Sal^rl^unberte unferes 5Bol!es,
aus ber blenbenben £i(^tflut, toelc^e bas moberne £eben
umroallt, in bie fü^le Dämmerung bes SKittelalters : nur
langfam finbet fi^ unfer ?luge in bem roeiten oerlaffenen
Sau 3urec^t.
(Einesteils f^einen ja bie ^Probleme mittelalterlichen
!Dafeins fo oiel einfacher, mithin too^l au^ lei^ter 5U löfen,
aber bas fc^ehtt nur fo. Der (Seioinn, ben es ber gorf^ung
bringen fann, roenn hk 9^ac^ri(^ten uns [o fparfam 5U»
fommen, bafe mx ben Kombinationen oiel 5Raum oerftatten
muffen, toirb me^r als aufgeioogen babur^, ba^ eben
biefe iiombinationen ber tatfat^lic^en (Srunblagen 5U fel^r
entbel^ren unb ju fe^r eine fubjeftioe 5Berbinbung oon SBor*
gangen barftellen, Ut uns nur als oereinjelte überliefert
finb. (£s förbert roenig, roenn wir glauben, bie (£^arafterc
bes S0littelalters liegen fic^ leicht oerfte^en, fie Baubeiten
na^ bcrben, greifbaren ©runbfd^en, bie Parallelogramme
il^rer geiftigen i^räfte beftünb^n roirflid^ nur aus ben
fimplen £inien, ni^t toie beim mobemen SKenfc^en aus ben
^Refultanten jal^tlofcr ilomponenten. Das alles glaubt
man eben nur, ertoeifen lö^t [id^ üiel el^er bas unbequeme
©egenteti: bie ret^ ausgeprägten 3nbiotbuaIitäten, u)el(^e
uns in ben oltbeutfdien X)t^tem, (gelehrten, insbefonberc
aber tn ben ^olitifern, gürften unb Sif(^öfen entgegen*
treten, tonnen nid)t aus einer SQlafie glet^förmig Deran=
lagter Beute aufgeftiegen fein, i^re ©ii[ten3 fe^t einen ganj
äl^nlid^en ©rab ber 3nbiDibuali[terung üon (gaben unb
(S^l^arafteren Doraus, töie bie 9^eu5eit x^s^xi für fic^ bean*
Ipruc^t. 9hir unjere 9J2itteI, va ben entfernt t)er[(^D3tmmen=
ben Sd^aren \At (£in3elart gu erfennen, finb [e^r unuoll*
!ommen, bes^alb cermögen toir uns bas Seelenleben ber
SKenf^en jener ^o^^^unberte \^xati begreifli^ 5U ma^en.
2Bir begel^en [omit in unfern üerallgemeinernben Se*
l^auptungen über bas S[RitteIaIter ebenbenfelben gel^Ier,
u)el^er in ber mobernen $RaturiDiffenf^aft ^eimif(^ ift, o^ne
büfe babur^ bas ^nfe^en i^rer (Ergebniffe gefd^äbigt roürbe :
[ie fe^t in i^ren Xlnterfuc^ungen bas 3^bioibuum fc^Ie^t*
toeg für bie gan3e 5llaffe, ber es angeprt, einen grof^,
ein 5^anin^en für alle gröf d^e, alle Äantn(^n ; i^r oertritt
bas (£3eperiment unter ben Umftänben a b c fämtli^e (£x=
perimente unter ben Umftänben a^ b^ c^
a^ b^ c'^, fie oerroanbelt alfo bas 9la(5einanber ber einseinen
©efc^öpfe unb SBorgänge in ein S^ebeneinanbcr. OTes bas,
roeil aud^ bort bie SQlittel nid^t 3urei(^en, um bie 3^bi=
Dibualifierung fo roeit 3U fül^ren, als bie Statur es oer*
langen niürbe. ^t\^t\i uns l^eute bie gerii^tlid^en gingerab*
brüdEe, bie Sertiltonage, ber ^Ibcrnüerlauf über ben Sanb«
rüden, bafe ni^t jroei äFlenfd^en, feit roir bie 2BeIt fennen,
in i^rer äußeren (Snttoidlung uolüommen übereinftimmen
— n)ie mag es erft mit ber inneren fte^n?
9^ur bie Söertiefung unferer gef^id^tli^en Stubien
fann biefen $0längeln in etroas abhelfen. X)a loir auf
bie (Eröffnung neuer Quellen ni^t me^r oiel ^offen bürfen,
fo lofet uns allein btc gcnaueftc Sc^anblung bcr über*
lieferten 3^ii9"i[f^ ^^'^ oorncl^mlic^ bas forgfame (Ertoägen
aller oerfc^tebenen ^rten von äHitteilungen eine (£rn)eite*
mng un[ercr 5lenntnis no^ ertoarten. ^n man^em fann
ber heutige 93etrieb ber 2Btf[en[(^aften, 'Oh ]i^ auf bas
SKittelalter begießen, üerbe[fert roerbtn. IXnfere $iftorifer,
[oroeit [te nic^t überhaupt in ben $ilfsu)iffenf^aften \hdtn
bleiben, entfi^Iagen fi^ 5U lei(^t bes Stubiums ber poeti*
l^en, religiöfen unb gelehrten Literatur, überbies „fönnen
[ie mä)t altbeutfd^", roie ber t>er[torbene SKülIenl^off 3U
[agen pflegte, roas um nichts toemger [onberbar ift, als
toenn ein gorf^er in Qxkä)x\ä)tx ©e[^i^te (5rie^if(^ ni^t
Der[tünbe. XIn[ere ^l^ilologen ^inroieber, bie (5ermani[ten
im engeren Sinne, befümmem ]\ä) üiel ju rnenig um ben
^iftorif^en $intergrunb ber Denfmäler, um beren 5Be*
jie^ung ju bem gefamten Lebensinhalt ber 3^^^- ^^t«
roenbig leibet barunter bas na^fü^Ienbe SBerftänbnis. 3^
röill nur barauf ^inroeifen, toelc^e ^uff^tüffe über bie
Arbeit mittelalterlicher SRenfd^en bie Stubien in ber SBoIfs*
TDirtf^aft biefer S^l^r^unberte geroal^ren, roie fie 5. S. in
ben 2Berfen üon ^nama'SUxmQQ, ßamprei^t, Sucher,
Hlri^ Stu^ u. a. oorgelegt roerben. (£rft [ie mac^n bie
oerlebenbigenbe ^Infd^^^^^Ö möglich, laffen hinter ben toten
2Borten bie ringenbcn SJienf^en erfennen unb fd^ü^en uns
Dor einer oer[tanbesma6ig re^nenbcn ^e^anblung ber
Dinge, ber toir am Sc^reibtif^e nur 5U lei^t ü^rfallen.
Gs ^at 5um ©lürf immer gorfc^er gegeben, roelt^e auf bie
Beobachtung bes 3^Iö^^^"5tt^9^5 aller £ebensäu6erun*
gen brangen unb fi^ ein großartig energi[(^es ^Tuffaffen
ber (Entroirflung unferes SBoIfes erarbeiteten, fie feien
uns Ieu(^tenbe SBorbilber. 3<^ ^oill nur jroei t)on i^nen
nennen: 5larl äRüIIen^off, ben S($öpfer ber beutf^en
^Itertumsfunbe, unb i^arl SBil^elm 5Ri^f^, ber tiefer als
®ät6nf>adi, Sßattec bon ber SSogeltoetbe. 2
10
bisl^cr ein anbcrer bas gcfc^ic^tlii^ £cbcn bcs 3P^itteI=
alters begriffen unb öon ben „Staufi[$en Stubien" bis
3ur „©e[^i^te bes beutfc^en SBolfes" mei[terli^ bargelegt
^at. (3o roie bie[e bürfen an^ toir uns ni^t mit ber
unentbe^rll^en 5e[t[tenung äußerer Xat[a^en begnügen.
SO^ag es bentft^en gorf^ern einesteils f^roerer fallen, bas
gei[tige 2Be[en; bie 2Beltanf(^auung bes beutf^en SJlittel*
alters, objeftio 3U erfa[fen unb ber Überlieferung ab5u=
ringen, meil bas ©efü^l ber ©emeinfamfeit mit jenen
SKenfc^en unb Suftänben l^ie unb ba bas Urteil ab[tumpft,
[0 roirb es i^nen bod^ au^ roieberum lei^ter, benn fie
bringen in i^rer 5Ra(^empfinbung ein SBerfseug ber 5lrbeit
mit, bas fremben ©ele^rten mangelt.
Das gef^i(^tlic^e Hauptproblem, roel^s, wir bürfen
es tDO^l fagen, bem (Europa bes SRittelalters ju löfen
oblag, mar bie SBirfung ber germanifc^en 9lationalitöt unb
bes (S^riftentums aufeinanber, ober oielme^r bie 3ct[e^ung
bes beutf^en SBolfstums bur^ bie ^ri(tli(^ 9leligion,
tDol>ei biefc felb[t ben umbtlbenben Ginflufe bes überu)un=
benen (Segners erful^r. 9Bir lernen bie ©runblagen ger*
manifc^en 2Befens ]ä)on in ben Anfängen ber (^riftlic^n
^ra fennen, unb obglei^ bas 35olf (i^ bamals bereits
eine i^o^e 5lultur ertoorben ^at, bilben bie erften 3ufam=
menjtöge mit ben ^Römern boc^ einen fo frül^en ^unft feiner
(£ntu)idlung, bafe es uns barna(^ gegönnt i[t, bie SBurjeln
feines (E^arafters toeiter^in 3U oerfolgen als bei irgenb^
einem anberen arif^en Stamme. 2Bir fe^en, bafe bie
(Sermanen ein 5lriegst)olf roaren, bös Söie^aut^t unb ^(fer=
bau betrieb. CBintge i^rer (£tgen[c^aften, roie fie bann
ujä^renb ber SBölferroanberung fic^ entfalteten, erflären
fi^ au(^ aus biefer fiebensroeife. So ber enge 3ufammcn=
^ahg bes 2)^enf^en mit ber S^latur, bie S^letgung, olles
11
SIbftraftc in fpmbolif^c Spraye unb SBrau^ ju pllen,
oinb baraus ]iä) cnttoirfclnb eine 9?eligion, bie ^max nur
menige ©ötter perfönlic^ ausgeftaltet ^at, ober bafür
mit Scharen vertrauter Dämonen Jßuft, (£rbe unb SBaffer,
Säume unb gelfen erfüllt. (Es i[t bem altgermanifi^en
©lauben eigen, bafe barin bie ©ötter me^r als 93erater,
gül^rer ober als ©egner, feinb[elige 35erberber erft^einen,
ni^t in ber mmaparen ^öl^e ber OTmac^t: bcr W)-
ftanb oon i^nen ju ben Sllenf^en ift ni(§t fo grofe ^^^
anb^rtDärts unb roirb burc^ 9?ie[en unb $eroen einiger*
mafeen ausgefüllt. So hUiht ber ilraft unb 5lrbeit bcs
$0?en[^en ein größerer 9?aum jur ^Betätigung oorbel^altcn,
er i|t [elbftänbiger unb fü^lt \\ä) me^r. Damit ^ängt aufs
engfte bie £eiben[^aft bes 5^rieges sufammen, bie aus einer
befonbers ftarfen ßebensenergie fommt unb bur^ bie
Sebrängnis ber norbeuropäifc^en 3uftänbe bann jur oer*
5e5renben glamme entfa(^t roirb. 5luf bie[e Seclenbe=
toegung |inb auä) hu fittlic^en Überjeugungen ber (5er=
manen gebaut unb bie roi^tigften 35erpltni[fe i^rer (£xU
[tenj: bie Xreue 3n)i[(^en $errn unb ©efolgsmann, bie Se=
äie^ungen ber gamilie, hk Stellung ber 3rroU; bie bes
Kaufes roaltet, bie Aufteilung bes geroonnenen 33obens, bie
ftänbi[^e ©lieberung bes SBolfes. Aus ber friegerif^en
Stärfe toä^ft aber au^ bie ^arte Selb[t[u^t unb baneben
bie tolle SBerroegen^eit, bie ju jeber Stunbe bas £eben
in bie Sanb nimmt unb meg3u[^Ieubem bereit i[t. 3^
biefen Dingen liegen hk Unterf^iebe jrotfi^en ben ©er*
manen. unb ben übrigen arif^en SBöIfern. Auf biefen (Eigen*
tümli(^!eiten richtet \iä) bas unfi^ere ©erüft auf, bas
mir ben germanif(^en Staat nennen, eigentli^ eine Stam*
mesorganifation, ber bie fpüteren Sersogtümer entfpret^en,
bis [ie huxä) bie getoaltige gauft ilarls bes ©rofeen ju
einer (Einheit äufammengejroungen werben, bie 3U)or balb
2*
12
ausetnanberfällt, beten iBet[pteI aber bo^ bem ganjcn
SJlttlelalter unüerloren bleibt. Dtefen Romplei oon (Eigen*
[^aftcn trifft bas d^riftentum, unb feltfam ftöfet [eine
Selbftloiigfeit auf bie germanift^e Sorte. (Es bringt au^
nur fel^r langfam ein, es l^ot gunöc^ft uiel ftärfer t>ur^ (eine
Dogmen getoirft als burc^ feine (Et^tf. ^ber bie ^ri[t*
liä)t Sittenlel^re ^at benn hoä) allgemad^ bie germanif^
9?au5eit enoei^t, bie Spieen gebogen, ni^t abgebrochen;
u)enn toir auf ber $ö5e bes SJlittelalters fo oiele plö^li^e
9?üdf[(^Iage aus einem JÖeben ber (Seujaltfamfeit in eines
ber ^sfefe roa^rne^men, fo besei^nen biefe 5lataftrop^n in
ben Seelen beutft^er gürften ben Übergang i>om ^eibnifc^n
5um ^riftli^en (Etl^os, unb je feltener fie nad^mals toerben,
befto entf(i^iebener ift ber Sieg ber ^ri[tli^en Jßebensauffaf*
fung. Die (Eintoirfung bes ©ermanentums auf bas ^rift*
Ii(^e 2Befen äufeert fic^ bagegen roeniger m ber gortbilbung
ber Dogmen, als in ber fir(^Ii(^en Organifation. Die Hm*
roanblung ber Sif^öfe in fiel^ensträger ber toeltli^en
2)la(i^t ift nur bie Söorftufe ju bem roeltlic^en 5Iusbau
ber §ierar^ie, ber n)efentli(§ ben (5ermanen 5U5uf(^reiben
ift : bas ^apfttum als bie Spi^e bes ©an3en, ber SBertreter
bes Simmels^enn als bas gei[tli(^e §aupt ber (Erbe, bas
ift eine germanif^e Sd^öpfung, bur^ wtlä^e eine not«
roenbige (Einrichtung ber fir^Ut^en ?lbmint[tration 3u einer
roeltgebietenben ibealen $ö]^e emporgel^oben rourbe.
Die Ausbreitung jenes Xeiles ber ontifen 5lultur, ben
bie S{\iä)t übernommen ^atU, oollsog fi^ naturgemäß in
beftimmten S^ranfen, roel^e [(^on baburd^ gegeben loaren,
bafe bie feltene 5lun[t ber S^rift bas etn3ige äRebium ah'
gab. (Es rourbe alfo biefe Silbung oon oorne ^cretn tint
gelehrte unb befanb ]iä) bamit im ©egenfa^ 3u bem
naä) unb na^ abbrödelnben (Erbe germant[^er Ober*
lieferung. SPlan barf es ba^er nic^t als ein 3t\ä)tn ber
13
HnfelBflänblgfcit beulft^cn (5ct[tes anfcl^ctt; iDcnn bic
Jßttcratur, bte nun entfielt, fi^ lange ^^^r^unbertc ^tn»
bur(^ ausf^Itcfelid^ aus frcmben Stifsmitteln crl^ält. i)a5
tft ber grau innerhalb unb au^cr^alb bcr R\xä)t. ^nncr^alb
\kx Siixä)t: bcnn bte gefamte im engeren Sinne fir^Ii^e
Literatur, oor allem bie ^rebigt, ift, loenigftens fotoeit mir
fie f^riftli^ be[ifeen, eine Öberfe^ungsliteratur, unb gtoar
bis 5um STuftreten ber TOnoriten unb Dominifaner im
13. ^ö^r^unbert, bas Reifet bis 5U ber 3^^^» 100 bas
(5ri[tli^e 3^teref[e ber SRaffen lebl^aft genug geroorben
war, um felbft f^öpferif^ ju toirfen. ©lei(^3eitig bamit
erf(^einen beut[c^e XIrfunben unb 9tec^tsbü^r. ^lufeer^alB
ber ilirc^e: benn in ber geiftlid^en ^oefie üerl^ölt es fi^
um nii^ts anbers, au(^ fie beruht, roie man no(^ immer
me^r einfe^en roirb, ganj auf bem t^eologif^en S^rifttum,
bas aus granfreic^ [tammt; bem flaffifd^en Jßanbe bes
aRittelalters.
5Uun ift bie i^ir^e stoar hU Domel^mfte; aber niä)t bie
einsige Trägerin b«r 5Refte oon antifer Silbung, oon
5binft unb überhaupt allem ilulturrermögcn, roeli^e fi^
bur^ ben S5erni(^tungsgang ber 23ölferu)anberung in bic
ruhigere Gpo^e ber SReubilbung ber ab enblönbif^en
Staaten i^erübergerettet ^aben. Der Söerfe^r mit ben
^flansftötten unb 5loIonien bes abfterbenben altrömif(^en
Sßefens, unb toare es aut^ nur eine Seerfa^rt beute*
gieriger (Eroberer, l^interlieg in ben ©ermanen immer
fruchtbare 5teime fpätcrer (Entfaltungen. Dann aber ging
bie gül^rcrrolle in ber fulturoermittelnben 5lrbeit auf bas
(5emif(^ Don S3ölfem unb SBöIferreften über, bas bie rö=
mif^c SBilbung am tiefften eingefogen l^atte unb ba^er hit
Äraft na^m ju eigenen $ert>orbringungen, ben neuen
Staat granfrei^. Cs fe^t fi^ nur in anberer (Seftalt W^
[clbe 3^tigfeit fort, wmn bas fianb, weites ben Deutf^en
14
feine gelehrte X^eoloQxt barbtetet, au^ bem Sheujungs«
probuft 5tDif^cn germanifc^cm 2Be[en unb tomantfc^r
gorm, bem ^Rittertum unb [einer gefeiligen Silbung, bie
legten unb für ben (Erfolg entf^eibenben 3üge oerleil^t.
Deutft^Ianb nimmt au$ biefes (5ef(^enf mit ber begleiten»
ben ^öfif^en Did^tung banfbar unb begierig auf. (5o
ba^nt fi^ bos le^te Stabium bes großen (gnttoidelungs»
projeffes on, in roel^em nac^ bem glüdli^en SBorte 23et!)=
mann=Sonn)eg5 ber analijtifd^e ©eift ber 9tömer unb ber
fgntl^etifd^e ber ©ermanen fi^ oerflec^ten, nämli^ bie
5lufno]^me bes jus romanum unb bie $Berabf(^iebung
ber altbeutf^en SBoIfsre^te, bie nun abfeits oon ben
großen Sßerfefirsftragen auf ben Dörfern als 2ßeistümer
unb 3^aibinge in ber Stille fi^ fortfriften.
SD^an barf borob ni^i glauben, bafe bie Rraft bes ger=
manif^en ©eiftes, oon Anfang an bur^ bas G^riftentum
unb bie romani[(^e i^ultur übertout^ert unb erftirft, gar
nid^t 3ur Äußerung \)aht fommen fönnen. Das ©egenteil
ift ber gall: burd^ bie 2Bortu)a^I bes gotift^en SBibeIübcr=
fefeers fc^immert bie beutf^e 5Iuffaffung; in SBerfen, bercn
Silbungsprinsip unb S^mud eigentümli^ finb, gewann
eine germanif(^e 33oI!spoefie 5Iusbru(f; juerft ©aren es
^orifc^e ©efänge, in benen fi^ äx)üf, (Epos unb Droma
no(^ eng oerf^IangeU; bann traten bie gormen auseinanber,
unb auf beutfc^em ©ebiet entftanb bie epif(^ Di(^tung
ber Selbenfage, bilbete fi^ eine oolfstümlic^e 2r)x\f, eine
polfstümli^e ©nomif, biefe in mancherlei ©eftalten, aud)
als ^^ötfel, als ^riamel unb als 3i^rbe ber uolfstümlii^en
5?e(^tsfpra^e. Diefe ©attungen ber 33olfspoe(ie entroideln
fi^, huxä) romanif(^e (Einflüffe mannigfa^ geförbert, 5er=
auf bis ins 3U)ölfte S^l^r^unbert, erft bann treten fie
eigentli^ in bie fc^riftltt^e Literatur ein. ^\)x^ Xräger
roaren roöl^renb bes S^xialUxs ber ^Bölferroanberung
15
[angcsfunbige Sülänner aus eblcn ©e[^Ic^tcrn, nachmals
fam bic SJoIfsbi^tung bur^ S3crf$icbungcn in ber ©efcll*
i^aft 5U bcn lanbfa^renben SpicIIcuten; b^ren (Erfolge
iDcdtcn bcn SBetteifcr poeü]d)tx (Sctftli^er, unb im ^us=
iau\d) ber Stoffe stoifc^en biefen unb ben (^toeifenben
Sängern oon 93eruf geftaltcte [t^, toas mit oon erjä^Ienber
beulft^er X)i^tung im elften unb 5U)ölften Jal^rl^unbert be=
fi^cn. äRit bem ^Hittertoefen trat eine neue Mad}t auf ben
^lan, eine ^oe[ie, bie 3um !teil auf bie oor^anbene doI!5=
tümli^e ]xä) [tu^te unb fie nai^ Stoff unb gorm loeiter
bilbete, 3um Xeil aber neuen 3^^ölt in neuen fünftli^en
SBerjen unb Strophen ausfprat^. So bauerte bie beutj^e
93oIfsbi(^tung ungebrochen, toennglei^ mel^r unb me^r gc*
[^iDä^t, aus, fie trieb no(^ eine feine S^a^blüte in bem
33oI!sIieb bes 15. Sal^r^unberts, allerlei (5eran! in ben
gaftna(^tsfpä6en unb 35oIfsbü^em, bis bie tiefe religiöfe
unb fo3iaIe Seroegung, roel^e im 16. ^o^r^unbert alle
Üeile ber Station er[(^ütterte, auc^ biefen 9^eften if)re
Selb ftänbigf eit na^m. ©eftorben ift fie barum nit^t, bie
bcutf^e 5öolfspoefie, fie \)at ]xä) nur aufgelöft unb über
ben gan5en Organismus ber neu^o(^beutf(^en Dichtung
^in oerteilt; toir freuen uns, roenn toir in ben froftigen
Harmonien unferer mobemen Sänger auc^ i^re 2;öne leife
unb bo(^ tief ergreifenb mitfltngen ^ören.
Unter allen beutf^en £änbern ift iD\Uxxtid), finb bie
füböftli^en SRarfen gan3 insbefonbere burt^ ben SRei^tum
i^rer 23ol!sbi(^tung begünftigt. Sier l^aben bie epift^en
£ieber ber ^elbenfage i^re le^te ©eftaltung erfahren —
mellei(^t in ber Steiermarf — unb finb 3u größeren (5e=
bilben 3ufammengefügt roorben, 25orarlberg unb Xirol
f^einen bie $auptftätten biefer Xätigfeit geroefen 3U fein.
3n Xirol lafen W S^üler eines Senebiftinerflofters ben
lateinifd^en Waltharius manufortis mit ben erflärenben
16
5lnmcrfunöen i^rcr fiel^rer, aber auc^ bte beftcn Qiüdt
geiftltd)er 5Bolfspoe[ie, bic aus Jranfcn unb Dom 5R]^em
famen. ^n £)ftcrrc{c^ btesfcits unb jcnfctts ber Gnns blühte
eine DOÜstümltt^e £tebe5lt)ri! oon [tartcr Silbtraft unb
Ictbenf^aftlic^er 5Betoegung. SBäre Jie au^ roeniger gut
beseugt, als fte toirflic^ x]t, märe fein 25ers ber namenlofm
jeieb(5en uns aufbetoal^rt, in benen toir [ie finben, roir
müßten [ie als eine Cnttoirflung erf^Iiefeen, bie ber ritter"
lid^cn £t)rif im legten Drittel bes stuölften Sö^^^ii^^^^^s
tJorange^t, benn bie[e fe^t unbebingt jene ooraus.
gragt man [i^, roelc^e Umftänbe gerabe C[terrei(^
biefe bebeutenbe Stellung in ber (Sefc^i^te ber altbeut[c^en
^oefie ermögli^ten, fo mu^ man auf bie alteren gef(^i(^t*
liefen SBer^öltniffe bort 5urü(fgretfen. Hr[prüngli^ teil»
toeife Don igelten be[iebelt, rourbe bas fianb burc^ bie
9?ömer eingenommen unb als ^rot)in5 oortreffli^ organi=
[iert. 2Bir fennen no^ gar ni^t rec^t hh 5lusbel)nung
unb bie (Erfolge ber römif^en ilultur in biefen (Segenben,
aber toenn [ie auä) mit 2Be[tbeutf(^lanb unb [einer glänsen«
ben $aupt[tabt Girier nit^t gleid5ge[tellt toerben bürfen,
[o roaren [ie hoä) jebesfalls oiel wichtiger, als mir je^t
uji[[en, jebe neue ©rabung le^rt uns has. OT bie[e Serr»
lic^fcit u)urbe bur(^ bas Unroetter ber SBölferroanberung
3er[^lagen unb tüü[t gelegt. Die [pärli^ Äunbe, bie uns
aus ben folgenben bunflen ^ö^i^unberlen überliefert t[t,
3eigt uns, ha% bie[e (Bebiete 3um größeren Steile oon ben
na(^ il^rer 5lrt lei[e unb unmerfli^ einioanbernben Slaroen,
äum fleineren oon b«n abge[plitterten 5He[ten unb 2Raro»
beuren ber germani[d^en S5ölferma[[en befe^t rourben,
wtlä)t barüber ^in na(^ bem Süben gesogen loaren. ?lls
man biefe Streden bann 3U (5ren3marfen bes farolingi[^en
unb beutf(^en 9?ei^es einrichtete, roanbertcn lang[am fo-=
lonifierenbe Sauern t'm: ^Bagern, Alemannen, granleu,
fogar Sad^fen. Stc Btiben btc urfunbli^ [i(^tbarc $Be=
»ölferungsfd^i^t, auf bcr \\^ btc $crr[^ft ber 2^roun=
gaucr unb anbercr großer (5ef(5Ie^tcr, cnbli^, bie übrigen
r>«rbrängcnb, bas Scraogtum bcr SaBcnBergcr aufbaut.
t)cr öjterrcid^ifc^c SSoIfsftamm, toel^er ft^ nun allmöl^Iti^
cnttDtdcIt, t[t alfo fcinestoegs rem beutfc^; üielmcl^r bas (£r=
gebnis bcr SJltfd^ung D^rft^iebener 9?a[fen; in bcn 5IIpen=
länbcm t[t bie obere Dedc beutf(^, bie ftummen JRaffen
barunter [inb meiftcns flaroif^, toenig romanif(^. X)er
SBoIfs^araftcr, ju bem \At\t oerf^ieben gearteten Seftanb*
teile im JCauf bcr Sa^r^unberte o^rfc^meljcn, i[t bes^alb
au^ !ein cin^eitli^ ge((^Ioffener. (£5 ift ein lebhaftes,
betDcglic^cs SBefen, Iei(^t angeregt, balb gcbömpft, tu^tig
im SBorfturmen, aBcr ni^t nac^^altig unb ausbauernb, bcn
fc^önen ©aben \\t\^\ ni(^t oft bie rechte S^ffensfraft jur
Seite, ^uf biefen Soben nun leiten bie großen firc^*
Ii(^en Stiftungen, Bistümer unb i^tö[tcr, 00m elften ^a^r*
^unbert ab einen Strom oon Silbung, ber allentl^albcn
befru(^tenb roirft unb bie ^eimif^en Talente ^eroorlorft.
3ti bcn breiteren Xalern unb befonbers im heutigen SRieber^
öfterrei^ gebeizt eine lool^Il^abenbe Sauemf(^aft, aber au(^
ein mä^tiger ^bel, bcn bie Sabenberger ni^t immer
niebcr3U)ingen, unb ber bcn gall biefes Saufes 5U einer
3unfer]^errf(^aft ausnu^t, ber erft bie gabsBurger ein
(gnbc ma^en. X)ie meiften ber S3abenbergif^en Scrjögc
förbern eifrig alle 5^uIturbe[treBungen in i^rem Jßanbe unb
toirfen alfo baju mit, in £)fterrei(^ bcn 5Bobcn für eine
cigcnftänbige ^oefie 3U Bereiten.
2ßic ft(§ biefe entfaltet \^qX, loollen totr nun naiver
baricgen.
II.
Der poIkstOmltdie Illinnefang und Reinmar
SBoIfstümli^e ßicbesliebcr \)at es unter bcn Dcutf^en
fett ben 5lnfängcn i^rcr 5lultur gegeben. Die urfprüng=
li^ [tc unb mächtig fte ber menfc^Itc^en fieibenf^aftcn rang
barna$, ]xä) in gehobener Jorm ausjufpre^cn ; bas toar
bann eben ^oc[ie, motzte [ie in üereinjcite alliterierenbe
5Bcrfe ober in Strophen gcfleibct fein. 2Bie ^errfc^t bie
£iebe in ber bcutft^en §elbenfage, nennen toir nur 5Ribe=
lungcn,, (Subrun unb bas SBalt^arilieb, unb roärc bas mög=
li^, fofcrn es fonft f einerlei fiiebesbi^tung gegeben ^ätte?
Unb roenn roir bis 5um sroölften So^r^unbcrt fol^c fiiebe5=
lieber ni^t roirfli^ aufgejeic^net finben, fo brauchen roir
nur 3u fragen, roer fie benn in jener ßtii ^ötte auffc^reiben
f ollen? Die ©eiftlic^en, ooran bie äRönd^e, befanbcn fi^
na§e3u allein im ^Befi^e ber S^reibfunft; fie roaren aber
ber gan5en, aus un(^riftlid)en SBorausfe^ungen entroidciten
SBoüspoefic unbbefonbers ben£iebe5lieb<jrn, roiefie uns aus*
brüdlid) fagen, feinbfelig gefinnt, — roie Ratten fie ber 3^a(^=
roelt überliefern mögen, roas fie felbft in ber ©egenroart
bcf erbeten? 3ft es bo(§ nur ein glüdlic^er 3ufan, roenn
uns aus bem beutf^en $elbenfange bes neunten bis elften
3a§ri^unberts, oon bem roir fonft allüberall roiffen, bafe
19
er rct(^ unb fröfttg enttotdclt max, ein bürftigcs Sru^ftüd,
bas Silbcbranbslicb, erhalten blieb, toel^cs auf htm legten
23latt einer Sanbfc^rift eingetragen tonrbc, um ben für
5Be[[ere5 unbrau^baren 9?aum 3U oertoerten. 3^ über«
baupt, was mix an beut[^em S^riflroerf aus jener früheren
^eriobe be[i^en, i[t, foroeit es niä)i Sc^uIjtDcrfen bientc,
nur burc^ 3^1^^^ ouf uns gefommen. Unb no^ eine
fc^Iagenbere 5Inalogie fte^t uns ju ©ebote: ber ^eibnifc^e
©laube ber ©ermanen f)atU hk ganse 2Belt mit bamo=
nif^en 5lräften erfüllt unb alles, toas bem SRenft^cn 3U'
liebe, ^auptfät^lic^ aber 3uleibe gef^a^ unb in irgenb*
einer 2Beife £eben unb Seu)egung 3U jeigen fi^icn, auf
^erfonen unb ©eftalten jurürfbesogen. So tourbe balb
bie S(^abigung bes ilörpers buxä) unoerftanbene 5lranf=
feilen, felb[t eine Si^abigung bes Eigentums, fofern [ie
nid)t einem äRenfc^en 3ugef^rieben toerben fonnte, als
ilraftöu^erung eines Dämons angefe^en unb bur^ po=
etifc^e 3ciiiöß^^fo^^Tneln, burc^ bilberreic^e SBerfe unb
Strophen bef^rooren. X)iefe 5Irt X)i^tung breitet jic^ bann
no^ toeiter aus, bur^ i^re Sprühe foll ßeib unb Se[i^
gef(^ü^t, foll bem 9?ebenben ge^eimnisoolle SRa^t oer=
Helfen toerben, allen entf(^eibenben 2Benbungen bes menf(^=
li^en £ebens ftanben fold^e „Segen" 5ur Seite. Die
Äir^e, anfangs bulbfam, roeil i^re eigene fiiturgie oicl*
^aä) mit folc^en Überlieferungen äufammenl^ing, toe^rte ]xi)
fpater mit $Ra(^bru(f u)iber biefe ^oe[ie, roel^e unter einer
oberflä(^li(^en §üllc b«s G^riftentums entf^ieben ^eibnif(^
5Bor[tellungen oerbarg. Deshalb [inb uns auc^ nur äufeerjt
toenige folt^e bcutf^ 3öuber[prü(^e aus ben er(ten (^ri[t=
li(^en ^af)x^urit>txUn erhalten. Hnb bo^ fönnen loir bur^
Sammlung unb 33ergleid^ung bes S[Raterials, bas uns i>or=
nel^mli^ feit b«m 15. Sa^r^unbert überliefert ift, mit aller
Seftimmt^eit erroeifen, ba^ fein 3^dQ ber S3ol!sbid^tung
20
tDä^rcnb bc5 SRittcIattcts annä^crnb [o cntroidelt max rote
eben btcfc 3ö^^crpocfic, ba^ bic 95or[tcnungcn, üon bencn
fte ausging, bas gansc ficben bamals bur^brangcn,
mochten [tc auä) noä) fo feiten an bie Oberflöi^e treten
nnb uns in f^riftli^cn 3^^Ö^^fI^^ mdf)im^\nbax toerben.
Das ooIIstümIi(^e £ieBesIteb ftanb ni^t anbers ju ber
(Seroalt ber Rxxä)t, es mufete i^r ausroeid^en unb blieb
jal^r^unb^rtelang auf münbli(^e ^Verbreitung bef^ränft.
!Die Jßiebesbit^tung bes 5BoIfes roud^s aus bem ge*
meinfamen Soben aller SBoIfspoefie empor. Das fönnen
toir fcä^on baraus entnehmen, bafe bie älteften namen*
lofen Jßiebeslieb^en, toel^e roir befi^en, in benfelben ober
nöi^ltoerroanbten Stropl^enformen gebietet finb, beren
]iä) bie oolfstümlit^e (Epif in ben S^ibelungen, ber ©ubrun,
auc^ in ben fpielmannsmäfeigen ^Bearbeitungen oon Os=
toalb, 50lorolt, ber 5Rabenfd^Iac^t ufro. bebiente. Der 3n»
l^alt biefer Stropl^en i[t meiftens ganj einfat^. Die greube
an ber SBieberfunft bes grü^Iings, ber ben SBinter in
bie glu^t gef^lagen l^at, roirb ausgefproc^en. „2Bie f(^ön
ift ber Sommer, toenn i^ fo 2ßalb unb §etb«, fiaub,
Slumen unb illee anfe^e; bas beft^ert uns greube, bie
nxä)t u)ieber oergel^t/' Dafe mit fol^er greube ]iä) bie
fiiebe gern o^rfnüpft, lehren uns anbere Strophen: „3"
l^elles ©rün fleibet fi^ ber SBalb, überall ertönt ber Sang
ber SBögel unb gibt es Sßonne, bie Rrone aber ber SWaien»
ujunber ift bie Siebe; roer roäre ni(^t jung in fo fti^öner
3eit?" — ,;S3ergangen ift ber falte SBinter, ber mi^ fo
fränfte, nun lobe it^ mir ben grünen 2BaIb, meines gerjens
greube. 9lo(^ mel^r ber mannigfachen SBonnc fpenbet mir
bie ©Ute einer grau." Die SBlumen, bie geibe, fic forbern
3um ©efange heraus. tSfuf bem ^nger, mo ©ras unb
25Iüten um bie 2ßette fpriefeen, ba f^ioingen ]xä) 2Räb^en
unb 3ii^9lii^9ß i^n ^Reigen. Die SJlöbc^n werben ermahnt,
21
fu§nlt(^ ^inaussutrctcn, aber sutotilcn ftnb [ic fpröbc, fic
faffcn ft(5 an ben $anbcn, fpringcn unb rufen Ipöttt[(^
babei: „2Ba$ alles ^ter ^erumge^t, bas [inb 33'läb(^en, bie
ben ganaen Sommer allein bleiben molUn." Die Surften
fingen entgegen: ;,5lomme; !omm\ ©efelle mein, i^ ^ane
f^on fo lange bein; füfeer, rofcnroter 9[Flunb, fomm' unb
mac^e mid^ ge[unb." Das £ieb(§en malt eine fleine Siebes*
fsene aus: „eines StRorgens roollf i^ ge^n über eine
2ßiefe breite, ba fa^ i^ ün 'Mäh^n [te^n, fie grüßte
mxä) Don roeitem: ,£ieber greunb, wo moUt U)x ^in?
^xauä)t xf}x fein ©eleite?' 35r 5U gügen neigf iä) mi^,
trat banfbar i^r jur Seite." 3[t ^ier bas SKäb^n be*
ge^rli^, fo fe^nt \xä) au^ ber Jüngling unb ruft bem
35öglein 5u: „Sflat^tigall, fing' tin feines £ieb für meine
^ersensfönigin ! Sag' i^r, bafe mein gers unb Sinn na^
ber; SDlinne i^res füfeen Äeibes entbrennen." Dber er tröftet
hk ^traurige mit bem Sommer, ber nun alsbalb fommt
unb feine Slumen fpenbet; fpriegt bann ber 5llee gar auf,
u)ie möchte fie no(^ flagen? Ober fie beteuert in f^Ii(^ten
2Borten il^re Streue: „Du bift mein, iä) hin bein, beffen
follft bu getoiö fein. Du bift oerf^Ioffen in meinem ^txim,
verloren ift bas Sd^lüffelein, fo mußt bu immer brinnen
fein." (Ein fa^renb^r illerifer, bem ber grü^Iing feine
i^lofterft^ule oerleibet ^at, ber ausgefprungen ift unb nun
als 93agant bur^ bie Dörfer ^ul)t, bittet bas SJläbi^en:
„fiafe mid^, fü^e Serrin, beiner 2uhe genießen; bu 3^roft
meiner 5Iugen, 33enus' ^feil l^at mx6) getroffen, unb td^
!ann mi^ ni^t mel^r pon bir trennen." Unb um fie 5U
föbem, oerglei^t er fie mit allen berül^mten grauen, loie
fie i^m gerabe burt^^inanber einfallen: Dibo unb Selena,
Dallas unb $e!uba, alle übertrifft fie an Sc^önl^eit unb
£iebli^!eit; loirb ber gelehrte 5lufpuö fie ni(^t berüden?
Ober er benft fi^ lodenb aus, roie bas SOläbt^n hd bem
22
SBaum [tc^t, fitcbcstoortc auf ein ^latt [(^rcibt unb bcr
3ciiibcr bcr Jrau 33cnu5 fic 3ur fiicbc stoingt. Das fagt
er i^x bann ^alb latetnif^, tyilh bcutf^ unb [ingt if)r'5
3U in einer luftigen SBcife mit jau^senbem 9{efrain. Sis*
u)eilen finbet er ein ^übft^es beutf^es £ieb, roorin eine
grau i^re ^erjU^e Steigung offenbart, toie etwa: „3lIIe
3:rauer roill ii^ meiben; ge^n loir allfamt auf bie §eibe;
fommt, ©efpielen, an ben 9?ain; fcl^t ber Slumen ^olben
S^ein! 3^ f^gc bir, i^ fage bir, mein ©elelle, fomm'
mit mir! — Süge SJlinne, Serrin mein, fli^t mir f^ncll
ein 5lrän5lein fein, bas trägt bann ein jtoljer 9Jlann, ber
mof}l grauen bienen fann. ^6) [age bir, iä) fage bir, mein
©efelle, fomm' mit mir!" Das überfe^t ber ©oliarbe
in 5ierli^e lateinifi^e SBerfe, [ingt es bann feinen 3^^=
fumpanen oor ober etroa mit fd^alf^after Seiterfeit oor
einem großen SBifc^of unb feinem $of[taat; er toirb fre(§
genug, ]\ä) bie f^öne i^önigin oon (Englanb, (Elianor oon
^oitou, bas 3beal ber Jßiebes^öfe, in feine 5lrme ju
ujünf^en; 3U)ar runjelt ber Serr bie ^Brauen, lägt aber
bo^ bem übermütigen 23urf(^en ein ©ef^enf unb eine
i^onne SBeines reiben.
Tlit bem äJlanne, ber fi^ barauf oerfte^t, bie ©unft
ber grauen bur(^ feinen Dienft 5U erroerben, betreten toir
f^on einen anberen 23oben. Der 5Dlinnebienft ift eine Slüte
bes 9?ittern)efens unb biefes, bie G^ecalerie, f)ai roie be*
fannt juerft im füblic^en granfreic^, in ber ^roüence, fefte
(Einrichtungen befommen, oon ba be^nt es fi^ ungemein
xa]ä) auä) über ben SRorben granfreic^s aus. Das Flitter»
tum ift, genau genommen, ein Stabium in ber (£nt=
iDi(feIung ber europäif(§en 2Be^r!raft, bas ft^on längft
im ©ange mar unb bur^ bie militärif^en gorberungen
bcr 5lrcu35üge oorläufig jum ^bft^lufe gebraut rourbc. (Es
ift im legten ©runbe aus bem altgcrmanif^n ©cfoIgs=
23
roefcn txmad)\tn, bas aber [(^on unter ben SOflcrotDingern
unb i^arolingern bur^ bie ^al}xtsuvm ouf bem äUärs*
felb unb ben häufig barna^ folgenbcn i^riegssug eine
bcr nrfprüngli^en ©eftalt frcmbe ^lusbilbung angenommen
^atU. 9Ktt bem (Enttoideln ber alten fianbaufteilung
an bie (Eroberer 3U ber gef^loffenen Organifation bes
£et)ensu)efens, oermittelt oon bem roii^tigen Sinbegliebe
ber SBerlei^nng oon Seneft3ten ^auptJäd^Ud^ aus geift*
li^em Se[t^, bur^ bie (Einführung ber (grbli^feit ge=
fe[tigt unb begren3t, ift natürli^ anä) hk le^enspflii^tige
®e[ellf^aft [elb[t oeränbert unb bejtimmt gegliebcrt
ujorben. X)a6 biefe (SIteberung in Stäube, oom 5^önig
bis 5um unfreien Dienftmann mit bem S^ittergurt, ber aber
juroeilen als ber roenigft entbehrliche in SBirflii^feit fogar
bem eblen greien porange^t, in bie ibeale (Einl^eit eines
lRitter[tanbes oerf^molg, ift ein (Ergebnis ber friegerif^en
Unternehmungen bes elften unb jroölften S^^i^^unberts,
oor allem ber 5lreu33üge. 5lber (ie entfpri^t auc^ bur^*
aus ben militärif^en Sebürfniffen ber S^^^f ^f* ^i" 2RitteI=
bing 3U)if(^en bem uralten SSolfs^eere neben feiner (Er=
gan3ung ber (Sefolgf^aft unb 3U)if(5en ber fpäteren (£in=
ri(^tung fte^enb^r Armeen, unb ungemein be3ei^nenb l^at
bas 9?ittenDefen \xd) 3uerft unb om oolltommenften in bem
£anbe, bas eben na^mals au^ 3uerft ein ftänbiges Seer
aufftellte, in gran!rei(^, ausgebilb^t. Die ibeale (5lei(^^cit
aller 2Ritglieb«r ber ritterlichen ©enoffenf^aft, eine 5Irt
Si)ftem3roang, n)el^ ben Jürften unb ben fianbebel»
mann — allerbings mit gebü^renben OTdfi^ten — auf
bem Xurnierpla^ roibereinanber anreiten lieg, roirb burc^
bie Rreu33üge suuiege gebraut, in benen gemeinfam
(Erfolge erftritten, gemeinfam 9^ieberlage unb (Elenb er=
bulbet werben, in benen Röntge als Settier ^eimfe^ren,
rittcrli(^e $erren fi^ Rönigsfronen gewinnen unb uner*
24
^örtc ÜBet^fel bes (5t]ä)xdt5 bcm mutigen ^cntcurer
btc f&at}n 311 (E^rcn unb IHcit^tümcrn eröffnen.
(Ein anberes ibeales ^rinsip, bie ^o^ftellung ber
grau unb ber grauenbicn[t, beruht glcit^falls auf ger=
mantf^er ©runblage, auf bcr beutf^cn ^d^tung oor ben
grouen, bie Xacitus [(^on beseugt, bie aber freili^ mä)i
[tar! genug ift, um aud^ bie re^tli^en ^Begie^ungen ber
grau im realen ficben entfpre^enb umjugejtaltcn. Dafe
bie[e5 ^ringip fi^ gerabe mit ber G^eoalerie oerbinbct, ift
tDO^l (aufeer burc^ (Eintoirfen arabif^=fpanif^er Äultur)
3unä(5ft im SBe^felbesug bur^ bie [teigenbe SBere^rung
beeinflußt, roelt^e bie jungfräuli^e ©ottesmuttcr äUaria
genießt; möglic^eriDeife l^aben jebod^ babei auc^ [e^r
greifbare Hmjtanbe mitgeu)ir!t: befonbers in gran!rei(^
lajfen häufige SBelifeoeränberungen, [tarier SBerluft an
STJannern in ben immertoö^renben Kriegen unb gelben,
bie grau als (Brbtoc^ter unb SBittoe fe^r bebeutenb er*
[feinen.
5lufs f(^nell[te tritt biefcs ganse ritterliche 2Be|en mit
einem toeitläufigen 3lpparat oon gormein, Sitten unb
SBräuc^en na^ Deutfc^Ianb über, roelc^es geroo^nt loar,
Anregungen ber S3ilbung unb gefelligen 5lun[t aus gran!=
rei^ 3U erfahren. 3ii^örber[t rourben natürli^ bie beut=
[d^en ©renjlänber ergriffen, hk er[ten finb bie glamonber,
üon il^nen roerben bie 5lun[tausbrü(Je bes pfifi^en Jßebens
geprägt: gein unb roo^Igejogen rcben ^eißt „flämen",
unb u)cm bie ^öfif^e 3^^* fe^It, ber ift ein „börper".
Den 5R^ein entlang f)xdUt \\ä) bie d^eoalerie über Süb*
beutft^Ianb aus unb fommt na^ t)[terrei^, fpöter nac^
SJlittel*, am (päte[ten na(^ 5Rorbbeut[^Ianb, roo [ie nie gan3
feiten guß gefaßt ^at; au^ bie Straße bur^ bas fang*
rei(^e Dberitalien nac^ ^nmxb\kxxdä) x]i oon ben pro*
penaalild^en (Eintüirfungen bef(^ritten roorben. (Es i[t nun
25
Ic^rrct^ 511 htohaä)itn, mit [tarf btc ooHstümlt^e JßteBcs*
bic^üing in ^]Umxä) getDe[cn fein mufe, bcnn jie sroingt
if)xt 2Bci[en junöt^ft bcm Sn^altc bcr 9ttttcrpoefic auf.
Der aRtnnebien[t übertragt bie gormen bes Bebens*
toefens auf bas Söer^ältnis stoeier ßieBenben: bie grau
i[t bie Scnin, bcr 2)^ann htQibt ]iä) in i^ren Dienft, fein
®efang Breitet i^r 2oh unb bas aller grauen aus, feine
Xatcn oollbringt er i^r jur (g^rc, i^re Steigung ift fein
Selben unb ber Jöicbesgenufe fein ^ö^fter £o]^n. ilein
3roeifel, bafe anfangs nur ber junge unoermä^lte $Hitter
unb bas SJJäb^en einanber gegenübertraten unb ber
minniglid^e Jßel^ensbienft mit bem (El&eBünbnis aBgef^loffen
tDurbe, aber Balb oerf^oB fi(^ biefes SBerpItnis, unb bie
§errin, um bie ber ritterli^e 3Jlann roirbt, ift Beinal^e
immer eine verheiratete grau. Der ©runb bafür ift un*
f(^u)er einsufe^en: ber SJlinnebienft, ber ibeale Beizens*
bienft, loar eine gorm gefenf(^aftlid^en SBerfe^rs jiDif^en
SJlännem unb grauen, roeld^e ]xä) bort ni^t aufre(^ter*
galten liefe; u)o bie fc^r nü(^ternen unb gemeinen gorbe*
rungen bes roirfli^en ßebens, (Selb unb Sefi^, SJlac^t unb
93eru)anbtf(^aft, (BrBausfit^ten, barüBer Beftimmten, oB
eine oiellei^t oor^anbene 9^eigung jum (El^eBunbe führen
burfte. Die ,;3Jlinne" ^ebt bie oermä^lte grau unb ben
bienenben ^Ritter, ber übrigens au^ verheiratet fein lann,
aus biefen SBebingungen bes getnöl^nlit^en Dafeins l^eraus,
fie ergebt fi^ in SHufionen, bie fel^r gefä^rlii^ toerben,
foBalb fie fi^ mit 3^atfa^en Befleiben roollen. Denn ber
(Sema^l njaltet eiferfü^tig feines gausre^tes, unb mag er
ben Sänger no(^ fo gerne ^ören, er umgibt feine grau
bo^ mit Spaltern unb gutem, unb ber erl^örte ©eliebte,
ber 3U feinem (5lüd eilt ober fid^ in ber SKorgenfrü^e fort«
f^Iei^t, fe^t jeben 5lugenBIid £eiB unb £eBen aufs Spiel.
Hnb no(^ eines fommt in Setra^t, roas fe^r toefent*
© (^ 3 n B a ^ , SBaltex üon bcr SSogcItoeibc. 3
26
It(^ haju betträgt, bte Derf(^tebcne (EntiDitfluttg ju er*
flärert; 3U toeld^er bie ^oefte bes Stittertums bei htn
^rooensalen, gransofen unb Deut[^en gebieten i[t: bas
[inb bie 9Jlini[teriaIen ober Dienftmanncn, beren Stanb
in Deutf^Ianb eine ungleich l^öl^ere 93ebeutung geroonnen
5at als anberxDörts. Hrfprüngli^ unfreie £eute, Jinb
fie burc^ 3^ü(^tigfeit, roo^I au^ bur(^ 93ilbung ausge»
Seid^net; 3unä(^ft als SBerroaltungsbeamte i^ren abeligen
Serren unentbe^rli(^ geworben; finb, allmä^li(^ auffteigenb,
neben fie getreten unb fogar über fie ^inausgelangt.
3nsbefonbere im 5Heic^sbienfte unb ujieber oorne^mli^
unter ben Staufern ^aben biefe TOnifterialen bie ange=
fe^enften Stellungen eingenommen. Xro^bem blieb bis
roeit ins breiäel^nte 3a5r^unbert hinauf ein gen)iffer 50la!el
ber Unfreiheit an il^nen l^aften, CBl^e sroif^en 5lbeligen unb
äRinifterialen fe^te nac^ alter SBolfsanf^auung ben beffer
geborenen Xeil bauernb l^erab unb tourbe bes^alb gc*
mieben. 9lun gepren, roie ermittelt morben ift, bie
Dichter aus ber erften (Epoche bes beutf^n SKinnefanges
3um größten Xeile biefem Staube ber 9Kinifterialen an,
unter ben älteren bebeutenberen finben fie ]xä), in hex ge*
famten Slüteseit biefer Jßi)rif ma^en fie gut sioei Drittel
aller Sänger aus. Sie finb um bie 2B«nbe bes 12. unb
13. ^al^r^unberts f(^on 5umeift mit bem 9iittergurt aus*
geftattet. (£s traten biefe l^eroorragenben, gebilbeten,
3U Sof* unb Staatsämtem oerioenbeten SJlinifterialen in
b«r ritterli^en ©efellfd^aft ber 3ßit ben beutfd^en grauen
abeliger TOfunft entgegen, mit benen fie bie SBoraüge ber
Silbung gemein ^citten, oon benen fie aber noc^ immer
bur^ Stanbesunterfi^iebe getrennt roaren. Da ergaben
\\ä) bann bie tatfä(^li(^ t^or^anbenen Seaie^ungen ber
aJlimte pon felbft : bie grauen mußten l^äufig i^rc ©cma^le
ungünftig mit ben Dienftmannen vergleichen, es mußte
üon Dom^crcin in btcfc ^ocfic bcr Xon ber Sc^nfu^t
bringen, bcr innere 3o3iefpaIt eintreten, ber jie Beseic^net.
Der Hmltanb, bafe bie grau bur(§ i^re SBcsie^ung 3U bem
Dieter oft ni^t blog in i^rer G^e, [onbern and} in ber
Stanbese^re gef^äbigt 5U ojerben für^tete, erflärt ooll
ausret^enb bas S^eue, lln[i^ere, t>or allem aber bie
^eimli^feit bes ganäen SJer^ältniffes. (Enbli(| barf ni^t
unbeachtet bleiben, bag [ol(^e Dinge auc^ 5ur Xe^ni! ber
$lRinnebi^tung gehörten unb bamit 3U einer ^^rabition,
bie bis in bie ^ntüe, 3U ben (Slegüern ^Roms jurürfreic^te,
[ie brauten fi^ innerhalb ber oerfetteten 3a]^r]^unberte
alleseit roieber 3ur ©eltung.
Darum ift benn and) roieber bie Slüte bes 9Jlinnebien=
ftes nur !ur3, ber 3Kinnefang, in bem er fi^ oerförpert,
bleibt nic^t lange auf feiner Sö^e, [$on oon ben erlten
naml^aften Diätem l^ören roir 5^lagen über ben S3erfall.
Der trat bereits ein, als man bie Ginbilbung 3U einem
roefentli^en gaftor bes fonoentionellen SD^innefanges er=
^ob, auf bie 2Bir!li^feit in ber ^oe[ie r>er5i^tete, iDcil
bo(^ bie ?^oe[ie ni^t in bie 2Birni(^feit umgefefet werben
fonnte, unb wänwisen fang; fo betrieben unfere ^na=
freontiter im oorigen ^^^r^unbert bie ft^äferli^e £ic*
besbi(^tung unb entf^ulbigten fit^ oor pl^iliftröfen ilri=
tifern mit ber ^^ein^eit i^res braoen, langweiligen ßebens,
unb fo fingen unfere 2Baffertrinfer oon ^eute i^re Brau-
fenben unb flingenben 3^^^^^'^^^ ^^t fünftlic^en Stro=
p^en unb f^roierigen i^e^rreimen, weil es eben fo ]^er=
fömmli^ ift unb 3um ^anbroerf bes SJlobebi^ters gehört.
S0lan pflegte fomit bamals ben ^öfift^en SOlinnefang
als eine 5binft, roel^e ber gefelligen Unterhaltung biente,
unb 3ujar no^ lange unb 3um 2:eil berufsmäßig, na^=
bem feine S3orausfe^ungen f(§on i^re ©ültigleit eingebüßt
l^atten. Das jeigt, tt)el(^en HBert man in einem fonft giem*
3*
28
liä) f^mudflofen £cBcn btcfcr ^ocfic bcimafe, unb bas will
au^ bei bcr ^Beurteilung i^res 3^^<ilt^5 Beachtet roetben.
CBs ift ja insgemein übltd^, mit [trengen SBorten bie Xln*
[ittlid^feit ber mittelalterlichen ,;5D^inne" unb il^rer San«
ger ju oerurteilen, überl^aupt bebenfli^ über eine 3^it
ben 5lopf 3U [(Rütteln, bie an [olt^en SKinneliebern fid^
freuen fonnte. Das ift natürlich um fo leichter, je mel^r
hk ungetrübte Jßauterfeit bes el^elid^en ßebens in ber
©egentoart ba5U berechtigt unb bie reine Pflege ber 5lunft,
bie l^eute bem fransöfif^en Drama unb ber Operette ju«
gute fommt. 5lber — ganj abgefe^en oon bem Unter*
f^ieb aroifc^en ilun[t unb £eben, ber uns ja au^ t)erbietct,
bie heutige $oefie bes SBerfalles 3u beurteilen, als ob
fie aus bem (Elenb ber SBirfli^feit gef^öpft loärc — man
füllte hoä) milber fein gegen jene mittelalterli^en Sünber
unb erroögen, \>a^ in ber Zai ein gar ni^t unroefentli^er
5ortf(^ritt ber ©efittung bur(^ ben SRinnebienft juftanbe
gebracht roorben ift, ber fogar no^ anfielt, als ber 95linne*
fang 5um 2)leifterfang abftieg unb in bie bürgerlichen Stein*
gepufe ber 5Heid^sftäbte einen Strom oon Jßuft unb fii^t,
oon freierer 9Jlenf^li^feit einführte.
3n JDfterreid^ alfo fanb, loie toir fc^on mi\\tn, bas
9iittertum eine oolfstümlic^e fitebesbi^tung oor, unb fo*
glei(j^ fügte ]xä) ber neue ^i^^alt in bie befannten formen.
Da finb 5um 58eifpiel bie fc^önen Strophen, roa^re
S^mudtftütfe unferer altbeutfc^en ^oefie, loel^e einem
Serm oon 5lürenberg aus einem ^tittergefc^lec^te Öfter*
reic^s um 1170 3ugef ^rieben u)erben, aber nur loeil fein
SRame in einem ber JÖieb^en oorfommt, roirfli^ ftnb fie
namenlos. 3^^ leibenfc^aftlii^er Se^nfu^t fpric^t bie oor*
ne^me grau : „^^ ftanb ^eut abenbs fpät auf einer 3^^^^f
ha §ört' iä) einen 9litter ^ttxli^ fingen m bes Äürenber*
gers 2Beife, i^n allein oema^m id) aus ber SKenge; ent*
locbcr freue t^ mt(^ fetner ßtebe, ober er mufe mir bas
£anb räumen." got^fa^renb jebod^ eriDtbert bem IBoten
ber 9?tlter: „^hin bringt mir eilig ^tx mein 5Ro6 unb
(EifenÜeib, benn einer grau muß i(^ bas ßanb räumen.
Die roill mi^ basu sroingen, ba6 i^ i^t ^olb fei, aber
fie roirb meiner Wmxit immer barben muffen." — 50lilber
ift ber Sinn einer anbern fe^nenben grau: „Slknn \^
fo ollein [tel^e in meinem SRat^tgetoanbe unb i^ benfe an
bi^, bu ebler Wtter, bann jteigt mir bas 5?ot ins ^ntli^
iDie ber 9iofe am Dom unb trauriger Se^nfu^t üoII roirb
mein Serj." Sie fenbet fiiebesfunbe an t^ren greunb,
ben fie behalten loill; ben fie bittet, er möge i^r ^olb blei=
\itxi u)ie früher unb er möge bebenfen, roas fie firf^ üerfpra=
c^n, ba fie sule^t t^n fa^ . Dann fagt roo^I ber 9litter:
„Du ft^önes "iS^tx^i, nun fei bu mein eigen, greube unb
ficib follen mir teilen, folang als i(^ lebe, bift bu mein,
bu 3ieure." Xlnb fie trennen \\i) nic^t me^r, bie fi(^
gefunben ^aben. — 3uroeilen aber \i\tybi \i\t ^erjensfreube
nid^t ungetrübt, wehmütig ruft bann bie grau: „Ginen
feinen SHitter ^att' ic§ mir geroonnen; ben l^aben mir bie
Später unb il^r feinblic^er Sag genommen; niemals !ann
mein Serj me^r fro§ roerben." Ober fie fleibet i^ren
S(^mer3 in bas f^öne SBilb : „(Einen galfen 50g \^ mir lan=
ger benn ein 3^^^^; ba er nun mein eigen, unb roo^l ge-
jö^mt f^on XQQX unb \^ mit ©olb i^m f^müdte fein ftolses
geberfleib, ba ftieg er in bie £üfte unb flog üon mir gar
roeit. Seither fal^ i^ ben galten oftmals fliegen, er
trug an feinem guge feibene 9liemen, unb fein C5efieber
bedte allrotes ©olb: a^ fenbe ©ott fie einanber, bie
fi^ lieb finb unb ^olb." 5Iu(^ ber 5?itter toirbt, er !lagt,
bafe er fein '^h>i6)tx\, nid^t felbft fe^en barf, fonbem il^r
SBoten fenben mug: fo roeiß er gar vX6)i re^t, ob er i^r
gefällt, unb bo(^ ift i^m nie ein Sakib fo lieb geioorben.
(£r mal^nt m glücflt^er SBcrtrautl^ctt btc (Scitcbtc, mtc bcr
TOcnbftem ft^ in btc SBoIfcn pllt, fo möge [tc, bie
%tmt, tl^re Slide bergen, i^re klugen 5u onberen SRännetn
ft^toetfcn Iaf[cn, bamtt niemanb gcnjafire; rote es unter
i^nen Beiben fte^e. %vi6) ein übermütiger unb [ieggeroo^n*
ter 5Hitter ift in ber C5efen[^aft, berb [pottet er: „2Bei=
ber unb bas geberfpiel, bie roerben gar \t\6)i ja^m:
lodt mon fie nur rid^tig, fo [uc^en fie ben 9}lann. So
toarb [i^ ein f^öner 9?itter a\x6) eine gfi^aue gut; roenn t(^
baran je^t benfe, fo todlt mir auf mein Stut."
(£5 [inb bie f^ön[ten fiiebt^en bes beginnenbcn SRinne^
fanges, mt\6)t in biefer fleinen Sammlung oereinigt u)ur=
ben, gleid^oiel ob ein ein5iger Dichter \\6) in fo oer[^icbene
Situationen glei(^ gef(^i(ft 5U finben roufetc unb für jebe
ben paffenben 2^on unübertreffli^ anf^lug, ober ob, toas
\6) für allein rid^tig l^altc, ^ier mel^rere grauen unb
3Jlänner i^re tieffte CBmpfinbung ausgefpro^en l^abcn.
?In unb für \\6) liegt in bem auftreten ebler grauen als
Dichterinnen gar nid^ts 33eru)unberli^es, \>Ck bo^ i^re ba=
mals aus 5^Io[terf(^uIen gef^öpftc Silbung [te gan5 idd^I
baju befähigte, ^^^^sfalls untertreiben [i^ biefe Stüdc
nod^ etroas oon ben 2RinneIiebcrn, bie unter bem (Einfluß
ber neuen gefellf^aftlic^en ^ßerfe^rsformcn, ber l^öfifc^cn
Sitte unb ber bamit oerbunbenen franäöfift^en Sangesfunft
entftanben finb. (£5 l^errft^t eine grei^eit unb griffe,
eine Unmittelbarfeit bes ©efü^Is barin, bie man nur ein*
mal 3U empfinben brauet, um bie[e ^rt oolfstümlic^r
SKinnepoefie für immer oon ber fpätercn 2Bei[c ju fon»
bem. ^Bistoeilen in 5Bilbern, nirgenbs aber bur^ ein ©c»
fpinft ber ^Reflexion, bricht bie £eibenfc^aft l^eroor. Die
grau, bas 5IRäbd)en reben ^ier für [i^ felbft unb roerben,
entgegen ber fpäteren ^öfif^en 9?egel, xot\6)t bies bem
SWanue ^uioeift, ber $errin jebo^ blog ©eroä^ren ober 93er'
fagen gcftattcl. Dicfe Haltung bcr grau Ift an ft^ noc^
fem 2Rer!maI einer befttmmten Gpo^e bentfc^en £eBens,
fte t[t nur «in ilennsei^en ebenbicfer älteren fit)ri!,
bas balb burc^ bie ©ebote l^öfif^er 3uä)t oerbrängt toirb,
ol^ne bafe es barum aui^ in ber SBirflic^feit 3u vtx-
]ä)wmhtn brauste. Sieben ber geheimen 93?inne, bie fi^
oor bem ©efe^ unb feinen SBäc^tem üerbergen muß,
rebet ^ier no^ eine unbefangene Smpfinbung, bie f^ön
3ur c^elic^en Xreue aufblüht. Stehen alfo \>u\t Stropl^en
no(§ mitten innen jiDift^en SBolfsgefang unb 50linnelieb,
fo ^nhtn mir $errn X)ietmar oon 5li[t aus Dberö[ter*
rei(5, einen t)iä)Ui, b^r oon i^nen jeitli^ gar ni(^t ©eit
entfernt i[t, o^ne S^^^U^ f^^n im oollen 3^9^ ^s ritter*
li^cn SO^innebienftes.
$errn Dietmars ßieber [inb uns, meint man, in
äujei „Süt^Iein" erl^alten. 2Ran t^rfte^t l^ier unter „95ü(^=
lein" fleine Sammlungen oon aJlinneliebern, bie man fi^
etroa f olgenberma^en entjtanben benft : ber ritterli^e San*
gcr iDünf^te bie t)on i^m gebic^teten ßieb^r aufbetöal^rt 3U
miffcn, er f(§rieb fie entroeber felbjt auf, loenn er bas
fonnte, fonft liefe er es uon einem f^reibfunbtgen 5lnap=
pen ober iUerüer beforgen. Ober au^: bie fa^renb^n
SpieÜeute, bie ]\ä) i^ren Lebensunterhalt erwarben, in»
b€m fie auf i^rer SBanberft^aft bie Lieber i>ome]^mer T>i^^
ter öffentlich vortrugen — wu ^eute SBirtuofen unb IReji*
tatorcn — fammelten fi^ bie i>on ben SBerfaffern überfom*
menen Stropl^en unb trugen fie ein in i^re fleinen perga*
mentenen Sefte ober, toie bie 5BiIber ber SBeingartner
ganbfi^rift glauben laffen, auf lange ^ergamentftreifen,
bie um Stäbe gerollt lourben. SRan barf oiellei^t an=
nehmen, bafe bies gemeinigli(§ in ber Abfolge gefd^a^, in
loel^er bie Lieber aut^ gebi(^tet toorben toaren. 5Run
32
ftnb unjere großen §anbf(5riften dtbcutf^cr SWtnnefanger
aller 2Ba5r[c^ctnItd^!ctt na^ aus folgen gcftc^cn unb 23ü^*
lein jufammengeftellt toorben: ßieb^aber ber 9D^tnnepoeftc
Ratten fie 511 einer St'xt, als bie £uft baran f(^on abnal^m,
Don ben gal^renben ertoorben nnb abfc^reiben lafjen. 33er*
gleist man nun bie Stropl^enfolge ber £ieber eines San*
gers in biefen oerfc^iebenen §anbf^riften, prüft man als*
bann biefe Jßieber auf i^ren 3i^^olt ^in, fo gelingt es 3U*
toeilen, aber aud^ nur sutDeileU; roirfli^ eine (^ronologijt^
Drbnung ber lieber ^erguttellen. Das i[t natürli^ (el^r roi^
tig, toeil es uns beim 50linnefang faft gans an anderen
3eid^en fe^lt, aus benen [i^ bie ^bfa[fungs5eit ber ein*
seinen Stüde be[timmen liege, unb mir fomit auf bie Unter*
fud^ung ber Sprad^e, ber X^ä)mt unb bes inneren CBnt*
toidfelungsganges ber Dichter angetüiefen finb, al[o auf
^Beobachtungen, benen ein siemli^ ftarfes fubjeftiDes StRo*
ment innetool^nt, fo bag toir fixere S(^lü[fe feiten baraus
sieben bürfen. 9lun fie^t man ja leicht, toie loenig ©e*
ujä^r ber befpro(^enen 5?eIonftruftion oon Stropl^enfolgen
5U „SBüd^lein^' eigen ift, wie oiele 3iifalle bei ber ^ufjei^*
nung, fei es bur^ ben Dieter felblt, fei es burc^ bie ga^*
renben, mitgefpielt ^öben fönnen, um bie ^Reil^en 5U er*
5ielen, in benen hk großen Sanbfi^riften uns bie ©ejänge
überliefern. 9Kan benfe 5um Seifpiel nur baran, roie xa\i)
hoä) mei[tens bie fa^renben fieute [xä) oon Ort gu Ort be*
loegten; feiten unb nur an größeren gürften^öfen oerroeil*
ten fie länger, loeil bort bei reic^li^eren 3Jlitteln au^ bie
greigebigfeit ber görer länger bauerte. S3or allem oerfagt
uns biefe 2r)xit im 3^<^M^ '^^^^^ Äunftüberlieferung ben
©eroinn biograp^ift^er (Sinsel^eiten unb taufet als ©rieb*
nis bes !Di^ters oor, roas eigentli^ nur ben 5Ipparat fei*
nes Schaffens bilbet. ^^ro^ allebem jebo^ gibt es ein*
jelne gälle, in benen rofr uns bei ben ©rgebniffen fol^er
Untcrfu^uttgsiDcifc beruhigen tonnen, unb Dietmar üon
2li[ten5 fiieb^r gehören baju.
Dtefer eble §crr [^ctnt ein jiemli^ bctoegbares (5e*
müt bcfcffen 5U §aben, er toibmet feine ^^letgung mit (Erfolg
oerf(§iebencn grauen, freut fid^ [eines (Slüdes, [trebt aber
\\ä)tl\ä) naä) ^Ibroec^flnng, i[t |e§r unbulb(am gegen Sprö-
bigfeit nnb 3urüd]^altung unb gibt ein begonnenes 23er=
l^öltnis, roenn es roenig ^usfi^t gen^a^rt, lieber balb
iDieber auf, o^ne oiel ju [(^ma^ten. Das SBefte an feiner
^oefie fpenbet il^m bte oolfstümlii^e figrif, oon ber er
auä) bie fnappe Jaffung feiner meift einftrop^igen £ie=
bcr \xä) angeeignet ^at. So ertoeitert er l^übf^ ben ^us«
brud ber Sommerfreube : „'$i% ber tleinen SBöglein Sang
bringt uns l^eran bie liebe 3^^^, ber lange SBinter ift ba«=
l^in, unb frif(^ ergrünt bie £inbe breit. Da fielet man
Slumen fein unb ]ä)ön im ©lang auf weiter $aibe ftel^n:
bann fc^roebt man^ ^er3 in greuben ^od), unb meins au(^
toirb bes Xroftes fro^." Ober: „©anj oben auf bem
fiinbenjroeig ba fang ein 23ö gelten fo fein, unb t>orn am
SBalbe ujarb es laut; ba ft^roang fic^ au^ bas gcrje
mein an einen Drt mir ujo^Ioertraut: bie 9?ofen fal^ iä^
buftenb blü^n, fie mahnen ber (Sebanfen mi^, bie na^
ber Serrin ju mic^ jie^n." Sel^r tro^ig unb felbftberou^t
fprid^t er 3U b«r grau burc§ feinen knappen: ,,^6) bin
ein Sote, ^ergefanbt, 0 §errin, fpenbe beine ©üte: ein
9?itter, ber bi(^ auserlas aus aller Slkit für fein ©emüte,
j^eifet mxä) bir flagen feinen S^merj: feit er bi(^ fal^,
fe^nt fi(^ nat^ bir fein ^erj. Das lange SBarten f(^fft ii)m
£eib; bu follft i^m enblit^ $offnung geben, folang er
]\ä) auf bi^ noä) freut." hingegen lägt er bie grau fel^n*
füd^tig flagen: „Schier bünft es mic^ faft taufenb t^ai)x,
bafe i(^ im 5lrm bes fiiebften lag; mein ift bie S(^ulb
ni^t, bafe er gar fo fem mir blieb f(§on mani^en Züq.
Seit \i) Wc 58Iumcn ni^l mcl^r fa^ unb nic^t mel^r l^ört'
ber SBöglcm Sang, ba f^ujanb bic furjc grcube mir unb
iDorb bcr 5lummcr mir fo lang." CBin gan5 cinfa^es,
altertümli^cs 3^agclicb roirb b«m 5Iiftcr 3ugcf(^rtcben, tdcI»
c^es bas 3o5tegcfprac§ bcr (Beliebten ersa^lt, bie ber
9Jlorgen auf gemeinfamem Jßager überraf(^t; ba [priest
bie grau: „S^Iäfft bu no(^, mein griebel, 5u balb roirb
man uns leiber roerfen, f^on §ör[t bu eines pbf^en 93ög=
leins £ieb 00m Jöinbenatoeige \)txy Hnb er antroortet:
„(5ar fanft u)ar \6) entfd^Iafcn, nun ruf[t bu, teures 5linb,
mir ÄlagetDorte ju; ac^, nirgenb gibt es greube o^ne
Jßeib. X)o^ roill i^, greunbin, tun, roas bu mir gebieteft."
Da begann bie grau ju meinen: „SBon bannen reite[t bu
unb Iäffe[t mi{^ allein; ©ann fommft bu toieber ^er 3U
mir? iD roe^, all meine greube nimmft bu mit bir."
Sel^r l^übf^ ift bie Strophe unter Dietmars £iebem, in
b^r jenes alte Silb oom galfen roieber oorfommt: „OTein
ftanb eine graue, blidft' über gaib' unb ^ue, fie Ja^ na^
il^rem £ieb[ten aus. Da 30g ein galf Dorbei am §aus:
„tB[(^, ©ie bu, galf, bo(^ glüdlic^ bift! Du flieg[t, u)o=
l^in's bir lieb ift; bu n)ä^l[t bir frei in SBalb unb gelb ben
Saum aus, ber bir roo^lgefällt. So \^Qib' i^ 5lrme au(^
getan, \^ fu^te felbft mir einen 9Kann, ben toä^lten meine
^ugcn; ben neiben mir f(^öne grauen, ac§, la^t mir meinen
liebften Serrn, ein anbres '©lud gönn' i^ eu(^ gern."
