Full text of "Werke"
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Adam Deblenfichläger’s
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Sehntes Banden.
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Adam GOehlenfchläger's
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3um zweiten Male gefammelt,
vermehrt und verbeffert.
Zehntes Bändchen,
Breslau,
im Berlage bei Joſef Mar und Komp.
1839.
2
Adam Oehlenfchläger's
Dramatifche Dichtungen.
Achtes Banden.
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Aladdin oder die Bunderlampe. Erfter Theil,
70 — — —
Breslau,
im Verlage bei Joſef Mar und Komp.
1S39.
-
An Göthe.
Sn Norden fern geboren,
Kam früh die fhöne Kunde mir zu Ohren,
Dom Feenlande;
Wo ew’ge Blumen ftehn,
Wo Kraft und Schönheit gehn
Im Zauberbande.
In meiner Kindheit Tagen
Las ic) fo oft entzüudt die alten Sagen;
Wenn auf die Mauern
Es fiel der Schnee fo dicht,
Must ich vor Kälte nicht, —
Vor Wunder fhauern!
Wenn auf das Schloß am Hügel
Der Winter fhlug mit feinem Falten Flügel,
Es war ein Fäheln; 2
Ich ſaß im Kämmerlein,
Sah bei der Lampe Schein
Den Frühling lächeln.
10
Und ob aud) meine Jugend
Mit Inbrunft liebte nord'ſche Kraft und Tugend,
Und nord’fdye Thaten;
Sp ward mir dod) zugleid),
In Seelands Blumenreid),
Der Lenz verrathen.
Wie id) nun groß geworden,
Fühlt' ich mic) bald in Süden, bald in EN.
Ein ftarkes Ringen
Zwang mid, was in der Bruft
Ich lange ſchon gewußt,
Nun laut zu fingen.
Id) hörte mandyen Sänger;
Dft aber ward dadurd) der Bufen enger;
Der Kindheit Bilder
Entfärbten, fernten fi;
Die Zahmheit machte mid)
Nur immer wilder,
11
Her hat den jungen Dichter
Grrettet? Wer gemacht fein Auge lichter?
Daß er von weiten
Nun fah im rafchen Lauf
Den Kleinen Amor auf
Dem Löwen reiten?
Das haft Du, groß und bieder.
Den Zauber löſ'ten Deine kräft'gen Lieder,
Vom Feenlande,
Wo ew'ge Blumen ſtehn,
Wo Kraft und Schönheit gehn
Im Liebesbande.
Du hörteſt mit Gefallen
Des fremden Sängers Lied in Deinen Hallen;
Du machteſt freier
Den Muth, durch Deine Gunſt,
Daß er verſucht die Kunſt
Auf deutſcher Leier,
Schon hab’ id oft gelungen ;
Im Vaterlande, ernfter und gedrungen
Steht auf der Scene
Mandy alter Norden-Held,
Gerufen ber vom Feld
Durch Melpomene.
Sie werden aud) wohl kommen,
Wenn Freund Aladdin freundlid aufgenommen,
Die düftern Eichen
Gedeihn nicht überall,
Wo Blum' und Nachtigall
Hinein ſich ſchleichen.
Der Du mir neues Leben
Gegeben, was kann ich zum Danke geben?
Des Dichters Habe
Iſt ja nur ſein Gedicht!
Doch Du verſchmäheſt nicht
Die kleine Gabe.
Mladdin,
oder:
Die Wunderlampe.
Dramatifches Gedicht
in zwei Spielen.
* Erftes Spiel.
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Ein kleines ärmliches Zimmer. Muſtapha figt auf einem Tiſche und
naht; Morgiane fpinnt Baummolle.
Muftapha.
Nun, Morgiane, wieder eingeſchlafen?
— Morgiane.
Hein, Muftapha, da haft Du Did) geirrt;
Ic hielt nur meine Abendandacht, fiehft Du,
Und Tief die Augenlieder finken, um
Recht Fromm zu beten. Es mag fpät wohl fein.
(Sie aähnt.)
Muftapha. ni
Was, ſpät? Was find mir das für Nedensarten?
Ich find es früh. Wer ift im Haufe Herr?
Du oder id? Du bift ein Murmelthier.
Iſt hier wohl Zeit und Ort für arme Leute,
Wie wir find, Abendandaht fhon zu halten?
Morgiane.
Was thut's denn, daß man goftesfürdtig ift?
16 Aladdin
Muftapha.
Es thut gar nichts; das ift das Unglück eben.
Denn, wenn Du beteft, ſpinnſt Du nit; vom Beten
Lebt man nur ſchlecht. Bekömmt man Brot für's Beten?
Kann Fleiſch man auf dem Markt dafür erhalten?
Ich bin ein ſchwacher Greis; die Kraft ift hin;
Ich nähe nicht mit vor’ger Iugendftärfe.
Bit meine Ehehälfte; Dir gehört
Die Hälfte alfo von der Ehe Arbeit.
Morgiane (weint)
Ic) helfe gern, mit was id) nur vermag.
Muſtapha.
Nun, weine nicht; ich bin ſchon wieder gut.
Du biſt nicht ſchlimm, Du könnteſt ärger fein,
In vor’gen Zeiten, als ich reicher war,
Verbot id Dir ja felbit, dag Du zu viel
Arbeiten follteft; damals bat ih Dich,
Die weißen Hand und’s niedlide Geſicht
Zu fhonen. Doch — fo geht cs in der Welt!
Yon Dir ift die VBergoldung abgegangen;
Von mir ift längft das letzte Gold gegangen,
Iegt mußt Du ſpinnen, wenn wir leben follen.
Nicht ung allein; den langen Taugenichts,
Der ohne Nugen bin die Tage fchlendert,
Ihn müſſen wir aud füttern.
Morgiane.
Immer foll
Es über ihn, den armen Knaben, bergehn;
Er ift fo jung; mit feinem warmen Blute
Kann man nicht tagelang fo auf dem Tiſche
Die Beine Freuzweis in einander fchlingen.
22
oder die Wunderlampe. 17
Muftapha.
Das Pflafter tagelang dagegen treten,
Sp mit den Armen kreuzweis in einander,
Dazu ift alt genug das Blut. Hör’, Weib —
Morgiane,
Nun, tag es gut fein. — Still, da kommt er ja!
Aladdin (kommt)
Gott aruß Euch, liebe Eltern!
Muſtapha.
Warte nur,
Ich will Dich gleich begrüßen, Schurke, gleich!
In welcher Straße haſt Du wieder jetzt
* Zeit vertrödelt mit den Gaſſenbuben?
Aladdin. .
Bertrödelt? Keine Zeit hab’ ich vertrödelt;
Vielmehr, id) habe mit der Zeit gewuchert.
Da habt Ihr Geld vom reihen Kaufmann, Vater,
Für’s Kleid! Da! Selbſt war er zu Haufe nidt;
Weil aber ih nur noch eim Knabe bin,
Hab’ ich im Haufe freien Zutritt immer;
‚Und wenn ich komme, laſſen mid) die Weiber
Nicht wieder los. Du. heiliger Prophet,
Wie find die Mäddyen doch ganz allerliehit!
Sie ſpaßten mit mir, fragten, ob ich
Auf meine Vrofeffion mid wohl verftände?
Daß id) gewiß ein rechter Schneider wäre!
Ich gab zur Antwort: Wenn fie es erlaubten,
Sp wollt ich ihnen allen Maag ſchon nehmen.
Dazu nun waren fie geihwind bereit,
Und holten mir Papier und eine Schere.
Da hättet Ihr ein Meſſen fehen follen,
Oehlenſ. Schriften. X.
[57
18 Aladdin
Um Arm, um fchlanken Leib und vollen Bufen. %
Ha, Gott, wie ſchön ift doch das Schneiderhandwerk!
Muſtapha.
Ja, ich will Dich beſchneidern, —————
Will Dich beſchneidern!
(Indem er vom Tiſche ſpringt, glitſcht er und iſt ER daran, herunter
zu purzeln.)
Heiliger Prophet,
Hilf, Hilf! Ich falle! Hilf, ich ſchlag' mid) todt!
Aladdin yift ihm.)
Ja, ja, fo gehts, wenn man fid) übereilt.
Muftapha
(mit verbißner Muth.)
Mein lieber Sohn, hol’ mir die Elle da,
(Aladdin bringt die Elle; Muftapha will gleich Damit nach ihm fchla=
gen; aber Aladdin fpringt zurück, fo DaB der Vater Morgianens Wok—
ten in's Licht herunter fehlägt. Aladdin läuft davon.)
Morgiane,
(Die eben wieder eingefchlafen war, erwacht, fieht den Worken brennen
und ruft außer fich:)
Ha, Feu'r! Feu'r! Iſpahan, pa — Ifpahan,
Die ganze, große Hauptſtadt Perſiens
Brennt lichterloh ! J
Muftapha.
Nein, das gebt gar zu weit!
Id) armer Greis! — Bin ein gefhlagner Mann!
Ha, Schlimmer Wicht, Du! Liederliher Vogel,
Willſt Du nicht ftehen, wenn ib Did) beftrafe?
Willſt Du mid) ganz um meine Nahrung bringen
Bei allen reichen eiferführrgen Kunden?
Willſt — Morgiane, haft den Kopf verloren?
oder die Wunderlampe. 19
Sig’ft mit den Händen nur im Schooß und läßt |
Den Wolken brennen? Waller! Waſſer her!
Morgiane.
Ia, Waſſer her! Wo nehm’ ih’s Waſſer her?
- Ic Hab’ in diefem Augenblid fein Waſſer;
Id habe weder Sprüß’, noch Feuereimer.
Ach, meine Wolle! O mein Garn, mein Garn!
(Sie nimmt in der Angſt das feidene Kleid, woran Muftapha genäht
bat, und wirft's über das Feuer.)
Muſtapha.
Der Kaftan-brennt! Dies war der ärgſte Schlag!
Ich überlebe ſchwerlich diefen Tag.
Ein böſes Schickſal ſtürzt auf unſer Haus,
Gleich bei dem Anfang geht das Licht ſchon aus.
Morgiane.
Ad, ging’ es aus, da wär’ ic Arme froh.
Das Heine Haus brennt bald ganz lichterloh!
(Wuſtapha finkt ohnmächtig Darnieder.)
—
Afrika.
Ein großes Zimmer, von einer ſchwachbrennenden Lampe erheut.
Rundum an den Wänden hängen allerlei wunderbare Inftrumente;
verichiedene Bücherfchränfe auf der einen Seite. Im Hintergrunde ſitzt
der Zauberer Noureddin,
im langen, fchwarzen Gewande, mit einer Schärpe, worauf viele
feltfame Charaktere gemalt find. Auf dem Tifche hat er ein Käftchen
mit feinem Sande. Bertieft in Gedanken, punktirt er mit einem
‚Griffel aus Ebenholz. Plöglich bricht er aus:
Ein feltner Schatz? — Der größte Schatz auf Erden? —
In einer Höhle? — Wo? — In Afien! —
Und wo in Afien? — Bei Iipahan!
ze
20 Aladdin
In tiefer Erd’ — in einer Felſen-Wölbung —
Hod) von Gebirg umgeben. — Heil’ger Allah,
Welch groß Geheimniß offenbaret fid)
Bor meiner Serle! — Wird cs dod) gelingen,
Nach vierzig langer Iahre ftillem Fleiße,
Zur Stund der Mitternacht? — Ich forſche weiter,
Was ift das Kleinod? — Eine Kupferlampe! —
Wie? — Eine alte, roſt'ge Kupferlampe!
Und was ift ihre Tugend? — Noch — verborgen —
Das ſieht erft der Befiger. Und foll id, —
Kaum wagt die Zunge diefe dreifte Frage, —
Soll ich denn der Befißer jemals werden?
Wie Waffer läuft der feine Sand zufammen
Und läßt des Griffels Spuren nicht zurüd. —
Undeutlih! — Aber ſtill! — Mit hohen Wellen
Bewegt fi) diefes frodne Meer, wie wenn
Ein Sturm durch Biledulgerid ſich wirbelt.
Was deuten dirfe Furden? — Holen fell
Ic ein Gedicht, das öſtlich im Saale
Befindet, — alt, beftaubt. Wohin mein Auge,
Indem ich's öffne, dur den Zufall fällt, —
Da foll ic Iefen, denn da fteht das Räthſel.
(Er geht langſam hin, holt einen alten Folianten, fchlägt ihn auf und
lieft auf dem-Blatte, Das er aufichlägt:)
„Zerſtreuet find des Glücks holdfel'ge Gaben,
Als Funken fie allein gefunden werden,
Und Wen’ge nur vereinigt Alles haben.
Nicht überall gedeiht die Blum’ auf Erden;
Wo Traubenfaft die Reife füß erreicht,
Da kämpft Natur mit mächtigen Beſchwerden.
oder die Wunderlampe. a1
- In Dftens Iauen Palmenmwäldern fdyleicht
Die Brillenſchlange leiſe durch die Blätter,
Da reift das Gift, vor dem das Leben weicht.
In Norden ſtürmt die Nacht mit düſterm Wetter,
Dod) droht dem Land Fein plötzlich Mißgeſchick:
Gefunden Roden ſchenken da die Götter. —
Der muntre Sohn des Lebens ift dem Glück
Am nähften; und wonach der Grübler ringt,
Denn bfeih am Himmel glänzt der Sterne Blick—
Dies wunderbar aus ſeinem Herzen ſpringt.
Das Glück ihm freundlich ſelbſt entgegen gehet,
Und — kaum es wiſſend — Alles ihm gelingt;
Und darin eben ja das Glück beſtehet,
Daß frei es ſucht und findet ſelbſt den Lieben,
So wie wenn Blüthenduft gen Himmel wehet.
Es kommt von ſelbſt, und nimmer hergetrieben;
Es hilft nur wenig, daß Du ohne Ruh'
Dich ſelber frägſt: Wo iſt es denn geblieben?
Du greifſt — die Hoffnungsthüre ſchließt ſich zu.
Dein ganzes Treiben iſt ein eitles Wähnen;
Warſt nicht vom Schickſal längſt erkoren Du,
Dann hilft Dir nichts Dein Forſchen und Dein Sehnen.“
(Er fchließt das Buch bedächtig wieder zu.)
Ein Sterblicher hat, dies Gedicht gefchrieben,
Ein armer Sänger, wenig eingeweiht
In’s heilige Myſterium der Natur.
Mild bietet fie mir den verborgnen Schatz!
22 Aladdin
Geſchah's, um meiner wieder gleidy zu ſpotten,
Aus Weiberlaune? Nein, die weife Stimme
Verfhmäht den Gaufelton; das reine Licht
It auch kein Irrliht, das Verwirrung bringt.
Ernft und Teutfelig zeigt fie mit dem Finger,
Mir zu entdeden, was fie mir beftimmt.
Dod) id) verfteh’, was myſtiſch wunderbar
Sie, nicht der Sänger, durch's verworrne Lied
In Näthfeln mir wohl zu bedenken giebt. —
Vertheilt find nur die Kräfte; viele Hände
Bereinigt müſſen ſchwere Bürden heben;
Mir ward gegeben mit fharfiinn’gem Geift,
In's Inn’re der Naturen tief zu ſchaun;
Das äußre Werkzeug bin ich aber nicht.
„Der muntre Sohn des Lebens!” Das will fagen,
Ein friſches Blut, dem die Natur ftatt Seele
Nur Körper gab und jugendlidhe Blüthe;
Ein junger, blöder Knabe foll mir helfen,
Soll, ſchlafend bald, den Schak mir holen dort-
Und reihen, ohne ſelbſt den Werth zu Eennen.
It es nicht fo, Du großer Salomon?
(Er punktirt wieder.)
Ja, ja, fo it's. Gin brennend Räucherwerk
Wird mir des Felſens Eingang deutlih machen,
Und ein rothbäck'ger, ungezogner Knabe,
Wie aus der Lotterie dort in Europa,
Wird den Gewinnt zu meinem Vortheil ziehn.
Dank Dir, Du heil’ger, mädjtiger Brophet! —
Das tiefe Forfchen hat den Geift ermattet;
Gefunden ift das Glück; mein müder Körper
Sehne ſich nad Ruhe. Selig will id ſchlummern.
oder die Wunderlampe. BB
Str morgen fteh? ich, durd) des Ninges Sauber,
In Afien; und übermorgen bin
Id) mit der Wunderlampe wieder hier.
(Ab.)
36pahan.
Stube. Morgiane und ihre . ftehen um PEN
ar
————
Nochmals, habt Dank, Ihr lieben guten Frauen,
Die Ihe mir bei dem armen Mann geholfen.
Er ift geftorben! Mächtiger Prophet,
Er ſitzt nice länger auf dem Tiſche dort,
Und näht und fdyeltet, weil id) eingefchlafen !
Nun fchlaft er ärger, als ich's je gerhan.
Du, gute Mirza, ſchönen Dank! Amine,
Gleichfalls! Wenn Gott von Euern Männern Einen
Wegrufen follte, wird fi) Morgiane
En hülflid) zeigen, wie Ihr Euch gezeigt
Mit Wachen, Kleiden, Sargeinlegen, Weinen.
Ad, Allah — denkt, der Taft, worin er liegt,
Hat ihn erihlagen! Wollt' Aladdin ſchlagen,
Da flug er zornig in den Moden, der
Ins Licht fiel. Ich, aus einem Schlaf erweckt,
Erſchrak und date gleich das Feu'r zu löſchen;
Als aber in der Angſt ich Weiß und Schwarz
Nicht unterſcheiden konnte, nahm ich's Kleid
Und wollte ſchnell damit die Flamme dämpfen.
Da ſank er bleich in meinen Arm und ſtarb
Vor Schrecken gleich darauf.
24 Aladdin
(Beint.)
Du gute Seele! —
Nun — den Weg follen wir mal alle wandern,
Doch ift es hart! Und auf ’ne foldye Weife!
Aladdin it ein Galgenvogel! — Nun
Zebt wohl, Ihr lieben Weiber! — Seht, da kommen
Die Leihenträger ſchon; ich halt’s nicht aus.
(Die Leichenträger treten herein.)
Es bricht mein Herz. Ad, ad, Ihr Lieben Leute,
Sp nehmt den Sarg; greift aber nit zu hart,
Es iſt ein alter Mann; tragt ihn vorfichtig,
Sr kann nicht Diele Stöße mehr vertragen,
Und wendet feinen filbergrauen Kopf
Gen Mefka, und die Füße gen Medina.
Noch einen Kuß! Ach, wie er ruhig liegt!
Sonft brauft’ er immer auf; das ift vorbei,
Leb' wohl, mein Mann! Mein Muftapha, leb' wohl!
(Die Leichenträger gehen mit dem Sarge. Die Weiber heulen.)
Straße
Aladdin und ein Haufen Gaffeniungen; im Hinter grunde der Zaube-
ver Noureddin, der genau Achtung giebt auf Alles, was fie vor-
nehmen.
Selim.
Da ift Aladdin! Ha, nun kann das Spiel
Erſt recht anfangen.
Aladdin.
Guten Morgen, Freunde!
Selim.
Ho bit Du denn fo lang geblieben?
oder die Bunderlampe.
Yladdin.
— werte Siehſt Du,
Es ward cin altır Mann begraben, außer
Der Stadt, da bei der Heinen Dorf-Moskee;
Da blieb id) denn fo lange ftehn. 'ſS ift hübſch,
Das Singen anzuhören und zu fehen,
Wie gravitätifch mit dem Sarg fie wandern.
RE Selim.
Warum haſt Du mic denn nicht mitgenommen?
Mer ward begraben heute dort?
Aladdin (Cgäynt.)
Mein Bater.
Selim. ’
Wer? Wie? Dein Bater? Wie? Ift er geftorben?
Aladdin.
Vorgeftern Abend ftarb er.
Selim.
Und davon
Halt Du mir nichts gefagt.
Aladdin.
Ich hab's vergeſſen.
Selim
Und trauerft nicht?
ER Aladdin.
Bo fand’ ic dazu Rath? -
| 3 Selim. .
- Nicht Bloß in Kleidern, mein id), in der Seele.
4 * Aladdin.
Ei nun, wer über Alles trauern wollte,
Wär’ immer traurig! Er war alt und ſchwach.
26 Aladdin
Sindbad.
Nun, komm’ denn, komm’! Der Kaufmann an der Ecke
Mill heute wieder aus dem Fenfter uns
Drei Goldorangen in die Hände werfen.
Aladdin.
Ih bin dabei.
Sindbad.
Wirklich? Das glaub' ich Dir! —
Da kommt die eine! Munter jetzt, Ihr Jungen!
(Aladdin hat die herausgeworfene Orange aufgefangen.)
Selim.
Biſt immer glücklich.
Knaben ceufen.)
Mehr Drangen! Mehr!
(Eine Orange wird wieder herausgemworfen, welche Aladdin
abermals auffängt.)
Aladdin.
Das war die zweite. Somit hab’ id) zwei.
Sindbad.
Aladdin darf nicht länger mit uns fpielen,
Er darf nicht nad) der dritten greifen. Hat
Genug befommen. Jungen, haltet ihn!
(Einige halten Aladdin. Die dritte Drange wird herausgersorfen
und fällt in feinen Turban.)
Aladdin holt fie Heraus.)
Das war die drifte. Cine eß' id) felbit;
Und da habt Ihr die beiden andern wieder.
(Er wirft die zwei Orangen in die Höhe, Alle Knaben laufen fort,
um fie aufzufangen.)
Noureddin Ctritt hervor.)
Mas follt’ id) weiter gehn? Dies Kinderſpiel,
So zwecklos und fo kleinlich wie es fcheint,
oder die Wunderlampe.
Hat dod) das Schickſal aufgeführt, um mir
Mein Werkzeug anzuzeigen. Wie ich dachte,
Rothbäckig, ftark und träge, ohne Sorgen!
Der Vater ward begraben — und er ging,
Dies wie ein andres Schaufpiel anzugaffen.
Zwei Mal ſchon ſchenkt' das Glück ihm feine Gunft,
Zum dritten Male, mit gebundnen Händen,
Lockt er es nod) in feinen Turban nieder.
Mas will ich mehr? Hier hab' ich, was ich ſuchte.
(Er geht ihm entgegen)
Glüd auf; mein junger Freund! Ich feh’, dag Du
Im Greifen wohl geübet bift.
‚Aladdin (Hlöde.)
D ja!
Noureddin.
Vergieb, daß, ohne weiter Didy zu kennen,
Ih Dir Vertraun vielleicht und Freundſchaft zeige,
Denn Vieles hat für Did) mid) eingenommen:
Erſt bift Du hier im ganzen Knabenhaufen
Der Schönſte; obendrein bift Du der Größte,
Wie alt bift Du?
> Aladdin.
Bin fiebzehn Jahr.
Noureddin.
BR ©. Nicht mehr?
Und fiehft doch älter aus. Es mangelt Dir
Ja nur der Bart, um ganz ein Mann zu heißen.
Und in Gewandtheit bift Du aud) der Erfte,
Und glüdlih aud. — Ic) Hin ein fremder Kaufmann,
Nur wenig hier in Ifpahan befannt;
Deswegen ſuch' ich hübſcher Leute Umgang.
I.
[ee
Aladdin
Aladdin.
Mein Herr, Ihr zeigt mir gar zu große Ehre;
Mit meinem Umgang ift Euch ſchlecht gedient.
Id) bin ein armer Schneiderburfh?. Mein Vater
Iſt jüngft geftorben auf 'ne eigne Weiſe.
Er wollte mit der El mir Eins verſetzen;
Da ſchlug er meiner Mutter Roden ’runter
In’s Licht; die Wolle brannt' — und fomit ftarh er.
Noureddin.
Ich hörte Did, von dem Begräbniß reden,
Und — nimm’s nicht übel — die Gelaffenheit,
Womit Du foradhft, fiel mir ein wenig auf.
Aladdin.
Ei nun, es war ein armer, ſchwacher Mann,
Ein Siebziger beinah’. Und Länger leben
Schr wen’ge Leut' in Iſpahan, mein Herr!
Noureddin.
Doch haft Du feinen Tod befördert, hör’ ic).
Aladdin.
Weil idy nicht wie ein Odys midy ruhig wor
Die Stirne fchlagen ließ? Weil ich behend
Zur Seite fprang, um wieder wegzulaufen?
Kein, befter Herr, denkt Eud) ein Leben, das _
An foldyem dünnen Spinnefaden hängt,
Das es vor Schreden ftirbt, fobald einmal
Die Wolle brennt! — Er muß mir vielmehr danken,
Das ich Gelegenheit ihm fo verfhaffte,
Eid) zu empfehlen.
Noureddin.
Freund, das war nicht kindlich
Geſprochen!
oder die Bunderlampe. 29
Aladdin.
Kindlih? Lieber Gott im Himinel,
Ich glaube, dag mit meinem Vater ic)
Bon mütterliher Seite nur verwandt bin!
Denn er war alt, als er die Mutter nahm,
Und fie war ſchön, wie das Gerücht erzählt.
Al Sefi, ein Emir, beſucht' uns oft;
Er hatte midy recht Lieb, ich ſah ihm aͤhnlich;
Er pflegte mid) oft vormals zu beichenten,
Jetzt ift er in dem Türkenkrieg gefallen.
Noureddin.
Dein Vater war ſo alt? Wie hieß er doch?
Aladdin.
Er? Muſtapha!
Noureddin
(mit ſteigender Aufmerkſamkeit.)
Mein Gott! Und er war Schneider?
Aladdin.
Mit Leib und Seel’!
Noureddin.
Und wohnte lange ſchon
In Iſpahan?
Aladdin.
Pr So lang id, mid) beſinne.
Roureddin.
Ein wenig zanfisch, Higig von Natur?
Aladdin —
Ihr kennt ihn?
Noureddin—
Doch — ein fleiß'ger alter Mann!
30 Aladdin
Aladdin.
Erſtaunlich fleißig.
Noureddin.
Und der aud) verlangte,
Du follteft fleißig fein; nidyt wahr? und nicht
Als Mügiggänger nur das Pflafter treten.
Aladdin.
Gr iſt's! Es ift fein Bild in Lebensgröße.
Noureddin (umarmt inn.)
Mein Bruderfohn!
Aladdin.
Mein Herr, Ihr feid fein Bruder?
Noureddin
Ia, fein Teibhafter Bruder. — Muhamed,
Prophet! Ich glaubt’ ihn längſt geftorben ſchon.
Ich hoffte nimmer feinen Sohn zu finden,
Und jetzt — jetzt find” id) diefen ſchönen Iimgling.
Umarme mih! Wie Heißt Du, Kind?
Aladdin.
Aladdin.
oureddin.
Ia, ja! , Das fchrieb er mir als treuer Vater,
Denn — was vorhin Du vom Emiren ſprachſt —
Aladdin (Hlöd und bange.) =
Ach, lieber Gott! Herr Oheim, laßt das gut fein!
Es war nur in den Wind hinein gefproden.
Noureddin.
D komm’, Aladdin, liebenswürd'ger Neffe,
Und bringe mic) zu Deiner alten Mutter!
Eie lebt doch noch?
uch ut au
u 1 en a
a,
oder die WBunderlampe. 31
Aladdin.
Dort in dem kleinen BAHR
Noureddin.
Allmächt'ger Gott, wie doch das dunkle Schickſal
Die Dinge wunderbar auf Erden fügt!
(Zie gehen hinein.)
Stube.
Noureddin, Morgiane und Aladdin ſitzen bei einer Abendmahlzeit.