SBöJrenb in t)fterret^ [i(^ bie ritterli^c Siebes»
bit^tung mit [tar!em i>ol!stümli(§en SBobengefd^mad ent=
wtdfclte, mar in b^n r^eini[(§en fianben, bamals ben
©o^r^abenbftcn (Bauen unb Stäbten bes Deutft^en 9?ei(^es,
axi. ben fran3ö[i[^en 25orbilbern ein ^öfi[^er SRinnefang
aufgefprofet. 3^1 bie IR^eingegenben roar ja aus 9florb*
fran!rei(^ unb aus ben Sfliebcrlanben bas Wtteru)e[en mit
feiner feinen 3^^** "^^^ Xra^t unb Sitte unb grembroor«
tcn 3ucrft gcfommen unb ^öttc f^ncll ftcgcnb alles für
ft(^ gciDonncn. 3^ S<mit galten bie r^einif^en 5Ritter
als bie be[ten in ber neuen ©Übung, fe^r frü^ f^on übten
[ie \\6) in ber ^Bearbeitung ^öfij^r Grsä^lungen aus
granfrei(§ unb eigneten \\6) balb alle Runft ber franjö*
(if^en £i)ri! an: bie breiteilige Stropl^e, bie !ünftlid^en
9?eime, bie ba!ti)lifc^en SBerfe, beren Süpfen ben ftar!
betonten beutf(^en 2Borten fo po[fierli^ anfielt. 2)ie
35erbinbung ber 9?§einlänber mit bem faiferli(^en Saufe
tyti Staufer mad^te ben SDlinnefang auc^ an bem p^ften
Sofe b'er G^riftenl^cit l^eimif^ — fclbft 5tai[er §einri^ ber
Se(5[te ^at ein paar ßiebeslieber gebietet — oon ^ter
aus mar i^m xa\6)t ^Verbreitung gefi^ert. 9Za^ Sn^alt
unb 5orm ttebt jene fiprif bes Donautales roeit ab oon ber
r^einif^en 5lun[t: roie bas rau^e aber roarme Rleib aus
^eimif^em £ab«n, bas man im Sübo|ten trug, üon ben
bunten gefc^nittenen unb geriffenen (seibengeroeben ber
ritterlichen ©eroänber, ben Gülat, ^almat unb roie [ie
Reiften, foroie oon ben gefteppten oielfarbigen Äouertturen,
bie nunmel^r bie 5Ro[fe 5öfi[(^er 5?itter unb grauen f^mürf*
ten. Salb §ielt auc^ in £)[terrei(^ unb an bem $of ber
5Babenberger bie jierlic^e 93Zinnebi(^tung na^ romanift^n
SD^uftern i^ren (Ein5ug.
(Es ujaren gan3 bebeutenbe äJ^änner in großen Stellung
gen, bie \\6) bem 3<iii^ßr ^^^ G^eüalerie unb b«r Xrou*
oeres alsbalb gefangen gaben. Da i[t 5riebri(^ oon Sau=
fen, bes 5^aifer ^Rotbart oertrauter greunb, ein mächtiger
Serr, ber einer unter ben erften bie neue 5hinft übte. SJlit
^mt unb 2Bürbe \it)^i bie männlid^ fefte $altung im Gin*
flang, bie feine fiieber seigen. Seine £eibenf^ft beroegt
fi(^ meift in einfachen (Sängen, aber m einselne (Sebit^te
ift bo(^ f(^on üiel feine IHefleiionspoefie oerrooben, bie
eines fomplijierten Sa^baues bebarf. ^erj unb Sizx))^
36
hxt Segc^rlit^fcit bes einen, bie S^töät^ bes anbem
[teilt er gerne fi^ gegenüber. Die St^önl^eit bes Som*
mers, ber SB^d^fel int 3o^r, roerben in feinen roo^Igebau^
ten Strophen nic^t erroöl^nt, er ocriäfet aI(o ba bie ältere
SBoIfsroeife, ganj füllt i^n bie (gmpfinbung. t)afür brin««
gen bie Sreigniffc bes eigenen Sebens, bie 'Sdi)iUn na(^
Italien im Dienft bes i^aifers, na(§ bcm i^eiligen ßanbe
im !Dien|te ©ottes, garbe unb 5^if^e in [eine ^oe[ie.
^m be[ten gelingen i^m bie [d^li(^ten, gefü^loollen £ie*
ber, njie toenn i^m, ber 511 5io6 in 2Bel[^lanb ba^injie^t,
bie ferne (Beliebte in ben Sinn fommt: „^ benfe gern
bisweilen, [0 i^ i^r na^e wäre, toas i^ i^r wollte [agen.
Das für^t mir bann bie SJleilen, roenn i^ i^r all bas
St^toere barf in ©ebanfen flogen." Xtnb nod^ pb[(^er:
„3^1 meinem 3^ranm bie ganje '^aä)i ]af) \i) bie rounber*
[d^öne grcTu, unb leiber bin \ä) aufgetoa^t 5U frü^, beim
er[ten SJlorgengrau : ba roar [ie mir ent[^iDunben — njeife
niä)i, mo^in [ie fam — unb all bie frol^en Stunben bie
Xeure mit ]\i) na^m. Daran jinb [^ulb bie ^ugen mein,
ber möc^t' i^ gerne lebig [ein." Spielt ^ier gehaltene
Seiterfeit in bie sarten ©efü^le, [0 tüiegt boc^ ber (£m[t
in Sau[ens fiebern oor, unb bitter [inb bie 5öer[e, mit
benen er [i^ roiber bie SRitter roenbet, toeli^e bas 5^reu3=
3ei^en auf hk S^ulter gel^eftet l^aben, bann aber unter
ni(^tigen SBorujänben ©ott bie 5?ei[e roeigern. „2Ber 's
5lreu5 ^^[t nal^m, äurüd bann fe^rt, ber wirb roo^l (Sott
5ule^t nod) [el^n, mtnn i^m bie ^^forte bleibt i>er[perrt,
hmä) bie bes $erm (Setreue ge^n." 5Iuf bem ilreusjuge,
fürs uor b^m Xobe [eines Rai[ers, am 6. 2)^ai 1190, im
(gefegte hd ^^ilomelium, fiel auä) ber §err oon Sau[en,
unb [einen Xob beflagten bie (£5roni[ten als ein [(^roeres
Unheil für bie ^ri[tli^e SBelt.
^n bie[e pra(^toolle ritterliche (£r[^einung ]^k^t
3^/
]iä) nun eine ganse Seerf^aar cbler Sänger. T>a t|t
$ctnri(^ oon SBelbefe, ein 9ZteberIanbcr, ber allerbmgs in
feinen I^rif^n ©ebid^ten, hk bei guter £oune unb frtf^en
5RahirbiIb«rn bo^ ettoas troden finb, nic^t fo glüdli^ toar,
als ha er mit feiner „(Sneibe" na^ ben Sßorten ©ottfriebs
von Strasburg auf ben IBaum epif(^er Dichtung bas erfte
SReis impfte, ben reinen 9?eim einführte unb bamit bie
geläuterte ^öfif^e Spra(^e ber (Brsä^lung für ein ^oc^beut*
fc^es ^ublüum bienftbar maä)it. Da ift ber liebenstDür^
bige, in feinen ßiebern t)on tiefer religiöfer (£mpfinbung
getragene 5Ilbre^t üon ^o^annsborf, ein SBa^er, ben
(Suftao 5i^er)tag in ben „23ilbern aus ber beutfc^en 33ergon=
gen^eit" oorgefü^rt §at, ba ift bie glänjenbe ©eftalt bes
fi^wungDOÜen unb Ieibenf^aftli(^en X^üringers $einri^
oon iülorungen, beffen ^flame no^ im fpöten iBoIfslieb fort*
lebt, unb Diele anbere abelige Serren, bie jeb^r in feiner
2Beife bas £ob i^rer Serrinnen, bas Sä)\d\a\ i^rer £iebc
fingen unb tro^ allem SBorbilb ber fransöfif^en llReifter
bod^ jeber in uns ben (ginbrud einer feft umriffenen ^er=
fönli^leit 3urü(!Iaffen.
Unter i^nen allen ift einer für £)fterrei(^ befonbets
roit^tig geroorben, $err SHeinmar, ben man ben ^Iten
nennt, um i^n oon bem fpäteren Spru^bi(^ter 9teinmar
von 3^^ter 5U fonbern. (£r entftammte einem eblen (5e=
f^Iec^te, roa^rf^einlid^ aus §agenau im Slfa^, roie einige
rü^menbe 95erfe 5U f^Iiegen geftatten, bie fein fianbsmann
(Sottfrieb oon Strasburg i^m, „ber Jßeitefrau ber beutf^cn
Sfla^tigallen", na(^ruft. (£r mnh um 1160 geboren fein
unb mu6 f^on um 1180 eine Stellung am Sßtener Sofe bei
Ser5og fieopolb V. geroonnen ^aben, in beffen Umgebung
er, fot)ieI uns befannt ift, unter bel^aglic^en unb e^renoollen
JBer^ältniffen gelebt ^at. Cr mag \ä)on ein berühmter
Sänger geioefen fein, als er t>on bem beutfd^n SBeften na^
38
bcm Oftcn 300. Man fann aus feinen ja^Irei^en ßtcbem
eine ©ruppe [treiben, in ber ein froherer SOlut \i^ fpiegelt,
mit iDol^I ber glü(fli(^e (Erfolg einer er[ten Siebe il^n eingibt,
^ber bie gan^e (Eigenart biefes Sängers ift aud^ in b^n
Jrül^Iiebern ni^t 5U oerfennen, bie no^ unter bem Sänne
fran^öfif^er SQhi(ter ent[tanben jinb. 9?einmar loar ein
©eitler unb feiner Mtn]ä), pon feltener 3oi^t5eit unb 9lein*
l^eit bes (Semütes. Xali unb ©eft^mad, ber Sinn für bie
3ierli(^feit ber (Jorrn, gehörten 3U feiner urfprünglid^en
23egabung, fonjol^I im Spiel ber (Sebanfen als im Sau
bes S5erfes unb ben Serfr^Iingungen ber 9leime. gaft
roeibli^ ift fein 2Befen 5U nennen, gans anb^rs geartet als
ber oorne^me $err oon Saufen unb ber ftürmift^ äRo=
runger. 93alb gibt er ]\ä) ber ^efleation ^tn, beob»
aä)iti feine eigene £eibenf(^aft, analtjfiert fie unb freut fi(^
ber mannigfachen ^bf^attungen bes (Sefü^Ies, u)el(^e bie
n)e^felnben Stimmungen i^m in bie Seele jaubern. (Eines
feiner erften Jßieber gibt biefe Sefonber^eit bereits ganj
beutli^ funb; ^Heinmar fagt barin: „Sisroeilen finb' \i)
einen XaQ, mo i^ oor ber (Sebanfen glut ni^t fingen fann
no(^ la^en mag. Da meint wo^l mancher, ba^ mein SOhit
gebeugt mir fei oon £iebesf^mer5 : boc^ grabe bann freut
fi(^ mein Serj." Des Sängers 2Bünfd^e erfüllen fi^,
bie grau liebt i^n, aber mit anbers fprat^en bie Did^te*
rinnen jener namenlofen Strophen, roie anbers läfet 9?ein*
mar feine greunbin reben: „S^^mtiltn fommen fieute ^er,
bie sogen beffer fort unb ^eim; ein 9?itter, beff i^ lang
begehr', bebäc^t' er mel^r ben SBillen mein, er blieb' mir
immer, immer na^. 2ßie gern i^, aä), i^n hti mir fä^e !
Die böfen $Reiber ^or^en ba, ob etroa jemanb ^eimlic^
Jßieb's gef(^ä^e." 2Bie fc^ü^tern unb bef^iben! (Ein
anbermal ertoögt ber fro^e Did^ter, roie er ben Sommer ju*
bringen folle, eine liebe §offnung oer leitet i^n ju 2Bün»
I
\6)tn : 3n)ct 2^ge nur unb eine gute 9la^l motzte er o^ne
Störung mit ber teuem grau [pret^n, bann tDoIItc er
alle 2^rauer fahren laffen unb immer frö^Ii^ [ein. Dar=
na^ möchte er [i^ m6)i grämen, roenn mi^günftige fieute
gegen i^n unfreunblic^ loaren; roürbe bo(^ fie bann i^n
für ben unhöflichen ©rufe enlf^öbigen. 2Btrb i]^m folt^e
Seligfeit einmal bef^ert, fo tüill er \\6) bas £etb ni^t
reuen la[fen, bas i^m je^t (eine SJlinne bereitet.
SJiögen \\6) au6) biefe jugenbli^en fiieber, in benen
mitunter bie Se^nfu^t naä) ber fernen $eimat 5um
5lu5brud gelangt, ni^t mit ber gein^eit, (Blatte unb £ie*
bensEDürbigfeit ber fpäteren oerglei^en laffen, fie rü^*
men boc^ bereits ben 9Jleifter ber Spraye unb b«s SBol^l*
lautes, ben fingen Sergensfünbiger, ber bie £uft bes Siebes*
ft^merjes tiefer erforf^t ):)ai als fonft einer unter ben
beutf(^en SÜlinnefängern. ^as ^nfe^en, beffen iReinmar
bamals ft^on genofe, \n ber geimat unb am gürften^of
ber Sabenberger, es bünft uns ein iDo^lerroorbenes.
Diefer S0lann roar ber fiel^rer 2Balters oon ber SBogel*
iDcibe.
ni.
V7alters HnMnge
So 3temli^ allen fübbeutf^cn Stämmen t|t bte Sei«
mat SIßalters [(^on jugeba^t toorben : ben bemannen unb
insbefonbere ben S^toei^ern, bann ben gtanfen, hen
£)fterrei^ern im allgemeinen, ganj oome^mli^ ben Xho^
lern; eine fpöte ]ä)h^U Überlieferung b^r S0leifterfänger
nennt i^n unter ben groölf ^l^nen il^rer ilunft unb be3ei^=
net i^n als Jßanb^errn aus 23ö^men. Sieben [i^ fol^e
Dinge burc^ SöoIIsabftimmung entf^eiben unb finge man
^eute bamit in Xirol an, fo bliebe fein 3tt>eifel, bafe 2Bal=
ters SBater^aus ber SBogeltoeibel^of im Jßa^ener 9tieb ge*
roefen fei, untoeit oon bem f^neüfliegenben (Eifad, in
einer ber ft^önften ©egenben bes ^errli(^en Sübtirol. (£s
ift ein unbanfbares ©efd^äft, über bie lebhafte 5Begeifte=
rung, toel^e bies= unb jenfeits bes 93renner aufgeflammt
ift, einen Strom fü^ler (Srujögungen unb 5Bebenfen 3u
leiten, aber es mug bod^ geft^e^en, roollen fi^ bie beut=
]i)tn ip^ilologen nxä)t bem SBoriourfe ausfegen, bafe au^
il^nen ber 3öuber roilÜommener Selbfttäuf^ung bas ruhige
Urteil gefangengenommen ^abe.
2Bas roiffen toir oon SBalters ©eburtslanb, loas
fönnen mix roiffen? äJlit ^usnal^me bes ermähnten 9Kei«
fterfangerfpru^es, bem niemanb irgenbroel^e ?Iutorität
bcttncffen totrh, Bcft^cn toir fem ctnjtgcs 3^^9i^i5 aus
bem SKittcIaltcr unb ber nät^ftangrcnjcnbcn 3^^^, bos
auf eine toennglet^ nur münblt(^e OB erlief erung 5urü(i*
ginge unb uns bie §eimat bes Did^ters befunbete. (Er felbft
fagt uns ni(^ts, er nennt fi(^ nic^t einmal mit üollem
Sflamen, nur bie ^uffd^riften über ben Sammlungen feiner
©cbid^te unb bie lobenben ober flagenben SBerfe feiner
3eitgenotfen machen uns bamit befannt. 2Bo liegt nun
bie SBogeltoeibe, ber SBalter entftammte? Sei anberen
Dichtern genügt \At Eingabe eines Drtsnamens, um bie $ei=
mat fi^rsufteüen, fo \it\ 2BoIfram Don (Ef^nbac^, bei
©ottfrieb Don Stra^urg, bei SBimt oon ©raoenberg, bei
ben meiften SDlinnefängern. Jßeiber gerabe \it\ 2Balter
ni^t, benn ,,SBogeIiDeibe'' ift feine Stabt, fein Dorf, feine
95urg, fonbem bejei^net als glurname otelleic^t nur einen
abiigen ^nfi^, ein feftes Saus mit einem fteinemen 3:urm,
gonj bef^eiben unb unberü^mt. (Es gab oiele fol^e fleine
SRitter* ober Dienftmannenfi^e, roie uns tv\t fel^r inter=
effante Sc^ilberung ber 3iiftönbe Deutfc^lanbs aus jener
3eit belehrt, toir finben fie au^ l^eute no^ in Slkftfalen,
am IR^ein, 'v\ granfen, in Xirol unb ber S^toeis. Der
5Rame „SBogelroeibe" fclbft ^ilft uns gar ni(^t loeiter, benn
in oerf^iebenen (Segenben Sübbeutfc^lanbs l^aben \\^ ni^t
weniger als oier^e^n Drte biefes S^amens na^roeifen laffen,
an benen SBögel entroeber gefüttert rourben ober auf ber
SDßanberung mit SBorliebe einsufallen pflegten. Der SBor*
3ug ber fübtiroIif(^en ;,SBogelu)eibe'^ bag fie nämli^ im
3PlitteIaIter ertDiefenermafeen ein f leiner (Ebelfi^ roar, ift
nur gan5 f^einbar, benn unter ben übrigen ,;5Bogelu)eiben"
fann es no(^ mehrere abiige gegeben l^aben; in ben aller*-
feltenften gällen reicht unfere auf Xlrlunben geftü^te 5lennt*
nis fo ©eit, bies oon alten Söfen 3U erroeifen. (Es ift
nun allerbings mögli^ Bie 3ö§I ber SBogelroeibe^öfe
© dö ö n B a ^ , SBotter Dort ber SSogelweibc. 4
42
enger 311 Begrenjen, unb jiDor bur^ cht §ilfsmittel, bas mit
2BaIters ©ebt^tcn felbft entnel^mcn.
Die pftfc^e fiprtf legt fd^on m t^ren 5Infängen bas
grdfete (5tm\ä)i auf feine, gebilbete Spraye unb insbe*
fonbere auf SHeinl^eit ber 9?ctme; ein (Erforbernis, bas
bur(^ bie genouejtens mit ber I)i(5tung uerbunbene SJhifif
5en>orgerufen tourbe. So finben ]\d) in ber Xai nur hti
ben allererften Prägern bes StRinnefanges etliche 9leim«
ungenauigfeiten, bei ben näd^ftfolgenben überl^aupt feine
me^r ober ^öc^ftens UngenauigfeiteU; bie bloß für unfer
^uge in ber S(i^rift befte^en, in ber bamats übli^en
Spret^roeife jcboc^ ocrf^roanben. Unter biefen unebenen
^Reimen gibt es eine befonbere ?Irt, [ol^e nämlit^, bie nur
unter ber SJorausfe^ung munbartlic^er 5Iusfpra(^e ganj
genau finb, unb biefe bienen uns feIb[tDer[tanbIi(^ als
SKerlseid^en, bur(^ bie roir ben !t)ialeft bes Dieters, fo*
mit fein gcimatlanb, 3U bcftimmen oermögen. Der met^o»
hi]^t ©runbfa^ gilt au^ no(^ für oiel fpatere 3^^^: an
S^illers ungenauen 5?eimen erfennen toir ben St^uiaben.
SBalter oon ber SBogeltoeibe l^at in feinen ^oefien stoei
fol^er 9?eime gebraucht (ni^t: liep, oeru)orren:pfar*
ren), mt\ä)z gans rein finb, toenn bie ^lusfprat^e bes bai)*
rif^*öfterrei^if(^en Dialeftes bafür angenommen roerben
barf ; bie 3uge5örig!eit bes Dichters ju biefem Sßolfsftamme
ift alfo gan5 gioetfellos, loenngleti^ neueftens and) batoiber
SBebenfen auftreten. 5Run ift mit fol^em (Ergebnis frei=
lic^ no^ ni(^t fe^r oiel gewonnen, benn biefer Dialeft
iDurbe in Ober^^Bapem, in £)fterrei(§ ob unb unter ber
(£nns, in Saljburg, teiltoeife in Steiermarf, Äämten unb
Xirol gefproc^en. 3^ro^bem ^ört an biefem 5^n!te f^on
unferc Sic^er^eit auf, alles ©eitere, toas loir ettoa behaupten
fönnen, finb SBermutungen unb ^Kombinationen pon 93cr*
mutungen. SBenn unter ben mögli^en ßanbf^aften §cute
43
in ber öffcntUd^n SReinung Xirol bic crfte Stelle ein«
nimmt, fo ocrbanft es bies nur bem Gifer unb ber ^Betrieb*
fam!eit feiner 33ertreter; aber feinesroegs ber befferen 95c*
f^affen^cit ber ©rünbe; oon einem Seioeife !ann über=
^aupt gar nid^t bie 9{ebe fein. Die Qaä)^ fte^t ^eute um
ni^ts beffer, als fie cor 40, oor 30 nnb 25 ^al)Xtn
ftanb: alle S^Iüffe, bie man für Xirol oorgebrac^t l^at,
fangen DöIIig in ber £uft, alle ^iftorif^en (Erörterungen
oerbi^ten fi(^ nirgenbs 3U etroas ©reifbarem, fie entbel^^
ren alles tatfä^li^en Hntergrunbes. Das fei l)ier gan5
no^brüdlic^ feftgeftellt, unb aud^ bie von me^r Segeifte*
rung als äRet^ob« eingegebenen Si^riften ber alleriüng=
ftcn 3^i^ änbern niä)i ein ^ünftc^n an biefem Sa(^per=
^alte.
^m (Gegenteil : bie Sad^e Xirols ftel^t oerl^öltnismafeig
fi^let^ter als bie anberer fianbf(^aften, oon benen man
oicHei^t Steiermar! unb ilärnten geu)iffer allgemeiner Hm=
ftänbe u)egen roirb ausf^lie^en bürfen. Denn ni^t ein
einjiger ^ufent^alt SBalters in 3:irol ift na^geioiefen.
Sollte er, umf^roeifenb roie er hk 33klt bur^fu^r, nie*
mals bas ^Bebürfnis empfunbcn l^aben, in bie Serge feiner
f(^önen unb bamals au^ reiben §eimat surürfsufe^ren,
unb follte er uns bas nirgenbs angebeutet f)ahm? 9^i^t
bie geringfte Spur ^ai bie eigentümliche ©rogartigfeit tiro=
l\]ä)ex Sjenerie in feinen ©ebi(^ten ^^nterlaffen, fein poe=
tif^es 93ilb, fein 3^9 oo^ 9^aturbef$reibung ftammt bort*
^er. ^nbererfeits bilbet 9Zieberöfterrei(§ unb ber Sof ju
9CBien im 2Be^fel oon SBalters ^a^xUn ben einäigen
feften ^unft: mag er geioefen fein, mo immer, bis an bie
©renken bes Deutf^en 9?ei(^s im 2Beften unb 5Rorben,
ftets feiert er ba^in jurürf, unb bas einjige urfunbli^e
3eugm5 über i^n, bas roir befi^en, ujeift uns einen früher
unbefannten ^ufenti^alt SBalters in Üfterreic^ na^. 93er*
4*
44
fäl^rt unb überleöt man o^ne jebe SBorctnöenommcn^it,
fo l^at $Ricberö[tcrrci(^ ben bcften ^nfpru(^, als btc gcimat
b€s Dieters angefel^cn ju tocrben. Dafür fprc^en bte
bcibcn Stellen, in benen 2Balter biefes fianb erroo^nt,
bafür oteIIei(^t feine 3^^"ii"9 ^on ©egenbcn. 3^^^5=
falls läfet ft$ au^ biefe ^Tnfi^t surseit ni^t erioeifen.
5Run roirb ja fein SBerftänbiger ben Xirolern i^re
grcube an 2ßalter oon ber S^ogeltoeibe; beffcn 3beal=
geftalt ber allju frül^ uns entrifjene 2Rei[ter §einri^ Blatter
auf bem 3o5ö""^5plal3 3U SBo5en (eine 9la(^bilbung fielet
in bicfem 93u^e nebenan) aufgerichtet l^at, mißgönnen
roollen. ^Riemanb '^at me^r baju getan, bas ^nbenfen
äßalters aufgufrifd^en unb ben Sinn ber ©egenroart ba=
für ma^ 3U erl^alten, als thtn bie ^^iroler, benen ft^on
lange ein jtarfes ©efü^l für bie l^eimatli^e ßanbft^aft
unb i^re (g^re eigen ift. 3)as muffen roir alle i^nen
banfen. Unb es toäre auc^ f^roer, einen £)rt aus3ufinben,
tDo 2ß alters I)en!mal paffenber ftünbc als bort an ber
(5ren3e oon Deutf^ unb 2Belf^, an ber Straße, auf ber
fo oiele beutfc^e SJlönner alter 3^^* 3^^^ $ecrfa]^rt nac^
bem Süben gesogen finb unb fo oiele I)cutf^e neuer 3^it
nac^ Italien o^anberten, um bort aus bem farbigen Jßeben,
ber £anbf^aft, ber Runft fi^ SJlut unb 5tif(^e für bie
f(^affenbe Arbeit ^eimsul^olen. ^uf bem SD^arfte ber
malerif(^en ilauf^errnftabt, bei il^ren IRebenge^ängen unb
5ru(^t!örben, im 9?a5men ber lounberoollen Serge, unter
bem blauen §immel, umioe^t oon ber loei^en unb roarmen
-ßuft — ioel(^em Steinbilb eines beutf^en X)i(^ters ift
eine ft^önere Stätte bef^ert? —
C^tioas beffer finb roir über bie 3^^* ^0^ 2Balters
©cburt unterrii^tet. "üflaä) Angaben, rocl^e ber Xxd}ttx in
einem feiner fpateften £ieb«r über bie oierjig ^a^xt maä^i,
bie er nun fc^on gefungen ^abt, fann er ni^t lange x>or
Denfmal in Bo3en
45
1170 geboren fein unb mug etroa in ber jtDettcn Salfte ber
a(^t5iger Sa^re fein poetif^es ßebenstoerf Begonnen ^aben.
^Ifo bürfen mir es ja ^ei^en, benn SBalter trieb feine
:Di^tung als Seruf, er o^rf^affte \x^ ben Sebensunter^aU
bamit. 80 fid^r es ift, bafe SBalter einem eblen ©ef^Ie^t
angehörte — b^n gesiemenben 3:itel „$err" gibt er fi^
felbft, unb feiner feiner 3^itgenoffen nennt i^n anbers —
fo geiDiS auä) ift SBalter arm geroefen. (£r xoar no^ ärmer
oIs SBoIfram t>on (Ef^enba^, benn biefer befofe bo^ für
fi^'nnb Slkib unb 5linb einen Surgftall, jroar ein bürftiges
Seim, aber bo(^ ein eigenes Dat^; Spalter hingegen ent=
beerte biefer 3uflu^t, erft fpöt ^at er fi^ felbft bur^ feine
5lunft ein 3^«sgut erujorben. (£inem jungen 5ERanne oon
feiner Ittbfunft unb feinen ^ßer^ältniffen ftanben bamal^
nic^t all3u oiele 2ßege offen, ^m nö^ften lag es, in ben
Dienft eines größeren Serrn 3U treten, mit beffen Cöefc^id
bas eigene 5U oerflet^ten, feine gelben 3U f^Iagen unb
fein 23rot 3U cffen. TOen, bie fic§ etwas IBilbung ange=
eignet ^aittn, mar ber geiftli^e Stanb 3ugangli(^; roer
aber au(^ basu feine Steigung füllte, roas fonnte ber tun?
2Bir u)iffen ni^t, loel^e ßebensplane 2BaIter ge^gt l^at,
mir fönnen nur permuten, baß er bur(^ irgenbeine 3}er=
binbung an ben §of Sersog ßeopolb V. na^ Sßien ge=
fommen ift, um bort na^ einer Stellung 3u fut^n. 2Ba^r=
f^etnli^ ^at er als iBeiläufer eines oornel^men §errn
ober in bem (Bbelgefinbe bes Ser3ogs felbft feine ^la^rung
gcfunben unb babei ©elegenl^eit, fid^ in ben ^öfif(^en
5lünften aus3ubilben ; jebesf alls l^at er fic^ bem angefe^enen
SKeifter, gerrn 5Reinmar, angef(^loffen, — ber 3EDar um
ctroa se^n ^a^xe älter mar als SBalter, ein Xlnterf(^ieb,
ber in ber 3^genb fe^r oiel beträgt, — unb ift fein Si^üler
gctoorben, oielleii^t au^ o^ne bafe biefes SBerl^ältnis eine
ganä beftimmte äußere gorm annal^m.
46
9letnmar ^attc in Öftcrreid^ noc^ Jortf^rittc gemalt
unb ]\ä) auf bte gö^c feiner 5hinft gefd^toungcn. Gs ift
i^m an^ QtQlMt, ^icr eine neue §errin 3U finbcn, ber er
fortan feine £ieber roei^t. „©eglüdt" barf man ido^I
fageU; oBgleid^ bem Dieter feine £iebe ^auptfa(^Ii(^
Sinters bereitet ^at, benn fie ift bo^ ber Sorn, aus bem
er immer f(^öpft, unb au^ ben Sc^merj geftaltet er jur
5llage nxä)t o^ne has be^agli^e ©efü^I bes erfolgreit^n
Mnftlers. OTes brel^t fi^ in S^einmars ßiebern barum,
bafe er ber geliebten $errin feine 2Bünf^ vorträgt, bafe
fie bie (Erfüllung i^m üerfagt, aber i^n hoä) roieber cr=
mutigt. Das ftellt ber Dichter mit einer rDir!li(^ ftaunens*
werten 50lannigfaltig!ett ber SDlittel bar: balb !ü^n oor=
bringenb; balb fa^te 3urüdtoeid^enb, in linben unb fü^en
SBitten, bann fle^enb unb 3^ränen in b^r Stimme ober
au^ in 5llagen, bie alle TOftufungen von ber Sße^mut
bis 3ur §erbigfeit burt^meffen. Gr bringt ftets ^b*
roc^flung in bie Situation, inbem er bie feinften ^bbilber
aller feiner Stimmungen vorträgt ober fie in bie Seele
ber grau ^ineinrefleftiert. (Er empfinbet geroife ebenfo
unmittelbar roie jeber anbere roirlli^e Dichter, auf feine
$örer jebo^ mufe er alles bur^ ein äRebium ber Objefti*
oierung toirlen laffen, was uns bann ben (Einbrud mat^t,
als ob er fclbft fi^ beftänbig in 9^efIexion bewege. 3"
ber %at gibt es feinen fubjeftioeren Dieter als 9teinmar.
X)er ganje Stoff feiner ^oefie wirb huxä) Stimmungen
gcbilbct: Se^nfu^t unb 3^rauer geben bie ©runbaüorbe,
greubigleit fe^t mit gelleren Xönen ein, aber biefe greube
ftellt oon ber 2^rauer, bie 5Reinmar 3um 9JlerfmaI ^öfif^en
Sanges erhoben l^at, gar ni^t fo weit ab. Seine 3^rauer
ift ein weid^es 3ßi^fne6en unb bie greube ein a^nlic^
f^mel3enbes (Befugt, fe^r oerf^ieben oon ber Reiter ge»
fteigerten Jßebensempfinbung, bie wir ^eute barunter be*
47
greifen. Ungemein luenig Xat]aä)li^t5 finb^t \xä) in Jeinen
Jßiebem. 35erfteigt \iä) 9?ctnmar 3U bem für i^n be*
3ei(^nenben 2Bunf^c, nur einmal; fei es auc^ blo^ jum
Scheine, bie ©eliebte im 5lrm 5U galten, fo ift er glei^
iDieber fo befc^eiben, bafe ein Heiner f&oU, ber i^m abenbs
ein paar goffnung fpenbenbe SBörllein ber Serrin über*
bringt, ft^on fein Serj freubig eräittern maä)t, bann fteigt
fein $0(^gefü5l empor roie 5ur Sonne! Dag in folt^en
Stellen bod^ (g^tes ftecft, erfie^t man aus bem ft^Ii^ten
2Bort : „id^ hin bein", in bas ber X)i^ter ein anberes 90^al
feine ßeibenf^aft jufammenfaßt, ober aus bem frönen
Jßiebe, iDo hk ßiebe in ©eftalt ber $errin felbft burd^ bie
^ugen 3U feinem fersen bringt toie ein geroappneter
SKann, ber auf $Raub aussieht, bem niemanb 3U U)iber=
jte^en t^ermag. Ittui^ hti 9ieinmar finbet fic^ bas SBilb
Dom galten einmal, aber roas ift baraus geioorben! Der
Sänger t>erglei^t fic^ unb Jein allsu fü^nes Sßünfd^en mit
bem galfen, ben fein roilber Sinn fo \)oä) trägt, ber über
bes Rogers ©ebot nad^ S3eute ftrebt unb bes^alb nur
35erluft etn^eimft. ©egen feine £eibenf^aft gel^alten fi^eint
9teinmarn alles fonft in ber Sßelt nur u)enig (ginbrud 3U
machen: er lel^nt es ab, pon ben Slumen, oom grü^ling
unb SBtnter 3U fingen, benn er ^at S3efferes 3U tun; ber
Xob feines ©önners gersog Jßeopolb ergreift i^n 3iüar tief,
lä^t aber hod) noc^ feiner fiiebesflage 9laum, unb felbft
bie übernommene 5lreu3fa]^rt fann t^m bie fe^nfü^tigen
C5ebanfen ni^t t>ertreiben, bie um bas $aupt ber ©eliebten
flattern.
2Bir finb 5eut3utage niä)t fä^ig, biefem Did^ter gereti^t
3U toerben, toir empfinben bie SBorausfe^ungen feiner
^oefie ni(^t mit. Uns erft^einen feine £ieber man^mal
unmönnlii^, blag, eintönig, alläu berebt; feine 3ßit9^*
noffen ©aren bat>on entsüdtt. 9teinmar übertreibt gewiß
48
mä)i, wenn er bic grau sögern la^i, oh fie bem Dichter
feinen Sang oerbteten folle, ba i^r bann bte £eute fluten
tDürben, er rül^mt ft^ ntc^t mit Hnret^t, bafe er bic
SJlenf^en „^o^" unb „]^unberttau[enb fersen" ^ö^er
[plagen gemacht ^abt. Diefe bebeutenbe SBirfung, bie
yiä) in IReinmars ^nfe^en nnb [einem ßinfluS auf fo
Diele junge Sänger seigt, !ann ni^t allein in ber überaus
äierli^en gorm, ben loed^feloollen Stropl^engeböuben, ber
fi(^erlid& reijenben unb feinen SJlufif, auä) n\6)t in ber
Haren, rool^Itönenben Sprache begrünbet geroefen fein.
®erabe ber ^i^^^It mufe für bie ritterliche ©efellf^aft,
in ber 9?einmar lebte, befonbere 2Bi(^tigfeit gehabt l^aben.
Diefe Eingabe an eine leibenf(^aftlic^e ßmpfinbung, biefc
SBeife, fic^ in ein ©efül^I fo gans 5U uerlieren wk m einen
3;raum, fit^ i^m 3U überlaffen unb t)on i^m getragen 3U
ujerben, fie mufete für bie l^arten felbftfüc^tigen Rrieger
unb ipolitifer am Sabenberger Sofe einen beftridenben
lRei5 ^oben. Äam bas alles bann im ©eleite ber ritter^
li^en SKobe unb i^rer feinen Lebensformen, fo oerftel^t
Yxä) bie übertDältigenb ftarfe 2Birfung oon ^Icinmars
Jßiebern, tjerfte^t fic^ bas iBebürfnis na(^ bem Doppel*
leben, bas 5. 5B. in ber ^erfönlic^feit Hlrit^s oon fiie^ten*
ftein 3um ^usbrud !ommt. 9Kan l^at ben [teirif(^«öfter==
reic^if(§en fianbl^errn einen Don Quijote genannt, bas
ift aber nur teilroeife richtig, weil er mit feinen Si^rf^^^^ten
ber Jßiebe immer gan5 reale Unternehmungen im S^tereffe
bes fteirif^en ^bels oerbinbet; oicl e^cr roäre etroas oon
ber ^rt bes ^^i^^^is be la 50Zanc^a ft^on in ber SBelt*
t)erfun!en]^eit 9?einmars ju fpüren. Das foll aber gar
fein 3^abel fein — roer roügte nid^t Don Quijotes rü^renbe
Seite 3U finben? — fonbern nur ein 33erfu(^, bas 2Befen
^leinmars begreiflich ju machen. Darum fagt man !aum
3utreffenb, 9?einmar §abe bie ^oefie ärmer gemacht, inbem
49
er il^re ilreife ocrcngt ^cibe; delmc^r ^at 9lemmar fie
bereichert; ta er bie (gmpfmbung t>crtteft, alle fpra(^Ii(^en
TOttel Deroielfälttgt unb in ben Dten[t ber erroeiterten
tttufgabc gefteüt §at. Ohzx glaubt man, SBalter l^ätte
o§ne iReinmars Sä)uU fo let^t bie geiftige greil^eit ge=
funben, müä^t i^n fein menf^Iic^es ©efü^l in bie SBelt
jubeln liefe?
©etDtfe ift einer folc^en fubjeftiuen, ib«ali[tif(^n Di(^*
tung, ©ie IReinmar fie trieb, nur eine furse Spanne bes
Erfolges bef^ieben. IReinmar ^at felbft erleben muffen,
bafe man anfing, fit^ üon feinen £iebern absulel^ren,
ha)i man über bas ^Iter ber lang befungenen §errin
fpottete, Utib es gebri^t i^m au^ nit^t an Selbftironie,
mit ber er auf fein ergrauenbes Saar anfpielt. Dabei mag
bie grage gan3 unberührt bleiben, intüieioeit IReinmars
Jßieber naio finb, bas fällt gerabe hti feiner ^rt oiel
roeniger ins (Setoid^t als man meint: in 9?einmars roeic^er
Seele Hangen hh einmal angef^lagenen Saiten immer
fort, leifer unb ftärler, roie ber ^tem feines ßebens an
fie f^lug. Si^erli(^ aber ^aben \xä) feine 3^i^9^ttofN
toenig um bie (£^i^txt befümmert, fonbern fit^ an ber
5Ben)eg:ung gefreut, bie SReinmars ^oefie in i^re ©emüter
brachte, unb bie burc^ etli^ 3^it ßi^ (Element ber l^öfifc^en
(Ergie^ung rourbe. (Es foll nid^t behauptet roerben, bafe
9?einmar ror 2Balter fte^t toie Slr)\r) unb fein „(Sup^ues''
üor S^afefpeare; aber nic^t, loeil es an fi(^ fo fel^r falf^
roäre, fonbern toeil man mit bem „(Eup^uism" ber eng*
lifd^en Jßiteratur eine irrige unb einfeitige S5orftellung
oerbinbet unb babei gans oerg'ifet, toie beb^utenb biefe
SRit^tung auf S^afefpeare loirfte, unb roie uncntbel^rli^ Jie
für i^n roar als (Segengeroi^t roiber 5lt)b unb SCRarlomc.
(Setoiffe einfeitige IHi^tungen muffen ftets bur^ bebeutenbe
50lcnf^en otrtrcten fein, rocnn ein ©rofecr [te 5U ctn^ctt«
lieber 5öoIIenbung t>erbtnben foll. —
2Bir l^abcn von SBaltcr feine fiieb^r aus einer 3^^*
erl^alten, bie oor feiner SBefanntfc^ft mit ber ^oefie
SReinmars läge. 3^^ t^n älteften Stüden bereits fc^Iägt
ber (£in{Iu6 bes Jßel&rers mö^tig bur^, unb es i[t n\ä)i
unintereffant, bafe oielleic^t bas erfte ber uns beroa^rten
(5ebi(^te 2Balters (fi. 90, 15) über bie Dürftigfeit unb
£)be ber 2Belt flagt. Das finb nur leere Jormeln, bie ba
5ujammengetragen toerben, bie (Erfal^rung fe^It, TOfemut
fpri(^t aus bem Jüngling, bie 2BeIt gönnt i^m feinen
9laum, feine Semü^ungen^ emporsufornmen, finb o^ne
(Erfolg, überall fte^t il^m feine trmli(^feit im 2Bege.
Solche SBeltflagen finben \iä) auä) in ber fpäteren ßiebes»
bi^tung SBaltcrs ungemein l^äufig, geroi^ ^at i^n biefes
Oefü^l ber Unbefriebigung in bie gerne geführt, ift aber
3uglei^ ber Ausgangspunkt für feine le^r^afte ^oefie ge*
njorben. Darum ift es nur angelernt unb entbel^rt ber
Srifc^e ujirfli^en Lebensinhaltes, roenn 2Balter ein nät^ftes
9Kal (£. 91, 17) feinen jungen (Benoffen ben 2Bert unb
3:roft ber Spinne rül^mt: fo fpri^t oon biefer (Baä)t nur,
ber fie mä)t fennt. (Etroas lebl^after unb ein roenig an=
geregt hmä) bie 6ommerfreube f^ilbert SBalter in einem
anberen £iebe (Q. 92, 9), roie er ]iä) Don feiner Serrin —
tä)t reinmarift^ — me^r greube ^offe als oom (Sefang
ber 5Bögel. ^ebantift^ lobt er feine Auserroä^lte, oon
beren Xugenben unb £iebensn)ürbigfeit fic^ i^re S^ön«
^eit abliebe toie ber eble Stein oon feiner golbenen
gaffung. S^on i^r ^Inblid ift liebli^, — erft, roenn einem
etroas 23efferes toiberfä^rt! 3^)01 natürli^ in allen
(E^ren; ein SRann trogt SBorteil für fein fieben baoon, auc^
falls il^m ni^ts roirflii^ gewährt toirb.
Das ft^merft alles na^ ber Schule unb ift gemacht.
9?ctnmars Untcrrti^t trägt anä) in htm nää)]Un Stüd
(£. 93, 20) grüßte, too ni^t ol^nc (5ef(^i(f unb gcin^ctt
hk Scrrin als eine tool^Iocrflauftc Surg befc^riebcn totrb,
bic S(^IüffcI 3U i^rem ßcbcn, i^rcr Xugenb, mö^tc bcr
Sänger gerne geroinnen. Scibft bie $ut, unter ber bie
grau ft^ beftnbet, entmutigt x\)n ni^t, er ^at tDa]^rf(^etnIi(^
huxä) fie nt^ts einjubügcn, benn er [agt ganj ausbrüdlt^,
bag er x\)x nur in ;,IiebeooIIem 2Ba^ne" bient. greilt(^
reut i^n biefe müßige Hoffnung balb roieber (Q. 95, 17):
bas ift au(^ gar n\ä)t bie rechte greube, bie man [xä) \tlb\i
nur einbilbet. SBa^rl^aft glüdlit^ aber [inb 5U prctfen,
bic ]xä) gegenfeitig in Xreuen ergeben [inb. Das fann
ein Xox, u)ie es i^rer fo t>iele gibt, gar ni(^t ermeffen.
SBiellei^t ht]U^t hoä) auc^ für il^n eine goffnung, er
3ä^It barauf, bafe bie grauen 3U roä^Ien Derftel^n unb
folc^e Scanner oorjie^en, bie \xä) roirflid^ i^rem X)ienjtc
loei^en. — SlTlan fie^t, SBalter i[t no^ fel^r toeit baDon,
fi^ ein beftimmtes 3icl 3^ fteden, feine 2Bün[^c finb no(^
frei unb ^öften nur gelegentlid^ an einem grauenbilb, tote
ber zufällige ^nblicE feinem ^uge besagt, er fpielt mit
(gmpfinbungen, toeil bas bie S^^^^^^ lo^nenb unteri^ält.
Dafür aeugt auc^ fein nä^ftes ßieb (£. 96, 29), beffen
SKufif [e^r ^übf^ geroefen fein toirb. Gr be^anbelt barin,
üiellei^t rxaä) bem Scifpiel Sartmanns oon ^ue, etroas
ironift^ ben 2Bert ber „stsete", bas ift ber treuen ©e=
finnung, ^ier ido^I nur betreffs ber $errin. Diefer flagt
er, bafe fie cigentlit^ i^m oiel IXngemac^ oerurfa^e, unb
u)ünf^t, üon i^r freigelaffen 3U roerben. 2Bem bie 3^reue
bei ber ©eliebten nu^t, ber §at lei^t treu fein, ein
anberer roirb toegen feiner 2^reue ^ö(^ftens ausgela^t.
Die $crrin möge fein $eil bebenfen, fie möge W SBe*
[(^eiben^cit feiner (£ru)artungen anetfennen unb belohnen,
©ans formell loicber finb bie illagen bes nä^ften £iebes
52
(£. 97, 30), meüetc^t tft nur bas eine barm richtig, bafe
SBallers 2Bci[en nid)t überall ben gen)ünf(5ten ^nflang
finbin. (Er ärgert ]xä) bann über bte ^ufpaffer unb über
bie S^eugterigen, bie bur^aus ben Flamen fetner ^errtn
njtffen toollen, betbe fertigt er ah.
(Ein frifd^rer 3^on läfet \iä) in einem folgenben £iebe
lytxm^mtn. IDas gan3e ^^x 5inbur(^ (£. 99, 6) l)ai
ein guter 50lann greube, SBinters unb Sommers, i^m
fpenben fie bie grauen. Unb ba nun ein SD^ann 5u ni^ts
taugt, ben ni^t eine l^o^gemute Stimmung erfüllt, fo
motzte aud^ SBalter ]x^ gerne freuen. (Er wti^ f(^on,
bafe nur bie geliebte gerrin bies oermitteln !ann; fenbet
fein Serj bie ^ugen gu i^r, bann — fagt er mit einem
Silbe, bas t>on il^m auf ^Reib^art unb oon biefem 3U bem
grob traoeftierenben StJ^roeiser Sanger Steinmar über*
gegangen ift — fpringt es frö^Ii^ empor, ^ber bie
klugen bes $er3ens, roo fommen bie ^er? „gragt i^r,
mel^e benn bie ^ugen fei'n, toomit i^ fie fe^' burc^
jebes £anb: es finb bie (5eban!en bes ^erjens mein,
bamit f(^au' iä) huxä) SPlauer unb 2Banb". ^n biefe
l^übft^e fran3öfif(^e SBenbung fnüpft er bie 95itte, bafe
au^ bie $errin i^re (Sebanfen i^m sufe^ren unb feinen
guten SBillen burc^ ben i^ren vergelten möge. — Das
f^eint nit^t vkl geholfen ju ^aben, benn ein nöti^ftcs £ieb
(£. 100, 3) flagt barüber, bafe bie grau uon bem £obc bes
Dieters ungerührt bleibt. Unb bo^ söge er i^ren Dan!
jebem anberen üor, ben er lei^t fänbe: „grember grauen
fiob fönnt' xä) genießen, — motten fie barob ftets glücf»
\xä) fein! ^ber ©iber meiner Serrin särtli^ (Srüfeen
bünft i^r aller Danf mi^ toinjig Hein". — (Ein anbermal
tritt ber Dichter bereits in einer 9lone auf (£. 112, 35),
ber bes Soten, bie er fpäter fo oeroollfommt l^at. Die
grau fon i^rem iHitter feinen Rummer roenben, i^m greube
53
bereiten, er fhigt bafür U)t JÖob unb tut fein IBeftes. !t)te
Serrin jcbo^, rocld^c bie Sitte roo^I t>erftc5t; mti]t fie ah,
benn fie roill nur hu gcrabe Strafe btr (E^rbarfcit ge^en
unb \id) nxä)t auf bic frummen gufepfabe pcrirren, bie
überall neben^erlaufen. — 3n munter fpringenben Daf^
ix)Un (Q. 110, 13) rül^mt SBalter nun ben roten iölunb
ber .^lau, roelt^ il^m freunblic^ lo^elnb begegnet ijt:
„Seil fei ber Stunbe, ba iä) fie erfannte, bie mir ben
Jßeib unb ben Sinn l^at bejroungen, feit iä) mein Serj
an bie §errin gar roanbte, aus bcm bie 3^eure mic^ felbft
^at Derbrungen. So fann i^ je^t mi^ oon i^r ni^t
me^r f^eiben: bas ^ai il;re St^ön^eit unb ©üte gemacht
unb i^r roter 'SRunh, ber fo lieblit^ mir lad^t." — Der
gehobene 9Wut ift ettoas gebämpft in einem anberen Jßiebe
(jC. 121, 33), worin ber jugenbfro^e Sdnger über bie TOen
fc^ilt, roel^e bie SBelt fo traurig finben. £eiber f^einen
|te re^t ju behalten, benn bie 2BeIt ^k^t ben rei^n
2;oren bem armen 5llugen oor. — Das loar ujo^I eine
eigene bittere (Erfahrung 2Balters.
Dem feineren grauenbienfte menbet fi(^ ber Dieter
mit einem f(^önen fiiebe (TOnnefangs grü^ling 152, 25)
3u unb er um^ft ]iä)t\xä) mit feiner Aufgabe. ^Iles ift in
biefem unb in ben anfc^liefecnben Stüden oiel ooller unb
reid^er als oor^er. (Sine Weitere Stimmung fpri(^t ]ä)on
aus ben erften SBerfen: „©cme lebt' \ä) naä) ber fieutc
SDlunbe, nur bleiben fie bei i^rem 2Bort ni^t fte^n: ge*
«Pinnen fie oon meinem ©lüde i^nbe unb loirb's, ba^ fie
mi(^ froren SJlutes fe^n, fo tabelt's einer mir suleibe, ein
anbrer finbet e^reno^oll bie greube. 3^ ^oeiS ni^t, roem
i^ folgen foll; roar' i^ nur u)eif' unb flug, gern mac^t'
i^ alles ujo^l." SBielleic^t läßt \iä) bas IRe^te im Dienft
einer gerrin erlernen, unb fo toenbct fi^ 2Balter an bie
grau mit ber SBitte, tjr Diener fein 5u bürfen.' Das wirb
54
il^m gemalert, [(^on erfreut [t^ ja ber Dichter eines ge=
lüiffen ^nfel^ens; nur für^tet bie Dame, bag SBalter es
ntd^t ganj treuli^ meine; (Sott [oII i^r Reifen, be[[en ge=
tüife 3u roerben. ^od) i[t alfo ni^t alles Aar, unb ber
Sänger ^at trübe Stunben. — Das fpri^t ber (Eingang
bes nä^ften Siebes (fi. 13, 33) aus: „mar\ä)ex fragt
mi(^ um mein £eib unb fagt mir, ba^ es nic^t oom §cr=
3en gel^e. Der oerliert \>oä) feine 3^it, benn i^m roarb
nie üon rechter Qkht iceber roo^l noc^ iDc^e, bes^alb
tft fein (5laube J^le^t. Do(^ menn er ben!t, toie äRinne
fränft, bann loirb er meinem Sang geregt." S3iel ^off=
nungsDoller Hingt [(^on bas folgenbe: „Sülinn' i[t ein
alltäglich 2Bort unb hoä) feltfam in ben 2:aten, bas i[t
[^on fo. SCRinn' i[t aller 3^ugenb §ort, o^ne fie roirb nie
ein 9Kenf(^en5er5 re^t frol^. SBeil i^ be[fen [ic^r bin,
nun, grau TOnne, freu' aud^ meine Sinne, bemt mi^
f(^mer5t es, toär mein Xrojt ba^in." Der 3:ro[t i[t bie
3uDer[i(^t lauf bie freunblic^e ®e[innung ber $errin ; fönnte
er i^r nur feine Steigung flarma^en, bann roürbe i^m
i^ersli^er (Empfang juteil. — Dies ift auä) ge)(^el)en,
unb bie nä^ften Sieb^r (£. 109, 1. 71, 35. 113, 31) be=
jeugen ein befc^eibenes Siebesglüd, bie (Sefü^le SBalters
werben erroib^rt. Das f^toellt bie Sruft bes Sängers
unb fteigert feine Hoffnungen, ^e^i erfährt er, loie
tuxä) bie Siebe oft Jreube unb Schmers in eins oer»
f^meljen. CBinfa^ aber gerabe bes^alb um fo ^erslic^er,
gefte^t nun bie grau i^re (Smpfinbung : „(£s lebt ein gelb
mit treuem Sinn, ber immer mir gebieten fann, roas er
bes (Suten oon mir roill. Sein biebrer 9Kut bringt i^m
(5ett)inn: \ä) tat i^m fiieb's fc^on manchen Xag. Das
tommt oon TOnn' unb il^rem Spiel. 'SJlii ift bur^ i^n,
mufe i^ gefte^n, ein geil oor allen grau'n gcfd^el^n. Drum
ift bas ©lud uns befben je^t erblül^t, es roarb in meinem
55
$er5cn ]\ä) bcn Steg [ein ritterti^ (Semüt." 3^ b!e grau
gerät alsbolb in Äampf mit |i^ Ielb[t: (ie äiDeifcIt, ob jie
iDirb oerfagcn tonnen, toorum er [ie fle^t. Unb bennod^
barf [ie es nit^t, bas i[t i^re [^merslit^e Älage. ,,tiber
alle anberen J)at er es baoongetragen unb i^re £iebe5=
mü^en matt ge[ctt", [^liefet [ie mit einer ^]^ra[c 9lein=
mars. 3um 3:eil übenoinbet bie £eiben[d^aft i^re Se=
benfen, bcnn bafe SBalter ]k gefü&t unb umarmt ^abt,
gibt bie grau in einem meitem £iebe (ß. 119, 17) ju:
©Ott ^at \xä) freunbli(§ mir geseigt
Unb Sorge meiner £ieb' ge[ellt,
bafe \ä) mi^ gern bem sugeneigt,
ber allen Jßeuten too^lgefällt.
I)a gab's in eiligem CSrnjarmen
oiel 5lü[[e unb ein ^eife Umarmen,
unb bies brannt' mir ins Ser3, bafe es mi^ arg bebrängt,
xä) [ollf nur tun, tootum er fle^t.
Das tat i(^ au^, toüfet' i^ wie's ge^t.
Das erregt nun freili(^ \>tn SIeib, mit gingern tDei[en
hk Beute auf ben (5lüdli(^en, [ie bebrängen il^n mit lä[tigen
gragen (fi. 63, 32), loer benn [eine milbc Serrin [ei. So
mu6 er für eine 2Beile [i(^ ab[eits galten, um [ein ©lud
ni^t 5U oerlieren. 3:rauer unb $offnung be5err[^en il^n
nun abrDe^[elnb, bie Aufregung mad^t i^n Iran!, aber bas
Söertrauen auf bie 3ii^"ft ^ölt i^n aufregt. Der neue
grü^ling gibt i^m bas fri[(^e, bewegte £ieb (ß. 114,
23) ein:
S5om SBinterreif bie fleinen S^öglein fror,
il^r ßieb^en war oergangen;
nun pr' i^s roieber lieblich loie suoor,
ba neu bie 2Bie[en prangen.
Dort [a^ i^ ©lumen janfen mit bem RUt,
56
oB eines länger roäre?
SDleiner $crrin fünb' i^ bte[es Möxt.
2)es SBtnters groft unb mani^c anbrc SRot,
bie fd^afftcn uns oiel ßetbc.
^ä) ^offte nt^t, ba6 i^ je SBIumcn rot
noä) \ä)aut' auf grüner geibe.
geut frdnüs no^ gute ajlen[(]^n, lüg' iä) tot,
bie gern na^ greuben rongen
unb juBelnb tansten unb ben 9leigen [prangen.
SBerfäumt' iä) folgen roonnerei^en Xag,
ptt' mxä) ein glu(]^ getroffen
unb üBerbies ooll tttngft ein harter Schlag.
Da^in roar' all mein Soffen
Hnb jebe greube, ber \ä) einftens pflag.
©Ott [egn' eu^ alle!
Do(^ tDünf(^t au(5 i^r, bafe i^ im $eil no(^ roalle.
So fingt er oon neuem [einer gerrin 5u (E^ren
(Jß. 118, 24), unb toirb au(^ feine 3iiiJßi^fi^t Bisroeilen
Hein, fo fladert fie boc^ toieber auf, roenn er fi^ i^rer
S^ön^eit erinnert, an ber [ie Selena unb Diana übertrifft.
Sie i[t eine toa^r^afte 3auBerin (£. 115, 30), [ie er-
oBert Diele Serren, bie Bei roeitem ftattlit^er [inb, ols
ber Dieter felBft, ber fi^ männlicher S^ön^eit ni(^t
rui^men fann, toie bie grau roeife. Si^t er Bei i\)x
(£. 115, 6), fo oerliert er ganj bie SBefinnung, [ein 5^opf
roirBelt, alles üergifet er, loas er i^r ^atte [agen wollen,
^llmä^li^ toirb ber Sänger un[i(^er über ben (£m[t in ber
(5c[innung ber ©elieBten. 3ii^ßiii treten £ügner unb
33erleumber 3tDi[(5en Beibe (£. 44, 11), bie er boc^ ni^t
anbers als burd^ SBera^tung [trafen fann. (Er fafet \iä)
re[igniert (fi. 41, 13): „S^liemanb finbet grcuben ^ier.
57
benn Jte oergcl^n wie ber SBIumen farbiger S^ein; brum
barf au(^ bas §cr5C mein nur «in e^tes baucmb ©lud
[i^ no(^ erflc^n/' So mxil [i^ SBdter bcnn aufmalen
unb CS anbertoarts vtx\viä)tn. S^^^^ ^bcr rennet ex mit
bcncn ab, bic i§m [einen grü^Iing oerborben ^abcn
(£. 60, 34):
3e^t toill iä) teilen, e§ i(^ ^kJ)',
hk ga^r^ab' unb mein (Eigen bann,
hali es 3um Streit gebei^e nie:
es erbt nur, roer's üon mir gewann.
äRein ganges Unheil bas üerma^' i^ jenen,
bie [i^ tjon Sag unb $Reib ni^t gern entmö^nen,
3ubem auc^ all mein bös ©efc^id.
SKein Äummer brüde
aller fiäftrer 9iüden !
SJlein töricht Jßieben
Dermal' iä) benen, bie es falf(^ getrieben,
\>xt grauen erben S^merg unb £eib na^ JÖiebesglüd.
SBliden roir auf bie[en er[ten tab[^nitt in bem Sänger*
leben SBalters Don ber SSogeltöeibe gurud, fo finben loir
Dieberfpret^enbe Anfänge. Der Diä)Ui be^enf^t bie
$lRittel [einer 5lun[t, anmutig fliegen il^m Ut 5Ber[e, bic
Spraye i[t lauter unb mclobi[(^, gern fügt [ie [i^ ben
5ierli^en 2Bei[en. SHii^t alles i[t glei^ gut, manches flingt
[pieleri[^. Dft greift er auf bie 2Benbungen suriid, bie
anbere üor i^m gebraucht l^aben, hoä) niemals, o^^e [ie
5U Derfeinem, [ie überra[(^enb umgubilben. Sein SBortrag
läuft gerne in ^ointen aus roie hti griebri(§ t)on Sau[en,
eine geiDi[[e $Borliebe für (Bpigrammati[i^es i[t i^m eigen.
"üHoä) merft man, bafe IReinmar als SBorbilb auf i^n roirlt,
aber [i^tli^ lö[t er [i^ oon bem 3auber bes ariei[ters
unb bri(^t mit jugenblid^em Sühit [i^ neue SBal^n. 2Bas
Sd)ö\ibaä), ?3altei- ocn bcu 5.'ot-.ffu)elbe. ö
58
U)n je^t f^on Icnn3ct^net, t[t bie frif^e unb unmittelbare
^nf(^auung, bas feine (Empfinben, toeli^es man(^mal in
(Sereigt^eit umft^Iägt; unb ber Sinn für bas re^te äJlafe.
Sol(^e [inb eble ©ottesgaben für ben Dichter. 2B alters
^^oefie ^at bereits $altung, ber Sänger getoinnt an Selb[t=
gefü^I: aus bem 3üTtgIing toirb ein 9Kann, ber mit feftem
Sd^ritt \\ä) in bie 2BeIt ^inausroagt, um [ein £eben ju
erftreiten.
ßohe niinne
2Btr tDtffen n\d)t, um loelc^e 3^^^ 2BaIter jucrft als
fa^rcnbcr SKann oom Sßtencr §ofe ausgesogen i[t; totr
iDi[fen and) ni^t, unter loel^en Umftänben. 9Zur oer=
muten barf man, ba^ er genötigt tnar, [td^ anbertodrts
umjutun, ütcllet^t oermoc^te er neben 5Reinmar nt(^t rei^t
auf5ufommen. 3^^^, QU^ tote es mit 5Reinmar ftanb, tft
uns feinesroegs beseugt. S0lan glaubt gemeinl^in, IReinmar
^abc in SBien als ,,$ofbi(^ter" bauernb Denüeilt, hod)
erf^liefet man bas nur hd bem SKangel jeglicher Über*
lieferung aus [einer 5llage über ben Zoh §er5ogs fieo*
polb V. TOerorts [inb mir auf blo^c Kombinationen
unb (Einfälle angeroiefen.
3ebesfalls i[t SBalter oiel unb roeit l^erumgefommen.
2Bo er [elb[t feiner ga^rten gebenft, ba erum^nt er (Segen*
ben, in benen roir il^n nie gefugt Ratten, unb jenes ur=
funbli^e 3^iigniS; bas [i^ gefunben ^at, toeift auf einen
^ufent^alt, ber uns fonft ganj unbetannt uxir. 9flur
oöllig oereinselte fünfte [einer Äaufba^n fönnen toir mar*
ficren unb ^max, rooi^l gemerft, nur aus ber jroeiten
$alfte feines Gebens. Denn bie 5i[tori[^en ^n[pielungen
in [einen Sprüchen [inb bie alleinige ©runblage un[eres
2Bi[[ens, unb [elb[t bie[e [inb nii^t immer Har, [onbern
60
ge[tatten vielerlei Deutungen. So gewinnen mit no^
bas meifte für bie (grfcnntnis non SBaltcrs fieben, [ofern
tDtr uns um feine innere Gntiöidlung befümmem, toie (ie
aus feinen Di^tungen ermittelt toerben fann. ^ber bie*
ten biefe ^oefien uns bafür aui) einen fieberen §olt?
Sinb fie btnn überl^aupt ^ai)lxt\ä) genug oorl^anben, um
^Beoba^tungen über 3iifammen5änge unb gortf(^ritt 5U
erlauben? (£^e biefe fragen allmä^lic^ beantroortet rDer=
ben, follen einige allgemeine (Erumgungen ^ier ^Ia§ fin*
ben. —
SBalter 50g aus als fa^renber S0lann. 2Bie l^aben
tDtr uns bas ^u beuten? 25or allem ift SBalter immer ge==
ritten, toenn er üon einem Drte 5um anbern gelangen
mollte. Das rerfte^t fid^ einmal f^on htx bem 3iiftanbe
ber mittelalterlichen Strafen üon felbft, bann 5iemt es
SBalters ritterlichem Staube, enbli^ erfahren roir es aus
bes Diesters eigenen SBorten. Die $ofe abeliger Ser=
ren, ber ©rafen, 93if^öfe unb gürften roaren bie großen
Stationen feines 3^Q^^' Sßäl^renb er in ben lleinen
Serbergen, in Dörfern unb SBeilern, ein ©aft roar, ber
für Unterfunft unb ßt^rnnQ besal^Ite mit jeber anbere,
voax für il^n an ben Söfen ni^t nur beibes frei, fonbern
bem Sänger u)urbe nad) fürserem ^lufent^alte ein (5e=
f^enf 3uteil, ettoa ©elb, Stoffe, St^murf, dn $ferb. (5e=
fiel feine 5lunft unb auc^ feine ^erfönli^feit bem Serrn,
fo bel^ielt er i^n länger, na^m i^n oiellei^t gar unter
feinen gofftaat, in fein „©efinbe" auf. 5Ric^t, bafe es
bem Dieter überall fo gut geworben ift, au^ er ^at
über unmilbe dürften 3U flagen, über 5lon!urrenten unb
Streber, hk \xä) unoerft^ämt oorbrängen unb i^re Zx'u
oialitäten als Äunft ausbieten. TOer im ganjen ift mon
bem Sänger unb (Ebelmann bo^ geroife mit ^(^tung be*
gegnet, bafür jeugt fein fpöteres S^itffal.
61
Sßas ertoartcte man üon bcm fa^rcnben Dieter, coas
]^atte 2BaIter 3U Iei[tcn? 9Jhi[tf unb ©cfang, bas t(t SBox=
träge oon £icbern. Sein 3n(trument führte ber Sänger
mit [i^, entroeber bie giebel neB[t SBogen, bie, mit einem
Zuä) umpllt, beim 9teiten an htn Sattel gef^nallt ober
löie ber „S^nerffad" eines heutigen 3:ouriften über ben
$Rüden gelängt tourbe. SBiellei^t au(^ eine fleine $arfe,
v)t[ä)t ber Sänger auf bas 5lnie [teilte unb gegen bie
IBrujt [temmte. Ott unb 3dt bes $Bortrages toaren rool^l
Sßinters unb Sommers oerfci^ieben : in einem ber großen
iBurgsimmex na(^ bem SKal^le ober bes ^benbs, toenn
bas geuer in bem mä^tigen 5lamin loberte. ^u^ fonft
fanb (i^ in ber tauten unb langfam oerfliefeenben ^al^res*
seit bie (Selegenl^eit rei^li^, ha ber Dieter biefe SlRonate,
roofem es irgenb mögli^ loar, an einem unb bemjelben
Sofe gubrac^te. Sßä^renb bes Sommers aber Bot ber
Saumgarten ober ber §of in ber Surg, oiellei^t auc^ eine
ber fteinernen £auben, roie fie \x^ am Oberftod alter
S^löjfer manchmal ^insiel^en, ben pafjenben freien 5{aum.
3n ben großen 5lai[erpfal3en, hei ben dürften unb auf
htn ^Bif^ofpfen toirb bas nit^t er^ebltt^ anbers geroefen
[ein. 2Baren bie $örer im galbtreis oerfammelt, bie 35or=
ne^mften auf er^ö^ten Si^en in ber äUitte, bann ^ub ber
Sänger an. (£s läßt [i^ üermuten, baß er 3uer[t ein 33or=
fpiel auf (einem ^nftrument gum be|ten gegeben l^aben
wixh. Sßalter felb(t erröä^nt, toie er auf ber ©eige 5um
Xanj auffpielte. 3n weither ^rt jebo^ ber eigentli^c
3Sorttag ber Sieber ftattfanb, barüber befi^en mir feine
genaueren SKitteilungen, meber oon ben Did^tern, noc^ oon
il^ren 3eitgeno[fen, au^ bie überlieferten IBilbioerfe ]^el=
fen uns nic^t. Sicher ift eines: bie $Borftellung, hie man
je^t insgeheim üon ber Sa(^e ^at, baß nämli(^ ber fa^renbe
SKann auf ber giebel ge[pielt unb basu gefungen l^abe, ift
62
unnötig. 3ioci ^auptattcn t)on ©eigen (inb uns aus
bcm TOttelaltcr be!annt: bte eine, toeld^e loie §eute an
ben §als gefegt rourbe; bie anbete legte man über bie
5^nie unb griff mit ber linfen Sanb bie Saiten, inbcs bie
9?e^te ben 58ogen führte. SBa^rft^einli^ befafe man au(^
5^niegeigen in ©eftatt bes ^Bioloncello. Bei feinem oon
biefen Streic^inftrumenten i(t es bem Spieler mögli^,
glei^3eitig 5U fingen, insbefonbere aber 5U fingen, toie es
bie SUlinnepoefie forberte, fo nämli^, bafe ber 3n^alt
oolüommen unb in ber rid^tigen Sßeife afsentuiert ben
§örenben üernei^mlic^ U)urbe. (gntroeber begleitete ft(^
ber Sänger auf einer fleinen Rniel^arfe (liet slagen nennt
bas S^leib^art) ober er begleitete fein £ieb überhaupt
nic^t, fonbern fpielte nur bie $ÖZelobie unb fang es bann.
9Benn man fic^ jebo^ bie überlieferten SOlinnelieber ge=
nauer anfielt, [0 roirb man finben, bag es bei ber über=
großen SJJe^rjal^l barunter einfar^ unbenfbar ift, fie feien
ol^ne ^Begleitung gefungen roorben. 35re llRelobien toaren
namlid^ meift fel;r fomplisiert, unb roal^rfd^einlit^ ^aben
ni^t einmal gegriffene ober geriffene ^üorbe genügt,
toelt^e bie guten Üaftteile unb bie l^armonif^en Übergänge
aus5eic^neten ; um ben Sänger feft 3U erhalten, ift ein
burd^ge^enbes 5l!fompagnemcnt nottoenbig geroefen. 50lan
benfe an bie l^eutigen großen 5Re5itatioe unb Opernarien.
(Es bleibt alfo nur bie ^Innal^me übrig (fie roirb uns ins=
bcfonbcre burc^ 3^ugniffc aus ber ^rooence rci^li^ be=
ftätigt), bafe ber Sänger einen ©enoffen mit [lä) l^atte,
ber 3u feinem £iebe bie Begleitung fiebelte. Bei armen
niebrigen ga^renben toerben fi^ je 3U)ei Mnftler 3U ge=
meinfamer 5Irbeit 3ufammengetan l^aben ; hd SBalter roirb
man oermuten bürfen, bafe er einen gemieteten SpieU
mann ouf feinen ga^rten mitgenommen f)at (£r felbft
nennt einmal feinen 5lnappen Dietri(^, ber i^m loo^l bie
63
nötige §tlfe gcki(tet ^at. Uhi^ üon £tc^tcn[tcin unb
[pät barna(]^ bcr ©raf §iigo oon 9Jlontfort fangen auf bie=
felbe 2Bet[e mit Xlnterftü^ung bur^ einen ^Begleiter. 3)er
35orttag epif^er £ieber hmä) hk go^renben üetlangte
natürli^ nur eine geringe mu[i!alifc^e £ei[tung, SBor* unb
3rDif(J^en[pieI motten genügen, J)k unb ba ein ^üorb,
um ben r^ijt^mifc^en ^fjent ju oerttärfen, ettua beim
Anfang bes ^bgefanges ber Stropl^en.
SBalter l^at bie Sßeifen gu (einen Jßiebern unb Sprüchen
felbft fomponiert; loie benn au^ alle angefel^enen ritter=
liefen S0linne[anger vor unb na^ i^^m getan ^aben. 3*^
SBalter i(t gerabe [einer SOlelobien loegen berühmt getoefen,
unb bas £ob ©ottfriebs oon Strafeburg gilt oorne^mlic^
feinem mufifalifd^en ilönnen; er ift hanaä) ber crfte in ber
$Hei]^e ber grofe^n 50hififer, bie £)fterrei(^ ^eroorgebrai^t
§at; u)ennglei(^ es uns bis je^t no(^ nic^t gelungen ift, eine
ber aus ber "üflaäßlüU bes TOnnefanges erhaltenen S0^elo=
bien il^m beftimmt sujuroeifen. $0lan(^es feiner £teber fingt
fid^ faft oon felbft, man fül^It ni^t blofe ben ^R^pt^mus,
fonbern auä) bie Snteroalle ber äJlelobie. 3^ "i^t u)eni=
ger als ein^unbertein folc^er ilompofitionen finb uns bie
Gleite erl^alten, barunter befanben fi^ umfangrei^e unb
ft^roierige Stummem, bie oerlorenen gar ni^t gu rechnen.
9^ur ein grofees bur^fomponiertes StüdE ift babei, ber
fiei^, bie übrigen i^aben blofe je eine SBeife für mel^rere
Strophen, roenn au^ biefe in]^altli(^ bisroeilen gan5 lofe
äufammen^ängen. IBefonbers fallt bas hd ben ein^
ftrop^igen Sprüchen auf, gnomift^en unb politif(%en Di(^=
tungen, beren siemli^ grofee 3^51 SBalter auf nur neun=
5ei^n oerf(^iebene SBeifen aufgeteilt ^at (£s ift alfo bas
SBebürfnis naä) neuen SJJelobien hti ben fiiebern oiel ftär=
fer geroefen als bei ben Sprühen, offenbar, toeil in biefen
ber ^xi^alt me^r ju bebeuten ^atte.
64
Ob Sßaltcr oon ber Söogelmcibe als ga^rcnber aufecr
feinen eigenen £iebem unb Rompofitionen no^ bie anbetet
Did^ter rotgettagen l^at? (£5 f^eint ganj nnjtDeifel^aft,
bafe et es tat. 2)a et als junget SJJann in bie 2Belt 30g,
toat bet SBottat feinet eigenen Schöpfungen geroife Bei
toeitem ni^t gto^ genug, um, befonbets bei Idngetem tttuf=»
enthalt, bet Sötluft feines ^ublüums ju genügen. 5lu(^
iDiffen XDix oon anbeten Di^tetn unb gal^tenben, tnie fel^t
bie l^öfifd^e ®efellf(^aft na^ bleuem unb ^uftegenbem
begietig toat. !Da l^at bie £t)tif übet^aupt nit^t aus=
geteic^t. Übetbies ift SBaltet fi^etlic^ bes öfteten in
fütftlii^e Saufet gefommen, bie no^ ni(^t üon bem aRobe=
gefc^mad bes tittetlic^en SQlinnefanges ganj etfullt roaten,
feine SBotttäge tnetben fe^t Detf(^iebenen 2Bünfc^en l^aben
5Re(^nung ttagen muffen, unb biefem Xlmftanbe toitb man
es insbefonbete 3uf(^teiben bütfen, bafe fi^ SBaltet fooiel
als möglich um ©noeitetung bes Stoffiteifes füt feine
eigene Dichtung bemüht l^at, wk uns bas aus feinen fpäte=
ten ^df)xtn befannt ift. 3ii9lei<^ oetfte^t fic^ aus btefcn
SBetl^dltniffen bie 9flotn)enbigfeit f^nelletet ©eroegung,
gtöfeetet 9?eifen, bie uns t)on ben ga^tenben bejeugt finb.
2Bas ^ätU SBaltet fonft fo toeit in gans Deutfci^lanb unb
batübet hinaus um^etgettieben? (£s ift — in gebü^ten=
bem ^bftanbe — nic^t anbets mit ben Umsügen but(^
bie 9Belt, auf bie ^cutsutage ^Birtuofen, ^anotama, 3^^=
fus unb SBanbett^eatet angeroiefen finb. 2)^an mag es
batnat^ als fielet eta^ten, ha^ 2Baltet aufeet feinet eigenen
^oefie no^ bie SKinncliebet anbetet fetten, abet au^
fonftige beliebte Stüdfe, 3. SB. bie üolfstümlic^en 3)ic5tungcn
ous bet $elbenfage, roo^l ni^t minbet oolfstümli^e ©no=
mif, feinen Su\)öxtxn Dotgettagen '^at SBielleic^t lag es
i^m aus biefet ilenntnis nal^e, einmal bas £ieb üon SBaltet
unb Silbegunbe 3U etroäl^nen (Q. 74, 19), bas in £)ftct=
R£i7R£i7r3£i?R£i?egi?R;gi?eäi»C;£i? 65
ret$ cntftanben toar. SJlag fein, bafe ber Dti^tcr als alter
SJlann [t(^ auf bte 9?e3{tatton feinet eigenen Satten Be=
f^ränft ^at, im toeitaus größeren 3ßittaume feiner 3ugenb
nnb üollen 50lanne5 tätig feit ift bas geroife nic^t ber ^all
gctoefen. (Es lägt fic^ ni^t leugnen, bag bie allgemein
ubliä)t SBotftellung oon 2ßalter 5U biefen ^nnal^men ni(3^t
ftimmt, aber biefe SBorftellung ift eben nii^t burc^ 3^M'
niffe unb 3^atfac^en Begrünbet.
(£in anberes: es totrb üiel ©eroic^t barauf gelegt,
SBalter fei ber erfte fa^renbe Wlann geroefen, ber hk neue
^öfif^e 50linnepoefie Dorgetragen ^abt, fein auftreten
bc3ei(^ne alfo getoiffermafeen einen ^bf^nitt in ber ®e*
fc^ic^te ber burc^ bie ga^renben üerbreiteten Did^tung.