Morgiane (ſehr geichäftig.)
Geehrteſter Hekr Vetter! Lieber Schwager!
Mein Brüderden! — nehmt's nicht ungnädig, daß ich
So dreift [hen rede — nein, dann hätt' id) cher
Geglaubt, der Kaufafus wär’ umgefallen,
Ia, daß der Euphrat völlig ausgetrodnet,
Als daß mein Fieber, treuer Ehegatte —
(weinend.)
Jetzt ift er in dem heil’gen Paradiele,;'
Wo junge Huris, ſchöner nod) als ich),
Ihn koſen, Eleiden und entkleiden ihn,
Und reiben mit Flanell ihn für die Gicht.
Das mögen fie! Ich bin nicht eiferfüchtig —
Dod), was ich fagen wollte, lieber Schwager!
Das hätt’ ich, wie gefagt, doch nie geglaubt,
Daß Muftapha, der arme, kranke Wicht,
Sold) einen großen Herrn zum Bruder hätte,
Auch hab’ idy nie gehört, daß er von Eud)
Geſprochen; und er ſprach doch Viclerlei.
Drum glaubt‘ idy erft — jegt bitt' ip um Verzeihung —
32 Aladdin
Das Ihr ein Dieb, ein Vagabund nur wäret,
Der die Gelegenheit ausfoahen wollte.
Als aber wiederum ich gleich bedadhte,
Es fei im Haufe hier nidyt mehr zu ftehlen,
Als auf dem gelben Sand in Sara's Wüſte;
Und da Ihr vollends Eſſen holen Liegt, u
- In reihlihen Pokalen fügen Sorbet,
Da, liebfter Vetter, ſchwand auch der Verdacht.
Denn, was in aller Welt wohl follt? Eudy treiben,
Mir, armem Weib, und meinem nadten Jungen
Sp hold zu fein, wär” es nicht die VBerwandfhaft?
Noureddin.
Ja, gute Schwägerin, was id für Euch,
Was ich für Euern lieben Sohn vermag,
Thu' idy als treuer Vetter. Warum hat
Das Schickſal Eure Noth mir lang verhehlt?
Geſchehn ift aber einmal nun geſchehen;
Es hilft nicht, über das zu Hagen, was
Sich nicht mehr ändern läßt. Jetzt wollen wir
Das Gegenwärtige betrachten.
(Schentt ein.)
Alſo —
Komm’, trink einmal, mein Sohn!
Aladdin.
Geſundheit, Wetter!
h (Er trinkt.)
Noureddin.
Alle, Frau Schwägerin, fo fagt mir frei,
Was treibt Ihr? Wovon Icht Ihr, liebe Frau?
Was macht Aladdin? Ift er fleißig? Wozu
Beſtimmt er fih? Wie Augert ſich fein Trieb?
»
oder die Wunderlampe.
Morgiane.
Ach, wie fein Trieb fid) äußert? Auf den Straßen
Den lieben, langen Tag zu laufen; fid)
Im Kothe wie ein Schwein herumzuwälzen,
Die Hofen an den Knicer durchzuſtoßen;
- Eid) Löcher an den Ellenbogen reißen,
Sid) fhlagen, fluhen, toll herumzulaufen,
Das ift fein Trieb. Ia, ja, das künnt Ihr glauben,
Gr hat mir mandyes Herzeleid gemadt.
Er mabt mid nie fo froh; das ift gewiß.
° Er ift mein Sohn, er ift mein Fleiſch und Blut;
Nicht garftig, fchön gewachfen, roth und weiß,
Und Iedermann erzählt, er ähnelt mir;
Doch Wahrheit muß ich fagen, und wenn aud)
Sie durd) die Ribben Weg fi) brechen follte:
Id) fpinne Wolle faſt den ganzen Tag;
Was hilft mir aber das? Er mag nicht ſelbſt
So viel verrichten — fei es Gott geklagt —
Als feine eignen Haare kämmen. Alles
Liegt auf mir armen, höchſt betrübten Witwe.
Er follte Schneider fein, fo wie der Vater,
Doc das ift mir der. rechte Schneider; ſchneidern
Fliegt uns in’s Maul nidyt, wie gebratne Tauben.
Als Muftapha noch lebte, nahm ich immer
Den Wicht in Schus. Nun kommt des Himmels Strafe,
Und züdytigt mich, weil ich zu ſchwach gewefen.
(Sie weint.)
Noureddin.
Ei nun, Frau Schwägerin, gebt Euch zufrieden.
So weit id) auf Aladdin mic) verftehe,
It fein Charakter edel, ftolz und offen. |
Oehlenſ. Schriften. X. 3
34 Aladdin
Zu jung, um ih Beſchäftigung zu wählen,
Von Armuth eng gefeflelt und bedrüdt,
Iſt er fid) felber noch nicht klar geworden.
Deshalb hat Mügiggang den Geift nody wie
Ein Kind in einer Wiege eingelullt.i
Ich wette, wenn man ihm es. möglid) machte,
Anftändig einen Handel anzufangen,
Wenn einen hübſchen Laden er befäße,
Mit Schönen, feinen Stoffen wohl verfehen,
Aus China, Indien, aus der Levante;
Ich wette, wie gefagt, zwei gegen eins,
Er würde bald des alten Lebens fatt
Und änderte fidy gleih. Nicht wahr, mein Sohn?
Aladdin.
Herr Better, Ihr könnt mir im Herzen leſen.
Nie geh’ ich einem folden Kaufmannsladen
Vorbei, vol Goldmohr und voll Silbermohr,
Vol Flor und Sammt, voll großer feidner Tücher,
Daß id) nicht dächte: Hätteft Du doch auch
Se einen hübfchen Laden. Täglidy würden
Dann fhhöne Verferinnen dic befuchen;
Und jede fchlüg’ den langen Schleier auf,
Um redyt die feinen Waaren zu befehen;
Und während meine Herrlicdykeit fie fähen,
Beſäh' ich wieder ihre Herrlichkeiten,
D Herzens-Vetter, ſchafft mir folden Laden,
Und id) verſprech' Euch gleidy mit Hand und Mund,
Id will vernünftig werden, ordentlich)
Die Haare kämmen, fauber fein, und mehr
Nicht mit den dummen Gaffenbuben ſpielen.
oder die Wunderlampe. 35
Noureddin Creicht ihm die Hand.)
Ein Wort, ein Wort?
Aladdin Cihlägt ein.)
Ein Mann, ein Mann!
Monreddin.
Topp, Better,
Schon übermorgen ſchaff' id) Dir den Laden.
Morgiane.
Du Heiliger Prophet! Der arme Wurm,
Wie follte das ſich praftiziren laſſen?
Noureddin.
Ich kauf' ihm, ich verehr' ihm einen Laden.
Aladdin
(faͤllt ihm um den Hals.)
Das nenn' ich einen Vetter! Herzens-Vetter,
Ihr ſeid von meinen Leuten! — Aber, Vetter,
Wir haben lange noch bis übermorgen;
Wär' es nicht beſſer, gleich, gleich morgen früh —
Heut' Abend iſt es leider wohl zu ſpät —
Den Laden mir zu kaufen? Was gethan iſt,
Das iſt gethan; und, grad' herausgeſprochen,
Ich mag nicht lange warten.
Morgiane.
Langer Lümmel!
Du Rindvieh! Taugenichts! Haft denn gar keine
Gedanken in dem diden, dummen Kopfe?
Was, ift das Dankbarkeit? Erftauneft Du
Nicht über eine ſolche Himmelsgüte?
Ach, ih muß weinen, Allerliebfter Vetter,
Ihr feid einEnglein, aus dem Paradiefe
. a 3%
36 Aladdin
Geſandt, den vaterlofen Wurm zu retten,
Das arme, liebe Kind! — Gleich bin, Du Schlingel,
Dem Herren Vetter hübſch die Hand geküßt,
Ihm ſchön gedankt! Ad), ift es nicht ein Traum?
Bin fo gewöhnt an Herzeleid und Kummer?
Daß diefes ſchnelle Glück mid, ganz verwirrt.
Noureddin.
Mur ruhig, gute Fraul — Nein, Freund Aladdin,
'S iſt Freitag morgen, alſo Feiertag,
Dann könnten wir-nidt handeln; jeder Laden
Iſt zugefchloffen, und das Leben theilt ſich
In Gottesfurcht und ftillen Zeitvertreib.
Doch werd ich Dir ein Kleid verfhaffen gleid),
Das ſich für Deinen neuen Stand geziemt;
Dann wollen wir, wenn Deine Mutter cs
Erlaubt, zufammen aus der Stadt fpazieren,
In diefen hübſchen, kühlen Blumengärten,
Die draußen liegen. Haft Du Luft dazu?
Aladdin.
Ja, große Luft!
Noureddin.
So fheiden wir für heute,
Denn es ift Spät, und ich bin fehr ermüdet.
Doch morgen früh beſuch' id) Euch gleich wieder.
Jetzt gute Nacht!
Aladdin und Morgiane.
Ach, gute Nacht, Herr Vetter!
(Noureddin ab.)
oder die Wunderlampe. 37
Wilde Berggegend.
Zwei Felien ftoßen ſchräg an einander und bilden eine Kluft, in deren
Mitte eine Eleine Ebene, mit Gras und Blumen bewachien. Die
Bäume vom Felien neigen fich sum Theil da hinüber, und aus der
Klippe ſpringt eine Duelle, die fih in den Abgrund verliert.
Noureddin und Aladdin fommen zufammen, in ein Ge—
ſpräch vertieft.
i Aladdin. n
Herr Better, Ihr erzählt die ſchönſten Mährchen,
Die id) mein Lebelang nod) je gehört;
Id mag Euch gar zu gern fo ſprechen hören;
Es fommt mir vor, als wär’ id) jetzt weit klüger,
Als da wir eben aus dem Stadtthor gingen.
Ihr habt mid) rund herum in alle Theile
Der Welt geführt. Was Ihr erzählt vom Handel,
Mag immer gut fein; aber das geſteh' id):
Was Ihr von diefen.Kräften der Natur
Erzählet, von den wunderbaren Saden;
Don Menſchen, die durch Glüd und Zufall oft
Im Augenblid erhalten, was vergeblid)
Ihr ganzes Leben durch nur Andre fuchen;
Don der unfihtbarsthätigen Gewalt —
Und andern folhen Sadyen diefer Art,
Das freute mid) vor Allem dod) am meiften!
Noureddin.
Dies iſt auch das Erhabenſte, das Beſte,
Womit der Geiſt des Menſchen ſich beſchäftigt.
Aladdin
(ſieht ſich verwundert um.)
Doch, wo in aller Welt ſind wir denn jetzt?
Ihr dabt mich ſo entzückt mit Euern Reden,
38 Aladdin
Daß ich den Weg darüber ganz vergeffen-
Weit über Stod und Stein, durdy Korn und Dorn
Eind wir gewandert; von den Gärten ferm,
Und ftehen mitten im Gebirg. Wir müllen
Entfeglidy weit gegangen fein. Es Fam
Mir auch mal vor, als wär’ id) müd geworden;
Vergaß es aber gleidy. Iſt es vielleicht,
Herr Vetter, eben Euch wie mir gegangen?
Noureddin,
Nein, lieber Sohn! Mit Vorſatz, nad und nad),
Hab’ ic) im Wandern vom Geräufc der Stadt
Did) in die herrliche Natur gebracht.
Wie kindlich-fröhlich ſchlug Dein junges Herz,
Als durd die Garten wir zufammen gingen,
Die, wie ein einz’ger großer Blumenkranz,
Den ungeheuern Steinhauf kühl umduften.
Allein, obfchon ich es nicht läugnen will,
Daß jene Haine, wo die Quellen riefeln,
Und wo die faft’gen Früchte füß erquiden,
Wohl einen fhönen Anblid uns gewähren:
Sp fteht doch ſolche kleinliche Natur,
Non Nothdurft kümmerlich nur eingeengt,
In Schranken des Befißes aufgewachſen,
Und unterm Herrfcherauge des Befibers,
Weit, weit zurüd vor diefen heil'gen Bergen
In ihrer Eöniglichen Niefengröße. —
Scheinbar zufäliger Weife, lieber Junge, —
Im Herzen war 08 finnig überlegt —
Hab’ id) allmählig Deinen heiten Geift
Vom Kleinen zum Erhabnen hingeleitet ;
Was ich geſprochen, Hab’ ich nur gethan,
oder die WBunderlampe. 39
- Um Did) an’s Wunderbare zu gewöhnen,
- Damit Du nicht — ein raſches, tücht'ges Roß
Zwar von Natur, ſchwach aber an Verſtand —
Dich bäumen ſollteſt, wenn es plötzlich knallte.
Dies hab' ich denn gethan, und glaube wohl,
Daß ich den Zweck Dir offenbaren kann.
Aladdin.
Sprecht nur, Herr Vetter, id) bin gar nicht bange.
Nouteddin.
So wife, Kind, daß id) feit vielen Iahren
In der Natur geheimnigvollem Bude
Selefen; daß es endlid, mir gelungen,
Dergleichen Wunderfaden- zu entdeden,
Die nit der Menge mattes Auge ſchaut.
Sp hab’ id) unter Anderm aud) gefunden,
Daß eben, wo wir ftehn, an diefem Orte,
. Sid) eine tiefe Felfenhöhle wölbt,
Wo Alles, was der Berg im Bufen einfchließt,
Weit fhöner, bunter, prächt'ger blüht und ftrahlt,
Mit ftarken Farben eines ew’gen Frühlings,
Als diefer Oberfläche falb Geſproß,
Wo ſchnell die Blüthe bricht, wie fchnell fie Feimte,
Und nur die welfen Blätter hinterläßt.
Wenn aljo, Freund Aladdin, Muth Du haft,
Die Schöne Wunderhöhle zu beſuchen —
Um Deinetwillen bin ich hergegangen,
Denn ſelbſt fah ich die Herrlichkeiten oft; —
- Sp will id) durd) ein tiefverborgnes Wort,
5 Sobald id) trodnes Reifig angezündet,
Den ſonſt verborgnen Weg Dir gleich entdecken.
4 227 2
40 Aladdin
Aladdin,
Wie denn, Herr Vetter, hier ift eine Höhle?
An diefem Orte, wo wir ftehen? Hier?
Noureddin.
Die ſchönſte Grotte, Mineralienfammlung,
Kunſtkammer der unendlichen Natur!
Aladdin.
Und deren Eingang könnt Ihr finden, wenn
Ihr Reiſig anbrennt, dunkle Worte ſprecht?
Noureddin.
Die Kraft hat Allahs Gnade mir verliehn.
Aladdin.
Hab’ ich mein Tage fo was noch gehört! ;
Noureddin.
Biſt Du ſchon bange?
Aladdin.
Bange? Ganz und gar nicht.
S iſt aber ja doch gar zu wunderbar!
Noureddin.
Dort, wo die welken Zweige tief ſich neigen,
Dürr ausgetrocknet am verbrannten Felſen,
Dort, eile Sohn, und hole Holz zum Feuer!
Sei aber ſchnell, denn es wird ſpät und finfter.
Aladdin.
Herr Better, id) gehordye dem Befehle.
Ic fehne mich nad) diefer ſchönen Höhle,
Und hole Neifig zu dem nöth’gen BU N
(Ab.)
Noureddin (Calein)
En nahet ſich der Augenblick? — So ward’ ich
Beſitzer von der Erde Herrlichkeiten?
oder die Wunderlanpe. 4
Hier ift der Drt, wonad) id mid) fo innig
Mein Lebelang geſehnt, fo weit gereift bin!
Da kommt mein Werkzeug; ſieh', da kommt er fon,
Ganz forglos mit dem Reifig auf dem Nüden.
Aus Neugier nimmt der Arme fid) kaum Zeit,
Er ſtrauchelt oft; bald wird er tiefer fallen.
Einfält'ger Leichtfinn, fiehe Dich doch um!
Erquick' zum lebten Mal Dein armıs Aug’
An diefem friſchen, heitern Blumenfhimmer,
Den armen Körper an der Sonne Wärme!
Bald röhelft Du, getrennt von Sonn’ und Blumen,
In Zinfterniß, und rufft den Hungertod. — —
Dies Neden würde Schwachheit graufam nennen;
S ift aber Weisheit ohne Leidenihaft.
Mas einmal fein muß, kann nicht anders fein.
Bedenft ſich wohl der Grübler der Natur,
In das Infekt die Nadel einzuftoßen?
Aladdin.
(mit einem Bündel Reifig auf dem Rücken.)
Herr Vetter, hier ift Holz genug, wobei
Ihr einen Elephanten braten könntet.
Doch während ich fo fuchend ging, von Bäumen
Die Zweige brady und auf den Rüden lud,
Biel mir die alte Mähr’ gleich in’s Gedächtniß
Don Abraham, der Iſaak opfern wollte;
Wie felbit zu feinem eignen Sceiterhaufen
Das Holz der arme Knabe tragen mußte.
(Er dreht fich raſch auf dem einen Fuße um und fchwingt die Hand
\ teiumphirend über ven Kopf.)
Doch Allah fandt’ ihm einen ſchönen Engel
42 Aladdin
Zu Hülfe gleid) vom Himmel. Allah Hilft,
Sobald die Noch am größten ift! Nicht wahr?
Noureddin verwirrt.)
Das Schickſal lenket Alles unergründlid.
Aladdin.
Der gute Iſaak war doch, mit Erlaubniß,
Ein wenig gar zu dumm, daß er nicht gleich
Des Vaters liſt'ge Pfiffe merken konnte.
Das ſollt' ich nur geweſen ſein! Potz Wetter!
Doch das iſt wohl nur ein erfundnes Mährchen?
Noureddin
Wahrſcheinlich. Lege nur das Bündel bin.
Dann fchlag’ ich Feuer, — Aber nody ein Wort:
Dom erften Augenblid, als ich Did) fah
Im Turban geftern die Drange fangen,
Hielt id) Dich gleicdy für einen tücht'gen Iüngling,
Der männlich ſolche Weiberangft verfpattet
Und gern ein Abenteu'r beftehen will.
Aladdin,
Wenn diefes Eure Meinung ift, Herr Vetter,
So habt Ihr Eud) aud) nicht betrogen, hoff’ id).
Noureddin,
Wohlan, fo will ih Dir ein Schauſpiel zeigen!
Du wirft Dich herzlidy freuen und mir danken.
Wenn diefes Neifig brennt, wenn Räucherwerk
Darauf geworfen, wenn das Wort geſprochen —
Bebt gleich die Erde; und ift das geſchehen,
Hebt fih) aus ihrem Schooß ein Marmorftein,
Viereckig, mitten drin ein Eifenring;
Den hebeft Du herauf mit wen’gen Kräften,
Indem Du leife bei Dir felber nennit
N;
|
| /
H oder die Wunderlampe.
- Des Vaters, des Großvaters beige Namen.
j Iſt weg der Stein, dann fiehft Du eine Treppe,
Die fteigft Du gleicdy hinunter, Fürchte nicht
Die dunkle Finfterniß; bald leuchten wieder
- Der Höhle Früchte, ſchöner, Heller funkelnd,
Als dieſe heiße, gelbe Schwefelſonne.
Erſt trittſt Du ein in drei erhabne Grotten,
Wo Gold» und Silberadern mächtig bligen,
Gediegen aus den harten Felfenwänden.
Geh? dies vorbei und rühr’ es auch nicht an;
Es ſitzt zu feſt, verliert dadurd) die Zeit.
Wenn Du durd diefe Zimmer nun gegangen,
Stehſt Du in einem Garten. Edens Garten
War nicht fo ſchön! Vielleicht doch war's derfelbe,
Der dort ſich nach dem Sündenfall verbarg.
Die herrlichſten und ſtrahlenreichſten Früchte,
Mit gauz verſchiednen Farben: rothe, blaue,
Grasgrüne, weiß' und gelb', violige,
Wie Ohrgehänge einer Sultanin,
Aus Edelſtein, erfreuen dort das Auge.
Wie gerne ging' ich mit! An einem Tage
Darf Einer aber nur das Glück genießen.
Wohlan, ich opfre Dir die eigne Luft!
Was ich für meine Güte nur verlange,
Iſt, daß den Garten Du durhwandern follft
Zur Mauer hin, im dunkeln Hintergrunde.
Da hängt in der beräucherten Vertiefung
So eine alte Kupferlampe. Die
Sollſt Du mir nehmen! Wie ih Dir gefagt,
Ich bin ein Freund von alten Scnurrpfeifrein,
Ich ſammle ſolche närr'ſche Siehenfachen!
OT ER EN
43
ww: Aladdin
Sp hat die Lampe, ohne Werth bei Andern,
Doch einen felöftgeträumten Werth für mid).
Henn Du zurüdgehft, darfit Du immer pflüden,
Ep viele Früchte Du nur tragen Bannft.
Sei aber hurtig nur und bring’ die Lampe!
Aladdin,
Schön, lieber Better, id) bin fertig fchon.
Noureddin
(nimmt eine Schachtel hervor mit Räucherwerf und wirft etwas da-
von in’3 Feuer, Gleich darauf hört man einen dumpfen Donnerfchlag;
ein Blitzſtrahl Fchlägt in Die Erde, wo das Räucherwerk brennt; die
Erde bebt; ein großer, viereckiger Marmorftein fteigt herauf, horis
zontal mit der Erd- Oberfläche, in deſſen Mitte ein großer, eiferner
Ring befeftigt if.)
Nun friih, Aladdin! Augenblicklich! Hurtig!
Aladdin (angſtvou)
Ach nein, Herr Vetter! Allerliebſter Vetter,
Verſchonet mi! Ich kann es nicht, idy zitire,
oureddin
Cichlägt ihn, daß er hintaumelt.)
Erbärmlicher, elender Bube! Wie,
Willſt Du mid) ärgern? Hab’ ich Deinetwegen
Sold eine ſchwere Arbeit unternommen,
Daß Du, verzärtelt wie ein banger Schooßhund,
Mißtrauiſch zittern ſollſt, wenn ich Dich ftreichle?
Gleich faß' den Ring! Ha, oder bei'm Propheten
Und bei dem großen Salomon, ich feſſ'le
Did an den Stein und reife wieder fort,
Und laſſe Did) zum Naub der Feliengeier! ,
Aladdin.
Ach, liebfter Vetter, feid doch nicht fo böſe;
Ich will ja gern gleich thun, was Ihr befehlt.
oder die Wunderlampe. 45
Nouredd in (fast fi.)
| Nun ja, dann will ih Did) auch glücklich machen.
- Du weiches Herz! Stehn nicht die Thränen ihm
| Schon in den Augen?
(Streichelt ihm die Wange.)
Schäme Did, Aladdin,
Sei ein vernünftger Menfd; dann follit Du immer
In mir den Fiebevollften Vetter finden.
Ic) ftche Dir ja jest an Vaters Stelle;
Drum ift es meine Pflicht, Did) zu beftrafen,
Wenn Du’s verdienft. Es iſt ja Alles nur
Um Deines eignen Beften willen. Komm’,
Komm’ nun, und zeige Deine Dreiftigkeit,
Und faß’ den King, und nenn’ des Vaters Namen,
Und feines Vaters.
Aladdin Centfchloffen.)
Nun denn, wie Ihr wollt!
(Gr fpricht leife für fich, feflet drauf den Ring und zieht, vermag
aber den Stein nicht zu heben.)
Noureddin
(bei Seite, indem er erfchrocken zuruckfährt.)
Was iſt denn das? Allmächtiger Prophet,
Mißlingt der Zauber? Hab’ ich mid) geirrt?
Aladdin (mit filler Berwunderung.)
Ja, dacht' ich's nicht!
Noureddin.—
Was dachteſt T Du, Verworfner?
Haſt Deines Vaters Namen Du genannt?
——— —
Aladdin.
Aus Achtung gegen Eud), mein beiter Vetter,
Hab Muftapha und Caſem id) genannt;
46 Aladdin
Drum liegt der. Stein fo feſt als das Gebirg.
Grlaubt Ihr aber, daß ich jebo nenne —
Verſteht fi), ohn’ im Mind’ften Eud) zu Eränlen —
Des Emirs Namen, feines Vaters Namen,
Dann follt Ihe fehen!
5 Noureddin.
Ha, fo nenne fie!
Aladdin:
(indem er wieder den Stein anfaßt.)
A Mamon und AU Sefi. — Sieh, da gehts!
Noured din (athmet wieder)
Du hatteſt Recht!
Aladdin.
Wenn wir’s genau betradıten,
So wären wir auf diefe Art und Weife
Nicht einmal Vettern.
Noureddin.
Nun, fo find wir Freunde,
Seht eile nur und hole mir die Lampe !
Aladdin.
Das ift ja eine breite Marmortreppe!
Da fieht es nicht gefährlid aus; und dort
Sch’ id) ſchon Licht! Es ift doch fonderbar,
Jetzt fürcht' ich nidyts, da ic) im Loche ftche.
Erſt hapert's, unter.ung gefagt, ein wenig.
Es muß nun biegen oder brechen.
Noureddin.
Vergiß nur nicht Die Lampe!
Aladdin.
Seid nur ruhig!
(Er will hinunter fteigen.)
Brav;
oder die Bunderlampe. 47
Noureddin.
Noch eins! Steck' dieſen Ring an Deinen Finger,
Er ſchirmt vor Allem, was begegnen könnte”
(Er nimmt einen Ring von feinem Singer und fteckt ihn an Aladdins.)
{ Aladdin.
Schön, lieber Vetter, laſſet mid) nur mad)en!
(Ab.)
Noureddin
(ollein, ernft und feierlich.)
D Muhamed, erfreue Deinen Knecht!
IH ſchlug Aladdin, um ihm gleich Gehorfam
Anzugewöhnen. Denn freiwillig muß
Er, ohne Furt und Drohung, mir die Lampe
Noch drunten aus der dunkeln Höhle reidyen,
Iſt gänzlich er mit ihr emporgeftiegen —
Gehört die Lampe ihm! So will das Scidfal.
Und ein Mal zugefhloffen, ift der Berg
Nicht mehr zu öffnen. Seltfames Verhängniß!
Wohlan, id) will mein Schidfal hier erwarten.
Die Loofe ruhen in verſchloßner Une —
Ha, fünnen fidy die Geifter drauf befinnen,
Ob Zufall oder Fleiß jetzt foll gewinnen?
48 Aladdin 2 -
Zweiter Aufzug
Ein unterird’fcher Garten blüht, im Berge tief verfchlofien,
Bo viele Büum’ aus blanfem Er; mit ihren Zweigen iprofien.
Aus Kupfer, Eifen, Zinn und Blei, fich hoch die Wipfel heben;
Und feltne Frücht' auf jedem Aſt im MWunderglanze beben.
Denn etliche find weiß, wie Milch, und flarer als Kryſtallen;
Blutrothe welche; andre blaß errothen, wie Korallen.
Und grün, violig, blau und gelb und braun, verfchiedner Arten,
Im Funfelfcheine glänzen Flar, in diefem ſchönen Garten.
Die weißen Früchte Perlen find, die klaren Diamanten.
Hubinen lodern roth im Blut mit fcharfgefchliffnen Kanten.
Emaragden find das grüne Gras, Saphir’ im blauen Lichte
Erblühen bei den Wurzeln dort, fo wie Vergigmeinnichte.
And rundum, wo Dad Auge fchaut, da mifchen fich Achaten
And Amethuften veilchenblau, und glühenden Granaten.
Ein kleiner Bach ſich ichlängelt drein und fingt mit heifrer Kehle,
Andentlich ift das Wellenwort, verftändlich Doch Der Seele.