Das lägt fi^ ni(^t ertoeifen, roir roiffen gar ni^ts baruber.
®an5 lei^t fann fc^on Dor 2Balter ein 9titter bie £ieber
bet neuen 5lunft auf SBanberfa^rten mitgenommen ^aBen.
Die $auptfad^e ift, ba^ Bei genauerer Setraci^tung ber
Stritt — roenn SBalter i^n getan ^at — üon ber älteren
SBeife ber gal^renben 3U ber feinen gar nic^t fo grofe ift,
als er fic^ üon roeitem ausnimmt. (£s barf nämli(^ ni^t
üBerfe^en werben, baß f(^on ber ältere äUinnefang gans
auf ben Ortsroet^fel angeroiefen ift. Das ergibt fi(^ aus
folgenben (grroägungen. 93ei ber SBeft^affen^eit bes 35er=
^ältniffes, in bem ]xä) ber ritterli^e Sänger gu fetner
$errin meiftens Befanb, roar Beiben, fofern fie fi^ n3irl=
li^ lieBten, äu^erfte 33orfid^t geBoten. §atte bas ©efu^l
einmal gefprod^en: bann tra(^teten bie £ieBenben au^ fo-
fort, fi^ 5u Befi^en; es maren eBen gefunbe unb leBen5==
fräftige SRenfc^en, bie [lä) eine platonift^e (Smpfinbung
nur fe^r mül^fam 3U fonftruieren oermo^t Ratten. 5Raf^
roallte bas S3lut unb oom ©ebanlen 3ur 3^at bauerte es
ni^t länger, als ^aolo äFlalatefta unb grancesca ha 5Ri«
mini jum £efen bes fran5öfif(^n ßancelot hxauä)Un. —
66
CB5 oetftanb [i^ oon felbjt, bafe bcr 9'lamc ber grau nic^t
öenannt werben burfte. Überhaupt mar alles ju r)ermei=
ben, was auf bie Spur leiten unb bas iBer^ältnis offen=
baren fonnte. 2Bar benn aber ©e^eiml^altung über^upt
mögli(^? Ittn einem großen gürften^ofe Deutlt^Ianbs be=
(tanb bie gamilie bes $errn mit allem 3"9^[i"^^f ^s
^eigt mit ben ^offä^igen (5eno[fen bes gaus^altes, aus
^ö^ftens 3rDan5ig bis breigig ^erfonen, wo^u man üiel*
lei^t no(^ eine Dienerfc^aft ron etroa ^unbert Äöpfen
fügen borf. SBenn nun ein abeliger ^Did^ter bei längerem
5lufent]^alte einer Dame bes Sofes [eine ©efü^le in £ic*
htm Dortrug, loie ^äiit man unter btejen Hmftönben ni(^t
erraten [ollen, loer gemeint roar? Die (£inri(^tung ber
Später bes ©atten (mei[ten5 §ofbeamte, p^erc Diener,
5urDeilen (5ei[tlic^e, [elten Rnet^te), bie in ber ge[amten
3Rinnepoe[ie als „äJlerfer" unb „Süter" eine [te^enbc
5Rolle l^aben, betDei[t, ha)ß man in ber 9?egel [(^nell erfuhr,
5rDi[(^en meinem ^aar \xä) eine Sfleigung ent[ponnen ^atte.
Dann rourbe aber ber 5Boben für ben Sanger balb 5u
^eig, unb es mufete i^m geratener [(feinen, aus ber
gerne bie 2Bün[^€ unb 5llagen ober gar ben Dan! für
bas geno[[ene ©lud in £iebern 5U ber ©eliebten fliegen
5U Ia[[en. 2Bir [e^en aus ben Übertreibungen im „5rauen=
bienft" Hlri^s oon £ie(^ten[tein, toie bie Sa^en [tanben.
Sei bie[er ^ufffa[[ung erflärt \x6) aud) er[t bie merf*
tDürbige (£r[c^einung; bafe bie übergroße SDle^rsaljl ber
äJlinnelieber bie 2^rennung bes Sängers unb ber Serrin
ooraus[e^en: alle bie Reinen gormen, bie barauf gebaut
[inb, loerben rei^li^ entroicfelt: bas Sotenlieb, oor allem
bie „2Be^[er', jene ®e[änge, bie aus Strophen ber grau
unb bes $IRannes be[te]^en unb bie bei roa^r^after 9Ieigung
geroife nur ben 9leflei roirflit^ getau[^ter 5Bot[(^aften in
ber !ün[tleri[^en ^Bearbeitung bes Dieters enthalten. %uä}
67
^ter ftnb bie gereimten ^riefletn, bie Xtlri^ oon £te(^ten=
[tein in [eine (£t^af)lunQ einft^altet; mit i^rer ungelenfen
Spraye unb ben fehlerhaften SBer[en flaffif(^e 3^^Q^^'
Grlei^tert iDurbe bie Sac^e allerbings huxä) einen anberen
Hm[tanb. Die Ortsoeränbernng war für [e^r t)iele ^Ritter
jener 3^^^ ber geroö^nli^e unb natürliche 3ii[lonb, has
Stilleliegen hk ^usna^me, unb besl^alb empfanb man ben
2Binter als bte untcibli^ S^^resseit, loeil er biefer
Seroegung aufeerorbentlii^e $inberni[[e bereitete. SDIan
braucht nur einmal na^ ben UrfunbeU; beren Ort* unb
3eitangaben [i^ freili^ ni(^t immer mit ben I)aten ber
roirfli^en 5Borgdnge beden, bie fiebensbal^n eines großen
^beligen ju oerfolgeU; [o toirb man über bie 5Beit)egli(^=
feit crftaunen. Xlnb jroar lehren bas nid^t bloß x)er=
einjelte gälle, fonbern bie[er (ginbrud änbert ]\ä) nic^t bei
umfa[[enber !Dur$mufterung ber Hrfunbenbü(^er unb ber
Lebensläufe mä^tiger Ferren aus bem TOttelalter. ©eroife
beruht barauf auc^ bie SBebeutung, u)el(^e bie fal^renben
Spielleute [^on frül^ für ben ritterli^en TOnnefang ge=
mannen. Sic toirb man ^auptjä^lit^ als 58oten oenoenbet
^aben, ni(^t bloß; ujeil [ie le[en unb ((^reiben fonnten,
fonbern au^, ujeil [ie o^ne Sflotenaufjeid^nungen hk eigen=
tümli^en unb [(^loierigen äRelobien ber Lieber behielten.
Ste^t es [o bei ber 90^innepoe[ie, n>ar fie folc^ermaßen auf
ben Ortsroe^[el unb bie nebenher au(^ minber gefa^r*
oolle münbli^e Überlieferung angeroiefeU; bann roar es
fein Sprung, fonbern nur eine begreifliche 2Beiterentu)id*
lung ber gegebenen 35er^ltniffe, wenn au^ §crr SBaltcr
in bie ^Rei^e b^r gal^renben trat unb Liebeslieber in feinen
Sangesplan aufnahm.
9lo(^ ein 2Beiteres: man f)at fi^on oft bemerft, bafe
bie oor^anbenen ^öfif(^n Lieber fe^r roenig beftimmt in
ber. Ausmalung ber realen 3iift^^^^* ^^r augenblidli(^en
68
Situation ber £iebcnb«n finb, unb man ^at bas mit $Re(§t
aus ber poctif^en SRobe, aber au^ aus ber gebotenen
Seimlic^feit bes 33er^ättnif(e5 erflärt. 2Bar bas ber gall,
bann barf es ni^t rounbeme^men, roenn fo Jf^nell wän-
wisen erf^einen, bcnn bei ber 9lotrö enbigf eit, unbeutli^
3U [ein, ja ju fingieren — tim $Rotmcnbig!eit, bie oiel
größer roor, als tötr fie je^t nat^empfinben fönnen — lag
es hoä) ungemein nal^e, iiberl^aupt ins Gingebilbete aus3U==
iDei(^en unb Stimmungen barsuftellen ftatt örtlich fe(t=
gelegter ©efül^Ie. Der pfiffe aJlinne[ang töar jomit nac^
feinen (gxiftenjbebingungen eine 5lun[t, bic barauf ausging,
nid^t fo fel^r hk SBirfli^feit 5U oerarbeiten unb 5U geftalten,
als fi^ üon i^r nur anregen 5U laffen. Der XInterf(^ieb
3rüif(3^en tä)Ux unb unechter (Smpfinbung fällt babei toenig
ins ®etüi(^t.
gür uns aus ber g^rne 35eurteilenbe ift bas übrigens
f^on an ]x6) ni^t fo bebeutenb. (Es oerl^ält ]xd) eben bei
ber beften £iebeslt)rif au^ ber mobernen 2üi nid^t anbers :
©oet^es Sefen^eimer JÖieber lo^rben oon uns genoffen,
ol^ne ba^ roir i^ren toirüi^en §intergrunb uns oor ^ugen
3U l^alten brausen; bie Scf)ön]^eit oon $eines £ieber=
frängen toirft auf uns ganj unmittelbar, roie fe^r bem
Jßiterar^iftorifer baran gelegen fein mag, fie na^ äufeerli^
begrunbeten (Sruppen 3U fonbern. — ^nbererfeits roirb
man ni(^t oerfennen, ba^ genialen S^laturen biefe (Srenjen
bes SRinnefanges raf^ 3U enge rourben, ha^ fie bie 33er=
pflid^tung ber Hnbeutlid^feit als eine briitfcnbc ^effel i^rer
ilunft cmpfanben unb bomac^ ftrebten, fi^ i^rer 3U cnt=
lebigen: fo ma^t fi^ au^ SBalter in feinen fpätercn Jßie*
bem frei, beren S^aioetät ben Übergang com ^bealismus
bes äHinncbienftes gum ^Realismus ber Dorfpoefic bil*
bete. —
69
3unä^[t beoba^ten mit jcboc^ SBaltcr crft, tote er bic
rechte $DZei[tcrf(^aft in bem ^öfi[(^en Sangc gcroinnt unb
i^n fclb[t 5ur $ö]^c emporl^ebt. 5Bon ben £tebern, bcrcn
9?ei]^e je^t erörtert merben foll, n)if[en totr ni(^t, wo [ie
gelungen rourbcn; meiftens too^I in ber grembe, einjelne
auä) hti seitroetltgcr ^Inroefenl^eit am SBiener $ofe, töo mir
bie $errin uns ju benfen ^aben. Sie liegen getoi^ ber 3^^^
naä) Diel roeiter auseinonber, als es in un[erer Dar[teIIung
]ä)tint, ho^ i[t es ni6)t möglich, [ie über anbere ^B[^nitte
]^in 3U t) erteilen, o^ne bafe 3iiI<^^iti^"^<i^9 u^^ 33er[tanbnis
gteid^ermagen litten.
^it einem SQlale ertoa^t in bem reiferen Dichter bie
2itbt 3U einer f(^önen Dome^men grau. (Er ^at fie be*
iDunbem bürfen, als [ie mit i^ren Dienerinnen aus bem
SBabe [(^ritt, unb [eine ^]^anta[ie säubert i^m ben ^err*
li^en Jßeib oor bie ^ugen. ^räi^tig [e^t er ein (Jß. 53, 25)
unb mit bem SeIb[tgefü]^I; roie es bem Sänger giemt, be[[en
Sieb [^on rpeitl^in geflungen i[t: „3c^ [a^ ein tDunberooIIes
SBcib; aä), mürbe mir von i^r ein Danf! t)rum rü^m'
iä) 5eute i^ren £eib gar ^o^ in meinem be[ten Sang.
(Sern bin iä) bien[tbar allen grauen, bo^ bie[e ^üb' iä) mir
ermäl^It. SJlag jeber naä) ber [einen [^auen unb loben,
iDel^e i^m gefällt. Cr tu' es meinetl^alben au^ mit meinen
eigenen SBorten, i^ bin nic^t ho]' barob: i^ prei[e l^ier,
er borten".
35r Saupt bas i[t [o iDonnereit^,
als ob's mein $immel [ollte [ein.
SBas gab' es [on[t no^ 5um SSerglei^?
Cs ]^at bo^ au^ bes §immels Schein.
3rDei Sterne leuchten braus mir nieber,
aä), fönnt' iä) [ie mit mir brin [e^en
unb xDär' [ie mir [o na^e mieber!
70
Dann mö^f ein SPBunbcr xxoä) gcfc^e^en :
i^ BDürbc jung, [ofem [ie's tut,
unb auä) mein f^Ieid^enb> [(^mac^tenb Sie^tum ujürbc gut.
^uf i^te SBangen (Sott mit glei^
^at teure färben fein gemalt:
ein flaxes SRot, ein reines SBeife
töie ?lo[e brauf unb £ilie ftra^It.
SBär's feine Sünbe, m'6ä)i' iä) [agen,
no(^ lieber \ä\)' xä) [ie mir an
als felblt bes $immels Stementoagen.
Unh hoä), loas lob' i^ armer äUann?
Sie [teigt babur^ mir allju f)oä),
unb meiner 2Borte ^rcis me^rt nur bie Sel^nfuc^t no^.
(£in ^oljter trägt [ie, bas ift rot :
prefet' iä) brauf einmal meinen SJlunb,
bann fäm' i^ auf aus biefer 9^ot
unb bliebe ^infort [tets gefunb.
Sobalb fic's an bie SBange legt,
ba u)är' iä) gar gu gern babei:
bas buftet, roenn man's nur beujegt,
als ob's ein SBü^slein Sal[am [ei.
SUd), möchte [ie's bo^ leiten mir!
So oft [ie lieber toollte, gab' i^'s i^r.
3^r $als, bie §änbe unb ber 5u6 —
bas gibt ben aller[^ön[ten ©lans.
2Bas [on(t iä) an i^r rühmen mufe,
bas [ä^' \ä) lieber einmal gans!
Se^r ungern ^ätt' xi): „2)ed' bas 'SfladttV*
gerufen, als i^ blofe [ie ]af).
71
Sic blidft' nxä)t ^cr, als es mf(5 padit,
ujo's jc^t noä) \6)mtx^t, mk'5 cinft gc[(^5,
[obalb t(§ bcnfc an bas Sab,
bas flar' unb reine, aus bem bic 3^eure bamals trat.
!Die freubige §offnung na^ trüber 3«^^ fprii^t [i^ in
fernem [(^önen Qk\>t aus {Q. 42, 15). Ob ni^t jemanb
iDieber frö^Ii^ [ein möchte, fragt ber Dichter, unb toirft
ben 3ungen üor, ba^ fie, benen hh ßebenslujt bas Serj
[^roellen foll, [i^ langweiliger 3^rauer Eingeben. 35nen
unb htn 5{ei^en \k\)t es an, Reiter 5U [ein. grau ©lud
^at eben i^re ©üter blinblings ausgeteilt: bem 5Reid^en
Derlei^t [ic trüben Sinn, bem armen Dichter froren 50lut;
gern gäbe ber Di(^ter tmoon etxoas ab unb tau[^tc bafür
ein Xcil Don ber £a[t bes 9Je[i^es ein. Dann aber fä^rt
2BaIter in tiefer (Empfinbung fort: „2Ben geheime Sorge
bru(ft, ber benfe l^olbcr grau'n, er toirb befreit, unb geben!'
an l^eller 2;age ©lud ! $Dlein be[ter Xro[t toar bies in fum=
merooller 3ßit. TOt ben fin[tern Xagen siegt's über mid)
roie 9lot. Hnb bo^ ^ilft mir bann bie ^tih^, benn bie
[c^mt (i(^ i^res £eibes: t[t ber SBalb nur grün, roirb
|ie balb rot."
grau, toenn ic^ an bi^ gebat^t,
toas bein reiner £eib erle[ner 3:ugenb trägt —
ad), ^a\i ein ! — bu greif [t mit '^ad)t
grab ins $er5 mir, too's bie „liebe" ^cgt.
,fikh", and) „lieber", hk [inb bein ni^t tpert,
benn bu bi[t bas „lieb[te", bas id) meine:
bu bi[t mir allcine
[tatt ber ganjen SBelt, 0 §errin, toas mir fon[t aud) loiber»
fä^rt.
72
i 'üfloä) gehobener i[t bte Stimmung bcs Sängers in bcn
üollflingcnben 5Bcr[en bes näd^[tcn ©cbi^tcs (£. 45, 37) :
3Bcnn bic 93Iumcn aus b«m (5ra[c bringen, als ob [ie la^=
Un gen bcn (5Ian5 ber Sonne, unb toenn bie flcinen 33ög=
lein liebli^ [ingen, im l^olben SJlai unb in ber $0lorgen*
frü^e, ba glei(^t auf (Erben ni^ts mel^r biejer 2Bonne.
Du fü^Ift hiä) l)alb bereits im Simmelrei(^.
Hnb fragen |ie na^ anbrem 5um 35erglei(^,
bann fag' iä) tu^, mas Schönes e^e
ben klugen mein gefiel
unb no(^ gefiele, roenn ii^'s roieber [äl^c.
X)as i[t, roenn eine eble fjrau unb reine
in f^mutfer 3^^^t ^ufs ftattli^jte gcfleibet,
aus l^eiterm Sinne unter Sülen[(^en ge^t,
gar tool^Igemut, ni^t mei^r alleine,
bistoeilen an ber 2Belt bas ^uge roeibct,
bort iDie bie Sonne h^i ben Sternen |te^t —
ba mag ber ^ai mit allen SBunbem prangen,
loas fommt mit i^m benn lieblicher gegangen
als [ol(^ ein ((^önlieitsoolles SBeib?
SBir la[[en alle 93lumen fein
unb ftarren auf ber ^ol^en Senin £eib.
SBol^lan, mollt il^r mit mir bie SBal^r^eit [c^auen,
fo eilen toir 3um ge[t im S0laienrei(^e,
ber i[t mit feiner Seerft^ar eingesogen.
$Run blidt auf ii^n unb bann auf ft^öne grauen,
toas brunter me^r gefalle beim 33ergleic^e
unb ob i^ mi(^ in meinem 95lid betrogen.
^6), ujer mic^ ba nur prüfen ^iege
unb bafe iä) eines na^m', bas anbre liefee,
roie überf^nell i^ ba ju roä^len wüBte!
73
$crr 50lat, x^x müfetct S0ldr3 c^' fein,
bet)or i^ meine $enin ba oermifete.
Da finb olle 9?egt[ler ber Äunft gesogen. 2Bie rau[(^en
biefe Strophen, na(^ 5Irt ber Stangen gebilbet, in bem
roeiten Sa^bau i^rer 9teimbänber doII ba^in! Xlnb was
ift ^ier ans ben einfachen ^Tlaturetngängen ber t>ol!stum*
litten ßiebeslieber geworben! Die Slüm^en [inb belebt,
fie la^en has $immel5li^t an, unb mit ber gangen Sen«
li^Ieit bes SlRaienmorgens gie^t bie Jßebensfreube ein in
bas ©emüt. Xtnb bo^ roirb [ie no(^ gefteigert bur(^ ben
5lnblirf ber frönen grau, bie SBalter, als ein e(^ter
Mnftler, in ooller ^Betoegung üorfü^rt. 5Dlit tDeI(^er gri[(^e
unb Rtd^txt roenbet \xä) bann ber Sanger an bie Sörer,
inbem er i^nen fü^nlid^ hk SBa^t freigibt groif^en ber
5lRaienprad^t unb bem 5Inbltd ber gerrin. (Sx geigt ba bie
SBerroegenl^eit bes X)i(^ters, ber feiner SlRittel unb i^rer
2Bir!ung t)oII!ommen fi^er ift, er fü^lt [ic^ [einem ^ubli«
fum überlegen, er leitet gu bem ©enug, ben er felbft oor*
bereitet l^at. Diefe ©eroanbt^eit ift buxä) Übung erroorben
unb tDo^I au(^ huxä) bie Srfa^rung abgenötigt, bafe bie
^^eilna^me ber $örer an ben SRinneliebern balb ermattet,
roenn [ie ni^t per[önlic^ in bas 3ntere[[e gegogen roerben;
biefes Runftmittel ^at SBalter allein ausgebilbet.
S^on tritt ber Sänger in nähere iBegie^ungen gu ber
gepriefenen $enin, bas nä(^[te Jßieb (ß. 43, 9) i[t ein Sei«
fpiel feiner l^öfifd^er i^onoerfation, be[[en Einlage Xllric^
Don £ie(^ten[tein beim 5lufbau feines grauenbu(^es oor«
f^toebte. 2Balter fie^t es als ein ©lürf an, bafe er bie
grau lennen gelernt ^at, er motzte be[[en noä) ujürbiger
loerben, möchte gerne leben, roenn er nur gu leben toüfete,
aber er ful^lt feine Itnerfa^ren^eit unb bittet nun bie
Dame, i^n bas 'ißla^, bas rechte ©lei^getoi^t ebler Sitte
2ä)or\iaä), SBoTter tion ber SSogeTluribe. G
74
3U lehren. Darauf antmortet [tc ^ö^xä), fte riete tno^l
gerne, boc^ fei [ie ber mäze no^ meniger lunbig als er.
Sie tDÜFs aber üerfuc^ett; toofern er i^r 3uer(t bas Hrtetl
bcr SJlänner über grauen befanntgibt. Der Sanger rü^mt
nun bie Stetigfeit, bas So^^alten roeibli^er G^re als bie
5b:one ber grauentugenben. Da5u fugt [i^ roo^l mafeoollc
Seiterfeit roie bie SRofe 3ur £ilie. Xlnb Äiebensroürbigfeit
int S^erfel^r, freunblit^e 5lnfpra(^e, bas [^mürft bie grauen
roie ber SBogelfang bie £inbe, roel^e auf bunter 2Biefe ftef)t.
Hnb bie $errin erroibert: „3d^ Ief)r' (£u^, roer Don
SIRännem uns bel^agt: nur ber ^u [Reiben roei^ bas Sö['
unb (5ut' unb [tets bas ^e[te von uns grauen fagt; bem
finb mix ^olb, toenn er's in streuen tut. 33er[te^t er [x^
auf fro^e Sitten, ift mafeooll fein (Semüt, üon §eiterfeit
getragen, bem fpenben n)ir, toas immer er begefirt. 2BeI(^
2Beib lönnt' il^m bes gabens ^fanb oerfagen? Gin guter
SD^ann ift feibner SBanbe to^rt." 5luf bicfes äRa^nroort läfet
SBalter nun ein £tcb folgen (ß. 46, 32), bas [xä) an bie
gepriefene „grau 50la6e" felbft roenbet. ^llcs 3:reffli(%e
in ber SBelt ift burd^ fie errei(^t roorben. ©lüdEIid) ber
SJiann, bem fie ^ilft. Der brauet ]xä) nirgenb etioas 3U
Dergeben, ni(^t bei oorne^m, ni(^t bei gering. (£r hitUi,
fie möge i^n hoä) bie eble TOttelftra^e finben lehren.
Übermäßiges Streben tut nac^ feiner Seite gut, bas \)at
ber Dieter an fi(^ felbft erfahren, ^m meiften in ber
2kht. ^Riebere aRinne maä)i, bafe ber SRann in ficiben*
fc^aft ba^infiec^t, o^ne C^re 3U geioinncn. 5lber bie Fio^e
aRinne, fie erl^ö^t ben SRut, fo baß er \xä) auffc^roingt
na^ ben 3u erroerbenben (g^ren. Hnb je^t ift fie ^icr unb
tDtnft bem Dieter, i^r 3U folgen. 2Bo ift grau SRagc ge=
blieben? Sie ift fort, aber felbft toenn fie toieberfame,
roürbe bcr Sänger i^r ni^t me^r ge^or(^en: feine Sinne
nal^m eine ^o^e grau gefangen. 3tDar fürchtet 2BaIter,
btc neue ^\tht loerbe i^m oicl Sd^mers bringen, aber er
i[t be3aubert unb gibt [i(^ her ßeibenf^aft ^in.
W\\ einem metrif^en 5^un(t[tüdE (fi. 47, 16) fu^t ber
Dieter bie ^Betounberung ber Dame ju erregen: eine
Strophe trägt er oor, beren S3erfe na^ ilürse unb £ange
[9mmetri[(^ georbnet unb mit S^Iagreimen gef^müdt [inb,
'hos ^ei^t, es reimen unmittelbar aufeinanberfolgenbe
2Borte. ^Bereits \)oX SBalter Hrfa(^e 5U flagen, er fle^t bie
2Rinne an, [ie möge fi^ befinnen unb t^as Xtnre^t f(^lic^ten,
'tiQiC> il^m bur^ bie unoermäl^Ite §errin toiberfö^rt; min«
beftens [ollte [ie i^n, ben treuen, juroeilen anfeilen, er tüill
fi^ f^on flug benel^men. ^ber bas l^ilft ni(^t, unb in einem
5^ran5 üon fünf Stropi^en (£. 47, 36) gibt SBalter ein
forgfam ausgefüi^rtes SBilb feiner ^nfi(^t über bie grauen
ber Dorne^men 2BeIt. '^XQtx gefellige Xugenben [prid^t [i^
ber Sänger 3u : er lebt gern mit ben grö^Iic^en unb emp=
finbet bo(^ \io,<s> fieib ber 2^rauemben in feinem ^erjen, er
toei^ mitäufü^Ien. Das mangelt bem ^öfif^en $0linne=
bitter, b«n peinlichen Sinnes nur bas eigene ©ef^id er*
füllt — bie Spifee fe^rt fic^ u)o]^l löiber 5{einmar — unb
barum );)Qii 2Balter au(^ anbere Stoffe gepflegt. 5lber gern
roill er fi^ ber 50linnepoefie tüieber juroenben, falls er nur
roü^te, u)ie er bamit \yi.\i 23eifall ber grauen geroinnen
fönnte. Denn bie oome^men grauen );)G^tx{ einen großen
geiler, fie roiffen bas ©ute unb bas Sc^tec^te \it\ ben
SWännem ni^t 3U unterf(^eiben ; SBalter roirft bas ber
$errin roieberl^olt üor. Sie füllten fi(^ baran erinnern,
baS Damen nur bann ^^tung unb fiiebe oerbienen, roenn
fie bie ^Borjüge bes SBeibes befi^en: „SBeib" ju fein im
ebelften Sinne bes SBortes ift bie 5^rone aller grauenart.
Dasu gel^ört no(^ freunblid^er ©rufe unb Dan! (xn ben
Sanger. SBcrben biefe ii^m ni(^t suteil, bann roill au^
2Balter xCx^i me^r il^r £ob fingen, er roill i^nen ben 5{ü(fen
76
feieren unb hamit fagen, ha^ [ie für i^n nur fo üicl xöcrt
feien oIs er für fte. 2Bos ^ai er üon bem ^ot^fal^renben
Übermut biefer Damen?
T)k f^arfe ßeftfon setgt, tote [e^r SBalter ]xä) bes
eigenen Sßertes betonet mar, er mu& bie ^nerfennung [ei=
ner ^^itgenoffen f^on gefunben l^aben. Das ©cbi(^t le^rt
au(^, roelt^e gei[ttge greifet! SBalter bereits enungen
^atte: er [tel^t über ben 9langunterf$ieben ber äRen(^en
unb felbft über feiner eigenen ßeibenf^aft. fiosrei^en fann
er fid^ no^ niä)t (£r fragt in bem nä^ften feinen ©efange
(£. 69, 1), ujas bie StRinne benn fei. 3o?ar toiffe er man*
d^es üon i^r, aber gerne toüfet' er mel^r. TOnne üerbient
i^ren Flamen nur, fofern fie töo^I tut; f^afft fie fieib,
bann ift es ni^t bie rechte Qkht. „2Benn iä) gut gu raten
miä) befinne, toas bie i0linne fei, fo fagt mir alle „ja":
äiDeier gersen SBonne ift bie SJlinne; teilen fie fi^ brein,
bann ift bie SJlinne ha. Soll aber ungeteilt bie greube fein,
bann üermag ein gerg allein fie ni^t ju bergen, ^c^, tooll*
teft bu mir teilen l^elfen, $errin mein!" Das mufe jeboc^
balb gef^e^en, fonft mill 2Balter fi^ löfen unb toieber ein
freier SKann roerben. Dann loirb aber niemanb me^r fom=
men, ber fie in feiner ^rt 5U preifen üerftünbe. Darum foll
fie ]xä) bebenfen. Doc^ ift ber Dieter felbft no^ oon £iebe
geblenbet. 3m folgenben Siebe (ß. 40, 19) fu^t er 9{e^t
unb §ilfe miber bie ©eliebte cor bem SRi^terftul^le ber
grau 5ERinne. (£r beruft \iä) ^ier auf bas Qoh, roomit er
bie Serrin geehrt ^at, rüdCt ber äRinne feine SBerbienfte
Dor unb üerlangt, bafe fie, bie fein Ser5 getroffen §abe,
au^ auf bie ©eliebte einen i^rer übrigen ipfeile abfenb«.
^nbemfalls müßten fie f(^eiben, unb bie äRinne oerlöre
i^ren Diener. — greunblid^er ift bie Stimmung in einem
folgenben £ieb« (£. 85, 34). Der Sanger rü^mt bie
S^önl^eit ber grau. Sie ertoib^rt banfenb, baoon roiffe
r
[tc ni^ls, aber gut möchte [tc [ein, unb bas [oll er [ie
legten. Da forbcrt er roteber JÖiebensröürbigfeit gegen alle,
einem jebot^ foll fie \\^ 5U eigen geben. 2BiII [ie [einen
£eib, [0 i[t ex bereit, mit i^r 3U tau[(5en. Sie meint, ]^öf=
\\6) roolle [ie gerne [ein unb be[[em, toas [ie barin Der=
[äumt \)oiit, Dod^ nur i^r lRebegeno[[e bürfe ber Sanger
merben; es täte i^r leib, toenn er [eines £eibes [i^ begeben
[ollte. SBalter motzte bas gerne roagen, es bünit i^n ein
[anfter 3^ob, aber bie $errin toeigerfs, [ie roill [elb[t no(^
länger leben unb oon einem 3^au[^ nid^ts u)i[[en. —
2BaIter toar mit \At\t\i ßiebem über 9teinmars 2Bei[e
Iäng[t l^inausgelommen, er ^citte [ie [elb[tanbig fortgebilbet
unb mit bem Sc^iDunge [einer fräftigen reifem SRatur er=
füllt. 9?einmar mu^te bas empfinben, unb toenn ber
jüngere ^Rebenbu^Ier il^n übertDU^s unb je^t am SBiener
$ofe [i(^ 3U i^m [teilte, [0 fonnte ber (5egen[aö unb bamit
©ereijt^eit bes älteren Sängers nic^t ausbleiben. 2Bir
merten bas in einem Jßiebe (fi. 120, 25), too SBaltcr mit
9leinmar[^en ©ebanfen [pielt, über bas SBeri^ältnis 3tDi[(^en
ber toa^ren Stimmung bes !Di(^ters unb bem 3^one [einer
Jßieber rebet unb bie $errin bittet, [ie möge [einen Dien[t
rec^t tDürbigen, obgIei(^ i^re ©egentoart i^m bie 23e[innung
raubt unb i^n [^toeigen ma^t. Darauf erfolgte ein 5iem=
Ii(^ heftiger Angriff SReinmars, ber am S(^lu[[e eines
ßiebesliebes über einen äl^ann flagt, löelc^er stoar \it\
grauen [(^roeige, aber au^ niemanb [on[t reben la[[e. Der
[olle [i^ fortmachen unb einen Ort Derla[[en, an bem er
ni(^ts 5u [uc^en ^at. SBalter ertoibert, inbem er iReinmar
parobiert. SÖSeil $Reinmars §enin für bie[en toie ber 5ln=
bru^ ber 0[terfreube [ei, brauet bas ja für anbere ni^t
5U gelten, unb ber freunblic^e ©rufe [einer grau [ei i§m,
SBalter, mel^r roert als bas £ob SReinmars, roomit be[[en
Serrin alle übrige Damen matt [e^en [oll. Unb er fäi&rt
78
mit f^arfcm Spotte fort unb fnüpft an ein £icb an, tDorin
9?ctnmar oon bem Dicbftal^l eines Ruffes \vnä)i, ben er
roieber an feinen ^la^ suriidfbringen toill. SBaltcr aber
läfet bie Dame antmorten: „Das Stellen [olc^er ßeute
[(^abe il^r ni^ts an i^rer (£^re. 2Ber einen S{u% oon il^r
tDirflid^ l^aben toolle, ber muffe il^n auf gesicmenbe Ittrt er=
toerben. Mit ber 2Biebererftattung t>mä) ben Xkh gebe
fie ]\^ mä)t ahJ' Selbem SBalter ^usbrüdfe ber 9te^t5=
fprad^e anmenbet, bringt er eine n)i^ige ^ointe in büs
(Bebi^t. ^ber im ganjen j^interlä^t biefe eiferfü^tige ^olc*
mif, beren Spuren fc^on in früheren 9fle(fereien 5u finben
roaren, einen unerquidli^en (Einbrudf. Die SBege ber beiben
mögen \xä) fpäter ni(^t me^r gefreugt i^aben, 9}crftimmung
blieb jebesfalls jurüdf, unb erft ber 3:ob bes älteren
Sängers brachte ^rieben unb SBerfö^nung. —
9lo$ geraume 3ßit f^roanft 2BaIter 3tDif^en Hoffnung
unb Gntfagen, es toirb il^m aber immer beutli(^er, bafe bie
grau ]xä) ^wax bisroeilen an feiner Unterhaltung freut, bafe
eine ^tx^l\ä)t Steigung jeboc^ in i§r mä)t auffommt. So mi=
f(^en fi(fi Sorge unb greube in feinen Jßiebern. 9^oc^ rü^mt
er bie S(^ön]^eit unb (£^re ber Serrin unb ftellt i^nen
feine 3^^^ ^^^ 3^reue gegenüber, bod^ ujie beneibet er bie
(fi. 117, 29), benen bie langen 2Binternä^te ©lücC fpenben!
5llle frönen grauen unb alle gute ^al^resaeit Reifen bem
nichts (fi. 118, 12), ber feinen äRorgen mit 3^rauer beginnt.
SlJlü^felig ft^leit^en bann bie 2^age ba^in, unb fclbft ju ber
Serrin ge^t er nur feiten, benn feine Hoffnungen f(^iDin=
ben, fie fpottet feiner (£. 70, 1), er ^abe ja befanntli^
fein ©lüdE. So oerliert er bie 3^^^ unb oersel^rt fid^ in
fru^tlofen SBünfd^en. 3öT^re sielten oorbei, bie 3ugenb
ocrge^t (£. 52, 23). So barf bie grau, ber er fonft olle
Opfer gebraut l^ätte, bie aber lieber mit i^ren unb feinen
geinben oerfe^rt als mit i^m — bas tabelt er mehrmals
r
79
an i^x — \\6) nt^t tounbem, tocitn er m frcmbe ßanbcr
3ic§t unb bort nac^ grauen roirbt. ^lllerbtngs gibt es nur
eine, beren SBerfagen i^n fc^mer3t. Doc^ bie grau nimmt
biefe Unfi^er^eit bes (Empfinbens übel (£. 70, 22) unb
oertoeift fte bem Sänger. Slidt er na^ anbeten aus, mt
(oll fie i^n lieben? So mufe [ie\[i^ il^m entfremben. SBalter
birgt feine 5^ränfung, er f^eint unter ben 9Ken[d^en l^eiter
(£. 116, 33), in SBa^r^eit i[t er traurig unb roirb nid^t
roieber frol^, beoor ni^t bie Serrin milber toirb unb beffere
3eiten für "ba^ Deutf(^e $Reic^ fommen. Da3u i(t toenig
msfi^t (fi. 117, 8): ber 2Belt unb ben grauen ift bie
ro^e geroaltfame 5lrt, bie je^t \n bas $ofIeben einbringt,
lieber als bie feine ältere SBeifc. So roirb SBalter enbli(^
einmal ärgerlt^, unb in einem ßtebe (£. 72, 31), bas er
f(^u)erli(^ oor ben klugen ber [proben §errin gefungen ]§at,
bie il^n [o f^lec^t be^anbelte, bricht er los : OTen 3Uen[^n
mac^t feine ^oefie greube, taufenb Sersen erl^eben fi^
baran, fie allein bleibt falt. Xlnb boc^ follte fie roiffen, ba^
fie nur in feinem Sänge lebt, niemanb lüürbe \\6) fonft um
fie fümmern. SBo^in foU bas führen? ©laubt fie benn,
bafe fie f^ön bleibe unb einem jüngeren 9Jlann gefalle,
inbes nur ber Sänger altere? C) nein, ber 3unge toirb fie
bann oerf^mäl^en unb i^ö^nenb fortpeitf^en.
(£s bleibe bal^ingeftellt, roas oon bem ©efü^l in biefen
fiiebern als t6)i für b«n Dichter in ^nfpru(^ genommen
roerben barf, jebesfalls ift mit fold^en un5öfli(^en unb un=
l^öfifd^en Strophen bas SBerl^ltnis 3u (£nbe, bas 2Baltern
nur bittere (£nttäuf(^ung gebracht, i^n aber auf bie Söl^e
ber ritterli(^en Sangesfunft geführt §at. 2Bas innerhalb
ber gegebenen ©rensen ju leiften roar, ^at SBalter ge*
f^affen. Unter bem 3ouber feines 2Bortes beleben \\6)
bie ^bftraftionen, getoinnt bas ^eimlic^fte ©efü^I leben*
bigen unb padenben ^usbrurf. CBine üppige gülle ber
80
S^äfec feines (Empftnbens ftreut er in (Selängcn aus unb
reißt [eine §örer in bie Stimmung hinein, toelc^e i^n be*
[eelt. Seine (Erfahrungen tourben ein btcibenber (Betoinn
für fein £eben, [ie mat^ten i^n emfter unb tiefer, aber
fie rüfteten i^n au(^ 3U ben Aufgaben, bie [einer l^arrten
unb 5u beren Jßöfung bas Deutfc^e 5Rei(5 unb SBoI! [ein
£eBen unb feine 5lun[t für \\^ forberten.
Y.
Bei KSnIg Philipp
. (£me groge Ratoftropl^e crf^ütterte hk 2BeIt: Rax]n
$ctnri(^ VI., SBarbaroffas parier So^n, bcr „Sammcr her
(Erbe", iDie btc S^i^Ö^^oflß^ t^n nannten; bcr na(^ ben
2Bortcn bcs ^opftcs 3iino3cn5 III. glet(^ einem f^arfen
9lorbfturm über bos TOenblanb fu^r, er max am 28. Sep=
tember 1197 3u S0le[[ina geftorben. Selten §otte ein
beutf(|er $en[c^er über eine fol^e 3füne ber S[fla(5t geboten
toie biefer erlauchte Staufer am (£nbe feines lurjen Bebens;
mitten aus htn fül^njten planen unb toeitgreifenbften (£nU
würfen rife il^n ber Xoh, SJlit eherner gauft ^atte er
Italien 3u 23oben gejiüungen, in Deutfc^Ianb bie gur^t
als §üterin oon ©efe^ unb 9iec^t aufgefteüt; überall bie
6c^eu vox bem faiferlit^en S^amen ertoedt unb wa^ er«»
galten. 9lun bemä(^tigte \iä) eine ungeheure SBerroirrung
aller (J5emüter. 3undc^ft toarb [ic^tbar, toie fel^r bos
^Infe^en bes b^utft^en Äaifertums mit ber ^erfon bes
(Sef^iebenen oerfnüpft loar, benn ber SJlac^tbau §einri^s
hxaä) fofort in ]iä) sufammen. Das faiferli^e ©ut tourbe
als ^ctrenlos era^tet unb raf^ t)on ben nä(^ften gürften
in SBef^lag genommen. 2)er neue ^apft richtete einen
bebeutenben Äir^enftaat auf unb oerfünbigte feine Jße^ens*
l^o^eit über 9leapel unb Siäilien. 3" Deutft^lanb ent=
82
[tanb bei ben (Bä)waä)tn gtofe« 5lnö[t, unb fi^cr mit 9?c^t,
benn ni^t blofe am 5Rei(^5gut Dcrgriff [i(^ alsbalb, tocr
ytar! genug wax, ben grieben ju brc^en, jonbern au(^
[ttittiger unb stoeifel^after ^rtoatbefi^ fiel but(^ ©etüalt*
tat ben SOläc^tigen ju. So tooren $unger unb (Elenb nit^t
umfonft 35or3ei(^en bes na^enben Unl^eils geroe(en, bie
„9^ot ob aller 9^ot" fam aber erft bröuenb l^eran: nic^t
mel^r fd^ien ber (£ib binbenb; ben bie beutf^en gür|ten
bem einäigen Sproffen bes S^aijers, bem 5^näblein grieb*
ri^, geletftet Italien, ©egenfönige [ollten gefürt loerben,
unb toie eine fi^toere ©eroittertDolfe l^ingen bie ©reuel
bes SBürgertrieges an bem finftern Sori5ont unb über ber
f^xDüIen £uft.
3u bie[er 3^it trat SBalter oon ber SBogelroeibe auf
ben ^lan unb rebete über bas ©efc^id bes ^Hei^es in
feinen Sprüchen, suerft an ben göfen ber gürjten unb oon
biefen aus 3um beutft^en SBoIfe. ©eroig i[t es fein 3iifaII,
bafe bie politif^en ©ebi^te, bie [i^ auf bie SBebrängnis
bes 5lronen5rüi|tes (1198) bejiel^en, au(^ bie erften [inb,
u)eld^e uns oon SBalter betoal^rt blieben. 2Bem es über=
^aupt bamals f^on gegeben mar; [i^ als SBürger bes
Deutfd^en 5Rei^es 3U empfinben, bem mufete bas brol^enbe
<3ö)\d\al l^ersbeiüegenbe SJla^ntoorte auf bie fiippen brän*
gen, unb fo suoörberft too^I bem Sanger, ber bas £anb
unb bie aJlen[(^en genau fannte, unb ber bie (5dbt ht\a^,
bes SBoIfes allgemeine Stimmung in (ein £ieb 5u fa[[en.
9Kan nimmt gemein{)in an, SBalter fei ber erfte ge=
mefen, ber bie ^olitif in bie :Did^tung ber ga^renben
cinbejogen l^abe. Das i[t ni^t unbebingt nötig. Darf
\ä)on jener 9ieim, mit bem ein Spielmann bas Serj 5^arls
bes (Brofeen für ben oerbannten Uobalri(^ 3U rül^ren
toufete, ni^t politi[(^ genannt roerbcn, [o i[t bo(^ fic^cr»
li(^ bas gleid^falls aus ben 5^rci[en ber ga^renben über*
lieferte Carmen de Heinrico, bas in partcii|^er 5luffa|fung
berietet, rote i^önig Otto I. \\^ mit [einem reuigen 23ruber
0U5[ö]^nt, als politififie ^oe(ie anjufprec^en. Xlnb bie be=
beutenben (£reigni(fe ber nä(^[ten 3a§r^unberte, ber 3^=
üeftiturftreit, bas ^Tuffteigen bes ftaufif^en Kaufes, tDer=
\iv\ au(^ in ben S3erfen ber Spielleute i^ren SBiber^all
gefunben ^Ben. Die Sagenbilbung, roel^e (ic^ augen=
blidlic^ an bie toid^tigen $öorgänge (^liefet, roar geroi^ oft=
mals bur(^ politifc^e ^enbenjen beeinflußt; unb ber Spiel=
mann, ber bas 9}emommene roeit unb breit erjä^lte,
biente bamit betoup ober unbetoufet einem politif^en 3"=
tereffe. Die gorm, in ber SBalter [eine 9Jleinung über bie
Hngelegenl^eiten bes 5Hei^es oorträgt, i[t ber Spru^, eine
Stropl^e aus längeren 25er[en, ben bie gnomi[c^e Dichtung
bes alten ga^renben Speroogel unb [einer ®eno[[en [(^on
fennt. SBermutlic^ toaren bie[e au^ [eine Söorgänger in
9?üd[ic^t auf ben 3n]^alt ber Sprü(^e.
SBaiter toar oermutli(^ ein £)[terrei(^er ober l^at toenig*
ftcns lange unb oft am ö[terreic^i[^en $ofe gelebt, er
nal^m ba^er tDa^r[c^einIi^ bereits einen gen)i[[en Stanb*
punft ein, als er anfing, [i(^ mit ben ^Ingelegenl&eiten bes
9tei(^es in [einer Dichtung 3U be[^äftigen. Der §of ber
5Babenberger roar, mit ^usna^me etlicher SBer[timmungen,
[tets [taufi[d^ ge[innt getoe[en, unb [o roaren auc^ bie beiben
Ser5öge, griebric^ ber 5^at]^oIi[^e in £)[terrei(^ unb ßeo=
polb ber ©lorreic^e in Steiermarf. W\i bem 2obe grieb*
ri(^s (16. 5IpriI 1198) gelangte fieopolb allein 3um 5Be=
[i^ ber ö[terrei^i[(^en £anbe unb biente bur(^ alle gä]^r=
li^feiten bem 3ntere[[e ber Staufer. Das mag au(^
SBaltem beeinflußt Jaben, benn, [oioeit toir es rDi[[en,
trat er [ofort o^ne 3ö9^r^ ^'^ ^arteimann für ^^ilipp,
Ser^og oon S(^u)aben, ben jüngeren trüber bes Der[torbe=
nen 5lai[ers, auf, ber am 8. 9Kör3 1198 ju äRül)l5au[en
84
m 3^^üttngen oon ben ocrfammeltcn gürften 3Um 5lönig
getDä^It tootben roar. ^aä) einigem S^roanlen rief bie
Gegenpartei, meiere in ilöln il^ren S^roerpunft, in bcm
(ErsBif^of ^bolf einen tatfräftigen gül^rer ht]a)i, unb
oielleit^t [^on burc^ ben alten ^bftanb 5rDi[^en ben Deut=
f^en am 5?]^ein xinb benen üon ber Donau mit be[timmt
u)urbe, ben ©rafen iDtto üon ^oitou aus bem Sau[e ber
2BeIfen am 9. ^uni besfelben ^af)xts jum Äönig aus.
So roar geft^e^en, roas man aUertoegen für^tete, bas
beutfc^e 5Rei^ l^atte ^md $erren, unb ber brubermörb«ri[(§e
5lampf begann.
SBol^I fanb 2BaIter Urfad^c, als er biesmal ben gof
3U SBien oerlieg, CSottes Segen für feine ga^^rt 3U er=
flel^en (£. 24, 18): ,,aRit Seile lafe mic^ ^eut auf[te^n,
Serr ©ott, in betnem St^u^e gel^n unb reiten, tool^in xä)
bes 2Begs mic^ feiere. Unb bu, fierr dl^rift, bring' an
ben 3:ag, loas beiner ©üte Äraft oermag, unb pte mein
burd^ beiner SKutter (gl^re, roie i^r unb bein ber ^eil'ge
(gngel pflegte, als fie U^, Rxnh, in beine Ärippe legte
(fo jung als SKenfc^, fo alt als (Sott!), bemütig oor bem
(£fel unb bem 9?inbe — es na^m bi^ C5 abriet [o gut
in feine freubenreic^e Sut mit ganjer 3:reue o^ne ge^I
— fo \)üV au^ mein, bafe fi^ betoöl^rt erfinbe an mir bein
fd)ü^enb göttli^er IBefe^l." äJlit 3:rauer blidte SBalter
auf SBien 3urürf, benn ber ^eitere, fangesfro^e unb milbe
$er3og griebri^ toar oom 5lreu33uge nic^t ^eimgefel^rt,
unb ber nun an feiner Statt bas §err[^eramt übte, $er=
30g Jßeopolb, roar l^ärter unb ber 5lunft bes Dichters
weniger freunblic^ gefinnt. So Reibet benn biefer fem (5e=
fül^I in einen Spru(^, ben er bem §ofe felbft in ben 3Jlunb
legt (£. 24, 33) :
3)er Sof Don SBien, ber fpra(^ 3U mir:
„SBalter, gern gefiel' iä) bir.
85
nun ^a^t bu miä): bas möge ©ott erbatmen!
SKetn ^nfe^n, bas toar ein[ten5 xtiä),
ha Uhu nirgenb toer mir glet(^
als 5^öntg 5lrtu5 ettoa; roe]^ mir Firmen!
2Bo finb bie 9litter jefet unb grauen,
hU man hti mir follte flauen?
Se^t, TDie fläglit^ mir's ergebt!
gaul ift mein Da(^, es brödEeln mir bie 3Bänbe,
unb niemanb hUxbt mir gfreunb nrx^, leiber.
Denn Silber, ©olb, bann 9?o[fe, 5lleiber,
bie teilt' iä) aus, unb gülle blieb gurüdf.
3efet aber fehlt's am Äran3 unb am ©ebänbe,
[elb[t grauentanj oertrieb mein SOlifegefc^idf."
9flo(^ als Sßalter hm RoniQ ^i^ilipp auffui^t, ge=
beult er bes toten ^er^ogs, ber i^m ein freunblid^er ©önner
getoefen [ein mufe. 2Bir entnehmen übrigens biefem
Sprud^ (2. 19, 29) au(^, ha^ SBalter o^ne (5(^tDierig!eiten
M ^^ilipp 3utritt unb gütige ^ufna^me gefunben l^at.
Der $of bes Stauferfaifers u)ar ein ausgeseic^neter
^la^, um einen HberblidE ber £age Deutf^lanbs 3u ge=
toinnen. 3^^^ gto^e poIitif(^e äRä^te mit roeiten 3nter^
effenfreifen [tauben je^t gegeneinanber. 3n Sübbeut[c^=
lanb bas [taufi[(^e 5lönigtum, bas in ber ungel^euren
Sausmac^t tourselte, roel^e bie[es (5e[^Iec^t [eit langem
3u[ammengefügt ^^tte. S^rieb hoä) ^i^ilipp [elb[t bar=
über an ben ^ap[t: „Das [ollt i^r u)i[[en, ha^ bamals
unter allen 5Reid^sfür[ten niemanb reicher, mä^tiger, an=
ge[e5ener toar als id). Überall l^atte ic^ roeite 93e[i^ungen,
[tarle unb uneinnehmbare ^Burgen, [o oiele Dien[tmannen,
bafe t(5 bereu S^^ niemals genau angeben fonnte, unb
Stäbte unb Dörfer mit überaus reichen 3Tt[ci[[en. ^d)
befafe einen gro&en S^a^ an (5olb unb Silber unb fo[t=
86
boren Steinen unb auä) bas l^etlige i^reuj, bie £an5e, bie
5ltone, bie ©eroänber unb alle ^^fignien bes 5lai[ertum5.
S^iemanb fonnte 3um ilönige erroä^lt röerben, ber nid^t
me^r meiner Hnterftü^ung als iä) (eines SBo^ltooIlens
beburft ^äiU.'* Die i^raft ber Staufer toar bie Spi^e
einer großartigen, na^ unten [ic^ uerbreiternben Organi=
[afion abeligen ©efi^es, eines Sr)[tems oon £e^ensgütern,
inneri^alb beffen unter htn friegerif(^en ^Rittern ein be=
ftänbiges Stieben unb Drängen ftattfanb, um bie frei
tDerbenben ]^i)]^eren ^lä^e ein3une^men. Die Dien[t=
mannenfc^aft ber Staufer mar ftets friegsbereit, benn ber
Ärieg brachte neue 5lusfi^ten auf 3^^^^^ ^^5 §au6=
gutes. Die Staufer toaren hk einjige gürftenfamilie
Deut[(^lanbS; beren §aupt ben ilampf um bie 5lönig5=
unb 5laiferfrone fürs erfte beginnen fonnte, o^ne bie äRittel
in ^Infprud^ 3U nehmen, roelt^e ber ober(ten 5ieic^sgerDalt
3u[tanben. 3^re SKac^t toar eine burc^aus ari[to!rati[(^e.
§intDieber ftü^ten ]xä) bie ]t\t i^rem Ronflift mit 5^ai[er
^Rotbart arg gef(^n)äc^ten SBelfen in 9^orbbeutf(^lanb auf
gans anbere 5Berbinbungen. (Einmal auf bie na^e 33er=
toanbtfc^aft mit bem engli[(^en i^önigs^aufe, bas loegen
feiner fortroäl^renben geinbfeligfeiten mit granfrei^ einen
feften ^n^alt in Deutf^Ianb fu^te. Damit aber UKir
auä) f^on ein anberes gegeben. Sßa^renb bie nieber*
beutfd^en gürften in i^ren Spmpat^ien 3U)i[(^en Stauf unb
2ßelf geteilt toaren unb i^re §altung bur(^ [e^r oer*
[(^iebenartige S^i^^^^^ff^^; 3- 33. bas S3er^ältnis 3U Däne=
marf, beftimmt rourbe, eriou^s in ber Stabt 5^öln bem
2Belfen!önig bie rDi^tig[te Stü^e. Sc^on 3ur 3^^^ Sein=
ri^s IV. unb V. Ratten bie aufblü^enben r^einij^en
Stäbte in bie ^oliti! eingegriffen, unb allen ooran roar
bamals SBorms für bie faiferli^e ©etoalt loä^renb ber
2Birmi[[e bes 93ürger!rieges eingetreten. 3^3^^^^" 'ftotte
87
]iä) Röln 3ur crftcn ganbelsitabt X)eutf^Ianb5 §cron=
gebilbct, 3um Xau[^pla§ für 0[t unb 2Be[t; insbejonbcre
ithoä) Derbcnftc es feine übermä(^ttge Stellung ber §erT*
[^aft über ben englif^en SKarft. (Eine 3^i^^ong timren
bie Kölner bie erften 5^aufleute (gnglanbs, [ie l^ielten grofee
ftänbige 5RteberIagen in fionbon unb befugten alle eng=
lifc^en 3a]^rmär!te. Die Ux\aä)t biefes ^uffc^tounges mar
bie fixere unb bequeme 2Ba[[erftra6e bes 9?^eine5; ber naä)
einer StxU bie Stabt mit ben 3nbu(trien am Oberr^ein
üerbanb, anbererfeits i^r bas $IReer unb baburc^ Gng=
lanb na^erüdte. Äeine Sanbelsftabt, roel^e auf bie \ä)mk=
rigen, gefa^rooHen unb !o[t[pieIigen 3iifö^rten ber fianb=
töege aus einem SBinnengebiete angeroiefen loar, üermo(^te
es mit Rbln aufsune^men. Der 5Hei$tum unb bamit ber
Ginflufe ber fölnif(^en ilaufleute (tieg ra[^ unb an^altenb.
So ujurbe hk Stabt 3ur Operationsbafis für bie Anfänge
bes SBelfen, bot i^m bie 50littel um^renb ber erften S^^re
toe^felnben ©lüdes unb ^arrte bei Otto aus, als na(^
bem Sturse oon 1204 alles i^n oerIa[jen ^atte. Sie
n)urbe [ein le^ter Mdtl^alt, unb bie Bürger [tritten lieber
mit i^rem eigenen Sr^bift^of, bem Rönigsma^er ^bolf,
unb oerjagten i^n, als bafe [ie ben 2Belfen, bas Reifet
bie englif^e 3inian5, Ratten fallen Ia[[en, auf ber jum
beften Xeile i^re 5^aufmann[(5aft berul^te. (£s i[t bas
er[temal in ber beut[(§en (5t\ä)xä)U, ba^ [täbti[c^e unb
5lbelsintere[[en [o toibereinanber 5U gelbe liegen, $anbel
unb 3T^i>iiIti^i^ oerfnüpft miber ben ^derbau unb [eine
feubalen 5lrieger[^aren, ber 5lorben Deut[(5lanbs loiber
hin Süben; aber es i[t ni(^t bas le^temal, unb fa[t bis
3ur ©egentoart bauert bie Trennung unb ber Streit bie[er
3ntere[[engruppen fort, roeld^e bie un^eiloolle Sonbe=
rung bes beutf^en SBolfes in 5lla[[en [0 [e^r 0 ertieft ^aben.
gür ben 3w[<^auer in jener trüben 3^it [elb[t loar
88
bcr $ori5ont ntc^t fo toctt als roir \\)n l^cutc feiert lönnen,
btc §anb«Inben ^erfönli^Icttcn traten vk\ ftärfer in bcn
SBorbergrunb. SBor allem aBet mufete \iä) jebes ein (5e=
fü^l ber ^Riebergefd^lagenl^eit unb 3^rauer über ben r)er=
iDorrenen 3iiftanb bes Jteic^es bema^tigen, unb Sßalter
oerleil^t biefer Stimmung treffli^ ^usbrud in feinem
berühmten ©ebi^te (ß. 8, 4) :
^ä) fafe auf einem Steine
unb htdt^ Sein mit SBeine,
barauf ftellt' ic^ ben (Ellenbogen
unb ^att' in meine $anb gebogen
has Rinn unb eine 2Bange.
Da bac^f i^ nun gar lange,
toie benn \yk SBelt oerlangt ju leben :
iä) tDußte feinen 9?at 3U geben,
um breierlei 5u werben,
ha)^ feines bürft' oerberben.
3tDei baoon, CS^re, fal^rnbes ©ut,
gar oft einanber Schaben tut;
bas britte, ©ottes ©nabe, [iegt
unb jenen beiben überroiegt.
Die toünf(5t' iä) all in einen Schrein.
Do^ leiber, bas fann niemals [ein,
bag $Rei(^tum unb ber SlRenf^en $ulb
unb ©ottes ©nabe mit ©ebulb
5ufammen in ein Ser3 gelangen:
bal^in finb 2ßeg unb Steg oergangen.
Untreue liegt im Sinter^alt,
bo^ auf ber Strafee fä^rt ©eroalt.
griebe unb 5Re^t [inb \kä) oon SBunben:
CS bleiben jene o^n' ©eleit, roenn biefe beiben nxä)i
gefunbcn.
89
II
I
So Hat uitb \ä)ön toar l^ier ausgc[proc^en, was alle
cmpfanben, hafe bic 3ßit9eno[fcn unb bic ^lac^fal^rcTi,
wt\d)t nod^ untcT bem (£mflu[[c münblt^cr 5lunbe über bcn
Sänger ftanben, \id) SBaltern am licbften oorftclltcn, u)ic
bic crften 3eilß^ btcfes Sprui^es il^n f^ilbern: fo i\t
er auä) in ber 9Jlane[fif^€n Sanb[c^rift abgemalt, bie ein
gutes ©efc^irf neulich aus ^aris nac^ §eibelberg äurücf=
gebracht ^at 2}on ber einleitenben SBetra^tung ber üblen
SBeltlage toenbet \iä) SBalter 5um beutf^en 5tei(5 in bem
folgenben ©ebid^t (ß. 8, 25): „Des Stromes 2BeIIen
rauf(^ten fü^I. 3^ fa^ barin ber gif^e Spiel, iä} [a^,
roas ringsum in ber 2BeIt: htn SBalb, bas £aub, ^o\)x,
©ras unb gelb. Unb roas ha alles friert unb fliegt
unb [eine Seine jur (Erbe biegt, bies [af) xii) unb i^ fag'
eu^ bas: feins lebt oon i^nen oi^ne $a6, bas Sßilb unb
bas ©eroürme, fie [treiten [tar!e Stürme, [o tun bie SBögel
unter fid^. 3" einem finb [ie rounberli^: fie bünften
alle )i^ 3u nt^t, befägen [ie fein [tar! ©cric^t. Sie [e^en
ilönig \id) unb 5te(^t, [ie orbnen's 3iDi[(^cn $enn unb
Sb\eä)t Drum toe^ bir, armes beut[^es Jßanb! Sc^le^t
i[t's um bein (5e[e^ betoaubt. Der 5CRüden toaltet ein
König, [el^t, bein' (g^f unb 5In[c^n aber oerge^t. fB^U^x'
hiä) [d^nell, no(^ i[t es S^it, \ä)\iä)i' beiner bö[en Sßerber
Streit! Die fleinen 5ür[ten oerberben bein ©lud; $errn
^r;ilipp [e^' bie 5^rone auf, hk anbem u)ei[e bu jurüd!"
Denn $l)ilipp ber Staufer i[t es, ben [c^on bas S^idt[al
5um ober[ten ^errn bc[timmt ^at (£. 18, 29) : „3rDar i[t
bie 5^rone älter als 5^önig ^^ilipps Saupt, bo(^ [^aut
i^r bran ein SBunber, faum bafe i^r es mir glaubt: [ie
pafet il^m gan5, als l^ätt's ber S^mieb für il^n gego[[en;
(o ]i)ön \^xdi ]iä) ber 9ieif ju i^m, bem 5lai[er[pro[[en,
ba6 niemanb trennen barf bic beiben ®lürfsgeno[[en. (Eins
[teigert nur bes anbem froren S^ein, [o lenktet roiber
Sc^önbod), äöaltet öon ber SSogelipcibe. 7
90
il^n bas funfeinbe (5c[tetn. t)k tttugcnrocibe fc^n bic
5ür[tcn gem. 2ßer je^t um Deut[(5lanb5 3u!unft irrcnb
bangt, bcr ]d)au', ob vodä)em Saupt bic e(^te 5lronc prangt.
Der Stein barin fei allen Serrn ein ßeitejtern."
Der 2Bunf^, ben ber Dieter mit bie[en legten SBor-
ten äußerte, ging ni^t fofort in (Erfüllung. Denn wä\)=
renb ber nä^ften ^a^u ft^toanfte bas Slriegsglürf. 3^<i^
gelangen $]^ilipp feine Heerfahrten meiftens, aber er unter*
na^m fie ni^t immer 5ur regten 3cit. 9Kan(^maI f^eint
fein 3ögem bei ben fpdrlic^en 5Ra^ri^ten fajt unoerftänb*
li^, tDenn man ni(^t anne-^men roin, er l^abe feine $off=
nungen me^r barauf gefegt, mit ben gürften 3u oer*
^anbelU; als fie mit (Seroalt an \iä) 5U feffeln. Denn
^^ilipp roar fein Äriegsmann. Sein SBater l^atte i^n
für \>ie Rix^e beftimmt, er §atte barum gelehrte Stubien
angefangen, felbft mel^rere gei[tli(^e toter übernommen
unb ent[{^ieb \iä) er[t für bie 2BeItIic^feit, als fein faifer=
lieber ^Bruber §einri^ es toünf^te. 25on 5ierli(^er (5e[talt,
flein, aber ni(^t f(^iDä$li(^; loofilgebilbet, ja ft^ön, gc=
toann [ic^ ber blonbe 3üngling bur^ feines 93ene5mcn
unb £iebensrDürbtg!eit bie Scrjen aller, bic mit i^m t)er=
!e^rten. So bef^rcibt i^n aud^ SBalter (£. 19, 5), ber
htn Äönig mit feiner erlauchten ©emal^lin äUaria, bic
üorbem als gricc^ifc^e ^rin5e[fin 3rcnc ge^eigen ^aiU,
3Bci]^na(^t 1199 ju $0lagbcburg in fcftlit^cm 3ugc nac^ bem
Dome fd^rciten fa^. Drei SBürbcn tragt ber füge junge
50lann: er i[t 5lönig, i[t Sol^n unb Sruber eines 5lai[er5.
Unb i^m folgt feine l^o^geborenc 5lönigin, eine 9to[e
ol^ne Dom, eine Xaube o^ne (Salle, — liebliche SBilber,
mit benen man bie jungfräulich (Gottesmutter preijt.
Hmgeben roaren fie ba oon ben SBome^mften aus ben
(Sauen X^üxinQtns unb Sa^fens, eine prächtige (5t]dU
f^aft abcliger genen, ooll ^öfif^er 3^^^- '^^^ poIiti[(^e
91
©ciDinti, bcn biefes 2Bei]^na(^t5fc[t für ?^^tlipp besei^netc,
mar mä)t ganj 5UDerIäfftg. 3iDar ^atU [lä) eine „5let^5=
pattei" gebilbet, beren Programm in ber mannl^ften (£r=
flärung 5U lefen toar, tuet^e fef^sunbaroansig beutfi^e gür=
ftcn om 28. Mai 1199 oon Speier aus an ben ^apjt
ri^teten, toorin [ie i^re früheren Mrnberger Abmachungen
befräftigten, bie SBa^I ^^ilipps anaeigten unb bie 9ied^te
bes SReic^es fe^r flar gegen bie bes ^apftes abgrensten.
3ebo(^ gerabe in bem folgenben ^a^xt erj^eint bie ftau=
fif^e Sa^e im $Riebergange begriffen, bem SBelfen er=
öffnen \iä) neue Hilfsmittel unb 3^iH^t ^^^ Stimmung
mancher gür[ten ft^Iägt um, beren per[önli(^e §abgier
Don ^^ilipp ni^t ausreic^enb befriebigt ujurbe, unb of)nc
roirüi^e gro^e SBerlufte löei^t boc^ ber Staufer Iang[am
3urü(f, am roeiteften im ^a^u 1203. (£5 i[t, als ob bie
XIngunft bes Sä)id\als i^m au^ äeitroeilig bie 5lraft ge=
lä^mt ^abt.
ajlit ber SBenbung 3um Üblen üerlnüpfen [i^ brei
Sprüche 2BaIters (fi. 19, 17. 16, 36. 17, 11), bie (dmtli^
als 2Bamungen aufäufa[[en finb. ^m erften rebet er ben
5lönig an unb teilt i^m mit, biejenigen, roelc^e i^m naf)e*
[tünben, sieben i^n ber ilarg^eit; er ma^nt i^n, bafe in
feiner Stellung Spar[amfeit unflug [ei, benn er verliere oiel
me^r baburd^, als er etv)a ausgebe. Au^ geroinne er \iä)
Anl^anger nur burd^ freiwillige Spenben. Das öeifpiel
bes milb^n Salabin foll i^n belehren, ber ba [pra(^, eines
Äönigs Sänbe müßten löcherig [ein; barum für^tete
unb liebte man i^n. Unb löelc^e Summen l^at ni^t
bas engli[^e SBol! für [einen 5^önig SRic^arb fiötöenl^erj
besa^lt, um i^n aus ber ©efangenf(^aft ju lö[en? (£r
oerbanfte bies bo^ nur [einer oor^er bexDie[enen 5^eigebig*
feit. (£s i[t bas Sc^enfen tin $Ra(^teil, mit bem man
Sroei 33orteile erwirbt. Unb roieber rü^mt er bem
7*
92
5lönig ^l^ilipp bic „$0lilbc'' als eine Saat, bte boppelte
gxiit^t trage. Sie ]^at für ^lleianber alle 5lei^e ber
SBelt erobert. Serber (inb bie 23er[e, in benen SBaltcr
auf bas bö[e S(^irffal ber htihtn Qxkä)x]ä)tn 5lai[er 3\aaf
tttngelus unb ^llexius oenoeift; bie ^i^ilipp Der[(^u)ägert
unb im S^nuar 1204 abgefegt loorben roaren. Gs lag
fonjt ni^t in ber SBeife bes reii^en Königs ^^ilipp, 3U
fargen, allein na^ unb nai^ erf^öpften bie immenoä^ren*
ben ©aben hoä) auä) bas große [taufif(^e Sausgut. 2Bie
genau SBalter unteni^tet loar, ]k^t man aus [einen
na^ften Strophen. (£r ^at es oortreffli^ erraten, menn
er auf bie mächtigen 5iei^sbien[tmannen Sübbeut[^Ianbs
Seigt (2, 83, 14) als auf biejenigen, benen oielc 3Dflängel
oon ^^ilipps ^Regierung sujure^nen feien; bas roären
f^Iec^te 5Rat|^läge, bie gut anfingen unb Bös enbeten.
Dem Sänger ge^t bte £age bes ^Reit^es 5u Sersen, er
flagt, fo [^limm fel^e es aus, als toenn bas (Enbe ber
SBelt {(^on oor ber 2üre [tünb^. OTe 3^^^" fünbigen
es on, felb[t bie Sonne ^at ii^ren Si^ein aufgegeben
(Sonnenfinftemis oon 1201), ber SBürgerfrieg bri^t alle
23anbe bes Slutes, ixtiht ben 35ater toiber ben Sol^n, htn
33ruber loib^r ben Sruber. Die (5ei[tli(^en [outen uns
ben ^fab 3um gimmel öffnen, aber i^r Jßeben betrügt
i^re Äel^re. Überall ^err[^t (Seroalt, [ie oertreibt aud)
bas SRe^t oom Stuhle bes 9?i(^ters (ß. 85, 25). „So
[inft ber 9lu^m bes beut[(^en SReic^es ba^in. (£in[t toar
es bas ma^tigfte, fein ^Rac^bar erroies [ic^ als feinb*
feiig, ber ni(^t be[iegt rourbe unb es büßen mußte, ^e^i
i[t bie[e (g^re gefc^rounben." SBalter [ie^t au^ ganj
flar, roeld^e äRa^t be[onber5 ber [taufi[(^en Sai^e [c^abet,
unb er Der[äumt ni^t, [ie offen ju nennen.
$Rac^ langem unb oor[i(^tigem 3ögem f}attt nämli^
^ap[t 3i^"ö3en5 III., ber im 3<inuQr 1198, er[t [iebenunb*
93
^i^ßißiö 3^0^^^ ölt, hm römtf^en Stul^l befticgen \)aiU,
im grül^Itnge bcs Z^^^^s 1201 huxä) bk (gntfcnbung bcs
Äarbmallegatcn ©utbo con ^räne[tc na^ Dcutf^Ianb
fn bem 3:5ron|treitc gartet ergriffen. Da^ er ]i^ für
Otto ben SBelfen entf^ieb, moi^te man nic^t anbers cr=
wartet l^aBen. (gehörte bo^ ^^ilipp htm Saufe ber
8taufer an, bas oon je^er b^r Rixä)t feinblii^ gefinnt
mar, unb befanb [i^ fclbft no(^ in bem Sänne, ben er als
SKanbatar feines Snibers $einri^ unb als Sersog oon
2^uscien huxä) St^dbigung ber päpftli(^en So^eitsred^te
im ©ebiete bes 5^ir^enftaates auf (i^ gelaben l^atte. Hnb
enblic^ 3eigte \iä) ^^itipp tro^ perfönli^er grömmigfeit
hex bem früheren fd^riftlic^en SBerfe^r roenig geneigt, oon
ber burc^ bie Xrabition feines Saufes il^m oorgesei^neten
Stellung bes toeltli^^n Oberl^auptes absugel^en. 2Bas
fonnte ber ^apft geroärtigen, toenn er bur^ feine Unter*
ftu^ung bie 2Ra(^t b«s Staufers ausbe^nen ^alf? Somit
f(^eint es gans oerftänbli^, bafe ber ^apft, bem es ni(^t
gelungen roar, beibe X^ronbeioerber gum SBersi^t 5U be*
toegen, nun hk (gntf^eibung in bie eigene S^^i^^ nal^m
unb Otto anerfannte. 3w9^^i<5 f^fete er auä) alle f^on
betDö^rten TOttel ber firc^Iic^en (5en)alt für bie Sa^e bes
2BeIfen in SBemegung. Dabur(^ fteigerte [i^ bie (£r=
bitterung bes Rampfes, unb ooll tiefen S^merges fprai^
SBalter, all bas Unheil überfc^auenb, in einer 5lrt SBifion
(£. 9, 16): „^it meinen ^ugen fa§ i^ flar, roas aller
Sßelt ©el^eimnis loar, fo halß \ä) mer!t' an jebem Ort
ber 2Renf^en So^i>^l" u^^ ^^^ SBort: gu 9?om, ba prt'
iä) lügen, stoei 5lönige betrügen. ^Daraus entftanb ber
größte Streit, ber je gefc^al^, oorbem bis l^eut, als [i^
begannen 5U entjroeien fie beibe, Pfaffen unb hk 2akn.
!t)a5 mar bie '^ot ob aller 9^ot, benn £eib unb Seele lagen
tot. Die Pfaffen müßten \i^ gar fe^r, bo(^ enbli^ loarb
bcr £aien mc^r. Das S^toert nun legten jene nielver
unb griffen 3U ber Stola toieber: [te bannten, bie fie
roollten, unb niemals, \At fie follten. SUan fronte bort
fein ©ottesl^aus. Da ^ört' \^ fern in einer 5^lau5 ein
lautes SBeinen bitterlich ; ber illausner grämt' unb l^örmte
[i(^, ©Ott flagt' er all [ein ferneres £eib: 0 toe^, ber
'^(xp\i \\i no^ 5u jung; ^ilf, §err, je^t beiner (£^ri(ten]^eit!"
Sotoeit finben toir SBaltcrs $Berbinbung mit 5lönig
^^ilipp in feinen Sprühen bejeugt. 3"^ 3al)re 1204 trat
bie groge SBenbung ein, toeld^e ^l^ilipp 3um Serrn oon
Deutfd^lanb ma^te unb feinen ©egner in einen 2Binfel
bes ^ßimatlic^en Srbes trieb. 5Rad^einanber fielen bie
gürften oon Otto ab, fein eigner 33ruber oerliefe i^n, bie
beutf(^en Stf^öfe machten fi^ los oon bem SBefe^le bes
^apftes unb traten gu bem Staufer über. W\i ein paar
5^iegsfa]^rten toar ber Sieg für biefen entfc^ieben. 1207
traf bie päpftli^e 9[Riffion in Deutf^lanb ein, beren '^xat^
es mar, grieben mit ^^ilipp 3U fd^liefeen. anfangs 1208
fanb bie ^usfö^nung ftatt. 5lber ein smeites Sllal binnen
3c§n Salären traf ein finfteres ®ef(^id bas Saus ber
Staufer unb roarf es oom erreichten 3t^l 3urü(f, ftürjte bas
5Rei^ in SBerroirrung. Söfe Xraumgefid^te ^titten es ben
9Jienf(S^en oor^er oerfünbet: am 21. 3uni 1208 tourbc
^^ilipp in ber ipfalj 3U ^Bamberg burc^ Otto oon 2Bittels=
)d(3i^ ermorbet. Das gange beutf^e 33olf, ja bie SBelt,
[(i^üttelte ein (Sntfe^en ob ber ungeheuren greoeltat. 2ßir
pren nid^t, n)ie 2Balter oon ber ^ßogeltoeibe bur^ bas
gur^tbare fic^ ergriffen fül^lte, ja feit ^^il^PP^ glänjen^
bem ^uffteigen ift uns nichts über fein ißerl^ältnis gu i^m
belannt. (£s ift barum pufig angenommen ujorben, 9Bal=
ter fei no^ früher 3U bem SBelfen übergetreten, fo erfläre
fi(^ fein Sc^toeigen über ^^^lipps !Iob. 5Iber abgefe^en
oon ber Unflu^^eit, beren man ben Did^ter bann gei^t,
f
I
95
njenn man il^n btc ftaufift^c gartet aufgeben läfet eben
bamals, ba fie ben unbeftrittcnen Steg an i^re gähnen
fe[felte, liegt gar fein 3^ii9"i5 für biefen 2Be^(eI Dor.
SBalter roar in bie Dienfte bes ßanbgrafen §ermann oon
3^pringen getreten, aber ni^t bauemb, er ((^iDeifte im
Süben um^er, als ^l^ilipps i^riegs^aufen 1203 ^^pringen
grauenl^aft oerrDüfteten unb an bem armen £anb bie ltn=
treue feines ©ebieters rösten. SBalter !am barna^ an
ben tl^üringifd^en Sof 3urüd, mo^te \>k ^ebrängnis feines
$erm il^m ni^t 9?ürffi(^ten auferlegen? (Es bebarf gar ni^t
bes legten ^usfunftsmittels, nämli^ ber SBermutung, 9BaI=
ters Jßieb auf bie (Brmorbung 5lönig ^^ilipps fei uns
oerloren gegangen; atlerbings maä)t es ber Staub ber
Überlieferung bei unferen roi^tigften altbeutf(^en Saugern
u>a]^rf^einli(^, halß wir ^itmli^ oieles unb geroi^ auc^
SBi^tiges bur^ f^ltmme 3ufäne eingebüßt ^aben. —
Öberblidt man htn SBerlauf b^r 2a\)xtf bur^ hk 2Bal=
tct roie ein Serolb bes 5Rei(^es, roie ein Senbbote jener
ftaufif(i^en gürftenpartei oom Xage 5U Speier im 3^ter*
effe i^önig ^^ilipps roirfte, fo barf es uns mä)t erftaunen,
ujenn roä^renb all biefer SBirrniffe; biefes S^roanfens aller
©ef^ide (Q. 102, 29) in ber S^ele bes Diesters bie Sel^n-
fu(^t na(^ ber teuem §eimat waä) rourbe. (Er fpri^t
fie aus in einer fd^önen Stropl^e (£. 84, 1) : brei Sorgen
erfüllen il^m bas Scrj: um ©ottes Sulb unb bie JÖiebe
feiner $errin: hk britte bereitet il^m ber u)onnenrei(f|c
$of 3u 2Bien. Da ftarb 9?einmar, bes Serjogs Sanger,
unb SB alter feiert in 5U)ei tiefempfunbenen Sprü(^^n bes*
felben Xones (ß. 82, 24. 83, 1) bas SInbenfen bes aRei=
fters, Diellei(^t belebt oon ber ftillen unb ni(^t unbef^ei=
benen Hoffnung, bafe nun für i^n eine beffere Stätte
in SBien fi^ roerbe finben laffen: „SI(^, bafe SBeisl^eit,
frol^e 3^genb, bes SRannes Sc^ön^eit, feine Xugenb,
bod^ nicmanb erbt, loenn t^m bcr £cib crftirBt ! %t%i flagt
tDo^l man^ erfahrner 5[Rann, bcr b«n SBcrluft crmc[[cn
fann, rocld^ feine 5^unft, 9teinmar, mit bir oerbirbt. Don!=
bor (Erinnern follft bu ftets genießen, roeil bu nic^t einen
%Ci% ooriiber lie^ejl fliegen, an bem bu ni^t gerühmt
ber grauen feine Sitten. Sie mü|[en immer banfen beiner
3unge. 2Bar' bir au(^ nur bas eine fiieb gelungen: »SBo^I
bir, 0 SBeib, u)el^ fc^önes SDSort!*, bu ptteft fo für Jie
geftrittcn, \>Oi\i alle grau'n für bid^ 5U ©ott um ©nabe
follten bitten." — „Sei (Sott, 9?einmar, bein 2^ob [(^mergt
mi(^ Diel tiefer als ber meine bi(^, menn bu no(^ lebtejt,
unb i(^ u)är' ge[torBen. 3(^ toill es ganj aufri^tig Jagen:
Di(^ felber toollt' i^ Taum beflagen, bie eble 5lunft beroein'
i(^, bie mit bir oerborben. Du toufeteft aller 2ßelt ben
frol^cn SJlut 3U meieren, menn bu 5ur greube beine IRebe
tt)ollte|t lehren. W\^ fj^mer^t, "ti^x^^ \t%i bein 2Runb
fd^toeigt unb bein füfeer Sang, unb ba& [ie ftumm ^eroorben
no^ \it\ meinem fieben. %^ ^ätteft bu nur eine 2Beile
gugegeben, i^ toär' mit bir gefommen, benn mein Singen
bauert nid^t mel^r lang. " 3<^ toünj^e beiner Seele §eil
unb fage beinen fiiebern I)anf."
SBalter ift bann tDirflit^ roieber einmal na^ öfter^
rei^ äurudgefe^rt. tltus ber Z^\i biefer 2Banberfa^rt
[tammt au(^ bie einjige Urfunbe, toelc^e i^n nennt. 2Bolf=
ger Don (Sllenbre^tsfir^en, Sifc^of üon ^affau, fpäter
<Patriar^ üon ^Iquileja, l^at im $erb[t 1203 eine 9?eife
nad^ 5Rom unternommen, um \\^ ujegen feines Anteils
oxi einer 5lunbgebung ber $Bi|(^öfe toiber ben ^ap[t 5U
re^tfertigen. SBas er unb fein $offtaat auf biefen unb
anberen ga^rten ausgegeben ^aben, bas ift oon einem
5^ämmerer auf elf ^ergamentblättern üerjei^nct toorben,
bie fi(^ 1874 im Stabtard^ioe ju (Eioibale fanben. Do
roirb nun jum 12. S^ooembcr 1203 ätoeimal angemerft,
bofe her Stf(i^of bcm Sänger 2BaIter üon ber SßogcItDctbe,
[offenbar nac^ einem SBortrage, ein jiemlit^ beb eutenbes
®elbge[(5enf l^at oerabreid^en laffen, bamit er \\i) einen
^el3 !aufe.
^n bem $ofe 5U 2Bien tritt SBalter 5unäc^[t als 5Bit=
tenber auf, er fpri^t ben $er5og Jßeopolb an (£. 20, 31) :
Das ©lüdstor ift cor i^m gef(^Iof[en, überall regnet es
Spenben, i^m mirb fein 3^ropfen juteil; möchte bo(^
bie SJJilbe bes dürften aus £)[terrei^ au^ bes Sängers
gebenfen ! 3^ einem anberen Spruche (ß. 25, 26) banft
er für erhaltene ©aben unb rü^mt ben SBiener §of, ben
SRei^tum, ber ^t\ b^n geften bort fi^ ausbreitet: Silber
toirb gef(^enft, als ob man es auf ber Strafe fänbe,
9?o[fe, als röenn [ie ßämmer wären. 3" biefen frol^en
Xagen toar es rool^l au^, too SBalter, burd^ einen ^oeten
aus ber ^rooence angeregt ober i^erausgeforbert, bas
^errli^e ^reislieb auf Deutf(^Ianb fang, bas einen Sö^e=^
punft feiner l^öfif^en 5lunft be3ei(^net unb me^r als ein
anberes feiner ©ebic^te basu beitrug, feinen S^amen in allen
©auen bes 5?ei^es l^eimif^ 3U machen ; melbet boc^ einmal
ein SBote, ber bem §errn Ulri^ oon fiie^tenftein eine freu=»
bige 5lunbe bringen loill, bies bur(^ bie erfte Strophe bes
Diel gefungencn Siebes an. 5Rod^ ^eute ergreifen uns bie
Dollen Harmonien biefer 35erfe, begeiftert uns bie SBater=
lanbsliebc bes Dichters unb mac^t unfer gerj pl^er
fc^lagen. So fang SBalter (£. 56, 14) :
3^r mü^t fpred^en: fei roillfornmen!
benn ber 5Reues fünbet, bas bin i(^.
^lles, roas i^r fonft oernommen,
bas ift nur ein Sau(^, je^t fraget mi(^ I
2)0(^ oerlang' \^ Spenben :
toixb mein ßo^n re^t gut,
98
bann erjäl^r \(i) no^; mos eu(^ oicl I)e[[er tut;
ölfo lagt nun (gieren an mic^ loenbcn!
Dcutf(^e grauen roill 16) klaren
fol^c iBotf^aft, bafe fic toctt unb breit
ftetgen in ber $ölen[(^en (£]^ren:
um geringen Solb tu' i^ Sef^eib.
SBas roollt' i(^ an (5e[(i^enfen?
[ie [inb mir gu l^el^r,
barum füg' x^ mid) unb bitte um nichts me^r,
als ha^ (ie mic^ mit liebem ©rufe bebenfen.
33iele £änber l^ab' x(i) [c^on gefe^en
unb mi(^ an bic §ö(^ften borl geroanbt;
möge Bö[es mir gefd^e^en,
ptte je mein §er5 als rDai)x erlannt,
ha^ il^m mö^te too^^I gefallen
fremben SBolfes Sitte.
^(^, tDos plf's mi(^ auc^, loenn'id^ für anbre ftritte?
2)eut[^e ^rt bleibt bo^ üoran in ollem.
SBon ber (Elbe ^in bis an ben ^R^ein
unb 3urüd bann gar gen Ungarlanb,
ba mögen wo^l bie SBeften fein,
bie \d) jemals auf ber 2Belt no(^ fanb.
Söerfte]^' id) mxä) aufs Schauen,
auf ^n[tanb, eblen £eib,
bei (Sott, fo f(^n)ör' xä) mo% bafe l)ier ein 2Beib
mir lieber i[t als anbermärts hk grauen.
Deutf^e äRönner finb' xä) too^lgeaogen,
ganj ben (Engeln gleich b^r grauen ^rt.
SBer [ie j^mä^t, f)at fi^ betrogen,
baoor bleib' iä) allejeit beuja^rt.
99
2^ugenb; ebler £iebc Sinn,
toer bte ftnbcn toill,
ber fu(]^c fte in un[erm fianb, er fommt ans greubcnstel.
^öä)t' xä) noc^ re(^t lange leben brin!
Das i[t nic^t me^x ber Dieter, b^n Xrabition unb
5lun[tübung an einen engen i^teis üon Stoff unb gorm
iDiefen, bas ift ber SReifter beutf^en Siebes, erfahren unb
t)om Sc^idfal geprüft, gehoben von ebelftem Stolse auf
5)eutf(^Ianb, als beffen ^Bürger er \iä) fü^It. 2Bie er in
biefent ©cfange erf(^eint, fo follen röir uns SBaltern für
5lat[er unb 5leic^ tätig benfen : ous ben (Empfinbungen, bie
er l^ter funbgibt, f(^öpft er StRut unb 5lraft für feine poli*
lif^e ^beit,
3unäc^ft aber geleiten u>ir i^n an ben Sänger^of i>es
fianbgrafen ^ermann.
VI.
in Thüringen. Wolfram von erdienbadi
unmutig unb freunblt(5 ift bie mäk £anb[^aft mit
il^tcn grünen Sügeln, lieBItd^cn Zähm, SBurgcn, 5^Iöftcm
unb X)örfcrn, we\ä)e in alter 3^it 3;^üringen l^ie^, eine
„golbene ^ue'', in ber bamals no(^ 2Bein idu(^5, bur^
befc^eibcnen S^murf rei^DoII. Dort loeilte SBalter üon
ber SBogeltöeibe mel^rmals, oud^ 3U längerem Ittufent^alte.
CBr fagt es uns felbft, 2Bolfram nennt i^n bort unter ben
Sangesgenoffen, unb toüfeten loir's auä) nid^t, jo müßten
toir es bo^ o ermuten, htnn bem [(^roeifenben Sdnger roirb
bie SBartburg mit i^rem milben §errn unb i^rcr glänjen«
ben Sof^altung ein toilüommenes 3ißl geroefen jein. £onb*
graf ßubtoig ber Giferne, aus ber Sage uns rool^lbefannt,
l^atte bie ®ütermaf[e 3uf ammeng ebrac^t unb mit fefter
Sanb ht\)txx\^i, roeld^« i^m gur ©runblage einer ma^tigen
unb ange[e5enen Stellung tm 9lei(^ biente. SBon [einen
Sö^ii^^ föfete il^m junä^ft £ubn)tg, jubenannt b^r
gromme, bann na^ baffen 2;obe 1190 ^ermann. Diefcr
toar f(^on in feiner 3ugenb ein Jreunb beutf^er T)ic^tung
getoejen, roie geinric^ oon Söelbefe in feinem (Epos, ber
„(gneibe'', oon i^m rühmte, unb ^atte auf feiner 5Reuen*
bürg an ber Hnftrut einen 5lreis oon Sängern um fi^
I
Dcrfammclt. Salb iDurbc bcr t^üringtf^e Sof ein 9KtttcI=
punft für ^oe[ie unb 5lunft; unb mo^te au(§ unter ben
Sparen oon gal^renben, ©el^e bie greigebigfeit bes
ßanbgrafen on^og, man^ [(^le^ter SDlann unb elenber
(Souller [ein, es befonben [t^ bo(^ au^ bie beften Dichter
babet; bie 2)eutf^Ionb in jener ^Blütegeit [einer Jßiteratur
befaß. X^üringen felbft roar ni^t arm an Sängern. (£5
gab eine ©ruppe abeliger SJlinnebi^ter bort, \At man bei=
na^e als eine Sd^ule auffaffen barf, an i^rer Spi^e gerr
Sug oon Salsa. 2ßtr fennen [ie feinestoegs alle, unb oon
einjelnen ift uns gar 5U menig überliefert, aber bafe ein
£i)ri!er u)ie $einri(^ tjon 50iorungen, bie[er l^enlic^e
9Kenf(^, xri il^rer '^xiit [te^t, mag fij^on ausrei(^enb i^re
SBebeutung ertoeifen. TOgcmat^ rüdfte bie neue pfij^e
(gpif in ben Söorbergrunb am §ofe bes Jßanbgrafen. Sein«
x\6) Don SBelbefe oollenbete bort [ein SBerf, SBolfram oon
(E[^enba^ trug Wt 23ü(^er [eines „^ar^ioal" oor, toie [ie
ent[tanben, Serbort oon gri^lar bearbeitete für [einen
gür[ten bas „£ieb oon Xroja", bas Reifet, tmt große
poetif^e (£r5ä]^lung 00m trojani[^en i^riege, Ittlbre^t oon
§alber[tabt bi(^tete auf ber "^t^^yxx^ Ooibs W,ti(x^
morp^o[en in beutf^e S3er[e um, ein 3^ii9^i5, roie bie
fla[[i[(]^e 23ilbung, bie roir in bem tprtngif^en S0linne[ang
burt^bliden [e^en, au(§ bie lHi(^tung bes (Epos für einige
3eit be[timmte. Selb[t ber junge, 1200 geborene £anb=
graf Äubroig ^OiXCb no^ in 23erbinbung mit SBalter oon
ber SBogelioeibe, u)ie txxit furse SÜlal^nung aus [päter ^txi
(£. 85, 17) uns betoei[t. Das Drama gelangte er[t im
oierse^nten '^Q^x^yxxCtitxi an bie Jiei^e, bas große 9K9[te=
rium oon ben sel^n S^i^öf^^i^ß^ er[(i^ütterte bur(^ bie ©e*
ujalt [eines eoangeli[(^en Stoffes bie Seele bes £anbgrafen
griebri^ bes greibigen (1322).
3fli^t jeber ^nlömmling ©irb am $ofc oon 2:§üringen
102
gleich na(^ [einem 2Bert erfannt unb ri^tig einge[rf)ä^t
iDotben [ein, 3u arg max ber 3ulauf fa^renber Sänger,
er[t na^ unb naä) famen aus bem ©eroine ber Stimmen
bie reinen oollen %öm ber ebel[ten ^oe[ie jur ©eltung.
So ^at es aud) SBalter einmal um[on[t Der[u(^t, i[t mi6=
mutig toeggegangen unb l^at hti irgenbeinem 5Ra^bar=
für[ten [einem ^rger über bas Speftafel £uft gemalt. Gr
[agt in einem Sprudle (ß. 20, 4): „2Ber etroa in bem
Dli)x an bö[er i^ranfl^eit leibe, bem rat' i^ [e^r, ba^ er ben
Sof 3:^üringen5 meibe: benn, fommt er ^in, getoig, er
toirb betäubt. 3^ ^cibe mitgebrängt, Us i^'s ni^t me^r
oermag. Die ^Rotten fahren ein unb aus bei S^Iat^t unb
3^ag; ein SBunber [(i^eint's, menn man ge[unb ha bleibt.
So i[t's um bes Jßanbgrafen Sinn bemenbet, ba^ er [ein
®ut mit 5lämpfert)olf Der[^rDenbet, oon bem ein jeber gern
ein 9taufbolb mäx'. ^ix i[t bies all^u l^o^e 2Be[en funb:
unb galt ein guber gutes 2Beines tau[enb ^funb, es [tünbe
bo^ !ein 9iitterbe(^er leer." ^ber einige 3^it [päter barf er
]\^ [d^on „bes milben £anbgrafen 3^ge[inbe" nennen
(fi. 35, 7), unb er prei[t [einen ^errn als ben gür[ten,
be[[en greigebigleit [tets gleichbleibe, inbes [ie bei anberen
Don ber ßaune abfange, unb [(^liefet mit bem pb[^en
Silbe : „2Ber ^euer [penbenb prallt unb roieber farg roirb
über's Z^\)x, bem grünt unb bont [ein £ob roie Sommer*
Ilec. X^üringens Slume leuchtet aus bem 2Binter[(^nee,
[ein 5?u]^m blü^t fort unb fort unb je^t toie ba er jung
no$ loar." SBalter tritt nun au^ mit gans anberer
Si^er^eit auf. So maxnt er ben £anbgrafen (Jß. 103, 13),
er möge [ein wk ein u)ei[er ©ärtner, ber bie feinen 5^räu*
ter tDoi^l ht\)ixUt, bas Hnfraut aber unb be[onbers bas
üppige Domge[träu(^ ausrobet, loelc^es alle anberen (5e=
wä6)]t oerbrängen toill.
(Es i[t too^l einer aus ber Sc^ar ber ?fu[^er, bie
i
103
[id^ an ben fianbgrafen marfien unb \id} roiber bic lua^ren
T)\ä)Ux übcrJ^ebett; ben SBaltcr einmal als „§ert SBic*
mann" anfährt (£. 18, 1) : er [olle ]iä) bas ni^t beüom-
men laffen, tDol^loerftanben, ba^ er bte ilxinft ber äReiJter
[töre: benn tote ber SBeisen jur Spreu, fo »erhalte fic^
SBalters fiieb 3U fernem. Sßä^renb SBalter bie SBelt mit
[einen (5e[ängen erfreut, läuft $err SBicmann in ber 3^re
toie ein 3<i9^5ii^^ ouf fal[(^er gä^rte. Unb toiber bie
ganje 5lla[[e feiert [i^ SBatter im Flamen ber 5^ün[tler,
ujenn er üon ben S(^reiem unb £ärmma(^em [pri^t
{2. 103, 29), bie \iä) ni^t 5um S(^tt)eigen bringen Ia[fen,
[onbern unbeint tDeiterM^sen : „3<^ unb ein onbrer Xox,
mix brüllen in [ein ü^x, ba§ nie ein Wönd) im d^ox [o
greuli^ ^at ge[d^rien." Wan merft aus bie[en Xenien, bafe
Sßalter ]iä) 5U ben ©ebietem im 9teic^e [einer i^un[t rec^*
net unb mit bem Steigen [eines ^n[e5en5 \xä) au6) bie
[eIb[tbeiDu6te Überlegenheit über bie 5lleinmei[ter angeeig=
mi ^at Die anbere Sorte üon Hnru]^[tiftern am Sofe,
jene ber 5lrippenreiter unb abeligen Su[^neppcr, ^at
SBaltem in ein unangenehmes Abenteuer oertoidelt, für
bas er \iä) mit ein paar boshaften Sprühen, einer re(^ten
^robe mittelalterlicher S(^ma5oer[e, [^ablos l^ält (fi. 104,
7. 82, 11). ein §err ©erl^arb Itt^e nämlic^ ^at bem Diener
unb ^Begleiter bes Dichters 3U (£i[ena^ ein 9to6 im SBerte
öon brei SJlarf Silbers er[(^o[[en. Darüber jur 9{ebe ge=
[teilt, ent[c^ulbigt er [i^ — [o läfet i^n Sßalter, entrü[tet
über bie $offart bes 3un!ers, [agen — bie[e5 ^ferb [ei
jenem oertoanbt getDe[en, bas i^n ein[t in ben Singer
gebi[[en ^dbt. Der Dieter leugnet, bafe bie beiben 5Ro[fe
Derroanbt roaren, unb bietet \i^ 3um (&iht bafür an.
(£in 5rDcites IDlal rät er [einem ilnappen, in (Ermangelung
eines anberen ^ferbes auf $erm ©erwarb ^^en 3U $ofe
5U reiten, unb gibt babei eine lä^erlic^e unb arg [^impf=
104
Itc^c 93cf^retbung üon bcm ^usfcl^cn bes IRittcrs, bic
gctDtg an bcffcn totrüt^c (£r[^emung ontnüpft.
2ßaltct ^at toentgftcns nod^ ein fitcb in ^^l^üringen
gelungen, bas töir aber niä)i beji^eU; von bem uns nur
2Bolfram im „'^ßat^inaV bie erfte 3^ilß anführt: „®uten
3:ag, il^r 93öfe unb ©ute", aller 2Ba]^r[^einli(^feit na^
toar au^ bics coli ^eiteren Spottes. Hub ferner: loenn
SBolfram anbertoärts oon neuen Xänsen fpri(^t, bie aus
X^üringen gefommen finb, fo mirb man rool^l SB alter für
beren 5lomponiften galten bürfen unb bamit Don ber
SBa^r^eit ni^t arg abirren, ^^^^sfalls l^at SOSalter jelbjt
in 3;pringen üiele 5lnregungen empfangen: S^lac^roirfung
Seinri^s con SDlorungen lä^t fi^ bei i^m aufseigen, [ein
eingiges ^,3:agelieb" ift üiellet^t SBolframs energifi^em
25orbilbe 3U banfen, unb au(^ bas grotesfe „SBo!al[piel"
(£. 75, 25), eine tttn^äufung fraufer Silber, bie in fünf
a^tjeilige Strophen auf hk langen ^Heimoofale ä e i 6 ü
5u[ammengepre6t [inb, fann [einen n)unberli(^en Sumor
Don SBolfram ableiten. Das (inb jebo^ nur unbebeutenbe
(ginjel^eiten, eine Diel tiefer greifenbe (Eintoirfung l^at 2Bal*
ters inner[tes 2Be[en bur^ SBolframs gewaltige ^er[ön*
lid^feit erfal^ren. —
2Bolfram oon (£[^enba(^ i(t ber größte beut[^e X)i(^=
ter bes S^Wttelalters. (£r [tammte oiellei^t aus einem
abeligen (5e[^le^te bes bai)ri[(^en S^orbgaues, mar jeborf)
arm unb tool^l [(^on bes^alb toä^renb [einer 3^19^1^^ "^^^
im[tanbe, [i^ bie äußeren ©runblagen ber Silbung an=
Sueignen: er ^at nie le[en unb [^reiben gefonnt. Die
^rmut ^at i^n auä) seittoeilig gesroungen, fein fe[tes $aus
5U SBilbenberg, too 2Beib unb 5^inb i^m lebten, ju oer=
la[[en unb als fa^renber 9?itter über fianb 5U sielten. 2Bir
n)i[[en nur oon einem längeren Aufenthalte SBolframs om
Sofe bes fianbgrafen $ermann oon 3:]^üringen, aber er
105
f)at gciDtfe auä) anbcrtDärts gemeilt, einmal in ber Stcicr*
mar!, bic er genau fennt unb wo, mk üBer^aupt in ben
©auen ^nmxö\Unn^5, [eine Sßerfe Soben faxten unb
[o ins Jßeben einbrangen, ba^ famtnifc^e unb [teiri[^e
^Ritter, 3. fS. bie mächtigen Stubenberger, balb bie ^Flamen
unb 2Bappen aus 2BoIframs $auptepos in i^ren gamilien
i^eimif^ matten. Überall roirb er Stüde aus [einen er=
aä^Ienben Di^tungen oorgetragen ^dbtn; beren (Ein*
teilung in SBü^er unb in fleincre ^b[d^nitte ^atte er nit^t
nur für bie Sd^reiber, benen er btftierte, angeorbnet, [on*
bem [ie mar i^m au^ ein 9Ka6 für [eine poeti[^c Arbeit
unb für [eine 2:atigfett als $Re5itator. (£r i[t ni(i)t [e^r alt
geroorbeu; ctroa um bie[elbe 3ßit geboren roie SBaltcr,
aber vox bie[em geftorben, ungefähr 1220. Der %oh ^at
if)n Ui ber 5Irbeit üb€rra[^t, benn [ein „Sßillel^alm'' i[t im
neunten f&uä) [teden geblieben, unfertig unb abgebro^en.
2Bir be[i^cn oon i^m [on[t no(^ tm oollenbetes (Epos
„^aräioar' in [et^je^n SBü^ern, mit mc^r als 24000
S3er[en, 5iDei epi[^e Jßieber aus bem 8agen!rei[e oon
„^^iturel" unb [ieben lr)x\]ä)t (Sebi^te. Seoor loir ben
S^öpfungen bie[es Susannes naiver 3U treten [u(^cn, [ollen
etli^c 93emerfungen über bas 2ße[en ber ritterli(^en (£pif
überl^aupt oorgelegt toerben.
Dos beutf(§c 5öfi[(^ (Epos ^at ni^t glei^ ben alten
Di^tungen ber §elben[age [eine 2Bur3eIn im SBolfe, aus
frcmbem ©oben i[t es aufge[pro6t, es l^at au^ nic^t toie
ber 3Kinnefang eine oolfstümli^e 23or[tufe, ]^ö(^[tens in
bejug auf bie gorm, ha bie oier^ebigen ^Reimpaare für
poeti[c^e (Ersä^Iungen [(^on lange im ©ebrau^ loaren.
^^nlii^ ber gei[tli(^en ^ro[a unb $oe[ie bes beut[^en
TOttelalters entlehnt au^ bas l^öfif^e (Epos [eine Stoffe
ber fran3ö[i[^en SBilbung, über[eöt unb bearbeitet bie lRo=
mane, loelc^e in gran!rei(5 3ur Unterhaltung ber ritterlid^n
©d&ÖTtBotö, SBalter toon ber S?oaeItPcibc. 8
(5efcIIf(]^oft bientcn. 23cfanntlt(^ gehört bic grogc äRc^r^
3al^I biefer 5Homanc in 33crfen ben fcltif^-brctonif^en
Sogenfrcifen an, bie meift t^ren 5DlittcIpunft in bem cin=
jtigen $elben!önig ^rtus unb in feiner 3:afelrunbe au5=
erlefener ^Ritter ^aben. 3«ber einselne biefer 5lämpen
befi^t feine fabelhafte ©ef^ic^te, in ber fic^ bie alten
irifc^en SOlärc^en gans merfroürbig oerf^Iingen; biefe finb
mit bem Äftoanbe ber eigentümlich üppigen ^^ontafie bes
SBoIfes ausgef^mürft, bie uns f^on feit ben Anfängen fei^
ner i^nltur in 5^unft unb £egenbe fic^tbar roirb. ^ber
biefe feltif^en ©ef^it^ten aus 3rlanb, SBales, S(^ottIanb
unb ber Bretagne, bie auf ben alten 2Begen bes 9Bein=
^anbels fübroörts gelangt roaren, geben gemiffcrmafeen nur
bic rollen 33roden Stoff Qi^, fie roerben oon ben norb=
fransöfif^en fafirenben (Srsä^Iern ju ebleren ©ebilben um=
geftaltet. Diefe Sänger leifteten bamit eine fel^r bebeutenbe
geiftige 5lrbeit, bie man getoö^nli^ unterf^ö^t, roo^I bes=
^alb, roeil man fo roenig roeig, roie fie 5uftanbe gefommen
ift. Sie orbnen bie t)eru)orrenen Abenteuer, fut^en einen
fortlaufenben gaben in bem SBirrfal ^ersuftellen, grup=
pieren bie (Sreigniffe um einen Selben ober oerbinben fie
roenigftens epifobif^ mit i]^m, bef^neiben bie allerärgften
5lusu)ü^fe, tilgen bie f^limmften 2Bieber]^oIungen, rüden
bas ©ange aus bem $intergrunbe unfultioierter 33er^ält=
niffe unb barbarifc^er 3urtönbe in eine not^/ immer mar^en=
^afte, aber bo^ bem ßeben i^rer '^t\\ unb i^res ßanbes
beffer angepaßte Umgebung. CBrforbert f(^on bies alles eine
ganj er^ebli^e Xätigfeit, ©ilbung unb ^Begabung, fo ift
CS bo^ no(^ ber geringere Xeil oon bem, u)as biefe Dichter
9florbfran!rei(^s unb i^re 33orgängcr, fa^renbe Grsä^ler,
loirfli^ an bem feltifi^en ^to^material getan ^aben.
Hm nämli^ i^rc ©cfi^ic^ten für ben ©ef^mad bes
ritterli(^en ^ublüums juäurüften, ^aben fie ben 3i*foTn=
r
107
mcn^attg 3rDif(^en ben einjelncn abenteuern, bte 33erfettung
ber für ]iä) überlieferten 33orgänge bem £eben i^rer eigenen
3eit abgeborgt. Der abeltge IBurg^err, roel^er auf ber
i^reujfa^rt na^ bem Orient gebogen ift, bort jal^relang
fämpft ober in bie ©efangenfi^aft ber Sarajenen gerät;
injiDifd^en umlagern lanbgierige 9la(^barn hk SBittoe ober
(Erbto^ter unb roolten fie 3U einer i^r unangenehmen 2}er=
mä^Iung sroingen; ber 9?itter, ber 3U einem großen Xur=
nier ausfäl^rt unb babei allerlei Si^limmes gu über [teilen
5at; ber junge $elb, ben man ruft, bamit er für eine
^artbebrängte grau ben re^tlic^ geforberten S^^eüampf
leifte; alle biefe unb no(§ oiele anbere [inb giguren unb
SP^otioe, bie aus ber SBirflic^feit entlehnt finb unb oon i^r
nidji roeiter abfte^en als bie ilunfttoerfe ber 3öuberburgen
bes (Epos Don ben auf franjöfifc^en S(^Iöffern il^rer 3^xi
iai\ää)li^ oor^anbenen. Darum [inb hk ^rtusepen granf^
rei^s, 3um minbeften in i^ren 23inbegliebern, groar ni(^t
^iftorif^e, roo^I aber Sdkpm. Deshalb finben ]\ä) aber
auc^ biefelben SKotiDe fo ^äufig in hen oerf^ieb^nen 9?o=
manen loieber, bilben förmlich einen epif^en %ppaxat, ber
Don einem Stoff auf ben anberen übertragen toirb, ein
gemeinf^aftli^er 5?af)men für bie 5lRannigfaItigfeit fel=
tif(^er äJlärd^en. ^uf beren Umgeftaltung unb 3toüi[ie=
rung Reiben (olc^erma^en bie Gpüer im 9Zorben oon granf=
rei^ i^re poetif^e 5^raft geroenbet; bie 5lun[t u)urbe an
ben Stoffen geübt, weniger an ber gorm. Selten rei^t
bas Talent toeiter, unb auä) ein [(^öpferifc^r ^oet roie
Greftien be ^^roies nimmt nur fc^roa^e Anläufe jur (£5a=
ra!teri[ti! feiner giguren, begnügt ]\ä), ein äu^erli^ ri^
tiges Silb ^öfifc^er ©efellfc^aft 3U liefern, o^ne \xä) in bie
Seelenjuftänbe feiner Reiben fonberli(^ 3U pertiefen.
Die fran5öfif(^en (£pen in biefen 5^i^tungen loeiteräu«
bilben, bas übernehmen nun bie bcutf^en (Erjö^Ier. Sie
8*
108
tun bas fd^on bei ben erften Anfängen, tDcI(§c um bie
MxtU bc5 3tDöIften ^a^xlfunhexU unb am Sflieberr^iem ]xä)
ftnbcn als frül^cftc Senbboten hts ctniDanbcrnben fran$ö«-
fif^en 9ttttertum5; no^ bcm ^öfifc^en SDltnncfang roraus*
cilenb; f(^on fie vtx]uä)tn, bic §anblungcn p|9d^oIogt[(^
3U moliotcrcn. J)as fällt 3tcmli(§ ungcf^idt aus, aud^
nod^ im 2^ri[trant bes (Sill^art üon Obcrge, cr[t gerrn
§einrid^ oou SBelbefc gelingt es, bie ^nalt)fen oon Stim*
mungen unb Überlegungen in htn eptf^en 93eri^t l^inein*
gutragen, dm Run]i, bie üon ben Iijrift^en SJlinnebic^tern
bereits geübt tourbe. $artmann t)on ^ue ma^t in feinem
eigenen (Enttoirflungsgange \o\ä)e Stufen burc^: bur(^
geiftli(^e unb juri[ti[(^e 5BiIbung fotoie burc^ bie 33ertraut=
^eit mit allen 5lünften bes ^Rittertums tool^I oorbereitet,
überträgt tx im „(£rec" nod^ unfrei unb unbe^ilfli^, waf)'
renb ein paar Heinere SIrbeiten unb bie fortgefe^te Pflege
ber £t)rif feine C5aben fo ausbilben, ba^ er im „^loein"
ein SReifterftücf fein burt^gebilbeter (£r3ä]^Iung unb ^öfifd^er
ilonüerfation 3U bieten oermag. Das Söc^fte jebo^, toas
in ritterlicher (£pif an unb für fi^, innerhalb bes ©efi^ts«»
freifes ber (i^tvaUxk, geleiftet toerben fonnte, bringt ©ott*
frieb -Don Strafeburg 3uftanbe. Sein 2Berf ift ein $rac^t=
gemälbe poetifd^ aufgefaßten 5RitterIebens, burd^ Silbung
Dcrfeinert; bie 33orf(^riften l^öfif^er S^^^ (i^^ feinen Sel=
htrt fo ins 93Iut gebrungen, bafe fie fi^ 3um Xatt gefelligcn
SBerfe^rs ausbilben; ber 5lomfort; ber feiner 3^^* mögli^
roar, ift barüber ausgebreitet, ©ottfriebs Sprache ift ge=
f^müdft unb jierlic^; 3UtDeiIen artet bie (£Iegan3 ins Spiele»
rif^e unb ©emac^te aus, in feiner 23orIiebe für bie TOe=
gorie merft man bie SJhifter ber ürc^Ii^en Sc^riftfteller
unb a^nt bie fommenbc bürgerliche I)ibaftif. ^ber ©ott*
frieb ift bo^ oor allem Dieter, unb er ^at bie ^öfif^e
TOnne, bas 3^n^nim feines (Epos, 3ur 2kht, ber menf(^«
109
\id)]Un aller £cibenf^aften, ernjcttert unb Dertteft, ^r l^at
t^r eine unu)ib«rfte^It^e ©etoalt oerlte^en, tote erft bte
mobeme ^oe[ie [ie toteber auf bte Sa^n gebracht ^at
greili^ entrürft er 3^riflan unb 3foI^^ ^^^^ ^^^ Symbol
ht5 3ou6ßi^ti^önfe5 anfc^eincnb aller fittlii^en S3erantu)or=
tung, tut aber hie l^eutige Dichtung anbers? Sie bebtent
\xä) feines fo äu^erlt^en äRittels, bo^ [teilt [ie hk fittli^e
2Biber[tanbsfraft ber 2)^enf(^cn fo ge[c^rDä(^t bar, [teigert
hingegen bie Wa^t bämonifc^er £eiben[c^aften [o fe^r,
böfe ber einselne um ni^ts toeniger toillenlos feinem S^ttf=
[al l^ingegeben [(^eint als büs berühmte ßieBespaar bes
Stragburger 9Kei[ter5. 9lur bürfen iDir nt^t oerge[[en,
ha^ ©ottfrieb eins Doraus^atte : inbem er ein Ieiben[(^aft=
li^es (Sefül^l fo in allen [einen ^5a[en bür[tellte, ^at er
ben gansen S^l^alt ber rttterlii^en 5[Rtnnepoe[ie bereit
^ert, auf eine gemein[(5aftltd^ ©runblage gehoben, unb
[omit po[itiD als bic^teri[c^e S(^öpfung aufge[tent, roas
bie gei[tr)on[ten fir(^Ii^en ^[g^ologen [eit langem huxä)
negatioe 5lritif ju erreichen ]\ä) bemül^ten. Sein 2Berf i[t
roal^r^aft ein Seelengemälb« im $Ha^men ber Jßebensfor^
men ]^öfi[$er SBilbung.
SBie bie f)öä)\U Slüte ritterli(]^en 3Jlinne[anges in ben
Jßiebern 2BaIters uon ber SBogeltoeibe nur jutage tritt,
inbem ^öfifd^e 5liin[t unb bie ur[prüngli^e Rraft oolfs*
tümli(^er Jßiebe5poe[ie [i(^ burt^bringen unb ju neuen
Schöpfungen oer[(^mel5en, [o ge[(^te^t es auc^ in ber
§öfi[c^en (£pi!. ge^lt SBolfram t>on (&\ä)tnbaä) auf ber
einen Seite bie feine ©Übung unb ge[ellige ©eroaubt^eit
©ottfriebs, [o geniest er anberer[eits augerorbentli^er
5Bor5üge: er [(^öpft aus b«m Som ber SßoIfspoe[te unb
SBoIfsüb erlief erung mit oollen Sänben, feine tä)tt unb
lebenbige ©läubigfeit, [ein [tarfes rcligiö[e5 (Sefül^I, t)er*
leiten il^m einen gans unoerrüdbaren ^la^ in ber [ittlid^en
110
SBcItorbnung unb geben i^m einen [teeren 9Jiafe|tab für
bie ^Beurteilung feiner poetift^en Ct^araftere an bie §anb.
So tft ber ^^^arjiüal" nit^t blofe ein 23ilb ritterli^en £e=
bens, in ooller breite unb 2^iefe ausgeführt, er ift 3U=
glei^ ein 5BiIb bes Sßeltlebens überhaupt, [teilt bie gröfe=
Un Probleme menf^Iit^er Arbeit bar unb reif)t \\ä) fomit
roenigftens ,im 35orfa^ unb (Sntrourf ben bebeutenbften (£pen
alter unb neuer 3^tt an. 9BoIfram ]^at einige pra^toolle
üiebeslieber doII feltener Rraft unb ©ebrungenl^eit ge=
bietet, bie an Dantes Vita nuova unb an bie Sonette
50li^el 5lngeIos erinnern, er ^at bie sartefte £iebespoefie
in ben „3^iturer'Iiebern uorgetragen, er ^at bie praftift^en
unb gef(^t(^tli(5en 5lufgaben bes ^Rittertums in feinem
„SBille^alm" ^u f^ilbern unternommen, aber bas 3^^trum
feiner gansen £eiftungsfä]^ig!eit, ber 5Brennpun!t, in bem
alle 9?tc§tungen feiner geiftigen 5lröfte sufammenfallen,
ift unb bleibt hod) ber „^araiDal".
S(^on t)u 93eu)ältigung ber äußeren S^toiertgteiten
babei toerft unfer (Erftaunen. (£in Dichter, ber niä)i lefen
unb f^reiben fann, ber alfo einen ungeheuren Stoff ge=
bäc^tnismäfeig in fic^ aufnimmt, ber biefen aber in fol(^em
©rabe burc^arbeitet unb bewältigt, bafe er i^n mit fpielen=
ber ßeid^tigfeit bisponiert, ha^ xf)m nur gan3 geringe S3er=
ftöfee bei ben 3a]^nofen ^erfonen unb Üeinen Gpifoben be=
gegnen, ber aber au^ alles fo überblidt, ba^ er mit ooller
Souoeränität £i(]^t unb S(^attcn oerteilt, einjelnem Sc=
beutung beilegt, anberem nimmt, bie Sliaffe oon einem
®efi(^tspun!te aus 3U einem riefigen Ü^elief orbnet, bas,
oon ujenig 93?ittelfiguren ausgel^enb, immer mc^r mit ben
rei(^ften Details [lä) oerbreitert unb enblit^ in einen fagen=
haften Sintergrunb unb in eine gel^eimnisoolle gerne auf=
gc^t — ein folt^er Did^ter gebietet über eine Summe oon
gä^igfeiten unb geftaltenbcr 5^raft, hk uns mobernen
I
111
Sä)wää)l\nQtn foloffal erfc^eint. XInferc Setounberung
mu6 no^ [tctgen, roenn toir bes genaueren uns überseugen,
mit u}el(5 liebeoDlIer Sorgfalt 2BoIfram bte fleinften
3^ebenperfonen, irgenbetnen unbebeutenben knappen, einen
glei^gültigen 9^itter, eine pla^füllenbe Statifttn bef)an=
belt, mt er fie alle plaftif^ j^erausarbeitet, alle mit inbi=
Dibuellen 3^9^^ ausftattet, i^nen fieben lei^t oon [einem
ßeben. Itnb bies alles in ber richtigen ^Ibftufung, o^ne
bali bie mistigeren ober gar bie $auptgeftalten feines
SBerfes au(^ nur ein Strichelten einbüßten, bas i^rer lBe=
beutung 5u!ommt. Do^ fänben mix bes Greifens fein
Gnbe; tDoIIten toir in bie (ginsel^eiten biefes rounberoollen
Sßerfes uns oerfenfen; bel^alten u)ir lieber bas $aupt=
Problem im 5Iuge.
^arsioal, ber So^n eines großen ritterli(f|en §elben,
ber im 2Rorgen= unb ^benblanbe (i^ ^Hu^m unb 5^önigs=
gut gewonnen §at, roirb mit TO[i(^t hnxä) feine StRutter t>on
ber i^m oorbe[timmten Jßaufbal^n abgehalten, in einer ein=
famen SBalbroüJte unb in r>oll[tänbiger SBeltfremb^ett
erjogen, nur fein feines, roei^es ©emüt entu)idelt fi^. 5Ils
bas (5e[Sid i^n ^iitausruft in bie 2Bclt, begebt er erjt alle
gel^ler eines jungen reinen 3:oren, er ma^t ben Ruxs
ritterli^er Silbung bei bem teuren 93^ei(ter ©urnemana
bur^, erringt fi^ als ^reis ^öt^fter Xapferfeit SBeib
unb Rrone, toeil er aber an Söertrauen unb ©e^orfam gc=
iDö^nt ift, folgt er hd htx großen (Gelegenheit, bie fi^
i^m auf ber Surg oon SO^ontfaloäfd^e barbietet, lieber
ben oberflä^li^en 33or[(^riften pfifc^er 3uc^t als bem
antrieb ebelfter, menf^lit^er (Empfinbung, er unterläßt
bie entft^eibenbe, mitleiboolle grage unb hülßt eben bar=
über bas p(^fte ©ut ein, htn 23efi^ bes ©rales. 2Bcil
i^m bann au(^ bie gebü^renbe ^alme ujeltli^en 5?itter*
tums, bie ^^eilna^me an ber 3^afelrunbe bes 5lönigs 3lrtus,
t)er[agt roirb; [inft er in tiefes, stDeifeboIIes brüten,
verliert bte fi(^er auf \\^ [elbjt geftcllte (Einheit bes SBe*
fens, bas 3^^^! altgermam[(^er öelbenf^aft, unb gerät
in 3ioiefpalt mit ©ott, ber il^n, ben oermetntli^ j^ulblofcn,
fo l^art geltraft ]^at. ^ie toü[ten ^benteuerfa^rten finb
fein SBufetDeg, aber jur rechten CBrfenntnis feiner Stellung,
3ur (ginlel^r in fic^ felbft, 3ur ^usfö^nung bes inneren 3rDi*
ftes, jur Serftellung bes (5Iet(^getDi(^te5 feiner Seele bringt
i^n erft ber IRat feines Dl^eims, bes ^riefters Xreüre^ent;
bie XInterrebung ^t\ ber Sinfiebelei, ein mit uollenbeter
Äunft fomponiertes ©efprä(^, ift bes^alb ber $ö^epun!t
bes ©ebi(]^tes. $Run oerftel^t ^ar^ioal bie eigene 6ünb'=
]^aftig!eit, oerji^tet auf bas eitle prangen loeltli^en lRu5=
mes, toenbet \\^ gu t)emut unb (gntfagung unb ertoirbt
babur(^, roas er oorbem vergebens angeftrebt l^atte, bas
5löntgtum bes (5ral, bie SBoIIenbung irbifc^en ©lücCes.
Hnera^tet biefes Gnbes ift „^aräioal" fein geiftlic^es,
v\6)\ einmal tvx religiöfes (£pos, obgroar man nie l^attc
oerfut^en follen, in biefem fati^olifd^eften aller Dieter bas
SKitglieb einer ftillen eoangelift^en ©emeinbe oor ber 5Re*
formation ausaufinben. 5Reine ilRenfc^Ii^feit unb ec^t
frommes (Smpfinben, bas finb für 2Bolfram Segriffe,
bie in eins fallen, ^arsioal mad^t feinen 2Beg aus lin*
bif^er iRaiüetat bur^ bie SBerbilbung gefellf^aftli^er
äflobe unb Difaiplin, burc^ bie Prüfung l^arter Selbftpein,
3U einem geläuterten äRenf^entum. (£r tritt bie ^fabe,
bie Dante burt^ bie SBilbnis unb bas 3nferno empor 3U
ben lichten gö^en f^ritt, bie lange na^ il^m ber Simpli=
jiffimus eines Did^ters gegangen ift, ben bie grauen=
oollen 3ettumftänbe im beften 2ßa(^stum gefnidt :^atten,
unb bas gröfete ^t\A^i bes neuen Deutf^lanbs, ©oet^es
gauft, es roeife für ben S^lufe ber Dinge feine anbere
fiöfung, als SBolfram fie gegeben §at.
113
Dtcfc grogartige (Srfaffung ber 3^^!^ ^^^ menf(^=
It^cn ßcbens, bicfe (ErtDeitening bes $ort5ontc5 [einer
3eit, DJäre SBoIfram ni$t mögli(^ getoefen, toofern er ni^t
an b^r 33oI!sbt(^tung, an bem (£rbe germanift^en (5ei[le5,
iDäre genal^rt unb 5erange5ogen toorben. Das [tedt nun
bei i^m nxä)t fo fel^r in b^n 51nfpielungen auf bie beutft^e
Scibenfagc, in Derein5elten Flamen baraus, es ift in ben
inncr[ten 5lern [einer Dichtung aufgenommen. 2Bie ^ar«»
5toaI enblic^ totrb, na(^bem er burd^ b<is prüfenbe g^uer
gefommen i[t, fo '^at bas alte SBoIfsepos ]iä) [eine größten
Selben gebarst. Die SD^ilbe, bie SBei^l^eit; roeli^ ^arjiDal
ausjeit^net, bas i[t bie gruc^t bes (£;]^ri[tentums ; baburc^
[treiben [i^ ©ermanen unb Deut[^e. ^m genaue[ten er=
fennen loir ben 5lnteil ber 5BoI!s|)oe[ie an SBoIfram in
feinem Stil. 3^^^ i[t ^^^F^^ fo per[önli^ als er irgenb
fdn fann, aber fein inner [tes ^rinjip unb [eine au6erlic^=
ften (Sigenl^eiten oerbanft er bod^ glet^ermaßen ber iBoIfs*
bi^tung. SBoIframs SBilbfraft i[t fo energi[(^ unb üppig,
bafe [ie \xä) [elb[t [(^äbigt. 2Benn er [i^ bemüht, alle inne=
ren SBorgänge in äußere umjubilben — natürlich entnimmt
er [eine 5BergIei(^ bem, roas il^m 3unä^[t liegt, unb barum
l^at man too^l ge[agt, er „oerrittere" bie 2BeIt — bafe er
3uer[t unb anlegt nac^ 5ln[^auli(^!eit [einer Dar[tenung
ringt, bas lernt er bo^ roieber ron ber ^oe[ie ber ffal^ren»
ben, bie SBoIfram in il^rem 2Bert erfannte, bie aber bie
5öfi[(5en (gpifer unbeachtet am SBege oerborren liegen.
3Tt anberen 9KitteIn [eines Stiles, in bem breiten Dialeft,
tritt SBoIframs inbioibuellc 5Irt [tarier l^eraus unb ni^t
3U [einem S5orteiIe. SlRan merft überall hti i^m, bag bie
SBilbung feiner Sä^e [i^ ber ilontrolle [eines kluges cnt«
30g : oertDidelte 5lon[tru!tionen, bie anbers auslaufen, als
[ie anfangen, Doppelbe3üge oon SBorten unb ^5ra[en,
oeriDorrene Übergange [inb bei i^m gan3 getoö^nli^. Die
114 c^
Dunfel^citcn bcs ^usbrudes, roel^e babur(^ entließen —
tDcnnglctc^ fie bcn (£rn[t [eines SBeJens bem £efer tiefer
einprägen — finb bod^ ein roirflic^es ^inbernis ber S5er=
ftänbigung mit i^m. Das ift aber au^ bas einjige, roas
hxt I)eutf$en oon l^eute 3u i^rer (£nt(^ulbigiing t)or3ubrin=
gen roüfeten, toenn man [ie be5i(^tigte, hal^ fie ben gri)6ten
Dichter i^rer S^orjeit üernac^läffigt im Sßinfel (teilen Ia([en,
[tatt [i(^ [einer in gerej^tem Stolse oor aller SBelt ju er*
freuen. SBolfram forbert Stubium, er forbert (Sifer unb
Eingabe, er lo^nt l^inrüieberum fönigli(^; bie (Segentüart
aber i[t fo bequem unb ^at ein [o furjes ©ebärm, bafe (ie
\xä) ber Mü^t ent[c^lägt, einen Dichter [i^ ansueignen,
he]]^n SBerfe bas Eigentum aller S^ulturoölfer iDären,
^äiU er bas ©lud gehabt, in Dantes too^lfliefeenber
Sptaä)t ju reben. — Die[e (£in[^altung [oll nid^t ge[c^lo[[en
roerben ol^ne ben Sintoeis barauf, bafe 2Bolfram unb (5ott=
frieb [ii$ mit aller S^ärfe gegen[eitig befe^ben, ein SBor=
gang, ber ni(^t nur bie überlegte ^^[tigteit i^rer 5lunjtan=
[i^ten beseugt; [onbern no^ aufs erfreulicfifte melbet, toel^
feines 35er[tänbni5 für bie[es (Ebelgut ritterlicher (£pi! [i^ in
ben 5lrei[en ber §öfi[^en (5e[ell[^aft ausgebilbet l)atte. —
^n 2Balters S^iö^ti^ loar es 9?einmar, ber [einen
Sinn lentte unb bie 5^un[t i^m eröffnete. 5Run ha SBalter
ein SRann geujorben i[t unb ge[^affen ^at, u)a5 innerl^alb
bes iBerei(^es [einer ®aben liegt, bie burci^ ©ebraut^^ unb
Übung [i(^ aufs [^ön[te ausbilben, nun tritt SBolfram an
i^n ^txan. (£s i[t ein ent[^eibenber SBenbepunft [eines
£ebens. Die beiben größten Deut[c^en i^rer 3ßit — bcnn
ilai[er griebri^ II. toar fein Deut[^er — [ie treffen [i^
unb toirfen aufeinanber, unb — o tDunberbares unb uner=
prtes 2Balten bes ®e[d^ides ! — [ie treffen ]xä) im fersen
t^res SBaterlanbes, an ber[elben Statte, too t)iele §unberte
oon 3^5^^^ bama^ bem beut[c^en 33olfe aus (Slenb unb
115
5Rot ein Stern aufging in feiner Dichtung. (£5 fällt uns
mä)t \ä)mex, 511 erfcnnen, tüie ftarf in SIBalters £ieb^rn unh
Sprüd^en ber Ginflufe feines greunbes SBolfram tätig ilt.
2Bir finben feine SDlerfmale in ben Silbern unb (5lei^=
niffen, beren fi^ SBalter bebient, in feinem (£rn[t; in feiner
gefe(tigten Sittlic^feit, aber au(^ in feinem §umor, in feiner
oolfstümlit^ ^eiteren SBeife unb Sc^alf^aftigfeit, ni^t
minber jebo^ in feiner Humanität unb in ber ftärfer 5er=
Dortretenben religiöfen ®e[tnnung. Der gro^e Dichter,
ber gemäfe ber 931einung eines begabten S^lai^ai^mers beffer
rebete als je ber 2Runb eines fiaien, SBolfram t)on (&\ä)tn=
ba(^, er ^at au^er bem eigenen 2ßerfe feine eblere Spur
5urü(!gelaffen, als bc^ er im ^Tustauf^e ber greunbf^aft
feines ®ei[tes einen Xeil an 2ßalter, ben Sangesgenoffen
aus t)fterrei^, abgab; hingegen empfing er oon beffen
unmittelbarer grifi^e unb ausbauernber 3^genbli^feit
ben ^Infporn jur gortfefeung unb 33onenbung [eines un=
[terbltc^en SBerles.
YII.
Hm Welfenhofe
SBäl^rcnb ollentl^albcn im 3{t\ä) bte Älagen erfc^ollen
über bcn plö^lt^en 3^ob bes ilönigs ^^iltpp uitb au(^
feine (Segner, rote ^rnolb ryon £übe(f, bem ©efc^iebenen
bas 3^^9^^s tiefer 3^rauer na^fanbten, flieg ber Stern
bes 2BeIfen xa]ä) njieber empor. Otto ^atte bte legten
3o^re teils als glü^tling in ben r^einif(^en ©rensgegen«
ben, teils auf feinem braunft^toeigifc^en (grbgute oer=
bra(^t; alles l^atte i^n oerlaffen, fogar fein Sc^u^^err,
$apft S^no^ens III. 9^n trat er aus feiner unfreiroilli*
gen (Einfamfeit ^erüor, unb ba er ber einstge X^ronroerbcr
im gelbe loar, f^on gefront, unb bie ©unft bes ^apftes
fofort fi^ i§m roieber juroaubte, feine ^(nl^änger fi^ uon
neuem um i^n f^arten, fo fanb er toentg Si^toierigleiten
unb balb allgemeine ^Tnerfennung. %uä) bie ftaufifc^e
Partei Öübbeutf^lanbs lieg ftc^ für i^n geroinnen, ob*
glei(^ mit SBorbe^alt unb o^ne innere Siii^ß^Öii^Ö; toeilte
hoä) ber le^te Sprofe bes §aufes, no(^ ein i^nabe, als
Äönig in Sisilien unter ber SBormunbf^aft feines päpft=
liefen Jße^ens^errn unb behütet oon einem SRate etferfüd^*
tiger ©rofeer. Diefer ©unft ber Xlmftänbe oerbanfte ber
2Belfe bie unbestrittene ©eroalt als beutf^er 5Unig unb
balb bie 5^aif erfrone. (£r entbehrte ni^t ber (Eigenfi^ften
p
117
pcr|önlirf)cr 2;ü^tigfett, er mar ein ^o^geroa^fcner ftar^
fcr Sert, tapfer, ja oertDegen, in ritterli^en Dingen lüo^l
geübt roie [ein 9}orbilb, ber O^eim SRid^arb ßöroenl^ers,
bef[en £iebling er gen)e[en tüar. TOer tote biefem fehlte
aud^ i^m bie rechte ma^DoIIe illug^eit, er mußte (i(^ beim
Eingriff ni^t 311 bänbigen unb feine 3^^^ abjutDarten unb
geigte ]\^ be[[er im Xlnglüd, mo [eine $artnädfigleit unb
3a^igfeit i^m mehrmals 3u[tatten fam. aUan barf i^n
faum einen Deutf(^en nennen: für fran3ö[i[c^e5 unb eng*
Ii[d^e5 (£rbe t[t er in [einer 3^19^^^ ^erangegogen morben,
ber 2:0b ilaifer $einri^5 VI. er[t mar bie Pforte, mel(^e
il^m Deut[(^Ianb erft^Iofe, unb je^t mürbe [ie il^m bur^ ben
ebenfo unermarteten Eingang eines anberen Staufers aber*
mals geöffnet. Otto mar §art unb gemalttätig, l^o^fa^-
renb, unb befaß ben [tär![ten 93egriff oon [einer i^önigs*,
no(]^ me^r oon feiner 5lai[ermürbe. Darum mar er ein
trefflt(5cr gen, bie (5e[epre(^er unb griebens(törer
Deutf^Ianbs im 3aum 3U galten, er breitete gurtet um
feinen ^Flamen unb ft^ü^te babur^ bie Sc^mac^en. ^ber
er mar gerabe bes^alb menig geeignet, aus einem biplo*
matif^en ilampfe als Sieger l^eroorguge^en, mo es ber
SBorfi^t,, ber 9Jläßigung, ber 5Ila^giebig!eit beburfte, gumal
in ben SBer^anblungen mit einem ©egner mie 3nno3en3 III.,
ber einer ber größten ilirc^enfürften mar, bie je ben Stu^l
bes ^eiligen ^etrus eingenommen ^aben. Das follte \xä)
alsbalb 3eigen.
Der ^apft begrüßte Ottos neue (Br^ebung mit greu*
ben, mar biefer bo^ bur^ lange ^^xt unb trübe Sc^id*
fale fein S^ü^Iing gemefen. So unternafim benn Otto,
als er bie beutf^en ^Ingelegen^eiten raf^ auf einigen $of*
tagen georbnet ^atte, f^on im ^uguft 1209 bie gal^rt na(^
9iom unb beeilte fi^, bie ^eißerfe^nte i^aiferfrönung 3U er*
langen. Sie fanb am 4. Oftober ftatt, nac^bem fid^ bie
118
Dciitf^cn bcn (£tn3ug in 9tom Ratten crgroingen müfjcn;
felbft iDöl^rcnb unb nat^ bcr 5lrönung gab es erbitterte
5lömpfe mit ben Bürgern bcr eroigen Stabt, bencn Otto
bie ]^erfömmli$en SetDillignngen unb ©elbfpenben oerfagt
l^atte. Das njar ein übles Omen für ben neuen 5laifer,
unb f(^nell erroa^rte es ]i^. ^t^i er[t (ollte bie (£ntf(^ci=
bung gefällt werben über bie [trittigen (Sebiete 9PlitteIita=
liens; ob [ie 5um 5Reic^sgut ober gum Äird^enftaat gehören
follten, unb ba seigte \iä) [ofort, ha^ bes i^aifers 5Ib[i^t,
ben italienifc^en 9?ei(^5be[i§ auf ben Staub 5urüd3ufü^ren,
ben er beim Xobe 5lai[er $cinri(^s VI. innegel^alten ^atte,
unb bes ^ap ftes SBor^abcn, bas Patrimonium ^etri ni^t
biofe 3U erhalten, fonbern au^ 3U oerme^ren, gönälid) un=
oereinbar u)aren. 3eber oon beiben befanb [i^ unter bem
(£influ[Je ber Xrabition [einer Stellung: Otto fonntc
nic^t anbers, obgleid^ ein SBelfe, unb i^erfu^r roie [ein
!ai[erli(5er 33orgänger; 3"no5en3 oertrat eben[o roie alle
^äp(te mit S'la^bnicE bas 3ntere[[e ber i^urie, [ogar oer=
möge [einer ^o^en Begabung unb politi[(^en 5lun[t be[on=
bers energi[(^. Der ilonflüt begann [d^on 1210, ba [id)
Otto immer beutli^er 3u einem gelb^uge gegen bas 5lönig=
rei(^ Sisilien rü[tete, bas er ber 9?ei(^sgeu)alt toiebcr
unterftellen toollte; bamit roäre au$ bie ©efa^r abge=
ujenbet geu)e[cn, bag ber [taufi[^e 3üngling bort 3um
^Rebenbu^Ier in 'Deut[(^Ianb loerbcn motzte. Der ^ap[t
ging toeit in feinen 3ii9e[tänbni[[en an ben 5lai[er, aber
bafe bie grü(^te [einer [i3ili[^en ^olitif oerni^tet rourben,
fonnte er ni^t bulben. So !am es 1211 jum Bru(^e.
Snnogens roanbte [ein äJlac^ttoort roiber ben unbanfbaren
Otto, er [(^idte Briefe in Italien unb Deut[$Ianb um^er,
wt\d)t alle Untertanen bes bem 5lai[er gelei[teten Gibes
entBinben [ollten, er ^atte au^ [oglei^ in gricbri^ oon
Sisilien einen neuen Bewerber um bie beut[c5e 5^önig5!rone
119
3ur ganb, bem ja eigcntlt^ fett ben legten 2^gcn Rdjcr
^ctnri^s unb feit tven bamals gegebenen 3ufagen ber
Jürften getotffe ^nfprü^e jtDeifellos 5uftanben. Otto
feierte, bur^ alles btes geängftigt, raf(^ naä) Deutf^Ianb
jurürf 1212, ftellte feine Autorität lieber ^er unb Der-
fieberte fi^ auf bem Xage 5U granffurt ber Xreue ber
roanfenben gürften. Soroeit roar alles gut, aber am
11. 5luguft ftarb bem i^aifer feine ©ema^Iin Seatrii,
.bur(^ bie er mit bem $aufe ber Staufer oerbunben toar,
unb er fanb fi^ ber f^toöbif^en §eerfoIge beraubt; bann
betrat bes ^apftes 3ö9li"9» griebrid^, f^on im Sommer
biefes S^fires ben beutfc^en ©oben. So entbrannte ber
5lrieg oon neuem unb roä^rte no^ ßroei 3ai^re, bes 2BeIfen
©lud jebo^ na^m ftetig ab, unb am 27. 3uli 1214 roar
mit ber großen 9ZieberIage Ottos IV. gegen 5^önig ^^i=
lipp ^uguft Don Srantreic^ hei Souoines bie beutf^e
5^rone für i^n oerloren, für Jriebri^ gefi^ert.
Die poIitif(^e Xätigfeit SBalters oon ber 35ogeI=
ojeibe beginnt roieberum, als Otto, mit bem Sänne bes
^apftes belaben, 1212 na^ Deutfc^lanb 5urüdfam, unb
innerhalb ber nä^ften ßdt ^at ber Dieter bie SBorgängc
mit aufeerorbentlit^er Xeilna^me ocrfolgt. (Er ftel^t auf
feiten bes 5^aifers unb gegen ben ^apft, eine Haltung,
bie oon oielen reic^streuen 50Zannern, au^ oon ©eiftli^en,
bamals eingenommen rourbe. X)cnn fie fa^en nur ßioei
3:atfa^en, bie aufeinanber folgten unb fi(^ bot^ iDiberfpra=
^en: ^apft Snnojenj ^atte bur^ alle TOttel ben roel-
fif^en Otto gegen ben Staufer emporjubringen unb 3U
galten getrachtet unb feinen ^rieben mit ^^ilipp erft ge»
mac^t, als fein S^ü^ing ausfit^tslos oerloren fc^ien;
jc^t roar bur^ eine plö^lic^e 2Benbung bes St^idfals
Otto bo^ 5laifer gemorben unb ^atte alsbalb bie ©nabe
feines ©önners eingebüßt. Da^er, fo fc^lofe man, ift
120
b^r ^apft jcbcs b^utf^en 5lönigs gfeinb; [ci et Staufcr
ober SBelfC; unb btc S(^ulb an bem 3ßi^^ü^^f"^ff^ ^^^^
fomit nxä)t Bei Dtto liegen. Xtm bie italienifd^e 9?ei(^*
politif; um ben 3iiföntmen[to6 fdferlic^er unb päpft*
lieber 3^*ßi^^Ifß^ i"i Süben fümmerten \iä) bie 9Jla[fen
nic^t; unb es i[t ungemein beseid^nenb; ba^ 2BaIter nie*
mals ein 2Bort barüber uerliert. Die beutf(^en grürften
unb 93i[(5öfe löufeten ganj tool^l, toie bie Saiden [taiiben,
unb fie ^oben fi^ auc^ oon Otto 3urü(!ge5ogen, fobalb
biefer feiner ^olitif bie oer^ängnisoolle 9?ic^tung gab
gegen ben ^ap[t, unb oornel^mlit^, fobdb er bie SBiebtr*
rereinigung Si5ilien5 mit bem beutf^en 9tei(5e getoattfam
anftrebte. Das tourbe bem SBoIfe im großen unb ganzen
gar nxä)i beutli^ fi^tbar, es lag 5U ferne unb berührte bie
$eimat ju roenig unmittelbar. Sßo^I aber lourben bie
böfen golgen bes neuen Streites 3U)i[(^en 5^aifer unb
'?ßap\t aufs bitterfte unb tieffte empfunben, bie Hnfit^er*
^eit unb 35eru)irrung, u)el(^e toieber ^ereinbra^en, ber
allerorten abermals aufflammenbe SBürgerfrieg. Hnb biefe
folgen tourben ber Serrfd^fud^t unb Sabgier bes ^apftcs
3ur £aft gelegt. 2Bir bürfen uns ni^t tounbern, bafe
Sßalter fo leibenfi^aftlic^ toiber ben ^ap[t auftrat, loenn
toir aus ben 2Borten eines unoerroerfli^en 3^^Q^^f ^^
3ilter3ienfers (£aefarius pon Seifterba^, erfal^ren, toie
fe^r oiele bamals in Deutf^lanb bas Sßorge^en bes Slßap^
[tes tabelten, unb toenn toir pren, ha^ ber gü^rer einer
römif^en ^belspartei es loagte, ben prebigenben ^^^nosens
mit bem 5?ufe ju unterbrechen: „'^ein SD^unb ift ©ottes
SRunb, aber beine SBerfe [inb SBerfe bes 3:eufels."
Dagu mufe ertoogen tDerbeU; baß überhaupt niemals
in Deutf^lanb bas 9{e^t bes ^ap[tes, über bie beut[c^
5^önigs!ron^ 3U oerfügen, roirflid^ anerfannt roorben toar ;
nur fanb^n bie &ur|ten, roelt^e htm jetoeils uom ^apfte
DeriDorfcncn Obcr^crrn fcinbfcltg toarcn, es fel^r in i^rcm
3ntcreffc, ben Sann bes ^apftcs unb [eine ftr(^ liefen gol«
gen als einen rDtllfornmenen ^nsgangspunfl il^rer ilämpfe
nnb als ein Silfsmtttel ausjunu^en. 2Baren bte 5ür=
(ten mit bem getoäl^Iten Äöntg snfrieben; oermo^te er
i^re 2Bünf(^e, bie mei[t auf (Enoerbung von 3^erritorial=
h^\i^ hinausliefen, 3u erfüllen, bann fc^abete i^m bes ^ap*
(tes Sann unb geinbf^aft gar nichts, geiftlid^ unb roelt*
Iid}e $erren oerfe^rten ol^ne S^eu mit bem (Eifommunt*
gierten, er tourb^ in bie Sixx^tn 3ugela[fen unb tool^nte
unbel^elligt ber SRejfe hti. Se^r feiten, ba^ ein i^ir^en*
fürft fein (5eu)i[[en bur^ bie 5lufna^me bes gebannten
i^önigs befi^roert füllte; toei^e ©emüter tote ber Sif^of
(Sarbolf Don Salberftabt mußten freili^ unter bem 3mk^
fpalt i^rer ^fli^ten gegen i^aifer unb ^ap(t un|ägli^
leiben. 2Btr feigen ein re(§t beutlit^es Silb biefer SBer=
i^ältniffe in ber ^Regierung ^^ilipp bes Staufers. (Er
töurbe üon ben beutf^en dürften jum ilönig geroö^It,
inbes er \\ä) im Sänne bes ^apjtes befanb. 'X)h §errcn,
bie mit ^^ilipp oerbunben roaren unb oon i^m gu getoin*
nen roufeten, [inb i^m unenttoegt treu geblieben unb achteten
b^s $ap[tes feierli^fte (£infpra(^c für nit^ts; auä) 5U bem
Abfall oon gürjten, ber seittoeilig ftattfanb, trug bes
^apftes ®egnerf(^aft nichts bei, unb [^liefelt^ ift ^^ilipp
als Rönig allgemein anerfannt roorben, fogar oon bem
eigenen Sruber Dttos, bem ^faljgrafen §einri^, o^ne bafe
ber Sann oon i§m genommen roorben toäre, unb ber ^apft
mufete ]x6) bequemen, o^ne 5Rürfii(^t auf biefen Umftanb
bie griebensoer^anblungen mit b^m Staufer ansufnüpfen.
Die i^önigsioal^l toarb eben als eine toeltli^e SRe^tsange*
legen^eit betrachtet, in bie bem ^apftc fein (Eingriff ^uftanb,
ebenforoenig als in alle Sefi^oer^ältniffe : unb toenn 3. S.
bie SRaoensburger megen ber (Ermorbung bes Sif^ofs
<S^5nBa(5, 9SaItet bon ber SBogeltoeibc. 9
122
Äonrab t)on SBürsburg (om 6. Dcjcmbcr 1203) oom Spaip'
|te für unfähig crflärt tourbcn, ficl^cn 5U nehmen, fo tuar
bas ein Schlag ins 2Baffcr, benn btc ^laoensbiirgcr [inb
no^ vou Dor als mä^ttgc §crren in i^rcm ^cimtfc^n Cöe*
biete perbliebett. S[Ran barf alfo getroft fagcn, im bama=
ligen Deulf^Ianb fonnte bie Autorität bes ^ap|tc5 für
roeltli^e Dinge nur bann mit (Erfolg geltenb gemalt wtx=
ben, fofern fi^ bie ^ntereffen einzelner ober ber Tlt^i^a^l
uon gürften in berfelben 9?ic^tung beioegten, fon[t ni^t.
X)iefe 5Berqnidung txxä)\x6)tx unb territorialer ?Ingelegen=
Reiten ift feine ifolierte ^iftorif^e 3^atfa^e, ^l^nli^es fin=
hd in frül^erer nnb fpäterer 3^it \^^^^t ^^^ ^^^ (5e[(^i^te
ber beutfc^en Ätr(]^enfpaltung bietet bafür f(^lagenbe ^na=
logien.
T)as mar alfo ber fefte 5Boben jeitgenölfift^er 33erf)ält=
niffe unb 5Infd^auungen, oon bem SBalter oon ber 33ogel=
tDcibe ausging. 3ii^ö(^ft rebet er mit brei jt^önen, in fi^
f^on bur^ bie gemeinfamen 5lnfangsröorte 5u[ammen^än=
genben (5prü(^en (£. 11, 30) ben Raifer Otto an, roie er
auf bem granffurter Xage (1212) bie gürften um ji^ oer«
fammelt, unb entwirft ein großes S3ilb faiferlic^er '$flaä)i
unb Serrli^feit. So fpri^t ber Sänger: „Serr Äaifer,
feib uns l^ier toillfommcn: ber 5^nigsname i[t i>on (£u^
genommen, brum glänjet (Eure ilron' ob allen Äronen.
Ss ift geioaltig (Sure Sanb unb fann bo^ fpenben;
iDollt 3^r 5ur (5nab' (£uä) ober 9?a(^e toenben, fo fann fie
beibes, ftrafen unb belol^nen/' Knb baran fnüpft fic^ eine
(Empfehlung bes SD^arfgrafen Dietrit^ oon äRei^en, ber
bem ilaifer befonbers treu ift: es ujäre leichter, einen
(Engel 3um Abfall oon (Sott 5U uerleiten, als i^n bem
5^aifer ju entfremben. ^m nä^ften Qpxuä) ftellt \xä) ber
Dieter als (Sottes gronbote i>or, ber ba fommt, um für
bas l^eilige £anb (5ere^tigfeit toiber bie §eiben ju bege^»
123
rcn unb bcn ildfer, beffen ma6)i noc^ uncrf^üttert f^tcn,
bamtt 5um Äreujsug aufjuf orbern : „Serr Äai[cr, x^ bin
§crrcnbot' unb bring' (£ud) SJlcIbung mit t)on C5ott: 3^t
^crrf^t auf Grbcn, er im Simmelrei^e, ^l^r feib (ein
5Bogt; brum f)k^ er mi^ (£uä) flagen, bafe je^t bie Sei=
ben i^n unb (Eu(§ 5U [^änben roagen in feines Sohnes
Jßanb mit böfen Streitigen. 3^n gönnet i§m ein [treng
(5eri(^t; fein So^n, ben nennt man 3efu5 (i^^rift, roie ber
es (£u(ö entgelten roill, ^iefe er mi^ fagen (tut gegen il^n
bo(^ (£ure W^t)> ^^ ^^^'^ ^^^ rid^ten, too er 33ogt einft
ift, roenn ^\)x ben 2;eufel aus ber Solle roollt oerflagen."
t)a5felbe 3:^ema f(^lägt ber htitU Spxuä) an, morin er
htn 5^aifer mal^nt, roenn er in Deutfd^lanb mit $ilfe bes
Stranges ben grieben Fiergeftellt ^abe, bann möge er fic^
an bie fremben ^eibnif^en 33ölfer mai^en, ba fei Üiu^m
5U eriDerben, unb Otto fei au^ gan5 baju gerüftet burc^
bie 5lräfte bes Äötoen unb bes ^blers, bie er als Seer=
5ei(^en auf feinem Sd^ilbe trug, als i^n ber ^apft ju 5Rom
frönte. 9^iemanb aus ben Reiben uermöc^te i^m ju roiber*
fte^en.
So gefeftigt f^ien bamals bie äRac^t Ottos, bag ber
Sänger es roagen burfte, i^m einen Rreujäug 3U emp=
fehlen; oielleit^t roar babei no^ bie Hoffnung im Spiele,
eine fol^e Seerfa^rt tonnte i^aifer unb $apft oerföl^ncn.
JJemer legt 2Balter 3U berfelben ßtii ein gutes SBort für
ben fianbgrafen Sermann oon 3:^üringen ein (2. 105, 13),
ber je^t bie ©nabe bes Raifers fuc^te, nac^bem er i^m
fürs Dorl^er entgegengetreten toar. SBalter roeift barauf
^m, bies fei roenigftens in offener geinbf(^aft geft^l^en,
iDö^renb anbere gürften perä(^tlii^eru)cife im geheimen
unb fi^ gegenfeitig oerratenb bie 2Biberfa(^er bes Äaifers
toaren. 9[Ran barf übrigens ni^t glauben, tceil aus biefer
böfen 3^^^ [o ^^^l ö^^^ ©efinnungsröet^fel ber gürften
9*
124
berietet wxxh, fei bie StttUc^fett bcs gangen SBolfes eine
mebrige getoefen; bas möre ebenfo unnötig, als toenn
^eute jemanb aus ben IBanferottliften htx 3citungen auf
bie befonbere SBertoorfen^eit bes gefamten ilaufmanns»
[tanbes ft^Iiefeen roollte. (£s [oll nid^t geleugnet toerben,
bafe b^r Sürgerfrieg biesmal toie überall — mit im alten
IRom, toie in (gnglanb toäl^renb bes Rampfes ber $öufer
ßancafter unb ?)orf — in ben ©emütem, befonbers ber
^anbelnben ^erfonen, SBerroirrung angeri^tet unb bie Sitt«»
li^feit gefc^äbigt ^abe; fonft l^atten nid^t bie beutf^en
Surften unb bie beutft^en 5lönige felb[t eibli^ gef^loffene
S^erbinbungen als blofe oorübergel^enbe OTiangen auffaffen
lönnen, bie mit grofeen ^nberungen ber allgemeinen £age
aufgelöfi unb ujtebir neu angefnüpft toerben fonnten.