Und drinnen an der fchwarzen Wand, die Hauch und Dampf bemalen,
Da brennt die Lampe wundervoll mit ihren ſtillen Strahlen.
Sie macht die ganze Wolbung hell; denn flammt fie fchon alleine,
Bricht Doch dag Licht fich taufendfach auf Gold und Ebdelfteine.
Chor der Berggeifer.
Der Donner brauſt,
Es fiel der Blitz;
Der Sturmwind ſauſt
Im Felſenritz.
u An
oder die Wunderlampe.
Stimmen (anft und fer.)
Das ſchöne lebendige Leben
Naht fid) der todten Natur;
Das befte Kleinod wir wollen ihm geben,
Die fchönfte Blum’ auf der Felfenflur.
" Stimme von der Lampe.
Sp foll mein Strahl gen Himmel wallen,
In voller Freiheit, voller Madıt,
Und länger nicht die öden Hallen
Erleuchten nur zur eiteln Pracht? —
Schon hör’ id) fern des Helden Tritte,
Er naht ſich dem Karfunfelhain;
Bald aus der Todesftille Mitte
Wird ew’ge Weisheit mid) befrei'n.
Stimmen von den Bäumen.
Du gehſt und läßt uns hier allein im Trüben!
Dann ftrahlen unfre Früchte Länger nicht,
Wo ift die Schönheit, wo der Glanz geblieben,
Menn aus der Höhle flieht dein Zauberlicht?
Stimme von der Lampe.
Gebt euch zufrieden nur, ihr bunten Steine!
Ein neues Licht wird bald fid) wieder zünden.
Ich flamme nicht allein im Felienhaine,
Ein ew’ges Feuer brennt in fiefen Gründen.
Erſt ftieg Prometheus auf, jegt ſteigt er nieder
Und raubt das Licht, des Lebens Blüth' und Kraft;
Und Ddin durd) Gunlödens Liebe wieder
Den fhönen Trank fid) aus dem Berg verihafft.
Aladdin
' (kommt herein, ftust und ſieht fich um.)
Ad, weldy ein feltner Garten! Alle —
Dehlenſ. Schriften. X. 4
49
5) Aladdin
Boll reifer fhöner Früchte. Rothe Aepfel,
Und Purpur-Pfirſiche, und grüne Pflaumen,
Und Fear Drangen, weiße Stachelbeeren,
Und Trauben! Ein’ge völlig himmelblau,
Und andre Far, fo wie das reine Waſſer.
Wie Hold das Bächlein fid) durch Alles windet!
Ach, Schade, daß bier feine Vögel find,
Die in den grünen Zweigen fingen könnten.
Sp ftill ifrs überall Wie artge Blumen!
So gelbgefräufelt wie das rothe Gold.
Ha, welde hohe Lilien! Wie fie ftrahlen,
Als wenn aus Silber jedes Blatt geſchmiedet!
Ich will an eine riehen, — Niedyen nicht!
Ei, warum haben fie doch feinen Duft? —
Nun, das ift wahr, das muß ic) felbft geftehn:
Der Better hatte Recht, dergleichen Sachen
Verdienen wohl in Augenfchein genommen
Zu werden. — Sieh’ einmal, da hängt die Lampe!
Wie wunderlid) fie mit dem ftarfen Scyeine
Doch Alles überglänzt und ſchön erleuchtet,
Mein Vetter ift ein recht Euriofer Mann.
Was will er mit der Lampe? Diefe Früchte
Sind dod) weit beffer, herrlicher. Hilf Himmel,
Solch eine Traube hab’ ic) nie gefehen;
Sp groß wie die; ad), fie wird ſüß erquiden.
Ich bin fo durftig! — Die will ih mir pflüden!
Der Better hat es mir erlaubt. — Wie nun?
O weh, 's ift Beine ordentliche Traube,
Sie ift aus Glas nur! — Ja, da haben mwir’s!
Vielleicht wird diefe vothe beſſer ſchmecken. —
Wie? Auch nur Glas? Hab’ id) mein Tag gefehn!
- ee VE Zu Wr
oder die Wunderlampe.
Der ganze Schyaß ift ein gefärbtes Glas.
Ha, ba, ba, hal Das ift. dod) gar zu närriſch.
(Beinerlich.)
Ic) glaubte, daß es ſaft'ge Früdte wären,
Und Steine find’s- Ha, weldye Narrenspoflen! —
Sp wird’s am beften fein, in aller Eile
Nach Haus zu kehren; ift das Effen da
Auch karg und ſchlecht — man kann es doch genießen.
Doch wunderſchön find diefe glatten Steine.
Die Jungen werden große Augen madıen,
Wenn ſolche Herrlichkeit ich ihnen zeige.
Ich pflücke mir, fo viel id) tragen kann. —
Seht bin ic), meiner Tre‘, fo ſchwer bepadt,
Wie ein Kameel, das durd) die Wüften zieht.
Und fomit fort. — Doc) halt, da hätt’ ich ja
Beinah’, die ſchöne Lampe ganz vergeffen.
Dann würde mid) der Vetter ernftlicdy klopfen.
(Er nimmt fie aus der Vertiefung heraus.)
So fomm’ denn ber, du alter Rumpelkaſten!
Ständ’ es bei mir, ich ließ did) lieber hängen.
Ich löſche nicht das Feuer, ch’ ich wieder
Das Tagslicht durch die Deffnung fehen kann.
(Sieht fich noch ein Mal um.)
Die Höhle ift doch wahrlich allerliebft!
Da hängt nod) eine, die fo bläulich glänzt,
Die kann idy gern noch mit den andern tragen.
Und nun Ich’ wohl, du hübſche Glasboutique,
Jetzt muß ic) gehn; der Vetter wartet mein.
(Ab.)
52 Aladdin
"Der enge Paß zwifchen den Felſen.
Noureddin
(feht am Eingange der Höhle, beugt fich drüber hin und horcht.)
Da kommt er ſchön, id) höre feine Tritte;
Er trägt wohl eine ſchwere Laſt. Die Steine
Siehn ihn hinunter, wollen ihn behalten!
Das mögen fie. Wenn id) die Lampe habe,
Werf' ic) dies Räucherwerk in’s Feuer, fage
Das Sauberwort — ſo ſchließt ſich Alles: wieder.
Dann quält die Angft mid unaufhörlich nicht,
Daß mein Geheimniß durd des Knaben Einfalt
Entdecket werde, deflen Seele Idem
Wie eine leere Schachtel offen ſteht. —
Gr kommt? Wohlan, das Schickſal wird entfcheiden !
Aladdin
(noch in der Höhle.)
Sie bin ich, Better! Neicht mir Eure Hand:
Hier iſt's fo fteil.
Toureddin,
Gieb mir die Lampe nur,
Mein lieber Sohn; dann will id) gleich Dir helfen.
Aladdin,
Ich trage von den hübſchen Steinen hier
Sp viel in meinem Kaftan, und die Lampe
Liegt drunter. Helft mir erft nur ganz hinauf!
Noureddin,
Ei, dummer unge, gieb die Lampe her
Und laß den Plunder fallen! Kommft Du wieder
Mit Deinen Kinderpoffen? Her die Lampe!
bes
oder die Bunderlampe. 53
Aladdin
(verdrießlich, fie fich.)
Erft muß man wie ein Narr binunterfteigen,
Ihm eine roft’ge Lampe herzuholen;
Und, wenn man das gethan und auf dem Wege
Sid) ein’ge hübſche Steine aufgelefen,
Darf man fie nit einmal nad) Haufe tragen.
$ (Laut.)
Ihr Priegt fie nicht, eh’ ich hinaufgefommen!
Noureddin.
(fadt ſich; mit fanftem Tone.)
Mein-Sohn,' nimm nur Dein Spieeug aus dem Kaftan
Und reiche mir die Lampe gleih! Du fannft
Die Steine wieder fammeln.
Aladdin.
Lieber Gott,
Wie könnt Ihr das verlangen? ’S ift ja beffer,
Zu warfen, bis id) ganz binaufgefommen.
Es ift aud) feltfam, ich begreife nicht,
Wie ſich die Treppe fhnell verborgen hat.
Kommt hurtig, Better, gebt mir Eure Hand!
i Noureddin.
Das thu' ich nicht, eh’ ich die Lampe habe.
} Aladdin (aufgebracht.)
So Bann ich Elettern ohne Eure Hülfe.
(Er ift Heinahe aus der Höhle,)
Noureddin
Moßt ihn erſchrocken und erbittert vor die Bruſt, fo daß er Hinuns
terftürgt, wirft das Räucherwerk in's Feuer und ruft:)
Schließt wieder euch, ihr harten Felfenwände !
Er foll nicht ernten meiner Mühe Frucht.
24 Aladdin
(Das Gebirg verichließt fich. Er fchaut ſtarr und lange auf den ver-
ſchwundenen @ingang. Darauf holt er tief Athem und fegt fich er-
fchöpft auf einen Felfenbloc.)
Was fagte mir des alten Sängers Lied?
„Du greift — die Hoffnungsthüre ſchließt ſich zul" —
Weswegen hab’ ich mid, fo übereilt?
Welch böfer Geift regierte mein Gemüth?
Es ift gefhehn — und geht nicht mehr zu ändern.
Dies Glück war alfo nicht für mid beftimmt.
(Er fteht raſch auf.)
Doc) ich bin zur Verzweiflung nicht gebracht:
Natur ſoll weichen vor des Willens Macht.
Ich eile wieder heim nach Afrika,
Beginne gleih mein Grübeln wieder da.
Durch angeftrengten Fleiß erfcheint die Kraft
Und wird ein Sklav' von meiner Wiſſenſchaft.
Hier iſt's vorbei und vollig aufgegeben. —
Verwegner Knabe, büße mit dem Leben!
(Qb.)
Dial) er Hi DR
Yladdin
(tappt herum im Dunkeln, ſtößt fich und finft ohnmächtig nieder.)
Ach, lieber Vetter, macht doch wieder auf!
Ich will gern Alles thun, was Ihr verlangt!
Ach, Herzensvetter, madıt dod) wieder auf! —
Er ift ſchon weit davon. Ad) Gott, weit weg!
Wie lange wein’ id) ſchon, id armes Kind,
In diefem fchauerliden, dunkeln Keller!
Ha, Du bift nicht mein Better! Nein, Du biſt
Ein arger, niederträcht'ger Zauberer,
oder die Bunderlampe. 55
Der junge Kinder nur verführen will.
Du freueft Dich an ihrem Untergang,
Du bleiches Scheufal! — Heiliger Prophet,
Erlöſe mid) aus diefer bittern Noch!
Ich habe keine Milfethat begangen,
Die ſolche ſchwere Züchtigung verdiente.
Der Vater ſtarb — was kann denn ich dafür.
O lieber guter Allah, rette mich
Und laſſe mich nicht hier vor Hunger ſterben!
(Er verſinkt einige Augenblicke in ein ohnmächtiges Schweigen und
horcht; darauf ſagt er ruhig mit einer kindlichen Zerftreuung:)
Wie wunderlid der Bad), im großen Garten
Da drinnen, rinnt und fingt, und fingt und rinnt.
So flog er fhon feit vielen Jahren hin,
Eh ich geboren ward, viel’ Hundert Jahre.
Hör, wie er von dem weichen Tropfftein tröpfelt,
Don hoher Dede! Wie es immer plumpt,
Derfelbe Ton beftändig: plum, plum, plum!
Nimmt es denn gar fein Ende? — Immer nod)?
(Der einförmige Ton fingt ihn nach und nach in einen füßen
Schlummer.)
Zwei Berg-Mädchen }
Cichleichen fich leife durch eine Felſenkluft hervor. Jede hat eine
brennende Kerze in der Hand; fie neigen fich über Aladdin und be-
trachten ihn zärtlich.)
Erfte deife,)
Sicht Du den Knaben, wie fdylafend er lacht?
2 Zweite Cmitleidig.)
Wer hat das fteinharte Bett ihm gemacht?
Erſte.
Welche Glückſeligkeit hier in dem Berg!
56 Aladdin
Zweite,
Schön, fo wie er, ift nicht Elf oder Zwerg.
Erfte.
Ach, wie er blüder!
Zweite,
O felige Luft!
Erfte.
Seufzer entiliehen des Schlafenden Bruft,
(Sie küſſen ihn.)
Zweite.
Süßeſter Kuß!
Erſte.
Wie die Wangen ihm glühn!
Zweite.
Still, er erwacht.
Erſte.
Ach, dann müſſen wir fliehn.
(Sie verſchwinden wieder.)
Aladdin
(fährt zuſammen und ficht fich um.)
Wie? Immer no in diefer dunfeln Höhle?
Ha, welche kalte Leichenlippen rührten
Die meinigen? Mid) hat der Tod geküßt;
Denn gräßlich Hlagt der Hunger. Ha, verdammte
Sraufame Früchte, nur aus Glas und Kiefel,
Die ohne Sättigung den Hunger reizen!
(Er fpringt auf.)
Ich will mir Waffer aus der Quelle fhöpfen. —
Ich kann nicht? Eine ſchroffe Scheidewand
Iſt zwiſchen mich und ſie gefallen. — Gott!
O Allab, dann erbarm' Dich meiner Seele!
oder die Wunderlampe. - 57
(Gr fößt den King, den Noureddin ihm an den Finger geſteckt, ‚ges
gen die Felfenwand; ein Fünfchen fpringt aus dem Stein, bleibt auf
dem Boden brennend liegen und erleuchtet die Höhle.)
Der Geift des Ringes
(erfcheint in Riefengeftalt und fragt mit dDonnernder Stimme :)
Sage, was willft Du mir?
Ich muß gehordhen Dir.
Du haft Gebieterrecht,
Ich bin Dein treuer Knecht.
Nicht muß nur ic allein,
Herr, Dir gehorfam fein;
Alle die Sklaven, die
Dienen dem Ring allhie,
Richten an jedem Dre
Eid) nad) dem Zauberwort!
Aladdin
- (auf den Sinieen mit gefalteten Händen.)
Ach, fürdterlihe Macht, fofern du kannſt,
Und wenn ein armes Kind du retten willft,
Dann führe mid) aus diefer ſchlimmen Höhle
Nach meiner Mutter Haus in Ifpahan.
Der Geift.
Herrſcher und Meifter,
Heiſche nur frei,
Mächtige Geifter
Stehen Dir bei.
Bald auf den Schwingen,
Schnell und bereit,
Werd’ ich Dich) bringen
Ueber Kaufafug, weit;
Ueber Fels und Kluft,
58 Aladdin
Bergunter, Dergan;
Ueber Wald, durch die Luft,
Nach Iſpahan..
(Er verſchwindet mit Aladdin.)
Bor einem Thore von Iipahan.
Früher Morgen, Sonnenaufgang ; Aladdin allein, mit den Taſchen
voll Edelfteine der Höhle.
Aladdin.
Es ſchwindelt mir der Kopf. Nein, ſolche Reife
Hab’ id) im Leben nimmer noch gemacht.
Er nahm mid) um den Leib; es war, als wenn
Im lauen Bad das Waffer mic) umwallte.
Wie hoch flog er im Elaren Mondenſcheine!
Und wie die Erde feltfam Eleiner ward.
Das große Iſpahan, mit feinen Lichtern,
Die in der Ferne nad) und nad) verlöfchten,
Sah wie ein Stück verbrannt Papier nur aus,
Wo ſchnell die Knaben aus der Echule gehen.
Er fhwang fih hin mit mir, im weiten Kreife,
Um recht im Klaren Zauberlicyt der Nadıt
Die weitgedehnte Erde mir zu zeigen,
Vergeſſe nie, wie über Kaufafus
Er flog und auf des Berges Gipfel ruhte,
Und ftürzte ſich drauf ſchräg in’s Land hinunter,
Als wollt er tief mid) in den Euphrat tauden.
Fern floh ein großer Dreimaft vor dem Sturm
Im ſchwarzen Meere; dorthin flattert er,
Berührte mit der Zeh' des Maftes Spibe,
oder die WBunderlampe. 59
Und drauf ſich ftügend feſt, wie eine Säule,
Etredt’ er midy mit der Hand hinauf gen Himmel,
Als fußt' er auf dem fihern Erdengrund.
Drauf, als der Mond, wie ein Gefpenit fo blaß,
Bei'm erften Glühn der Morgenfonne ſchwand,
Verwandelt' er ſich flugs zur Purpurwolke
Und fenfte fanft fi) wie der Morgenthau
Mit mir zum Stadtehor, in die Eleinen Blumen.
Drauf wieder‘ umgezaubert, eine Lerde, . {
Etieg und verfchwand er zwitfchernd in der Luft.
Ad, id bin mid, ohnmächtig; will nad Haufe.
Mie wird die Mutter große Augen maden!
Ach, hätte fie nur Brot genug, denn id)
Bin hungrig; id; bin ganz entſetzlich hungrig!
(Ab.)
— 6 €
Morgiane. Aladdin (ſizt bei Tiſch und ißt.)
Morgiane.
Mein Sohn, iß langſam! Schlucke nicht das Eſſen
Zu hurtig 'runter! Hal ein wenig inne!
Trink' mal! Verſchütte nidyt das liebe Gut,
Beflede nicht den Kaftan mit dem Fette!
Ad) lieber Gott, man hat doch nichts als Kummer
Bon feinen Kindern! Wem Gott Kinder ‚giebt,
Dem giebt er Herzeleid.. Nun dacht' id doch
Gewiß, dag wir die Neth beftanden hätten,
Daß Du gewiß was Großes werden würdeft,
Daß immer ich bei Dir, wenn Du ein Kaufmann
-
60 Aladdin
Geworden, meine Wolle kaufen Eünnte,
Warum nicht gar? Ad), Allah, ftrafe Did),
Du böfer Zaußrer, für den ganzen Handel !
Aladdin
Ta, Mutter, war e8 niederträdhtig nicht?
Mid) einzuferkern? Ohne Mitleid mid)
Dem graufen Hungertod zu überlaffen?
Morgiane (aufgebract.)
Und was nod) ärger war: Did) hinter’s Ohr
Zu ſchlagen, daß Du fait umpurzeln mußteft.
Der Nafeweis! Wer hat ihm denn erlaubt,
Die Kinder fremder Eltern zu beftrafen?
Der ſchlechte Menſch!
Aladdin.
Ia, liebe Mutter, feht,
Geſchehen ift gefhehn und wird nicht anders.
Dagegen bin ich immer nod) fo hungrig,
Daß abfolut ich noch was effen muß,
Morgiane,
Ach, liebes Kind, da ift nichts mehr im Haufe.
Ic Hatte Dir mein Abendbrot geſpart,
Und Hoffte, daß genug Du daran hätteft.
Geld hab’ ih auch nicht, um Dir mehr zu ſchaffen,
Bis ich das Garn verkaufe, das id) fpinne,
Aladdin.
Das ift fatal im höchſten Grad. Ich habe
Noch immer einen großen Appetit
ad) der Motion. Doc) ftill, es wird fid) geben!
Behaltet Euer Garn nur, liebe Mutter,
Und reicht mir her die alte Kupferlampe,
Die aus dem Berg ich mitgebracht. Soviel
oder die Wunderlampe. 61
Giebt immer mir dafür ein Kupferſchmid
Dog zwei Mal für das Geld wir eſſen können.
Morgiane.
Hier ift fie. Ad), wer follte fie wohl kaufen!
Sie fieht ja aus, als hätte hundert Jahre
Sie in der Erd’ am felben Dit gelegen.
Es müflen rechte Schweine fein, die Elfen,
Die in den Bergen wohnen! Kaum entdeckt man,
Das fie aus ordentlihem Erz gemadıt.
Ich will fie doch ein wenig erft poliren.
Und kannft Du dann viclleidyt fie noch verkaufen,
Dann ift es gut; mo nicht, dann mußt Du warten
Und hübfd) den Appetit bis morgen zähmen.
(Sie nimmt ein Tuch, macht es naß, reibt es im Sande und fängt
an zu fcheuern.)
Der Geift der Lampe,
(ein fchon gebildeter Rieſe, fteigt aus dem Boden herauf und ruft:)
Scheure nicht fo gar gewaltfam! Sichft ja wohl, id) zau⸗
dre nicht.
Hurtig bin id), wenn Du rufeft; hurtig mie des Blitzes
i Licht.
Und nicht ich allein: in Demuth neigt ſich jeder Erdengeift,
- Wenn Du ihm, der Lampe Herrin, etwas auszurichten
heiß'ſt.
Morgiane (fault in Ohnmacht.)
Ach, heiliger Prophet! Ach, rette, rette!
Aladdin
(erholt ſich von feiner Angſt, greift nach der Lampe und fagt:)
Ad, id) bin mächtig hungrig, lieber Teufel!
Kannit Du mir eine Mahlzeit jest verfchaffen,
Dann werd’ ih Dir rin ander Mal mit Allem
Gefällig fein, was nur in meiner Macht ſteht.
62 Aladdin
(Der Geift verſchwindet, erfcheint aber gleich wieder mit einem gro»
gen filbernen Becken auf dem Kopfe, worin zwölf filberne Echüffeln
vol herrlicher Gerichte, Sechs weiße Brote liegen auf den Tellern;
er hat auch zwei Flafchen mit Föftlichem Weine und zwei Gläfer mit:
gebracht. Alles Diefes fest er auf den Tiſch und verfchwindet wie-
der. — Aladdin betrachtet einige Augenblicke dieſe Erfcheinung.
Endlich giebt der Appetit ihm Muth; er geht langfam zum Zifche
hin, hebt einige Deckel von den Schüffeln auf, und fagt darauf voller
Freude und VBerwunderung, indem er nach und nach Alles muftert:)
Wie? Braten? Suppe? Wohlgefochter Neis?
Backwerk und Frühe? Fiſch und aud Fafanen,
Mein Leibgeriht? — Das nenn’ ich einen Geift,
Der ſich auf den Geſchmack verfteht. Das wird
Mir ſchmecken. Ic bin eben aufgelegt.
(Plöglich bange.)
Doch, großer Muhamed, 's ift doch nicht wieder
Nur gläfern, wie die Frücht' im Saubergarten?
(Er ſteckt ein tüchtiges Stück in den Mund.)
Hein, Gott ſei Dank! ’S ift ein natürlih Effen
Non gutem Fleiſche, leder zubereitet.
(Er fest ſich an den Tifch.)
Nun denn — in Allabs Namen! Aber wo
Blieb denn die Mutter? Ad, fie fiel zu Boden,
Da fid) der große Kiefe fehen Tief.
- (Ruft.) j
He, Mutter, fteht dod) auf und fommt zum Eſſen!
Gr ift fon weg. He, Mutter, ſteht doch auf! —
Eie will es nicht, fo muß idy es wohl thun.
Nun faß ic eben bier fo ſchön.
(Verdrießlich, indem er auffpringt.)
Es giebt
Doch nichts Vollkommnes hier im Iammerthale!
(Er fehüttelt fie.)
oder die WBunderlampe. 63
He, Mutter! — Wie kann das Euch nur vergnügen,
Im Etaube da zu liegen? Wie? Mein Gott,
Sie ift doch nidyt geftorben? Lieber Himmel,
Dann wär’ ich vaterlos und mutterlos!
(Gr läuft zum Tifche hin, holt eine Wafferflafche, fteckt zugleich etwas
vr. in den Mund, kommt zurücd und gießt ihr die ganze Flaſche
in's Geficht.)
Ach, liebe Mutter, nehmt Euch dod) zufammen ;
Wenn, wie der Vater, Ihr geftorben feid,
Dann ſchmeckt mir künftighin Fein Biſſen mehr.
[ i Morgiane
Cichlägt die Augen auf.)
Ad, gnädigfter Herr Geift, erbarmt Euch meiner!
Aladdin.
Er ift ſchon weg. Könnt Ihr denn nicht einmal
Eur Kind von einem Geiſte unterfcheiden?
Lorgiane.
Aladdin, fahft Du die Erſcheinung aud)?
Aladdin.
Ja freilich!
Morgiane.
Ad, es war Dein fel’ger Vater,
Menn ich nicht irre.
Aladdin.
} Freilich irrt Ihr, Mutter.
En groß ift nie ein Schneidergeiſt gewefen, -
Das fünnt Ihr immer nur aufs Wort mir glauben.
- Morgiane (richtet ſich auf.)
Wo blieb er denn?
64 Aladdin
Aladdin.
Er hat fidy gleidy beurlaubt,
Sobald er dieſes Effen uns gebracht.
Mor giane.
Wie, hat der Geift dies Alles hergebracht?
Aladdin.
Ia, liebe Mutter; freut Eud) dody!
Morgiane.
Mein Sohn,
Wirf's in die Scyinderhöhle, ſpute Dich!
Aladdin.
Nein, ic) bin nicht verrüdt. Kommt, Mütterchen,
Und foftet mal, wie herrlich Alles ſchmeckt.
Morgiane.
Nichts will ich ſchmecken, nicht den kleinſten Bien.
Ach, ad, nun hab’ ich Vieles in der Welt
Grfahren; idy bin alt und habe Mandyes
Im Leben fhon verfuht; doc, fo was ift
Mir nody bis heute nimmer vorgekommen.
Man lernt doc) jeden Tag, fo lang man lebt.
Sag’ aber, lieber Sohn, wie ging es zu,
Daß diefes ſchauerliche Schickſal herfam?
Aladdin.
Es kam, weil Ihr die Lampe feheuertet,
Morgiane,
Wie, ift die Lampe Schuld an diefem Unglüd?
So geh’, verkaufe fie, verkaufe fie!
Ich ruhe nicht, fo lang ich weiß, daß fie
Noch bier im Haufe ift.
Aladdin.
Wie, Müttercpen,
oder Die Bunderlampe. 65
| Die Lampe jest verfaufen? Solden Schatz?
Nein, liche Mutter, nehmt Euch doch zufammen;
Ihr fafelt noch im Fieber! — Unglück? Ja
| Fürwahr, das iſt ein ganz erſtaunlich Unglück:
Faſanen zu erhalten, Braten, Kuchen,
Und jede Seltenheit der Jahreszeit,
Wenn ich das Rieſenwerk nur unternehme,
Den Grünſpan von der Lamp' ein wenig reibe!
Morgiane.
Ach, lieber Sohn, ich bitte Dich, mein Kind,
Nimm Dich in Acht, es iſt nur Teufelei;
Und hat uns der Prophet nicht ſtreng verboten,
Mit ſolchen Teufeln uns gemein zu machen.
Aladdin.
Ic habe ftets gehört: die Teufel feien
Gar böfe Leut’; der unfrige dagegen
Iſt fo Honett, daß er zur Noth fogar
Für einen Engel gern paffiren könnte.
Semad), wenn idy nicht irre, bat ung der
Prophet mit diefer Lampe hoch beglüdt.
Ha, jebt begreif? ich erft, warum der Zaubdrer,
Der Schelm, auf fie fo fehr verfeflen war,
Und warum er Schnurtpfeiferei fie nannte.
Ich hab’ vorher einmal fo einen Geift,
Gefehen — Gott mag wiffen, wie er kan,
Ich muß die Lampe wohl gerieben haben, —
Ihm nur verdane id) die Befreiung aus
Der finftern Höhle. Spott und Schande wärs,
Das Gute nur mit Böſem zu vergelten,
Und Geifter zu verachten, die uns beiftchn,
- Wenn wir am meiften es benöthigt find.
Oehlenſ. Schriften. X.
66 Aladdin
Seht mal, die fhöne Schüſſel! Alles Silber!