TOer — unb bas ift bie gauptfati^e — bas Sßolfsgeroiffen
erl^ielt fid^ uuüerfel^rt : biefem gegenüber blieb SBerrat au^
35errat unb tourbe ni^t befc^bnigt; toer feinen Gib bra^,
^eimfte bafür öffentli^en 3^abel ein unb motzte fic^ bar=
auf gefaxt machen, bafe es il^m insfünftige nic^t fo leitet
toerben toürbe, einen uorteill^aften SBertrag ju f^Iiefeen.
2Bir finb barüber ^inlönglic^ aus ben (Sl^roniften ber oer*
fc^iebenen Parteien unterrid^tet, roel^e bie 3^reulofig!eit
ni^t blofe im gegnerifi^en JÖager fträfli^ finben, fonbem
fi(^ au(^ f(^arf über bie eigenen ^n^önger ausfpred^en.
Die $altung, roeld^e 3. S. bie großen S^^rbü^er uon
Rbln, 5lrnoIb oon Jßüberf, bie (T^ronif oon St. ^eter gu
(Erfurt, Otto oon St. Slafien unb anbere bei ber (£r*
jö^Iung ber SBorgänge jener ^al^re unfeligen Stiftes
einnehmen, getoä^rt uns hk Seru^igung, bafe ber fitt»
li^e äRafeftab bes S3olfes bamals fein fd^Ie(§terer toar als
^eute unb in ben lefetoerfloffenen ^Q^^^unberten : toei^ ^at
immer als toeife gegolten, unb f^umrs ift nie für ettoas
anberes als f^ujars gel^alten toorben.
125
Um bicfc 3c{t ift 2BaIter in Ronflift mit bem ariarl»
grafen Dictri^ oon SRcigcn geraten. SBorüber unb roie
bic ganse Sa^e perlanfen i[t, baoon l^ören toir gar ni^ts.
5Rur ücrnel^mcn loir (2. 105, 27), bafe 2BaIter biefen
Surften, ber, cingeflemmt pif^en Sö^men unb bem lanb*
gierigen Springer, eine befonbers Jd^toierige Stellung
l^otte, ber Hnbanfbarfeit befd^ulbigt, i^n an bie gelei[tete
$ilfe erinnert unb mit oerbedften Sorten i|m ben Dicnjt
fünbigt. Dur^ biefen Streit loirb au^ bie SBerbinbung
2BaIters unb bcs Sersogs ßubroig oon SBat)ern l^infällig
geiDorben [ein, beflen ©eft^enfe ber 9Karfgraf Dietri^
einmal bem Sanger oermittelt l^atte (ß. 18, 15).
SBalters Semül^ungen für 5laifer Otto fonsentrieren
fi$ in feiner 3:ätig!eit roiber ben ^apft. 3ioar mad^t er
3UDörb€rft bie ©eftnnung ber gürften oerantroortlit^ in
bem treffli^en Spru^ (£. 31, 13): „SBon grantrei^s
Seine bis ^in nac^ Steiermarl jur 9Kur, r>om ^o 3ur
3:raoe fenn' iä) aller SlRenf(^n Spur: bie meiftcn füm=
mert's ni^t, toie i^nen 3ufommt i^r ©eioinn. 2;at' i(^
roie fie, bann lebe roo^I, ge^' fc^Iafen, CBbelfinn! ©elb
mar roilltommen ftets, jebod^ es ging bie (EJr' bem ©elbe
no^ üoran, jefet ift bas C5elb fo ^e^r, hal^ es felbft ju ben
grouen cor bir (£]^re ge^t unb mit ben gürften M ben
ilönigen \iä) berät. SBie f^le^t bas römif^e $Hei^ um
(Selbes toillen fte^t! Du bift niä)i gut, o ©elb, an
Staube pngft bu hi^ 3U fe^r!" — Dann aber fonbert
SBalter \>tn ^apft t)on ben übrigen $errfd^aften ber 2BeIt
aus unb greift i^n für fi^ an, inbem er i^m 3uerft
Doppel3üngig!eit oorroirft (ß. 11, 6): „$err ^apft, fo
benf ii^'s gut 3u treiben, benn x^ mxü (Buä) gel^orfam
bleiben. 2Bir ^örten (Sviä) \>tx (S^^riften^eit gebieten, roie
fie bes ilaifers follte pflegen, ba 35r i^m fd^enftet ©ottes
Segen, bafe toir i^n ^iefeen ,§erm* unb oor i^m fnieten.
126
9lun tDoIIet btes unb anbcres nic^t Dcrgeffcn ! 3^^ [prac^t
ju i^m: ,2Ber auc^ bt(^ fegne, fei gleichfalls gefegnet;
roer bir fliK^t, fei gerietet mit einem glu(^e rei(^ gemeffen/
Xlm ©Ott, bebenft (£uä) je^t babei, halß 3^r ber Pfaffen
5lnfe]^n fo üernid^tet!" Hnb f(^ärfer ^af)xi ber Dichter
fort (£. 12, 30): „(Sott ma^t 5um i^önig, toen er roill.
Darüber tounb're i^ mi^ ni^t oiel, als £aie ftaun' xä)
an ber Pfaffen fie^re: roas fie befahlen no^i oor roenig
3^agen, bas roollen fie uns je^t ganj anbers fagen. Um
©ottes roillen unb bei (Eurer eignen (gi^re, fo fagt uns
boc^ in ^fli(^t unb streuen, mit loelt^er 9?ebe 3^r uns
5abt betrogen? Sei's mit ber alten ober neuen, bur^
eine l^abt ^^x uns belogen. 5llärt uns bte 2Ba^r:^eit auf
in i^rem ©runbe: jtoei 3ii^9^ti finb 5U oiel in einem
SKunbe." Hnb er oernjeift auf bas (goangelium oom
3insgrof^en (£. 11, 18), in bem ber $err bie trügerift^en
^l^ariföer entlarot unb tl^nen rät, ©ott gu geben, toas
©ottes ift, unb bem ilaifer, roas bes 5laifers ift. Die
SBursel alles Übels meint ber Dichter 3U treffen, inbem er
an bie Sc^enfung 5laifer i^onftantins erinnert (£. 25, 11),
bte ben 5lir(^enftaat f(^uf: bamals ^atte ein (£ngel im
$immel breimal SBe^e gerufen unb bas ©ift beflagt, bas
nun über hxt G^riftenl^eit fei ausgegoffen roorben, benn
jefet ift infolgebeffen ber oberfte $err gef(^tDä(^t unb bas
5?e$t ber £aien in bie $änbe ber Pfaffen geraten. Der
(Engel §at alfo basumal bie SBa^r^eit oerfünbigt.
Die f^ärfften Sprühe 2Balters gegen ben ^apft finb
in eine Rdit oon Strophen besfelben 2;ones georbnet.
(£s gel^ört roo^l 3U bem Stärfften, roas im Rampfe 3tDif(^en
Äir^e unb Staat je gefagt rourbe, roenn SBalter ben
^apft roegen bes eigenfü^tigen 2Be(^fels in feinen 5ln»
fiepten über Otto als Simoniften einen neuen 3ubas nennt,
ber bie (S^riftenl^eit oerfü^re (£. 33, 11): „2Bir alle
127
flogen unb ocrftc^n bo(^ ni^t bcn Stäben, bü^ es ber
^offt ift, unfer S5ater, ber auf böfen ^faben uns leitenb
ganj unoöterlt^ uns irreführt; rotr folgen, o^ne ba^ ber
gufe aus feiner 8pur ]xä) je verliert. 9^un merfe, 2Belt,
n)as mir an biefem Zun mißfalle: i[t er ein ©eij^als,
nun fo fnaufern eben alle; lügt er, fo lügen alle mit i^m
feine £üge; betrügt ber ^apft, fo ftrebt ein jeber, 'aa)^
auä) er betrüge. 5Re^mt (£u^ in a^t, ba^ feiner meine
2Borte rüge: nn neuer 3ubas bringt ber ^apft uns,
iDie ber alte einft, ju galle." (£rft je^t, meint 2Balter
(Jß. 33, 21), ift ber römif(^e Stu^l fo in £)rbnung roie
cinft unter bem berüchtigten 3^^^^^^^ ©erbert (= ^ap ft
Siloefter IL, 999—1003). Dod^ ^at biefer loenigftens
blo^ fein eigenes Seelenheil o^rnic^tet, inb^s ber je^ige
^apft bie ganse (T^riften^eit preisgebe. Da follen alle
bem lieben ©ott flagenb jurufen, bamit er ni^t länger
fc^lafe, fonb^rn bie 5U(^tlofe ©eiftli^feit ftrafe : bie Waffen
nämli^ oereiteln ©ottes 2Berfe unb fälf^n fein 2Bort,
fein 5lämmerer beftie^lt ben §immels§ort, fein 5Hi(^ter
morbet unb raubt felbft, fein Sirt ift unter ben S^afen
3um 2Bolf geiDorben. Der ^apft oerleitet bie Sif^öfe
unb bie übrigen ©eiftli^en, ruft ber Dichter ein anbermal
(£. 33, 1), unb feffelt fie mit ben Stricfen bes 2:eufel5.
Sat er bie S^lüffel Sanft Meters, roie man behauptet,
roorum fra^t er benn ^etri ße^re aus ben Sü(^em unb
Derfauft bie Rir^enämter? Das fann er nur aus bem
Su^ bes 3^eufels gelernt ^aben. ^a ber ^apft toirb
gar befc^ulbigt (£. 34, 24), bag er ben Unglauben förbere,
unb ba5U f)elfen t>k ©eiftlic^en, loeil i^re 2Borte unb
2Berfe fi^ roiberfpre^en. Unb gegen ben ganjen Älerus
rid^tet ber Sänger feine 5Inflage (ß. 33, 31): „(Es lebt'
bie G^riften^eit no^ nie fo arg ba^in; bie fie ersie^en
follten, benen fehlt's an frommem Sinn. (Es roär' ju
128
f^Iimm, tat' nur ein bummcr £aie bos, — ftc aber fünb'=
gen o§ne S^eu unb ol^ne gur^t vox ©ottes Safe. 3^^
§immel roeifen Jie unb fal^ren felbft 5ur §ölle. Sie
fpre^en: wer nur folgen roollte i^ren £e]^ren, nid)t
i^rem 2Berf, ber söge fi(^erli(^ 3um ^immel ein. Die
Pfaffen follten feufc^er als bie JÖaien fein; in toelt^em
^U(^ ftejt's benn unb an ©eitler Stelle, bafe ]ici) ]o
üiele Pfaffen mü^n, loie fte ein f^nes 2Beib entehren?"
^m befannteften finb hk stoei folgenben Sprüche
SBalterS; in benen bie bra[tifd^e Säuberung au^ am
metften auffällt, ^apft 3"no3en3 l^atte als i^rone feiner
ftegrei^en SBeftrebungen für bas ^Infel^en ber ilirt^e einen
5lreu55ug ins 2Berf 5U fe^en unternommen, 1213 f^rieb
er eine SBulle barüber aus, fteuerte felbft bebeutenb hti,
oeranlafete bagu auc^ i^arbinäle unb Sifd^öfe unb liefe
in allen gröfeeren 5lir^€n DpferftöcEe aufftellen, in benen
bie frommen ©aben gefammelt unb bann unter ge=
priger Kontrolle — bie Sperre mar breifa(^ — jum
heften ber ilreusfal^rt oerroenbet roerben follten. !I)as
toar ein banfbarer ©egenftanb für SBalters Eingriffe, ber
mit ben ^rebigern für hit 5lreu35ugsfteuer 3uglei(^ bie
traf, toel^e ben Sann bes ^apftes roiber Otto oer!ün=
bigten unb gum 5lbfall oon i§m ermal&nten. So rebet
ber T)iä}üx ben DpferftodE an ,(£. 34, 14): „Sagt an,
Serr Stod, l^at (£u(^ ber ,^apft ^ter^er gefenbet, bafe
^^x i^n rei(^ mat^t unb uns arme Deutfc^e pfönbet?
2Benn i^m ein oolles 5lRafe ^eimfommt 5um Jßateran, fo
tut er einen fingen ©riff, roie er f^on früher ^at getan.
(£r fagt alsbalb, bas X)eutfd^e 5Hei(^ fei je^t oerloren. Bis
alle Pfarrer toieberum hit S(^äflein fein gef(^oren. 3^
meine, ujenig oon bem Silber reift in ©ottes £anb, benn
niemals teilte folc^en S^a^ ber Pfaffen ganb. gerr
Stod, 3u unferem Schaben feib ^x ^ergefanbt, bamit
129
^x (Suä) im biiutft^en 35oI! ble ?larren fu^t unb Xoren/'
Hitb von 3nno5en5 fagt 2BaItcr (£. 34; 4): „m)x, prt
^^x, iDte (^rt[tlt^ über uns ber ^apft nun lac^t, ha er ju
feinen 2BeIf^en [agt: ,Das ^ab' id^ gut gema^f. SBas
er ba fpri^t, has ^äü' er be[[er nie gebac^t! (£r fagt:
,3wei 5llemannen bra^t' i^ unter eine Rrone, unb je^t
gerftören fie il^r 5?ei(^ fi^ felbft gum So^ne, toir unterbefe,
mir füllen unf're i^aften. ^ meinen Stod f^ff i^
il^r ©elb, i^r ©ut ift alles mein, i^r beutf(^es Silber
fä^rt in meinen röelf(^en Sd^rein. 3^1^ ?^Mf^"; ^6^
nur Sü^ner, trinfet 2Bein, unb lafet bie Deutf^en
faften*." Sat ni^t ber Sd^reiber aus patriotif^er St^eu
ein böfes Si^impfiDort l^ier unterf^IageU; fo mag man
etwa benfen, bag oor bem legten 2ßorte biefes SBerfes
ber Begleitenbe iöluftfer eine fleine Xriolenfigur fpielte
unb bas „faften" P5nif(^ na(^ningen liefe.
HBalter toeife in biefen Strophen bie 9Jlenf(^en bei
i^ren f^tDä(^ften Seiten 5u faffen, unb ebenbarum roirften
bie Sprü(^e 'fo einf(^neibenb. SQlan l&at ja ganj richtig
gefagt: SBalter übertreibt ins XIngemeffene, er mufete bie
guten 5lb fiepten bes ^apftes fennen, mufete roiffen, roie
3iino3en5 fic^ bemüht ^ötte, bie jtDecfmäfetge SBertoenbung
ber gefammelten ©eiber ju fi^ern, er i>erfä5rt alfo mit
SBeiDufetfein ungerecht. Sei biefem Urteil ift nur eines
aufeer a6)i gelaffen : 2Balter ift ^olitifer unb ^arteimann,
unb mit ©erec^tigfeit ma^t man überl^aupt feine ^olttif.
(£in iKWann, ber an 3)ingen unb Greigniffen immer Beibe
Seiten fielet, bie gute unb bie fi^Ie^te, bem bas SBe=
bürfnis ber iDbjeftiüität in feine Statur gelegt ift, ber
taugt eben ni^t 3um ^olitifer, benn biefer mufe häufig
feine eigene CSinfi^t verengen, bamit i^m bas ^atl^os,
beffen er für feine 2:ätig!eit bebarf, ni^t gefc^toa^t toerbe.
2Bir fpüren in biefen Sprüchen SBalters ben ^tem unb
130
bie 5lraft oon SJJarttn ihit^cr; aber mar oiellci^t fiutl^cr
mentger ungcrc^t totbcr bcn ^bla6? $at er ntd^t aud)
im Dtenftc ber Sa6)t, bie er für gut ^ielt, überfe^en,
ha^ bie Sa^e bes (Segners nic^t burj^aus ft^Iec^t toar?
%U5 ber (ginfeitigfeit entfpringt bie fieiben!(fyxft, unb
toem bie fieibenf^aft xtä)t x\t, ber [olltc bie (£in|eitig!eit
nt(^t tabeln.
T)k 2Birfung ber Sprüt^e max au^erorbentli^, bas
bcjeugt uns ein Sßiberfat^er Sßallers, ber fromme unb
fluge SBerfaffer bes „2BeIf(^en ©aftcs" 3:^omafin oon
3irclaria; er toar ein X)ien[tmann SBolfgers, bes ^atri*
or^n oon ^quileja, ber als 23ifc^of oon ^a[[au fic^
2ßaltern gün[tig gejeigt l^atte. (£r migbilligt bas 33or=
gelten bes Diesters bur(^aus, beflagt es, bag er Xaufenbe
betört unb bem ^ap[tc unre^t getan ^dbt, fo gut unb
brao au^ fon[t feine $Reben gcioefcn fein mögen. ^Tu^ m
unferer eigenen 3txt l^aben SBalters Sprüc^ roiber Siom
ücrf^iebene Deutung erfahren, ^^sbefonbere l^aben fie
bem x)orgcf(^rittenen Liberalismus bienen muffen, unb
ber alter Sänger ift oft genug als flaffif^er S^uge für
5lRcinungen aufgerufen n)orben, mit benen er nie etioas
3U f(^affen l^atte. SBegreifli^erroeife fümmcrt fi^ ein
moberncr ^arteimenf^ mä)i um bie gef^it^tli^en f8t=
bingungen jener alten ülämpfe 5tDif(^en Äaifer unb ^a;>ft;
toürbe er es im CErnfte oerfu^n, bann fönnte i^m nid^t
entgegen, bafe bie alten unb bie neuen Proportionen biefer
$öläc^te \iä) aus 95er§ältniffen gan5 oerf(^iebencr unb unter
fi(^ unt)erglei(^barer ^rt 5ufammcnfcöen.
SBalter l^at für feine 35erbienfte um bie Sac^ Äaifer
Ottos geringen ßol^n geerntet. SBel^mütig ruft er feinem
Serm ju (ß. 31, 23) : ben f^nen SRamen „9Birt" müffc
er entbel^ren, immer fei er nur ©aft; fönnte er nur er«
leben, bafe au^ er als 2Birt einen ©aft begrübe, ber bann
fi^ bei t^m bebcnfcn müfete. §cutc ^icr, morgen bort,
bas fei fein £os: oiel bcffer flingt, „ic^ bin ju $aus"
ober „ic^ EDtll na6) Saus". Unb er ma^nt ben Äaifcr,
bafe er in [einer Sebrängnis bo^ hts armen (Saftes m6)i
tjcrgeffe. Die SKa^nnng loar oergebens. Ottos ©eftirn
toar bereits im Grbleicä^en, benn mit raffen Schritten
brang griebri^, ber Staufer, als 5laifer na^mals ber
3tDeitc feines S^amens, in Sübbeittft^Ianb cor, unb au^
2BaIter roanbte fic^ bem jungen Sproffen bes Saufes ju,
in beffen Sut er bas 9^ei^ fixerer geborgen tou^te als
bei bem raupen unb fargen, unfreunbli(^cn unb freunb*
lofen 2BeIfen.
SBäl^renb all ber böfen !it\X mar bem Sänger bas
f^önfte £iebesglü(f aufgeblül^t.
vm.
niedere Illinne. Heidharf.
SBaltcrs le^tcs äRinneocr^altnis ^attc einen üBIen
Ausgang genommen, unb er l^atte ft^ mit gröBU^cr
S^ellrebe oon fetner $errtn getrennt. ?hin feiert er
tDteber einmal ans £)[terret^ gurürf, finbet aber bie £age
ber Dinge am $ofe nic^t gerabe günftig für fi^. 9^cue
(Sänger ftnb aufgetau(^t, roel^e il^re junge Äunft ber
beroöl^rten bes SJleifters entgegenftellen nnb lIRifejtimmung
roiber il^n ^u erregen fu^en, inbem fie bel^aupten, 3BaIter
l^abe in feinen fiiebern bie grauen l^erabgefe^t. Gs roirb
freili(^ nur bes erften ©cfanges beburft ^aben, mit bem
SBalter bie sufammen^öngenbe 3itxf)z feiner f(^önften
Jßiebesbi^tungen beginnt, um ben S^roarm ber 5Reiber ju
bef^ämen. äSalter ^ebt an unb Derroeift auf bie böfcn
3citläufte, mt\ä)t ben Sänger b«r 5Iufmerffamfeit feines
^ublüums berauben (fi. 58, 21): „(Es fpre^n bie S3er=
sagten, alles Jßieb fei tot, unb niemanb lebe je^t, ber
ctoas fingt. SBebä(^ten fie bo^ nur bie allgemeine 9^ot,
unb iDie l^eut alle 2BcIt mit Sorgen ringt ! i^e^rt toiebcr
uns bes Sanges 2^ag, bann ^ört man fingen au^ unb
fagen, unb eine neue JßieberfüIIe roirb ercoedt. (Ein flcines
5BögIein §ört' x^ fc^on barüber flagen, bas l^atte unter
3tDeigen ]\ä) »crftedtt; ,i^ finge ni^i/ fo rief's, ,beoor
CS mä)t wiU tagen'." S^limmet ift es für ben Dieter,
bofe arge ßeute t§n bei ben grauen oerleumben unb, im
Sinblid auf feine legten ßieber, i§n be[^ulbigen, ba6 er
in feinem Sänge Übles T>on il^nen fage. 2Rit gerechtem
Stol3 beruft ]\^ SBalter auf fein ^reislieb unb fragt,
roer benn bie beutf^en groucn me§r gerühmt ^be als er?
S^hir fonberte er böfe unb gute grauen — mk auä) in
feinem berühmten 2:pringer £iebe^ bas SBoIfram sittert
— alle o^ne Hnterft^ieb 5U loben, roarc hoä) \^Uä)t
Dann fäl^rt er bie neibif^en Scheiter an unbji^idt fie,
bie je^t niemanben finben, ben fie anf(^rDär5en fönnen,
mit fe^r beftimmten 2Borten t>om §ofe roeg naä) Saus.
5Run lernt 2Balter, burd^ bie eigene (Entioictlung ba^in
gebraut unb ber f^Ii^ten, natürli^en Steigung \x^ 3U=
roenbenb, ein 5übf(^s SRäbci^en fennen, bas il^m gefällt.
Sä}mtxlx^ lebte fie am §ofc, e^er auf einem unfernen
X)orfe. (Er leitet feine Sesie^ungcn ju i^r burc^ be=
f(^eibene S(^mei^leien ein. Gr [priest bas ^ersliebe
ilRäb^n an {£. 49, 25), roünf^t i^r guten äRorgen,
fagt i§r, bafe niemanb i§r ^olber fein fönne als er. grei=
li4 tabeln i^n bie Sörer, loeil er fein ßieb je^t fo niebrig
menbe, baraus maä)i er fi^ aber ni^ts, benn toer fo
fpre(|en fann mit jene, ber ^at eben £iebe nie empfunben.
^uf bie Jßiebe allein fommt es an, fie säubert au^ bie
Sci^ön^eit ^eroor, inbes bie Sc^ön^eit allein o^ne freunb=
li(^s (gntgcgenfommen ni(^t 3ur 2kht rei^t. „3e^t er=
trag' i^'s, roie ic^'s e^ ertrug, unb wie i^'s immer will
ertragen: Du bift fd^ön, unb bas ift mir genug; roas
^aben benn bie fieute ba 3U fagen? ßafe fie f(^iDa§en,
benn iä) bleib' bir ^olb unb ne^m' bein gläfern 9iing*
lein lieber als aller 5löniginnen ©olb." $Rur treu mufe
fie i^m fein, bann für^tet er hin Serjeleib bur^ fie 5U
erfal^ren. — Das 3)läb^n ift f^eu unb furci^tet ]iä)
134
oor htm abcligen §errn, bes^alb [oll bas nää)\U £icb
(Jß. 50, 19) fic ermutigen: „93in iä) btr 5UtDiber? 3^
lüeife ni^ts baoon; i(§ liebe bi(§. (Btns bo(§ brüdt mic^
nieber: I)u f^auft oft neben unb gar über mxä). I)as
follft bu oermeiben, benn i^ fann's ni^t leitven. So\ä)t
fiiebe bringt mir großen Sd^aben, brum ^ilf mir tragen
meine £aft; i^ bin 511 ferner belaben. 3ft bas beine
eigne gut, hülß htm 5lug' auf mit^ blidt gar fo feiten,
tu[t bu's alfo mir 3ugut, bann roill i^ bici^ ni(^t b€5=
roegen ft^elten. SDleibe nur mein $aupt, bas fei bir
erlaubt, unb f(^au' bafür ^erab auf meinen JuS, ift bir
bas lieber: bas fei bann bein ©rufe." Die üornel^men
unb ^o^mütigen Damen [inb bem Sanger glei^gültig,
fie allein ift feine Serrin. StRag fein, bafe jene oon befferer
©eburt finb, fie jebo^ ift an \\ä) gut. SBiellei^t ift er
i^r auc^ lieb? Dann mufe fie erroägen, bafe 5ur SJlinne
ujenigftens smei gepren, aber auc^i nur aroei, unb fie foll
i^n bann i^re 5Reigung merfen laffen.
Die <B\ä)tx\)txt barüber ^at ber Dieter au^ in bem
nä(^ften ^übf^en £iebe no^ ni^t oöllig gewonnen
(£. 65, 33) : „3n 3iDeifel, Hoffnung, gur^t unb 2Ba^n
war iä) gefeffen unb iä) backte: ,aus i^rem Dienft ge^' x^
fortan*, als mi^ ein Xroft i^erroieberbrad^te. ,3:roft*
freiließ ift juoiel gefagt, bo^ fei's barum! Gs ift ja
!aum ein Xröft^en, f^roat^ unb Hein; fo Hein, ha^ roenn
xä)'5 fage, x\)x alle fpoltet mein. Do^ freut man ft^roer»
\xä) ]xä), man roiffe benn, roarum. Gin Salm voai es, ber
ma^t' mxä) fro§ : er ]viaä), mir follte ©lud gefi^l^n. 3^^
mafe mir biefes Heine Strol^, toie i^'s bei Äinbern §ob'
gefe^n. 9^un l^ört unb merfet, roie fie mir gefinnt: Jic
liebt mxä), liebt mi^ ni^t, liebt mic^ — bas gute Äinb!*
So oft id^'s probte, immer loar bas (gnbe frö^li^. Das
tröftet mi^, — benn ©laubc, ber mo^t feiig." 3n
135
btefer Hoffnung J)at SBoltcr feinen 9Bün[^en ettoas t>or*
laut 5lu5bru(f gegeben unb ift bafür oon bem SJläb^en
f)axt getabelt ujorben, bafe er i^re unb feine (£^re fränfe.
So roirb i^m Sc^toeigen auferlegt, ^ber er bri^t es
balb mit ber (Entf^ulbigung (ß. 62, 6): ©ebanfen finb
ja gollfrei, unb er ]^abe nichts getan, als bie Se^nfu^t
feiner Sinne in lEBorte gefleibet. Sie §abe i^m einmal
gefagt, er bringe au^ feine ©egner in gute Stimmung;
bas mö^te er hti i^r oerfu^en: fie foll roieber gut fein
unb il^re (5üte i^m auc^ jeigen. Darauf preift er i^ren
frönen fieib, ben fie an \iä) trage roie ein ^errli^es 5lleib,
in roel^es bas ©lud gejteppt fei. S^<^^ ^^^e er fic^
niemals getragene i^Ieiber f^enfen lajfen, l^ier aber tDoIlte
er es gerne. Selbft ber 5^aifer möchte um eine fo tDonne=
rei^e (5aht ein fal^renber Spielmann ©erben. Unb mit
fü^ner Sßenbung, bie um fo padenber geroefen toäre, roenn
SBalter fie rüirfli(^ einmal oor ilaifer Otto gebraucht
^ätte, forbert ber Sänger hzn 5^aifer auf, ^ier feine i^unft
als Spielmann 5U oerfuc^en, befinnt fi^ jebo^ im ^ugen^
blirf unb bittet i^n, lieber anbersroo aufsufpielen. Dann
f^ilt SBalter ben garten 2Binter (fi. 39, 1), er fe^nt fit^
nad^ bem Sommer, roenn bie 33öglein fingen unb bie
93läb^en an ber Strafe ben 33all werfen, i^önnte er
ben 2Binter bo^ oerf^lafen! 3^^ belebt eine frö^li^e
$offnung : tritt ber VSHax feine $errf^ft roieber an, bann
loirb er bort Slumen pflüden, too fi^ je^t ber S(^nee
ausbreitet. 5lber auc^ ber 2Binter oerge^t, ber Jrü^ling
na^t (£. 73, 23), unb ber Dichter roünfd^t feinen §i)rern
in roi^igen 9Borten (Slüdf. (£r legt i^nen bann ben Streit
mit feinem SKäbd^en oor, bas feinen S^mers nic^t fänf=
tigen toill. (Er oerroenbet ^usbrüde, bie er toörtli^ ber
gormel eines alten 2Bunbfegens entnimmt, unb befc^ioört
fie toicber^olenb um §ilfe für bie tiefe SBunbe feines
136
Scrsens, btc [tets offen bleibt, toofern [ie ni^t bur$
$tlbegiinbe geseilt toerbe. Dtefer feine Sif^erj wax ben
3n5örern roo^I Der[tänblt^, b^nn bie Sage max allgemein
befannt, tote bas eble Liebespaar SBalter nnb $ilbegunbe
oom $ofe ^Ittilas, too fie als ©eifeln toeilten; auf einem
9?o6 na^ i^rer fübfransöfif^en $eimat entflol^en, unb
wie [ie, na(^ bem [d^roeren Äampf am 2BasgeniDaIbe,
biefes 3i^l enblid^ erteilten.
SJlit einem näd^[ten £iebe (£. 54, 37) toenbet ]ii)
SBaltet naä) einer 5llage, ba^ er feine gtcunbe befi^e, bie
il^m raten unb Reifen motten, unmittelbar an bie ge=
roaltige grau HJlinne, roel^e in feinem Serjen roo^nt, unb
bittet fie, [ii^ in bas $er$ ber ©eliebten 3u [c^leid^en, i^n
aber mitsune^men; fie toerbe bas [^on Derfte^en, benn [ie
fei bie 931ei[tcrin aller X)iebe, fein §er5ens[d^lo6 fei fo feft,
bas fie nic^t öffne, ©r preift bie SJlinne, bafe jung unb alt
Don ii^r bejtDungen toerbe. Sollte ber T)iä)Ux überwältigt
werben, fo banft er (Sott, bag er htn regten 2Rinnebienft gu
finben toeig, ber i^önigin 5lRinne iDill er fein fiebeu toci^en.
3)a3U bebarf er au^ bes ©lüdes, unb barüber fpri^t eine
anbere pbfd)e Strophe: „gortuna teilet ringsum i^re
Spenben, mir aber fe^rt fie i^ren 9iü(fen 5U, fie lofet
mi^ o^ne ©naben fort mit leeren $änben. 'üdo^ locife
i^ ni(^t, loas iä) i^r besl^alb tu'. Sie toenbet fic^ ungern
3U mir: lauf id^ um fie ^erum, ftets bleib' xä) l^inter i^r.
Sic nimmt ]iä) gar n\ä)i 3^^^; ^^^ anjufe^'n. ^^,
möchten bo^ bie ^ugen i^r im 9Zacfen fte^'n, bann müfet'
es roiber i^ren 2Bunf(^ gef^el^'n."
3n einem prö^tigen £iebe befc^reibt 2Baltcr (£. 51,
13, ogl. f^on oben S. 72) bie Serrlid^feit bes i^önigs
SRai, ber allen feine Jreube fpenbet, fein 3<^uber ma^t
bie 2Renf(^en jung. Z^'tytx Safe f^roinbct, nur ber 2Bett=
cifer bleibt, mit bem bie SBäume unb bie bunte $eibe
137
aufblühen; IBIumcn unb illec ftrciten auf her SBicfe: bu
Bift für5cr, \ä) hin langer. Da rcbct au^ bcr Sanger bas
SRäb^n an: „SHoter SKunb, rote bu ^erab bi^ fefeelt!
£a6 bein [(^Itmmes £a(^en fein. S^öm' bic^, bafe bu mi^
oerle^eft, Ia(^[t nur über meine ^ein. ^]i bas gut
getan? SBel^e ber oerlornen Stunb^, fommt aus Hebens*
iDürb'gem ÜFhinbe foI(^r Spott mxä) an. 2Bas mir, grau,
bie greube [tört, bas ift (Euer 2tih. 5Bon (Eud) allein
es mi^ oerfel&rt; ^x ungnäbig SBeib! 2Bo^er ne^mt
^t benn ben SJhit? 35r feib boc^ fonft rei(5 an
©naben; toollt ^^r Xlngunft auf mid^ laben, bann feib
35r nic^t gut. £inbert, §errin, meine Sorgen, mac^t
mir ^olb W ßtitl Sonft mu6 i^ mir greube borgen,
gern bleib' (Eu(^ bies ßeib! 2BoIIt 35r um (£uä) fejn?
OTes ftral^It im llRaienf(^ine; möc^t' oon (£u(^ mir eine
fleine greube nur gef^e^n!" — 5lun trifft er bas 301ab*
(^en, unter i^ren ©enoffinnen ujanbelt fie im ©rünen,
unb liebli^ fc^ilbcrt SDSalter bie Begegnung (£. 74, 20):
„SRel^mt, Serrin, biefen ilranj!"
alfo fpra(^ i^ 5U ber iDunberf(^önen 2Raib:
„bann fc^müdet i^r ben 2^an3
mit ben frönen 23Iumen auf bem l^ellen Äleib.
^äti* x6) nur oiel ber CBbelfteine,
bie müßten all auf euer Saupt!
SBenn i§r mir bas nur glaubt?
Sel^t §ier bie. 3^reu', mit ber it^'s meine."
Sie na^m, roas iä) i^r bot,
roie ein frif^es 5linb, bas (£^re fü^It:
il^re SBangen rourben rot,
glei^ toie ber 9iofc unb £ilie ©lanj im Jßit^te fpielt.
ilaum roollten einen SBIid bie i^ellen 5lug?n toagen,
bod^ neigt' \\ä) mir bie Solbe.
€(^önBo(ö, SSoItet bon ber SSogctoeibe. 10
138
2)a5 toarb mir gum Solbc.
(Sah's DtcIIett^t noc^ me^r, bas mu^ tc^ l^etmli^ tragen.
5Dltr x\t Don t^r gcft^cl^cn
Solches, bafe x6) Sommers allen Mäh^tn mufe
fc^arf nad^ i^ren tilgen fe^en:
traf ic^ etroa |ie, has roäre mir ein greubengru^.
2Bie, toenn [ie roeilt bei biefem 2;an5e?
5(uf, §errin, feib fo gut
unb rüdet euern gut!
^ä), \a^' iä) fie bo(^ l^ier im ilranje!
„So fc^ön feib il^r, Serrin mein,
ha^ xä) tuä) mein i^ränslein gerne geben roill :
es mag tool nit^t bas fd^le^teft fein.
SBeifeer unb au(^ roter Slumen toei^ ic^ oicl,
bie fte^n toeit oon ^ier in jener $eibe.
2Bo fie f^ön entfpringen,
bort tDO bie SBöglein fingen,
ba gel^n njir ^xn unb bret^en's beibe.''
^k warb mir nod^ ein 2^raum
fo gnäbig als bie ©unft, bie fie an mi^ oergab.
(£5 fanfen bit^t oom Saum
bie SBIüten auf bie SBiefe neben uns ^erab.
Sel^t, löie frol^ mix roaren in b«r Jteube !
3)o(^ als xä) 00m ©lüde
glitt tn \)m 3^raum surüde,
hü roarb es 3^ag, unb xä) ertoac^t' 00m ßeibt.
"äBeift er §ier fc^on auf bas ©lücf, bas i^m ein füfeer
Xraum befeuert, fo roibmet Sßalter fein näc^ftes f^önes
£ieb ganj biefen ^^antafien (£. 94, 11) : „5lls ber Som»
mer roieber tarn unb bie Slumen munbcrfam aus htm
(örafe fprangen unb bie 23öglein fangen, ba lam 16) ge»
gangen \miä) hxt 2Bie[e breit unb lang, ba bcr Üare SBac^
cnlfprang, längs bes 3BaIbe5 toar fein ©ang, too bas
£teb ber SJlac^ttgall erflang. Sei ber Quelle [lanb ein
93aum, bort erfc^ut' iä) einen 3^raum. ^ä) max oon ber
Sonnen geflogen 5u bem SBronnen, bamtt i^ unterm £in=
benjiDeig ben Sitten fänbe fü^l unb toei^. Sei bem
93aum iä) nieberfafe, meiner Sorgen xä) oergaß, ia\ä)
entf(§Iief i^ in bem ©ras. Da fam es mir üor gur Stunb',
ba6 mir bient' bas (grbenrunb, meine Seele aber mar
^oä) im Simmel, lei^t unb Aar, unb ber Jßeib, ber follte
f^roeben, roo er roollte. Da fel^lt' mir nic^t bas fleinfte
2Bc^. ©Ott, bcr toalt' es, loie's auc^ gel^M S(^önern
3^raum iä) nimmer fe^'. ©erne \ä)lkY iä) je^t no(^ bort,
^ätU ni^i an biefem Ort laut gef^rien eine ilräl^e.
2Benn bo^ jeber Rxä^' gef^ä^e, roas i^ gerne münf^te
i^r. OTe greubc [törf fie mir. Son bem S^reien ic^
erft^ra!; aä), hü% bort fein Stein me^r lag, §eute ujär'
i^r le^ter 3^ag. Do^ ein rounberaltes 2Beib trö[tete mir
Seer unb £eib: (£ibe mufet' fie fc^toören unb bann mir
!lug erflären, mas ber 3^raum bebeute. Das merfet,
liebe Jßeute: ,3iDct mel^r eins gufamm' gibt brei'; ferner
fagt' fie mir babei, bafe mein Daum* ein ginger fei." 2ßas
ber Di(^ter fo lange geträumt, unb ujooon er oftmals unb
immer bringenber ber ©eliebten erjä^Ite, bas tft enblic^
3ur SBal^r^eit geroorben, unb baoon gibt bas JÖicb ilunbe,
xDeI(^es bie 5lrone aller Di^tungen SDJalters genannt mer=
ben mufe : Unter ber JÖinbe (£. 39, 11) :
Unter ber £inbin
auf b€r Seibe,
2Bo unfer jroeier 23ett toar c§'.
Da fönnt i^r finben,
u)o mit beibe
10*
bie Slutncn brüdtcn, ©ras unb iUec.
S^al^e bcm SBalbe im [tillcn 3:al,
3:anbarabet!
£icbli(^ fang bie IRa^ttgall.
3(^ roar gegangen
nac^ ber tttuc,
ba toar mein £ieb [ter fiü^ f^on bort.
Da roarb i(^ empfangen,
^eilige graue, ;
feitl^er bin \^ glüdfli^ immerfort.
(5ab er mir Mffe? SBieltanfenbmal !
2^anbarabei !
9iot ift ber SJhinb no(^, mo er fie [tal^I.
Dort l^atte ber 3:reue . ,
rcid^ unb linbe
t>on IBIumen gebaut bie fiagerftatt.
Drob Iä(^It aufs neue
im Sersen brinnen,
loer toieber betritt ben alten ^fab.
^n ben IRofenblättem merft er gut ,
3^anbarabei!
bas ^lö^t^n, u)o mein Saupt gerul^t.
2Bie toir 'ti^x. lagen,
toüfet' es jemanb, —
©Ott fei mir gnäbig ! — Da f(^mt' ic^ mic^.
Hnb toas toir ba pflagen,
bas barf niemanb
SBiffen als juft er unb i^.
SBiellei^t basu bas Sööglein Hein,
itanbarabci !
Dos .wirb geioib oerfd^rtoiegen [ein.
141
SBarum finb mix alle barübcr einig, biefes ßieb na^t*
lid^r ßtebesiDonne fei bas f(3^önjte, bus SBdter je gefungen
^at? Man toirb ^ter bie 2Birfung nic^t gang in i^re lBe=
ftanbtetle auflöfen fönnen, ebenforoenig als bei irgenb*
einem anbeten RnnfttDer!, aber einiges lagt fi^ bod^ er=
fennen. Die ganptfac^e ift, ob^toar uns bie SRelobic fe^It,
geroig bie epif(^*bramatif^e (5e(taltung, loel^e bie|em (5e=
bt^tc fotoie benen ber ganjen ©ruppe eigen i|t. Sie
cntfprii^t bem 5Bebürfnis bes Dieters, lebenbiger, anf^aii=
lieber bargnftelTen, unb basu loirb er gerabe bur(^ 2BoIf*
ram, ber biefc Run]t fo treffli(^ in feinen ^ageliebern iXbit,
angeregt roorben fein. 2Ba^rf(5einIi^ auä) huxd) alte DDlf5=
tümlid^e fiiebesftrop^en; oielleid^t, aber nur üiellei^t, liat
i^n no$ bie i^onfurrenj mit 9^eib^rt beeinflußt, gerner
ift bem (5ebi(5te eine besaubernbe St^alf^aftigleit eigen,
btc barin liegt, bag bas SJJöb^en anbeutenb er5a5lt, tDOüon
fic boc^ nie fpret^en follte; ber (Segenfa^ 5tDif(^en ©efü^l
unb Sitte ift immer toirffam, oon 2BaIter bis 5U ben
SJlab^enliebern Sermann t)on ©ilms. Xlnb enbli(^ bctoegt
]\ä) bie Spra(^e bes T)i$ters in ber f^roierigen ^Reienftrop^e
(ben jroei^ebigen SBerfen, bie oon oier $ebungen umfränjt
unb beft^loffen roerben) fo unbeft^toert unb fo grajiös, bag
f(^on ber ^HJ^pt^mus ben fiefenben mit fortreißt.
Wit htm (Sebi^te „Unter ber ßinbe" l^at bas ßiebes=
oer^öltnis öugerlii^ unb innerli^ feinen ^ö^epunft er=
ret^t. X)axnaä) fann ni^ts me^r tommen, unb besl^alb
bürfen loir uns nit^t rounbern, roenn mir aus 2BaIters
fiiebem barüber au(^ nichts mel^r erfahren. S^roeigt
büs SBöglein auf bem ßinbenjrDeig, fo muß aud^ ber Sän=
ger f^roeigen. Die ^aufe, mtlä)t in feiner Sririf entfte^t,
ift mithin gan3 gere^tfertigt. (Es roar bie ^aufe oor ber
TOre^nung Sßalters mit ber SJlinne überhaupt. Dag
i^m, als er f(^on bie 3[^ier5ig üb erf ^ritten ^atte, bas
142
füfeeftc ßtebesglücf erBIül^te, mixh ntemanb untoa^rfi^em«
Ixä) ftttb^tt; cbcnfotoentg, bafe es nt^t alljulangc tDö^ttc.
Xlnb nun fünbtgt bcr ^Dic^tcr bcr grau TOnne feinen
Dicnft auf (£. 57, 23) : „fitebe, bic ^ai eine 5Irt, roollte
(ie hoä) bie oermetben, beffer fd^ten' fte mir. 5Qlan(^er
bliebe bann beioa^rt oor ber £tebe S^merj unb ßeiben;
übel f^idt fit^'s i^r. (£s finb il^r merunbjtoansig 3a^re
ütel lieber als i^r merjig finb, unb fie ftellt fi^ bofe an,
fielet fie irgenb graue gaare. So üertraute fie fi^ mir,
büfe iä) lannV all i|re 5hinft. Xrofebem ift es mir ge-^
f(^]^n: fommt ein junger 'Sani ju i^r, f(^nell ocrlier' xä)
alle ©unft, ft^ielenb roerb' ic^ angefel^n. ^rmes 2Beib,
njas plagt fie fic^? SBeife (Sott, ob fie \ii) au^ pu^t unb
Xoren taufest, fie ift oiel älter hoä) als i^. ^Tlun geroö^nt
fie fi^, bie £iebe, ha^ fie nur uerfe^rt mit 5^naben,
]^üpfenb roie ein Rinb. 2Bo ift il^r SBcrftanb geblieben?
Sie oerliert i^r flug (Beigaben, gansli^ toirb fie blinb.
fiiefee fie bies bumme S(^er5en, unb benahm' [xi) als er=
fa^mes 2Beib ! Sie ftöfet ]xä) fonft no(^, unb bas f^mcrjte
mi^ bo(5 brin im ^erjen. Siebe ^alte mir's 3ugut,
roöl^renb fie fi(^ 5^ämpfer mä^lt, fe^' ic^ mic^ l^ier^er.
SBettaus l^ab' xä) frifi^ern 931ut als noi^ mancher Springs
insfelb. 2Bas roill fie oon mir me'l^r? 3^ ^i^^' ^^^ fonft,
n)ie i^'s oermag. Sie laufe i^ren fe^fen na^, oon mir
geroinnt fie in ber SBo^e nur ben fieb'nten !Xag." ^Tus
bem ^ßitern 3^on biefer in l^orasifc^er 5^efignation ge=
f(^riebenen SBerfe roirb man entnel^men, bafe bem ^i^tcr
bie (gntfagung nic^t me^r ferner fallt.
Ittnberes lag 2Baltern surjeit nol^er am fterjen.
9Bö]^renb feiner (Saftfal^rten im 9?ei(^e roar an bem l^ei*
mif^n $ofe eine neue 5^unft emporgefommen, bie 2Bal=
ter nt(^t ols loürbige ©enoffin ancrfannte. Cr fpri^t bas
mit möglit^fter i^lar^eit in einem befonberen Siebe aus
143
(Jß. 64, 31): ^ä), nun löirb b^r l^öfifd^ feine (5e[gng Bei
her ©efellfd^aft bnrd^ grobe 2;öne oerbröngt ! SRöge (5ott
bie 9^enlinge fc^änben! So liegt nun bte 2Bürbe b^s
SJlinneliebes bornieber, büs fränft alle feine greunbe.
3IBer es toirb fi^on fo fein muffen, fei's benn. !Die Hn*
jiemlit^feit ^at geftegt. S^eilic^ toürbe man ben Sanger
mit SBergnügen begrüben, ber bie alte I)i^tung roteber auf
bie SBa^n braute. Xia^u ift jeboc^ feine Soffnung. Denn
berer, bie ]\ä) ber neuen ftörenben 2ßeife sutoenben, finb
ungleich mel^r als berer, bie ben alten Sang gerne l^ören.
Darum roill iä) es ^^Iten, toie bas Spric^roort ^befie^It,
unb roill ni$t in b^r StRü^Ie bie Sarfe ju fc^Iagen üerfu^en,
inbes Stein unb 9?ab umlaufenb freif^en. Xro^ meines
3omes mu6 i^ über bie töri^ten £ätmer la^en, benen
i^r eigener Speftafel fo gut gefällt. Sie benel^men fi^
iDie bie i^ib^^t in einem Xei^, bie fi^ felbft an i^rem
Quafen freuen, toä^renb bie ^Zac^tigall i^r £ieb oerjagenb
oufgibt. 2Benn boä) jemanb — oielleic^t ber Serjog —
biefes Ärgernis f^toeigen ^ie^e, bamit bie älteren Sänger
toieber 5um SBorte gelangten! 2ßürben ber neuen 2Beifc
bie IBurgen unb Söfe oerf^loffen, bas roäre alles, roas
ber Dichter toünf^te; bie ©efa^r roäre bann ni6)t grofe,
b^nn hü ben ^Bauern bürfte biefe ilunft f^on bleiben, ift
fie ja bo(^ opn bort^er gefommen.
Diefe 2Borte am S^luffe bes Siebes ujeifen mit ooller
iBeftimmt^eit barauf ^in, in mt\ä)ti ^Trt oon Di^tung
2Balter eine gefä^rlid^e ilonfurrenj für ben feinen $IRinne=
fang erblidte. (Es toar bie l^öfif^e Dorfpoefie, als beren
(Jül^rer unb l^auptfäd^lit^fter Xräger, ber allein für 2Balter
in Setra^t fommt, ber bagrif^e Ütitter S^eib^art oon
^Reuent^al, tote er fit^ nennen mollte, am 2Biener $ofe auf*
trat, 3^eib]^art ujor jünger als SBalter, oielleii^t ebenfo
um jel^n Sa^re rote SBaltcr 9?etnmarn nat^ftanb. Cr ^attc
fi(5 in feiner $eimat, ido er ein eigenes ^ntoefen befafe,
gnm Sänger ausgebilbet unb vihit ol^ne 3^^^^!^! iVit't\i bie
5^-unft ber l^öfifd^en Jßt)rif, bie er au(^ na^mals üöllig Be*
l^errf^te. (gin (Ereignis, bas mit feiner Dit^tung sufam*
menpngt; über bas toir aber bo^ nid^t Diel (genaues
tüiffen — oiellei^t \At Untreue feiner ©eliebten gribcrun
— l^at es il^m oerleibet, m feine $eimat gu längerem
^ufentl^alte gurütfjufel^ren. Denn ^^leib^art loar ein fal^*
renber Sflann toie 2BaIter, er l^at nac^ feinen eigenen 5ln*
gaben gan3 Deutft^Ianb burd^jogen, ja er toar auc^ im (5e=
folge bentft^er gerren in S^^^Ii^^- ^"^ ftrebte nun, fi^
am öfterreid^if(j^en Sofe eine Stelliing 5U fc^affen, roas
i^m gelungen ift, benn toir finben, \iQi\ er bie ©unft Scr*
30g Jßeopolbs VI. genofe, aud^ ben 5lreu33ug na^ 2)amiettc
1217—19 ma^te er mit. Sefonbers jebo^ ift er htx Scr«
30g griebrid^ IL, bem Streitbaren, bem Seilten ber Saben=
berger, beliebt getoefen. 2Bien blieb nun fein Stanbquar=
tier, bas er, als perl^eirateter SIRann, oon feinen Jährten
üus immer toieber auffud^te. (£r roar au(^ eine 3^ttlang
bei CBrsbif^of (£b erwarb II. oon Salzburg unb bamals l^at
er fi^ in ber Steiermarl auf gel^ alten, toiber roel^e ber
baprifd^e Did^ter eine ebenfo ftarfe tttbneigung geigt, roie
fie um brittl^alb ^^^^^unberte fpäter ein namentofcr
Steirer in einem Sd^eltgebid^t gegen Sägern befunbcte,
b^n fein St^idfal jtoang, bort 3U oertoeilen. Den Gin=
fall ber SBö^men in £)fterrei^ oon 1236 l^at ^leib^art no^
gefe^en, aber um 1240 roirb er geroig fd^on geftorben fein,
bas (£nbe feines ©önners, $er3og griebrid^, in ber fieitl^a*
fd^lac^t oon 1246 l^at er alfo ni(^t me^r erlebt. Die '^txi^
ßcnoffen rühmten i^n, SBoIfram oon CBf^enba^ fanntc
feine £iebcr, unb fpäte SBoIfsüb erlief erung ^at ben iBauern*
feinb S^eib^art 3U einer fomift^en gigur umgebilbet, ju
145
einem Spafema^er wk ocr ^^afje ^mis ooet tme Der
Pfarrer auf bem S{af)UnbtxQt Bei SBien.
^Reib^art i[t [t(§erltc^ ein bebcutenber $0lenf(5 gerocjen.
Keffer als feine äußere (5ef(^ic^te oermögen toir bie innere
(gntroidflnng feiner ^oefie 5u überf^auen. (Er ]^at mit
l^öfif^em SP^innefang begonnen nnb in hk bort beliebten
„2Bc(5fer' gnnäd^ft einen frifc^en neuen 3ug gebrai^t, in=
bem er frö^Iic^e Sauernmöb^en fic^ unterreben liefe.
Der ©egenftanb gab fi(§ lei^t, es loar bie Sommerfreube,
bas SBaÜroerfen; unb Befonbers ber 9teie, ben W Dorf*
jugenb unter ber £inbe gcmeinfam ober in paaren nac^
einer $lReIobie 5U fpringen pflegte, ^^leibl^arts 9?eien«
lieber, oon fd^ioieriger mufifalifc^er 5lompofition, begin*
nen in ber 9?egel 5uerft mit einer ^Raturft^ilberung als (£in*
gang, bie ebcnfo tt)pif(^ i[t toie bei ben älteren TOnne=
föngern, nur im ganjen etwas rei^lid^er unb farbiger aus*
fönt. Daran ff^Iiefet fi^ eine (Erja^Iung, bie oft in ben
beroegteften Dialog umfpringt. Der ^n^alt ift beinal^e
immer berfelBe: nämlt^ bie Xeilna^me an bem gemein*
f(^aftli(^en Steigen, ift aber in ber mannigfaltig ftcn SBeife
rariiert unb ausgeft^müdt. SReift mill bas junge SD^äbc^en
l^inaus 5U ben ©cnoffinnen, toirb aber oon ber S0Juftcr,
bie böfe 50^9^^ beforgt, mit ©üte ober ©etoalt 5urürf*
gel^alten, ma^t fi^ jeboc^ enbli^ baoon. Ober es finb
jroei ©efpielinnen, bie \x^ mitcinanber freuen unb flagen.
Ober gar eine TOe, bie fc^on mit einem grufe im ©rabc
ftel^t, roirb plö^li^ tansluftig unb fpringt hinaus auf
ben Dorfpla^. Das fpielt fid^ entroeber in ben SBorten
ber Streitenben mit leben'bigfter ^nf^aulic^feit cor uns ab,
ober ber Dieter ersöl^lt es felbft mit faum geringerer
Äunft in ber 5Iusmalung ber oerf^iebenen ^erfonen.
CBr ift eigentli^ ftets bie Hauptfigur: fei es, bafe er aus*
brudlit^ genannt loirb als ber ©eliebte, um beffentioillen
146
has $0löb<^cn forteilt, fei es, baß er im $intergrunbe bleibt,
barum nit^t Djeniger für bie gange (Sgene bebeutfam. Diefe
Qiuät ^aben feine SBertöanbtf^aft, tote man frül^er
glonbte, mit \>en altfranjöjifc^en fiiebcsballaben, ben ^a=
jttonrellen ; bie glänjenbe ^lusgeftaltung ber eingelnen 9P^o=
tioe, roel^e fc^on in ben 3^^^^^ TOgriet^enlanbs ]xä) fin=
b^n, ^at er allein unb aus eigenen SQlitteln oorgenommen.
Diefe Sommerlieber, bie ?leib^art in feinen jüngeren
3a]^ren am Iieb[ten gefungen ^ai, gei^nen fi^ burc^ ben
befonberen IBau i^rer lurggeiligen Strophen, aber au^
noc^ inl^altlic^ in einem fünfte aus: in i^nen gibt büs
Mähä)tn unoer^ol^Ien feine Steigung funb, unb fie bilben
in biefem ^Betrad^te bie unmittelbare ^ortfefeung ber üoI!s=
tümli(^en £iebespoefte bes gujölften 3<^]^r]^unberts, too
ebenfalls bie grau toerbenb auftritt, ^us ber 33erbin=
bung ber alten ^auerntanglieber, bie es immer gegeben
^at, mit biefer ftellenioeife au^ ins (£pif(^e unb Drama*
i\]ä)t oerfallenben £iebesli)rif, ferner mit ber neuen ^öfi*
f^en Sangesfunft, aus biefen (Elementen ift ^leib^arts
Sommerpoefie entftanben.
©anj anberer ^rt finb feine 2BinterIieber. S^on bie
f(^n)erfänigen unb meitlöufigen Strophen fenngei^nen fie,
auä) ift i^r Stoff gang oon jener fommerlic^en Di^tung
mrf^ieben. Denn auf fürgere unb ti)pif^ geftaltete 9^atur=
eingänge folgen l^ier gumeift ein paar Stropl^en, bie aller*
ed^tefte ^öfif^e TOnnepoefie entl^alten; f^nitte man biefe
l^eraus, fo fönnten fie für fid^ irgenbeinem ritterli^en
£i)rifer feineren S^Iages 3ugef(I)rteben roerbcn. ©eroö^n^
lid^ gang unoermittelt folgt bann auf biefe gartgefponne*
ncn Gmpfinbungen, bie im 5^onoerfattonstone gebilbeter
©efellf^aft bargeftellt finb, eine ^Hei^e oon Strophen,
iDeI(^e Svenen aus ben 2Binterftuben ber ^Bauern f(^ilbern,
\x)o ber langfamere Xang oon benen getreten toirb, bie
147
Sommers bcn 9?cien gcfpningen Ratten. (£5 läuft in bcr
9?cgcl barauf hinaus, bafe bic Öpptgfcit, bie $offart b^r
^Bauern in 5llcib«m unb Sitten, i^r Xlngefc^id, il^re 9?o=
^eit unb Xölpel^aftigfeit oerfpottet loerben. I)as fü^rt
9leib§art in breiten, mit nieberlänbif^er 5^unft betdllier*
ten (Semalben aus. Sier [inb es bie Sauern, roel^e um
bie SO^äb^en roerben, mitten barunter ^^leibl^art, ber ^max
htn Dorfburfc^en natürli^ an Silbung unb ©eroanbtl^cit
fe^r überlegen ift, aber nid^t an förperli(^er Rraft. ©erat
er mit feinen ^^ebenbu^Iern aneinanber, bann sielet er
öfters ben fürseren, muß löo^I anä) entfliel^en, rä^t fic^
aber burd^ Spott in bem nur feiten geftörten ©efül^I,
büg f(^lie6Ii^ boc^ bie 5Dfab^en i^n ben „Dörpern" r)or=
äiel^en toerben. Die SBinterlteber befc^äftigen Sfleibl^art
insbefonbere in feinen fpäteren ^a^ren. Die fiiebe ftel^t
babei ni^t fo im S5orbergrunbe, bie i^ompofition roirb aU^
mä^Ii^ lorferer, bafür brängt fi(^ bie bunte unb ujirre
SÜlaffe bes Stoffes ; ber !ton entbehrt immer mel^r ber ton=
nigen § eiterfeit, bie in ben Sommerliebern roaltet, er
roirb trüber unb ^^rber. Das meifte oon ben 33orgängen,
bie S^eib^rt in b^n SBinterliebern berietet — b«n Som=
merliebirn bürften oielfa^ (Erfinbungen jugrunbe liegen —
roirb roirüi^ erlebt fein. Sie fallen in il^rer STieJ^rja^l
na^ t)fterrei(5 unb enthalten bie genaueften eingaben über
£)rte unb ^erfonen. Dabei irrt fi(^ ber Dichter nie, oer^
roed^felt nie bie ja^lrcit^en S^amen, unb fo laffen \xä) na(^
ber 3^\t unb nat^ htn (Segenben bes (Entfte^ens — f&at)^
em unb £)fterrei(5 — gan5e (Sruppen fäuberli^ fonbem.
SReib^arts ^oefie gibt ber gorfd^ung no(^ manche 9?ät=
fei auf. ^ber eines, unb gerabe bas 2Bi(^tigfte, fte^t hoä)
oollfommen feft: bas ^ublifum, für roelc^es 9ieib]^art
feine iReien unb ^^önje fomponiert unb gebietet ^at,
ift nie ein anberes geroefen als basfelbe, an bas 2Balte?
148
unb hie übrigen ^öftf^en Sänger fi^ n)onbten, nämlit^
bte feine, gebtibete, ritterliche ©efellft^aft ber (Jürftenl^öfe
unb (Bbelfi^e. 9^i^t blofe toiffen nnr burc^ Sfleib^ari
felbft, bü6 er bie (5unft oornel^mer $erren genog unb oon
il^r lebte, 3um 2^eil nennt er fie ja au^. 9lo^ xr^^x: an
einer Stelle (gaupts Ausgabe 88, 13 ff.) I^eifet es, bafe bie
Jßente bleues oon bem I)i^ter ^ören njollen; fie rounbern
]\ä), wo bie Säuern l^ingeraten finb, bie früher auf bem
2:unnerfelbe waren, bas Reifet, oon benen S^eibl^art ersa^lt
l^atte. darauf erroibnt ber Sänger: (£iner fei no^ bö,
unb üon bem fangt er nun an. :Der Sa^oerl^alt ift flar.
S^eibl^art l^at dnt 3^itlting, burc^ irgenbroelt^e, nja^rjc^ein*
liä) ungünjtige Umftänbe oeranlogt, nichts 9^eues jur
(Erweiterung bes gofes Don ben Sauern gefungen, man
oerlangt Sarnac^. t)ie ^öfifc^en i^reifc fanben CSenufe
unb CBrgö^ung in S^eib^arts ^oefie, fotDO^I in ben Som*
mer«= als in ben Sßinterliebern. Die abelige ©efellf^aft
erweiterte fi^ — mübe ber fentimentalen SJlinnepoefie —
an ben fröWIic^cu SReien unb befonbers an ben föftli^en
Jtän^en, in benen bie Sauern fo oortrefflic^ unb Iebens=
DoII com ariftolratifd^en Stanbpunfte aus abgeft^ilbert
tDurben. Der Seifall ber $öfe ^at mof)l baju beigetra^
gen, bag S^eib^art fi^ allmä^Ii^ me^r auf bie 2Binter«
lieber uerlegte. Die Sauern, mit benen er in t)fterrei(^
5lbenteuer erlebte, ftammen alle aus einer (Segenb, bem
Siertel ob bem SBiener 2Balb. ^u^ bas fprii^t bafür,
ha^ Sleib^art bas (ErgäWlte größtenteils felbft mitgema^t
Wat; nur roenn man i^n na6) iReuem brängte, wk an ber
erroä^nten Stelle, b<inn mußte er bismeilen au^ in feinen
itänsen erfinben.
Daß 5ReibWart feine fiieber für Sauern gebietet unb
i^nen vorgetragen Wabe, ift gän^licW ausgef^loffen. Hnb
3iDar ni^t nur bes^alb, töeil bie fargen fübbeutf^en Sau=
149
cm niemals geneigt maren, einen fal^renben Sänger rei^*
Ii(5 3U befti^enfen, unb mit etli^en (E^tDarcn, einem Ärug
Dünnbier ober einem $ansgefpinft $crrn S^eib^art ]6)rßtx*
Ii(5 gebicnt getoefen toäre. S^on bie gorm feiner Di(^*
tungen ma^te bicfe ben ^Bauern unjugänglit^ : bie 9Jhifi!,
ber Sau feiner Stxop^m finb oiel ju ücrtnidelt unb f^mic*
rig, bie Sprache fefet 5U oiel Silbung ooraus. 9Jlan barf
babci ni^t mit fo f(^Iimmen ^lusnal^men unter ben Sauern
red^nen, toic ber fpipübifc^e 9Jleier §elmbre^t toar, ber
es mit ben rittcrli^en SBegelagerern l^ielt. Die Sauern
ber alpinen (Segenben unb i^rer Sorlanber ^aben bümals
oon gebilbeter Dt^tung l^öc^ftens bie (Ersäl^Iungen ber
Selbenfage oertragen unb ni^t me^r. (£ntf(^eibenb aber
ift ein anberes: in ben Sommerliebern ftid^t SReibl^art
Ut Sauern hti i^ren 3Jläb(^en aus, um feinet^alben läuft
bie 2^o(^ter unb ©efpielin ju ber Jßinbe, er ift ber Segün=
ftigte; in ben SBinterliebern aber oer^öl^nt iReib^art bie
Säuern toeiblic^. Xlntcr feinen fämtlic^en ©ebit^ten, (oroeit
fie 3ur ^öfifc^en Dorfpoefie gel^ören, befinbet fi^ !aum
cineS; für bas SReib^art ni^t bie bcrbften Sd^Iäge be«=
fommen ^ätte, toenn er es roägte, fie ben Sauern oorju*
fingen. Die beutf^en £anbleutc in Sar)cm unb t)fterrei(3^,
bie §eute, nad^ ^^^r^unberten ber Demütigung unb
ilnc^tfc^aft, no^ fo cmpfinblid^ finb gegen bie Über*
legen^eit ber ©ebilbeten, bie jeben „Stabtfrad" mit bem
größten SWifetrauen betrachten, beren gan^e falfd^e unb
^eu^Ierif^e „Spanier" fid^ im SBiberfpru^ SU ben Sor»
nel^meren enttoirfelt ^at, bicfe Scanner folltcn ju einer
3eit, tDO fie fi^ fo oiel felbftänbigcr füllten, bas Sd^roert
an ber Seite trugen unb frei auf i^rcn Sufen fafecn, ]xä)
ben Sod^mut unb $o]^n eines fa^renbcn SRitters unb San*
gers l^aben gefallen laffen? ^uf ben Spottoers eines
Surften aus bem 9la$barborfe fe^t ber ridj^tigc Sauer
150
einen ganftft^tag, unb SReib^art totrb er befolbet unb
txna^it l^aben, hamii er ]iä) über U)n luftig ma^e!
9^eib]^art entnol^m feine Stoffe bem Souernleben, er
mif^te ftd^ unter bie „Dörper" unb erlebte man^es bei
i^nen. S^ieberöfterrei^ max bamals f^on ftarf bepölfert,
es göl^Ite um bas ^^^r 1200 ettüa 110 ^farrgemeinben,
bei benen hh fleineren eingepfarrten Dörfer unb SBeiler
natürlich ni^t mitgegäl^lt finb. £anb unb Jßeute gebiel^en,
es toar tro^ aller ^laderei unter ben legten ^abenbergern
eine gute !^t\t ^leibl^arts Säuberungen ftimmen auc^
gan^ mit htm, toas bie fpätere, reifere Überlieferung
uns aus b^nfelben (Segenben mitteilt. ^Ifo aus bem
länblic^en SBolfsleben [(^öpft bie pfifc^e Dorfpoefie, il^r
^nl^alt lommt toirflid^ üon b^n Sauern, roie 2Balter fagt,
aber niemals ift fie b^n 93auem felbft ^ugeba^t unb üor*
getragen toorben.
Da ift no^ eines merfmürbigen Hmftanbes ju ge*
benfen. ^n ben Sanbfc^riften, hk 9^eibprts fiieber ent*
]^alten, finbet fic^ au(^ eine gan^e 9Jlenge lyon Stüden,
9?eigen unb ^^änje, bie in feiner 9Jlanier, aber ni^t lyon
\\)m felbft gebic^tet finb, ja l^äufig fi^ gerabeju rotber i\)n
lehren, ein übel ausgefallenes Abenteuer üerfpotten, bas
(Segenteil üon feinen eingaben behaupten, bie S(^mä]^un=
gen auf i^n surüdtoerfen, il^n läd^erlic^ matten. 9Jlan=
c^erlei 5^enn3ei(^en gibt es, biefe (Sebic^te 9fleib]^art ab3u=
fprec^en, wo ni^t f^on ber 3^Plt bie Sa^e flarftellt.
3ft S^eibi^art juiDeilen grob, fo finb biefe £ieber unflätig.
3^re gorm aber ift meiftens oortrefflic^, i^re Spxaä)t
ni(^t toeniger pfifc^ als bie ^leib^arts, ber S5ersbau gut,
bie 9leime felbft unrein. Oftmals finb bie ilompofitio=
nen benen ^leibl^arts na^gebilbet, au^ roo^l felbftänbig,
immer aber jiemlid^ [(j^roierig. Sol^e Süterfmale getoä^rcn
uns ^uffc^lug, wo mx bie SBerfaffer biefer loif^tigen unb
intereffantcn falfc^en „S^ctt^arte" 311 Jüchen ^aben. ©erDtfe
nid^t unter bcn ^Bauern. Denn btefe ^aben \\^ bamals
nt^t beffer auf 9J?u[i! oerftanben als §eute, unb ^eute
gibt es im ganaen 5Bereid^e b^r ^Ipen ni(^t Dtel me^r als
brei ober oier langfame Xan3meIobien für bie Dolfstüm^
li^en „©'[tanseln". Diefe heutige SSoIfspoefie, bie „9}ier=
3etligen", bie „S^naba^üpfln", barf niemanb als 5lnalogie
für bie £ieber gegen 9^etb§art l^eranjie^en, na(^ ^i^^^I*
.unb gprm finb 'tAt je^igen Siebten jenen Stücfen gan5
unoerglei^bar. Darum erübrigt uns nur eine ätoette 5ln=
na^me : jene lieber [inb entroeber oon b^n beleibigten unb
oer^ö^nten ^Bauern bei berufsmäßigen fa^renben San*
gern, bei „S^eltern", roie [ie feit alter '^tW fi^ bejeugt
finben, ausbrürflic^ beftellt unb besa^It, bann na^ bem
S^leib^artf^en SJlufter oerfaßt D3orben. Ober ^Tleib^arts
Sßiberfa^er am ^ofe, ^Ritter, Sänger, l^aben gegen i^n
btefe Stüde gebietet, ^^^^^falls finb bie fogenannten
„falf^en ^Reib^arte" Äunftpoefie unb ni(^t 33oI!5poefie.
$rieib]^art ^at, roie ertDäF)nt, suerft bie ^^öftfc^e 5lunft
bes SJlinnefanges erlernt. Darum fennt er Sleinmar unb
!ennt 2Balter. (£r ift ein oiel 3U genial angelegter Dieter
geroefen, als baß er ben llnterf(§ieb 3rDif^en biefen feinen
beiben 33orgängern ni(^t ^'oXit erfennen follen. (£r ftellt
fi^ oon Anfang 0^ gegen SReinmars 5lbftra!tionen, 2Bal=
ter l^ingegen al^mt er na^. Sr tut es unb bleibt babei
[clbftänbig, roie er b^nn getoiß ein ftarfes ©efü^l feiner
(Eigenart ieber3eit befeffen ^at. greilid^ ftrebte er mit 23e=
iDufetfein barnat^, aus ben befannten ©eleifen 3U weichen.
(£r löanbte fein ^ugenmerf neuen unb feltenen Üleimen
3U, Dor allem aber trachtete er na^ neuen SBeifen. 3^eib*
]^arts 5lompofitionen finb gar ni^t oolfstümlic^, man
iDirb f(^njerli(^ na(^ i^nen ^aben tansen fönnen. 2Bie
ein SBauernreie jener "^tiX tDirfli(^ ausgefel^en ^t, bas
152,
tnag uns bas IBcifpfel eines fpäteren (Scbt^tes, bes
„9?ingc5" Don Sans SBittentDetIcr lehren: was bort 5um
3^an3e gefnngen toirb, bas finb SBerfe, bic na^ Sau unb
Sn^alt ben 9?etmcn nn[erer i^inbcrfpiele um ni^ts über*
legen finb. ^Tleib^art fielet ju feinen Aufgaben als ilünftler,
er bilbct bas (Segebene bur(^ tttufna^me neuer Stoffe
unb SJerfnupfung mit oor^anbenen, unbenu^ten (Elementen
in feiner gans perfönli^en 2Beife fort. 5lein SBunber,
hü^ er tro^ aller ^d^tung für SBalter mit biefem, bem
SBertreter ber flaffif(§en Did^tung; als ein oorioarts ftreben*
ber Stealift in f^arfen (Segenfa^ geriet.
SBalter oon ber Sßogelioeibe mugte, als er ^leibl^art
am 2Biener gofe oorfanb, in beffen ^oefie eine (SnU
artung feiner eigenen erfennen, toie etroa ©oetje, ha er
aus b«m flaffif^en 3^0^^^" ^^^ ^^^ ^^^ Dramen bes
jungen S(^iller in !Deutf(^lanb ixrbreitet fal^. 5Uic^t bie
SBefd^affen^eit ber Stoffe allein mufete 2Balter mißbilligen
— benn eben l^atte er fi^ felbft bem epif(^*bramatif(^n
fiiebe ber nieberen $IRinne sugeroanbt — obglei^ ^Ueibl^art
um fe^r üieles roeiter ging unb außer feinem perfönli^en
S^idfal no(^ eine gülle oon giguren in bie Darftellung
oeriDob; gerabeju freoell^aft \zhoä) erfc^ien SBaltern bie
Söerroenbung ber SP^innepoefie, toorin er bie ebelfte SBlüte
ber ilunft erblidte, als 3ioif(^enftü(f in ^Reib^arts 2Binter=
liebern. ' 2Bie ^eute ungefähr tin ernft^after äRufiler
fi^ an ben getragenen 2Jlelobien ärgert, mit benen moberne
ilapellmeifter i^re bürftigen SBaljer einleiten — ganj
anbers als ßanner unb So'^^i^^ Strauß, M beren !öft=
lid^en ilompofitionen SBorfpiel unb 2;an5e in eins ge*
ftimmt finb — fo mußte 2Balter bie ^ol^e fiprif f^ma^»
liä) ^erabgejogen oorlommen, toenn fie als Ouoertüre
für bie glegeleien nieberöftenei^ifd^cr Säuern gebraucht
rourbc. Darum fein f(^arfer unb entft^icbener ^roteft in
153
hcm Bcfpro^ncn Jßtcb«. Sfletb^art rta^m ben $anbf(^u]&
auf, er parobiertc SBaltcrs ^rcislieb (gaupts 5lusgaBc 93,
15. 98, 26 ff.) unb anbete [einer be[tcn Stüde, unb \o [tnb
bie beibcn SP'länner ausetnanbergefommen. S^lid^t tote
SBoIfram unb 2Balter fanben ]xä) SBalter unb ^Reib^art
gegenfettig angejogen. Sie befe^btten ]iä) als IReprafcn*
tauten ber ibealiftif^en unb realifti[^en Dichtung, u)ie
[ie ftets in ber ©efc^id^te ber ^oefie aller Sßölfer einanber
f)axi auf bem gfube nachfolgen. (£5 ift ein eujig gleich'
bleibenber C5egenfat sroifd^en smei SO^äd^ten in ber Dic^
tung — n)ie ^lato unb ^riftoteles in ber (Enttoidlung
aller ^^ilofop^i^ immer roieberfcmmcn — fid^ feinbfelig
berü^renb, aber ]xä) auä) in 3i^lc^ unb TOtteln ergänsenb.
<Bdibn^aäi, SBalter öon btx SSoflcIweibc. 11
DL
KaÜer Friedrich IL
3m SRax^ ks ^a^xes 1212 maä)U ]iä) Ivcr jugcnb*
li^e RbnxQ griebri^ oon Siatitcn, 5latfer Sctnrtc^s VI.
So^tt, auf, tmmtt er als ilanbibat bes ^opftes 3nno5cn5
gegen ilatfer Otto IV. feinem §an[e bte beutf^e 5l5ntgs=
frone roteber sutoenbe. 5Ra(^ oielen gä^rl^feiten, ol^ne
3Kannf^aft, nur t)on italtenif^en Stäbten mit (Selb unter=
]tü1^i, trifft er im September bes ^a^res in X)eutf^Ianb
ein. Seine ^ntoefen^ett genügte, oerbunben mit ber Hn*
beliebtl^eit iDttos im Süben bes 9iei^es, um bem jungen
Staufer fofort t)iele ^n^nger ju oerf^affen. 33or allem
folgten bie alten SHeid^sminifterialen feinem 9lufe, unb
loieber einmal gruppierten fit^ bie beutf^en gürften unter
ber (£inn)irfung i^rer ^i^tereffen oon neuem, griebri^
t)ermo(5te il^nen im erften ^ugenblict freiließ nic^t oiel
3U gerDäl^ren, aber man fonnte bo^ XIrfunben oon i^m er=
langen, 'beren Autorität sroeifel^afte ^nfprü^e fieberte,
unb etliche ge^en 9{ei^s= ober Sausgutes fielen no(^
immer für bie ah, bie fid^ jeitig genug melbeten. Darum
ift bas erfte, toas uns oon griebri^ erjä^lt mirb, bafe
er f^on ju 58afel fi^ eine ilanjlei bilbete, loeld^ bie Do*
fumente für bie iBergaBungen in aller gorm SRe^tens
ausjufertigen IJatte.
Der (Erfolg entfprac^ b«n fü^nften Soffnungen: [(^on
am 5. Dcsember 1212 ronrbe gn^brid^ ouf einem großen
$oftage in granffnrt 3um beutfi^en ilonig geioä^lt —
inbes 5laifer Dtto 311 ^ac^en bas fpärli^e $aufletn feiner
Xrenen jaulte — am 9. Dejember tourbe er, freiließ mit
nachgeahmten ^Heit^sinfignien, gefrönt. "iKx^i roenig trugen
3U grtebric^s gortf^ritten bie ^bma^ungen bei, roelc^e er
mit bem fingen Äönig ^^^tlipp ^uguft oon granfrei^
iDiber £)tto unb beffen engltf^e iÖerbünbete getroffen
l^atte, unb infolge beren Sfyca y,t\xi Segen oon 20000 ÜDlarf '
3uteil tDurbe, roie ber G^ronift oon St. $eter 3U (Erfurt
\At fran3ö[i[(^en Sub[ibten nannte. Diefes ©elb Jpenbete
griebrid^ an feine 5In]^änger xtx^Xx^ aus, tool^I mel^r no$
an bie frif^getoorbenen als an bie alten. Unter ben
erfteren befanb \\^ aud^ SBalter oon ber Sßogelroeibe, unb
bafe ber junge 5lönig ben Sänger, ber eben burc^ bie
^apftfprüc^e feinen IRul^m in I)eutf(^Ianb ausgebreitet
l^atte, fofort mit einem naml^aften (Sef^enf beba(^te,
3eigt feine finge 33orausfi(^t. äBir finb über \At Sa(^e
bur^ brei Strophen SBalters unterri^tet. 3n ber erften
(fi. 26, 23) melbete er, baß i^m „§err Otto" — fo nennt
er ben ilaifer je^t — 3U)ar eine fefte, eibli^e 3iiföge ge-
geben, aber biefe ni(^t erfüllt ^cibe, tro^em i^m ^nfprüt^e
auf feine Danfbarfeit 3urtänben; oon griebri(5 ^)(iSit er
nid^ts 3u forbern, es fei benn, baß ber junge 5lonig fi^ ber
alten Sprühe erinnere, bie SBalter einft im 3ntereffe
i^öntg ^^iltpps gefungen ^abe. So finbet es ber Dichter
gan3 in £)rbnung, roenn er fi(§ i>on bem „böfeften" $erm
nunmehr 3U bem „beften" roenbet. Der Sprud^ l^at i^m
eine Spenbe eingebracht, benn er banft alsbalb, inbem er
(fi. 26, 33) Ottos £änge, bas l^eifet feine befannte ^o^e
(Seftalt, mit ber 5lür3e feiner gretgebigfeit unliebfam oer*
0lei(^t, bem neunse^njäl^rigen griebri^ hingegen ein fo
11*
156
großes SKafe i^ion 5[RiIbe ^u]6)xtxbt, baß er [i^ mit ben
Sauren roo^I no(§ 5U einem ^liefen austoa^fen loerbe.
Die 5lnfpieliing bes legten SBerfes rourbe oerftanben unb
in einer 2Bei[e beantroortet, bie bem S^ers tnt]pxaä):
ber RbnxQ cerlie^ 2ßaltern 30 maxi ©infünfte (£. 21, 1),
aber loa^rft^einli^ üon einem entlegenen (5ut im 5Be[i^e
Ottos ober feiner 5lnpnger; iebesfalls roar ber 3^^^
ni(^t einjutretben, unb fo genießt ber Dieter oon bem
großen (Erträgnis ni^ts als ben ^^lamen, roorüber er nun
fpoüet.
Soweit toir feigen fönnen, ift SBalter je^t nii^t am
Sofe grtebrid^s geblieben, fonbern ^at abermals, unb jtoar
bur^ längere 3^tt, ein unjtet um^erf^toeifenbes Beben
geführt, griebric^ rourbe 5um sroeitenmal unb feierlich in
ilöln bur^ ben päpftlid^en Legaten gefrönt am 25. J^vXx
1215, feine ©emal^Iin ilonftan^e brachte i^r Sö^nlein
Seinri^ ua^ Deutf(^Ianb, ^apft 3nno5en5 III., btefer (5e*
roaltige, ftarb am 16. ^vXx 1216, nat^bem er no(^ üor^er
ben Xriump^ bes großen lateranif^en 5lon5ils in 9lom
erlebt l&atte (1215). 9li(^t5 oon biefen (Sreigntjfen fpiegelt
fic^ in Sßalters £iebern. X)agegen l^at er als ©aft an
man(]^em Sofe geroeilt, ni^t immer als beliebter, benn
es roirb fd^merlic^ ^^'iaW fein, baß SBalter in bem jur
©aftfreunbf^aft nac^ ben Orb^nsregeln oerpflit^teten
5Benebti!tinerftifte Xegemfee in £)berbai)ern o^ne (£r=
quidung fortgelaffen njurbe; feine Haltung gegen ^apft
unb ®eiftli(^!eit mag i§m biefen üblen SBilÜomm 3uge=
sogen ^aben. (Er räc^t fic^ mit einem Spru^, in bem er
ärgerli^ ben W)i als „mhn6)" bejei^net (ß. 104, 23):
„9Wan fagt' mir ftets oon Xegemfee, roie bort ein gaftli(^
Saus in ^^ren ftel^', brum ujanbt' i^ mic^ bal^in mel^r als
'ne 5lReiIe x)on ber Straße. 3^ ^^ ci" fonberbarer SKann,
baß i^ mir felbft fo toenig fann o^rtrau'n unb mi(^ fo
157
fcl^r auf anb'rcr SBort i)«rlaf[c. 3<^ fc^clte ntcmanb; bo^
rotll xä), Bei ©ott, fic mctbcn. Dort tron! i^ 2ßaffer, unb
fo naffer mu^i' xä) oon bes SD^öiK^es ^tf(^e [(Reiben."
Da führte i^n fein 2Beg tool^I au(^ na^ Kärnten, bas ni^t
fo entlegen roar, als es f^eint, obgleich bie größeren
^a^xhü^n oon 5loImar es einmal ein £anb nennen, bas
na^e Bei £)fterrei^ liegen foll. Sine oielBefiK^te Strafte
ging aus bem 5Rorben hmä) DBer[teiermar!, Bog bann
Bei fSxnd an ber 93^ur ab unb 30g ]xä) über griefa^
unb St. 33eit an ben ^erjogsl^of 3U SBilla^ unb t)on
ha na^ ^t^Iien, faft toie ^eute bie (iifenBa^nlinie 2Bien=
2^ari)is*^onteBa. Daft 2BaIter ]\ä) bort toieber^olt Beim
gerjog SBeml^arb aufgel^alten ^ai, mag man aus bem
crften ber Beiben Sprühe (Q. 32, 17. 27) erfc^lieften, bie
einer unangenehmen Angelegenheit geroibmet finb. Der
Ser3og lieft nämli(^ für ben Sänger, ben er ]ä)o\x oft
Dörfer Bef(^enft ^attt, ein neues illeib ma^en, biefes
ujurbe iebo(^ burd^ einen SKiftgünftigen 2BaItern oorent*
galten. 2BaIter ^atte bie Säumnis bem Serjog 3uge=
[^rieben unb offenbar ein f^arfes 2Bort barüBer fallen
laffen. Das ^aiU man toieber bem §er3og entjtellt unb
üBertrieBen ^interBra^t, unb biefer toar baroB ärgerlich
geiDorben. Der erfte Spxuä) SBalters \uä)t bie Sa^e in
i^rem roa^ren Jßi^te bar3uftenen unb ben Ser3og 3U Be*
fänftigen, im stoeiten oerglei^t ber Dichter bie Boshaften
3tDifd^enträger mit 5lRäufen, benen man Stellen ange=
^ängt \)at, unb bie \xä) babur^ feIB[t oerraten. Der Sänger
bro^t bem SBerleumber, ben er, roofern biefer üBerl^aupt
fatisfaftionsfäl^tg ift unb ber $er3og es ni^t anbers
iDünf^t, mit einem hörten St^roertfc^lag treffen wiU.
Dabei preift SBalter ben Sersog, ber alle Opfer um ber
G^re roillen Bringe. Der ^\x^a\i biefer Stropl^en ift alfo
9an3 unBebeut^nb, unb fie ^aben nur babur^ 3"tereffe
158
toeil fie uns ous bcm 3^one; in bem 2BaItcr ^ier t>cn Scr^og
anfpri^t; cntncl^mcn laffcn, tocld^ angcfc^cnc Stellung
ber Berühmte 8angcr an einem Heineren §ofe innel^atte,
htn er ah unb 3U als gal^renber auffuc^te.
3m 3a\)tt 1219 Befanb \iä) SBalter toieber htx Serjog
Jßeopolb bem (5Iorrei(^en oon JÖfterreid^, unb l^ier^er ge=
prt eine Rüü oon 5 Sprühen {2. 31, 33. 32, 7. 34, 34.
36, 1. 35, 17), mit benen feine na^toeisbare Xatigfeit
in ber $eimat abfc^liefet. Der Sänger fam jur regten
3eit, benn eben feierte Sergog ßeopolb oon bem 5lreu53uge
(1217—19) 5eim, ber mit ber (Eroberung Damiettes glüdf*
lid^ beenbet toar. IBor^er ^^tte ber Sergog für bie ga^rt
bas C5elb gufammengefpart, je^t rourbe er freigebig. 3^
fomif^er (Einleitung befreust fi^ SBalter roiber alles Xln»
5eil, unb mit Dlet^t, benn es finb un]^öfif(^e Sänger ba
(]ä)wnlxä) i]t bamit nur ^dh^axt gemeint), ujel^e bie
feine alte Sangto^ife ftören unb bo^ bei $ofe beliebt (inb.
!Der Sergog foll entf(^eiben, ob er guten ober groben Sang
oeme^men toill. Die (Entfc^ eibung mufe ungünftig aus=
gefallen fein, benn SBalter l^ebt ben nä^ften Sprut^ bamit
an, bafe er nun enblit^ aui^ einmal fd^arf fingen toill unb
bort gebieten, loo er bisher nur bat. SJlxt einer 2Benbung,
bie foujol^l 9teinmar als er felbft f^on gebraust l^at, flagt
er, ha^ man je^t hk Spenben ber gerren unb ben ©rufe
ber grauen auf un]^öfif(^e SBeife ertocrben mufe. So rotll
er nun auc^ tun. Singt er nämli(^ ^öfifd^, fo laufen feine
(Segner unb melben bas einem 2Rann namens Stolle (oon
bem u)ir ni^ts roiffen). Dort oerleumben fie i^n. Das
fann SBalter auä), uienn er roill: er roirb na^ bem öfter=
rei^ifc^en Spric^roort, bafe Jßügen unb Sßortoerl^alten
ilröpfe ma^t, ni(^t nur fi^ felbft einen ilropf, fonbern
auä) feinen geinben, ba fie bur^aus fol^e Sc^elmenftüde
U)ollen, an ben $als lügen. Hnb bas roill er juerft td bem
Scr3O0 Detfu(^cn, in beffen fianb er fingen unb fagen ge*
lernt '^ai: geroa^rt xf)m ßcopolb Xroft, fo roirb er ou(^
befferen 2ßut getoinnen. 5ßietlei(^t ift bcr 8pru(^ J^on bei
bcm Patriarchen oon ^quileja vorgetragen, an mel(^em
Sofe SBalter aufeer biefem feinem alten ©önner no^ ben
gersog fieopolb felbft unb beffen 35etter §er5og Seinrt(^
0U5 SRöbling bei SBten, antraf. Die brei §erren rü^mt er
nun: folange i^re §öfe i^m offen ftel^en, l^at er 2Bein in
ber Ru^t, ©raten in ber Pfanne unb brautet fic^ nx^t
roeiter umsutun. fieopolb ^at fi^ bem Sanger gnöbig er=
Briefen, benn er nennt i^n oerfprod^enermaSen gerabeju
feinen 3^roft, ben Serjog Seinri^ oerglei^t er mit btm
Bcrül^mten Sangerfreunb, bem milben Ser3og 2BeIf VI.,
5Bruber geinri^s bes Stolsen, ber 1160 gu 50lemmingen
in S^roaben naä) üppigem fieben geftorben roar. tffu(^
ben öftenei$if(^n ^bel lobt er nun unb ermal^nt i^n 3ur
greigebigfeit. Do(^ mug es SBalters ©egnem gelungen
fein, bas D^r bes Sersogs fieopolb für fid^ 3U geroinnen,
benn ber le^te jener fünf Sprüche roe^rt in gehaltenen unb
überlegenen 2Borten eine 5BerrDünf(^ung bes $er3ogs ab,
ber ben Sänger in ben 2BaIb f^idt — etroa vok l^eute
„ba^in, too ber Pfeffer maä)\t," ober „u)o gü^fe unb
(gulen fi^ gute Sflat^t fagen". 3a, 2BaIter fe^rt biefen
glu^ graberoegs roiber ben Ser3og unb fagt i^m: ,föt^'
bu in ben 2BaIb, lafe mi(^ htx ben aJlenfi^en, bie mi$
gern ^aben, bann gel^t es uns Beiben oortreffli^". 2Ran
begreift, bafe ber Ser3og biefen argen Schimpf nid^t gut=
roillig ^innal^m, unb SBalter rotrb fortan ben SBiener §of
unb JÖfterrei^ l^aben meiben muffen. (£r gebenft fpäter
bes Ser3ogs nur no^, roo er feine i^arg^eit beim 5Rürn*
berger Softage tabelt.
(£s ift ni^t bas einsige SRal, bafe mix auf eine 93e=
fonber^eit in bem G^aralter SBalters aufmerffam roerben :
160
i^m wat ein ]^oc^be[(^tDmgte5; aber auä) fe^r empfinbltc^es
unb erregbares ©emüt eigen; es toirb ni(^t leitet geroefen
fein, mit i^nt, bem nil^mgetDo^nten Di(^tcr, 3U oerfe^ren,
unb am lei^teften mochte er ba bei bem eigenen £anbes*
l^erm anfto^en, ber i^n als [einen Untertan an[a§ unb bie
©lorie ber 5lnerfennung feiner 3^itgenof[en ni(^t ad^tete.
Dafe 2BaIter [ic^ am S^Iuffe feines £ebens fern oon ber
Seimat dn Saus grunbete, bas roirb mit biefem unerquidr
li^en Streite sufammenl^ängen, ber i^m ^]Uixtx(i) tnU
frembete. SBeffer gelang es bem Dieter einige 3^^^ ^or=
md) (£. 80, 27. 35) Ui bem ©rafen Diet^er IL oon
ila^enellenbogen. Den preift er juerft in ftolsen 2Borten
als freigebigen $€rrn unb ma^t i^n aufmerffam, ba^
ein £ob aus feinem SJhinbe i^m me^r ^Ru^m eintragen
roerbe als bie lieber oon taufenb lanbfai^renbcn ^fuf^ern.
Der ©raf f^enft bann 2Baltern einen 9ling mit einem
foftbaren Diamant, roorauf eine Strophe folgt, in iDel=
^er ber Sänger ben Spenber einen ber fc^önften ^Ritter
nennt, ber il^n ol^ne oorl^rige 93itte ju ft^ä^en roiffe; bie
St^ön^eit ift aber bie innere ber 3^ugenben, roelc^e, nac^
aufeen gefe^rt, ben ©rafen ausjeif^net, ber offenbar 5ä6=
\xd) geroefen ift. 5luc^ ^ier merfen toir 2BaIters feine
äBeife, 3U loben, bie 5lunft, mit ber er, o^ne loertoolle
(Bdbm 3u oerfc^mä^en, ]x^ felbft über bie fa^renben fieute
ftellt unb baburc^ u)ieberum feinen rul^menb^n Sprühen
eine ^öl^ere Sebeutung oerlei^t.
SnstDif^en roaren bie großen politif^en ^läne grieb=
ri^s gereift, ber je^t ni^t me^r burc^ bie 9?üdfi$t auf
feinen el^emaligen SBormunb unb Sef^ü^er, ?apft 3^no=
äenj, gebunben roar unb beffen biplomatift^e 5^unft, fei=
nen S^arfblid unb feine ^errf^erftellung ni^t me^r 3U
freuen brauchte, ^uf bem granffurter Softage, 17. ^ril
1220, gelingt es i^m o^ne äußerlichen Drud, bei ben
161
gürflen bie SBal^I feines Rnahtn $etnn^ 5um bcutf^en
SibniQ bur(^5ufc^cn, am 22. S^oocmber 1220 frönt i^n [elbft
$apft $onoriu5 in. 5um Äaifer. (Es i[t ein Xriump^ fei=
ncr ^olitif, bag er htx\)t5 in einem Zdf)xt guftonbe gebrockt
^at ^ber es 3eigt au(^ 5uglei^, toie griebri(^ IL, ber
einer ber bebeutenbften SRenfc^en [einer S^xi unb iebesfdls
ber bebeutcnbjte Staufer gexöefen ift, [eine Stellung in
Deut[d^lanb auffaßte. Sie beilegte i^m ni(^t. Dur(^ bie
5lämpfe ip^ilipps loar bas überaus reiche §ausgut bei
gamilie 3er[plittert, teiIrDci[e aufgese^rt, [o bafe ja ^^i^ipP
felb[t in [einen legten ^ai)xtn l^atte fargen mü[[en; unb
bie ehemals ge[(^Io[fene ^aä)i, ber große [(^u)äbi[^e
3^erritoriaIbe[i^, loat nic^t me^r in ber ^lusbel^nung Dor=
l^anben, mü^t bem 5lai[er bie unum[(5rdnfte 5Iusübung
[einer Serr[^erre^te geroä^rleiftet ^ötte. Darum lonnte
er lei^teren Serjens, [ofern er bas Imperium bel^ielt,
auf bie beutf^e ilönigsfrone 3ugun[ten [eines Sohnes
Dergit^ten unb überbies babur^ [einem Saufe bie Erbfolge
[it^ern. (Er fanb bie tDe[entIi(^en ©runblagen [einer SP^ac^t
in [einen italieni[(^en 93e[i^ungen, oome^mli^ in Siäilien.
X)ort füllte er \xä) au^ ju Sau[e, benn er mar überhaupt
fein Deut[(^er, [onbern ein Staü^Tier na^ (Seburt, Sprache,
Grjie^ung unb allen Einlagen [eines reiben (5ei[te5. Seine
ge[amte ^er[önli^feit x]i unbeut[^, nur bie ^^rabition, bte
auf [eine $oIitif einroirft, i[t [taufi[^. Dort in Sizilien
l^at er bie 2}errDaltung eingerid^tet, beren Organismus (eine
3eitgeno[[en be[taunten, unb bie i^m bie 9JlitteI 3U [einen
langjährigen kämpfen roiber ^ap[t unb Äir^e bereit^
[teilten. 5lber beoor er [eine italieni[^e SKac^t ausbauen
lonnte, mußten bie beut[d^en Angelegenheiten in Orbnung
gebracht toerben. Dasu uianbte er alles auf unb 50g au^
bie beroai^rte Silfe bes oolfstümli^en Sängers 5^ran.
Das S3e4altnis SBalters pon ber SJogelxoeibe ju 5lai[et
162
Sfrtebrid^ tft ein gan5 anbcres als has, in bcm er 5u bcn
früheren Scrrfc^cm geftanbcn ^atU. Dort toar es ein
fretiDilliges 5Inerbietcn t)on gall 5U Jall, 2BaIter ftellte
feinen Sang in ben Dienft bes ^tei^es unb erhoffte bafür
auc5 ßol^n; ^ier ift [i(^erli(^ ein ^aft eingegangen tuorben
mit gegenfeitigen Sßerbinbli^Ieiten : 2BaIter toirb nun oon
ben planen bes 5laifers unterrichtet unb bemüht fic^, |ie
burd^ ben (Einfluß feiner ^oefie 3U förbern. (£r ift alfo
nunmel^r als politifc^er ^gent 5U betrachten, ber in feftem
Dienftoerl^ältnis fte^t. 3)em entfpric^t ber £o{)n bes
Sängers: ein eigenes §eim.
3ut)örberft ^anbelte es fic^ barum, bie öffentliche
SReinung bafür 3U geroinnen, ba^ ber junge Seinrit^ jum
beutfc^en ilönig, einfttodlen unter SBormunbfd^aft, geroä^It
unb fomit bereits im ooraus 3um bereinftigen 5Ra$f olger
feines Sßaters beftimmt roerbe. Diefem 3ioed ift ein Spruc^
SBalters gum granffurter Softage geroibmet (Q, 29, 15) :
er mal&nt fc^ers^aft bie Surften, bie i()ren Äönig gern
los toären, feinem 9?ate 3U folgen, bann brächten fie i^n
balb über 3:rani, bie italienifc^e Mftenftabt, hinaus. 35or
allem follen fie nic^t b^n 5lönig oom 5lreu33ug abgalten;
bas tun fie jebo^, toenn fie fic^ toeigem, auf feine ^läne
ein3uge5en, il^nen gerei^e bie fja^rt immer 3um 5BorteiI,
wk fie auä) ausgel^en möge. Daran fc^Iiegt fi^ unmittel=
bar ein Spru^, in bem 2Balter ben 5lönig um eine Seim=
ftätte bittet. (Sx Ileibet bas in rül^renbe 2Borte, bie teil=
roeife an alte oolfstümlic^e Sprühe erinnern (2. 28, 1):
„35r, S3ogt oon 5Rom, 5lpuliens gürft, lafet (£uc^ er=
barmen unb lafet mi^ nic^t tro^ reicher 5lunft alfo t)er=
armen! ©ern' möd^t' i^, fönnf es fein, am eignen gerb
enoarmen. Sei, roie i^ bann oon 33öglein fange unb
00m ©rün, oon SBlumen unb ber ^^eiht, wk id) cinftens
fang, ©etoä^rt' mir eine fc^öne grau bann i^ren Danf,
163
i^ liefe' t^r 5Rof' unb ßtite aus bcn SBangen blü^n. So
fomm' iä) ]pät, frül^ rctf t^ fort: rocl^, (Saft, btr toel^!
Der 2Btrt allein [ingt frö^Iic^ oon bem grünen 5llee.
SBe^rt ah oon mir hk 9^ot, o §err, halß eure 5^ot oergel^'."
!I5er SinxDeis auf bie Sebrdngnis, in bie griebri^s 2Bün[^e
hex ben gürften gerieten, mag bie Sitte bes Sängers
unter[tüfet §aben, unb als griebri^s SBille gef^e^en,
\tin Sol^n jum 5^önig erhoben ift, ba oergifet er auc^ nit^t
bes Dichters. SBalter erroibert auf bas rei(^e ©ef^enf
mit jubelnbem :Danf (£. 28, 31) : „^ä) ^ah' mein fielen,
5ör's alle 2ßelt, xi) ^ab' mein fielen. 9^un fürtet' x^
nxä)t ben garten groft an meinen 3^^^^ unb brau^' bei
fargen $errn ni(^t mel^r ju flel^en. Der eble milbe 5lönig
^at mxä) fo beraten, bafe xä) im Sommer fü^I unb toarm
im SBinter too^ne. 9lun folgen mir bie ^a^haxrt langer
ni(^t mit i^rem $o]^ne, [ie [e^n mx6) ni(^t als $Bogel=
f^eu(^e an, roie fie je^t taten. 3^ ^^"9^ i^ar xä) toiber
Sßillen an ber 5Irmut fran! unb fo getoo^nt $u freiten,
bafe mein 5Item ftan!. Den ^at bes Äönigs gulb mir rein
gemalt unb baju meinen Sang/' Dafe 2BaIter in biefen
SBerfen übertreibt, ift ganj begreifli^ unb liegt in bem
3rDe(fe bes Spruches; man roirb besl^alb ni(^t barauf^in
(roas oor furjem roirfli^ g^f^^a^) fi^ ben Sanger toie
einen l^eutigen Jßanbftrei(^er mit jerriffenen Stiefeln oon
§aus 5u $au5 bettelnb oorftellen bürfen. Das ®ut,
roel^es 2BaIter erhielt, roirb oiellei^t in ber ©egenb oon
2Bür5burg gelegen ^aben, toie man oermutet, ba^er mo^te
i^m au^ ber ©raf oon i^afeenellenbogen befannt toerben,
ber in bemfelben Serei(^e £änbereien oon b^n SBürsburger
^Bif^öfen 3U £e^n trug. 2Ba^rf^einIi(^ tourbe ber Ort
mit 9türffi(^t auf 2ßalters SBerioenbbarteit im ^Rei^sbienfte
geujä^It. 2Bir roiffen ni^ts ^Rä^eres. —
SÖSa^renb ber ^btoefen^eit bes 5laifer griebri(^ aus
164
Dcutft^Ianb iDurben bte iRegtcruttösgefi^äftc, ba ber neun*
jäl^rtgc RbnxQ $etnrt^ fte nxä)t ido^I üerfe^cn fonntc,
einer Äommiffion übergeben, bte oornel^mltt^ aus grofeen
ftauftf^en 9letc^5mtnt[tcrtalen beftanb, unb an beren Spi^e
\x^ ber (£r5bif(5of (gngelbret^t oon Äöln Befanb, ber mit
foli^en ©eroalten ausgeftattet mar, bafe er in ber Xat
als „©ubemator*' bes !Deutf^en SReic^es bejett^net toerben
burfte. Das toar ein fluger, energif^er, bisroeilen [ogar
rüdfic^tslofer IDlann, ber bie Ctbnung üortreffli^ ju cr=
Italien, ben l^abgierigen unb geraalttätigen ^bel $u ban=
bigen roufete. SJlan nannte i^n tool^I barum ben „gürften*
meifter". greilt(^ ma^te er [i(^ oiele g^inbe, befonbers
unter ber 5Ritterf^aft; toelt^e im grieben[tören faft ein
(SetDerbe fanb. ^ber au(^ in ber großen 9lei(^spoIitif
überf^ritt er juroeilen fetbft bie für i^n fe^r ujeit ge=
gogenen ©renken, unb es fel^It ni^t an SBeifpielen, roo
üniaferegeln, bie er in austodrtigen ober ^eimif^en ^n=
gelegen^eiten getroffen f)attt, oom Äaifer loieber rud*
gängig gemacht merben mufeten. S^it^tsbeftoroeniger loar
er bie [it^erfte Stü^e bes [taufi[(^en 5tegimentes unb
fteltte als ber gefürc^tete ^nujefenbe bie ober[te 5Rei(^s=
autorität $eitxoeiIig bar. 50lit biefem mächtigen unb be*
beutenben SP^anne toar SBalter oon ber SBogeltoeibc na^e
oerbunben, i^m finb einige feiner Sprüche geroibmet.
3u Mmberg fanb am 25. 3uli 1224 ein goftag ftatt,
wo auf ^Betreiben (£ngelbre(^ts neue Seftimmungen felt=
gefegt iDurben, um ben freien SBerfe^r, befonbers ber
ftäbtif(3^en Äaufleute, toiber bie abeligen Strau^biebe 3U
f^ü^en. X)esrDegen fagt au^ 2BaIter (fi. 84, 14), bort
l^abe ein gutes (5eri(^t ftattgefunben. SBenn i^n bie
£eute bann roeiter fragen, toas bort gef^e^en fei, fo Ic^nt
er es ab, barauf ju antroorten — er roar niä)t als (5abe=
l^eif^enber bort — er oertoeift auf bie fa^renben fieute,
165
hu über bic Äargl^eit ber t)er[ammelten gürftcn Üagten,
unb [^liefet mit einem [pi^en 3:abel für §er5og £eopolb
t)on £)[tenei(§. Xlnroillfürli^ fommt man auf ben (5e=
banten, was SBalter, tva er hoä) ni(^t üortrug, auf jenem
$oftage ju [Raffen ^atte, unb toes^alb \xä) bie £eute gans
insbefonbere an i^n als an einen Xlnterri^teten toen*
beten, roofem [ie nx^t iDufeten, bafe er irgenbeine amtli(^e
!Xatigfeit bort ausübte; unb [o toeit es oon ber SBa^r^eit
abliegen mag, toenn SBalter für ben Grsie^er bes jungen
ilönigs §einri^ gel^alten rourbe, fo i[t es hoä) nxä)t un=
roai^rf^einli^, ha)^ er [ein ßel^ngut als 5Be[taIIung für eine
beftimmte l)ienftlei[tung beim 9lei(^ erhalten ^at. C£r
rü^mt ben (grabif^of bann in einem bejonberen Sprud^
(£. 85, 1) : (Engelbre^t f}abt Hrfa^e, \i^ ju freuen, benn
er l^abe bem 5{ei^e treffli(5 gebient, unb f)oä) fteige fein
Jßob. Deshalb möge er, ber gür[tenmei[ter, ]iä) auä) um
hk Drohungen ber geiglinge ni^t feieren, bie i^n be*
feinben. (£r ^obe bas ni^t nötig: er, ber treue ilönigs*
Pfleger, bes Äaifers (E^ren^ort, ber befte Raxx^Ux, ber
Ädmmerer ber ^eiligen brei Könige unb ber elftau[enb
3ungfrauen, bas Reifet, ber Io[tbaren ^Reliquien im Dome
äu ilöln. 3^ einem anberen Sprühe bittet 2B alter
htn (Erabifc^of um $Rat (£. 84, 22) in Sa^en feiner
5lunft, er toill oon i^m erfal^ren, toel^e 2:onart er in
einem aufgetragenen Jßtebe antoenben foll. 5lein 3iDßif^Ii
bafe fi^ bies auf ein politif^es ©ebi^t ht^it% bas oon
2Balter ©erlangt mirb; toel^es jebo^ unb ob überhaupt
eins ber uns befannten barunter gemeint ift, baoon loiffen
toir ni^ts. — 3^^ tux^tx 3ßit barnac^ erfüllte fi^ bas
(Öef^id bes SRei^soertoefers. (grjbif^of (Engelbrec^t rourbe
am 7. ^Rooember 1225 oon einem SBertoanbten, bem ©rafen
griebri^ oon TOena^Sf^^^urg, ermorbet. SBos aus 2Bal=
tcrs früherem Sprudjfe ^eroorge^t, bafe oiele oom 5lbel
166
bcn (BuBemator tDegcn feiner Strenge unb (5ere$ttglett
l^afeten, bte i^nen bos ^anbrnerf oerbarb, tDurbe je^t
gong offenbar, benn eine Partei unter hm Stanbesgenoffen
bes äRörbers fu^te fogar ben Jßauf bes Strafoerfa^rens
5U §emmen. SBalter liefe fid^ baburt^ ni^t abl^dten,
bas £ob bes Söerftorbenen 5u fingen, er tat es in einem
befonberen Sprudle, ber fi^ 5<iuptfad^Ii(^ n)iber ben 5Ber*
Bretter feiert (£. 85, 9): er fann feine SD^arter finben,
roeld^e bte Untat fü^nen toürbe, unb ^offt, ber Sßörber
toerbe lebenb pon ber §ölle oerfc^tungen n)erben. 93ei
bem fc^rectli^en (£nbe, bas ber ©raf oon ^f^^^ni^Ö ^m
nät^ften ^^^restag oon (Engelbre^ts Xobe 5u Rbln fanb,
ift ein 2;eil ber t)on 2BaIter genannten Strafen an i^m
DoIIjogen u)orben. —
(Ein neuer 3ufammenftofe äroifd^en Äaifer unb ^apft
ftanb betjor unb nal^m bes Sängers ilunft sum legten
SJlale in 5lnfpru^. Sei feiner feierlichen ilrönung im
Zdi)xe 1215 l^atte \iä) Äönig gn^bric^ felbft unertDarteter=
toeife bas 5lreu5 aufgeheftet; fei es, bafe er ujirfli^, \>m6)
feine rafc^en (Erfolge gehoben, eine geerfa^rt ins Seilige
£anb 5u unternehmen gebac^te, fei es, ha^ er nur ber
5lir^e feinen guten SBillen seigen toollte. Der ^apft
§onorius IIL, bes großen 3^i^o5en5 unbebeutenber 5Ra(^=
folger, nal^m il^n beim SBort, unb oon biefer 3^^t ön bis
5ur Sannung bes 5laifers bur^ ?opft (Sregor IX. am
29. September 1227 bauert txn ununterbrochenes 33er=
^anbeln sroifd^en griebri^ unb ber römif^en Äurie: Xer=
mine tourben betoilligt, ni^t eingel^alten, Sntf^ulbigungen
Dorgebrad^t, neue griften eingeräumt, ©etoife l^at ber
5^aifer einen ilreujsug na(j^mals ernftli^ in fein politif^es
Programm aufgenommen — ber f^idte fid^ gan5 ujol^l
5U feinen 2Bünf(^en unb Steigungen — allein bie 58«=
feftigung feiner 9Ka§t in 3^^^^^^/ ^^^ Sicherung ber beut*
fj^en (Erbfolge unb mand^es anhcrc festen i^m tDid^liger;
in bcit legten Stabien "ht^ ^abets mag er aud^ tat*
fä^Ii^ bur^ äußere St^roterigfeiten unb Unfälle ab*
gehalten toorben fein. ^Tnbererfeits oerfte^t es [i(^, bafe
ber $apft auf bas Ieb]^afte[te bröngte. Stanb tio^tx an
fid^ tv\ bebeutenbes fir^Ii^es 3ntere[fe auf bem Spiele,
[o tDurbe 'xAt Sad^Iage t)iel fritifd^er für \i\t Rurie, als
na(^ ben oorübergel^enben (Erfolgen oon 1220 bas er*
oberte Damiette fc^on 1221 toieber oerloren ging unb jiDar
bur(^ bie Sd^ulb bes unfähigen Dberlommanbierenben, bes
ilarbinallegaten ^elagius. (Es mußte bem ^ap(te alles
baran liegen, biefe flaglit^e Sparte roieber ausjutoe^en,
unb als 5lönig ^^iKpP ^uguft oon granfreic^ 1223
geftorben mar, berul^ten alle Soffnungen bes römifc^en
Stuhles allein auf 5laifer griebric^. Denn ber (Eifer für
bie 5lreu55üge toar allgema^ erfaltet, oon ben gran5o[en
5atte man gar ni^ts me^r 5U enoarten, bie oielfa^en
S^icberlagen, ber geringe ©etoinn, oor allem aber bie
jebesfalls mit ben (Eipebitionen oerbunbenen ungel^euren
SBerlufte an 9P^en[^en unb Kapital [(^redten oon toeiteren
S3er[ud^en ob. Der (Ent^ufiasmus ber er[ten Äreujfal^rten
^atte einem rul^igen ^broägen unb Sere^nen ^la^ ge*
mad^t, bas ber gortfe^ung biefer 3ü9ß ni(^t günftig loar.
Der ilaifer jui^te ben 2Bünf(^en bes ^apftes auc^
barin ju toillfa^ren, \y(x\ er SBaltern, ber f(^on früher
einmal ein Äreujlieb gebic^tet ^atte, auff orberte, \\i) roieber
für bie (Sottesfa^rt ju bemül^en. Um ben (Eifer bes
Sängers 5U fpornen, fenbet er t^m aus 3tölicn ein fo fo[t*
bares (Sef^enf, baß baoon (£. 84, 30) bie Ägen ge*
blenbet toerben, baß aber au^ bie ^ugen ber 9leibif^en
bas SBeiße fe^en laffen, bas l^eißt, [(^eel bliden. 2Balter
]^at bem laiferli^en ©ebote g^lge gelei[tet unb eines
[einer f^önjten ßieber als ^ufforberung jur Äreujfal^rt
168
gebit^tet, bte er [elbft nit^t mel^r roagcn burfte. Das
Hnl^cfl toar jcbo^ n{(^t aufjul^altcn. Der i^aifcr [^ifftc
fi^ am 8. September 1227 mit bem ßanbgrafen fiubtotg
von ZJ)üTmQtn in SBrmbt[t tin, beibe erfraitften, am 11.
ftarb ber ßanbgraf, unb griebrtc^ lehrte jurürf. "^uä) [ein
ganjes §eer warb burc^ eine böfe Scu^e ^art mit«
genommen. £)b ber 5laifer unter bie[en llm[tanbcn im
9?e(|te mar, roenn er jurüdblieb unb babur(^ bcn 5lreu53ug
im n)efentli(^en uereifelte, ober ber ^apft, ber i^m ni^t
länger glaubte unb il^n besl^alb bannte, bas läfet \iä)
n\ä)t ausmad^en. ^^besfalls u>ar bie (gxfommunifation
bes ilaifers au(^ ein l^arter Sd^Iag für bas IReit^: ni^t
fo fel^r, meil bas 35oIf fic^ über bcn 93ann felb[t äng[tigte
— bie mifebilligenbe unb gleichgültige Stimmung bes
Söolfes gegen biefe SQlaferegel; bie burt^ allju häufigen
(Btbxauä) bas htltt %ül il^rer 5lraft bereits eingebüßt
l^atte, geben greibanfs Sprühe micber — fonbern roeil
man ange[i(^ts ber stoeibeutigen Haltung bes jungen
ilönigs $einri(^ gegen feinen 23ater neue 2Binen in
I)eutfc^lanb beforgte. Unter biejen SBer^Itniffcn finb
SBalters le^te polttift^e ©ebi^te entftanben. (£r rebet 5u
©Ott (fi. 10, 9) unb fle^t il^n an, er möge bie geinbc
feines 9leid^es unb (Erbes, bes geiligen fianbes, jüc^tigen;
aber ni^t blofe bie Seiben, bie es menigftcns offen be=
fe^ben, fonbern auä) biejenigen (E^riften, bie no^ gefä^r^
lieber, nämli^ im gel^eimen, bamiber finb. 2Ben ber
Sanger bamit meinte, fonnten bie 3w5örer lei^t aus*
finben. Dann menbet \iä) SBalter an ben 5laifer (Q. 10,
17), nennt fic^ feinen „armen SKann", gibt fic^ fomit als
bie Stimme bes SBoIfes, ]^\dt x\)ni einen 5Boten unb
ma^nt i^n, bafe er jur ilreujfa^rt ausgieße, ober au(^
fid^ Don ben ©egnem bal^eim nid^t irren laffe : bie 3{tä)Un,
bas ift bie faiferlit^ gefinnten ©eiftli^en, foll er oon
169
bcn Unrechten, pap[tli^cn, trennen unb biefe felBlt aus
i^ren 5lir$cn entfernen. 2Biber ben RUms unmittelbar
feieren [ic^ bte befben nä^ften Sprü(^e 2BaIters (fi. 10,
25. 33): er rat bcn ^rtejtern 5ur apo[toItf(^en ^rmo[en=
Ipenbe unb leitet neuerbings, mie [^on einmal, bie fc^Iim*
men 3iif^önbe von ber Ronftanlinifc^en S(^enfung ^er,
beren fjolgen i^r Xlr^eBer ni^t Dorausgefe^en \)ab^. Ttann
lä^t er ben alten Klausner — eine früher bereits oer^
rocnbete 5?oIIe — flagen unb raten, ba^ man gegen
bie SBerbreiter bes üblen Cannes energi[^ porge^e, ben
(5ei[tli(^en, bie miber ben 5^ai[er [inb, [^Tet^ttDeg i^rc
(EigenÜr^en unb ^frünben ne^me.
Den [iegret(^en Äreujsug griebri(^5 oom Sa^re 1228,
ber mit ber Sefi^na^me 3erufalems unb ber Krönung bes
Äaifers jum 5lönige ber Seiligen Stabt ab[(^lofe, f}at
2Balter m6)t me^r erlebt. Rubere Sorgen forberten ben
Sanger für [i^: ber junge Äönig $einri(^ geriet 1228
mit Der[^iebenen Jürften, au^ mit bem 9?ei^soertDefer,
Serjog fiubioig üon ^Bapern, in 3^^\^f begann überhaupt
in [einer hochmütigen unb boc^ fahrigen 2Beife bie 9^ei(^5=
gef^fte ju leiten. Da rilltet SBalter einen f^arfen
Sprut^ roiber i^n (fi. 101, 23), nennt i^n ein felb*
geuKi^fenes 5linb, bas frumm geroorben fei, ha man es
ni^t ^aht gerabe biegen fönnen. 3u Q^^^ f^i ^r leiber
f(^on für bie 9lute, ju Hein für bas Sd^mert. (Er möge
ru^ig bleiben unb f(^lafen. 2Balter ^atte ben [iebsc^n*
jährigen 3ii"9li^9 oor^er überfi^ä^t, je^t prop^ejeit er
i^m ein übles Gnbe. Ob ein anberer Spruc^ besfelben
2^ones (£. 102, 1) [id^ auf §einri(^s ^ble^nung bes
(g^ebünbnilfes mit SJlargarete oon ÖJterreit^ begießt, i[t
unfi(^cr. Do(5 ber anf^liefeenbe britte Spruch (fi. 102,
15) toirb roo^l ^ier^erge^ören. Darin flagt ber Sänger,
ba6 SBeis^eit, 5Ibel unb TOer nun oon i^ren Stühlen
Sc^önBac^, SSalter t?on ber aSogelttJctbc. 12
170
gefto^cn fctcn, unb ruft We ©oltcsmutter SJlaria ah,
fte mö^tc tl^ncn rotebcr ha^n öcr^elfcn. 9flun ^aht ein
unerfahrener 9Kä(^ttger biefe Sifee eingenommen, bes*
toegen ^xnU ha^ ^tä)t, trauere bie 3^^^ ^"^ jammere
bie S^am. (£5 f(^eint pffenjuliegen, bag biefe 9lebe
auf $einri^ unb feine leid^tfinnige ©efenf(^aft fübbeutf^er
$enen belogen roerben mug.
So feigen toir SBalter Bis in feine legten Xage für
bas 3ntereffe bes Deutf^en 5Hei(^e5 tätig, ^aran ^t
er ftets unenttoegt feftgel^alten, mochte er es eine 3citlang
M bem 2BeIfen!önig ober, rool^in bie Überlieferung ber
Seimat i^n f^on mies, hd ben Staufern am beften ge*
roa^rt finben. 2Bir ^aben lein 5?e(^t, feine §altung burc^
perfönlit^e (5en)innfu(§t 5U erllären; has lie^e fic^ and)
bur(^au5 nid^t mit ber nat^toeisbaren loeitgreifenbcn 2Bir^
fung eben feiner poIitif(^en T>x(^tur\Qtn oereinen. X)a6
fein eigenes fleines S(^idfal an bas grofee t>es 9^ei^e5
gefnüpft toar unb mit biefem mani^erlei 2BanbIungcn
burc^ma^te, bas ift nichts auffälliges unb fonnte fügli(^
nic^t anbers fein. Unb toir muffen uns \>oä) re^t pten,
politifc^e ^nf^auungen ber ©egentoart, mögen fie oon
toel^er Seite immer fommen, unferem Urteile über ben
ßebensgang unb G^arafter 2Balters oon ber SBogelroeibe
5ugrunbe 3U legen. Denn bas 2Befen ber 2Renfd^en bes
aJlittelalters fonn immer nur aus bem SRittelalter felbft
richtig oerftanben toerbcn.
Gnomirdie Dichtung« Freidank
Uralt ift bie Spnid^xDetsl^eit ber Dcutf^cn. Si^on
5U ber 3^it; too bic ©ermatten tto(5 als etti ettgerer
SBerbattb oott SBölfertt itti Sufattitttett^attge tnit ber grofeen
arif^ett ©ettteittfc^aft ]xä) befatibeti; ^attett |te eittett flei*
nett Sä)a^ etnfa^fter (grfal^ningslel&ren aufgehäuft, ber
in poetifd^e gormein geprägt tDar unb ben fte mit ben t)er*
toanbten Stämmen teilten. Später, ba [ic^ ber germanif^e
Xi)pu5 oerfelBftänbigt l^atte unb aus bem 93unbe abgerüdt
war, finben [i^ eingelne Sprit^toörter ober ©nippen ba«
oon bei oerfc^iebenen, au^ htx ben entlegenften ber ger*
manif^en SBöÜerf^aften, in ber[eIBen ©eftalt überliefert.
SBenn es irgenb angebt, toirb ber (Erfal^rungsfa^ in ein
Silb geflcibet, am liebjten in ein allertürjeltes (5t\ä)iä)t6)tn
eingeft^lolfen, bas bie Seigre aus einem befonberen oor*
gelommenen galle absieht ober i^re ^ntoenbung erjä^lt.
(Es liegt biefen „SBeifpielen", toie fie ganj richtig genannt
toerben, ebenbiefelbe ^nfc^auung jugrunbe toie unfern
alten t)ol!stümIi(^en Segens« unb 3ciuberformeln, oon
benen fi^ oerftümmelte 9{e[te bis in hk ©egentoart ge=»
rettet l)abtn, unb i^ren epif^en (Einleitungen: in jenem
galle, ber berichtet toirb, l^at ber Spru^ geholfen, er toirb
au^ no^ je^t feine Äraft betoä^ren. (Es oerftel^t fi(^
12*
172
Don felb[t, bag btc[c gform bcs 93ci[picls jc^^r mannig=
fa^cr ©eftoltung fa^ig i]i, unb es liegen oiele 3tt)i[^^"=
jtufen tnnerJalB ber Zm^aM als bem einen ®renj=
punft unb fursen 6prü(^en (toie 3. S. : Das i|t geroi^
eine l^eilige 3^^^, loß^n bie S^afe grieben oor bem
2ßolf ^aben, ober: 5ln fleinen 9^tem^en lernt ber gunb
fieber effen) als bem anbern. Se^r beliebt i[t bie Über»
fragung eines bele^renben 33organges in bie ^^ierioelt
gemefen, unb roenn es je^t aud^ [id^er f^eint, bafe bie
gabeln, bie bas beutf^e SRittelalter fennt, einjeln unb in
b^r 3^ierfage, fremben Hrfprungs finb unb jumeift aus
ber antifen Überlieferung [tammeU; fo bürfen hoä) folt^e
furse Üierfprüd^e, roie fie l^eute no(^ fortroä^renb [i^ neu
bilbeU; f(^on ber germani[(^en ^uffaffung bes ^^ierlebens
5ugere(^net werben. (£in befonberes, au^ ft^on oltes
SKittelglieb biefer (Enttoidlung i[t bie gorm ber „^riamel"
(oon praeambulum, S5or[piel), bas Reifet, eine ^uf5ä^lung
paralleler Jälle, aus benen eine gemeinfame, am S^lujfe
ausgefproc^ene fie^re [i^ ergibt. (£s mag ein Seifpiel ^ier
[teilen: „SBer einen Jreunb mill fu(^en, mo er feinen f)ai,
unb jagt im 2Balb naä) Spuren, roenn ber S^nee jer^
ge^t, unb faufet unbefel^en Diel, unb l^alt gern ein Der=
lornes Spiel, unb bienet bem geringen 9Kann, roo i^m ein
Slo^n ni^t bleibt — ben fommt tool^l enblit^ 9?eue an,
fo er's 5U lange treibt."
Sol^er Spri(^xDörter toaren auä) in ber erften §olfte
bes 5[Rittelalters eine SJlaffe im Umlauf. 3roor oeränber*
ten fie tägli^ i^r ^ntli§, bie Silber rourben geroec^felt,
erroeitert, oerengt, oiele tauften unter, anbere [tiegen
empor, bie '3Jlt\)x^a\)\ ^xdt \xd) glei(^[(^u)ebenb auf ber
Oberfläche bes täglichen SBerfe^res. ^f)xt gorm toar roo^l
meiftens poeti[^, anfangs allitterierenb, unb als ber
Sj^mud gleichen Anlautes ber ftärfftbetonten SBorte gegen
173
bcn gleiten ^lusgang ber SBerscnbcn cingetau[$t roarb,
in ^Reimpaaren. 3wü 33er[e motten in ber 5Hegel ge*
nügen. So ^ahtn bie Sprü(^e oolfstümlic^er ÄebenstDeis»'
^eit getoi^ and) einen Xeil bes geiftigen ilapitales gebilbet,
Don beffen 3i^f^^ ^iß fa^renben Sptelleutc \\)x Dajein
beftritten. ^IRanc^mal münjten [ie es in i^rer befonbereit
^rt aus unb prägten ber alten 3}oIfsüb erlief erung ben
Stempel i^rer 3ii^iotbualität auf. 2Bir lernen in ber
jiDeiten $älfte bes jtDölften 3a§i^5ii"^^rts ein paar foli^er
Dagierenber Spruc^bi^ter fennen. (£iner ift alt, er rü^mt
einzelne r^einif^e CBbetleute, um ©aben 5U erhalten, flagt
re^t trübfelig barüber, hal^ er no^ immer bittenb oon
Saus 3u $aus roanbem muß, unb tragt in etli^en !raf=
tigen unb bilberrei^en Strophen eine [tarfe religiöfe
(gmpfinbung oor. 2Bir ]^aben au^ einige Sprühe üon
biefem 5lRanne, in benen er feine 5lun[t an einer r)or=
^anbcnen Überlieferung oerfuc^t ^at So ein paar furse
gabeln, 3. 23., toie ber 2Bolf mit einem fingen SKann um
]^o]^en (Einfa^ Sä)ad) fpielte; als er aber einen SBibber
Dorbeigel^en ]a\), ba oergafe er bes Spieles über ber er=
erbten ©ier unb gab 5mei Üürme für einen Sauern. 9?e^t
le^rreii^ ift es ein anbermal, roie ein uns sufällig beroa^rter
älterer Sprud^ ^ier umgebilbet roirb. ^tmx ^d^t: XkU
trübe gurt unb Sul^lf^aft mit fc^önen grauen reuen ben,
ber \xä) 3u eifrig baran ma^t. Dos ©irb bann oon bem
ga^renben in bie ©eftalt gegoffen: SBelc^er 9}lann ein
gutes 2Beib l^at unb bo^ eine anbere auf[uc^t, ber benimmt
]xä) roie ein Sc^roein, bas ben lautem Srunnen oerläßt
unb [i^ in bem trüben ^fu^l toäljt. Der jüngere ber
beiben Dichter finbet in feinen umfangrei^eren Stropi^en
au^ me^r ^anm unb l^öuft bie 93ilber unb lebl^ften
©lei^nifle, fo baß cin3elne Stüde beinal^e als eine fleine
Sammlung üon Sprü(§en über basfelbe X^ema an*
iwp(Wi?R«Rritf9cwi?ci0nRtfnRtfn 1 74 atsat^sDt^KiPotPtusaaeavxat^tB
gefeiten toerbcn fönncn. So fagt er einmal: „SJlan foü
ben SKantel lehren, l^etfet es, tote bas 2Better wt^i; ein
Brauer SJlann jeboc^ Bleibt Bei ber Saä)t, rote fte jtel^t.
^xä)t all3u fd^toer tragt er an feinen ßetben, unb mafeüoll
^ält er \\^ in allen greuben. §eut' finb [te mein unb
morgen bein, fo teilt man gelb unb SuBen; mit oft hod)
[tur3t er felBft hinein, ber anbern gräbt bie ©ruben."
3^^Q^^ fj^o^ fo^<5^ ff^t^^ SBei[piele bas in ber Statur
ber Sad^e gegrünbete iBebürfnis nac^ ber SBerBinbung
Don Spri^tDörtem $u ©ruppen, fo ift es burc^aus Be*
greiflic^, bafe auä) größere Sammlungen cntfte^en. Der
germanif^e S^orben toar bartn längft oorangc gangen, bie
„Spru(^e bes go^en" gehören 5u ben alteften S3e[tanb=
teilen ber CSbba. SBas roir berart in Deutft^Ianb Befi^en,
toirb nic^t toeit über bas elfte ^a^x^nnhtxt 3urüdrei^en.
(£s finb suna^ft anonyme ilataloge oon Spri(^rDörtern,
alp^aBetift^ georbnet, in lateinifci^en geiametem oBgefafet.
2Bie ]xä) oon felBft oerfte^t, finb auä) in biefe Sammlungen
ni^t ausf^lieglit^ Sprühe beutf^en Urfprungs auf=
genommen, es Befinben fi^ fe^r oft Sd^e aus ber römi*
fc^en Jßitteratur unb aus ber SiBel unmittelBar neBen fol=
^en, beren beutf^er SBortlaut no^ flärli^ hux6) bie frembc
Sülle f(]^immert. ©rötere SBorräte rourben oon einjelnen
©eiftlid^en aufgehäuft: f^on unter bem S^amen bcs Seba
SBeneraBilis Beftanb eine anfc^nli^e Sammlung in alp]&a=
Betifc^er golge; 2Bipo, ber i^aplan Ronrabs bes Saliers
unb ülaifer $einri(^s III,, l^at ein SBu^ Spri^ujörter 3u=
fammengeftellt ; loenig fpäter ber Wbnä) Otlo^ oon
St. Gmmeram in SRegensBurg, ber Befonbers bie geiligc
Sä)xx\i bafür ausnu^t. Oberhaupt lam im elften S^^r*
^unbert bie Steigung auf, Sentenjen aus ben Bebeutenben
Äird^enf^riftftellem aussusicl^en unb in !nappem 9?aume
3U oereinigen. ^uf oerf^iebenen SBegen ift bann biefe
Vxä)l\ä)t Überltcfcrung ins 5BoIf gebrungcn, burc^ bie
^rcbtgt, fcl^r ^duftg au(^ burc^ bie gebtlbeten 5llcrifer
unter ben IBaganten. So tft es fem SBunber, loenn [i^
bonn in ber SJlenge ber SBoIfsfpri^tDörtcr oiele biblij^e
unb aus gelehrten Quellen oorfinben. OTgemaj^ l^at bas
25orbiIb latetnifc^er Sammlungen beutj^e ^afyi^rmx ge=»
medt, unb ^mai mä)t Blog Überfe^ungen angeregt loie bie
ber Disticha Catonis, fonbem au^ Jelbftanbige arbeiten.
SoI(^e beutf(^e Sprit^iDörterbüc^Iein roirb es bei ben
ga^renben ebenfalls gegeben ^aben, namenlos unb oor*
Iduftg au^ nur bunt sufammengerafft, no(^ nic^t ju be«
ftimmten 3^^^^" georbnet, rote bas fpäter hti ben „Xu^
genbfpiegeln" unb ä^nlic^cn Schriften gef^e^en ift. ^n
beutfd^en 9Jlanu[fripten trifft man f^on ujä^renb bes
SUJöIften ^ö^i^^ii^^ßi^ts (Eintrogungen einselner Spri{^=
loörter unb ganjer C5ruppen in SBerfen. (Eine ober mel^*
rere foli^er Sammlungen biente bann als ©runbftorf
bes berühmten Sßerfes, bas in ben erften Degennien bes
breise^nten ^a^x\)unhnts entftanben ift unb ben Dramen
„greibanfs Sefc^eibenl^eit" (bas ift: illug^ett, SBerftönb*
nis) fü^rt.
greibanf nennt fi^ gar nit^t ben SBerfaffer bes
©u(^es, er beseid^net feine 2^tig!eit gan5 genau mit bem
2Borte berihten, bas ^ti^t, in Orbnung bringen. (£r ^at
bas 93?aterial großenteils oor^anbencn geften entnommen,
aber au(^ oieles aus eigener 5lenntnis l^insugefügt. Diefe
mar fel^r ausgiebig, benn obgleich ein ga^renber, toar
greiban! ein geBilbeter S^lann, ^^^tte vodU IReifen gemad^t
unb toar auf einem ilreu53uge im Orient geiöefen; fejr
oerf^iebenartiger Stoff floß in feinem ©ebat^tnis ju«
fammen. Das HRaterial roar aber ro^, niä)t 5u oiele
oon ben Sprühen toaren in SBerfen ober SJerspaaren über*
liefert, oiele in %ofa, gar mand^fe lannte er auc^ nur
176
Iateint[(5. Seine Sorge war es nun, bte[er bunten JüUc
eine einl^ettli^e (5e[talt ju oerlct^en, er [e^te [ic in bic
f)0^x\d) ersogene Spraye um unb (t^Iit^tete [ie in bie
beliebten SBerspaare bes ritterlichen (gpos. Diefe Xatig^
feit, bie Sammlung, ^lufjei^nung unb 93earbeitung barf
man feinesroegs unter[(^äfeen. 2Bas bisher 5er[tü(ft um*
l)tx\ä)wamm, fotoo^l im ©ebät^tnis ber ga^rcnbcn als in
einseinen 5Bü(f)lein, bas rourbe nun 5u einer fompaften
50la[[e oerbunben, bie nic^t leicht oerloren gcfien fonnte.
Unb es löurbe huxd) [ein neues (Setoanb bcr gebilbctcn
üome^men ©efellfti^aft 5ugängli^ unb in beren Ob^ut
übertragen, ^t^t ©erben bie otelen $anb[c§riften ange»
fertigt, üon benen u)ir rDi[[en, unb bie „Se[^eiben^eit" in
bas fe[te (Seiftest) ermögen aufgenommen, bas an bie bür=
gerli^en 5lrei[e !am, als [ic^ Silbung unb ^oefie 3U
i^nen ©anbten.
greibanf l^at loo^l au^ einlaufe gemacht, bie Sprüche
il;rem S^^alte naä) 5U orbnen, aber es ift bei ben ^n=
laufen unb hti ber S3er!nüpfung einaelner Sprühe 5U
5Rei]^en na^ ettoas äufeerli^en ©elit^tspunften oerblieben.
Man u)irb bas nid^t tabeln bürfen, benn bie SJlaffe toar
thtn in bem 3uftanbe, ben grcibanf oorfanb, oiel fernerer
3u überf(^auen unb 5U fiepten als in ber oon i^m gelieferten
^Bereinigung. 1)oä) ^aben aud^ bie 5öer[u(^c [päterer
S^reiber, Orbnung unb Spftem in bie[e gülle 5U bringen,
ein (5an5es 5U [(Raffen, feinen re(^ten (Erfolg gehabt. Xas
(5an5e x]t nur im 3^^^! oor^anben, eben(o toie bei ber
33erf$mel5ung ber oerfi^iebencn Sc^id^ten oon 9Iibelungen-
liebern 5U einem nationalen (Epos; au^ ber 9}Iittcl= unb
S^toerpunft bes 2Ber!es i[t nur ein ibealer. (Es loürbe
!aum jemanb gelingen, ein in ]\d) übereinftimmenbcs SBilb
altbeutfi^er £ebensanf(^auung aus biejen Sprüd^en 3U=
fammenäu[eöen. :^u oiel grembes i[t b<xrunter, au^ [trcbt
bic SBoIfsiDcis^eit barnac^, alle Dinge oon i^ren betben
Seiten 5U fe^en, unb mir roerb^n uns ni(^t immer flar
barübcr, roelc^e für bic richtige gef)alten roorben ift. (Sans
jeboc^ gebricht es ber ;,S3e[^eiben^eit'^ ni^t aw. SDler!=
5ei(§en beutf^er %ii. X)a5u roirb man bie (tar! ^erüor=
tretenbe Silbfraft bes ^usbrudes unb feine äRannigfaltig^
feit 5ä§Ien bürfen als zm (£rbteil ber älteften poetif^cn
^uffaffung Don 9Zatur unb Seben. gerner brängt fid) bic
9?efleiion gerne cor, 'bxt m6)i bei b^m äußeren Scheine
Itel^cnbleibt; fonbern 'btn Dingen auf ben ©runb fommen
TDill. 3m großen unb gansen l^anbelt es \\6) aber \iz\ 2rrei=
bani in jenen Sprühen, bie aus ber Sibel unb ben römi=
f^en Diätem [c^öpfeU; um bas allgemeine ^Ber^altnis
ber 2Ren[(^en 5U ©ott unb SBelt. X)ie Dolfstümli^en
Sprit^roorter finb me^r S^Iug^citsregeln als SBeisl^eit,
aus gemeingültigen [ittli^en ^rinjipien abgeleitet.
greibanfs Spruc^buc^ ift für bie Beurteilung 2Bal=
ters üon ber 33ogeliDeibe ni(^t unroi^tig, f^on bes^alb,
roeil fie beibe fo fe^r aus bemfelben Soben ber 33ilbung
unb SBeltfenntnis entftammen unb fo oiel Übereinftimmen=
bes in ©ebanfen, in ^^rafen unb in ber gorm aufroeifen,
tid")^ man^e gorf^er \i\t unfi^er Derf(^u)immenbe ^er=
fönlit^feit greibanfs mit ber f^ärfer umriffencn 2Balters
für eine unb biefelbe gehalten l^aben. Diefe 5lnfi^t ift
inig, aber fie seigt bo(^, roie nal^e bie le^r^afte X)i^tung
SBalters bem allgemeinen Urteile über 2ßelt unb 10lenf^en
ftel^t, bas in ber „SBcfi^eiben^eit" niebergelegt roirb. grei=
\\6) mu6 man bie ganse ^rt pon SBalters bibaftif(^en
©ebi(^ten anbers auffaffen. Sei i^m nämli^ ift bie enge
SBcrfnüpfung mit bcm foeben Srfa^renen no(5 toirfli^
üor^anben, bie \it\ greibanf f^on einer abftraften X)urc^=
f^nittsle^re geroi^en mar. 2Balter fül^lte fi^ oeranlafet,
einen Jßc^rfpruc^ ju improoifieren, [obalb i^m etroas 5Be=
rai? w rw^cgi?rai?r^i?Rgi?Rgi? 178 lasfr^üc^satastuimaemc^ttKast
fonberes Begegnete ober er bie Summe aus einer ^nja^l
ä^nliä)tx (griebmffe jog. J^es^db ftedt bartn immer ein
fel^r ftarfes perfönlic^es 50loment, unb auä) biefe (Seiegen*
l^eitsbibaftif t[t als eine ^ijtorif^e ansufe^en, tuenngteit^
bie C5ef^ic^te, um bie es ]\^ l^ier ^anbelt, nur bie innere
bes Dieters feIB[t i[t. So finben \iä) bei SBalter mehrere
Sprühe, bie um eines einsigen SBortes ober einer furjen
Semerfung toillen unter bie l^iftorif^en gc[e^t toerben,
anbersfalls für rein le^r^afte gelten müßten; unb bann
u)ieberum etroel^e, bie [i(^er ]^i[torif(^ aufjufaffen Jinb, ob=
f(]^on i^nen gerabe eine ^l^rafe fe^lt, bie ge|tattete, |ie
auf eine beftimmte 3eit ju besiegen (3. 23. fi. 83, 14. 27.
104, 23).
%m engften pngen mit 2BaIters l9ri[^er ^oe[ic bie
Stüde 5ufammen, in benen ber üble Sul^^^"^ ^^ 2BeIt be=
flagt roirb; roir l^aben ja f^on bemertt, u)ie auffallenb
oiele Don feinen Siebes* unb Stimmungsliebern in fold^en
Allagen enbigen. So ift gleit^ ein Spruc^ (£. 21, 9)
geujife oon perfönlic^en SBal^rne^mungen eingegeben, in
benen \xä) ber Dichter über bie böfe 2BeIt ärgert, ber
freili^ er felbjt au^ 5uu)iber [ei, hk nun oerbroffen unb
trübfinnig [i^ ber fon[t gepflegten greuben ent[(§lage.
^e^t toerben hk geizigen 5Rei^en gepriefen, frül&er lobte
man bie mal^rl^aft milben Serjen, bie nun na(^[te]^en
müden. Daburc^ roirb hk Sßa^rl^eit oerbre^t, unb es ^ört
auf, eine (g^re ju fein, toenn man burc^ Sänger gerül^mt
toirb. Die alte (£]^re toünfc^t ber Dieter auc^ in einem
Siebe (£. 59, 37) jurüd, toorin er bie 2Belt anrebet: toenn
jie ]iä) i^m enttoinben loolle, au^ er lönne \\ä) roinben.
5flod^ fei bie 3eit ni^t ba, roo bie SBelt auf i^n herunter-
bliden bürfe. Söon il^ren (Saben loünfi^t er gern eine,
nämli(^ bie C5eliebte; \>oä) forbert er bie SBelt auf, i^m
5U bezeugen, bafe er nie einen gufe breit aus feiner feften
179
(Beftnnung getreten x]t, fett fie tl^m gebot, t^r 5u bienett.
Xaxum tDolIe bte 9BeIt es nt^t übelnel^men, roenn er um
Jßo^n ma^ne, fein Seil ftel^e in i^rer ganb. 2Bie fie gegen
il^n gefinnt ift, roeig er ni^t; er t[t i^r gut, fotneit es auf
^eiteren, munteren Sinn anlommt. 5lIfo bittet er, fie möge
mit ber törid^ten 3ugenb fi^ ni^t abgeben, fonbem il^r
©efinbe bie alte SBeife lehren, toie G^re gewonnen ujerbe.
Samtlid^es Xlnl^eil lommt oon ber 5öeränberung jum
Stammen (£. 23, 11. 26. 24, 3), bie Slebulabnejars
!Xraum toa^rfagte, unb bie ]xä) in bem libergange oon
ben SBätem, Sßalters ©enoffen, 5u ben heutigen Söl^nen
Seigt. !Da5 St^limmfte ift eines böfen 35aters böfer So^n ;
Beffer wäx% es bliebe jener ol^ne (Srben. SBiel 5U oiel fparen
bie SBäter bie SRute unb l^anbeln nic^t na^ Salomos fie^re,
fo merben benn au^ bie Sö^ne bur^ ben 9JlangeI an
nötiger 3ü<^iiÖiing oerabfäumt unb erroerben ungef^Iagen
feine (g^re me^r. Die rüdfic^tslofen 3iii^9^^ fpotten über
bie TOen. ^Thir ju! Die 3^it roirb fommen, too, bie je^t
jung finb, altem, unb bann toirb bas näc^ft ^eranma^fenbe
(Sef^Ied^t bie S3äter ra^en. Strenger 3^^^ bcbürfen
aud^ hie (£belfne(^te ; toürbe fie i^nen 5uteil, bann gäbe es
me^r junge Dritter, bie ben Saal ber grau (B^re gierten.
Sie finben ijre abelige Hnterl^altung in böfen 2Bi^toorten
über bie Damen, n)obur(^ fie aufeer ber Sünbe nod^
S(^anbe auf fid^ laben.
XTnb nun fc^reitet SBalter jur unmittelbaren SBelel^*
rung oor, inbem er fi^ an bie unerfahrene Sugenb toenbet
unb fie antoeift (£. 37, 24), ben 3öum ansujiel^en unb um
fic^ 5U f(^auen, fonft roirb i^r ungeftüm rennenbes SRofe,
il^re SBeltbegierbe, fie 5u galle bringen. Unb er f(^reibt
i^r oor, bafe fie (Sott lieben, fic^ (g^re auf Vit ret^te SBeife
erroerben unb oon bem 23öfen fernbleiben foll. Die guten
JÖe^ren ber ©eiftli^Ieit möge fie fi^ aneignen unb, als
bc[ter Sc^mudf i^rer ©cfittung, oon bcn grauen gut reben.
Sichtbar im 2Bibcxfpru(^ mit ben fni^ctcn Sä^en, aber
nur [c^einbar, befinbet \\6) ber (gingang eines SRal^ngebic^'
tes (£. 87, 1), bas [einer eigentümli^en gorm na^, ber
Hmfe^r, roel^e ber S(^uIpoe[ie entlehnt i[t, bo3U bcftimmt
roar, ausioenbig gelernt ju loerben. (£s \^thi an : 9liemanb
fönne mit 9?uten allein 'btn Äinbem ^^ui^i beibringen, a\x\
ein feines ©emüt toirfe [^on ein 2Bort bes Xabels roie
ein Schlag. Dann nimmt SBalter in feinen SJla^nungen,
u)ie es htx ben altbeutfrf^en ^rebigten befonbers am 3^age
ber S€f(^neibung bes Serrn übli^ roar, na(^einanber
3unge, ^ugen unb O^ren oor unb roarnt, [ie 5U mi6=
brauchen.
Die ©ier nat^ SBe[i^ |ie!)t SBaltcr für eine Saupt=
urfa^e ber üblen 3uftänbe auf Grben an. 2BunberIi^
[inb bie ©aben ©ottes in ber 2ßelt oerteilt (£. 20, 16. 22,
18. 33) : ber eine ift flug unb oerltänbig, ber anbere rei(^,
aber fo, ba^ er bur(§ feine Sabfui^t fic^ felbft {)crabfeöt;
jenen follte man ba^er p^er f(^a^en als biefen. ^ad)
©ottes Sulb unb nat^ ehrenhafter Stellung füllten alle
ringen : loer \\6) beslialb allein um ©ut unb ©elb bemüht,
bem füllte au^ ^ier unb im S^^f^i^s fein anberer fio^n
5uteil toerben als eben fein Sefi^. 9^o^ me^r roirb man
ben nic^t für roeife galten, ber Sünbc unb Sc^anbe mit
Dollem Seroufetfein aus $abfuc^t auf fi$ labt. Der 2Beife
gäbe e^er fein £eben, 2Beib unb 5^inb oerloren, als ba^
er auf ©ottes $ulb unb auf (g^re ueraic^tete. 3^"«r aber
ift ein %oi unb blinb an Sinn unb Söerftanb, unb ebenfo,
ujer i^n feines Sefi^es roegen lobt, ^u^ SBalter befennt
ti(^ l^ier 3U ber ^uffaffung oieler SBeltle^rer, bafe bie
£after ni^t blofe fünb^aft, fonbcrn au^ unflug feien, inbem
er meint, babur^ bie SJ^enft^en für feine 9?ügen 5ugäng=
lidjer 5U finben. Die ri^tige Haltung gegen irbifdje ©üter
181
fct bic mittlere : man folle ni(^t juotel 2Bert barauf legen,
[te aber auä) niä)t gering achten. Xlnterj^ä^t bu fie unb
Derlier[t [te barob, [o hü^e\t bu au(§ als ^rmer bie greu*
ben bes fiebens ein ; ^inujieberum gibft bu Seele unb (g^re
preis, fobalb bu ben 93e[i^ ju fe^r Iieb[t. ^Desl^alb mufet
bu ein rechtes ßot auf bie 2Bage legen, mafeDoll unb flug
oerfa^ren. I)asfelbe ^^^ema erörtert ein anberer SpxnCi)
{Q. 81, 23): 2Ber ]\d) auf unoerbienten 9{eid^tum 5U oiel
einbilbet unb \\6) ^offärtig aufplu[tert, ift tabelnsroert.
Überhaupt toirb bie rechte (5e(innung bur^ ein 3u großes
Tla^ ]omo\)l oon 9lei(^tum als oon ^rmut geft^äbigt : bei
bem einen ge^t bie 3^^^f ^^i ^^^ anbem ber fluge Sinn
öerloren. 2Bie l^ier SBalter überall für bas SRafe, ben über=
legten unb oerftänbigen (5ebrau(^ aller Dinge, eintritt, fo
rügt er au^ bie fiafter, mel(^e aus ber Übertreibung
^croorge^en, insbefonbere bie Xrun![u^t (fi. 29, 25. 35),
bie er t)iellei(^t ft^on in ber §eimat, aber me^r no^ auf
feinen ga^rten öfters fennen gelernt l^aben mo^te. C5eme
trinft er bort, roo man mäßig einf(^en!t, Hnmaß [(^abet
am £eben, am (5ut, an ber G^re. 2Ber fi^ mäßig ^ält,
bem fällt alles ©ute ju. (£s [^idt \\^ n\ä)i für einen e^r^
baren SRann, baß i^m bie 3iinge oom 2Bein ^infe, unb
©enn man i^n no^ [o fanft trüge, i^m loäre bo^ beffer,
er brauste feine güße. 9Ber fid^ betrinft, bricht au^
(Sottes (5ebot. —
(£s erübrigt uns no^ eine ©ruppe oon Sprüchen, bie
ein befonberes 3^tereffe befi^en. SBä^renb nämli(^ bie
bisher erörterten Stüdc nur jeigen, baß SBalter oon ber
SBogelioeibe bie ©runblagen ber fittlii^en ^nf^auungen
mit feinen 3^itgcnoffen unb mit ber t^riftlic^en 2Belt über*
^aupt teile, gibt es no^ einige Strophen, in benen er
ni^t fo fe^r ein et^ift^es als ein 3^eal bes männli^n
(E^arafters fc^ilbert. Diefe fönnen uns oicllei^t baju
182
bienen, ber ^erfönlt^feit SBaltcrs cttoas nä^ct gu fom*
men. (Es rolrb uns ja im allgemeinen \o \ä)mtx, uns mit»
telalterli^e SQlenf^en lebenb üorsuftellen, bafe toir für jebe
SKögli^feit, bie ]\ä) trgenbxDO auf tut, banfbor fein muffen.
Hnb htx SBalter ge^t es uns au^ nit^t fel^r riel beffer als
M anbeten. £)^ne 3iDeifel fteigt jebem gorf^er aus
feiner iBef^äftigung mit SIBalters ©ebi^ten na^ unb na^
ein iBilb oon bem d^axatitt, bem SBefen, ber 3nbiDibuaIi*
tat bes Sangers auf; allein toie toenig beftimmte 309^
biefes annimmt, merlen loir an ben ^rdbifaten, toel^
i^m baraufl^in juerlannt tourben.
deinen feften ^un!t gibt es glüdli^ertoeife, uon bem
unfere 5BorfteIIung über SBalter i^ren ^lusgang nehmen
barf. (Bine unoer^altnisma^ig grofee ^njal^I von Jßiebern
unb Sprüchen ift entioebcr gan3 ober ftellenroeife ber 23er=
teibigung feines 5lnf eigens getoibmet. Oft ftreitet er mit
ben Sängern, in benen er Äonlunenten erblidt, f^on mit
9?einmar, aber au^ mit untergeorbneten Beuten, unb bis in
W legten ^a^xz feines £ebens. (Ein anberes ^ben loir
f^on früher betont: er gerat mit gürften unb großen
Serren ^äufig in 5lonfltft; oiel roeniger, toeil i^m etroa i^re
©aben 5U gering finb, als toeil fie i^n nii^t ac^tungsooll
genug be^anbeln. So bricht er barüber mit feinem ßan«
besl^errn, Serjog Jßeopolb, unb roie er ben Sersog SBem*
^arb traftierte, l^aben loir gefe^en. 5laifer griebri^ IL
f(^eint ber einsigc getoefen 3U fein, ber ben Sänger ri^tig
3U nel^men rougte. Die (Erflärung liegt 5ur Sanb : mit ber
^usbilbung feiner ©aben unb feiner Äunft ift auä) 2Balters
Selbftberoufetfein bebeutenb geftiegen. Unb bafe er bies
oftmals betont, begreift ]xä) gut, benn bie 3citgenoffen
toaren feinesroegs bereittoillig, ben Dichter in i^m ansu*
erlennen unb aus5U5ei^nen, er mußte fi(^ feine Stellung
erft ma^en, mufete \iä) als ilünftler legitimieren unb be»
183
toetfeit, bafe er n\ä)t locgtocrfcnb beurteilt merben bürfe,
bafe er ni^t ein fa^renbcr SPlann fei toie bie ©aufler, 9leif=
fpriitger unb ^odenrei^er. (Ein 9Kann, ber fic^ fein £eBen
3U erobern §atte, menn er au^ oon ebler ©eburt roar; bem
lag es ob, oiel eiferfüd^tiger über feine G^re 5U roat^en,
als einem anberen, bem SBefi^ ober Söerbinbungen oon
oornl^erein eine unanfe^tbare ^ofition gef^affen Ratten.