Nun will id einen von den Tellern nehmen
Und hurtig draußen in der Stadt verkaufen;
Und immer fo, bis Alles ic) verfauft;
Denn, wie Ihr wohl begreift, es ſchickt fi) nicht
Den Geift zu rufen eh’r als nöthig ift.
Kommt, Mutter, nehmt dod) aud) ein wenig zu Euch.
Morsgiane '
Ic kann nad diefem Schreden nichts genießen.
Thu' übrigens, mein Sohn, was Dir gefällt;
Ic waſche meine Hände; habe keinen,
Gar feinen Theil an diefen Herereien,
Aladdin.
Das follt Ihr audy nit. Seid nur immer munter.
Nun geh’ ic Hin den Teller zu verkaufen.
(Ab.)
S a AZ FI 2
Aladdin mit einem filbernen Zeller; ein alter Jude,
Jude.
Ei, ſchönen guten Morgen, junger Herr,
Giebt's was zu ſchachern? Wie ich merke, ſteckt
Da hinterm Kaftan was; will ers verkaufen,
So komm’ er nur! Ic) kann fo gut wohl fein
Wie jeder andre Käufer; iſt's nicht wahr?
Aladdin.
Das wird fi) zeigen. Sage mir, was giebft
Du für den Silberteller?
Jude
(greift begierig darnach.)
Silberteller.
oder die Wunderlampe,
Barum nidyt gar? He, he, mein junger Freund,
Sinn, Zinn ift aud Metall. Laß er mal fehn!
Aladdin.
Ich gebe nicht den Teller aus der Hand,
Ch Du mir ihn bezahlt. Ic kenne wohl
Die Juden, könnteft laufen, wenn Du’n häfteft.
Und fagen, daß er Dir gehörte.
Jude,
Herr Gott,
Wie kann Er fo die Redlichkeit verfennen?
Na Sag”, was will Er für den Teller haben?
Aladdin.
Was willft Du geben?
Jude.
Ach verſteht er ſich
Nicht beſſer auf den Handel, Freund? Der Kaufmann
Sagt erſt die Preiſe her, drauf dingt der Käufer.
Aladdin,
Ad), ic) verfteh’ mich wenig auf das Feilfhen,
Sag’ grad heraus, was Du mir geben willft,
Sp glaub’ idy Dir aufs ehrliche Geſicht.
ude.
(betrachtet aufmerkſam > den Teller, drauf Aladdin.)
Auf's ehrliche Gefiht? Das Fann id) Leiden.
Er glaubt an Ehrlicykeit noch in der Welt.
- Er ift ein hübſcher Menſch, ein hübſcher Menſch,
Er bat fid) wohl nody nicht viel umgefehen ?
Aladdin Chusis.)
Was bieteft Du mir für den Teller, Jude?
Jude.
Na, er iſt gut; er iſt aus Silber! Aher
or
63 Aladdin
Er weiß, man kann aud) Gold zu theuer kaufen.
(Ninnt zweifelnd eine Goldmünzse aus der Taſche, um Aladdin zu
prüfen.)
Was fagt er zu nem Solchen, lieber Freund?
Aladdin nimmt fie.)
Damit bin id zufrieden.
be (bei Seite.)
Es ift Go!
Ich fürcht', er könnte wieder ſich bedenken,
Der Kauf könnt' ihn verdriegen; könnte wieder
Sein Gold zurüd verlangen; ich will Laufen!
| ab.)
Jude (euft.)
Hör’, junger Freund! — Er ift fhon weg. D wai mir
Er glaubt, es würde mid) der Kauf verdriegen.
Id Schwein, ih Lumpenhund, ich dumme Beftie!
Er hätt’ es für die Hälfte mir verkauft,
Ja für den vierten Theil, den fehsten Theil.
(Schreit )
He, halt ihn, greift den Died! — Er ift fhon weg.
Ha, alter Knaufer, dummer Einfaltspinfel!
(Er betrachtet den Teller.)
Zwar ift er ſechzig Mal fo viel wohl werth,
Als id) gegeben. Herrlich feines Silber;
Vielleicht verkauft er mehr; es muß nun gut fein.
Es ift gefhehn; was hilft es jeßt, zu winfeln?
Es iſt gethan! — Ach Mofes, welche Schmad)
Für einen alten Schelm, wie Du, von foldem
Kuck-⸗in-die Welt jetzt noch geprellt zu werden.
Ab.)
oder die Wunderlampe.
Shan.
(Kaufleute figen umher, rauschen Taback und trinten Kaffee.)
Ali und Bedreddin Cam Fenſter.)
Ati.
Eich da, dort auf der Straße kommt fdyon wieder
Der hübſche, junge Menſch, der geftern und
Borgefiern hier war; der, da drüben, mit
Dem bunten Kaftan und dem hohen Turban.
Bedreddin,
Ein hübſcher Junge.
Ali.
Wie man mir gefagt,
Soll's gar nicht lange her fein, feit man ihn
Noch mit den Gaffenbuben laufen fah.
Seit unbegreiflid) furzer Zeit foll aber
Er fid) fo fehr verändert haben, daß .
Man kaum ihn wieder kennt; nun geht er immer
Sehr ordentlich), befucht die beften Khane,
Und hört aufmerkſam und befcheiden zu,
Wenn alte Leut' und wenn Gelehrte ſprechen.
Bedreddin.
O ſieh den Schalk, wie er verſtohlen blinzt
Nach Eben Haſſans Fenſtern; er erwartet
Die ſchöne Frau zu ſehen. Liſt'ger Bube!
Biſt Du mit langer Naſe abgezogen,
Mein hübſcher Schmetterling?
Ali.
Er fommt hieher.
Bedreddin. f
Bir wollen ihn ſchon prellen.
69
70 Aladdin
Aladdin
(kommt, ein wenig blöde, und grüßt.)
Allahs Segen,
Und des Propheten.
Ati.
Schön gefproden, Freund!
Doch, wenn id) fragen darf, mein junger Herr,
Was haben Eure Augen wohl zu ſuchen
Bei Ehen Hallans Fenftern?
Bedreddin.
Ei nun, Ali,
Sie wollten fehn, blos, ob die Fenfter nod)
Am felb’gen Orte heut’ wie geftern ſtänden.
Ali,
Du thuft ihm Unreht, Bruder! Diefer Herr
Sah' nicht auf Eben Haſſans Fenſter glaub’ ich,
Er fah nur durd fie. .
Bedreddin.
Und beäugelte
Die Eifenftäbe, die fo Schlank und grade
Am Fenſter ftehn vom Morgen früh bis Abend.
: Ati. .
Die, ohne Zungen, doc) fehr deutlich reden,
Beftändig fagend: Fatm' ift allerliebft,
Und Eben Haflan alt und eiferfütig.
Aladdin.
Ihr lieben Herrn, ich bin ein junger Menſch,
Einfältig, blöde, flach nur am Verſtande,
Und nadt wie eine Scheibe, drum ift’s leicht,
Auf mic den Pfeil des Wiges abzudrüden.
oder die Wunderlampe. 71
Bedreddin.
Von Eurer Einfalt war doch dieſer Einfall
Gar nicht einfältig, weit mehr mannigfaltig.
Ei nun, was hat es weiter denn zu ſagen?
Ihr findet Eben Haſſans Gattin ſchön.
Sie iſt es auch. Ich weiß nur Eine, die
An hoher Schönheit weit ſie übertrifft.
Aladdin (Gurtig)
Und wer iſt das, mein Herr?
Bedreddin.
Des Sultans Tochter,
Die herrliche Gulnare. Sie iſt ſchön!
Schön wie die purpurjunge Morgenſonne.
Der runde Mond wird nie von Silberwolken
So reizend, ſo wollüſtig eingehüllt,
Als ihre blendendvollen Wölbungen,
Wie neugefallner Schnee, vom Silberflor.
Süß, wie wenn ſich das Grab eröffnet, und
Den ſel'gen Geiſt zum Paradieſe ſendet,
So öffnet ſie die großen Augenwimpern,
Und ſchickt hinauf gen Himmel ihre Blicke.
In ihr hat die Natur einmal verſucht,
Jedweden Widerſpruch doch wahr zu machen.
Des Berges weißer Schnee iſt Frühlings warm,
Und durch die klare Alabaſterhaut —
Sieht man die Purpurader bläulich ſchimmern.
Wer glaubt, daß Finſterniß erleuchten könne?
Und doch iſt keine Finſterniß ſo ſchwarz,
Wie ihre großen, ſehnſuchtvollen Augen.
Schmächtig und üppig; irdiſch und ätheriſch;
Glatt wie das Elfenbein; doch wallt das Haar
72 Aladdin
Eid) Fräufelnd wie ein Fluß hinab vom Scheitel.
Bald fparfam ſchlank, und bald verſchwendriſch voll,
Bewegt fie fid) leicht wie der Scdymetterling,
Iſt fromm und mild wie eine QTurteltaube.
Was mal’ id) mehr? Das matte Wort beftraft
Nur foottend den unmöglichen Verſuch.
Aladdin (Athem holend.)
Ad), lieber Herr, hört auf, ih bit Euch fehr.
Der Athen, fo nothwendig doch zum Leben,
Stodt, um zu früh Euch nidyt zu unterbredyen.
Ja — gleicht ihr diefes Bild, dann ift fie ſchön.
Bedreddin,
Ob's gleicht? Ein Lügenhaftes, ſchlechtes Bild!
Ein Pfuſcherwerk. Die Worte find nur Fäden,
Womit man höchſtens auf Tapeten die
Kehrfeite wirken kann, wenn es die Schönheit
Der Frauen gilt.
Aladdin.
Wie macht man’s denn, mein Herr,
Um es von vorne richtig anzufangen?
Bedreddin.
Faft jeden Tag, zu diefer Tageszeit,
Geht fie ins Bad; habt Ihr nun Muth genug,
Euch hinter einer Säule zu verbergen
Bei'm Eingang — fo bat Mandyer ſchon getban —
Dann Fönntet Ihr die Sehnſucht wohl befried’gen ;.
Denn fie Schlägt meiftens ihren Flor zurüd,
Eh’ fie hineingeht, um ſich abzufühlen.
Nur nehmt Eud) hübfc in Acht, mein junger Freund
Daß dies Entblögen, welches fie nur Fühlt,
Euch nicht erhißt.
oder die Wunderlampe. 73
Aladdin.
n, Ach fürchtet nichts. Ihr frag,
Ob Muth ih habe? Weldye Strafe fünnte
Ba wohl erwarten, da entdert?
Ali.
Ein Kleines!
Was Gänſ' und Enten oft ertragen müſſen:
Geſpießt zu werden, oder käm' es hoch,
Hinunter, der Geſundheit wegen, auf
Des Thurmes Haken nur einmal zu ſpringen.
Aladdin. —
Geſtanden hab' ich zwar, daß ich einfältig
Mit einer Gans nur zu vergleichen ſei,
Doch dank' ich ſchön für ſolche Gänſeſtrafe.
(Er verbeugt ſich.)
Bedreddin (achend.)
Ach glaubt ihm nicht! Der Sultan ift ein guter,
Ein milder Herr, der ſich gefhmeidyelt fühlt,
Wenn man für ſolchen Anblid etwas wagt;
Die größte Strafe, würdet Ihr entdedt,
Wär’ eine Drohung nur von den Verſchnittnen.
Aladdin.
Kann idy mid) drauf verlaffen?
Bedreddin.
Allerdings.
Aladdin.
Wenn einmal Zeit und Luft id) haben follte,
Will ich's doch prüfen; jetzt bin id) beichäftigt,
Jetzt hab’ idy Dinge größrer Wichtigkeit
Gleich zu verrichten; drum gehabt Euch wohl!
(21b.)
74 Aladdin
Bedreddin.
Ach Gott, wie fein ift dod) der junge Mann,
Id ſchwöre drauf, daß er fid) gleich dahin
Begiebt, im Augenblide!
Ali,
Dhne Zweifel!
'S ift aber fchleht von Dir, dergleichen Fliegen
Dem jungen Menſchen in den Kopf zu feßen!
Henn nun der arme Teufel fid) verliebt?
Bedreddin.
Dann geht er, wie einft wir, verliebt nad Hauf’
Und ſchläft da feine Liebe wieder aus.
(Beide ab.)
Shöoner Pla.
Im Hintergrunde der Prinzeffin Badehaus, treffliched Gebäude mit
Marmorfänlen.
Aladdin Ceitig.)
Hier ift es! Hier, wo diefe Säulen ftehn,
Soll ich zur Saul’ auch umgezaubert werden,
Bon Liebe, von Bewund’rung bingeriffen.
Hier foll ich ftarrend ein Chaldäer-Hirte,
Den lichten Stern vorüberziehen fehn.
Tege Muth gefaßt! — Wenn mid) die Wade fieht? _
Wenn hier fie warten, wahrend fie ſich badet?
Nein, das geſchieht nicht. Drinnen in der Halle
Verweilen fie. Ad) Gott, fie kommt, fie kommt!
Jetzt hurtig hinter diefe Marmorfäule,
(Sulnare fommt mit ihree Amme; ihnen folgt eine große Schaar
ſchwarzer Verſchnittner. Bei'm Cingange fchlägt fie den Schleier
zurück und enthüllt ihr Geficht.
oder die Wunderlampe. 75-
. Die Amme (leife zur Prinzeffin.)
Ha, meine Tochter, welche Unverfhämtheit!
Siehſt Du den Tüngling bei der Säule dort?
Da hat cr ſich verftedt, um Did) zu fehen,
Verhülle Die!
Gulnare (betrachtet ihn.)
Mir ift fo heiß, lieb' Mutter!
Ach, laß' ihm ſehn; ic) ſeh' ja wieder ihn.
Kannit Du ihm nicht die Eurze Freude gönnen?
(Sie gehen hinein.)
Aladdin
(teitt hinter der Säule hervor und flarrt vor fich hin, ſteif, ohne fich
zu bewegen mit gefaltenen Händen.)
Ia, fie ift Schön! Ein Engel! Weldye Augen!
Wie lächelt diefer Mund, wie ſchwillt der Bufen!
Nein, foldie Augen fah idy nie — o Allah
Mir ift fo wunderfam! — Ia, das ift wahr,
Des Kaufmanns Bild war nur ein Pfuſcherwerk.
Wie will man Liht mit Erdenfarben malen?
Die Farben find ja Schatten nur des Lichts!
D guter Allah, fende fie zurüd!
D komme bald zurüd, Du holde Houri,
Hier will ich Dich erwarten, komme, komm’!
(Er fteht unbeweglich wie eine Statue.)
Morgiane
(kommt mit ihrem Marktkorbe am Arm; indem fie vorbei geht, fteht
fie ftil und betrachtet das Badehaus.)
Obwohl id) heute viel zu fihaffen habe,
Sleifh und Gemüfe kaufen foll zur Küche,
Muß ic doch immer im Vorbeigehn erft
Dies wunderbare Badehaus betrachten.
76 - Aladdin
Ach, welche große allerliebſte Säuldyen,
Hier muß ſich ganz vortrefflich baden laſſen.
Doch was ift das? Da ift ja wieder ſchon
Ein funkelsnagelneuess Marmorbild
Gemacht, das einen jungen Menfchen vorftellt.
Ein Hübſcher-Leute-Kind; ganz idealifch,,
Wie fie auf Erden anzutreffen find. —
Ei, wie er ftarrt, vertieft und unbeweglid);
run, das hat feine Gründ’, er ift aus Stein.
Ih muß es aber, um es unpartheiiſch
Beurtheilen zu können, erft genau
Durd) meine grüne Brille fehn, Ich brauche
Sie grün, weil ih nur ſchlechte Augen habe.
(Sie fegt die Brille auf.)
Was feh? ich! Meccicaniſcher Prophet,
Es ift mein Sohn! Es ift mein Fleifh und Blut
Aus Stein, mit Kaftan, Hofen, Stiefeln, Turban!
Lebendig, wie er auf der Erde Lebt.
Mein Gott, wie kommt er dod) zu diefer Ehre?
(Wehmüthig.)
Man hat es doch wohl nicht aus Spott gethan,
Weil er ein armes Schneiderkind nur iſt?
Ich geh' ein wenig näher. — Nun bewegt er
Den rechten Arm! Nun ſchlägt er eine Fliege,
Die auf die Nafe ſich geſetzt. Ei, ei,
Nun reibt er fih) die Nafe, — Nein, das ift
Unmöglich; das ift Herereil — Das ift
Zu viel verlangt von einem Marmorbilde.
Vielleicht ift’s aber fo ein Gliedermann,
Der fid) bewegen kann, und keine Säule.
Er feufzt? Das können weder Marmorbilder,
8 oder die Wunderlampe.
Noch Gliedermänner. Da ifts nicht geheuer,
Das muß ic) unterfuchen.. Muth- gefaßt.
(Sie geht näher.)
Aladdin, liebes Kind! Ach, gebe doch
Nur einen Laut von Dir, damit ich höre,
Ob Du es biſt, mein Sohn, Doch irr' ich mich,
Biſt Du ein fremder Mann, und nicht Aladdin,
Dann zürne nicht; vergieb dann Deiner Mutter,
Wie ſich's dem guten, treuen Sohn geziemt.
“Aladdin
(wird die Mutter gewahr und fpringt herunter.)
Wie, Mutter, feid Ihr da? Was macht Ihr hier?
Morgiane.
Ich kaufe Fleiſch, Gemüſ' und allerlei;
Mas treibft Du aber wie ein Gliedermann
Am Haufe dort?
Aladdin (feufit.)
Die herrliche Geftalt! —
Morgiane.
Wohl wahr, mein Sohn, das Haus ift wohlgeſtaltet.
Berfteh? mich zwar blutwenig auf die Baukunſt,
Und doch betracht' ich es faſt alle Tage,
Sedwedes mal, wenn ic vorbei paſſire.
, Aladdin. .
Wie, Mutter, fteht Ihr auch bisweilen hier
Auf diefen Stufen?
Morgiane.
Kein, mein lieber Sohn,
Denn erft verfteh’ ich nicht das Voltigiren,
Und zweitens hab’ ich alte Bein’, und drittens
Eind meine Röcke mir nicht weit genug,
77
73 Aladdin
Und viertens ſchickt es ſich aud) nicht für mid,
Und fünftens, wenn man da im Winkel fteht,
Sieht man die Außenfeite nicht fo gut,
Als wenn man draußen bleibt. Nun ſcheer' Dich fort!
Die Thüren werden wieder da geöffnet,
Und die Prinzeffin kommt vom Bad’ zurüd;
Hier gilt Fein Zaudern. Keine Mannsperfon
Darf bei der Hoheit gegenwärtig fein.
Yladdin
(zaudert und fieht fich um.)
Ach, liebe Mutter!
Morgiane Gieht ihn beim Kragen.)
Ei fo komm’, fag’ id)!
Da, trage mir den Korb, Du ftarker Bengel;
Hilf Deiner alten Muter bei der Arbeit,
Und fteh’ nicht müffig, wie ein Narr und Affe! -
(Maddin nimmt den Korb betrübt auf den Arm und folgt der Mutter.)
So ift es Recht. Ein Menſch von Deinem Stande
Darf nicht verlicht nad) fhönen Frauen fehen;
Muß mit dem Korbe nady dem Markte -gehen.
(Beide ab.)
oder die Wunderlampe. 79
Dritter Aufzug.
Bike ei Bier
Aladdin
(kommt mit dem großen filbernen Beden.)
Je will mein großes Becken jetzt verkaufen,
Das letzte, was mir von den Koſtbarkeiten
Noch übrig iſt; hab' ich auch das verzehrt,
So reib' ich meine Zauberlampe wieder,
Und dann — vielleicht — vielleicht — Er iſt ein Geiſt —
O Gott, was wag' ich Thörichter zu hoffen?
Warum nicht? Hoffen darf doch jeder Menſch?
Und wer durch Wundergaben Geiſter bannt,
Hofft nicht zuviel, ſelbſt wenn er Alles hofft.
(Einalter chriſtlicher Goldſchmid tritt aus feiner Bude, Aladdin entgegen.)
Goldfhmid.
Zürnt nicht, mein junger Herr, ich fah Eud) oft
Hier auf der Straße mit dem Juden handeln.
Man findet brave Leute unter Juden,
Wie unter andern Sekten, lieber Herr,
Und Schelm' aud) unter ihnen, wie bei andern.
Der Jude, der mit Euch bisweilen handelt,
Der ift ein Erzſchelm.
80 Aladdin
Aladdin.
Das hab’ idy erfahren.
Goldfhmid.
Was gab er Euch für einen ſolchen Teller,
Wie Ihr ihm oft verkauft?
Aladdin.
Ein Goldſtück nur.
Goldſchmid
(chlägt die Hände über dem Kopf zuſammen.)
Ein Goldftüd? Ei du milder Gott des Friedens!
Fünfhundert geb’ ih Eudy im Augenblide
Für diefes Becken. Wenn ein andrer Goldſchmid
Ein wenig mehr vielleiht Euch geben wil,
So thu' ich's auch, fo gut wie er.
Aladdin.
Ihr ſeid
Ein wackrer Mann.
(Bei Seite.)
Wer hätte wohl geglaubt,
Selbſt unter Chriſten Menſchen noch zu finden?
(laut.)
So kommt, id will mit Euch nad) Haufe gehn.
Der Jude i -
(kommt hereingeftüst.)
Heil Halt! Gewalt! Ha, Schurke, Chriftenhund!
Willſt Du mid) meiner Kunden jetzt berauben?
Goldſchmid.
Schweig, oder gleich werd' ich den rothen Bart
Dir zwicken ſo, daß nie im Leben mehr
Du Jemand prellen ſollſt, Du bleicher Judas!
oder die Wunderlambpe.
Jude Crafend.)
Was Judas? Prellen? 'S ift nur Hirngefpinnft!
»S ift Phantafie! Das, was ich will, das will ik,
Und was id) fo. verkaufe, das verkauf’ ich,
Und was man mir bezablt, bezahlt man mir,
Und hab’ ih A geſagt, muß B id) fagen,
Das ift. mit andern Worten: Hab’ id) einmal
Den Teller, fo gebührt mir aud) das Beden.
Der aber, der mir hämiſch meine Kunden
Entführt, der ift ein Spitzbub'!
Aladdin.
Welker Jude!
Sag’, bit Du toll?
Jude.
Ja, Erieg’ ich's Beden nicht,
Dann werd’ ic) toll; denn’s Becken muß id haben!
Aufs Boden hab’ ich Rechnung ſchon gemacht.
Aladdin (srügelt ihn.)
Da, geh’ damit, Du bleicher Lumpenhund!
Und fag’, daß einen Moslem Du betrogen.
Jude Cwinfelnd.)
Das, Moslem? Was? Wer fragt nady Religion?
Wenn's Prellen gillt, da prei® ich alle Menſchen,
Wenn's felbft der Herr Gott dort im Himmel wäre.
Goldſchmid.
Kommt, Herr! Wir wollen gehen. Er ift toll;
Wie heute hat er einen Anfall oft
Bon Raferei und Golddurft. Laßt uns gehen.
Aladdin.
Heil tol Du biſt, will ih Dir ſchenken, was
Du fonft mit vollem Rechte noch verdienteft.
Oehlenſ. Schriften. X.
82 Aladdin
Sonft follten Deine Sohlen bei dem Kadi
Geſtrichen werden, bis Du röchelteſt.
(Er geht ab mit dem Goldfchmid.)
Der Jude (alein.)
Abraham! Iſaak! Jakob!
(Er ſpuckt.)
Ihr Halunken!
Heißt das den Enkeln und dem Stamme helfen?
Ich will mich hängen! Ja, ich will mich hängen!
Ich hatt? aufs ſchöne, reine Silber ſichre,
Schon feite, fefte Rechnung mir gemacht.
(Er feufst.)
Was ift das Leben ohne Gold und Silber?
Das Geld, das Geld, das ift der wirkliche
Meſſias unfrer Nation, der ung
Aus aller Noth erlöſt. O Schönes Silber!
Menn auf dem Sterbebett id) läge fchon,
Die Augen ganz gebrochen, und nur Einer
Mir ſolches Becken vor die Augen hielte —
Dann fehrte gleich das Leben mir zurüd;
Zurück in meine blauen Fingerfpigen
Führ's Blut; die Finger Eriegten Nervenkraft
Und hüben fi) mit Wolluſt nad) dem Silber.
Jetzt bin ic frank. Ich zittre; kalt wie Eis.
Dies Becken war ’ne große Summe wertb.
Ich will mid hängen! denn nad dem Verluſt
Weiß ich zu Leben nicht mehr Rath und Mittel.
Ich hänge mid! *
(Zriumphirend.)
Erft aber geh’ id) Hin
Um bei den Ehriften dort den Strid zu 9
oder die Bunderlampe. 83
u Stube
' Morgiane
(figt und Pr Baumwolle.)
Ich weiß nicht, wie's mit meinem Sobne iſt.
Ic ſollte doch nicht glauben, dag er krank fei.
Schwer holt er Athem, ftarrt und ftiert beftändig
In einen Winkel Hin und ſpricht Fein Wort;
Und fpriht er dann mitunter dod einmal,
Legt er nicht mehr Zuſammenhang hinein,
Und braucht nicht mehr von der Filufophie —
Wie man’s ja nennen thut — als meine Katze. —
Id) war fo froh, denn in der legten Zeit
Hatt' er doch auf was Kluges fid) gelegt;
Verdient' auch hübſch fein Brot mit diefer Lampe,
Und hatt? auf die Manier ſich eine Art von
Brotftudium gewählt; das ift doch gut.
Dies Wefen aber, in der letzten Zeit!
Er wird doch wohl nicht gar die Schwindſucht haben?
Die Waſſerſucht, Gichtſchmerzen oder Blattern?
Da kommt er! Lieber Gott, wie fieht er aus.
Aladdin Cieufit.)
Bott grüß' Euch, Mutter! Hier ift Geld genug,
(Legt einen Beutel auf den Tifch.)
Morgiane.
Mein Sohn, wo haft Du diefen Schatz befommen?
Sp reich bift Du noch nie zuvor gewefen.
Aladdin Cieufst.)
- Sp arm bin id noch nie zuvor gewefen.
Morgiane.
Wovon ift denn der Beutel voll?
-
84 Aladdin
Aladdin.
Don Gold.
Morgiane.
Mein Sohn!
Aladdin.
Lieb' Mutter, gebt mir etwas Sorbet.
Morgiane,
Du bift zu heiß; es ift nicht gut zu trinken
Sp heiß.
Aladdin:
Doch ift der Durft am größten dann.
Morgiane.
Das war vernünftig mal gefprodyen. Ad,
Es freut mid) innig jedesmal, wenn Du
Sufäl’gerweife redyt vernünftig fprichft.
Denn, lieber Sohn, in diefer letzten Zeit —
Gerathen Deine Chlüffe, die Sentenzen
Und Meinungsfreiheiten, und Solderlei, —
Denn id) verſteh' mich wenig auf den Quarf —
In außerordentliche Confuſion.
Aladdin.
Was meint Ihr, Mutter? Was hat fi verworren ?
Morgiane.
Ic Tage ja, daß ich es nicht verftche.
Ich bin befceiden, ein einfältig Weib,
Das wenig nur die Meinungen der Welt Eennt,
Doch was ich meine, darf id) dod wohl fagen?
Aladdin.
Was meint Ihr? Mutter, fagt mir Eure Meinung.
[#71
oder die Bunderlampe. 8
Morgiane (mit Anfirengung.)
Das, was ich meine, Sdhn, ift, daß ich meine,
Daß, was Du meineſt, fei nicht recht gemeint.
Aladdin.
Mas mein’ id) denn?
Morgiane.
Das mag der Himmel wiffen!
Darum bekümmr' ich wenig mid), mein Sohn!
Id ſpinne meine Wolle; das verfteh’ ich,
Und plage nicht den Kopf mit foldyen weither-
Geholten Hirngefpinnften. -
Aladdin.
Das ift billig.
Ein Jeder muß fo feinen Roden fpinnen.
Iſt nun vielleicht der Flachs, den ich behandle,
Eud) etwas gar zu fein, und fißt der Wocken
Für eure Hand zu body, ift euer Auge
Zu ſchwach, den Faden immer zu erkennen,
So, daß er zwifchen euern Fingern reift —
So haltet eudy zu euerm alten Noden,
Und fpinnt den ab, vom Morgen früh bis Abend.
Schmiert mit dem Dele der Beſcheidenheit,
Daß er nicht fnarre gar zu überlaut;
Nennt nicht das wiederholte Schnurren Weisheit,
Und höhnet nicht, was größre Kunft verlangt.
Morgiane.
Nun, lieber Sohn, ih möchte doch wohl wiffen,
Was größre Arbeit, Müh' und Schweiß erfordert,
Ob ſpinnen, oder eine Lampe reiben?
Aladdin.
Was kräftig iſt, wird nicht fo leicht ermüdet.
Sb Aladdin
Indeß der Wurm ein Loch im Holze bohrt,
Schwingt Allah mehre Mal die Sonn’ im Kreife.
Wer ftrengt fi), glaubt Ihr, wohl am meiften an?
Morgiane.
Wer unterdeſſen mühſam fid) bemüht,
Iſt wohl der Achtungswürdigſte, mein Kind!
Aladdin.
So ift audy Gott geringer als der Wurm.
Morgiane.
Wie Du’s zuſammenmiſcheſt: Noden, Lampe,
Filufophie und Kunft, den Wurm und Allah!
Mein Sohn, es fteht gar fhlimm um Deinen Kopf, _
- Seitdem Du in den neuern Büchern ſteckſt.
Probir ein Mal, und lies aud) in den alten,
Das bringt Dich wieder in das Gleichgewicht.
Iegt aber will id) von was Andrem reden.
Was fehlt Dir? Warum bift Du immer blaß?
Und warum feufzeft Du, und fhauft beftändig
Starr vor Did hin? Was fehlt Dir, lieber Sohn?
Aladdin.
Ich liebe, Mutter, innig, innig lieb’ idy.
Deswegen hol’ ic Athem nun fo tief,
Wie Ihr das Waller mit dem tiefen Eimer
Im Sommer, wenn der Brunnen ausgetrodnet.
Morgiane. :
Du liebſt, mein lieber Sohn? Wen denn, mein Sohn?
Aladdin.
Ach, unfers Sultans Tochter.
Morgiane.
Wie? Gulnare?
oder die Bunderlampe. 87
Aladdin.
Ja, Mutter.
Morgiane.
Die Prinzeffin?-
Aladdin.
Ja, lieb' Mutter!
Morgiane (weint)
Aladdin.
Weswegen weint Ihr?
Morgiane,
Ach, 's thut mir ſo leid,
Daß Du fo gänzlich überſchnappt, mein Kind.
Aladdin.
Hört, Mutter! — ad), idy weiß nicht wie mir if, —
Id) mag nicht länger ſchwatzen wie zuvor,
Und überlaut in Worten mid) ergießen.
Ih mag — id) muß mid) faft zum Spredyen zwingen.
Mir ift die größe Freude jebt zu wandern
Allein im Walde, wo des Vogels Flöte
Das leiſe Saitenfpiel des Bachs begleitet.
Da tönt mir Alles nur Gulnares Namen.
So hört denn jegt mein Wort. Und wollt Ihr nicht,
Da ich wie eine Blume welfen fol,
Sp geht und thut, was ich von Eud) verlange. .
Morgiane.
Mas foll id thun denn?
w Aladdin.
Ihr follt für mid) werben,
Bei Sultan Soliman, und das fogleid).
Maorgiane Cerfchroden.)
Bei Sultan Salomon? — Was wol? ih fagen: —
88 Aladdin
Bei Soliman? Doch Soli — Salomon
Das kommt auf Eins heraus; das Eine iſt
Nicht möglicher und klüger, als das Andre.
Aladdin,
3a, wollt Ihr mid nicht plötzlich fterben ſehn,
Müßt Ihr verfprechen, dies für mid zu thun.
Morgiane.
Aladdin! Sohn! Was bildet Du Dir ein?
Ein Scneiderfind!
Aladdin.
Daß juſt die Schmeidernadel
An diefer Arbeit ihren Theil gehabt,
Das glaub’ ich nicht. Al Sefi war mein Vater.
Morgiane,
Ach, garſt'ger Wicht, was fageft Du mir da?
Zwingſt mir das Blut in meine beiden Wangen,
»Ne Tour, dies nicht in langer Zeit gemacht.
Aladdin.
So gehen wir denn diefen. Punkt vorbei.
Id) bin des Emirs Sohn, das weiß idy einmal;
Ihr feid die Tochter eines Böttichers,
Des Sultans Mutter war nur eine Sflavin;
Gr hat ein Königreich, und ic) die Lampe.
Seht Ihr denn noch nicht die Bilanz?
Morgiane.
Nein, nein!
Der Sultan finft und wirft Did) in die Höh'. »
Das Königreich, die Lamp auf einer Wage —
Das ift fo viel, als wenn ich eben fage,
Ein Schemel und ein Sopha feidenroth!
Fin Kuchen und ein ausgebadnes Brot.
oder die Wunderlampe. 89
Aladdin.
Ihr habt doch nicht vergeflen, dag die Lampe
‚Die Fleine Neben-Eigenſchaft befigt,
Berggeiſter herzuſchaffen, die ſogleich
Uns jede Bitte, jeden Wunſch gewähren?
Morgiane.
Wohl wahr; fie Schaffen oft ein gutes Eſſen,
Doch Eins ift Effen, Anders ift Brinzeffin.
Ic, fürchte überhaupt, dag uns der Krug
So lang’ zu Waffer geht, bis er zerbricht.
Daß einmal, wenn der Geift in übler Laune, —
Es kann wohl ihm, wie andern Menſchen gehn, —
Daß er dann plötzlich das Genid Dir Fnidt.
Aladdin.
O davor fürcht' id mid) im mind’ften nicht.
Genug, was id) verlange, müßt Ihr thun,
Wenn meinen Tod Ihr nicht befördern wollt.
Morgiane.
Und wenn idy nun da ſteh' — was foll ich fagen?
„Herr Sultan, wollt ihr fo gefällig fein,
Mit meinem Sohn die Tochter zu vermählen?“
„Wer feid ihr, Mutter?" „Cine Scneiderwittib.“
„Und wer ift euer Sohn?“ „Er-ift mein Sohn.“
„Sonft nichts?“ „Nein, lieber Herr, fonft ift er nichts.“
„Und er will meine Tochter haben?” „Ja,
Er hat ſich einen Narr'n an ihr gefrefien,
Drum woll® ers gern.“ So fteh’ id) wie 'ne Narrin.
Und mad ihn obendrein vielleicht fo zornig,
Daß er den Stellvertretern gleich befichlt,
Mit Prügeln wieder mid) hinaus zu ſchmeißen.
9% Aladdin
Aladdin.
D das hat feine Noth, er ift nicht graufam.
Morgiane,
Noch eins! Ad, wie Du doch ganz thöricht biſt;
Da ift ja ein Ne — ſkript — fo ein Geſetz,
Wodurch befohlen wird, daß Keiner fid)
Der Majeftät im Divan nähern darf:
Wenn er ein reichliches Geſchenk nicht bringt.
Aladdin.
Nun Seid Ihr eben da, wo ih Euch wollte;
Ihr kennt ja dod) die großen, ſchönen Früchte,
Die droben in der Polterfammer liegen?
Morgiane.
3a, von gemaltem Glaſe. Soll id das
Dem Sultan bringen? Das ift Dein Geſchenk?
Nun denn, fo fann man wohl mit Mahrheit fagen:
So wie der Efel ift, fo ift der Zaum.
(Sie weint.)
Aladdin.
Hört, Mutter, was gemaltes Glas Ihr nennt,
Eind lauter reine, klare Diamanten,
Rubinen auch, Smaragden und Sapphire,
Von ungeheuerm, feltnem Werth; der Sultan
Trägt in der Krone ihres Gleichen nid.
Das hab’ id) fpäter erft entdeckt. Wohlan,
Dies treffliche Geftein follt Ihr ihm bringen,
Und fagen: daß es von dem Freier komme;
Glaubt mir, es wird gleidy jeden Zorn bezwingen,
Und wenigftens — ja dafür ſteh' id Euch,
Ihr werdet nicht dem Sultan läftig fallen.
oder die Wunderlampe. 91
Morgiane.
Wie? It das wahr? Und find fie in der That
Demanten ind Schmapphire, diefe Steine?
Aladdin.
So zuverläffig, wie Ihr meine Mutter,
Und wie id) Euer Sohn Aladdin bin.
Drum geht, und richtet Alles fchleunigft aus,
Doch ſprecht Fein Wort von meiner Wunderlampe.
Morgiane,
Ad), wie man von den Kindern doch Verdruß hat.
Ic mug mid) wohl in Deinen Willen fügen,
Wenn's Edelfteine find, wie Du verficherft.
Erft will id aber doch das Futter wieder
An meinen Sonntags-Mantel fauber nähen;
'S ift aufgegangen ; und die Hände mit
Bartfeife waſchen, denn die grüne riecht.
Nen Schleier fell!’ id) auch mir billig kaufen,
Wenn Geld im Hauſe wäre.
Aladdin.
Geld im Hauſe?
Da liegt ja Geld genug, im Beutel dort.
Ihr denket nie an meine Kupferlampe.
Morgiane.
Ach, wäre ſie doch nie in's Haus gekommen!
Aladdin.
Id geh’ hinaus. Im Haine bei der Vorftadt
Sch’ id) mid hin bis Abend, bei der Duelle;
Da könnt Ihr mir die Botſchaft bringen, ob
Ich leben, oder ob ich fterben foll.
92 Aladdin
Morgiane,
So will id) mid) denn erft ein menig pußen,
(Aladdin ab.)
Divan.
Soliman auf dem Throne; der Groß-Vezir und die Rathe; Zufchauer.
Die Gefchäfte find beendigt — die Menge zerftreut fich,
Vezir.
Befiehlt jetzt Eure hohe Majeſtät,
Daß ich des Divans Thore wieder ſchließe?
Soliman.
O wart' ein wenig noch! Die alte Frau,
Die fo bedürftig ausfieht, an der Thüre,
Iſt drei Mal hier gewefen fon; und immer
Hat fie fi) grade vor den Thron geftellt.
Sie frägt zwei Bündel; ohne Zweifel kommt
Sie her, um ſich Gerechtigkeit zu ſchaffen.
Vielleicht hat ihr ein Bäder in der Stadt
Ein Loth zu wenig an dem Brot gegeben;
Aus Einfalt, ftatt den Kadi jest zu fuchen,
Sol Soliman ihr felbft die Brote wägen.
Ss fei nun, wie es feis geh’, hole fie.
(Der Vezir Holt Morgiane, a fich vor dem Throne auf die
nie
Spliman.
Ich habe Did, ſchon öfters hier gefehen;
Du fiehft midy immer an, als hoffteſt Du,
Das id) Did) näher rufen follte. Nun,
Das hab’ ich jet gethan; ſag' Dein Verlangen!
-
oder die Wunderlampe. 93
Was trägit Du in den Tüchern? Ift es Brot,
Das Dir der Bäder freventlich befchnitten,
Kedyt wie ein gier’ger Jude den Zedin?
Hat auf dem Markt der Schlächter Dir das Fleifd)
Dem Knochen gar zu nah’ vielleicht gehauen?
Wie? Oder hat die Fructverkäuferin
Den Kopf ganz aller Scham jest abgebiffen,
Und faule Früchte Dir für's Geld gegeben?
Morgiane.
Großmädyligfter, gebornefter Herr Kaifer!
Herr Sultan! — nehmt vorlieb mit was id) fo
Zufäll’gerweis Euch fürzlid) titulire;
Verſteh' mid) bitterwenig auf den Rang, —
Ich bin nur eine arme Edjneiderwitwe,
Die Morgiane heißt; ſchlecht weg! nichts weiter.
Mein Diann jetzt ift er todt; doch als er Tebte,
Da hieß er Muftaphaz wie jeßt er heißt,
Das mag der liebe Gott im Himmel willen.
Mein Sohn ift chen auch nicht, fo zu fagen,
Don einer feltnen, großen Obitruftion;
Er heißt — wenn id) mich völlig redyt befinne —
Ic bin in die Verworrenheit gerathen
In diefer großen Aſſemblee, kann auch
Nicht gut vertragen, meine Knie zu beugen,
Denn ih hab’ aite Beine. Wenn Ihr aber
Den großen Schwarm erft aus dem Saale treibt,
Und mir erlaubet wieder aufzuftehn,
Hof ih, es wird ſich Alles noch wohl geben.
(Soliman giebt einen Wink; Alle verfügen fich weg, außer dem Groß.
‚ Berir.)
94 Aladdin
Spliman.
So fteh’ nur auf, mein gutes, altes Weib;
Und biſt Du müde, ſetz' Did) auf den Teppid).
Morgiane (feht auf.)
Nein, mein gediegenfter Herr Sultan! Nein,
Ihr dürft nicht glauben, weil id) arm nur bin,
Daß idy fo wenig Lebensart befiße.
Soliman.
Nun, fage denn, was haft Du in den Bündeln?
Brot oder Zleifh? Wie? oder faule Früchte?
Morgiane.
Das Leste, gnädigfte Herr Majeftät!
Das Letzte; Früchte, aber keine faule.
Man könnte fie felbft nah Sibirien fenden,
Doch ſteh' ih) Euch dafür, fie hielten’s aus.
Es iſt ein Haufen Schöner Winteräpfel,
Die fehr gut Froft vertragen können. — Alles
Hat aber feine Zeit, wie Euer gnad’ger
Urgroßpapa, der weile Salomon,
Einmal gefagt. Nun alfo, wie gefagt,
Ich hab’ aud) einen Sohn, Aladdin heißt er,
Ein wenig über fiebzig Jahre; — fiebzehn
Wolle ich nur fagen, — groß und ſchlank und tüchtig,
Und herrlich weiß und roth, wie Milch und Blut,
Und wißig; Kopf zum Lernen fehlt ihm aud nit; —
Er mag es aber felten; — hißig, heftig,
Dod) innerlic im Kerne brav und gut.
Id) wette drauf, Herr Sultan! Ihr und er,
Ihr würdet mit einander Euch vertragen.
Soliman.
Ich merke, was Du wünfdeft, bei dem Hofe
|
|
oder die WBunderlampe. 95
Sähft Du den Burſchen gern wohl angeftellt,
Bei den Verſchnitt'nen.
Morgiane.
Nein, bewahre Gott!
Sehr weit gefehlet, Euer Wohlgeboren !
- Gar weit gefehlt. Was diefen Punkt betrifft, —
Da wünſcht er zu verbleiben, wie er ift.
\ Soliman.
Was will er denn?
Morgiane.
Was der nur wollen kann,
Der unvermerkt ein Loch ſich hat geriffen
Im Safe des Gehirns, im Boden, Herr!
Und nad) und nad) nun Alles draus verliert.
Er ift mein Sohn; man fagt: der Apfel fällt
Nicht weit vom Stamm’; daß wohl die Kuh erkannt wird,
Die einft das Kalb gefragen. Aber auf
Der andern Seite fagt ein andres Sprichwort:
Daß Brüder haben felb’ges Blut, nicht Muth!
Daß nicht im Walde alle Bäume ſchief,
Weil's einer iſt. Solchergeſtalt nun alſo
Müßt Ihr nicht glauben, würdigſter Monarrich!
Daß ich an dieſem Einfall Theil gehabt.
Soliman.
Was iſt denn Euerm Sohn' wohl eingefallen?
Heraus damit nun! Sagt es kürzlich her.
Morgiane.
Das will id) denn; dody müßt Ihr erſt verfpredhen,
In Zorn nicht zu gerathen jet, hodedel-
Geborne Majeftät, des Sohnes wegen.
96 Aladdin
Soliman.
Nun, eines Einfalls wegen zürn' ich nicht.
Was will er denn?
Morgiane.
Was will er denn?
(Bei Seite.)
— Nun kommt
Der Knoten! —
(Laut.)
Allergnädigfter Herr Sultan,
Er wollte gern bald eine Heirath maden;
Wenn die Partie Euch nur anftände!
Soliman.
Mit?
Morgiane,
Mit Eurer Tochter.
Soliman.
Mit Gulnare?
Morgiane
(mit einem tiefen Seufzer.)
? Ja! —
Spliman (ächelnd.)
Es fonımt mir jest ein wenig unerwartet,
Und ſolch' ein Scyritt ift doch von Wichtigkeit.
Morgiane.
Ia, darin habt Ihr Recht, geborner Herr!
Man liebt ja-immer doc) fein Fleiſch und Blut,
Und will es gern am beften ampligieren.
Soliman.
Ep laffen wir es denn dabei bewenden;
Und fage mir, was haft Du in den Tüchern?
oder die Wunderlampe. 97
Morsgiane.
Es ift Gebraudy und Art im Lande hier,
Denn Euer Majeftät man ſprechen will,
- Ein ziemliches Geſchenk gleich mitzubringen.
In andern Ländern Eriegen, wie. man fagt,
Die Diener ſolch ein Gratial; Ihr nehmt
Es felbft; und das ift aud) bei weitem beſſer;
Man ift ſich immer ja doc) ſelbſt der Nächſte.
Da alfo nun id mit Euch ſprechen ſollte,
Gab mir Aladdin diefe beiden Bündel
Sp zum Brafent, und wie zur Morgengabe.
Soliman.
Nun, das ift gut; wie. Du mir felbit geſagt,
Sind es gar ſchöne, harte Winteräpfel?
Morgiane.
Ja, gnädigfter Herr Sultan, aber ſeht,
Idhr findet auch dazwiſchen andre Früdte.
Nehmt nur vorlieb.
Soliman,
Nimm Alles hin, Bir,
Und lag’ es meinem Küdyenmeifter bringen!
Vezir
Wie? Es iſt hart wie Stein und glatt wie Glas;
Es ift aus Glas!
— —9—
Aus Glas? Sp zeig’ es ber,
Vielleicht recht künſtliche Nachahmungen.
(Der Bezie macht die Tücher auf; der Sultan betrachtet. die Früchte
und fährt erftaunf zurück.)
Das ſeh' ich? Perlen, Diamant, Rubinen
Wie HYühnereier, und Saphir’ wic Pflaumen!
Dehlenſ. Schriften. X. 7
98 Aladdin
Auch viele andre ſchöne Edelfteine!
Ein ungebeurer Schatz. Und den von Euch?
Morgiane (keck)
Mein, nicht von mir, von meinem Sohne, Herr!
Soliman.
Ein unbezahlbar, ungeheurer Schatz.
Ha, gegen dies Geſtein iſt meine Krone
Nur eine Gauklermütz' aus Papp' und Goldblech,
Wer iſt Dein Sohn?
Morgiane.
Ein armer Schneiderburſch“
Soliman (entzüdt.)
D, weld) ein Schaß! o feht die ſchönen Farben!
Wie eben aus der Morgenionn’ entfprungen,
An taufend Strahlen auf dem Morgenthau
Gebrochen; fo erfcheint der ſchöne Glanz.
Hier hat Natur die folge Pracht vereinet,
Die bunt herum im Drient blüht und blinkt.
Ha, liebe Steine, wie Ihr mid) erfreut!
Geh’, Frau, und fage Deinem Sohn von mir:
Her einen ſolchen Schatz als Morgengabe fenver,
Kann einer Fürftentochter fi) vermählen.
Vezir
(bei Seite zu Morgiane.)
Geb' ruhig nur nach Hauſ', und warte ſtill
In Demuth da, bis man Dich wieder ruft.
Morgiane macht ein kleines Kompliment und geht ab.)
Soliman
(degeiftert zum Vezier:)
Nun, Nuſchirwan, was Tageft Du, mein Freund,
Zu diefem Schatz?
oder die Wunderlampe.
Vezir (kalt)
Es find gar ſchöne Steine.
Spliman.
Und weiter nichts?
Bozir.
Ich finde dieſen Schatz
Von ſeltnem Werthe.
Soliman.
Unbezahlbar Bro
Bezir.
Doch glaub’ id), dag mein großer Herr und Sultan
Selbft einen beſſern Edelſtein befiße,
Als alle diefe.
. Soliman.
- Einen Edelftein?
Ih? Träumeft Du, Vezir? Und wo ift der?
Bezir.
In Euerm Valaft, großer Soliman,
Ein Diamant, und von dem feltnen Waſſer,
Das nur der reine Edelftein der Unſchuld
Enthalten fann.
| Soliman.
Ha, jest verfteh? ih Dich.
Gulnare meineft Du.
Bezir.
| Ein Edelftein, ;
Der Schönheit nicht bloß durd das Flimmern zeigt,
Todt wie ein Stein; nein, warm und füglebendig.
Ein doppelter, ein heil’ger Edelftein,
Wovon das Inn’re weit dem Aeußern vorgeht.
E Tg
99
+00 Aladdin
Ein Edelftein, der alle in fid) faßt.
Denn Licht-Rubin ift ja die Purpurwange,
Und Dunkelroth-Rubin der Kirfhenmund,
Das Aug’ ein Elargefhliffener Granat, .
Der felig weinend Diamanten tröpfelt.
Die weißen Zähn’ find eine Perlenſchnur.
Dies Alles in dem ſchönſten Marmorkörper,
Sp weiß wie Schnee, warm wie die Frühlingsionne. —
Und diefe füßbelebte, ſchöne Blume,
Aus edler Erde ſchlank emporgewachſen,
Gepflegt vom königlichen, fleiß'gen Gärtner,
Wollt Ihr für ein’ge todte Steine tauſchen?
Soliman.
Ha, Nuſchirwan, Du redeft weile.
Vezir. ar.
Tauſchen
An einen frechen Buben, der durch Zufall
Den Schatz in Eurem eignen Reiche fand?
Für einen Schatz, der Euch gehört, nicht ihm?
Soliman.
Schweig', Nuſchirwan, der fhöne Farbenglanz
Riß mir im erften Augenblid fo fehr
Die Seele bin, daß gar nicht fie bemerkte,
Was mittlerzeit der Mund auf eigne Hand
Hinplauderte. Ich habe mein Verſprechen
Ja ohnedem ſchon Deinem Sohne längft
Vorher gegeben; wär’ auch nichts im Wege,
So binderte mein erftes Wort mid) ja,
Das zweite, unbedachte, zu erfüllen,
Nezir.
Wann, großer Sultan, willſt Du Hodyzeit balten?
Ich muß doch Zulima die. Gabe zeigen.
oder die Wunderlampe. IM,
- Soliman.
Heu Abend nod), damit Du fiehft, wie wenig
- Der letzte Rauſch mid) umgeändert hat. —
Schlimm war es freilich, dag dies Wort dem Mund
Entfiel, im Beifein jener alten Fran.
Vezir.
Ach, Herr, mit vielen andern Eigenſchaften,
Die fo das Wort beſitzt, hat es auch die,
Daß es ein Wort if, weldes fagen will:
Ein Ton, der hurtig kommt und hurtig ſchwindet.
Noch fol die raſche Hand geboren werden,
Die recht verfteht das Wort im Flug’ zu greifen.
Außer dem Wort ift Etwas in der Welt,
Was man Trabanten nennt; gar ftarke Kerls,
Die feft mit Hellebarden in der Hand ftehn.
Und alle nafeweifen Gäfte weg
Vom Schloſſe jagen, die man nicht gern fieht.
Ei, hätte nicht der Sultan diefe Freiheit,
Und würde jedes Wort zur Feffel ihm,
Die follte man Inn. von dem Sklaven ſcheiden?
Soliman.
Sehr wohl geſprochen. Biſt ein würd'ges Muſter
Für jeden braven, tüchtigen Vezir.
Jetzt folge mir in's Inn're des Palaſtes,
(Beide ab.)
102 Aladdin
Stradße.
Abend; Lärm in den Steaßen, die meiften Häufer illuminirt; Mufit
Morgiane kommt und klopft bei einem Gewürzkrämer an.
Gewürzkrämer
(Steckt den Kopf zum Fenſter hinaus.)
Wer da? Wer klopft nun wieder an die Thüre?
Ich hab's geſagt: verkaufe nichts heut' Abend!
Könnt Ihr nicht leſen? Steht mit ſchönen Farben
In meinem Fenſter nicht ein Transparent.
Ein Palmenkranz und ein Poſaunenengel,
Ein Namenszug mit zwei gereimten Zeilen?
Ein Krämer iſt doch wohl kein Hund nicht, der
Im Leben immer angebunden ſteht,
Und 'runter mit den Fäuſten in die Seif
Und die Nofinen greift, fobald Ihr pfeift?
Heut Abend freu'n ſich alle Menfchen ja;
Sp will id) auch mid) mal heut' Abend freun.
Morgiane.
Herr Nadıbar, freu’ Er fi) in Gottes Namen
So viel Er mag, es ift ihm wohl gegönnt;
Muß aber mid) ein wenig auch erfreu'n
Mit einem Mäßchen Del für meine Lampe;
Sonft ſitz' ich traun den ganzen langen Abend
In Finfternig, derweil die ganze Stadt
Sold) einen Ueberfluß an Licht beſitzt,
Daß es wie eine hiß’ge Krankheit ausſchlägt,
Und alle Straßen glühn, als hätten fie
Ein ſchlimmes Scharladhfieber ſich geholt.
Gewürzkrämer.
Ach, Morgiane, Mütterchen, iſt Sie's?
oder die Wunderlampe. 103
So komm’ Sie nur! Die ungewohnten Lichter,
Sie blenden; kann vor lauter Licht nicht fehen,
Morgiane.
Ic) fehe nicht, vor lauter Finfternif.
Gewürztramer.
Ia, ja, fo geht's, fo geht's! Sie blenden beide.
Zu viel, zu wenig, beides taugt nur felten.
Nun, Nachbarin, mit Ihr will ich es fo
Genau nicht nehmen. Mag das immer hingehn!
Verlangt \ e von dem beften Del?
Morgiane.
Nein; wenn id
Vom ſchlecht'ſten mir etwas aushitten dürfte;
Er muß mir aber etwas Gutes geben.
Gewürzkrämer.
Sie iſt ein Oekonom.
Morgiane.
Ja, lieber Nachbar,
Sonſt ſäh' es mißlih aus. — Doch ſag' Er mis,
Was will das Feſt und die Beleuchtung ſagen?
Ich hör’ auch aus der Ferne ja Muſik.
Gewürzkrämer.
Iſt Sie die Einz’ge, die in Iipahan
Nicht weiß, daß unfer Sultan Soliman
Heut’ Abend feiner Tochter Hochzeit. feiert,
Mit Saladin, dem Sohn des Groß: Bezirs?
| Morgiane (ſchwindlich.)
Wie, lieber Nachbar? Wie, Here Nachbar? Wie?
Es fam mir vor, als- fagtet Ihr mir etwas.
r Gewürzkrämer.