So erflärt fid^ manches, aber leinestoegs alles. Xln*
Stoeifel^aft ift SBalter u)trfli(5 fel^r reisbar geroefen. Unb
f^neir trat i^m ein fd^arfes unb oerle^enbes 2Bort auf
hk Qxpptn, bas bann nic^t toieber jurudfgenommen toerben
fonnte. Solche ftarfe (Empfinbli^feit ift — roenn mir bei
ben oeralteten, jebod^ bis 5ur Stunbe huxä) ni^ts Seffe=
res erfe^ten SBesei^nungen ber Temperamente bleiben
tDoIIen — mit ^l^Iegma unoereinbar; SBalter für einen
SRelanc^oIifer ju galten, toirb niemanbem emftli(3^ bei=
fallen, unb jtüifc^en ^olerifd^er unb fanguinifd^er Anlage
entf Reibet in feiner ^ocfie alles für biefe unb gegen jene.
3n bemfelben ©ebic^te roec^feln Bei i^m oft bie Stim«
mungen, er ^tbt in ^eiterfter SBeife an, trübfelig läuft es
aus, unb umgefel^rt. Schnell f^toingt er ]iä) ^offnungs««
Doll empor, roirb jeborfi au(^ raf^ enttäuf^t unb mutlos.
(Ein xtä)t pbf^es SBeifpiel feiner $ eiterfeit ift ber Spru(^
über bie SBol^ne (£. 17, 25), ber er ben Strol^l^alm oor*
sielet, ben au(j^ ein älterer ©nomifer gepriefen l^atte. (!t)ie
So^ne toar basumal eine oiel roid^tigere güftenfpeife, roie
uns bie oerft^iebenen Älofterregeln, 5. 93. bie ber illunia*
jenfer lehren, als roir im SdtalUx ber ilartoffel ermeffen
fönnen.) — Dafe in fpäteren ^a^ren SBalters 9leroen
guroeilen übeneist roaren, beffen gibt es roenigftens ein
3eugni5, nämli^ bie britte Strophe bes frönen Jßiebes
poTit 3^raumglüd (ogl. oben S. 139), roelt^e bie poetifd^e
184
Ausbeutung eines ben heutigen Sfleuropat^ologen fe^r bc*
fannten 9?et^uftanbcs beim 3:räumen enthalt.
SBon biefen ^Borausfe^ungen aus erroeifen ]\d) eilige
Sptüd)t SBalters wertvoll. ^\ä)t fo [el^r bie allgemeine
St^ilberung ber (Eigenf^aften eines tü^tigen SJlannes
(£. 35, 27) : grauen mag man f(^ön nennen, für Scanner
i|t bas abgef^madt unb unpaffenb (2Balter [elb[t mar nic^t
]ä)bn.) Rül)n, offen mit $er5 unb §anb, feft foll er fein,
biefe brei X)inge [(^iden [i^ rool^I 5ufammen. X)as gilt
iebo(^ nur für ben inneren 2Ren[^en, ben man prüfen mufe,
benn es roäre untoürbig, auf bas ^ufeere ^in ju urteilen.
SKanc^er äRo^r mag, fügt er [pagenb ^l^in5u, ein meines
Serj ^aben. SBerftänbiges SQla^ ift 2Baltern, toie Dielen
Dichtern feiner 3^^^, bie oberfte, bas SBeltleben rcgelnbe
2;ugenb. (£r preift jie in einem ^üb[^en Silbe (fi. 80, 1) :
(£in Se(^fer — auf bem SBürfel — wollte in [einer §offart
3U einem Siebner werben, ben es hod) beim 2Bürfcl gar
ni^t gibt. Aber oft mu^, wem bie Strafe ni^t breit genug
ift, burd^ einen gol^lroeg ge^en. So gef^a^ es ber über=
mutigen Se^s, aus ber nun eine !Drei lourbe. Als Sedjs
roäre für fie auf bem Spielbrett (langer ^uff) ein gelb
frei geujefen, je^t mufe fie fi^ in bas ^lä^d)en ber Drei
f^miegen. Sol^er 9Kangel an 'iffla^ ift befonbers ben
9[Jlenf^en eigen, fä^rt 2Balter fort (ß. 80, 19), bie i^rc
©rensen ni^t fennen: n)eibif(^en SlRännern, männif^en
grauen; £eute, bie ni(§t genau roiffen, ob fie ritterlich ober
geiftli^ leben follen; junge $enen, bie fic^ gern roie alte,
alte, bie \\6) gern roie junge benehmen motten; alle bicfc
leben oerquer. T)as seigt fi^ uome^mlic^, unb babei backte
2Balter geroi^ feiner eigenen (Erfahrungen (£. 80, 11),
an ber greigebigfeit, welche bie TOttel über[(^reitet. Dann
gibt es nur jxDeierlei: Armut ober trügerift^ oerfpret^cn.
Hnb bo^ fei es beffer, jc^nmal „S^ein" ju fagcn, ols ein=
mal „3ö" 5U lügen. Durt^ fiteBcnsxDür bigfett bes Se*
nel^mens fann man au(^ fletnere SBer[pre^ungen toettüoll
mad^en, fofem man in rtd^tiger SBeife um feine S^re Be»«
forgt i[t. 2Borüber man nic^t iDttflt^ ju oerfügen ^at,
bas foll man au(^ ni^t oerj^enfen.
TOt be[onberem 9fla(^brud be[^reibt bei Dichter bie
Übel ber Xlntteue, jnerft in einet Sitiit uon fe^s Sprüchen.
Cr fnüpft [ie an einen beftimmten 51nla6 (£. 30, 9) : ©ott
toei^, bafe i^ immer einem §ofe bie Xreue l^ielte, too man
[i(^ nur irgenb pfif^ aufful^rte mit 2Bort, ©ebärbe unb
§anblungen. 3Kir aber graut; menn i^ bie fe^e, bie mi^
lat^enben SKunbes betrugen, bie Sonig auf ber ^tun^t
unb ©alle im ^erjen tragen. Das £d^eln eines greunbes
[oll o^ne ^rgroo^n fein roie bas ^enbrot, bas einen f^ö=
nen Xag oerfünbct. Gntmeber tu fo, toie bein £a(5en mir
anseigt, ober lat^e irgenbtoo anbers. Sßeffen SJhinb mi^
betrügen roill, ber mag fein £a^en bel^alten, oon bem
nal^me \6) ein roal^res „9^ein" ftatt sroeier gelogener „3a".
Da bo^ ©Ott vx ber ^ßilig^^ Si^rift ein geredeter SRid^ter
genannt roirb, follte er fo gnäbig fein unb 'tih treuen $0lcn*
\6)tn aus ben falf^en auslefen. 5Rur ^ier auf (Erben, im
3enfeits werben fie o^nebies gefc^ieben. Ss toäre gut,
rocnn jeber Untreue f^on aufeen ein SJlerfmal trüge. 2Ber
fi^ mir aus ber Sanb toinbet toie ein ^al, ben follte ©ott
feinen 3oni fpüren laffen. 2Ber mit mir oom Saus fä^rt,
ber foll Oi\x6) mit mir ^eimfe^ren. Des äRannes Sinn mufe
feft fein toie ein Stein, fc^li^t unb glei^mafeig loie ein ge==
gldtteter Stab aus einem Stüdf. 2Ber fi^ l^o^mütig über
einen treuen greunb ergebt unb i^n geringft^ä^t, ben
gremben l^ingegen e^rt unb oorjiel^t, ber loirb es er*
fahren, — meint SBalter unb beutet bamit auf ein bitteres
©rlebnis — ba^ au^ er oon einem ^öl^eren oerle^t toirb,
ba6 W 23ufenfreunbf^aft \\6) löft, fobalb ©ut unb (g^re
Sd^önBad^, SBoftcr öon ber SSogeltoeibc. 13
186
ouf bcm Spiele [te^en. ^^ l^ab' es [elbft gefe^en, bafe
SBanfelmötiöe huxä) Rummti toieber auf il^xe nä(^ften
greunbe getüiefen roorben [tnb; unb naä) ©ottes S^idung
roirb [i(§ bas no(^ oft ereignen, ^uä) finb alle über bas
Spnä)moxt einig, bag einen [i(^ern greunb unb ein tu^*
tiges St^toert er[t bie 'üflot fcnnen leiere, ^ä) gebe ni^ts
mel^r auf ^ugen unb Sinn, benn bie[e l^aben mir 3u sroei
greunben geraten, bie tabellos üon aufeen unb innen fc^ie=
nen, unb nur ein ujenig falfc^es SJletall toar beigemifc^t.
Das roar's aber, toes^alb i^re S^netben jtumpf rourben
[tatt r^orf. SBare ber fleine 3^\(^^ ^i^t geroejen, [ie
mären [o untabel^aft, ba^ \iä) jeber ^ätU auf |ie oerlaffen
fönnen. 51^, bafe ic^ jemals bcn 3^rug erfuhr! ?lun mu^
iä) mi(^ meines Sc^abens fc^ämen, i^nen bleibt bie Staube.
— Unb mit no(^ größerer 23itterfeit befc^reibt 2BoIter
bas SBilb bes galfc^en: (Ein grofees SBunber ^db' \d) ge=
fel^n; lebte es im SKeer, bann hielte man es für ein fabel*
l^aftes 3;ier; meine greube ift barüber erf^rotfen, mein
S^merj erroad^t: bas i]i ein fc^Ie^ter $0lann. 2Ber [ein
ßa^en auf einem Stein probiert, ber finbet es une^t. (£r
beifet, o^ne juoor gefnurrt 5U ^aben. Seine beiben Sangen
blafcn aus einem 9ta(^en falt unb roarm. (Ein giftiger
Stapel liegt in feinem fia^en oer[tecft, unb aus bem
tt)oI!enlo[en $immel feiner geiterfeit fallt ein fc^arfer r^r*
ni(]^tenber $agel. 2Bo biefes 2Bunber 3U fpüren i[t, ba
betrügt es: benn bie 3um S^tour erhobenen ginger [enft
es u)ie einen Sc^ujalbenfc^ioanj (bie Sc^roalbe galt als
untreue SBerleumberin) unb ma(^t babur^ [einen (Eib ju*
ni(]&te. — 2Balter ht^k^t [eine Allagen no(^ einmal auf
einen be[timmten gall, ben treulofen SRatgeber eines
Sür[ten (£. 28, 21): X)as i[t ein [^le^ter 9Wen[^, u>el=
(^cm Stanb er aud^ angel^öre, ber freitoillig betrügt unb
[einen ^errn lügen lejrt. SlUö^ten i§m bie ©eine lal^m
187
xDcrbcn, iDcnn er oor feinem gütften als ^Berater fntet; ift
er aber fo oomejm, ha^ er im 9iate \i^t, (o [oll feine
falf^e Sunge erlahmen. SoI(^e Jßeute oerberben uns au^
bie toa^r^aft Gblen. Das £ügen; bas fie betreiben, ift
S3erftanb o^ne !tugenb. Denn fie raten 5U einem ©elübbe,
bas beffer erfüllt roäre, beoor es alt nnb fi^äbig roürbe. —
3n einem anberen Spni^ (£. 37, 34) fagt SBalter : %li^u
Diele Sergen finb toie ©aufler, bie bel^enb trügen unb tdu*
f^en. Da fagt einer: „S^au' §er, ©as ift unter biefem
$ut?" Sebft bu i^n auf, fo fte^t ein n)ilber gaüe barunter.
^oä) einmal, bann ift es ein ftoljer $fau. Unb no^ ein*
mal, bann roirb es ein StReerrounber. XTnb mit oft bas au^
gef^iel^t, gule^t ift es hoä) immer eine ^Irä^e. greunb,
lä) fenne ben 3ciuber, la^ vxxä) barüber la^en. Sel^alt nur
beine falf^e ©aufelbü(^fe. 2Bär' i^ fo ftar! roie bu, iä)
f^Iüge fie bir an beinen Äopf. Die ^f(^e beines Spieles
ftäubt in meine ^ugen. 3<^ '^^If^ ^^^ ^^^^ länger me^r
blafen, toenn bu mi^ ni^t oor au biefem Xrug bepteft. —
Die allgemeine CBinbufee ber SBelt an 9tebli(^feit beflagt
ber Dii^ter ein anbermal (Q. 38, 10) : 2Bie es ^eute in ber
2ßelt fte^t, ift bas tm mit greunben tool^l ausgeftatteter
50lann, ber neben groanjig SBertoanbten nur einen greunb
^at. grüner ftanb es toie fünf 5U brei, fo ^at ]\ä) bie SBcIt
oerönbert! 2Ber il^r bis ans Gnbe folgt huxä) bid unb
bünn, ber u>irb übel bran fein mit feiner Seele. 2Bir
flagen immer, \>a^ bie eilten fterben unb ftarben; beffer
iDöre es, barüber 5U fammem, \>a% je^t Xreue, 3u(^t
unb (E^re tot finb. Die SP^enfd^en laffen (Erben surürf,
biefe brei jebod^ ^aben feine 5linber.
SWit ä^nli^en Sä^cn ^M eine nä^fte Spru(^folge an
(£. 79, 17): Übel ergebt es bem SKann, ber ^o^e 5Ber*
rDonbte, ober feine greunbe befi^t. gefter ift greunbfc^aft
als Sippf^aft. Stammt einer aus fönigli(^em öoul^ unb
13*
l&at feinen greunb, roas l^ilft i^m alles? SBerroanMI^ft i[t
eine (E^re, bte ctncm oon felbjt äutDäd^[t, greunbe muft
man [t^ ocrbtenen; bes^ölb !ann ein SBenoanbter ganj gut
uns unterftüfeen, ein greunb aber be[[er. ©etoinnt man
einen \\6)tm, 3ut)erla[figen greunb, ben mufe man roert
Italien. 3^ ^^^"^ i>ö5; t>enn \^ l^abe mir juroeilen greunbe
erforen, bie fo fugelrunb toaren, 'üa'i^ [ie mir oerloren
gingen, fo gern \6) fie fejtge^alten l^ätte. 2Ber nun gegen
m\^ [o [(^lüpfrig i[t roie Gfs unb mi^ leit^tl^in aufgebt
löie einen Sali, ber foll mi^ ni^t untreu [(gelten, toenn
\6) mi^ in feinen $anben bur^gleitenb runbe; l^ingcgen
bleibe i^ bem Xreuen au(5 felbft ein 9Kann oon einem
£ot unb f^roer beroegli^ im SBiered (mit ^nlel^nung an
Soraj, (Epifteln 1, 1, 100). 2Ber bunt unb loe^felnb
gegen m\6) ift, balb fo, balb anbers, bem rDälje \6) mic^
unter ben $dnben fort. 2BaIter greift auf eine früher
lunbgegebene ^nfd^auung surüd (£. 81, 15): 9Kan mufe
\\6) ni^t 311 too^Ifeil ma^en. ^ollt i^r eu^ bereit finben
laffen o^ne rechten £o^n, bann büfet i^r's an eurem geile.
(Es emiebrigt eud^ felbft, toenn i^r mit f^le^tem Dante
besal^lt toerbet. (Eure (E^re minbert fic^, unb überbies \)Oi\)i
i^r ben S^merj, bafe i^r eine 3^itlang fc^mäl^lit^e goff*
nungen nähret. Damit prägt SBalter ben löftli^en Sa§
ein, ))q!^ Arbeit o^ne Jöo^n unfittli(^ ift. Xlnb mit bem
frönen Spru(^c fei abgefc^loffen (fi. 81, 7) : 2Ber erf(^Iägt
Böroen unb 9iiefen unb übenoinbet alle, bie mit i^m
fämpfen? Das ift ber, roel^er es oerfte^t, fi^ felbft $u
besroingen, unb ber feinen roilben SitWi m fefte !i[xä:^i fügt,
^bgeborgte Selbftbel^errfc^ung, bie nur oor ben Jßeuten
geroa^rt roirb, bie lann ido^I bei gremben erfc^immem,
aber il^r (Blanj ift unftet unb fc^roinbet balb.
S<X(xi ift, bafe 2BaIter oon ber SBogelroetbc in biefen
Sprühen als 3^öl bes SOlannes ein feftes, gef^loffenes,
189
in ft^ ctnl^ettltc^^s SBcfen rü^mt, bcnn bte uon i^m '^ait
gcfc^oltcnc Untreue Bebeutet nt^t allein JJ^Ift^^eit unb
£üge, fonbem auc^ innere Hnfic^er^eit, alfo basfelbe,
tDos SBoIfram üon (gf^enbad^ in feinem ^arjioat „^mti^tl"
nannte unb als ben ileim alles Hnglüds im S^itffale bes
SWannes Be5ei(^nete. 9Kan !ann nun bte Darftellung eines
folc^en Jßebensibeales mit Sesug auf bie ^erfönli^Ieit
bes !t)i^ters üerf^ieben auffaflen. (Enttoeber Befi^t ber
^oet hk Xugenben, bie er roieber^olt unb mit ^lac^brutf
rü^mt, um^renb er bie gegenftreBenben Gtgenf^aften Dcr=
toirft unb oeroBf^eut, ober er motzte jene nur Befi^en
unb biefe aBftreifen. 9^a^ bem 35orausgef(^i(!ten gelten
tDir voo^l mä)t 5u roeit, menn roir üermuten, bafe SBalter
]\ä) felBft unb feiner 3^^^ ein 3^^^^ mdnnli^er geftigfeit
üorl^It, bas für i^n ben oBerften 3^ß^unlt feines Stre=
Bens Bilbet, bas er aBer ni^t gan5 5U erreid^en oermag.
SBalter mar eBen ein fanguinifd^er S0lenf$, bem Sßec^fel
ber (Stimmungen Uiä)t unterxDorfen, 2Bei(^^eit unb S^roff=
l^eit liegen i^m Beifammen: oon plö^li^em (gntft^lu^ mar
er, Don großer 9iei3Barfeit; üBer^aupt einem ©emüte,
bas auf jebcn Ginbrurf raf^ surütfroirfte. 2Bie feine
(Bä)V)ää)tn, feine neroöfen (£mpftnbli(3^feiten, feine Seftig=
feit; bie ÜBertreiBungen in feinen Sprüchen unb fiiebern,
fo oerbanft er biefem feinem ^Temperament aBer au^ bie
ebelften 3^Pii^^ ^i^ Sö^igfeit, ]xä) ju Begeiftem unb
für eine grofee Sad^e fein ßeBen ein^ufe^en.
Gs ift faum eine 3^äufd^ung, menn roir in biefem
SBerBanbe oon (gigenfd^aften bie 5lrt bes öftenei(^ifd^en
Stammes erfennen, bem 2BaIter angel^örte. '^iä)t um*
fonft oenoeilt er mel^rmals Bei bem fc^önen ©runbfa^e:
SBcffcr fei es, einmal entf^ieben „9^ein" ju fagen, als
oielmals ein unüares „3a'^; benn es u>irb baburc^ $roar
eine augenBlidli^e TO^ftimmung erfpart, aBer [päter,
190
töcnn ]\ä) bic 3u[öge nt^t erfüllen lafet, ein otel größeres
ÜBcI l^erüorgenifen. 2BaIter fonntc eben nid^t „iRcin"
fagen, tote bas fein realer ü|tcnet(^er ^eute no^ fann.
2BaIter ^^It ftd^ tn einem Sprudle ben ^o^en 2Bert htx
SelbltBe^ertf^nng t)or, fie ift i^m geioig bur^ feine
Jßeibenfd^aftlid^feit oftmols [e^r fc^mer gefallen. „(5ib
bid^ nm 5U mo^lfeil, wirf bic^ mä)i roeg", au^ biefe
£c5re crroud^s i§m aus ber eigenen trüben (grfalirung,
mä)t immer ^at er mit ausreit^enber Überlegung fi^ feine
3^ätigleit unb feine ©enoffen gemd^lt. (Er i|t oon be=
jaubember £iebenstDürbigIeit, roenn er roill, aber au^
T>on üerle^enber Sorte unb bisweilen geraberoegs un*
gerecht.
3um epif^en Dii^ter fehlte 2Baltern bie SRu^e unb
DbjeftiDität, auf bie Iprif^e ^oe[ie roiefen olle feine
(Saben. (£r roäre fein bebeutenber Staatsmann getoorben,
ba3U gebrat^ es feinem auftreten an glei^mäfeiger, jiel*
beruufeter Sic^erl^eit. TOer er ujar ein gldnjenber gerolb
bes 9?eic^es, unb mit jeber tü^tige 50lenf^, mag er fon[t
no^ fo ben>egli$ fein, in feinem Organismus einen feften
S^toerpunft j^aben mu^, fo befa& il^n au^ SBalter in
[einer ßiebe 5um SBaterlanbe, 5um l)eutf^en 5Rei^, bas
er mit einer SBeftimmtl^eit als ein fertiges nationales (5e*
bilbe anfa]^, bie ^u feiner Sdt nur fel^r menigen ^eroor*
ragenben Spannern gegönnt mar.
SBiellei^t fj^eint man^em fie[er bas SBilb 2Balters,
bas 5^er entroorfen ©urbe, ju roenig gün[tig, unb jebes^
falls mtxä)t es einigermaßen oon ben hergebrachten 5Bor*
ftellungen ob. Unb boc^ tritt uns SOBalter, fo roie njir i^n
gefeiten l^aben, um oieles menfi^lid^ näfycr, mir emp«'
finben beffer mit i^m, er i[t uns oerltdnbli^er. %x feiner
(Sröfee hü^t er babei in SBa^r^eit ni^ts dn, benn feine
Lebensarbeit ift ijm buri^ bie Anlage feines SBefens ni^t
r
191
erleichtert morben. (^lüdliä), töem etn tool^lnjonenbes ©e*
]^xd bas rul^igc ©leti^Tnafe ht bte Seele legte, ben [teeren
i^ompafe tn allen gd^rlic^feiten bes Dafeins! SJlinber
glüdlt^, aber gerot^ mä)t roentger rü^menstDert, ber m(^t
nur bem 8(^tdfal, [onbem auä) bem eigenen ^ei^en Slut
ben ©etoinn [eines ßeBens, bie Arbeit unb bie G^re, toelt^e
2Balter immer mit ©ottes $ulb oerbinbet, abringen mufe.
Diefer fämpft ben l^örteren 5lampf, unb i^m gebührt
ber ^öl^ere £o]^n. Den erntet au^ SBalter oon ber
SBogeltueibe, benn er ift ber einsige beut[^e Dieter bes
Sniittelalters, ber uns an \iä) l^eransiel^t unb über bie
^a^r^unberte toeg ju uns fpric^t, beffen £eib unb greube
toir mit i^m burt^leben, ber uns mitreifet in feiner 5Be*
geifterung unb hit 5lraft feines l^od^befd^toingten 3^ealts*
mus auä) in unfere ^erjen flögt.
XI.
V7alfers Religion
2Bcr es ^tutt mit (Srnft untcmhnmt; fi(^ in büs
©eiftcsleben bes beutfc^cn SJlittelolters l^tnctitsufinben, bcm
roirb glcid^ im anfange [einer Stubien bic grofee Zafiaäjt
entgegentreten, bafe bie SReligion innerhalb bic[er (£po^c
eine gan5 anbere, unenbli(§ oiel mächtigere Stellung ein=
nimmt als in ber neuen unb neue[ten ßtii, oon ben
roenigen ^ö^i^Sß^^^^i^ oiellei^t abgefe^en, toä^renb berer
bie 5lird&enfpaltung alle ©emüter erf^ütterte. Der ^Begriff
9?eligion umfaßte f^on an fi^ fo oiel me^r. 9li(^t nur
umf^Iofe fie bas SBiffen Don C5ott, bas SBerl^ältnis stoift^en
®ott unb ben Wtn]ä)tn, bie ^fli^ten b«r 9Jlenf^en gegen*
einanber, es rourbe au(^ alle i^enntnis oon ber 2ßett über=
l^aupt bur$ bie ^Religion oermittelt. Xlnb jtoar nid^t
allein, toeil bie ©eiftlic^en jugleii^ bie bamalige 23ilbung
gan5 oorgugsioeife oertoalteten, fonbern roeil bie SBelt
eben nur als freie Schöpfung ©ottes angefe^en unb Der=
ftanben rourbe. So roar alles 2Bif[en über bie Dinge ber
SBelt im Cörunbe nur tin 2Biffen oon (Sott unb feinem
SBirlen. Das Xlnioerfum mar oon ©ott erfüllt, unb barum
mar bie ^Religion ber ^tem bes mittelalterlichen £ebens.
^uc^ ber alte ©crmane l)atte [eine großen 5Iugenblide
gehabt, in benen er bas Da[ein ber ©ötter, i^re Maä)i
p
193
als gegenwärtig empfanb. 5lber bas roaren ungeiDö^n=
liä)t 9Komente ber l^öc^ften (Sr^ebung bcs ©emütes: fo
füllte fi(5 ber 9Kann roä^renb ber S6)\aä)t in ber Sanb
[eines ©ottes unb l^örte bie 9?o[Ie ber ^immlifc^en 93o=
tinnen, ber 2Bal!üren, über feinem Raupte bal^inbraujen.
(Er tDufete, bofe bie S^Iat^tjungfrauen mittoirften an bent
©enjebe bes ilampfes, in brei Sparen geteilt, beren er|te
[eine (5eno[[en anfeuerte, bie 3tDeite toaltete im ©etümmel,
Ut britte Iö[te im SRürfen ber geinbe hk Sr^If^^^ '^^^ ®^=
fangenen aus [einem eigenen SBoüe. 3n feierlichen Stun=
ben bes fiebens näl^erten \\ä) bie ©ötter : 5um Opfer traten
[ie ^erju; menn bie 5Runen[täbe getoorfen rourben, um
bie 3ii^unft 3u erfor[(^en; beim ^Hed^tfpru^ toeilten [ie im
9?tnge bes SBoIfes. ©roge (Einbrürfe ber 9^atur jeugten
von ber 5lnrDe[en5eit göttlicher 50la^t: ber breit l^in*
rau[(^enbe Strom, bie Duelle, meiere aus ber unbefannten
3^iefe bes gelfens empor[tieg, bie maje[tati[(^e (£in[amfeit
bes Hrtoalbes. Dort erfaßte S(^eu oor t^en ^eimlic^en
Jßebensgetoalten auc^ bas ^erj bes 2;apfer[ten. Do^
bel^ielten bie tief[ten Ginbrüde ettoas Unper[önlic^es. 33on
toenigen germani[(^en ©Ottern lebte ein beutlii^es Silb
in ber Seele un[erer SBorfal^ren, oiellei^t oon bem t>or*
nel^men 2Boban, bem einöugigen 5teiter mit breitem Sut
unb roallenbem SÜlantel, ober oon Donar, bem rotbärtigen
9?ie[entöter, mit breiter 23ru[t, ben sermalmenben $ammer
in ber 3rou[t; ein Sauemgott. De[to bitter toaren bie
Raufen ber Dämonen, [ie roo^nten mit in $au5 unb
Sof, in ileller unb Streune, [ie [agen in ben ^Bergen unb
pteten ©olb unb (5e[tein, roälsten bie gelsblörfe als
rie[i[^e Xlnl^olbe, ober toeilten in ben ^Bäumen, auä) auf
bem lau[(^igen ©runbe oon SBäc^en unb SBei^ern. ^Is
bas milbe £i^t bes (£;i^ri[tentumes auf[tieg, [inb jtDar bie
großen (Sötter enttoi^en, aber bie S(%iren ber fleinen
194
mx^oQtn \x^ langfam, nod^ ^eutc [pufcn fic unter Tnanrfyetlei
Süllen in 2BaIi> unb 5^1^-
SBas im Seibentum ^usnal^me mar, ift na^ ber
3re[tfeöiing bes G^riftentumes im £aufe ber fpäteren SdUn
bes 2RittelaIters ber l^errfc^enbe 3^ftfinb bes Gebens ge»
toefen. ^m cor bem breisel^nten 3<^]^^^^unbert, benn —
unb bas §alte it^ für ein feftes (Ergebnis meiner S^ubien —
er[t bann finb \i^ bie beutft^en Jßaien il^rer ^riftli^n
Übersengung oollauf beiDu^t getoorben. l)ie ^i^tenfität
ber religiöfen (gmpftnbung, bie bamols ben ganjen SJlen*
[(^en bur^brang, i[t aufeerorbentli^. 2ßie bas ge[amte
SBeltgebaube, fo lag auc^ jebe einselnfte $anblung b^s
SKenf^en, jeber fleinfte ^bft^nitt feines 3)a[ein5 in ber
$anb ©ottes. Diefe [tärffle religiöfe ©ebunbenl^eit war
aber naturgemäß W SBorausfe^ung einer ungemeinen
greil^eit im Jßeben mit ber 2BeIt unb ben SKenf^cn, fie
oerliel^ ben einjelnen eine erftaunli^e SBeroeglic^feit unb
Sicä^er^eit in roit^tigen (£ntf^Iü[[en. Die Deutf(^n Jinb
^eute üiellei^t in einem getoiffen Sinne bas [eß^aftelte
33olI ber Grbe, fie gelangen am f^toerften baju, aus ge«
iDo^nten IBal^nen 5U treten; hk SBorbilbung für ben
„23eruf' unb ber „5Beruf" felb[t füllen bas £eben aus.
3eber arbeitet \iä) fo ein im Greife feiner 2:atig!eit, bafe
er jroar barin ^Tusgeaeid^netes leiftet, aber au^ nur barin,
unb für anberes ungeeignet roirb, roeil bie basu erforber*
li^en Organe burc^ 2RangeI an Übung oerfümmem. (£s
^anbelt fic^ l&ier nid^t barum, 5U erörtern, ob bies im
großen unb gansen gut ift für unfer Söolf, nur barum,
feftsuftellen, hü^ es fo ift. Das ganse ©efüge bes ftaat*
lid^en unb prioaten Gebens ift ^eute für biefe Stabilität
ber einseinen eingeri^tet. 3^^^sfalls toar bas im SKittel-
alter anbers. Die Arbeitsteilung mar im Sanbmerfe
fc^on toa^renb bes breigejuten 3<^]^r]&unbcrts fej^r ein-
195
gc^cnb; bte Ztä)nxt ausgebtlbet, ober btc JJä^igfctt, bic
^rbcttsjlatte 311 mtä)]t\n, fel^r otel größer als l^eute bei
bem etablierten ©etoerbsinann. ^m ft^erften befanb \xä}
freilt^ jeber in bcr ©enoffenf^aft oon femesglctd^en, alle
trugen i^n unb er l^alf alle tragen, taber loer aus feinem
5lreife heraustrat, fanb ]x6) bo(^ oöllig ungebunben. ^uf
biefen 35er:^ättntf[en beruht bte ganje ^flooellenlitteratur
bes aJJittelalters, bte, mit ber heutigen ßage oergli^en, faft
märchenhafte 3uftänbe perfönlid^er grei^eit unb Semegung
barftellt. 9Kan erinnere \xä) nur einselner ge[(3^i(^tli^er 3;at=
fa^en, 3. f&. bes fogenannten 5linberfreu33uges oon 1212,
tDO 2;aufenbe l^albtüü^figer i^naben unb 9[Räb(^en bem
fernen Often sutoallten. Sie finb meiftens üerborben unb
t)er!ommen, unb um biefen 5^inberfreu33ug braui^en toir
bas breisejnte ^a^x^unhtxi mä)t 3U benetben, allein man
[teile fi^ blog hk ßotel^eit ber gefellfc^aftli^en Orb«
nung oor, welche ben toanbernben Scharen bte gal^rt bur(^
bas fübli^e (Europa ans SJleer möglich ma^te. Uns
erf(^eint alles bies nur erflärli^, toenn loir jenes innere
®lei(5getDi(^t in ^nf^lag bringen, bas bie gläubigen
SP^enf^en bes SJlittelalters aus3ei^nete.
2Bir ^aben feine Urfat^e gu t)ermuten, es fei um
Sßalter oon ber S5ogeltüeibe anbers geftanben, als um
eine grofee S^¥, toal^rf^einli^ bie $0le]^r3a]^l, feiner 3^^*'
genoffen. Äein ein3iges S^^Ö^^s fpri(^t baroiber, ha^
Sßalter ein überseugungstreuer (El^rift, bas l^eifet 5la=
tl^olif, geroefen ift. ^uä) feine Sprühe gegen ben ^apft
bürfen babei nid^t angeführt roerben: roie früher 5ßrt)or=
gehoben rourbe, ift es oon ben Deutfc^en jener 3<iT^r3e]^nte
faum als Sünbe betrad^tet roorben, ben roeltlid^en, auf
bas ^Regiment ber Staaten bejüglic^en 9Kaferegeln bes
^apftes 3u roiberfte^en. Sßäre es Sünbe geroefen, bann
ptte fi^ faft jeber ber bamaligen gürften unb Siff^öfe,
196
überhaupt ber ^enen, btc an polittfd^cn Dingen beteiligt
roaren, minbcftens einmol in feinem £eben beten f^ulbtg
gemalt, ^nbererfeits bejifeen toir gans flare unb unum=
ftö^lit^e 3^ii9^iFF^ ^^^^ SBdters ©läubigfeit, büs jinb
feine religiöfen ©ebi^te.
^n erfter Stelle wirb ber berühmte ,;ßei^" genannt
roerben muffen (£. 3, 1), ün überaus funftooll, f^m*
metrtf(^; in fc^ioierigen Stropl^en gebautes, bur^fompo=
niertes Stürf. (£s ift eine Darftellung toic^tiger, obf^on
nic^t aller roi^tigen ©laubenstatfa^en unb ©laubens*
leieren, georbnet in ber Sßeife eines ©ebetes, jum großen
2^eile beinal^e, als wenn bie ©ebanfenfolge bes 93ater*
unfers babei Dorgef^roebt ^ötte. (£s umfaßt Qoh unb
^reis ©ottes, enbet aber in einem SBei^tgebete. Das
(5ebi(§t beginnt mit bem Sefenntnis ber Xrinität, beren
^erfonen toie im S^mbolum bes ^eiligen ^It^anafius er*
örtert roerben. 9^n §at bes 2^eufels ^ai unb bie Qä)wää)t
bes (Jleif^es uns oon ©ott entfernt, möge er mit feiner
ilraft uns lieber ju i^m Der^elfen, bann nnrb fein 9^ame
gepriefen unb ber 2;eufel gefc^änbet. ^ud^ bie (5ottes=
mutter loirb gerühmt unb mit ben erlefenften ber reiben
93ilber unb Seiioörter gef^müdft, u)el^e bie Xrabition
üon ^Q^x^un'tKxUn 5ufammengetragen l^atte, um bas
SBunber ber SJlcnf^roerbung (£^rifti 5u loben. S^lur bie=
jenige Seele fann genefen, bie ^erjlic^e SReue über il^re
Sünben empfinbet: tint Sßunbc, oom S^roert ber Sünbe
gefd^lagen, mufe aus bem ©runbe l^eilen. Das oermag
uns aber nur ber Seilige (Seift 5u gemä^ren, ber bas roilbc
§er5 besäumt. 9fhin roerben ber 23ater unb ber So^n an*
gefleht, ben Seiligen ©eift 5u entfenbcn. ^ber bie GJ^ri*
ften^eit ift poll un^riftli^r Dinge; fie liegt franf im
Sied^en^aufe unb bürftet na^ ber römif(^en Jße^rc. Doc^
bereitet i^r bie Simonie, bie mcltli^e Sabfu(%t in geift*
It(^n Dingen, f^iDcres £ctb. 3^^ (S^riftentunt gehört
auä) ^riftlt^es SBitfcn; tDcr blofe nac^ ben 2Bottcn unb
mä)i aud) naä) ben 2Berfen als C^rtft lebt, t[t l^alber
Selbe. (Es gehört eben beibes snfammen. Darauf toirb
SKoria, hk 9{ofe o^ne Dorn, bie auf (Erben unb im
Stnrmel oon allen 3ii^9^i^ (5eprte[ene, um t^re SBermttte=
lung htx ©ott angerufen. 2Benn t^r ©ebet t)or bem Xlr*
fprung bcr ^Barm^etsigfeit erfitngt, bann bürfen mir
^offen, ba^ bie Sc^ulb crlet^tert merbe, mit ber mir uns
belaftet ^aben. Das IBab unferer 9?etntgung roirb bie
9?eue fein, toel^e außer ©ott unb SJiaria ntemanb ju
Fpenben oermag. — (Es ift unmöglich, oon ber reinen
^oefie, oon ber lauteren grömmigfeit biefes Stüdes huxä)
einen ^us3ug bie richtige 23or[telIung 5U geben.
2BaIter ^at ben tief[ten Sinbrud oon ©ottes SRad^t
empfangen, bie nit^t ausgefunben werben fann. Du btft
fo lang unb breit, fagt er einmal (ß. 10, 1), bag alte
unferc 9Kü^ oerloren fein roürbe, rooltten mir oer[u(^en,
barübcr na^5ubenfen. Deine 5Q?a^t ift unermeffen roie
bie Dauer beiner (Emigfeit. S5iele forf^en naä) bem ©e*
l^eimnis, aber es bleibt unferem SBerftanbe unjugängli^,
benn man fann \>\ä) nxd)t abf^ä^en, mie bu bas ©rö^te
umfi^Iiefeeft unb in bas RIcinfte einbringft. ^(^, bes
2;oren, ber 3^ag unb 5Ra(^t baran menbet, ju erfahren,
roas nirgenbs je geprebigt unb burd^ Defret beftimmt
morben ift.
2Balter befennt feine Sünb^aftigfeit unb bafe bie 2BeIt
jmif^en i^n unb ©ott, feine fieibenfc^aft smif^n i^n unb
bas Sittengebot trete {Q. 26, 3) : „Du großer ©ott, mie
leiten ic^ bi^ f^on gepriefen ^ahzl Da ic^ bo^ 2ßort
unb 2Beife banfe beiner (5abt, mie mag' i^'s, fo ju fre=
oeln unter beinem Stabe? 3^ tu' bie regten 2Berfe
ni^t, no^ ^eg' iä) malere 5^ne }u meinem S^lö^ften,
198
Serr unb SBdcr, no^ 5U Wr: am allerlteBftcn toar iä^
immer fclber mir. !Der Sctligc ©eift, fo Bitt' i^ (Sott,
erleu^te meine Sinne. 9Bte fann i^ jenen lieben, l^cr
mir iBöfes tut? Stets lieb' i^ tiefen mel^r, ber greunb-
mir ift unb gut. 25ergib mir meine S^ulb; o §err, unb
meinen [tarren 9Jhit!" TOer f^on feiert fid^ ber Sänger
t)on ber falf^en Jßiebe ab jur reiften (fi. 81, 31) : SRinne
i|t toeber männlit^ no(^ tDeibli^, fie ^at loeber Seele no^
-ßeib unb läfet \xä) feinem roirfli^en 2Befen Derglei(^en.
3roar fennen toir il^ren ^Flamen, fie felbft jebo^ ift uns
fremb. (£s oermag aber niemanb o^ne fie ©ottes §utb
5U erroerben. (Sk fommt 3tDar nie in ein falf(^e5 $cr3,
aber bo(§ finb na(^ ben eä)Un $ölinnemün3en nun feit fur=
3em falf^e Stürfe gefc^lagen toorben. 2Ber fi^ aber xtä)t
auf bie Prägung oerfte^t, bcm tjerpfänbe iä) mi^ als
Sürge für hie Sßal^rl^eit, ha^ er oon feinem £after etioas
3U fürchten ^at, toenn er ]xä) bem ©efolge ber SJlinne an=
fc^liefet. So angefel^en ift biefe SRinne im Simmel, bafe
iä) fie ba^in um i^r ©eleit bitte. Unb loie gefa^r^oll ber
2Beg 3um Simmel ift, le^rt 2Balter ein anbermal (£. 26,
17): „Die SBeifen raten, roer 3um gimmelreit^e fa^re,
bafe er Dörfer \iä) too^l ht^üU unb betoal^re, bamit,
löer auf bem SBege §ält, i^n l^eil oorüber laffe: ein 9täu*
ber nennt ]x^ „9^orb", ber fd^abet fel^r ber Strafe, unb
mit il&m sielet ein ]d)mtx ©ebannter, ber ^eigt „93ranb",
unb ben man „SBud^er" tauft, ber ^at fc^on gar oerrannt
ben ^fab, tro^bem finb no^ ber SBegelagerer me^re.
Denn „S^leib" unb „Sag", bie fprengen bort bie Quere,
f^amlos, gans o^ne SD^afe unb (gl^re, unb man(^er no^
bricht Dor, bes xä) ido^I gern entbel^re." 9Bie bie rechte
JCiebc fid^ betätigt, seigt ber Dichter in einem Jd^önen Spruc^
(£. 22, 3); „2Ber o^ne gur^t, o $err unb ©ott, unll
fpret^en betne je^n ©ebot' unb M§t fie bo^ bem fejit
199
bie rc^le TOnne. (Es ruft bi^ „5Bater" frü^ unb fpöt
gar man^cr, ber als ©ruber mit^ o^rf^mäl^t, ber [prii^t
bie [trengcn SBortc bann mit f^toac^ein Sinne. 2Bir
alle finb aus gleichem 3^alg gegoffen; es na^rt uns Speife,
bie, fobalb roir jte genoffen, oerliert, ben fie gUDor befaß,
bcn Sßert. 2Ber iDeiß ben Serm Dom ilnec^t 5U unter*
f^eiben, ^at er fie lebenb noc^ fo gut gefannt, loenn er
nichts als bie natften 5^no$en fanb, bos gleif(§ oon 2Bür*
mem oöllig roar üersel^rt? 9hir einem bienen alle:
d^riften, 3^ben, Reiben, il^m, ber bie SBelt erf^uf unb
fie ernährt." 3)er ©ebanfe, ben ber 5toeite Xeil biefer
Strophe enthält; tft bur^ 2ßoIfram oon (Ef^enba^ Befon=
bers na(^brü(Ki(^ ^eroorge^oben unb in feinen Folgerungen
für bas fieben ausgefül^rt toorben; in ber einfa^ften
©eftalt, bie SBaller ii^m ^ier gibt, finbet er fid^ roieber*
^olt in oerfc^iebenen ^ir(^enf(^riftftellern, bie barauf l^in*
©eifen, baß au^ 3uben unb Reiben ©ottes ©ef^öpfe
feien, unb bie Sebeutung biefes Sa^es für bie ^riftli^e
SKoral betonen.
!Den 2Beg 5um $immel, ben 2BaIter fu^t unb beffen
©efa^ren er fo etnbrudsooll ft^ilbert, befc^ritten au(^ bie
tapferen äRänner, bie aussogen, bas Seilige fianb oon
ben Seiben ju befreien unb ben (^riftli^en ©ottesbienft
an ben Stätten ber 2ßir!famfeit bes Seilanbs 3U fi^ern.
SBalter felbft l^at feinen ilreu55ug mitgemacht, unb bie
Sßorte, roel^e barauf ^ingubeuten f^ienen, ftellen nur
mit einem gelaufigen Runftmittel ber ^oefie ben Dichter
felbft als Xeilne^mer ber ga^rt bar, o^ne ha^ fie als
l^iftorif(^es 3^^Q^^^ fiii ^^ne 3^atfad^e aufgefaßt ©erben
bürfen. 3^^^^ ^^ h\t]t5 ©ebit^t für bie ilreusfa^rer be=
ftimmt, mußte alfo enthalten, roas jeber ^ilger fingen
fonnte. Dot^ finb bie beiben Äreu^Iiebcr Sßalters aus
tief gerourselter, frommer ©mpfinbung l^enjorgegangen,
200
btc er mä)t ergrctfcnber ^äitt ausfprec^cn fönnen, tDäre
er felbft mitgezogen. Das erfte iKxoon ift roa^rf^einlti^
1217 ent[tanben; rote ]x^ aus ber ÖbereinftimTnung mel^«
rerer Stellen mit bem ^usfc^retben bes ^apftes gonorius
ergibt, bnr(^ bas hk CS^l^rtltenl^eit jum 5heu53uge anfge^
forbert tonrbe. (Es beginnt mit einer Anrufung bes $ei=
ligen ©eiftes (£. 76, 22), toeld^er ber Xroft ber SBelt t(t.
(Er, ber aller SBertoaiften ft^ erbarmt, möge au(§ biefes
Jßeib rä(^en Reifen. (El^riftus, ber uns von ber Sünbe
erlöft, uns bur^ fein SBIut ben $immel erfc^lolfen ^at,
toirb hu Sergen berer gur IReue entflammen, bie je^t aufs
SKeer roollen. So roerben bie ^tlger nun bas $etlige
Jßanb erlöfen, inbem [ie bem oberften ße^ns^errn ^ibtn
unb (5ut als 3^^^ barbringen. Dafür ^ilft i^nen (Sott
Don i^rem böfen ^fanbglöubiger, bem Xeufel. Das
furje £eben [(^toinbet ba^in; fommt ber Xo\>, fo trifft
er uns als Sünber, unb nur toer unter (Sottes ©efinbe
eintritt, fann ber $ölle entgelten. Sei allebem gibt es
aber ©ottes (Snabe. Die 2Bunben (E^tilti, bie bluteten,
folange fein $eimatlanb gefne(i^tet roar, feilen |e§t, ba
es befreit toirb. Die ilönigin aller gfrauen mirb um Stlfc
gebeten, ba beren So^n bort feine SJlenf^^eit Eingab.
3efet [ollen bie Reiben befiegt toerben unb bas StpUx
für^ten lernen, bas au^ bie 3^^^^ 3ü^tigt. 9?ei(^s
£ob erf^allt bem Rreu^e oon ben pilgern: erlöfen roir
bas Seilige (5rab! (5e^t auc^ unfer 5eib gugrunbe, fo
ertoerben roir boc^ bas eroige £eben. (Sott ^at mit feinem
5lreu3estob uns bas $eil ermöglicht; roer ]xä) nun in
feftem (glauben an i^n loenbet, ber toirb feiig. Dem fün=
bigcn £eibe finb feine ^a^u 3ugemeffen, f^on ^at uns
ber 2:0b gezeichnet. ^Thin gießen loir einmütig ba^in,
bas Simmelreit^ bur^ gebulbige Eingabe unferes £cbens
3u gewinnen. Dort rä^t (Sott als Selb feinen Schmerz,
r
201
mo jc^t bie Sparen aus oicien £anbcn toallen; etn ßttt
bes Sciltgen ©eijtes. (Sott möge uns mit [einer 9le^ten
bef^ü^en unb uns vor ber Solle betoal^ren, fobalb un[er
(Enbe nal^t. Hns allen ift Befannt, tote
bas Seilige Jßanb [o reine
ganj hilflos ift alleine.
3erufoIem, nun toeine,
rote bein rergeKen ift!
Der Seiben Überfre^e,
fie po(^t auf unfre Qä)mää^,
^at elenb bic^ oerfne^tet:
erbarme hxä), o (i^xi]t\
Diefes Jßieb ift in Strophen oon 3tDan5ig S^ikn ab*
gefaxt, bie toieberum in ©ruppen ju je oieren geteilt finb,
jebe aus brei SBerfen mit flingenbem 9ieim gebilbet unb
huiä) eine ftumpfreimige abgef^loffen. Das gibt biefe
Keinen 5lbf(§nitte, toie fie l^eute noä) in b^utf^en SBall«
fa^rtsgeföngen übli^ finb unb bamals in lateinif^en ge«
brauet iDurben. Dem !iviytdt bes Siebes ift au^ fein
3n]^alt angepaßt : feine f^roierige ilonftruftion ber Sä^e,
jeber SBers fte^t für fic^ mit einer Angabe ober !Iatfa^e
unb erlaubt fomit an feinem (£nbe ben für bie iBerbinbung
Don Singen unb SKarfd^ieren notioenbigen (Einft^nitt. TOes
fo einfad^ als möglid^ unb barum fo loirffam. 9^o^ l^eute,
toenn toir es oor uns l^inlefen, fpüren roir ben fi^önen
S(^ritt biefes ©efanges, rote bie alte Sftelobie oon 2^ahn^
l^äufers Sufetieb in ber ^3^naer Sanbfi^rift; mk 9ii^arb
SBagners ^ilgerd^or, toie bas ^oe 9Jlaria oon ^Robert
gran5 xjgn einl^alten. Der ^R^^t^mus bes ©ebi^tes oer=
mittelt bie Stimmung.
2Benn toirl^ie f(]^li^te grömmigfeit im Sinne behal-
ten, bie SBalter hti biefem JÖiebe erfüllt, bann geu)inne«
©d^önbac^, SBaUct öon ber SSoflcIipeibc. 14
202
rotr aii(5 htn rt(^ttgen Stanbpunft für bte ^Beurteilung
eines anberen (^tUä)^^, bas fc^r ücr[^tebenartig aufge*
fafet lüorben t[t (2. 78, 24). Der Sänger beginnt mit
einem Jßobe ©ottes, bas [ic^ in ben fir^Ii^en gormein
beroegt, barauf folgt ein ^reis äFlarias, ber [üfeen 9Jlagb,
ber i^r Sol^n ni^ts üerroeigert, bie uns hm ^ö^ften
2;roft geroäl^rt; toeil i^r 2Bille im Simmel gefd^ie^t. Xias
ift bie 5luffa[fung oon bem Ginflufe ber gürbitte SJlarias
hti ©Ott, hu bur^ un5ä§lige fiegenben bes SRittelalters
3um 5lusbrud gelangt unb burc^ hie [pater ]x^ immer mel^r
Jteigernbe SBere^rung Ser jungfräuli^en SlRutter (£]^ri[ti.
3tt ber nöd^ften Stropl^e toerben bie brei (Srsengel SJli^acI,
©abriel unb ^ap^ael getabelt, u)eil [ie ben Sc^u^ bcs Sei*
ligen fianbes fi^ [o roenig angelegen fein laffen, uner*
a^tet, hal^ jeber uon il^nen brei Sparen oon (^geln jur
SBerfügung l^at. SBenn [ie gelobt ©erben toollcn, [o mögen
[ie 5uer[t ben Seiben [^aben; [ie jefet 5u loben, [e^te [ie
nur bem Spotte ber Sarrasenen aus. — Die[e beiben le^^
ten Stropl^en entl^alten roeber eine £a|terung no^ einen
frioolen Sehers; es i]t oielme^r in il^nen bie ^armlos ge*
mütli^e 5luffa[[ung oertreten, toeld^e in oielen SBolfsüber*
lieferungen bas Seilige [i6) men[^li^ nö^er 3u bringen
[ud^t. SBü^ten ujir mel^r oon [ol^en (grsäl^lungen, u)ie
[ie Sons Sa^s ein paarmal fö[tli^ bearbeitet l^at, loie bie
„©ö5mi[^en (£]^ri[tus[agen'' [ie enthalten, [o roürbe bie[c
931a^nung an hk (Ersengel, bem anbauemben Unglüc! ber
(^ri[tlic^en §)etx]a^iUn ins S^ilige fianb bur(§ tatfräftige
Silfe 3U [teuern, toeniger bem 3fti6Der[tänbnis ausge[e§t
[ein.
SBalter ^at no^ einmal ein ilreujlieb (£. 14, 38) oer*
fafet, unb sroar im 5luftrage 5lai[er griebri^s IL Die
(Ent[te]^ungs3eit läfet \\ä) nxä)i genau be[timmen, jebcnfalls
mä) 1225, u)a5r[^einlid^ 1227 i[t es gebietet. Die[er ©e«
203
fang rourbe fcl^r beliebt, man fielet btes am flarften an ben
Sortbilbungcn unb Umgc[taltungcn, bie er im SBolfsmunbe
erfahren §at. ^uc^ ^n toeife SBaltcr aufs ht^te ben ein*,
fachen, 311m fersen rcbcnben 3^on 5U treffen; bas mögen
bie erften Strophen äeigen :
Seilt erft leb' i^ re^t tn (E^ren,
fett mein Sünberauge f^aut
JÖanb unb Soben au^, bie ^el^rcn,
bie mir greifen überlaut.
J)a gef^al^ mir, toas t(§ bat :
iä) tarn gejogen an bie Statt,
bie einftens (5ott als 2Renf^ htttat
8(^öncr ßänber äRa^t unb CB^re,
roas iä) i^r no^ je gefeiten,
überglänjeft bu an Se^re;
finb bcnn SBunber §ier gef^e^en?
Jungfrau ba ein Äinb gebar,
l^eil'ger als ber (Engel S^ar;
ob bas ni(§t ein SBunber loar?
£auter liefe er l^ier \x^ taufen,
bafe ber 2flenf^ au^ lauter fei.
(Er ^iefe bort^in ]i^ i>er!aufen,
bafe tDir ilnet^te tourben frei.
So finb D3ir jum Seil erforn:
ßob eud^, Speer unb 5b:eu$ unb Dom !
2Be^ ber Reiben ni(^t'gem 30m !
Darnad^ toirb bie ^luferftc^ung G^rifti berül^rt, ber
tro^ feiner menf^Ii^en 5Ratur in ber Xrinität aufgebt,
fein Hm^ertoanbeln oor ber Himmelfahrt, bas 3^ngfte
©eri^t, bas ebenfalls im Seiligen Jßanbe, unb 5u>ar im
14*
2^e 3o[ap5öt, [tattfinben tötrb. Dtefcs bur^ CC^rifti
£cBcn unb 2Btrfen uns fo teuer getoorbene CSeBiet toitb
pon bret SBöIfertt, ben (E^riftett; ^^ben unb Reiben, m ^n*
fpru(]^ genommen; (Sott mufe bie (Entf^etbung treffen,
unb [ie fann ni^t anbers als ^ugunften ber ©ere^ten, ber
CE^^rtften, ausfallen. — SJlan ^at btefes ©ebic^t „eine
fül^Ie, trodene unb f^rounglofe (Ersä^Iung oom fieben unb
Selben (£]^rt[tt" genannt. 2BtII man jebot^ attbeutfti^er
$oe[ie überl^aupt unb reltgiöfer insbefonbere gerecht roer«
bcU; fo barf man (ie nur aus il^rer ^t\\ heraus Beurteilen.
Die (Ereigniffe in bem irbifc^en Dafein 3^fu d^rifti finb
bamals fo fel^r als bas $eilig[te cmpfunben toorben, bafe es
DoIIauf genügte, an fie mit fc^It^ten 2Borten 5U erinnern.
CSine poetifd^e Darfteltung mit ftarfen SKitteln oertrugen
fie ju jener 3ßtt gar ni^t ; biefe rourbe erft bann erf orber*
Ii(§ unb fanb fi(^ oon felbft ein, als bie 5lraft ber religio*
fen (gmpfinbung in ber SJlaffe ber Söienf^en fic^ geminbert
y^oXiz. Der groge £ei^ (B350S oon ben 2Bunbern Ci^l^rifti
]^at 1064 tro§ ber ^Vi^itxvii^txi, bie u)tr barin ju fpüren
glauben, aufeerorbentlit^ geroirft. Die ^rebigten, au(^
bie einbrudsDolIften na^ ben 3ßiigntffen ber 3ßit9ßnoffen,
entb eieren bis jur SKitte bes breise^nten 3aBr^unberts
ebenfalls ganj bes St^mudtes, unb roir ftaunen, toenn rotr
lefen, roel^e SDtad^t bie fimplen 2Borte auf bie ©emüter
ausgeübt l^aben. 3^bem SBalter biefes berühmte 5lreu3=
lieb gerabe fo abfaßte, loie roir es befi^en, liefert uns
bas ben 23etoeis, \i<5^ er fic^ bur^aus in ÜBereinftimmung
mit ber (Sefü^lstoeife feiner ^t\i Befanb.
9lo(^ barf man 3U ben Rreujiiebcrn tmt ©ruppe oon
Sprüd^en jä^Ien, bie oiel reifer unb farbiger gel^alten
finb, roeil fic^ in i^nen toeltli^e unb religiöfe Stimmungen
txrmifd^en (£. 13, 5):
r
205
£) roe^ uns trägen Beuten, bte tnir uns ottfejfen
unb nteberfielen jiDifc^en greuben an bte jammerpolle
Stott!
Witt Sorgen Ratten mir bereits oergeffen,
als bcr farge Sommer uns in feine Dienfte \iat
Der brachte Slüten stoar unb buntes Slatt,
bo(^ toufd^te uns ber SBöglein furses £ieb.
SBol^l bem, ber nur um ftete greuben ]iä) bemül^t !
KT;..
JO roe^ ber Sßeifen, bte rotr mit ben ©rillen fangen,
ba iDir uns follten magren gen bes falten SBinters 3«it!
2Barum mir Xoren benn ni(^t mit ber 5Imeif' rangen,
bie je^t in (E^ren \iä) bes Sammelfleiges freut?
Das toar t^on je ber äJlenfc^en Streit,
bie Dummen fd^alten ftets ber illugen 5Rat:
bort roeift fi^'s erft, mti ^ier gelogen ^at.
D u)e^ tüie hoä) grau (g^re \iä) entfrembet beut[t^n
Jßanben,
mit i^r SBer[tanb unb SÜlannl^eit, Silber au^ unb (5olb.
3Ber biefe sioei nur §at, ber bleibt oergnügt bei Si^anben,
unb bo$ D^rliert er all bes ^immelfönigs Solb.
Dem [inb bie (Engel nic^t unb nic^t bie grauen ^olb.
Du firmer auf ber SBelt unb 23ettler no(^ cor ©ott,
2Bie bu tDol^l fürchten mag[t ber 2Belt unb (E^rifti Spott !
£) wt\) es fäl^rt ein Sturm, bas rDi[[et l^o^oerlafelic^,
t)on bcm man lange nod^ toirb fingen fort unb fagen :
ber sie^t burt^ alle 5lönigrei(§e u)ilb unb gräp^,
barob t>erne]^m' iä) ^ilgrim' unb SBallfa^rer 5llagen:
Säume, Xürme ^ai er rings 3erf^lagen,
ben ftärfften Serm bläft er bie $äuptcr ab.
^6j, lafet uns bängli(^ fliegen §in ^um Seir^en ©ra^J
206
3) er Sturnt; oon bcm ^ter btc 9lcbc i(t unb beffen
mä^tigcr (gtnbnid bicfe Strophen angeregt ^at — feine
allegorifd^e SBorfteltung oermag bte ^^anta|te bes Dtc^=
ters fo in Seroegung 5U fe^en — , roirb oon ben G^ro»
niften 3x1m 2)e3ember 1227 ertoä^nt. Die 5llagen über bie
2Beltlage finb ^ier mit tiefer (grregtl^eit oorgetragen unb
mit htx Soffnungslofigfeit bes ©reifes, ber bie befferen
3eiten nid^t mel^r fe^en n)irb. ^n ber Semül^ung um
bas geil ber Seele erblidt ber Sänger allein bie IRettung.
^us berfelben trüben 5Iuffa[fung ber Dinge im Spät«
l^erbfte bes Gebens, ber nur in religiöfer Gr^ebung no^
©lud roinft, ift ein tounberf(^önes fiieb (£. 122, 24) ^er=
Dorgegangen. 5lRit 93e3ug auf bie (Einleitung oon 2Bol=
frams ^arsioal beginnt SBolter: Gin 2)^ei[ter lehrte, brei
Dinge feien gleich 3uoerlä[ftg: 3^raum, Spiegelglas (an^
beres ©las ujar bem Dichter niä)t u)o^l oerfügbar) unb
SBinb. tffber auc^ x^ieles fonft l^at fi^ als furslebig
crtoiefen: £aub unb ©ras, SBlumen, bie rote geibe, an
ber i^ meine greube ^atU, fie bauern ni(^t aus. Der
füfee SBogelfang f^toinbet, fobalb bie fiinbe fa^l loirb.
Die 2Belt roirb l^äfeli^. Unbeftänbig ift au$ bie Hoff-
nung, bie iä) auf bie SBelt fe^e, benn fie nimmt ein fi^lim-
mes (Enbe. ^ä) follte fie aufgeben, bamit fie meiner
Seele nid^t f^abete. Denn ic^ ^ege gro^e Sorgen für mein
armes Jßeben, Seit ift's 3ur Sufee. ^ä) bin fie(^ unb
fürchte bie gärte bes grimmen 3Cobes. 5Rot unb blei^
loerben meine SBangen oor Slngft. 2Bie !ann ein 5tRann,
ber nur 3U fünbigen roeife, Su^^^H^t auf guten 5Iusgang
geroinnen? Seit iä) gut unb bös 3U fonbem oerftanb,
griff i^ (roie ber fleine 9Wo[es oor ^l^arao na^ ber
lird^li^n Überlieferung unb ^rebigt) gerabe 3ur f^lim«
men Seite in bie ©lut hinein unb mehrte bes Xeufels
5?u5m. 'X^es^alb mufe i^ je^t mi^ abhärmen; möge
207
3efii5 mir mein grallen erlct^tem ! O bu fettiger Cr^rijt,
bcx bu über alle 2BeIt ^errft^eft, oerlei^e mir bte Älug*
l^ett, bag xä) binnen fursem bie ©emeinf^aft mit bir er==
loerbe, beren beine ^usertoä^Iten genießen. SIRit feigen*
htn 5Iugen roar i^ blinb unb ftnbifc^, tro^bem iä) meine
SRiffetaten ber 2BeIt ju oerl^e^Ien tougte. ^Reinige meine
Seele, o §err, not^ Beoor meine ©ebeine in bas Xal ber
5Berlorenen gefenft toerben ! —
Diefe tief ergretfenben Strop^^n [inb alter SBal^r*
f^einlid^feit na(^ bas JGe^te, was ber erfranfte greife
X)i$tcr gef^affen l^at. X)ie gittii^e bes S^obes rau[(^*
ten über feinem Sanpt, unb er ^at bas £ieb nit^t fertig
gebraut, 9}langel unb Unebenheiten nit^t befeitigen fön*
nen. 5)as ©efü^I ber S(§ulb, mk es m fol^' fc^ioerer
Stunbe bas menfc^Ii^e $er5 belaftet, atmet in btefen 35er=
fen unb löft fi^ auf in Demut unb ergebener $offnung.
2Bir bürfen nid^t glauben, bag SBalter erft als alternber
$0lann fromm getoorben fei ; aber nur natürli^ ift es, bafe,
je ernfter feine Stimmung überhaupt hux^ bie Erfahrungen
feines fiebens rourbe, er befto me^r au^ ben religiöfen
©ebanfen fi^ suioanbte, unter beren (Etnioirfung er ^eran»
geroa^fen mar. SBas i^m in ber 3^it bes S^eibens
mit erf^ütternber (Seroalt cor bie Seele trat, bas ift nit^t
aus ber 9liebergcf(^Iagen]^eit bes ^ugenbltdes entfprungen,
bas tDurselt tief in feinem gansen SBefen unb (£mpftnben.
Stritt es in feiner ^oefie ftörfer ^eroor, als feine 2^age
\\ä) neigen, fo geujä^rt uns bas no^ fein 3^1191^^5 rotber
bie religtöfe ©efinnung bes Jünglings unb 50lannes:
Sßalter t)on ber SJogelroeibe wat ein G^nft im oollen
unb gongen Sinne feiner 3^^^-
xn.
Die legten Klflnge
SaBcn tDtr um bcs Beffcrcn 3iifo^^ß"5onges tDitlen
fd^on etttt^cs oorroeggcnommeTi, fo erübrigt uns l^ter nod^
SEBatters JßcBensoBcnb 311 betrauten. 2Btr bürfen uns feine
Jßage ganj Be^agltt^ benfen. Das fielen, bas er oon
5^atfer gi^iebri^ IL ermatten ^atte, lag oieüei^t in ben
anmutigen gluren bes (Baues oon SBür^burg, einem 5^em=
gebiete bes granfenlanbes ; toenigftens gab es not^ im
oiergel^nten ^^^i^^^Ttbert bort einen $of feines ^lamens
unb eine tib erlief erung baoon. (£s ^at fein Sebürfnis
getoig xtxä)\\^ gebe(!t unb, oerbunben mit [pöteren !oft=
Baren ®ef^en!en bes 5laifers unb anberer Surften, bie
Sorge fern gel^atten. Sßalter BlieB tätig, toie er nic^t
anbers fonnte, bie greube bes S(^affens f)at \f)n
niä)i oerlaffen. Sie quoll immer oon neuem aus bem
©efü^te innerer SBefriebigung, mit bem er auf feine
fieBensarBeit jurüdBIiden burfte. Diefe ftille ©efafetl^eit,
an htt bie 9?efignation i^ren 5InteiI l^at, finbet fi^ in
einem frönen ©ebi^te (fi. 66, 21) ausgefprod^en : 3^^
reinen graun unb eblen SRänner — fo rebet er bie junge
3u]^örerf^aft feiner ^^^ntafie an — , mit mir fte^t es fo,
ba6 il^r mir liebenstoürbigen unb ehrerbietigen (Brufe fpen=
ben foltt. (Obgleich iä) ni^t me^r oor eu(§ finge), feib
'ikfi mit allem ©runbe böju \t%\ no(^ me^r ocrpf listet
oIs früher. Hnb \^ roill cu^ fagcn, roarum: gut oier*
Sig 3<^l^re ober me^r ^abe td^ je^t oon äFlinne gefungen
tote nur irgenb^hter. 5IIs t(^ anfing, mar i^ munter unb
lebhaft mit ben anbern. 3ß^t ge^t \iOi<o nit^t me^r, il^r
fcib bran. Daju möge eu(^ mein alter Sang oer^elfen
unb bafür roerbe eure §ulb mir 5uteil. SBennglei^
mt(§ bas 5nter sroingt, am Stabe 3U 0e|en, fo roerBe i^
bo^ um alles (El^renoone (als roenn t^ jung unb rü[tig
tDärc) unb [trebe uno^rgagt, tme ic^ es oon Äinb auf ge=
galten \!^(i^t. So bin i^ alfo aui^, mag i^ Ion(t noc^ fo
loenig fein, an 2Bürbe nit^t arm unb fte^e gan5 ^ot^ ö^^^Ö
in meinem 5lrci[e. Darüber fränfen fi^ bie, b^ren ©e*
finnung loal^r^aft niebrig ift. Wxt f^abet bas freil!^
nid^ts, bie anftänbtgen SJlänner l^alten be[to me^r auf
mt(^. Der tabellofen (gl^renl^aftigfett, bie fi$ anbauemb
beroä^rt l^at, foll man bas ^ö^fte ßob joIIen, unb v\ ber
%cX gibt es fein rü^menstoerteres fieben als re^t tun bis
3um (£nbe. (Do^ bas \\i alles roeltlic^ unb oergöngli^,
(£]^re, unb ni(^t ©ottes §ulb.) 2BeIt, ben fiol^n, ben bu 3U
ocrgeben ]^a[t, \)Gbt \^ fennen gelernt. W\i ber einen
§anb Ipenbe[t bu, mit ber anberen nimmft bu. S^Iiefe*
\\6) sielten roir bo(^ alle na(ft oon bir o^. Sd^äm bi^,
roenn es mir au(^ fo ge^en foll, ber i(^ £etb unb Seele —
a^, bas mar guoicl ! — taufenbmal für bi(^ getDagt \^(At.
iThin bin i^ alt unb bu treib ft bein Spiel mit mir : ärgere
i^ mi(^, fo Ia(^[t bu mi^ baju aus. £a(^ nur noc^ eine
SBeile fort, ber 3^ag beines "^^cimx^txs toirb balb 5eran=
sieben unb entreißt bir altes, roas bu uns genommen
^aft: mit SBranb loirb er bi(^ jur Strafe üeriDü[ten. 931ö(^te
bo$ roenigftens meine Seele Seil erfai^ren! Solange i^
mit ber SBelt lebte, ^abe ic^ oiele 9Kenf(^en fro^ gemad^t,
^ölänner unb grauen. 9)Q,VC id^ nur babei mi^ felbft ^
210
retten geiDugt ! 5Iber lobe iä) hcs fieibes SD^inne, [o [d^abet
bas b«r Seele. Sie fogt mir banti; xä) lüge ober rebe
irre. $rhir ber roo^ren, ber l^tmmlift^en £tebe [pri^t [ie
Dauer 5u unb rül^mt, toie gut fie [et unb unoergängli^.
Darum, Jßetb, lafe jene 3Kinne, bie ja aud^ bt^ oerlöfet, unb
l^alte hxä) an bie etoige Jßiebe. Die ßeibenf^aft, um bie
bu bi(^ bisl^er bemü^teft, [ie i[t unoollfommen unb trüge»
ri[^. (3n bir, mein £eib) §atte i^ mir ein l^errli^s
Silbroerf (eine [prec^enbe Statue) ausertoöl^lt ; o tw^,
"^ätV xä) es nie ge[e]^en unb [o mel Umgang mit i^m ge*
l^abt! 3^^t ^ai es [eine S6)bn^dt unb lBereb[amfeit
eingebüßt. Gin[t rool^nte in bem £eibe ein SBunber, bas
t[t entflol^en, iä) roeife nit^t, to-o^tn; nun [(^locigt es. Unb
an bie Stelle oon SHot unb -Cilienroeig bes ^ntli^es trat
bie ga^I^eit ber i^erferl^aft, Duft unb ©lans [^roanben
iml^in. Du, mein 93ilb, roenn xä), bie Seele, in bir ein"»
ge!erfcrt bin, [o lag mi^ frei, bamit loir an anberer
Stätte fro^ uns toieberfinben. Denn tDieberfinben loerben
iDtr uns.
2Rtt größerem Se^agen ge[taltet ein anberes £teb
ben 5lb[(^teb bes Dieters oon ben irbi[(^en greuben
(fi. 100, 24) : grau SBelt, 35r müßt bem 2Birte [agen,
bafe x6) i^n ganj besa^It [^on ^be — bie große S^ulb
i[t abgetragen — baß er mxä) aus bem St^ulbbrief f(^be.
2Ber i^n 3um ©laubiger ^ai, bem mat^t es Sorgen, (gy
i^ i^m lange [c^ulbig roär', roollt' i^ hti einem ^htrx
borgen. (£r ft^roeigt Bis auf ben legten 3^ag : bann f orbert
er ein ^fanb i>on bem, ber [i(^ ju Iö[en ni^t oermag. —
„iSBalter, bu 5ürn[t mir o^ne SRot, bei mir §ier fon[t bu
bleiben, ©ebenf, toel^' (E^ren x6) bir bot, gat^ beinen
2BilIen fonnt[t bu treiben, loie bu mxä) ja [o bringenb
bate[t. SRir roar's nur re^t im gerjen leib, baß bu es
alläu [elten taU]t iBebenf bi(^ bod^, bu Ieb[t ja gut;
211
irnb fünbigft bu btc Ji^eunbfi^aft mir, fo iDtr[t bu nie
mcl^r rool^Igcmut." — grau SBelt, 5UDtcI f^ah' iä) gcfogen,
enliDöl^ncn mu^ iä), es ift 3^^*. 5a[t ^at bctn 3örleln
miä) betrogen, mit greuben iDar[t bu [tets Bereit, ^s
iä) bir uä)t fa^ ins ©efit^t, ha loar bein ^ntli^ iönnber=
f^ön, i^ lüge ni^t; \>oä) roarft bu fo ber ©reuet üoII,
als i^ oon rüdhoörts bi^ erblirft', ba^ i^ hiä) immer
[(gelten foll. — „1)a i^'s ju änbem nic^t oermag, fo tu
nur eins, bas i^ begel^r': bergig ni^t manchen Reitern
XaQ, unb fie^ boc^ nur mitunter ^tx, roenn bu bei £onger»
u)eile mi^ oermigt." „^as täf iä) too^rli^ aüäugern, nur
fürtet i'(5 beine Böfe fiift, oor ber fi^ niemanb roeife ju
roal^ren. Drum fag' \ä) ,gute 'iRaä)^, grau 2BeIt, 3ur $er*
berg' mufe xä) fahren/' Die Durd^fül^rung ber TOegorie,
bie ben Xcufel als ^ri^abex eines SÖBirts^aufes barfteüt,
in bem bie reijenbe grau SBelt als S(^enfmäb(^en bie
©äfte feft^u^alten fu^t u)ie 2)enus ben 3^ann]^äufer im
Sörfelberge, ift ungemein lebenbig unb babei bo(^ fo bi5=
fret, bafe fie nur ber reifften 5^unft gelingen fonnte.
(£s finbet fi^ überhaupt in 3BaIters legten ©ebi^ten
eine gülle oon ^Tnf^auungen unb ©ebanfen, eine 3^iefe
ber Gmpfinbung, eine SReit^^altigfeit bes fpielenben ^Tus*
brurfes — üerbunben mit ber £odfer^cit unb grei^eit
ber Safefügung, loie fie hei alternben Dichtern eintritt,
aus Sl^afefpeare ift bies am befannteften — loobur^ es
fe^r f^u)ierig roirb, eines ber Stürfe oor ben übrigen
au53U3et(^nen. S^^^sfalls gel^ört 5u feinen fc^önften ®e=
bid^ten überhaupt bie fogenannte „(Elegie" (fi. 124, 1):
O we^, roo^in entf(^tDcnben mir alle meine 3af)t'?
2Bar benn mein fieben 3^raum nur, ober ift es toa^r?
Hnb toas \ä) glaubte, bafe gef^o^, roar's einmal f^on?
Denn fonft ^ob' it^'s oerf^lafen unb roeiS ni^ts bapon.
212
Jfß^t übet bin t^ maä) unb i[t mir unbcfannt,
toas x(i) 5iit)or gebrauste mit xtä)V unb linfe $anb.
8tnb Jßeutc bo^ unb ßonb; tDO iä) als Rinb mar aufgc=
sogen,
fo fremb mir ^tuV, als toenn bte gansc 3ugcnb max' er*
logen.
Mit bencn iä) etnft fpielte, bte ftnb je^t trag' unb alt;
35crbrannt t[t nun bcr ^cfer, gef^lagcn ift bcr 2Balb,
nur baß noc^ SBaffer fließet, bort mo es emftens floß,
nur bas ift mir oerblteben, mein XInglüd roar' fon[t groß.
§eut' grüßt mi{^ mancher läffig, ber einft mi^ fannte roo^l,
bie gan3e SBelt i[t ringsum böstoiirger Ungun[t t>oIl.
Da benf ic^ im SBerglei^e an alte 2Bonne5ett,
bie ift mir längft entfloffen, ein 5la^n im SCReere loeit.
95or mir nichts als SBc^!
D mt\), roie flägli^ ^eute bic junge 2Belt gebart,
bie e^mals l^elle greube fid^ im ©emüt beroal^rt!
Sie forgen fi^ unb fümmem, a^, warum tun fie fo?
SBol^in ber 2Belt \ä) U^xt, ba finb' i^ niemanb fro^.