Dann habt Ihr auch Euch keineswegs betrogen!
104 Aladdin
Morgiane.
Ad), guter Nachbar, fo meßt wieder um,
Gebt licher mir etwas Lavendelwaſſer
Für meinen Dreier, ftatt des Lampenöls,
Denn mir wird übel.
Gewürzkrämer.
Lieber Gott im Himmel!
Mas fehlt der Frau? He, Mütterchen, was giebt's?
Was hat Sie gegen die Partie?
Morgiane.
Ich ſtieß
Nur meine Hühneraugen; weiter nichts.
Lebt wohl. Ich habe keine Zeit zum Sehen,
Muß gleich nad) Haus, mit meinem Sohne ſprechen.
(Ab.)
Gewürzkrämer Cängftlic.)
Nun läuft ſie ihres Wegs, und läßt mich da
Mit ihrem Dreier ſtehn. Was thü' id) jetzt?
He, Morgiane! — Sie iſt weggeflogen!
Ich bin ein braver, ein ſolider Mann,
Der keinen Menſchen noch betrogen hat.
Auch hab' ich noch bis Dato nie geſtohlen,
Unmittelbar, zu ſagen, aus der Taſche;
Was mittelbar durch Handel profitirt wird,
Das iſt was Andres; da iſt Jeder Dieb.
Ein Jeder iſt ein Dieb in feiner Nahrung.
Dies ift ein Sprudy des großen Lokmans, wenn id)
Nicht irre, voller Weisheit und Bedeutung.
Doch diefer Dreier! Lieber Gott im Himmel,
'S ift eine arme Frau; es hat mic oft
Im Herzen tief gekränkt, wenn ich wohl merkte,
oder die Wunderlampe. 105
Es fei fein Bilfen Brot im Haufe mehr.
Man Fann nidyt Allen helfen. Vor'ge Woche
Gab id) der Armen doch zwei Zwetſchgen gratis,
Damit fie etwas noch zu fauen hätte, —
Doch dieſer Dreier! — Wenn ich ſterben ſollte —?
'S iſt eine große, ſchwere Sünde, ſich
Mit armer Witwen Gute zu bereichern.
Ich will es in mein Buch doch gleich notiren.
(Schreibt:)
„Grhalten von Morgiane einen Dreier;
Ob Del, ob ich Lavendelwailer dafür
Ihr geben fol, ift noch fehr zweifelhaft.“
Ad), das hat mir das Herz erleichtert; gut,
Daß bier es —* um um und Sterben willen. —
(Gent hinein.)
Aladdins Bimmer.
Er fteht erbittert mit der Lampe in der Hand; indem er fie reibt, erfcheint :
Der Geift der Lampe, und fpricht:
Strenger Herefiher, was verlangft Du? Schicke mid nur
eilig fort.
Aladdin.
Kaum veilattet mir der Zorn, Dir zu verkündigen das Wort.
Höre Fürzlid) das Verbrechen, kürzlich diefe falſche That:
Sultan Soliman gewährte mir, was meine Liebe bat.
Daß Gulnare mir gehörte, glaubt’ ic), ad), mit froher Bruft.
Kann id Dir, o Geiſt, befchreiben meine füge Liebestuft?
Aber treulos fein Berfprechen bridyt der Sultan ohne Scham;
Giebt ihr des Vezires Sohn, den Saladin, zum Bräutigam,
Darum ftürmt mein Herz fo düfter, wie die düſtre Mitternad)t.
Höre denn, was id) verlange, braude Deine ganze Macht!
106 Aladdin
Henn Gulnare jegt gekommen, ihm zur Freude, mir zur Dual,
In das ftille Hochzeitzimmer zu dem ſcheuslichen Gemahl,
Nimm dann gleicdy das Bett behende, wenn er bei der Braut
allein;
Schwing’ es eilig durd die Lüfte, Hoc) in klarem Monden—
fein.
Durd) die kühlen Aetherftröme bringe fie am diefen Ort;
Sehe dann das Bett in’s Zimmer, aber führ' den Sünder
fort.
Auf dem Dache fell er wachen, fteif und kalt, empört und toll;
Aber fie in ihrem Bette fchönheitblühend bleiben fol.
Bald mit einem andern Gatten wird fie lieblich fo vereint.
Aber wenn in Dften wieder purpurroth die Sonn’ erfcheint,
Komme gleich, das Bett zu holen; bring’ es in des Sultans
Haus,
Diefes fei Dir fo befohlen, eile nun und richt' es aus.
Geift,
Herr, was Du gebeutft, vollzieh' ih; mache hurtig Did)
entzückt.
Hätteft äänger Du gezaudert, wär die Blume ſchon gepflüdt,
(Er verfchwindet einen Augenblick, kommt aber fogleich wieder, mit
dem Brautbette in den Armen, worin Saladin und Gulnare liegen,
er nimmt Saladin heraus und fagt zu Aladdin:)
Freue Dich nun, mein Beherrfcher, diefer Knecht foll himmelan
Euch bewachen, Sterne guden auf dem fühlen Bleialtan.
(Berfchwindet mit Saladin.)
Gulnare
(richtet fich auf ihrem Lager auf.)
Wo bin ich? Heiliger Prophet, wo bin ich?
Ha, weldye gute, unfihtbare Madıt
Hat mid) gerettet, als verzweifelt ſchon
In des Verhaßten Arm id) zitterte?
oder die Wunderlampe. 107
Wo bin ich? Iſt es ein holdfel’ger Traum?
Es ſchien mir aud), als fäh? id) eben hier
Den ſchönen Züngling, der bei meinem Bade
Verſteckt ſich hinter einer Säule barg,
Und der feit jener Zeit mir vorgeſchwebt.
Wo bin ic), heiliger Prophet, wo bin ich?
"Yladdin
‚ (teitt hervor und wirft füch zu ihren Süßen.)
Geliedtefte, in Deines Jünglings Schuß,
Der ohne Did) ein nicht'ger Schatten wird,
Der treu Did) liebt, und den mit Wunderkraft,
Did) zu erhalten, Allah ausgerüftet.
D falle Muth und zittre nicht! Entfernt
Iſt der verhaßte Bräutigam; er fteht
Schon auf dem Dadye, fteif wie eine Mumie.
Sag’ aber jebt aufrichtig, holde Schöne,
- Ob Du mid) lieben kannt? — D Du haft mid” : 7
Gefehn, und nicht vergeilen. Süße Hoffnung!
(Er nimmt ihre Hand.)
R Gulnare,
Bift Du ein heil'ger Engel, ſchöner Züngling,
Den der Prophet zu meiner Rettung fandte?
Aladdin (entzückt.)
D wie fie himmliſch ift! Der dünne Schleier
Bemüht ſich nur vergeblicd mit den Falten
Den blüh’nden Neiz der Jugend einzuhüllen.
D fage mir, Du holde Unfhuld, fage,
Ob Du mid lieben Fannft?
Gulnare.
Ich liebte Dich,
Dom erſten Augenblick, als ich Dich fah.
108 Aladdin
Bon meiner Kindheit an im ftillen Harem
Erjogen, kenn’ id) wen’ge Männer nur.
Doch fühl ich's tief im Herzen, Keiner lebt,
Der mid) fo füß, wie Du, entzüden kann.
Aladdin.
O Seligkeit!
(Er küßt fie.)
Jetzt biſt Du meine Braut.
Ein Engel bin id) nidyt, Dank fei dem Himmel!
Ich bin ein Menſch, aus Fleifdy und Blut, wie Du.
Nun fchlafe wohl. Id) ruhe Dir zur Seite;
Bis aber Allah unſern füßen Bund
Befeſtigt bat, fol diefes blanke Schwert, .
Das zwifchen uns id) ausgezogen lege,
Wie ein Cherub, die Menfchenfünde fern
Zurück vom Paradies der Unſchuld fchreden.
Der Hausaltan.
Saladin
(wie eine Säule an's Gitter gelehnt, Das Haupt gegen die Sterne
gewandt.)
Ha, Scmad), Verrath, ha Zorn, Verzweifelung!
Nie, immer nody? Elender, ſchwacher Arın,
Kannft Did) nicht rühren? — Ad), fein Glied, kein Glied!
Kalt fteh’ icy, ohne Negung und Bewegung.
Es war, als hätt? er mir aus allen Knochen
Das Mark herausgeblafen. Alles hohl,
Steif bin ich, matt, als wär ich .auf der Wiefe
Im Falten Thau des Morgens eingefchlafen,
Und wachte lahm, vom Schlagfluß bingeftredt.
„Steh' da,“ fo grinzte diefer grimmge Geift,
oder die WBunderlampe.
„Steh’, wie Loth’s Eh'weib, wie ’ne Säule Salz!"
So rief er und verfhwand. Ha, Tod und Hölle,
Erft warn und kräftig auf dem Hochzeitlager,
Beim ſchönen Bufen eines Holden Mäddyens,
Jetzt — fteif wie eine Mumie! Nichts bewegt ih;
Der kalte Wind in meinem Kaftan nur;
Die trüben Augen bimmelwärts gekehrt,
Die Zunge, Herold fhmähender Verzweiflung.
Ich überlebe ſchwerlich diefe Nacht!
Jetzt liegt ein Andrer in den runden Armen,
Ha, Raſerei! Ha, grauſe Eiferſucht!
Raubt mir das Leben gleich! Ihr bleichen Sterne,
Stürzt Euch herunter und zerſchmettert mich.
109
110, Aladdin
Bierter Aufzug.
Des Sultans Palaf.
Soliman. Zulima, feine Gemablin. Gulnare.
Der Vezir. Saladin.
Soliman.
Der Grund der Eheſcheidung iſt ſo ſeltſam,
Und liegt den Gränzen der Wahrſcheinlichkeit,
Der möglichen Natur ſo weit entfernt,
Daß kaum ich weiß, was ich erwiedern foll.
Vezir.
Das iſt auch meine Meinung, großer Sultan,
Erfahrung lehrt uns oft, wie leicht das Blut
Mit Träumerei die Phantaſie erhitzt.
Soliman.
Doch, daß ſie Beide nun das Selb'ge träumten?
Iſt eigen; doch unmöglich iſt es nicht.
Und ſoll man etwas auf dies Mährchen halten,
Iſt es ja immer beſſer Möglichkeit
Zu glauben, als ein Wunder zu vermuthen.
Öder die Wunderlamp. AM
Spliman.
Um auf die Spur der Sache denn zu Tommen,
Wird es am beften fein, dag ruhig wir
Die zweite Nacht nody mit Geduld erwarten,
Und dag im Hochzeitzimmer wir ung Beide
Berbergen bei den Kindern, um die Wahrheit
* eignen Augen vollends zu entdecken.
Vezir.
Ein Weiſer bift Du, mächtigſter der Kön’ge!
War’s nur ein Fiebertraum, dann fehn wir nichts;
Miſcht aber fi der Teufel mit in’s Spiel,
Dann fehen wir es gleich mit eignen Augen,
Und fünnen unfern Kindern dann erlauben, —
Was mid; betrifft, mit inn’gem Schmerz und Gram, —
Das Band der Ehe wieder aufzulöfen.
Sulima.
Was fagt mein Toͤchterlein zu dem Entſchluſſe?
Gulnare.
Ich unterwerfe mich des Vaters Wille
Vezir.
So iſt die Sache damit abgemacht.
Saladin.
Mein, halt! Ich habe doc ein Wörtchen auch
Bei diefer Sadye mitzufprecdyen, den? id).
Id) liche Eure Tochter, großer Sultan,
Erkenne ar mein auserlefnes Glück;
Doc nicht um ihretwillen, um der Welt nicht,
Verſucht' ich noch ein foldyes Abenteuer!
Ihr wißt nicht, was das zu bedeuten hat,
Steif, wie ein Spieß, auf den Altan gepflanzt,
Die Stern’ und die Milchſtraßen zu betrachten.
112 Aladdin -
Ihr wißt nicht, was das fagen will, von Geiftern
Gezwickt zu werden, merf id, mein Gebieter !
Zu fehen, wie ein fremder Mann zu Bett
Mit Eurer Frau gemächlich ſich begiebt,
Derweil Ihr droben, wie ein toller Hund,
Den Hundsftern und den Mond nur angebellt.
Gulnare da hat gut gehorfam fein,
Sie bleibt in ihrem weichen, warmen Bette,
Sp breit, gemächlich, daß das bloße Schwert,
Das zwifchen ihre und ihrem Teufel liegt,
Nicht fhaden Fann, — und überhaupt, das Schwert —
Ihr wandtet felbft mir ein: was man nicht ſelbſt
Mit eignen Augen fieht, ift ſchwer zu glauben.
Nun hab’ id) Freilich meine Braut im Bette
Bei'm Zauberer gefehen; aber, Herr,
Das nackte Scwerdt, das hab’ id) nicht gefehn!
Vielleicht ift die Idee vom Schwert’ ein Traum, —
Nach Eurer eignen Meinung, großer Sultan! —
Nur ein Gebild des jungfräulidien Bluts.
Gulnare (werächtlic.)
Verwegner!
Zulima (aufgebracht.)
Solche Worte wageſt Du?
Soliman.
Ha, bei'm Propheten, ich muß herzlich lachen.
Erzürnt Euch noch! Ei, immer beſſer, Kinder!
Eu'r Schmälen klingt mir wie das zorn'ge Bellen
Des Hundes, wenn er ſich des Nachts erboßt,
Weil um den Mond die leichte Wolke gaukelt.
Vezir.
Ermanne Dig, mein Sohn!
oder die Wunderlampe. 113
Saladin.
IH will mich nicht
Ermannen, Vater! Ich will mic entweiben.
Bezir.
Kannft Du Did) eine Nacht nod in Gefahr
Nicht wagen, einer ſolchen Perle willen?
Saladin.
Und kennt Ihr die Gefahr der Perlenfifher?
Wenn Ihr fie kennt, multiplicirt fie hundert
Und taufend Mal; dann kennt Ihr erft die meine.
Vezir.
Bei Mohamed, es mag gefährlich fein,
In Deiner Lage, Sohn, ſich zu befinden,‘
Für einen ausgezehrten, welfen Schwächling. —
Das aber hatt’ idy nicht von Dir vermuthet. —
Saladin.
Macht mid) nicht rafend! Tantalus war glüdlid)
Noch gegen mid; ihm ftand nur Waller bis
An die verſchloßnen Lippen — aber mir —
Genug! — Das feh? ich freilich deutlich ein,
- Daß die Begebenheit Eudy einen Strid)
In Eurer Rechnung made; Schwäher fein
Des Sultans ift fo ſchön wie Schwiegerfohn.
Dod, müßt Ihr mit Geduld Eud) waffnen, Vater!
Denn freilich ift Gehorfam Sohnespflicht.
Dod) jede Nacht zur Ehre der Familie
ur auf dem Dache Wache ftehn, indeß
Ein Andrer ſich mit meiner Frau ergößt,
Das wär? ein Bischen gar zu viel verlangt.
Oehlenſ. Schriften. X,
114 Aladdin
Bezir,
Verwegner Sohn, vergiß die Achtung nicht,
Die Du dem hoben Drte fchuldig bift.
Saladin.
Meint Ihr den hohen Drt dort auf dem Dadye?
Dem, den? ich, hab’ ich hen gehörigen _
Reſpekt gezeigt.
Vezir.
Beſtändig fällſt Du wieder
In dieſen tollen Traum zurück.
Gulnare.
Mein Vater,
Erfüllt, ich bitt Euch, Saladins Verlangen.
Soliman.
Was meineſt Du, Vezir? Wäs iſt zu thun?
Vezir.
Das ganze Mährchen iſt ja nur zum Lachen.
Der Dberft der Leibwache (ritt herein.)
Der Ali Baba, der die Sterne deutet,
Steht draußen mit entblößtem, kahlem Haupte;
Er hat Dir etwas Wicht'ges zu verkünden.
Soliman. -
Er komme!
(Der Obriſt geht.)
Ein erfahrner, weifer Greig,
Der jinnig in den Sternen ſchaut und lief.
Fern auf der Ebne hab’ id) einen Thurm
Ihm aufgebaut, wo er des Nachts vernimmt,
Was Bunderbares uns die Sterne bringen.
Saladin (ärgerlich)
Was Wunderbares? Glaubt mir, großer Sultan,
oder die Wunderlampe.
*
Es regt fid) nicht ein Stäubchen Wunderbares;
Man fteht und gafft — das ift die ganze Sadıe!
Ali Baba (tritt herein.)
Gott ſchenke Perfiens Sultan Glück und Frieden.
Feſt fteh? ‚fein: Thron, es blüye fein Geſchlecht.
Soliman.
Id) danfe Dir! Sag’, welhe Nachterſcheinung
Hat Dich von Deinem Thurm hiehergeführt?
Denn ohne foldies kämſt Du fchwerlicy her.
Du liebſt die Einfamteit.
Ali Baba. . ——
? Ja, edler Herr,’
Id) bin ein Greis, Die Welt Hat mid) ermüder,
Der Erde Tand — er feſſelt mid) nicht mehr;
Da Scheint das Größte felbft dem Weifen Elein.
Wenn uns das Alter mit den Silberflügeln
Bedeckt, dann hebt allmälig fid) das Auge
Hinauf zur fterndefärten Himmelswölbung ;
Dort fhaun wir hin, als zu der wahren Heimath,
Wo, nad) der Vilgerfchaft, wir hingelangen.
Was mid) betrifft, mir ift es Freud’ und Troſt,
Aufmerkſam, ftill, dies ſchwache Licht der Nacht
Zu Schauen, bis das große Thor fidy öffnet,
Und mir den Morgenglanz entgegenfendet.
| Spliman.
Was haft Du mir denn hier zu offenbaren?
i Baba.
Wie nad) Gewohnheit id) verwichne Nacht
Den hohen Thurm beftiegen und gebetet,
Ließ auf dem Mond ich meine Augen ruhn;
IH dadıte dran, wie der Prophet ihn einft,
5
J
r
116 Aladdin
Um der ungläub’gen Erde feine Sendung
Klar zu beweifen, ſchnell vom Himmel winkte,
Daß Flingend er zur Erd’ in Stüden fiel,
Halb rechts, Halb links, zum Berge Elikais;
Worauf er wieder ihn durdy’s Machtgebot
Sufammenfhmolz und herrlich fteigen ließ,
Wo er zuvor gefunfelt, in den Aether.
Wie ich nun alſo finnend ftand und ſchaute,
BVerfinfterte der Mond ſo plötzlich ſich,
Daf er die Erde wie 'ne Kohle ſchwärzte.
Da heulten tief im Wald die Eulen ängftlid,,
Im Dorf verftummte ganz der Hunde Bellen ;
Doc blieb ich ruhig ftehn, obſchon id) nicht
Die Finfterniß begriff; der ganze Himmel
War Har und wolkenlos, und feine Wolfe
Vermöcht' aud fo die Erde zu verdunfeln.
Ich dachte: ift’s vielleicht des Em’gen Wille,
Die Schöpfung diefe Mitternadyt zu richten;
Hat er den Todesengel ſchon gerufen,
Den hoben Israfil, der ftets bereit
Mit blinkender Pofaune fteht, um ſchnell
Mit ſchmetterndem Getön die ganze Welt
In Trümmern hinzuftürzen? — Id bin ruhig!
Doch wie ich Enieend fo in Finfternig
In Gott ergeben auf die Zukunft harrte,
Bekam der Mond den Glanz allmälig wieder,
Und bei dem Earen Lichte fah’ ich deutlich,
Es waren eines Engels ſchwarze Flügel,
Die diefe Dunkelheit verbreitet hatten,
Er fihwebte durdy die Luft mit einem Bette
Bon Ehenhol; und Gold, worauf zwei Menſchen
oder die Wunderlampe. 117
Ich deutlich fehen Fonnte, Mann und Weib.
Was nun dies wundervolle Zeichen ung i
Bedeuten foll — hegreif’ ich nicht. Die Pflicht
Hat aber mid) ſogleich hiehergetrichen,
Dir Alles fund zu thun. Es gebe Gott,
Daß etwas Sclimmes nicht darauf erfolge.
Saladin.
Was Schlimmes? Was drauf Schlimmes folgen Fünnte,
Iſt ſchon gefolgt, bei meinem Bart!
Soliman.
Ihr habt
3a feinen.
Saladin.
Hof ihn aber zu befommen.
Ali Baba.
Wie denn, mein guter Herr?
Saladin.
j Habt Ihr mich nicht
Dur Euern Tubus, lieber Sternendeuter,
Auf irgend einem Dache heute Nacht
Entdeckt, wie ihr, Aſtronomie ſtudirend?
Ali Baba.
Wann denn, mein guter Herr?
- Saladin.
Kürzlich, nachdem Ihr
Den Bengel in der Luft gefehen.
Ali Baba.
Hein.
Saladin.
Mid. Habt Ihr droben in der Luft gefehen.
118 Aladdin
Ali Baba.
Herr, Ihr belegt Euch ſelbſt mit harten Namen,
Saladin.
Ha, nehmt midy nicht für diefen Teufelskerl!
Die große, garft’ge, ſchwarze Fledermaus!
Id) war die eine der Perfonen, die
Ihr ſchlafend auf dem ſchönen Bette faht.
Vezir.
Warft Du das Weib, mein Sohn, oder der Mann?
Saladin.
Der Mann, zum Henker! Wär ich's Weib geweſen,
Ic hätt? es angenehmer wohl gehabt,
Als feine Himmelswillenihaft zu treiben,
Die eine wahre Höllenwiſſenſchaft
Zu beißen wohl verdiente,
Ali Baba.
Herr, Ihr frevelt.
Gulnare.
Geliebter Vater, zweifle länger nicht,
Du ſiehſt, es war kein bloßer Fiebertraum.
Soliman.
Die Wege Gottes ſind oft unergründlich,
Doch daß der Himmel dieſen Bund nicht ſegnet, —
Das ſeh' ich deutlich ein, und ſomit ſei
Er wieder aufgelöſt.
⸗
Gulnare
(umarmt ihn entzückt.)
Dank, beſter Vater.
Saladin.
Dank, großer Sultan, daß Ihr von der barten
Leibeigenſchaft mich löſt und operirt.
oder die Wunderlampe. 119
Bezir
(bei Seite, ——
Elender Wicht! Bei Gott, er iſt mein Sohn nicht.
Mir wär's unmöglich, ſolchen Sohn zu zeugen. —
Ha, Höllentraum, tilgft meine ganze Hoffnung,
Und doch — id) muß wohl obendrein nod) danken!
Muß danken obendrein!
CEaut.)
Dank, großer Sultan!
Soliman.
Sehr wunderbar! Nun, folge mir zum Dwan
(Der Sultan und der Vezir gehen zum Divan. Gulnare folgt
ihrer Mutter.)
Ali Baba (Gu Saladin.)
Herr, jagt mir, was bedeutet dieſes Wefen?
Saladin.
Guckt zu den Sternen, Herr, da könnt Ihr's leſen.
Macht's meinetwegen jetzt der Welt bekannt!
Id) habe mir die Hörner abgerannt.
(Ab.)
(Ali Baba geht nach feinem Thurme.)
D.ith U.A0.
Soliman. Bezir. Zufhauer Räthe. Morgiane
(an der Thür.)
Morgiane
(zu einem betrunkenen Kerl.)
8i nun, was ftößt er mid) fo in die Nibben!
Wart er, bis er gerufen wird, und balg’ er
Sich nit herum mit einer alten Fraul
120) Aladdin
. Der Betrunfene
Was hat Sie hier zu ſchaffen? Geh’ Sie fort!
Sie kann doch heute nicht den Sultan fireden.
Er fpricht nur Leute meines Ranges, die
Ihm Wichtigkeiten vorzutragen haben!
Morgiane.
Die Wichtigkeiten vorzutragen haben!
So hab’ ich Widytiges nicht vorzutragen?
Ich komme, will er’s willen, meinen Sohn
Mit unfers Sultans Tochter zu vermählen,
Der Kerl.
Halt's Maul! Das ift ja nur Tollhausgeſchwätz.
Ih aber komme finnig und vernünftig,
Sein königliches Pferd laut zu verklagen,
Denn id bin Stallknecht, das will fagen: Marſchalk!
Denn Mar ift Mähr' und Schalt ift Knecht. — Sie irrt,
Wofern fie etwa glaubt, ich fei betrunken, —
Beforfen nämlich; — denn beraufcht, befoifen,
Ift wieder eins; denn Be ift Be und rauſcht
It foffen. Alfo nüchtern bin id)! denn
Betrinken kann man fid) nicht ohne Wein;
Weil aber Feine Afiaten, ſieht fie,
Haarbeutel haben oder fragen dürfen,
Hat weislich der Prophet den Wein verboten.
Und Opium — das mag der Teufel fchluden.
&o hab’ id) alfo mid, genöthiget
Gefehn, in Branntewein den Naufd) zu nehmen.
Und Branntewein hat Mandes, fiebt Sie wohl
Dem Wein voraus; man reift mit Ertrapoft
Nach der Betrunkenheit mit Branntewein.
Der Wein ift höchſtens ordinäre Poft,
oder die Wunderlampe.
Mo man bei jedem Wirthshaus halten muß,
Ch’ man an den Beftimmungsort gelangt.
Um aber auf das Pferd zurückzukommen,
So hat es geftern mid) fo hart geſchlagen,
Daß ich das Gleichgewicht dabei verlor.
Und wärs zum erften Mal, ließ ich es hingehn;
Man foll ja feinem Nächſten gern vergeben. —
Du lieber Himmel, wir find. ale Menſchen. —
Doch diefe Beftie hat fih nad) und nad)
Gewohnheit draus gemacht, mid) armen Kerl
Im Koth herumzumälzen, fieht fie, mit
Der neuen Uniform; und wenn nun der
Minifter für das Innre fo mic) fieht,
Nennt er mid: Du beſoffnes Schwein, wiewohl er
Als aufgeklärter Mann dod) willen follte,
Daß fih die Schweine nicht betrinken können.
Drum will ich diefe Beftie drum verklagen,
ı
Das Pferd, verfteht Sie, das verdammte Vieh. —
Allah verzeih’ es mir, ich follte Freilich
Dom königlichen Pferde fo nicht fprehen; —
Meint’s aber, Alles fei ihm fchon erlaubt,
Weil Pferd es ift, und ih nur Stallknecht bin?
Nein, nein, ein armer Menfch bat auch fein Recht.
Morgiane (für fi.)
Was doch ein Sultan Alles hören muß!
Es mag fo Leicht nit fein, im Gleichgewicht
Den Staat zu halten; und befonders wenn
Die Unterthanen fi betrunken haben.
Spliman.
Bezir, ha fiehft Du wieder an der Thüre
121
122 Aladdin
Die alte Frau, die vor’ge Woche mir
Den Schönen Schatz verehrte?
Vezir Cerbittert.)
Welche Frechheit!
Ih will fogleid die Wahe — .
Soliman.
Halt, Vezir!
Erinnert Euch, was meiner Hoheit frommt,
Und was ihr ſchadet. In dem Freudenrauſche
Entfloh mir ein Verſprechen, das wohl nicht
Gehalten werden kann; doch mit Gewalt
Will ich es auch nicht brechen; denn Gewalt
Erregt den Zorn, und Zorn verſucht die Rache;
Mo dies durd) Klugheit eines Augenblids
Vermieden werden kann, muß es gefhehn.
Vezir.
Die Worte meines Sultans zwingen mich
Zum Lächeln. — Zorn und Rache! Rache, Zorn!