35r 3^an3en unb il^r Singen oerge^t in 3ammer gar,
bie (T^riftentoelt fal^ nirgenb no^ fo armfcl'ge Sc^ar.
Se^t an ber grauen iUeiber, i^r bürftig Jeftgelodf,
bie ftoljen ^Ritter felber, fie ge^n im 5Bauemrorf.
X)as ma^t: ungünft'ge ©riefe finb uns aus IRom ge=
fommen,
bie ^aben £eib oerorbnet unb greube uns benommen.
Das frönft mi^ tief im Serjen, fonft lebten roir oergnügt,
^6 je^t mein frohes Jßac^en oom SBethen wirb befiegt.
Sogar bie roilben SBögletn bie jammert unfrer Rlagc,
ujas SBunber, baß i^ ^rmer mit Sänge faft oer3age?
T)oc^ laßt mi(^ nic^t mel^r eifern in meinem jäl^en 3^1^ *
ujer Crbenglüd erftrebet, f)ai Simmelsl^eil oerlom.
Soor mir nichts als 3QBe^!
f
5t^, mclt^c fügen SBonticn serftörcn unfer ficBen?
TOllcn brin im $ontg fe^' \6) bic ©die [^ujeben:
2)on außen tft fte prö^tig, bie SBelt, toetfe, grün unb rot,
bo^ innen fd^toors unb büjter unb grault^ roie ber 2;ob.
2Ben [ie bisl^er D^rlocfte, ber fu(^e raj^ no(^ 3:roft,
es lö[t t>on argen Sünben i^n lei^ter ^ufee iloft.
35r 5Hitter baran benfet, benn eu$ geht's nunmehr an,
3^r feib mit blanfen Reimen, mit ^ansern angetan,
Dasu tragt i^r bie Sd^ilbe unb bas gemeil^te S(^ti>ert.
iD ©Ott, toär' au^ bem Sänger ber Siegesgug bef^ert!
Dann toollt' ic^ armer Sünber mir ^olen reichen Solb:
ni^t mein' i^ £anb unb (Eigen, aud^ nic^t ber Serren ©olb;
Des Simmeis eio'ge i^rone möc^f i(^ im ^enfeits tragen,
bie barf ein f^Ie^ter Sölbner beim 5lreu53ug [i^ erjagen.
Äönnt' i^ auf frommer Sral^rt nur je^t reifen übers 9[Reer,
ba rief i^ gerne: „$eil uns!" unb flagte niemals mel^r.
Die unfanften 93riefe aus 9?om, toie SBalter fie nennt,
finb bes ^apftes Sann; \iQ^ felbft bie roilben SBöglein
bur^ bie 5^Iage bes Sängers \it\vö^i loerben, meift auf
ben SBinter biefes 3a]^res 1227 Jin, auf bie 3eit, too
ber 5BogeIfang oerftummt ift; ba5u paßt ber Rreusjug,
ben SBalter 3U feiner 5lränfung nii^t mel^r mitma^n
!ann. 5Iu(^ l^ier bliiit ber Dit^ter migbilligenb auf bie
©egenroart unb oergleid^t fie trauemb mit ber früheren
3eit. (£s gef^iel^t bies aber nid^t oerbriefelic^ unb ärger«
lic^, fonbern mit Sße^mut unb im 23euju6tfein beffen, bafe
alle foI(^e 25erglci(^e bo^ eigentlich auf ber 2Biber=
fpiegelung bes 3lbftanbes Berul^en, ber stoif^en ber frif^
aufquellenben S^iÖ^ubfraft unb bem f^u)ä(^eren £ebens=
gefü^I bes Filters \it\ allen 10lenf(^en eintritt, toennglei^
er ni^t Don jebem fo tief empfunben ujirb. iDb ber Sänger
©ol^I feine $eimat eben toieber gefe^en l^tte, als er
214
btefes ^tnli^t £tcb [(^uf ? (£s tnare \a ni^t unmööli(i&,
ba6 er no(^ in feinem legten fiebensja^re loteber in ö|teT*
reic^ gcroefcn roäre; mir beji^en fein Seugnts barüber,
unb an \xä) i]t es nt^t gerabe toal^rf^inlid^. 3lu(^ finb
bie eingaben, toelc^e bas (5ebi(^t [elb[t barüber enthält,
gan5 allgemein unb geftatten feinerlei be[timmten Sd^Iuft
auf Dxt unb 3eit.
'iflaä) bem S^^re 1228 erfahren toir nichts me^r pon
SBaller. ilein £ieb; fein Spru^ i\t oor^anben, bte Jpäter
anjufe^en roären, unb roenn unr uns \>tn ^i^^^lt jenes
legten ©ebic^tcs (oben S. 206f.) xtä)i überlegen, [o roerben
roir ni^t 3meifeln, bafe SBalter bas fernere Siei^tum,
be[[en er bort gebenft, ni^t überftanben §at unb no^
1228 geftorben i[t. Gr ^at fomit ungefähr 60 3a]^re er*
rei(^t, loas man ein ^o^es Filter nennen barf, toenn man
bie burd^fd^nittlic^ geringere fiebensbauer in jener ßtit
unb SBalters aufreibenbe Xätigfeit in Setra^t jiei^t. SBir
n)i[[en ni^t, too SBalter ftarb, au^ femten roir [eine <5rab«
[tätte ni^t, benn beinal^e alles, roas barüber mitgeteilt
roirb, ^at \xä) als fpäte, fagenl^aftc 93ilbung ol^ne (Stwä^x
ber 3^atfa^en erroiefen. (£s ge^t SDSaltern barin niä)t anbers
als ben beften beut[^cn Diätem bes SKittclaltcrs über*
^aupt; roiffen roir hoä) nid^t einmal fieser, ob tin glürf*
li^er 3iiföH jenen Ort bem ©ebäci^tnis überliefert l^at,
roo bie ©ebeine oon 2Balters großem Jreunbe ein|t ruhten :
„bes ftrengen §errn 2Bolfram oon (£\ä)tnbaä)." — So
bleibt es benn rocnigytens eine 3^at poetif(^er ©ere^ttg*
feit, roenn eine oolfstümlit^e Überlieferung, oielleici^t nur
aus ber Deutung bes ^Ramens, uns berietet, auf bem
(5rab|teine SBalters oon ber SBogelroeibe, ber in bas
Stift 9^eumünfter 5u SBürjburg oerlegt roirb, fei naä) einem
SBermö^tnis bes Sängers ben SBögeln gutter unb 2Baf-
fer iäqUä) gerei(]^t roorben. 9^o^ im fiebjeljnten 3a^r«
w
l^itnbetl; fo cr^ä^lte man, ift eine Störung ber Stng=
Dögel auf ber £tnbe an Sßalters ©rabe burc^ ben 2ob
bes greolcrs aI[ogIet^ geragt roorben. —
SBolters £eben um[pannt bte Slütejeit ber alt=
beutf^en ^ocfte: in btefen beibcn 9Kenfc^enaltern ift ge=
[(Raffen toorben, toas burt^ langrtnerige ^roseffe in ber
feeli[(%en (EnttDidelung ber ^Ration, bur(^ nü(^teme 5Irbeit
an Sprache unb gorm, burd^ bie Überlieferung b«r SBolfs^
poejie, bte (Erstehung ber i^ir^e unb bte (Btnroirfung
gran!rei(^5 oorbereitet toar. ^nnerl^alb il^res furgen
Sö^eftanbes bilbet biefe ^oefie bie 3^ftönbe einer fein*
erlogenen ©e[ell[d^aft ab, bringt aber auc^ bie grofee
93egabung unb Slunft einjelner 5ur IHeife. Über Spif,
£grif unb X)ibaftif breitet fie \\6) aus. 3^ ätoeien biefer
(^tbxtit ift SBalter oon ber 33ogeIujeibe unbeftritten
aJleifter, er ift bie mittelfte unb be^errf(^enbe ©rfc^etnung
ber altbeutfd^en £i)rif. &aft trögt er fie auf feinen
S(^ultern, benn er ^at fie in i^rer erften 93lüte oorge*
funben, bei feiner Pflege ift fie ausgereift, unb fo \)ai er
fie jurudgelaffen. %\\t bie etnselnen 9li^tungen, bte für
fi^ oor^er beftanben Ratten, ntxbxtihti er \n fetner ^oefie ;
gegen bas ©nb« feines fiebens teilen fie fid^ toieber unb
ge^en bann allgemad^ auseinanber, jeber ^erDorragenbe
Sänger nimmt |i^ eines befonberen !^\ßt\Qts an. (Es
ift ja eine gro^e unb l^errli^e Sd^ar, bie ber beutf^en
SKinnefänger; man Derfu(^e aber, \\^ SBalter aus il^rer
SKitte roegsubenfen, oerlöre fie nid^t ben beften ©lans,
ber über fie gebreitet ift? ©ern toirb 5ugegeben, bafe
2BaIter ni(^t immer glei^ ^U5ge3ei(]^netes gefi^affen l^at,
man(^e SRinnelieber $einri(^s oon 9Jlorungen tmrb man*
einjelnen Stürfen aus 2BaIters l^o^er £t)rif oorjie^n,
aber gegen feine gefamte ^erfönli^feit als 3)ic^ter treten
bo^ alle Mtioerber ^umd. (£r entfaltet eben eine S3iel*
216
[citigfctt, in ber es t^m ntcmanb glef^tut. Seine fiieb^r
ber nieberen SWinne [inb ber f(^ön[te ^lusbnid ber (£mp*
finbung, beffen bie Spraye bamals fä^ig mar, unb be*
toegen uns I)eute naCi) fiebcn ^af)x\)unhtxUn mit i^rer ur=
[prüngli(^en 5lraft bas (5emüt. Seine Sprühe finb oon
einem ^atl^os für Äaifer unb ^tiä) eingegeben, bas
oor unb na(^ SBalter — man überlege — unerhört rwir.
Seine religio fe unb refleftierenbe Di^tung bietet bas
3^icf[te, toas feine 3^^^ o^5 ber [ubjcftioen (grfa^rung gu
gejtalten roufete. gerner: SBalters ©efänge üben i^re
ftarfe Sßirfung ni(^t 5um gering ften Xeile bes^alb, roeil
er ein reiner unb großer SO^enfc^ uxir. 9lt^t o^nc
St^mät^en unb f)emmenbe fieibenft^aften roar er, roie roir
ge[ef)en l^oben, jebo(^ in ben entfc^eibenben ^ugenbliden
[eines Gebens trugen il^n [tets bie 3"ipulfe feiner 9^atur
über alle Sinberniffe roeg ju ben lichten Sollen, unb es
entfalteten fi$ bie eblen, einfa^en (5runb5üge feines (£^a=
ralters. (£r mar ein Kämpfer: unber feine geinbe ftritt
er, toiber bie Störer ber ^oefie unb bie ©egner bes
$Rei(^es, roiber alles Sc^le^te unb (Semeinc; feinen ]ä)XDex=
ften Sieg erfo^t er über fi(^ felbft unb bie (Setoaltfamfeit
feines Sßefens, bie boc^ 5uglei^ bas ©e^eimnis feiner
©röfee birgt. (Er roar ein freif^affenber ©enius, er ^atte
ben ^öc^ften 33egriff oon feiner -Runft unb freute fi^ an
bem, toas in SKufif unb Dichtung i^m gelungen uwr.
5Ils e^ter Mnftler fafetc er aber auc^ ftets bie SBirfung
feiner 5hinft ins 5luge: bas ©emüt feiner $örer 5u cr=
^eben, ju oerebeln — benn bas meint er mit ben ted)«
nif^en ^usbrüden „fro^ machen, erfreuen" — roar bas
3iel feines ©efanges. (£r ^at babei, wk feine ganje
3eit, an ben iRac^rul^m ni^t gebac^t, i^m genügte es,
glet^ ben großen Diätem ber ©riechen, ben ßcbenben
genuggetan ju l^aben. Unb \>oä) ^ai er für alle 3^^ten
gctDtrft. SRt^t mix, tocil ferne Sprache fo flar unb but^*
[i(^ttg ift, fo f^ön ber glufe femer 33erfe, fonbem i>or
allem, roeil er aus ber ©ef^ränft^eit feiner ßebenserfaj»
rung, feiner Stlbung, [einer 3eit bas allgemein äRenfd^*
li^e mit firfierftem ©efiil^I l^erausjugreifen oerfte^t unb
es in einfa^e unb barum un3erftörbare 2Borte fleibet.
Desl^alb mug er auä) uns als Älaffifer beutf^er ^oefie
gelten. (Erft ©oet^e ^at bie SBeife toiebergefunben, in
bcr einft 2Balter gefungen ^atte, unb über hk glut ber
3eiten fpannt fi^ bie IBrüde oon bem einen jum anbem,
r>on bem größten beutfd^en 2r)x\Ux ber neuen ß^it ju
bem größten ber alten, ber au(^, n>er immer no^ lommen
möge, einer ber erften Dieter unferes 5Bolfes bleiben roirb.
SBalter ^at ni^t für ben 9la^ru§m gebit^tet, aber er
^at U)n hoä) errungen. 3iittö(^ft nmrbe i§m ju feiner
eigenen 3t\i oon ben ^Berufenen bie ^öc^fte ^nertennung
3uteil. 2ßir fprac^en f^on oon SBoIfram. SBor allem
aber gefc^a^ bies bur^ ©ottfrieb oon Strasburg. „2Ber",
'fo fragte er, na^bem er ben 3:ob 9ieinmar5 beflagt ^at,
„foll je^t bie liebe S(^ar ber 9^a(^tigallen anfül^ren unb
bas ©efinbe toeifen? 3^ ^^^^^ i^o^l, ha^ iä^ fie finbe,
bie bas iBanner tragen loirb, i^re älleifterin, bie oon ber
SBogetoeibe. §ei, toie ^ier über bie $eibe i§re gellen
Üöne Hingen! 2Bieoiel 2Bunberbarcs bringt fie ^eroor,
roie funftooll fe^t fie i^re SKelobien in äRufif, toie treffli^
töeife fie i^re Itonarten gu roe^feln in i^ren SJlinneliebem !
Die foil i^ämmerin fein am §ofe ber $0ünne, foll bie
anberen leiten unb roirb es oortreffli(^, benn fie oerftel^t,
mo fie bie SJlelobien für ben äflinnefang fu(^en mufe.
Sie unb i^re ©enoffinnen roerben bur^ i^te ^rrli(^en
Säibnhaäi, VBoftcx öon ber SSofleltoeibe. 16
218
Jßieber bie yc^nfit^tsüollc 3^raurtgfctt bcr SRinne in Ifteube
umft^affen." Seinen eigenen 3[ßert behält neben biefem
^o^en £obe non SBalters $0hifif bas S^ugnis bes X^o«
mafin oon 3ii^^I<i^iö; baffen toir fi^on geballten, bes
(Segners, ber aber gerabe burd^ bie a^tungsüolle 5Rüdfid^t,
mit ber er über 2BaIter fpri^t, betueift, mie ^o^ ber
Songer oon x^m nnb feinen 3^i^9ß^offen gefd^ö^t tourbe.
(Einmal lö^t \\ä) ein namenIo[er S8erufsgenof[e SBdters
rernel^men nnb ruft il^n an, feinen Xrautgejellen üon ber
S5ogeIu)eibe, fu^t htx \l}m §ilfe unb 9?at, ba feine (5e*
liebte i^m S(^mer5 bereitet, nnb l^offt, roenn SBalter
i^n mit feiner ilunft unterftü^e, roerbe er es no^ ba^in
bringen, bafe er mit i^r SInmen brechen ge^e. Sx6)txliä)
^at SBolter Sanier gehabt unb ift l^äufig oon Jüngern
feiner Äunft aufgefu^t ober (mu huxä) 9^etnmar oon
3roeter) um 9?at angegangen ujorben. Sol^ ein S(^üler
ift ujal^rfd^einlit^ Xtlri^ oon £iec^tenftein getocfen, na^«
mats bas gaupt bes fteirifi^en 51bels, ber ben Ginflufe
Sßalters in feinen fiiebern auf bas beutli^fte seigt unb
felbft, mt mi hörten, bas berühmte „^\)x mügt fpre^en:
fei roillfommen!" in feinem „grauenbienft" sttiert. Gin
unmittelbar oon SBalter ^erangebilbeter Sänger toar ber
rei(^e $err Hlri^ oon Singenberg, 3^ru(^fe6 oon St.
©allen, ber il^n feinen SHJeifter au5\>xüdliä) nennt unb über
bie ^rmut feufst, in ber 2BaIter tro^ reifer i^unft leben
muffe. (£r oergleic^t bamit ht^aQlxä) feine eigene Sage,
er fönne fpät megreiten unb fomme hoä) na^ §au5 (im
©egenfa^ 5U SBalter, oben S. 163), unb es f^abet i^m
nichts, roenn er oon $eibe unb grünem 5llee fingt. 5lls
2Balter geftorben roar, unbmet i^m ber oon Singenberg
einen 5Ua(^ruf, ber htx geringer 5lunft bo^ oon aufrichtigem
©efü^l 5eugt: „Unfer Sangesmeifter, ben man cinft ben
oon ber SBogelroeibe nannte, ift je^t 5ur legten gra^rt aus*
gesogen, bte feinem üon uns erfpart bleibt. 3Bo5 ^ilft's
i§m min, Ivafe er dies in btr SBelt erfolgten ^atte? Xioi^"
bem i[t lein ^ol^er Sinn ]ä)Vi>aä) gerooxben. 2Bir iDünf^en
i§m um feines füfeen Sanges toillen, ha je^t ho^ feine
SBeltfteubc entf^rounben ift, bag jenfeits htx liebe SBater
i^n gnäbig unter feinen Sc^u^ nel^mc/' Des 2:ru(5feffen
greunb, $err 5?einmar oon SBrennenberg, ben bie 9legens=
burger erfc^lugen, bejei^nct ebenfalls in einer Xotenflage
SBalter als „feinen 2Reifter". ^erfönli^ mu^ i^n au^ ein
Sänger gefannt ^aben, ber in einer Strophe, bie §erm
9?ubin, einem ^beligen aus Sübtirol, inig 5ugef^rieben
iDorben ift, fagt: „Sßalter, au^ bu mit beinen fingen
Sinnen bift fort, ber bu hit ©unft ber $erren genoffeft.
2Be5e biefes XInglüds!" $err 9?ubin Jelbft ift gleichfalls
einer ber S^la^a^mer SBalters. Diefe fämtli(^ aufjusö^Ien,
ift surjeit unmögli^, benn faft alle bebeutenberen 50linnc=
fanger ber fpäteren 3^^^ fte^en unter bem (Einfluß i>on
SBalters SBorbtlb unb laffen bies in i^rer Sprache, in ber
^luffaffung unb Se^anblung i^rer Stoffe erfennen. 3)er
5lRarner, ein bürgerli^er Sänger aus b^r stoeiten Sölfte bes
la.ga^r^unberts, fü^rt unter ben Dichtern, beten TOfc^eiben
er beflagt, unb bie einem ru^mrei^en älteren ©ef^let^te
angehören, au^ Senn Sßalter an. Dann aber toirb
biefer 3^ame mi)t]^if^. grauenlob, ber ^o^fa^renbe unb
gelehrte SBinfopf, toirb, n>enn er fic§ über ben alten
Sänger er^bt, beffen fiieber nic^t oiel beffer gefannt
^aben als ber biebere 5lReifter Sart^el ^Regenbogen, ber
i^n u)ieber ju G^ren bringen u>ill. hingegen ift SBalter
no^ in bie Stubierftube bes braoen fing oon Xrimberg,
S^ulmeifters in ^Bamberg, sugefe^rt, unb biefer treffli^e
SKann rougte bes SBogelu>eibers Jßieber unb üornei^mlic^
feine Sprüht mit einem banfbarcn ©emüte ju roürbigen;
er fafet fein £ob in bie um i^rer Sc^lid^t^cit toillen
15*
[(^öncn 35crfe jujammen: „Scrr 2ßaltcr oon bcr 33ogel=
toctbc — rocr bes oergäfec, ber täte mir ßcib." 33on
btcfcr 3cit ab ^at ft(^ SBoltcrs (Sebät^tnis nur in bcm
Rotolog bcr jiDölf ^l^n^crrcn "ht^ beutf^cn 95lei(terge=
fangcs crl^dten unb in jtDei StRcIobicn ober Strop]^en=
gebäuben, bie oon bcr Äolmarer SReifterfinger^anbf^rift
„§errn Sßalters oon ber SJogelroeibe gelpoltene unb §of*
ober 2Benbelroeife" genannt toerben. 3m 15. 3a^TF)unbert
[(^minbet [eine Spur: mit bem ganjcn gei[tigen fieben
bes $0JitteIalter5 ift für biefe (5e[t^Ie(^ter ber 9?enaif=
fance, bes Humanismus unb ber ^Reformation auc^ SBolter
üerfunfen.
5Rtc3^t für immer. 5Ro(^ furg oor Anfang bes ocr^
ni^tenben Dreißigjährigen i^rieges tauchen feine £ieber
unter ben Supern eines unrüf)ig f^meifenben (5elef)rten,
äReI(^ior ©olbafts, auf, um fi^ bann be^arrli^ 5u Der=
bergen, ^bcr fobalb tmt neue fiiteratur [i^ ju bilben
beginnt, pren mir feinen Flamen toieber. ^Is Sobmer
es mit ©reitinger oerfuc^t, bie altbeut[(^e Literatur ju
erroedfen, gehört au(^ SBalter 5u bencn, bie nun uon
neuem üortreten, feine Di^tungen finben fi^ am reic^ften
in ber ^arifer, nun geibelberger, $anbf^rift, bie jene
beiben S(^tDei5er als „SJlinnefänger aus bem fc^ttwbifc^cn
3eitpun!te" (1758. 9) jum :Dru(I beförberten. 3lber biefes
2Ikr! blieb junäc^ft erfolglos, benn bie '^tW mar bafür
no(^ ni^t reif, anbere ^lufgaben lagen nöl^er unb toaren
bringenber. So ift au^ 3iemli(^ alles, roas man fonft
no^ im 18. '^^x^^wcCiitxX für bie altbeutf(^e ^oefie unter»
na^m, motzte es oon ©ele^rten ausgeben ober oon ben
Jül^rern ber Literatur, oon 5llopftorf, ©leim, fieffing,
ben ©öttingern unb ©ürger ober §erber, 5u Soben ge*
fallen; ni(^t unfruchtbar überhaupt, fonbem nur einft=
toeilcn fru^tlos. CBrft bie 9?omantif, bie 9^a(^bläte unferer
221
neuen fla([i[c^en Di^tung, \)ai 5ur 3ßit ber Äne^tfcfyxft
unb 3errüttung bes 33aterlanbe5 \)<i5 Sers* 3U [tärfen
gefugt hmä) bie 5luf^eIIung bes beut[^en 2RttteIaIters.
Unb mögen ou^ Zkds „SlRinncIieber" (1803) [0 bürftig
fein, als fie njollen, unb bk Segeifterung ber 33orrebe (0
DertDorren unb unflar wü bas IBilb, bas bem 5Bu(^e oor=
gel^eftet ift, [ie ^aben hoä) gemirft, unb bie jungen Srüber
3afob unb SBil^elm ©rimm toufeten ben Stritt 5u
f(i^ä^en, ber bamit gef^e^en roar. 3)ie beutfd^e ^5ilo=
logie ent[tanb, unb fettiger Fiaben hh bebeutenbften gorf^er
in bie[er 2ßi[[enfc^aft i^re ^ufmerf|amfett pon 2BaIter ni^t
mel^r gelaf[en. Äubroig Urlaub, ber le^te gro^e Sänger
bir SRomantif, ber bebeutenbfte i^enner sugleic^ bes alt=
beutf^en äJlinnefanges, f)ai (1822) ^uerft bas £eben unb
2Bir!en 2BaIters oon b^r 33ogeItöeibe bef^rieben.
2Bir ^egen feine gurc^t, bafe fortan bas ^llnbenfen
bes ]^errlt^en Sängers je toieber in 33erge[Ien5eit gerate.
Denn allgema^ tDurjett fe[t unter ben Deutf^en bie (£r=
fenntnis, bafe es ein 95ZerfmaI reifer Silbung unb ®e=
[ittung ijt, mtnn ein 33ol! feine 33ergangeni^eit oerftel^en
nnb achten lernt. 3lus biefer (ginfi^t unb (g^tfurd^t er*
mac^fen i^raft unb äRut für ©egenuwirt unb 3iifunft.
Unter bie Scanner aber, bie unfterblit^en, beren banibares
(5ebä(^tnis bas l^eilige geuer ber 33aterlanbslicbe in uns
anfaßt, gel^brt immerbar §err Sßalter öon ber 33ogeI=
u>eibe.
^
Beigabe
Kurze Überfidit der wilfenfchaftlichen Utteratur
ßubroig lfi)Ianb, bcm crjtcn S3iograpI)cn SBaltcrs oon bcr
SJogctoelbe (1822, bann totebcr 1862 unb in bcn Sdiriftcn 6,
1—109), ijt bas Sud) „Die ®cbid)te SBaltcrs oon bcr SBoqcI*
iDcibe" tjon Äarl £a(^mann „gum Dan! für bcutfdie (5c[innung,
^ocfic unb (5or[d)ung" 1827 öctoibmet toorbcn. Diefe ^lusgabc
(L.) bilbct, in ben [päteren 5luflagen beforgt burc^ $aupt unb
aRüncn!)off, bic [icbcnte 1907, bis !)cutc bic unerfrf)üttcrte (5runb=
läge ber tDif[en[(f)aftIid)en 3ror[(I)ung über 9CBaItcr. Unb sroar
Sunftd^jt bcs!)alb, tocil [ie allein bie fiesarten ber gegen 30 §anb=
f(f)riften unb %xaQmtnit üollftönbig oer3ei(i)net. Unter bie[en
tinb bie tDid)tigjten: A, bie §eibelberger $anb|(^rift SRr. 357,
13. 3ol)tl)unbert, buci)jtabengetrcu abgebrudt burd) ^rtang Pfeiffer
1844 im 9. ©anbe ber iBibUotl)e! bes fiitterarif^en 93ereins in
(Stuttgart; bort jtet)en 151 Strophen Seite 27—73 unb aufeer»
benx nod) 35 Stropl)en an oier oer|d)iebenen Stellen. B, bic
2Beingartner §anb[d)rift, jc^t auf ber 5löniglic^cn Sibliotlje! in
Stuttgart, 14. 3a^rt)unbcrt, gcbrucft burrf) Pfeiffer im 5. 93anbe
ber iBibttotf)e! bes Stuttgarter fiittcrarifdicn 95ereins, 112 Stro-
p\)tn jte!)cn Seite 144—174. C, bie el)emals ^arifer, jc^t $cibcl=
berger §anb[(f)rift, aud) bie aRanef[i[d)e jubenannt, mar fd)on
burd) Sobmcr 1758 unoolljtänbig obgebrudt roorben, 5riebri(^
<Pfaff ^at fie tJon 1899—1909 größtenteils l)erausgegeben, fit
enthält außer bcm fiei^ 449 Stropl)en unter bcm Flamen 9BaI*
ters. E, bie SBüraburger öanbfd)rift, jefet in 9Künd)en, 14. 3al)r-
l)unbert, a^Q>^^ in oerftümmelter Sammluna 212 Strophen.
223
5Hs ein tocitaus bcffcrer S5crtretct bcr Überlieferung oon E
jtenen [id) bie 2BolfenbüttIer »rud)ftüdEe ü bar, bie ^ebri(§
3am(fe in ben Seri(f)ten ber ilöniglid) 6ä(i)[t|d)en ®e[cnf(f)aft
ber 2Bi[fen[d^aften 1883, Seite 145—158 ^herausgegeben ^at,
Iciber nur 25 Stropl)en. F, W 3Betntarer §anb[(i)rift, 15. ^al^r*
f)unbert, befafet 49 Stropl)en. JÖa^mann !)at mit etnbringlid)er,
allfeitig ertüägenber S^örfe unb mit ber glänsenben 5lombina*
tionsgabe, bie il)n jum l)eute nod) unerreid)ten i^onjefturattritüer
auf ben ©ebieten ber Üaffif^en unb beut[d)en ^l^ilologie er^ob,
aus einer an [id) fel)r ntangen)aften Überlieferung einen t)or*
treffli(f)en 3:ext I)ergejteUt. Die 5lrbeit baran i^t felbjtoerftänbli^
aurf) ie^t nod) ni(i)t beenbet, [ie toirb üielleid)t aus ber genauejten
Seoba(^tung ber Snberungen, toeldje bie Se[onberl)eit ber ein«
seinen §anb[^riften au5mad)en, no(^ einiges SBe[[ere fd)öpfen
bürfen. ^ [einen ^nmerfungen \)ai 2a^mami au(i) mit fejter
§anb bie 3citpun!te ber ^bfa[[ung einjelner (5ebid)te, insbefon»
bere ber Sprüd)e, bestimmt. 9Ber einmal (5elegenl)eit get)abtl)at(tDie
3. 93. iä) bei Hlri^ t)on fiid^tenftein), [oIcf)e 9lnf a^e £ad)manns genau
nad)3uprüfen, toirb [oroot)I über bie für feine 3^it erfd)öpfenbe
Kenntnis ber I)ijtori[dE)en Quellen unb HrEunben ftaunen, als über
hit 93or[id)t ber Überlegung, mit ber [ie aufgestellt [inb. — £acf)*
manns 3:ert rourbe oon Äarl Simrod 1833 gum erjten 9Kale ins
9fleul)od)beut[(^e überfe^t, etioas edKg unb [d)tDerfallig, aber hoä)
meistens [inngemafe, toeil er coirflid) 3Jlittell)ocl)beut[(i) oerjtanb.
Dem SücE)lein roaren lel)rreid)e 9tnmer!ungen oon 2BilI)elm
SBademagel beigegeben, bie Don [einer eingel)enben Se[d)äftigung
mit bem Did)ter eben[o zeugten loie bie 3:e3rte ber 27 (in ber
5. ^luflage 24) fiieber unb Sprüd)e 3GBalter5, bie er bem erjten
^anhi. [eines Deut[d)en £e[ebu(i)es, ber unübertreffli(i)en 9tn»
tl)ologie, einocrleibte.
©egenüber ber mei[terl)aften 9lrbeit ßac^manns bebeutet
bie 3:eitgejtaltung, roel^e grriebrid) §einrid) oon ber $agen in
[einen 9}linne[ingem 1838 vorgelegt l)at, einen argen 9lü(f[(f)ritt,
gans abge[el)en baoon, taüi toegen ber oertoorrenen Einlage bcs
2Ber!es 2Baltf)ers (5ebi(i)te aus allen oier Sänben 3u[ammen*
gejuckt »erben mü[[en. So förbert au^ [eine ^InJ^äufung oon
224
SRotiäcn über SOBaltcts £cbcn unb Äunjt nad) Ul^Ianb ni(^t otcl,
bic bcr otcrte 93anb Seite 160ff. entl)ält, obstoar id) nid)t in ^-
rebe jtellen toill, bafe [id) l)ier roie onbcriDärts unter ben iDüjten
StRaffen Sraud)bare5 finbet; man toirb [elten ungestraft oon ber
Jagens Äolleftanecn gang t)emad)Ia[[igen.
(£in no(3^ gegentDörtig für jebe ^rt (5ror[d)ung über 2ßalter
unentbe!)rli(f)e5 Hilfsmittel bilbet bas „®lo[[arium gu ben (5e=
bid)ten SBalters uon ber Sßogelroeibe, nebjt einem 9?eimDer=
3eid)nis, von d. 51. §omig, £iueblinburg 1844". Xas ijt eine
5lon!orban3 gu £ad)mann5 5Iusgobe, bie gtoar je^t l)ie unb ba
ber ^erid)tigung bebarf, aber nur äufeer^t feiten im Sti^e läfet
unb für Unterjui^ungen über SBolters Spro(i)e unb 2Bort[rf)o^
no(^ ni^t l)inlängli(i) ausgenu^t ijt.
9la(f)bem einjelne fünfte ber ©e[dE)id)te äBolters oon Otto
mcl 1853, 3eit[d)rift für beutfd^es Rittertum 9, 138 ff., unb ^nton
^öffts, „3^x fiebensgefd^ic^te ^Balters oon ber 93ogcltDeibe",
iBerlin 1854, erörtert toorben toaren, oerbanben [id) SBademagel
unb 3Jlax 9lieger 3U gemein[amer Arbeit an einer Ausgabe, bie
3U ©iefeen 1862 erfd)ienen ijt. !X)a5 Sud) [d)eibet 2Balters ©e*
bid)te in gtoei ©ruppen, SBelt unb ßeben, 90'?inne, unb juc^t
innerhalb biefer eine Orbnung nad) ber 3citfolge ber 5lbfa[[ung
I)er3ujtellen. ^^emer o^irb eine genaue Prüfung ber (£d)tl)eit bes
in oerf^iebenen Hanb[d)riften oer[d)iebenen 33erfa[[ern 3uge*
03ie[enen (3tropl)enbejtanbes oorgenommen, mel)reres als 3U)eifel=
l)aft ober uned)t beifeite gef^oben, anberes SBalters Sd)üler
Ulrid) oon Singenberg unb bem Xiroler £eutolb oon Seoen
(®äben näd)yt Älaufen am CSifad) 3uer!annt. ©ei ber fritifdjen
Sel)anblung ber Xtxit toi^cn bie Herausgeber infofem oon
JÖod)mann oielfad) ab, als fie gegen bie §anbfd)rift C bie älteren
i^affungen oon A, B unb D (bie gtoeite Heibelberger Hanbfc^rift
9lr. 350), oerteibigten unb eine siemli^e ^Injal^l neuer Äon=
jetturen aufnat)men. Diefe Ausgabe ijt eine bebeutenbe ßeijtung,
bie jefet über ©ebül)r ^urüdgejtellt toirb: SBadentagel vjax einer
ber geban!enreid)jten unb feinjinnigjten ilenner ber altbeut[d)en
^oefie — tt)eld)e gunbgrube oon Anregungen bilben nid)t [eine
„Altfran3ö[i[(^en £ieber unb fieid^e", auf ttmn gar mand)e Äon=
225
jtruftioncn bcrul^en, btc uns l)cutc unter anbeten Flamen geläufig
jinb — unb 9Jlax Fliegers überlegenbe Sorgfalt ift mel)reren
3tDetgen ber beut[d)en fiiteratur fruc^treid) zugute ge!ommen.
2Ba5 in bem Su(^e jtel)t, oerbient immer erojogen 5U toerben,
toenngleid) einsclnes, t)or5ügli(^ bie (5d)öpfung ber ^oefien
fieutolbs oon Secen aus bem 9^id)ts ber Überlieferung eines f at)=
renben ©pielmanns, enbgültig abgele!)nt toerben mufe. t)ic
d)ronologi[d)en (Srgebniffc feiner Hnter[u(i)ungen ^at 9?ieger in
einer befonberen S^rift „Das 2tbtn 2Balters oon ber S3ogel=
BDcibe, (Sieben 1863" einge^enb begrünbet, inbes SBatfemagel
fpater (1865) für ben 21. 23anb üon ^er^ogs 9tealen3Q!lopäbie
eine 3u[ammenfa[[enbe Darstellung (je^t 5lleine Sd)riften 2,
366—391) [(^rieb, in ber er [i^ aud) ju ber (unanne!)mbaren,
üergl. ^. öilbebranbt, 3eit[rf)rift für beutfc^es mtertum 34, 6ff.)
§i)potl)efe 2Bill)elm ©rimms befannte, SPßalter unb ^reiban!
feien nur sroei Si^amen eines unb bes[elben Did)ters.
gaft 3U ber glei(^en 3ett roie SBatfemagel unb 9^ieger bc=
f(f)äftigten fi(i) t^ranj Pfeiffer unb ilarl Sartfd) genauer mit ber
Überlieferung oon SBalters ®ebid)ten, jener legte in feiner ®er=
mania 5, 21—44 (1860) eine Steige uon 35or[^lägen jur ^nbe=
rung t)on fiad)manns 3:erte cor, üieles geiDaltfam, man^es über»
flü[[ig, tüeniges brau(i)bar; bie[er gab ebenba 6, 187—214 (1861)
eine be[[ere Einteilung bes £eid)es unb fonjiäierte an oer[d)iebe=
nen Stellen mit toedifelnbem ©lud. Pfeiffers ^uffa^ roar ber
93orläufer einer ©bition, mit ber 1864 bie Sammlung „Deut[d)e
5lla[[i!er bes 9J«ttelalters" eröffnet tourbe (je^t 6. 5tuflage, 1880).
Diefe 5lusgabe üerbient ban!bar genannt ^u merben, toeil fie es
3um erften 9Kale unternahm, fämtli(f)e ®ebi(i)te SBalters (ge=
[onbert in fiieber unb Sprü(i)c, steiften beiben ber £eid)) gu er=
flären, unb mod)te [id) Pfeiffer au^ bei oielen fd)tDierigen 93erfen
grofee (£ntl)alt[am!eit auferlegen, fo förberte bod) ber Kommentar
jebesfalls bas 33erjtanbnis bes Did)ters. Die 2Biber[prüd)e, bie
in bem (£l)ara!ter ber ganjen Sammlung liegen, tDeld)e einesteils
baju bejtimmt ijt, gans Unfunbige in titn Anfängen bes 95littel=
I)od)beut[c^en 3U unterrid)ten, anberesteils aber toif[enfd)aftlid)cn
?lnfprü(^en genügen xDill, l)aben [id) bei "ötn folgenben Auflagen
226
ni(f)t bcfcitigcn laffen — unter it)ncn Icibcn ja aud) bie toirfll^
guten Sänbe ber Serie von gebor 93erf) unb ^ans £ambel — ,
bagegen [inb bie oielen groben %tl)\tx, mit benen bie erjte Zuflöge
oerunsiert toar, [päter oon Sartfd) ausgetilgt toorben. 3^ [eine
„Deut[d)en £ieberbirf)ter bes 12. bis 14. ^öWunberts, fieipjig
1864" r)atte »art[d) bann Seite 68—94 unter 9lr. XXI gegen
taufenb SBerfe SBalters in friti[^er ^erjtellung aufgenommen
unb feine ^nberungen in htn ^nmerfungen Seite 325 ff. mit
ben fiefungen ber bisl)erigen Herausgeber oergIirf)en. f&ti ber
4. Auflage 1901, beforgt burrf) SQBoIfgang (5oItt)er, ^at [irf) ni(^ts
2Be[entIi(i)e5 geänbert. %n Pfeiffers Ausgabe |(i)Iofe [id) bas Su(f)
oon 5RuboIf SÖZengel an „I)as Qzbtn SBalters oon ber SSogel»
toeibe", fieipgig 1865, bas toegen [einer 2Beit[d^tt>eifigfeit unb bes
SJlangels an Urteil unbraud)bar i[t unb l)ier nid)t genannt roürbe,
roenn man es nid)t gelegentlii^ norf) als Herbarium tjertrorfneter
§i)potl)e[en nad)[ä^e.
9lad)bem SBenede in ben ^Beiträgen 2, 301 f (1832), ^ou
u)ort 3U bem ^bbrud ber £ieber 9leib!)arts aus bem 9liebegger
5^obei, 3uer[t ben ©ebanlen ausge[prod)en unb ju gfolgerungen
für bie 2:extfriti! benu^t !)atte, ha)^ un[ere großen 9Jiinne[änger=
l)anb[(^riften ber $auptma[[e nad) aus einäelnen ©üc^Iein 3U=
[ammengejtellt [eien, in benen bie fal)renben Spielleute [id) bie
fiieber bebeutenber Sänger jum 23ortrage aufseic^neten, ^at
Pfeiffer in ben Sorroorten gu [einen ^bbrüden oon B (Seite Xff.)
unb A (Seite VIII) nad)brüdlid) barauf DenDte[en unb [päter
(1855) aRünenl)off in [einer Streit[d)rift „3ur (5e[d)id)te ber
9libetunge 9^ot", Seite 19 ff. [d)on (Genaueres über ben Sejtanb
ber Stropl)en angegeben, bie uns unter ben 9lamen berufs»
mäßiger 9?e3itatoren aufbe!)alten [inb. Die oon 5IRüIIen!)off in
ben 95orle[ungen ausgeftreuten Anregungen, [eine bei altbeut[^cn
Übungen oorgenommenen 23er[ud)e, bie alten £ieberbüd)cr gu
refon[truieren unb it)ren Aufbau für Sd)Iü[[e auf ben 3u[ommen*
^ang ber Stropt)en mit bem 2^btn ber Did)ter ju oenoerten,
[le l)aben 2Bin)eIm SBilmanns oeranlafet, bie[e aRett)obe in einer
großen Arbeit 3U erproben, bie [einer burd) Julius 3a^er ge«
planten Ausgabe oorange^en [ollte; [ie er[c^ien 1866 im 13.
227
93anbe bcr 3ett[d)rift für bcut[d)es Altertum 217—288. (Es
tourbc bartn untcmomnten: 1. blc QucIIcnbcjtönbc bcr ^aupt»
l)anb[d^rtftcn 3U Dcrgleirf)cn; 2. btcfc auf fiicbcr[aTTnnIuttgen ju»
rü(f3ufüt)rcn; 3. btc abtDctcE)cnbcn Stropt)cnfoIgcn in bcr llbcr*
Itcfcrung bcr ©cbid)tc SBaltcrs äujgcrltd) unb burci) Ärtti! bcs
3nf)altc5 3U crflörcn; 4. bic bt5f)cr üon anbcm fcjtgcftclltc d)rono*
logtf^c Orbnung mit §ilfc bcr neuen 2Bal)mc!)ntungcn an htn
fiicbem 3U prüfen, bie bclanntcn t)ijtort[(f)cn ^Infpiclungcn ht'
fonbers bcr Sprudle nod)ntal5 %u untcrfu(i)cn unb aus allcbcnt
eine 3citlid)e ^folse [amtlid)cr Di(i)tungen SBalters ^cr3ujtellcn.
3e größer bie §inbemi|[c loarcn, bie eine fel)r ocrtDorrenc Uber=
lieferung folgen (5or[cf)ungcn bereitete, bcjto l)öl)er ntufe bie burrf)
Sd^arffinn unb Se[onnenf)cit ousgeseid^nctc £cijtung von 2BiI*
manns, bic crfte in il)rcr ^rt folgcridjtig bur(f)gefül)rte, ange=
f^Iagen toerben. 1869 crfd)ien bann als erster iBanb von 3ttd)er5
(5cmiani|ti[cf)cr ^anbbibliot^c!, öallc a. S., bic neue ^lusgabe
2BaIters oon SBilmonns. Die Einleitung (Seite 1—112) cntt)alt
3undd)jt eine knappe Darstellung von 2BaItcrs £eben, in bcr bic
Dor^anbenen (£rgcbnif[e [orgfam ge[i(f)tct [inb, einen fe^r Ic^r*
rcidEjcn 5lbfd)nitt über „2BaIters Äunjt", iDoruntcr nod) allein
bie 9Ketri! ocrjtanbcn roirb, unb als „5lriti[(i)e Semerfungen"
eine ausfül)rli(f)e SRcüifion bcr frül)crcn Hntcrfu(i)ung, bie meines
(&cad)tcns injofeme gegen bic[c feinen tDe[entlid^cn gort[d)ritt
befunbet, als l)ier bic Stüde mc^r pon 3^all gu gall benn nad)
einf)citli(^cn ©cfic^tspunltcn bcl)anbelt toerben. ^n bcr ^us*
gäbe fclbjt bilben SBaltcrs (5cbid)te jum erjtcn 9Kale eine cinsigc
d^ronologi|(i) georbnete 9lcil)c; Seite 391 ff. ijt eine 3:afcl bei«
gefügt, in bcr bic neuen 3iffßi^ ^it benen fia(f)manns ocrgli(i)cn
tDcrbcn. Die ^nmcrlungcn benu^cn nid)t blofe mit oerjtönbigcr
^ustDat)l bic gurgeit oon anberen ermittelten (£r!lärungcn, fon=
bem bringen aud) eine grofee SJlengc neuer [clbjtänbig gefunbener
Deutungen unb parallelen bei; bas ganse Sud) gen)äl)rt ein
\)dä)\i erfreulid)es 3ßU9^is für ben bomals neu beginncnbcn
^uff^xDung bcr beutfci^cn ^^ilologie.
DatJon ijt allerbings in bcr Ausgabe 2Balters burd) <3im*
rod (Sonn 1870) ni^t öiel ju [puren. Sic orbnet jtrenger, als
228
CS in ben älteren 3luflagen ber Ilber|e|ung unb bei SBadernagcI*
9lieger unb Pfeiffer 9e[d)e^en toar, SBalters (5cbid)te nad) 3:önen,
liefert etlid)e gute neben ntand)en gesagten !Ieitbe[[erungen unb
nimmt Stellung toiber bie neue $i)pott)efe über ÜBalters §et*
mat. Pfeiffer bro(i)te nämlid), nad)bem er nod) hirs Dorl)er (5er-
monia 5, 1—20 [id) für t5ftan!en entf(f)ieben l)atte, 1864 in ber
(Einleitimg [einer Ausgabe (Seite XXIII) eine Stelle aus ben
Urbaren bes ©rafen äReinl)arb II. oon Xirol (je^t l)erausgegebcn
burd) Ostoalb 3i"9^i^lß ^on Summersberg, 2Bien 1890) jum
93or[d)ein, bie für bas (£nbe bes 13. 3öl)rl)unberts einen Sßogel»
tDeibel)of am Sübfufee bes Srenner bezeugte. Der (5eban!e
tourbe in 3:irol freubig aufgegriffen unb guoörberjt burd) ^atrij
^naolettt (<Bo3en 1870) ein $of, t>tn Pfarrer 3ol)ann Malier 1867
namhaft gema(f)t !)atte, im fia^ener 9?ieb oberl)alb 3Baibbrud
am (Sx]ad, als 3Balters (Seburtsjtätte be3eid)net (cgi. äR. äRai)r,
3t[d^r. bes <5ferbinanbeums 3, 38, 517 f). Daran [d)liefet [id) eine
ausgebe^nte £iteratur, aus ber l)ert)orgel)oben tjoerben mögen:
3. 3tngerle, (Sermania 20, 257—270; 3. ^ider, ebenba 271 ff.
bagegen Sd)önbad) im ^njeiger für beut[d)es Altertum 4, 5—13.
5luf (Srunb biefer 93ermutungen ijt bann [e^r ge[d)idt eine Se»
XDegung eingeleitet toorben, bie einesteils bie bamaligcn poli»
ti[d)en SJer^altniffe Deut[d)lanbs für 3Balter, ben 33orjtreiter
bes 9teid)es toiber t)zn ^apjt, anberesteils (freilid) im 2Biber[piel
baju) ben tiroli[d)en fiofalpatriotismus [otoie bie Xeilnal)me ber
5al)lreid)en greunbe biefes [^önjten ^Ipenlanbes benu^tc. ^uf
biefe 2Beife ijt als ein allen erroünfd^tes (Ergebnis §einrid) 9latters
SBalterbenfmal in Sosen gujtanbe gelommen. ^llerbings ift
hit [übtiroli[d)e SSogelroeibe baburd) nid)t [id)erer 2Balters 5ei*
mat geooorben. ^ud) nid)t burd) ^njolettis tr>ieberl)olte (1889),
ctxoas gröbli^ geratene 33erteibigung unb nid)t burd) Osooalb
9leblid)s (1892) SRitteilung einer Urfunbe oon 1431, in ber biefer
$of nad)getDie[en toirb. (Ostoalb oon 3i"9erl^ l)öt jüngjt
nod) einige ^lä^e mit bem 3^amen „SJogelcoeibe" aufgeseigt.)
fiampels llnter[ud)ungen (1892, 4, Blätter bes 93ereins für Sxin*
besfunbe von 9lieberö|terreid), 26 ff. Sanb) l)aben 5U negatioen
SHejultaten geführt; bie alleriüngjte §t)pot^eje l)inge9en, auf»
229
gcftctlt uon %. ^aUmxä), ^rag 1893, SBottcr [et in bcr ©egenb
oon I)iix als !Dcut[^böf)me geboren, ntu^ als oöllig unbegrünbet
bebingungslos abgelel)nt toerben, ogl. S(f)önbad), ^nscigcr für
beut[d)es Altertum 21, 228—233. Sebesfalls \)at bic ganse (£r=
örterung über SBalters Heimat, üerbnnben mit ber unbered)«
tigten (Einbegiel^ung [einer ^erfon als ^arteimann in bte SBirren
bes „Slulturlantpfes", roe[entlid) basu beigetragen, i^tn Sänger
bermafeen im 93orbergrunbe bes 3Titere[[es roeiter 5^rei[e ju l)alten,
tDie bas bis bal)in feinem altbeutfd^en '^id)Ux begegnet toar.
!Dies xDurbe nodi babur^ geförbert, t)a^ 1876 in ß^iüibale bie
9?eifere(i)nungen SBolfgers oon (£llenbred)t5Ürc^en, $Bi[cE)ofs oon
^a[fau, gefül)rt oom 22. September 1203 bis jum 30. 3uli 1204,
aufgefunben tourben, in hzntn bas erjte unb ein3ige urfunblicE)e
3eugnis für SBalter oorliegt. 33gl. 3- 3tngerle, ©ermania 21,
193 ff., unb [eine ^ublüation ber 9?ei[ered)nungen §eilbronn
1876; beren 9Wängel roerben berid)tigt, bie (£ntjtel)ung ber ^uf=
3etcf)nungen bargelegt oon ^ugu[t ^öfer, ^Beiträge jur (5e[d)t^te
ber beut[d)en Sprad)e unb £iteratur 17, 441—549 (1893). aber
cinäelne fünfte Saxndt, 3^t SBalterfrage, 23erid)te ber Äönig*
lid) Säd)[i[d)en (5e[ell[d)aft ber 2Bi[[en[^aften 1878, Seite 32ff.;
5^al!off, 2Bolfger oon ^a[[au, SBeimar 1882.
3n3tDi[(i)en l)atte man begonnen, htn altbeut[(i)en SJiinne«
[ang oon neuen (5e[i(f)t5pun!ten aus unb mit neuen 931ittcln 3U
bur(f)for[d)en. yiiä)i nur ourbe bie 9Jletl)obe, 3n)i[rf)cn ber Stro=
pl)enorbnung in ben §anb[^riften unb bem Sn^alte 23e3iel)ungen
auf3u[ud)en, in einer gan3en 9?eil)e oon ^bl)anblungen unb ^uf«
[ö^en feiner ausgebilbet (3. $B. 3Rüllenl)off, 3^ Srricbri^ oon
§au[en, 3eit[d)rift für bcut[d)e5 5lltertum 14, 133 ff.; SBilmanns
unb ^ein3el über bie JÖieber unb Süd)lein ^artmanns oon 5lue,
ebenba 14, 144ff. 15, 125ff. 1869. 1872), [onbern Sd)erer ^at
aud) 3uerjt in t>tn „t)eut[ct)en Stubien" 1870, 1874 (2. Auflage
1891) an t>tn ältejten 9Jlinne[ängern [el)r [orgfaltige [tili[ti[(^e
Seobad)tungen angejtellt unb bie[e 3ur per[önlid)en (£t)ara!teri[ti!
ber Di(f)ter [otoie basu oenoenbet, um unter ber 93oraus[e^ung,
CS [ei bei htn frül)e[ten ^uf3ei(^nungcn ber £ieberbüd)er ein
poeti[d)«ge[(^i^tlic{)er 3w[o"^"ic^^o«g bcab[i^tigt gcu)e[en, bic
(gnttDitflung bct flebcnsfdjidfolc unb bcfonbcrs bcr fiicbcswer-
bältnlffc innerhalb bcr einjcincn ©ruppcn %\x crtcnnen. Sehte
Sctra(i)tungen \)Qbtn ungetnein anregenb gexotrlt unb otelc ?lr*
betten [inb baraufbm entjtanben, in benen [ein 93erfat)rcn mit
Dcrfc^iebencn ^bänberungen auf anbete ntitteK)o^beut[d)e Sir)*
rifer angetDanbt tourbe. Sflaturgemöjj l)at bie|e pt)ttoIogif(^e
Strömung aurf) coieber einen ©egenfa^ I)en)orgerufen, ber
bauptfad^Itd) in ben 25anben ber oon ^aul unb JBraune ge*
leiteten „93eiträge" 1873 ff. jum ^usbrudEe gelangte. t)ort ift
glei(f)fan5 eine Srolge oon ^uffa^en oeröffentIid)t toorben, bie
]\6) ebenfo Ieb!)aft bemü!)ten, einjureifeen toie jene oort)er auf*
subauen. ^ber nid^t nur Xlnter[u(^ungen, bie burrf)aus fejte (&:^
gebni[[e anjtreben, [onbem aud) [oIrf)e, bie es oomebmiirf) barauf
anlegen, oorbanbene 3:i)e[en ju befeitigen, toerben lei^t einfeitig
unb geben bann irre, unb [o ijt es [ebr ertlärli^, ta^ auf ber einen
Seite 3u oiel bebauptet, auf ber anberen 3U toenig sugejtanben
tourbe. Der 93eifall, ben bie balb traftig geworbene Oppofition
befonbers bei jüngeren 5or[d)em fanb, läfet fid) [ebr toobl oer»
|tef)en: es ijt immer [id)erer unb oor allem bequemer 3U oer»
neinen, als mit bem oorbanbenen SJlaterial Kombinationen ju
loagen, bie 3U neuen C£rgebni[[en fü!)ren [ollen. Hberblidt man
ttn 9Iieberf(i)Iag ber je^t anmäl)Ii(f) ins Stoden geratenen Se*
toegung, [0 [d)eint mir fejt3u[te!)en, bafe fid) stoar bie jtilijtif^c
unb bie Hnterfud^ung ber bcittb|d)riftlid)en Stropl)enfoIgen auf
3nbalt unb 3u[ammenbang ^n roeit toeniger nü^Iicb ertoielen
baben, als S(^erer oormals boffte, bafe aber tro^bem ber 3Bert
[oId)er Seobad)tungen beute oon allen Seiten be[[er getoürbigt
Doirb benn suoor. ^Is eine [d)öne iSfrud)t bes gansen ^ro5ef[es,
ber einen nid)t unmerttoürbigen 5lbfd)nitt in ber mobemen ®e»
[d)id)tc ber beut[d)en ^{)iIoIogie bilbet, barf bas Sud) oon Äon*
rab Surbac^: 9?einmar ber ^Ite unb SBalter oon ber S5ogeI«
o^eibe, fieipsig 1880, angegeben ojerben. Darin ijt oer[ud)t loor»
ben, bie gefammelten Stilbeobacbtungen in eine fün|tleri[d)e
C^tioidlung 3U orbnen unb an bie Stelle äufeerlid)er biograpI)i[d)cr
5luslegung unb SSertnüpfung ber (5ebid)te eine innere (5c[cbic^tc
bes Dieters bu rüden. Ofüt 2BaItet ^ot iBurbac^s Arbeit bas
231
eine burd)[rf)Iogcnbc 9?c[ultat öelicfctt, bo^ b!e fiicbcr bcr fo-
gcnanntcn „nicbercn SJltnnc", bic man früher ht bte 3ugenb
bcs Söngcrs ju fc^cn pflegte, nunmel)r 0I5 (5d)öpfungen [einet
relfjten 3elt erlannt tourben; l^ren ^la^ nel)men gum 3:ett
Jßieber bcr „!)öl)eren äRinne" ein, ble 2Balter unter bem CKn*
fluffe feines fie^rers 9lelnmar In jungen 3a!)ren gebld)tet l)atte.
X)tn ge[antten Stanb ber beutf^en ^^Uologle mit Sejug
auf 3Balter fafet in fld) unb leitet !raftoolI gu töelterm gort[(f)rltt
bas 2Ber! von SBlImanns: „fieben unb Dl(i)ten SBalters oon
ber SJogeltoelbe, ©omt 1882". SRarf) einer (Einleitung Ijt barin bas
öufeere fieben SDBalters neuerblngs genau unterfurfit unb 3U*
[ammenl)ängenb bargejtellt. 3nsbe|onbere aber Ijt In bem brlttcn
5tbf(i)nltt „(5eban!en unb 5lnfd)auungen" als (Ergebnis einer In
ben ^nmerfungen gur SRad)prufung oorgelegten müI)et)onen unb
roeltgrelfenben Arbeit eine faft gan3 er[cf)öpfenbe Durd)mujterung
bcs 3nf)altes von 3BaUers (5ebld)ten Dorgenommen, ble, mit glei-
chen ober äl)nll(^en Stellen [einer beut[rf)en 3eltgeno[[en, pro»
oen3aIl[d)er ober fran3ö[l[cf)er 93organger oerbunben, ein ju*
t)erlä[[lges Sllb [otool)! be[[en getoä^rt, loas SBoIter 9^eues
bargeboten !)at, als au6) be[[en, toas er mit bem ®d)a^e ber
poetl[(i)en Überlieferung [einer 3eit In ben 9latlonaI[pra(i)en
(5emeln[ames be[ltt. X)amlt l[t ber t5for[d)ung ein 2Beg gebrod)en,
ber nun l)offentIl^ nod) einmal bur(f) ble Iatelnl[(i) ge[(i)rlebenc
Literatur ber ÄuIturoöRer bes SRlttelalters füf)ren rolrb. 5lud)
In anberen unb tDld)tlgen fünften, In ber 95eurtellung bes 93Zlnne»
[anges, bann bes SJllttelalters überl)aupt unb [einer 3been, oer*
mag Id) SBllmanns mel)r benn oorfier bel^uftlmmen. (Ebenbürtig
ble[er bebeutenben fielftung l[t SBlImanns' gioelte Auflage [einer
SBalterausgabe 1883. 2)le ^nalr)[en ber (5ebl(f)te unb ble er*
üörenben 3lnmer!ungen [Inb ungemein berelctjert (ble ^norb=
nung greift auf £ad)mann jurürf), In ber (Einleitung [Inb ble
Stropl)engruppen, ble un[erer Ilberlleferung ooraufllegen, ge=
[onbert, Sprad^e unb metrl[ct)e iJorm genauejtens bargcjtellt unb
ble Stilmittel bes Dld)ters oolljtönblg unb gerabeju mujtergülttg
auselnanberge[eöt; baraus lann man nocf) lange lernen. 1886
er[d)len eme Sd)ulausöabe oon SBlImanns (2. ^ufl. 1905), ble
232
ßicber unb <Sptü(^c trermt unb fcfitc ^norbnung bcr ©cbirfytc
burd)fül)rt.
3u glcii^cr 3eit (1882) mit 2BlImann5' neuer gtofeer 3BaIter=
ausgäbe ift bie oon ^ermann ^aul als erster Sanb ber „^It=
beut[rf)en XextbtbIiot{)e!" er[(^tenen, mit (Sinleitvmg, tnappen
^nmertungen, einem 95er5eid)ni5 ber ^nberungen bes 3:exte5
unb einem ®Io[[arium, 3. 3luflage 1905. Sc^on t)ort)er l)atte
ber 35erfa[[er in htn „Seiträgen" com 2.-9. Sanbe Stubten
3U eingelnen Stellen SBalters forool)l als gur ge[amten tlber«
lieferung oeröffentIi(f)t. Diefe arbeiten unb bie Ausgabe roirfen
baburd^ oerbienjtli(i), bafe [ie bie (5d)tDärf)en ber bisher geübten
2:extfritif nad)U)ei[en, bie Hn[id)erl)eit ber Itberlief erung , bas
3tDeifel^afte ber barauf gebauten Folgerungen l)en)orf)eben.
Seit!)er I)at Äonrab Surbad) t)tn 1896 in ber 2lIIgemeinen
Deut[(i)en Siograp^ie oeröffentlic^tcn ^rtifel über SBalter oon
ber Sogelcoeibe in einem befonberen 2Ber! (erjter Xeil, £eip5ig
1900) ertoeitert oorgelegt. Die[es burd) einbringenbe Sdjärfe
[otoie burd) Strenge ber l)iitori[(^en Darjtellung ausge3eid)nete
Sud) bebeutet eine tDe[entlid)e ^örberung ber auf bie SBürbigung
SBalters bejüglid^en Stubien. Sgl. ba3U Surbad), Dcutf^e
9?unb[d)au 1902, O!tober, 9looember, unb Serliner Silber. 1902,
XXXVIII. 9Jleine üeränberte Stellung 5ur (5e|d)id)te ber mittel
alterlid)en £t)ri! toirb be3eid)net burd) bie Sd)rift „Die Anfänge
bes beut[d)en SPilinnefanges", Cöraj 1898.
Son (£r!Iärungen unb (Erörterungen ein3elner Stellen nenne
id) l)ier nod): 3ontde, ^auI^Sraunes Seiträge 2, 574 ff. unb
befonbcrs 7, 582 ff. über SBalters ®rab. Osfar Sd)abe in han
von it)m ()erausgegebenen 2Bi[[en[d)aftIid)en äRonatsblättern n,
29 ff., 107 ff., 126 f. 3o[ef 8fa|d)ing (ju ben religiöfen Did)tunge3
SGßalters), ©ermania 22, 429ff., 23, 34ff. «Rubolf §ilbebranb,
3eit[d)rift für beut[d)e5 mtertum 38, Iff. 9Kai Flieger, 3eit[c^rift
für beut[d)es Altertum 46 (1902)ff. Sd)önbad), 3eitfd)rift für
beut[d)es Altertum 39, 337 ff. unb Silber, ber SBiener ^fabemie,
145. Sanb, 1902. t)en Sermutungen ^. aßallners über Stellen
oon 2BaIters (5ebid)ten in oer[d)iebenen Sänbcn ber 3eit[d)rift
für beutfc^cs ^tltertum !ann id) an feinem fünfte ^ujtimmen.
r
233
CKntgc Sä^c meiner Darlegungen „itber ben btograpf)i[(^en
(5ef)alt bes altbeut[(^en SJltnnefanges" im 1. Sanbe oon 'ä.
iBetten)etm5 „©iograpl)i[(f)en blättern" (SBerlin 1895, (£mjt §of»
mann & do.) burfte i^ l)ter Seite 22 f. mit um [o größerer Se*
rul^igung aufne!)men, als [ie [eitler burd) 5Ilor)5 S(f)ulte, „Die
Stanbesoerl^ältnilfe ber 9Kinne[änger", 3eitf(f)rift für beut[d)e5
Altertum 39, 185 ff. in rDilüommenjter 2Bei[e bejtätigt würben.
— Sei allgemeinen 5Betrad)tungen über bas 2Bejen ber SWtnne»
poejie tüirb man bas grofee SBert oon Sbuarb 2Bed)feler: Das
Äulturproblem bes HRinnefangs, beren erjter Sanb [oeben (1909)
crfd^eint, ni^t überjel)cn bürfen.
Die Stellung bes oorliegenben 93ud)es ju ben oerfdiiebencn
fragen, bie fid) auf SBalters fieben unb Sd^affen begießen, ijt
in ben Se[pred)ungen ber erjten Auflage au5reid)enb gefennjei^«
net coorben. ^d) bemerle baju nod), bajs ^ier unb ba bie Äom»
pofition meiner Darstellung bem 5lnfd)einc na^ bie 5leif)enfoIge
Don SBalters ©ebid^ten Dcr[^oben ^at, bie id) für rid)tig t)alte;
i^ ^offe, es ijt mir gelungen, burd^ bie SBal^I t)or[id)tiger ^us*
brüde bie fiefer cor 3^tümem 3U betoaI)ren. —
5Roc^ jei bemerft, bafe bie un^ijtorifrf)e Sd^reibung SBalter
(ftatt 2Balt!)er) in biefem Sud)c loiber ben SBillen bes 93er*
fajfers oon ber Druderei unter bem 3o'önge einer mobemen
Ort^0örapl)ic burd)gefü^rt lourbc.
@pamexTd)e iBu^btudetei in fieipsig«
©ciffe^clben
^inc 6amm(ung t)on 93iograp^ien ««"»>'
Ansengruber. 2. '2tufIogc. Q3on Dr. 'ant. 93cttet|)cim . 4
ArnDt. Q3on «^rof. '^J. 2JJcln^olb 58
Böcklin. ^on Äcnri 9?lcnbctfo^n 40
Bvron* 93on 'lirof. S. Äoct)pct »44
Carlvle. 2. 2lufl. ^on <?)rof. @. ». 6(!^ulsc-®acöernl$ . . 6
Columbus. 2. ^uff. Q3on <?>rof. 6» Oluge 5
Cotta. Q3on 2Rtntftcr ?l. 6ti^äfflc 18
Cromwelt. Q3on «?>rof. QQß. SKtc^act *50/5l
Dante* Q3on Pfarrer 3 o^. 21. 6cattasälni 21
Dorwin. Q3on <^tof. QIBtl^. <?irc»)er 19
9riedrid3 0er Gro^e. Q3on 2lrc^iöt)tref(ot ®. QBintcr . *52/54
eörres. Q3on <:prof. 3- '9^. 6c^p 23
OoetDe. 3. 2luf[. ^on'?>rof. 91. 9Ä. 3[JicJ?ct. <?)rclö8clrönt *13/14/15
Gritlporser* Q3on Dr. Jo. ötttenbctgcr 46
ßebbel. Q3on <?)rof. 9?. QJl. QBcrncr 47/48
BerOer. Q3on Supcrtntcnbcnt 9^i^. "33ürlncc *45
BötOerlin. Reuter. 2. "aufl. ^Son Dr. «ab. QBttbronbf . 2/3
A. V. Bumboldt. C* v. Bucb. Q3on ^rof. 6. ©ünfber . 39
Joljn. Q3on Dr. "J. ®. 6c^ult^ct§. ^rctögcfrönf 7
Kepler. Oalilei. Q3on <^rof. 6. ©untrer 22
CeonarOo Da Vinci. SUuftr. Q3on "^tof. ßb. öotmi . *57
Ceffing. Q3on <?>rof. Ä. ^orinöft 34/35
Clft, Srieörid). Q3ott Äarl 3cntfc^ »41
Cutber. I. IL, 1. QSon ^rof. 2lrn. 6. 93ergct 16/17. ^27
(Dotiere, ^on <?>rof. Ä. e^nccganö 42
(Poltke. 2.2lufl. 3Huftr. Q3on Obcrfttcutn. Dr.=W.3ä^ng *10. »37
(Dontesquieu* QSon "^prof. -Sltb. Sorct 20
(T)03art. Q3on <?)tof. O. gtctfc^cr 33
Peter der 6ro&e. 2 ^önbe. Q3on Dr. Ä. 5BaIi«jc»gfl ♦30/31
Scbiller. 2./3. Slufl. 3nuftr. Q3ott <:prof. O. Aar n ad . . 28/29
6cbopcnt7auer. 2 93änbc. 93on Äonful Dr. €b. ©rlfcbati^ *25
Sf)a1^fpere. QJon <^>tof . 51 1. "23 r a n b l. (2. Sluff. tn,Q3orbercttung) *8
Srnitl), AOam. Q3on Äart 3enffc^ *49
Spino30* ^on <:prof. 2Btl^. ^ottn 9
Stanley* ^on ^aut 9?ct^arb 24
Stein. Q3on Dr. ^r. 9?eubaucr. <^reWgcfrönt 12
Cennvfon. Q3on "^Jtof. C. Äocppcl 32
Cisian. QSott Dr. ©corg ®ronau *36
Cur0en}ew. Q3on Dr. Srttft ^orlowöfl *43
Wagner, Kicbarb. I. Q3on <^rof. SWaj Äoc^ 55/56
Walter von der Vogetweibe. 3. Auflage. 93on ^ro-
feffor 21. e. Gcbönbac^ 1
gjerlaö t>ott ^rnft Sofmann & Co* itt 93erUti W 35
©effte^^elben
t ^^1^1 II l-^V4lli^l I 11^ II
3ebe ^iograp^ie ift felbftänbig unb einjetn fäufüc^,
faft alle ^änbe enthalten udunblic^e Slluftrationen.
<y)reig eineg iet)en 93anbeg: ©e^eftet gP^. 2,40; in feinem
geinenbanb (rotbraun ober Uav) 9J?. 3.20
5)tc mit * öcscid^ncfctt umfangrcld^crcn ^Sänbc foftert bic Äätftc me!)t.
um be» "Bcguö fämttfc^et «änbc ju crtcit^tctn, öcfiattet bie
SJcttaödbttc^^anbttttid bei fofortigcr ©cfamtlicfcruttö
be« nmfattdtei^ett ©ammcttoetf« 9taten»3a^tuttöctu
^u^gabe ber ,,(8eifte^|)elt)en" in ©ruppen:
3)a bie umfanQrci^c, ö«9cntt)ärtlg 58 93änbc mnfaffcnbe Sammlung
bei bem «greife öon nabeju 200 SWorf in ibrcr ©cfamfbcit mand^en su
foftfpielig »irb, ift eine '2iuöga&c einbeitlicber Gruppen öorgcfcben.
5)iefc werben 5U einem gegen ben €inäelprciö ber 93änbe ermd&igten
Oruppenpreis abgegeben. ®ie ©ruppen--'2luögabc ber „(Seifteöbelben"
bicnf öorne^mttd) @e[ci)enf3n)eden. ©er Käufer, mct^er ju Geburts-
tagen, f^onfirmationen, 3U Weit^nad^ten , 3ur Prdmien-
Verteilung oOer fonftigen feftlid^en Gelegenl^eiten '33ücl^er
f(^enfen tt)ia, greift f^tteßlicb mcift su ben Älafrifern, mobei er ©efabr
läuft, t>a^ ber gcmäblte "2lutor bereit« uorbanben ift ober »on einem
anbem ©ebcr borgereicbt tt)irb. — ilnfere ®rut>pen''2luögabc fott bie
?luött?abt an geeigneter (Sef^cnflitcratur öermebren. ®ie ftatt-
lieben (Stupp^n ,5)icbter-'23iograi)btcn*, „=J?oturforf0er unb Q^eifenbe*,
„dürften unb Äriegöbclben", „9Jieifter ber färben unb ^öne" uf». ftnb
be^bttlb — alö anerlannt »orjüglid^e <23ücbcr — beifäOiger "Slufnabme
ftetö fidler. <^efonberö empfoblen fei bie (Sruppe II ber
^id)UX'^io^xapi)hn* 5 93änbe
©riHparjcr.
QSon Dr. S>. Siffcnbcrgcr.
Äcbbel. (^ojjpelbanb.)
Q3on <^rof . Dr. 91. 2R. OB c r n e r.
^njengruber.
<33on Dr. 9tnt 93ctfclbeim.
9)Zoliere.
QSon^rof .Dr.Ä.6 c^neegan«.
©ante
Q3on Dr. 3. ?l. ecartajaini.
®tttppenpreid:
geitt gebb. 2«. 16.80 (ftatt 19.20)
^u^fü^rUd)er^rofpeft auf Q3crlangen uncntgeltlid^ burc^ ben
Verlag t)Ott etnft Sofmann & ^o* in ^erlitt W 35
7^- j.;co /c#
Qßaltl^cr t>ott ber ^ogctwcibe
^u^ bcm 9!}^iftclf)od)bcutfcf)cn übertragen, eingeleitet unb
mit 2lnmer!ungen »erfe^en t)on 9'^ic^atb Soo^mann
(«ü^et bet ^el«|>eit unb 6c^ött|>clt* @cb» <aJL 2,50)
@tn ma^reö ^(einob in ber Sammlung tft fobann bie ^u^-
gabe ber ©cbici^te QBatti^er^ oon ber <$oge(meibc in neuer,
bem mobernen ßmpfinben me^r Q^ec^nung tragenber unb
b,oc^ möglic^ft pietätöoU an \><x^ Original ftc^ t)altenbcr
Übertragung öon Q^id^arb Soojmann. Soojmann, ber ft^
burc^ feine ©ante -Übertragung xoxt fein jmeiter für bie
fd^ttjierige 5^unft ber Überfe^ung, bie jugleid) ©id)tung fein
fon, befähigt gejeigt \)0X, \)(xX mit glücfli^er Äanb aüe^, ma^
|)eute fremb unb l)art anmuten !önnte, ju befeitigen gen>upt.
00 möge bie fembafte "^rifcl^e unb gefunbe 9D^ann^aftig-
feit be^ größten ß^rifer^, ben \i<}i^ beutfd)e 9}^ittelalter
berüorgebrac^t, in biefer neuen Raffung ftd) rec^t üiele
•Jreunbe ermerben ! (9^eue QGÖürjburger Seitung.)
mt8>;;;;!!;»»in;:;»nnff«ttM;»t:>;tt;;8;;;;»;}iii>;.M;;itr.;'.i'.'.r.r.'.'.'.;;rt'.;;t'.t:»:»i:;8»»i!!;;;i
®ie ßieber ber SO^löni^e unb
Tonnen ©otamo '^Subb^o'^
^w^ bem IHltinbifcfjen ^um erftenmal übcrfe^t
öon Dr. ^arl eugen ^leumantt
Oe^eftet . . 10 2tt, :: 400 Seifen £cj..Oltao :: itt Äatt>ftat>b, 12 3Ä.
„. . . ®le SKad^t unb Äraft, mit ber ber 9Jlenfcl& tn ben Selten folc^
rellglöfer "ScttJcgungen ptö^Itd^ auf baö QBcfen ber ©Inge flc^ tt)lrft,
tt)lc er alled 'fragen unb Sroelfeln, out bto^c Gpcfulaflon oon flc^ ob»
f(!^ü(tetf, tt)le er fl^ auö oüen Hrnftrlctungen ber 6lnne befreit, um
ganü3nfulflon,©eln,eeben,3:un ju »erben: blcfeö eigentlich SWag<fcf)e
lafTen unö blefe io^mnen auc^ beute nod^ mltcmpflnben. öle rcben %\x
tieferen ©elftem In oX^ Ibrer ftarren einförmigfeit eine mäcbtlg er«
grelfenbe 6prad^e. Gin flcfcög^aturgcfübt gebt burcö blc ©cblcbtc blcfer
OJiöncbe unb Tonnen babln. ^ucb Ibre Oteliglon Ift ^\x\^^t mlebcr bie
groge <^bUofopble beö gd^menfö^en, bog ^lUgefübt ber ftorfen <?)erfön.
Ucbfelt, tt)elcbeö bie Äormonle unb Slnbelt »on 2BeIf unb 30 tief-
innerlich erfo^ren bat" ^^„^^ ^^^^ ^^ ,^terorlfcben S*o".
3)lc beutfd^e eifcrafur fonn mit 9?ecbt ouf ein folc^eö Übcrfe^ung«*
Werl ftota fein. 3n leiner oi^bercn curopälfcben eproc^e »äre cö möglich,
^tcocA ouc^ nur entfernt ^^ntlct^e^ au telften.
„*Preu§lf * c 3obrbüc^er" .
g3erla0 »Ott «mft ^ofmatm & Co., gSertinWSS, ©crfflingcrftr. 16
iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiin»»«Miiiiiiuiiiiiiiiitin»iiiiiiiiiniiiiiiiiiiiitmiirm
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