Ein Schneiderburſch und Sultan Soliman!
Soliman.
Er ſei nun wer er wolle, iſt er doch
Mein Unterthan, und bin ich nicht ſein Fürſt?
Die eigne Hoheit will, daß ich mit Liebe
Die mir vertraute Heerde ſorgſam pflege.
Behandl' id) fie leichtfinnig wie das Vieh, .
Mach' ich mid) felbft zum jämmerlichen Hirten,
Vezir.
Vergebt mir, Herr, die Wallung meines Unmuths!
Und zeigt auch mir die Proben Eurer Güte;
Die kälteſte Natur entrüſtet ſich,
oder die Wunderlampe. ..: 428
Denn man die friihen Wunden ihr berührt;
Und meine! Braudy ich mehr hinzuzufügen?
Soliman.
Nun, id) begreif’ es, Nufdirwan! Doch haft
Du mir verfprochen, diefe friihe Wunde
Nicht zu berühren, die uns Beide ſchmerzt.
Laß es denn jetzt vergeſſen fein, und fage,
Was hier zu thun Du gut und ſchicklich findeft?
Vezir.
Wollt Ihr die Närrin los nur werden, Herr,
Nicht ſtrafen, nun ſo brauchet Ihr ja bloß
Von dem verliebten Jüngling das zu fordern,
Was er unmöglich wird erfüllen können.
Dies wird das ganze Abenteuer enden.
Soliman.
Der Kath ift gut. Wohl, bringe fie hieher
Und laß für heute alle Andre weggehn. ‘
(Der Bezie ruft Morgiane, fie wirft fich vor dem Throne nieder
alle Mebrigen entfernen fich.)
Soliman
(eenft und ftrenge.)
Ich kenne Did), idy weiß warum Du kommft,
Auch hab’ ich mein Verſprechen nicht vergeffen.
Ich fage Dir, wer ſolche Gaben ſchenke
- Zur Divans-Steuer, wie die letzte war,
Der künne, wenn das Uebrige dem Grften
Entiprehe, Hoffnung haben, einer Fürftin
Vermählt zu werden. Was idy damals fagte,
Das fag’ ich noch. Denn, ift Dein Sohn fo reid)
An Edelfteinen und an feltnen Scyäßen,
"Wie uns die lebte Gabe hoffen lich,
124 Aladdin
Dann iſt auch ſolche Braut ihm nicht zu body.
Um dies num alfo gründlich zu erfahren, —
Denn möglid) wär es ja, daß bloßer Zufall
Den letzten fhönen Schatz ihn finden lieg, —
Verlang' id), daß er morgen mir, und zwar
Zu diefer Stunde, vierzig große Beden
Aus feingetriebnem Golde ſchaffen foll.
Die muß er noch mit Edelfteinen füllen,
Weit beſſer als die lebten; jedes Beden
Mus aud) ein ſchöner fhwarzer Sklav mir bringen,
Und diefen vierzig ſchwarzen Sklaven müffen
Noch vierzig andre ſchöne weiße folgen.
Wenn das gefdyicht, ſteh' ich bei meinem Worte,
Und gebe meine Tochter Deinem Sohn.
Wenn's nicht gefchicht
(fol; drohend.)
ſo laßt mich nimmermehr
Ein Wort von Euch vernehmen. Für die Gabe
Die Du mir erſt gebracht, verzeih' ich dies Mal
Die kühne Unverſchämtheit Deines Sohnes;
Daß aber nie er fürder wage, mich
Mit frechen Bitten zu beläſtigen.
(Er ſteht auf und geht ab mit dem Vezir.)
Morgiane
; (allein, ganz muthlos.)
Sa, ja, fo geht's, fo geht's! Dacht' ih es nicht?
Hab’ id) nicht mütterlich ihn g’nug gewarnt?
Nicht taufend Mal gefagt: Aladdin, ftrede
Dich nad) der Dede. Mehr gehört zum Tanz
Als rothe Schuhe! Brauch' id Dir zu fagen,
Das faule Eier, ftinkend’ Butter, ſich
oder die Wunderlampe.
Zum gelben Kuchen ſchicken? — Holzgeſchirr
Muß hölzern’ Deckel haben. — Lieber Gott,
Wer Kab’ nicht hat, der muß mit Eulen beißen;
Mer Kalk nicht hat, der muß mit Lehme mauern.
Warum denn eben die Prinzeffin, Sohn?
Braudy’ Efel, haft Du Pferd und Ochſe nit. —
Doc), dies war. nur ein Mährlein für den Tauben.
'S ift wahr, es hilft kein Panzer für den Galgen.
Er mieinte, weil er diefe Lampe hätte
Und weil der Sultan gut und höflich ift. — .
Sollft aber ſchlafenden Hund nicht wecken; Efel
Nicht Übergürten! Hüte Did) vor Kapen,
Die vorne leden und die hinten Eragen.
Man kritt. den Wurm fo lang bis er fih krümmt. —
Nun wird er jammern! — Aber warum haft
Du zwifchen Thür’ und Angel Dich gelegt?
Ries Garn ift, wird das Tuch; auf Morgenladyen
Folgt Abendweinen, fiehft Du! Narren foll man °
Mit Kolben laufen; wie das Bett gemacht,
Er fchläft man drin; umd wie der Thon, der Lohn.
216.)
wirt, ©,
Aladdin. Morgiane kommt.)
Aladdin
(läuft ihr entgegen.)
Nun, liebe Mutter?
Bi, Morgiane.
Nun, mein lieber Sohn?
125
126 Aladdin
(Bei Seite.)
Ic Habe nicht das Herz, ihm rein heraus
Zu fagen, wie die Saden fid) verhalten.
Aladdin.
Nun, Mutter, Ihr feid alfo jetzt geweſen —
Morgiane
(fällt ihm in’s Wort.)
Beim Schlachter? Ja, mein lieber Sohn, das bin id.
Wir friegen einen guten Ninderbraten.
Aladdin.
Das frag’ idy nit. Seid aber Ihr —
Morgiane,
Beim Scyneider
Geweſen? Ia, das bin id aud, mein Sohn!
Was das ein freundlicher und feiner Mann ift.
Er war ein treuer Freund von Deinem Bater,
Obſchon fie alle beide Schneider waren.
Dein Vater nähte Mäntel ganz vorzüglid),
Der Andre hatte mehr Genie zu Hofen;
So faßen fie in freudenvoller Eintracht,
Ein tücht'ger Mann in feinem Fade Jeder.
Sie famen nie einander in’s Geheg';
Er rühmte Deines Vaters Mäntel ftets,
Dann wurden ihm die Hofen auch gerühmt;
So ging es berrlidy eine Reih' von Jahren.
Da war die goldne Zeit der Scneiderzunft!
Aladdin.
Sagt aber, Mutter —
Morgiane.
Was der Schneider fagte?
Sci Sie verfihert, ſagt' er, liebe Frau,
oder die Wunderlampe.
Ich will für Ihren Sohn fo fauber nähen,
Wie felbft er hätte nähen können, wenn
Bei feines Vaters Handwerk er geblieben.
. - Aladdin.
Ber, alle Teufel, fragt denn nad) dem Schneider?
Morgiane.
Mein Sohn, wer hoch will fliegen, ftürzt herunter.
Aladdin.
Jetzt mer ich nur zu deutlich, was die Glocke
Geſchlagen bat; allein, bei meiner Ehre,
Dies wird dem Sultan Soliman ein fchredlid)
Gefährlich Glückſpiel werden.
Morgiane.
'S iſt nicht gut,
Mein Sohn, mit großen Leuten Kirſchen eſſen,
Dann werfen ſie muthwillig Einem leicht
Die Stein' in's Angeſicht.
Aladdin.
Ich will ihn ftein’gen.
Nur hurtig, Mutter, fagt mir Alles gleich.
Morgiane.
Was foll idy jagen, Cohn, Du weißt es ja,
Du haft es ja ganz ridytig ſchon errathen;
Bei diefer Sache ift nidyts mehr zu thun.
Den Stein muß man nun einmal liegen laſſen,
Der nicht zu heben iftz dergleichen Dinge
Muß man mit Kohlen in den Schornftein ——
Aladdin—
Ich berſte faſt. Ha, warte, kleiner Sultan!
Du Bettlerkönigl Warte nur, du Stolzer!
Ich will dir zeigen, was das fagen will;
128 Aladdin
Mid bei der Nafe nur herumzuführen,
Wie deine Sklaven es ertragen müſſen!
Ich will did Ichren Männerwort zu halten.
Du ſollſt nicht lange ruhig, wie das Schaf
Zum Wolf, herunter von dem Feifen blöfen,
Weil ich did) nicht erreichen kann. Das will id)!
Bei dem Bropheten fei es hier geſchworen!
Morgiane.
Beruhige Dein heißes Temp'rament,
Es macht Did ganz unglücklich, lieber Sohn.
Aladdin.
Unglücklich? Und worin befteht mein Glück?
Mein Unglüd? Wißt Ihr das? Berfteht Ihr das?
Mein Glück ift: edel, ohne Schmach zu leben;
Demüthigung ift mir das größte Unglück.
Um jedes Hindernif zu überwinden,
Hat Allah Stärke mir und Muth gegeben,
Mit fo viel Stolz und kühnem Sinn gepaart,
Daß, wenn mid) meine Lich’ aud) ftürzen follte,
Würd' ich im Sturze felbft mid) glücklich preifen.
Morgiane,
Die Seite ſpringt, wird fie zu hoch gefpannt.
Aladdin.
Ia, wenn fie mürb’ und faul und elend it.
Zum Teufel! Etwas muß fih doch die Freiheit
Noch nehmen in der Welt zu fteigen? Alles
Kann doch nicht finken bloß? Im Pfuhle niften?
Doch g'nug geſprochen. — Wie verhielt er ſich?
Er hieß Euch gradezu wohl vornehm weggehn?
Er tadelte wohl die Verwegenheit,
Und wollt' Euch gar nit wieder ennen?
oder die Wunderlampe.
Morgiane.
Nein,
Das eben nicht, mein Sohn! vielmehr er ſtand
Bei feinem Worte, dag er Dir gegeben.
Mas aber können uns die Worte helfen?
Die Folgen bleiben immer doch diefelben.
Aladdin.
Was ſagt er denn? dh;
Morgiane.
Er fagte: wenn Du morgen
Ihm vierzig große goldne Beckhen ſchickteſt,
Doll von gemaltem Glaſe, wie die lebten,
Dann follteft Du zur Frau die Tochter haben. .
Doch jedes Becken ſollt' ein ſchwarzer Sklav
Hintragen, und er ſollte, irr' ich nicht,
Von einem Weißen hinbegleitet werden.
Doch Himmel, wie iſt das wohl praktikabel?
Aladdin.
Wie, Mutter, iſt es weiter nichts als das?
Morgiane.
Mein Sohn, es ſcheint mir gar zu viel zu ſein.
Aladdin.
Warum habt ohne Grund Ihr mir das Blut
Empört, mich auf den Sultan aufgebracht?
Die Forderung iſt ja erſtaunlich billig,
Und ſoll noch morgen werden.
Morgiane.
Wie?
Schon morgen? Wie, ſchon morgen? Und wie das?
Aladdin. '
Nun! — durd) die Lampe! *
Oehlenſ. Schriften. X. 9
129
130 Aladdin
Morgiane
(wie vom Himmel gefallen.)
Durch die Lampe! Hol’ mid
Der Kukuk, durch die Lampe; das ift wahr! —
Hätt’ ich die Lampe nicht bald ganz vergeſſen? —
Wer denkt auch immer an die alte Lampel —
Die Lampe, Sohn? So meinft Du, dag die Lampe —
Aladdin.
Ta, Mutter, ja gewiß, ic) zweifle nidt.
Morgiane.
Du mit der Lampe! Andre Leute haben
Nicht fo 'ne Lampe; das will fagen: Jeder
Hat auch wohl eine Lampe; aber dieſe
Aladdin.
It vom gemeinen Schlag der Lampen nicht.
Morgiane.
Ich zweifle do, mein Sohn! Der Geift vermag
Gewiß fo viel nicht,
- - Aladdin.
Nun, wir- wollen fehen.
Was er vermag und was er nid)f vermag,
Kann felbft der Geift am beften unterfcheiden;
Wir wollen gleich verſuchen.
(Er Holt die Lampe hervor)
Morgiane (bang.)
Wart' ein wenig.
Ic habe was zu ſchaffen in der Stadt,
Und will es heute Abend nod verrichten.
(Sie läuft hinaus.)
Aladdin (akein.)
Die Lampe Eriegt fie nie in ihren Kopf!
oder die Bunderlampe. 131
Vergißt fie immer! fonderbar genug!
Wenn fie fo Plane für mein Leben macht,
Wird auf die Lampe Rüdfiht nie genommen.
Dann bin ih nur ihr Sohn, nicht Herr der Lampe.
Nun, ob ich Herr bin, wird die Probe zeigen.
(Er reibt die Lampe.)
Der Geift Cericheint.)
Herr, was willft Du? Gleich gebiete! Deinen Willen zu
vollziehn,
Hat mir der allmächt'ge Allah Hurtigkeit und Kraft ver—
liehn.
Aladdin.
Wichtig ift mir Deine Hülfe; aber weil Du ftark und groß,
Bin id) keck und ee — fühle mid) nicht rettungslos.
eift.
Eage, was re braußft, und rühme meine Fähigkeiten
nicht.
Aladdin.
Vierzig große goldne Becken, funkelnd wie der Sonne Licht,
Mußt Du mir gefület bringen durch des Aethers dünne
Flut,
Mit dem Waller der Demanten, der Rubinen rothem
Blut,
Mit dem Grdgrün der Smaragden, mit des Sapphirs
Himmelblau,
2 fie voller Schönheit glänzen auf des Berges Früh:
lingsau.
Gros und funkelnd, felten Ieder, uud mit ungetrübtem
Schein,
Wie fie * dem Garten ſproſſen, aus dem harten Felfen-
ftein.
9*
132 Aladdin
Aber da in ſchwarzer Farbe nie ein Stein die Strahlen
bricht,
Must Du fhwarze Sklaven ſchaffen; Nacht fol bringen
Tageslicht.
Und um dieſer Farbenmiſchung recht ein buntes Spiel zu
leihn, .
Laß dann vierzig weiße Sklaven folgen jenen ſchwarzen
Reihn;
Daß ſie Paar und Paar ſich mengen: Weiß und Schwarz
und Schwarz und Weiß.
Leg’ ein Tuch um jedes Becken, fein gewebt mit vielem
Fleiß,
Wo mit Seide nachgeahmet ſind im ſammetweichen Grün
Purpurroſen, Nelken, re wie fie auf dem Anger
Lühn.
Bring’ mir alles diefes morgen, dann ift Deine Kraft Erin
Sand!
Der Geift
(im Verſchwinden.)
Es ſoll ftehen, mein Beherrſcher, da, wo felbit ich eben
k ſtand.
g Aladdin
(reibt die Lampe wieder)
Nicht jo hurtig, Fieber Diener, wir find noch nidt fertig
hier.
Der Geift (erſcheint)
Herr, Du braudft ja nur zu reiben, fo erfchein’ ich wie—
der Dir,
Aladdin.
Höre denn aufmerkſam weiter. Hurtig bift Du und ge
lenk:
oder die Wunderlampe. 133
Diefer ER: den fo Du bringeft, ift dem Sultan cin
Geſchenk.
Daß “ alfo bald mich zeigen muß vor ihm in foldem
Schein,
Wie es ſich dem Fürſten ziemet, ſiehſt Du klug wohl ſel—
ber ein.
Erſt mußt Du ein Bad bereiten, wo auf allen Wänden
bunt
Marmor blüht, Achat und Iaspis, ſchön vertieft und läng—
lid) rund,
Laß dahin zwei Quellen fliegen, heiß und kalt, mit Häh—
onen dran,
Daß id) drinnen felbft das Waffer nad) Belieben mifdyen
fann.
Schöne Mãdchen muſſen dienend da mir gleich zur Seite
ſein,
Um mit duff'gem Del und Tüchern mid) zu reiben und
erfreun.
Bringe drauf den ſchoͤnſten Kaftan, ſtarker Geiſt, von felt-
nem Werth;
Einen Säbel von Damaskus und ein wild arabiſch Pferd,
Welches doch der reiche Zügel ſchnell und ſicher immer lenkt.
Auch verſchaffe meiner Mutter jeden Putz, woran ſie denkt.
Gute, ſitt'ge Dienerinnen, nimm, o Geiſt, ſogleich auch mit.
Die, um ihren Wunſch zu hören, ſtets ihr folgen jeden
Schritt.
Sehr werd' ich Dich loben, Lieber, wenn der Muth Dir
noch nicht weicht.
Der Geiſt.
Alles, was Du noch gefordert, iſt mir gar zu kinderleicht.
(Er verſchwindet.)
134 Aladdin
/
Aladdin (reist die Lampe.)
Wieder muß ich rufen, Diener, felbft machſt Du den Weg
Dir lang.
j Der Geift (erfcheint.)
Früher wirft vom Neiben müde Du, als id) vom Eurzen
: Gang.
Aladdin.
Henn nun Alles gut fid) füget, wenn es num vollendet ift,
Wenn die füge Hochzeit endlidy ſich genaht nad) langer Frift,
Baue dann aus weißem Marmor den Palaft an jenem Ort,
Grade vor des Sultans Harem auf dem großen Plage dort.
Bau’ ihn ganz nad) Deiner Weisheit, aber herrlich, ſchön
zumal;
Alles Köftlihe verfammle! Im Palaſte bau’ den Saal,
Groß im Diered, hochgewölbet, wie es nie die Welt ge:
kannt.
Vierundzwanzig lichte Fenſter mache mir an jeder Wand.
Eins doch von den ſchönen Fenſtern laß mir unvollendet
ſtehn. —
Warum dieſes ich verlange, wirſt Du, mein Getreuer,
fehn. —
Feire da mir meine "Hochzeit, glänzend, luſtig, voller
Pracht.
Fackeln follen Ambra duften; werde Tag aus dunkler
Nadıt,
Leichte Feenchöre müſſen dann erfceinen, tanzend viel,
Während Mädchen ung ergögen mit Gefang und Saiten-
ſpiel. —
Kannft Du diefen Wunſch erfüllen, der fidy mir im Herzen
regt?
oder die Wunderlampe. 133
Der Geift.
* ſo leicht, o mein Gebieter, wie ein Wind das Blatt
bewegt.
(Er verſchwindet.)
156 Aladdin
Fünfter Aufzug.
Der Eingang sum Palafte des Sultans.
Erfte Bade.
Wa⸗ ſeh' ich! Welch ein großer Menſchenſchwarm
Zieht durch die Straße, naht ſich dem Palaſte!
Ein ſchöner Zug von fremden Herren; Fürſten
Sind es gewiß! Geh', Haſſan, hurtig, eile,
Dem Sultan ſchnell die Neuigkeit zu bringen,
Daß eine Menge Fürſten, fern vom Ausland,
Gekommen ift, ihn heute zu befuchen.
(Zweite Wache geht.)
(Die achtzig fchwarzen und weißen Sklaven treten langfam und
fchöngeordnet auf; Die fehwarzen tragen die Becken auf den Köpfen.
Drauf kommt Morgiane, prächtig gekleidet, von ſechs Sklavinnen bes
gleitet. — Soliman, von feinem Vezire und der Leibwache umgeben,
begegnet ihnen auf der Schloßtreppe. Indem der erfte Sklave herauf-
teitt, fagt:)
Spliman.
Willkommen, mein geliebter Better! Große,
Recht große Freude fchenkt Ihr unferm Herzen
Durd) diefen unerwarteten Befud).
Der Sklave (fniet.)
Ich bin ein Sklav, großmächt'ger Herr, Fein Fürft!
Der Achtzigſte in diefer langen Reihe.
a —
oder Die Wunderlampe. 137
Wir nahen ung in Demuth, Dir die Gaben
Zu bringen, die Mladdin Dir verfproden.
Soliman.
Ihr, Sklaven? Ha! Wie Fürſten reich geſchmückt?
Von ihm? Dem Schneid — dem Jüngling? Von Aladdin?
Sklave.
Ja, großer Sultan.
Soliman.
Und die alte Dame,
Don diefen fhönen Kindern rings umgeben?
Stlave.
Iſt feine Mutter!
Soliman. >
Wie? Die Schneiderwitwe?
Morgiane
(ichlagt den Schleier zurück.)
Ia, gnädigfter Herr Sultan! Kennt Ihr mid)
Nicht wieder? Ad, es kam vermuthlic daher,
Weil id) den Schleier trug,
Soliman.
Vezir!
‚Bir.
Mein Sultan.
Soliman.
Bir.
Gar nichts! ich bin verfteinert.
Spliman.
Kommt, liche Frau, folgt mir in den Palaſt
Da ſollt Ihr mich aus meinem Traume wecken.
Was ſagſt Du jetzt?
138 Aladdin
Morgiane.
Ad, 08 ift gar fein Traum, Herr Soliman!
'S ift eine wirkliche Begebenheit.
Wo Alles ohne Hererei geſchieht.
Kommt, Sklaven, folget mir und Eurem Herrn.
Soliman.
Wenn es ein Traum nicht ift und aud) fein Blendwerf,
Sp wird Gulnare bald Aladdins Braut.
Die Sklaven (ufen.)
Es lebe Soliman! Es leb' Aladdin!
(Sie gehen hinein.)
—
Ein ſchönes Marmorbad.
Aladdin. Feen (vwarten ihm unſichtbar auf.)
Peribanou, ihre Königin,
Nun komme, wadrer Jüngling!
Jetzt harret Alles Dein:
Was nur Dein Herz verlanget,
Glänzt bier im Zauberfchein.
Die hochgewölbte Halle
It kühn und ſchön erbaut;
Geſchliffne Marmorwände
Umgeben Dich vertraut.
Der Grund iſt weichbeſtreuet
Mit Alabaſter⸗Sand;
Im Bade hauchen Düfte
Von Blumen, allerhand.
Don ſpiegelheller Fläche
Strablt wieder Dein Geſicht;
oder die Wunderlampe. 139
O fieh’ die klare Welle,
Wie Diamant, fo licht.
Hier zu der rechten Seite
Springt eine Quell’ hervor,
Sie ſchlängelt ſich durd) Lilien
Und junger Nofen Flor.
Hier zu der linken Seite
Strömt eines Flufes Arm,
Er fprudelt vom Gebirge,
Und er ift mild und warm.
Nun miſche nah Belisben.
Wie es Dir dünket gut,
Das kühle Blumenbädylein
Mit heißer Felfenflut.
Und wenn Du dann erguider
Steigft aus der Welle klar,
Wirft glei) Du abgetrodner
Bon Schöner Mädchenſchaar.
Aladdin.
Ha, füße Stimme, zeige mir den Mund,
‘ Die Flöte. wodurch Deine Töne ftrömen!
Warum verbirgit Du, holde Nofe, Dich)
Sp graufam, während eine Nachtigall
Erfreulich auf Dein Purpurblättchen fingt?
Peribanou.
Begnüge Dich, mein Jüngling,
Mit junger Roſen Duft!
Verlanget nicht zu ſchauen,
Nicht zu betaſten Luft.
Wir ſtehen hier, doch irdiſch
Sind Deine Blicke nur;
140 Aladdin
Wie Dolche fie durchdringen
Die Iuft’ge Natur.
Begehre denn nicht foldyes!
Du fühlit ja unfre Macht,
Nur felten wir erfcheinen
In ird'ſcher Weibertracht.
Nur ſelten, lieber Jüngling,
Und nie am Tage hell,
Im Bad’, vor einem nadten,
Leichtſinn'gen Junggeſell.
Aladdin.
O Qual in aller Luft und aller Freude,
(Er fpringt in’d Bad.)
Die Feen fingen.)
Spület, holde Wellen, fpület
Rund um diefe runden Glieder!
Madıt die harte Sehne fchmeidig, -
Stärkt den frifchen Nervenfaft.
Aladdin.
Wie? War es nicht, als ob die Welle fang?
Seen.
Kühl ift nun des Blutes Purpur,
Süß Dein junges Herz erquidet;
Herrlidy glänzen Deine Locken!
Steig’ aus Wellen, voller Kraft!
Aladdin.
Wie? War es nicht, als ob der Aether Hang?
Feen.
Steig’ aus Wellen, voller Kraft!
Aladdin.
Id) ſteige! — Welche Töne! Welch' Gefühl!
oder die Wunderlampe. 141
Non Zephyrs Flügel werd ich abgefädhelt;
. Bon Winden, die fi Duft und Wärme holten
Im vollen Bufen einer Gold⸗Levkoje!
Deribanou.
Bringet nun in’s Bad herein:
Schönheit in dem Roſenſchein;
Stärke, haarbewadfen, rauh;
Holet fie vor ferner Au!
(Stärte und Schönheit, cin Riefe und eine Fee, kommen für
Aladdin auch unfichtbar; Erfterer mit einem Schwamme, die Leute
(mit einer Hyaeinthe in der Hand.)
Stärke.
Du biſt ſtark zwar, aber sröß re Stärke jest erlangft Du
dod).
Schönheit, -
Du bift ſchön, doch bald erſcheineſt Du, Aladdin, ſchöner
noch.
Stärke.
Wo der Schwamm die Glieder reibet, ſchwillt die Sehne
ſtraff hervor.
Schönheit.
Alles werd’ ic) runden, mildern mit der Blum’ aus Feen-
flor.
Stärke,
Breiter mäffen fid) die Schultern dehnen, jede ftark und
‚rund,
Schönheit.
- Brauner muß das Auge funkeln; das macht füße Liebe Fund.
+ Stärte,
Eng’ ift nicht die Bruſt, doch wolben ſoll fi ie ſich in voller
Kraft.
142 Aladdin
Schönheit.
Wangenroſe, nicht zu blühend, bift mir gar zu mäddenhaft.
Stärke.
Nervig breite fih der Nüden, wie gehauner Marmorftein.
Schönheit.
Nur ein ganz Elein wenig ſchmaler müſſen Deine Lippen
fein.
Stärke.
Breiter, ſtärker Deine Füße; wie ein Felſen ſollſt Du ſtehn.
Schönheit.
Nicht das Ebenmaß vergeſſen! Groß genug um gut zu gehn.
Stärke.
Kühn ſoll die erhabne Stirne zeigen Stolz und Kraft und
Muth.
Schönheit.
Die gewölbten Augenbrana⸗ ſollen deuten, daß Du gut.
Stärke.
Schönheit, er iſt ja kein Mädchen, iſt ein Mann; beſinne
Dich!
Schönheit.
Du haſt Recht; ſie müſſen ruhig, ſtolz und ſinnend ſenken
ſich.
Stärke.
Straffer noch die volle Lende und der Arm ein Eichenzweig—
Schönheit.
Weißer noch die runden Hände, ſchmaler noch der Fuß zu—
gleich.
Stärke.
Hier ich gieße Dir in's Herze edles, warmes Heldenblut.
Schönheit. -
Hier ich lächle Dir in’s Auge füge, heilige Liebesglut.
oder die Wunderlampe. 143
Stärke.
Sei ein Schreden Deiner Feinde; fei ein Löwe, wild im
Streit.
. Schönheit.
Blüh' zur Freude junger Frauen; liebe fanft die treue
Maid.
Beide.
Alles hab’ id) Dir gegeben, vielgeliebter Jüngling, fo.
Nun genieß' Dein frifches Leben; nimmer Elagend, immer
roh.
(Sie Ben
Det Sultans Palaſt.
Soliman. Aladdin.
Spliman.
Ich danke Allah, danke dem Propheten,
Die ſolchen würd’gen Schwiegerfohn mir ſchenkten.
Faft unbegreiflich ift mir noch Dein Reichthum.
Sehr groß. ift Deine Schönheit; Geiſt, Gefundheit.
Und Treue funkeln Dir aus Deinen Augen.
D Lieber, Du verdieneft meine Tochter,
Deß bin id) überzeugt. Ein Andrer würde
Dielleiht Didy fragen, wie Du Deinen Reichthum
Bekommen hätteft, wer Du feift und mehr!
Ic thu' es nicht; da Du’s verborgen hältft,
Magft Du dazu wohl Deine Gründe haben.
Und wüßt' ich's auch, was würde das mir frommen?
Ich fehe, was Du haft; wie Du es haft —
Das weiß ic) nicht; und weiß id) befler denn, »
Wie felber ich und alle Adauskinder
144 Aladdin
Es haben? Mir genügt, das Was zu willen,
Der Thor allein fragt immer nady dem Wie.
Aladdin.
Mein Sultan, Eurer Weisheit edfe Worte
Erquicken träufelnd, wie der Morgenthau
Hod) von der Ceder Wipfel, das Gefträud,
Das Schutz in ihrem Niefenfchatten ſuchte.
Soliman.
Sp will id) denn ein ſchönes Hochzeitsfeſt
Euch morgen halten, meine lieben Kinder!
Aladdin. n
Die Biene fehnt fid) inn’ger nicht, mein Sultan,
Des Morgens nad) der Nofe Honigbedyer,
Als ic) nad) ihrer feligen Umarmung;
Das Gras, vom Sturm gebeugt, im Thau der Nacht
Wünſcht fid) nicht brünftiger dee Sonne Strahl,
Um wieder fidy erfrifchet aufzurichten,
Als ich, gebeugt von langer Liebesſehnſucht,
Das holde Lächeln ihrer ſchönen Augen.
Allein, fo lange, bitt' ich, doch, mein Vater,
Die fehr erwünſchte Hodyzeit aufzuſchieben,
Bis auf dem Platze, grade vor dem Schlefle,
Ich eine Wohnung bauen laffen kann,
Um drin die holde Herrin zu empfangen.
Spliman.
Mein Sohn, die Bitte will ih Dir gewähren.
Wie lange Zeit wohl braucheſt Du dazu?
Aladdin.
Gewiß kann ich es nicht voraus beftimmen,
Doch lange Zeit geht ſchwerlich hin damit,
Denn meine Maurer find fehr fleig’ge Leute,
oder die Wunderlampe. 145
Soliman.
So fei 08 denn. Nun folge mir zum Divan,
Daß jebt id) mit den Pflichten des Regenten
Bekannt Didy made, und den Laſten, die
Du kindlich mit dem Dater theilen wirft.
Aladdin.
Ach, wäre Stärke mir genug verlichn!
Ihr follt mid) aber ftärfen; Eure Weisheit
Soll wieder mid) erheben, wenn id) finfe.
(Beide ab.)
Der große Plag, gerade vor dem Schloſſe.
Nacht. — der Lampe find Damit beſchäftigt, den Palaſt auf -
, zubauen.
Erſter.
Schon liegt mit goldnen Münzen feſt der Stein im Grund;
Ich maure flink, wenn Quaderſtein' Ihr nur verſchafft.
3wei Andere.
(kommen durch die Luft mit großen Steinblöcken.)
‚Hier haft Du Stein! Ein fhöner Marmor, weiß wie Mild,
Mit blauen Adern, wie in feiner Mädchenhaut.
Bir hau'ten hurtig tief ihn aus dem Kaukaſus,
Und eilten her. Doch bift Du ungeduldig ſchon?
Am Bergeshang faß fpielend eine Schäferihaar;
Der ſchönſten Hirtin nahten- wir unfihtbar ung
Und riffen ihr vom Halfe weg das Bufentud),
Um unfern Marmor zu vergleichen mit der Bruft.
Doch hurkig goß ein Purpurſchein ſich um die Bruft
Don weiblicher Verſchämtheit; fich, da lachten wir;
Der Marmor, Kind, ift wie Dein Bufen, voll und weiß,
Doch füß erröthen, wie die Bruft — vermag kein Stein!
Dchlenf, Schriften. X. 10
146 Aladdin
Griter.
Wer ſchaffet Kalt? Ha, Kalk bedarf ich; ſputet Eucht
Zwei Andre.
Hier haft Du Kalk aus Indoſtan, gegraben tief;
Wie blendend weiß! Doch etwas hier mit Blut beiprigt;
Der König ließ in dunkler Mitternacht den Kopf
Ab einem Gottestäfrer ſchlagen, aufgebradht.
Da flogen wir neugierig hin zum Nabenftein.
Es klang das Beil; da fprißte himmelwärts fein Blut.
Dod) um fo beffer Binden wird der Kalk dadurd.
Erſter.
Wer ſchafft mir gegen Norden einen Ekckſtein feſt?
Zwei Andre,
Hier iſt ein Stein, ein heil'ger Stein, der halten kann.
Wir raubten ihn im Norden einer Bauernſchaar;
Sie trugen ihn vom Felſen an des Königs Grab,
Das neu gegraben. Thau hat hier den Stein benetzt
Das härtet, macht ihn unverwüſtlich, ewig ſtark,
Denn es find Trauerthränen, und verdient geweint.
Erſter.
Wer holt mir jetzt Zierrathen zum Geſimſe da?
Zwei Andre.
In einen Wallfiſch zauberten wir zwei uns um,
Und brauſ'ten dann tief unter Meeresſchaum und Schilf,
Bis fern in Süden gegen eine Inſel wir
Uns ſtießen, von Korall geflochten, Muſchelwerk;
Das riſſen wir vom Boden los, und ſetzten auf
Den Kopf das ganze rothe Zacken-Labyrinth.
Das kannſt Du flechten und befeftgen um die Wand.
Erſter.
Wo nehm' ich Perlen, ſtrahlenden Karfunkelſtein?
oder die Wunderlampe. 147
Zwei Andre
Dom Demantsthale bringen eine Ladung wir,
Das fhroff von Felfen rund umthürmt, befeftigt, fteil,
Stets unzugänglid jedem Erdenfinde bleibt.
Am Felſen fern ftand ftarrend eine Kaufmannsichaar,
Die fehr des Adlers Wiederfunft erwartete.
Sie binden Stüden Ninderfleifh ihm um die Klau'n;
Wenn nun in’s Thal er hungrig nad) dem Raube ftürzt,
Auf Ungeziefer, Schlangen, ſich zu fättigen,
Kiebt an das Fleiſch fid) unterm Fuß der Diamant,
Und jeder Kaufmann hat fein Neſt; Degierig da
Hofft er, daß ſchwebend ihm begegnen foll das Glück.
Dod) heute ward die Hoffnung ſchlimm geprellt, denn ſelbſt
Wir nahmen jeden Edelftein, mit Adler, Neft,
Und liegen, ohne Hoffnung, blaß die Gaffer ftehn.
Erſter.
Wer bringt mir ſchöne Bilder her von ſeltnem Werth?
| Zwei Andre.
Hier find fie, Freund: wir flogen gen Italia,
Da faßen zwei Verliebte, mondhell war die Nacht,
Und zur Guitarre zart Geklimper fang die Braut.
Berborgen unter tiefen Trümmern ſaßen fir; —
Man nennt fie da im Lande Herkulaneum. —
Wir tauchten, — wie die wilden Gänf ins Meer in
Tief in die Erd’, und holten diefe Bilder Dir,
Sie werden herrlich ſchmücken Deinen großen Saal.
Erfter.
Wo find’ ich Gold, damit id) ſchön einfallen Finn?“
3wei Andre,
Geduld, hier haft Du goldnes Erz im Ueberfluß.
Bir hwangen uns nad -Afrita zu Wüften hin, -
10°
148 Aladdin
Es war ſchon kühle Mitternaht; auf gelben Sand
Schien gelb der Mond, und gelbe Löwen gingen um
Nund in der Wüſt, und gruben mit den Tagen tief
Das gelbe Gold gediegen aus dem lodern Grund’,
Und fpielten in dem lichten Mondſchein Ball damit.
Zehn Ninder aus der Barbarei dann holten wir;
Und während fie gefreffen wurden, nahmen wir
Das Gold, So große Klumpen haft Du nie gefehn.
Erſter.
Wo find' ich Seide, königlicher Wände Schmuck?
Zwei Andre.
Aus China, von dem Maulbeerwalde kommen wir,
Es rieſelte der Silberbach im Sternenſchein,
Und Seidenwürmer ſpannen fleißig ihr Geweb'.
Ich glaube, mehr als dieſes brauchſt Du ſchwerlich, Freund.
Erſter.
Wer ſchafft mir zum Palaſtes-Thore Säulen her?
Zwei Andre.
Auf Taurus Rüden ftiegen wir, ung umzuſehn;
Da wurden Elephanten wir im Thal gewahr,
Die eines Bauern Felder niedertrampelten;
Dort eilten wir zu ſtrafen ſolchen Zeitvertreid,
Und brachen ihnen leicht gefhidt die Zahn’ heraus.
Ha, welche Sichel! Sahft Du ihres Gleichen je?
Erfer.
Ich ſchmiede Säulen draus bei kaltem Mondenlicht.
Wer aber bringt mir Kupfer gleich zum Schloſſes-Dach?
Zwei Andre.
Zwei große Lager ftanden in der Tartarei,
Voll Helme, Schilder, Panzerhemden; Spieß und Schwert!
oder die Wunderlampe. 119
Hnd jedes Schild japan'ſches Kupfer, blutigrotb.
Die fanden wir als Ziegelfteine gut zum Dad).
Drum nahmen wir von jedem Helden weg fein Schild,
Obſchon es wie ein Kiffen unter'm Kopf ihm lag.
Wenn morgen fie erwachen — fort ift jedes Schild!
Um defto mehr wird’s blanke Schwert allein gebraucht.
Erfter.
Wer Schafft die Demantftange her zur Thurmes-Zier?
Zwei Andre.
Milchbärtig ſaß ein junger König auf dem Thron
Und fchlief, den Scepter umgekehrt in linker Hand,
Und ſchwenkt ihn träumend, wie zum läpp'ſchen Zeitvertreib,
Um feine Sklaven; daß der Ichte Ueberreft
Von Ordnung fhwand, und Alles übern Haufen fiel.
Erbittert rien wir den Stab aus ſchwacher Hand;
Hier wird er beſſer zieren kühn und himmelwärts.
Erfter.
So krön' ich Alles mit Farfunkelhellem Erz! —
(Er befeftigt die Thurmſpitze, drauf betrachtet er das Gebäude.)
O feht doch, wie des Mondes Strahl vertraut, bekannt
Schon laͤchelt auf die neue, weiße Marmorwand.
Neugierig gudt durch's Fenfter dort der matte Schein,
Die Zinn’ ift Licht, mit lichten Sternen in Verein.
Doch ſtill, ſchon glüht der Morgen fern vom Meere flach,
Und wirft verftohlne Blid’ auf unfer Kupferdach.
Wie wird der Tag ſich wundern, wenn er plöglid ſchaut
Die Burg, fo kühn auf Erden ftehend, neuerbauf.
Ach, wie die Kuppel herrlich hoch ſich wölbet! Schau,
Geh’, hole ſchöne Farben; wie die Luft fo blau.
Und tauche Du bei Eüdens Strand in’s dunkle Meer,
150 Aladdin
Und bring’ mir eiligft eine Purpurſchnecke her.
Dann mal’ ich Nofen, ewig roth im grünen Raub;
Wenn längft die Roſ' im Garten welt verwehrt in Staub.
Hier zeihn’ ich Euch, Gulnare! Welche Schwanenbruft,
Sie ſoll noch blendend ſchwellen zu der Enkel Luft.
Verliebt der Jüngling oft hier flehend feufzen foll:
„Nie war dod) unfrer Ahnfrau Bufen weiß und voll!
Wer follte glauben, jene Zeit fo alt und grau,
Erzeugen Eonnte ſolche ſchöne junge Frau?”
Und wird er felbft ein Greis, foll auf gemaltem Taft
Sein Auge glühen mit verfhwundner Liebeskraft;
So wird ihr Iugend, Alter Schnell vorübergehn,
Und fie fol immer heiter auf dem Bilde ftehn,
Seht, wie fie lächelt! — Hurfig, Geifter, nun geſcheidt!
Dort iſt's ein wenig nod) zu ſchmal, und dort zu breit,
Nun ftill! Ha ſchön vollendet. — Aber welch Geſchrei?
(Der Hahn Fräht.)
Alle Seifter.
Rothkammig Wächter ruft; jebt ift Die Zeit vorbei,
Die warme Sonne fteigt, beſcheint Die Erde labend.
Der Feuer Morgen ift den Geiftern Feier-Abend.
(Sie verfchwinden.)
Der Harem.
Gulnare (allein, als Braut.)
Sie nahet ſich, die fürdyterlihe Stunde.
Wie zittr' ih! Güt'ger Himmel, rette mid) !
Du haft mid) einmal fhon gerettet; Haft
Durch Wunder mid) dem Jüngling zugeführt,
oder die Wunderlampe.
Der ganz mein armes, junges Herz beſitzt.
Wie war ich glücklich. Aber, guter Allah,
-Haft Du aus Tigerklauen mid) gerettet,
Damit id) Leoparden»Brute werde?
O nein, das kann nicht fein, das. ift nicht fo!
Dann wäre Deine Gnade Graufamteit.
Ad, welches Schidfal ift dem mein’gen gleich?
Erſt dem Verhaßten, drauf dem fchönften Jüngling
Zur Stunde der Verzweiflung zugeführt.
Wie Lieb’ ic ihn! — Du ſchlanker Cederbaum!
Wie Palmenblätter fchlängelt fid) Dein Haar,
Dein Auge gleicht dem Aug’ der Antelope,
Und Deine Wangen blüh’nden Tulpenblättern.
Der Mond fheint auf des. Himmels Firmament
So felig nicht, wie Du -auf das der Liebe.
Wo fteht die freigeborne Tann’ am Felfen,
Die ftolz und trotzend fid) erhebt, wie Du?
Doch war in Deinem Blick des Hirten Milde,
Der Liebe Sehnſucht niſtet Dir im Herzen.
Wie liebt? er mid), wie glaube ich mich glüdfelig!
Ah — plöglidy aber wieder fortgeführt,
Muß einfam ic allein im Zimmerlein
Den traurigen Berluft beweinen, bis
Die Thränen aus Verzweifelung mir ſtocken
Bei einer neuen Schreckenskunde. — Ha,
Graufamer Bater, einem ſchlechten, rauhen,
Gemeinen Menfchen aus dem Pöbelhaufen
Willſt Du mic jest verfaufen? — O wie glüdlicd)
Sind doch die Frauen dort im Frankenlande!
Da wird das zarte, weibliche Gefühl
Nicht plump veradhtet und vernichtet; nein,
151
152 Aladdin
Da ehren cs die Männer, pflegen’s, wie
Die ſchönſte Blüthe der Natur. Da wählt
Das Mädden felbft, und unterwirft ſich nit
Als Sklavin einem unbekannten Gatten.
Da nennt der Mann die Frau felbft feine Herrin;
Und willig läßt der Löwe da fidy führen,
Ein zahmes Thier, am Gängelband der Edyönheit.
Das muß ein herrliches, ein gutes Land fein.
Da möcht' ich Ichen! Nein, — das möcht' ich doch nit.
Dann wär’ id) weiter noch entfernt von Dir,
Unſichtbarer Geliebter meines Herzens!
D warft Du nicht ein eitles Traumgefidt,
Dann zeige Dich, tritt jugendEräftig auf,
Stark wie der Löwe, hurtig wie der Tiger,
Warm wie die Sonne, lichlid) wie der Mond!
Errette Deine unglüdfelige
Geliebte aus der großen Noth,
Weit ſchmerzlicher, weit graufer als der Tod!
(Soliman teitt auf mit Aladdin, Gefolge und feinen Hofnarren.
Gulnare erftaunt:)
D Himmel!
(Sie wirft fich Aladdin zu Füßen.)
Engel, Du haft mid) erhört?
Du rettet eilig das erfhrodne Lamm
Aus Geierflauen? Gabriel, mein Engel!
Um meinetwillen ſchwingeſt Du Did) wieder
Dom Thron der Allmacht?
Aladdin.
Holde, füge Braut!
Soliman (bei Seite.)
Mas it denn das? Ich denke fie in Thranen
oder die Wunderlampe
Gebadet nody zu finden, ganz zerknirſcht.
Ich Halte ſchon das väterlidde Machtwort
Bereits — und jetzt, — ftatt gleidy mit Nägeln ihm
Die Augen auszufragen, wie fie's drohte,
Wirft fie fih ihm zu Füßen, betet ihn .
Wie einen Engel an? Das muß ich fagen,
Die Weiber find doch recht ein eignes Volk!
: Gulnare.
O unverhoffter Zufall! Sel’ges Glück!
Spliman.
Wie? Zufall? Glück? Befinne Did), Gulnare.
Mo fchreibt ſich diefes irre Weſen ber?
Du warft ja vorbereitet.
Gulnare.
Vorbereitet?
Du hatteſt einem jämmerlichen Menſchen
Mich ja beſtimmt, den Du Aladdin nannteſt.
Soliman.
Den jämmerlichen Menſchen, liebe Tochter,
Drüdit Du entzückt an Deinen Buſen bier.
Gulnare.
Bit Du's?
Yladdin.
Ich bin’s, Geliebte!
Soliman.
Faſſe Did.
Es iſt mir lieb, daß Du nicht länger weinſt,
Doch darfſt Du auch nicht wieder vollends lachen,
Die Gravität, die eine Fürſtin nie
Vergeſſen darf, iſt eine Blume, die
154 Aladdin
Der Thränen Regen und des Ladens Sonne
Verſchmäht; denn fie gedeiht im Schatten nur,
Und blüht am beften in der Trockenheit.
Narr.
Da haft Du Recht; das ift auch meine Meinung.
Soliman,
Sie hört und fiebt mid) nicht.
Narr.
Sprid) immer fort.
Ich will geduldig Deine Sprüde hören,
Derweil die jungen Leute fid) ergötzen.
Sulnare,
(die mit Aladdin gefprochen hat.)
Und dort, da fteht Dein großes, Schönes Schloß?
Aladdin.
Nein, Dein, boldfeligfte der Erdenweiber,
Da ſteht Dein Tempel, und der Liebe Thron!
Gulnare.
Und Du mein Bräutigam ?
Aladdin.
Geliebte, ja!
Gulnare.
Ich weiß es nicht, -ob fräum’ ich, oder wach' id).
Wach' ich, dann bin ich überſchwänglich felig ;
It's aber wieder Traum — o füßer Traum,
Dann folge mir tief in des Grabes Schlummer.
Soliman.
Sie find fo hingeriſſen Beide, dag
Ich nicht begreife —
oder die Wunderlampe. 155
Narr.
Steh' nur immer da.
Ich will mid) Ihnen nähern, Deine Rolle
Doubliren. Meine Gravität verliert
Nichts von dem Gleichgewicht, wenn fie mid aud)
Nicht hören oder weiter achten wollen.
(Er geht hin zu Aladdin und Gulnare, die im Hintergrumde mit
einander forechen.)
Ihr Lieben, jungen Leute, der Beoherrfiher *
Der Gläubigen erſucht Euch, nad dem Schloſſe
Zu wandeln, wo die vornehme Geſellſchaft
Euch längſt erwartet in dem großen Saale.
Um Eud die Müdigkeit bis heute Nacıt
Zu fparen, ftehn bereit zwei Höflinge
In Uniform, erhabne Budelthiere,
Euch en wenn es Eudy beliebt.
Aladdin.
Die bolde Stunde ruft uns, füße Braut,
Es winft das Glück, wohlan, ſo laßt uns eilen!
Narr (Hält ihn zurück.)
Hier, guter Freund, eilt man mit Weile nur!
Bei Hofe geht's nicht ohne Geremonien,
Und id) Din, feht Ihr, Geremonienmeifter,
Als eine Charge, die von Alters her
Mit der des Narren fromm verbunden ift.
Erft kommt ein großer Haufen ſchwarzer Sklaven,
Mit Säbeln, und mit Piken in den Händen,
- Uns gegen die Zuſchauer zu vertheid’gen.
Drauf kommen die Bezir’ und aud) die Räthe. —
Sie find nicht ſchwarze Sklaven, fie find weiß —
156 Aladdin
Drauf kommt der Sultan unter einem Himmel
Mir feinem Narr’n, der ihm als Schatten folgt.
Dann kommt cs Eud) erft zu und der Prinzeffin,
Auf ſchönen Dromedaren zu ericeinen.
(Er macht die Arrangentents, drauf winkt er aus dem enter mit
feiner Pritiche und ruft:)
Nun ftogt in die Trompeten, Kerls, fo viel
Es Eure Lungen nur vertragen wollen,
Löſ't die Kanonen, laßt die Gloden Hallen,
Und überlaute Freudenchör' erfhallen!
(Der Zug geht ab.)
Hu TV. .0.45 Beste,
Noureddin
(bei feinem Tiſche; er hat lange ſtudirt und gegrübelt; jetzt läßt er
den Griffel ermüdet finfen in das Punftirfäftchen.)
Ha, Schidfal, warum bift Du mir zuwider?
Die Hand ift müde von der langen Arbeit,
Das Auge blind vom Starren in die Leere.
Wohin idy meine Linien zieh’, iſt's öde,
Wüſt Alles, wie im afritan’ihen Sande.
Zum Berge wollen fie bei Iſpahan,
Da ſuchen fie den Brennpunkt in der Lampe,
Und da vermag ich Armer weiter nichts!
Und ohne Lampe tapp' ich nur im Dunkeln,
Denn was ich ſuch', ift mit der Zauberlampe
Genau verbunden, unzertrennlid, ganz.
Das fch’ idy leider wohl fo ziemlich ein.
Verhaßtes Schikfal! Ha, verdammter Buße,
I
oder die Wunderlampe. 157
Jetzt ift Dein jämmerlicher Körper Staub,
Ind kalt befpült der Bad) Dein weiß Gerippe! —
Und ſollt' es wirklich ganz unmöglidy fein, -
Die Wunder-Lampe wieder zu erhalten?
It fein, Fein einziger Verſuch mehr möglich?
Und Gab’ id) denn verſucht? — — Id) weiß voraus:
Die Höhle kann ich dody nicht wieder öffnen;
Und Alles, was Bezug auf diefe Höhle
Nur hat — zum Beifpiel, wies dem Knaben ferner
Ergangen ift, — hüllt fidy in dickſten Scyleier
Vor meinen Augen, die font Alles fehn. —
Es ift nit wahr; Du lügſt Noureddin; was
Verhindert Dich dahin zu fhauen? — Hm,
Ih will es felber mir nicht eingeftehn:
Es ekelte mic fonft, dahin zu fhaun;
Ich wußte zum voraus fchon, was id) fähe:
Die ekle, blaue Leiche, halbverfault.
Jetzt ift er aufgelöft! Nichts Scheusliches
Und Ekles zeigt ein weißes Beingerippe.
Pfui, Schwähel Muth gefaßt, ic forſche nad, —
Die ſchönſte Höhle, aller Freuden Sitz,
Soll mir nicht mehr Gewiflens- Hölle fein.
(Er punktirt, und verliert vor Schrecken den Griffel aus der Hand.)
D Himmel! Allah! Mecca und Medina! e
(Er zjerreißt fein Gewand.)
Glückſelig! Fürft! Bereit der Sultanstochter
Sich zu vermählen, Here der Zauberlampe!
Errettet durch den Ning, den rafend id)
Ihm an den Finger ftedte! Tod und Hölle!
Ha, welcher Teufel hat mir das Gedächtniß
Geraubt, daß ich fo ganz den Zauberring
158 Aladdin
Vergeſſen konnte? Ha, verwegner Bube,
Du ernteft jet die Früchte meines Schweißes?
Du plünderft keck den Baum, den idy gepflanzt?
Id muß es willen, ja, ih muß es willen!
Ich will den Waffergeift, den einzigen,
Den th durch meine jetz'gen Kräfte zum
Gehorſam zwingen kann, ſchnell herbeſchwören.
(Ge macht Bewegungen. )
Herbei, herbei, Du aqueral'ſcher Geift,
Antworte Deinem Herrn auf feine Fragen.
Der Waffergeift cerfcheint.)
Was haft Du mir zu fagen?
Sei kurz und laß’ mid, wieder!
Id) kann nicht lang’ die Glieder
Geformt verbunden fragen,
Muß taumeln mid und fliehen,
In Tropfen mid) ergießen,
In Wellen weißlich ſchäumen,
In meinen eignen Träumen,
Und jede neue Stunde,
Durch Sturmes Allgewalt,
Mid drehen in die Runde,
Und wechſeln die Geftalt.
Noureddin.
Du biſt ein ſchwacher Geiſt, doch biſt Du Geiſt,
Und weißt als Bürger jener Regionen
Mehr als Dein Herr, der her Dich bannt; drum ſage:
Wer hat mir das Gedächtniß eingeſchläfert?
Wie hab ich meinen Ring vergeſſen können?
Durch welchen Zauber iſt der Trug geſchehn?
oder die Wunderlampe. 159
Geiſt.
Die kleine goldne Schlange,
Die Edelſteine ſchmücken,
Wie Knoten auf dem Rücken,
Mit ſchönem Roth und Grün
Und diamantnem Glühn;
Die kleine goldne Schlange
Iſt vor dem Waſſer bange,
Iſt keine Waſſerſchlange.
Noureddin.
Iſt keine Waſſerſchlange?
Geiſt.
Es iſt ihr da zu kalt,
Zu wüſt die Wellen ſchäumen;
Sie fiieht das bloße Träumen,
Sie liebet die Geſtalt?
Noureddin.
Sie liebet die Geſtalt?
Geiſt.
Und ſucht den Aufenthalt,
Wo nicht das eitle Wähnen,
Wo nicht das bloße Sehnen
Sich kränklich reget nur.
Sie liebet die Natur.
oureddin.
Sie liebet die Natur?
| Geift.
Und fucht die Blumenflur,
Mo Blüthen fidy entfalten
In herrlichen Geftalten,
160
Aladdin
Und wo die Kräfte walten,
Und wo fie nie veralten.
Sie liebet die Natur.
Noureddin.
Und. hab’ ich nicht Natur?
Geift.
Haft Eitelkeit ja nur!
Sie kennt nicht ihre Schranken,
Sie ıft ein krankes Wanken,
Eie ift ein Schäumen bloß
Im Meere bildungslos.
Die Eleine goldne Schlange
Iſt vor dem Waſſer bange,
Es ift ihr da zu kalt;
Iſt Feine Waſſerſchlange;
Sie liebet die Geftalt.
Noureddin.
Und hab’ id) nicht Geftalt?
Geiſt.
Du ſuchſt nur durch Gewalt
Die Schranken zu durchdringen,
Um weiter Dich zu ſchwingen;
Erkenneſt nicht den Ning,
Die Gränze jedem Ding.
Die Fleine goldne Schlange
Iſt felbft ja nur der Ring.
Noureddin.
Ich bin darum nidyt bange;
Ich werde überwiuden,
Id) will die Lampe finden,
Und herrlich foll fie leuchten.
oder die Wunderlampe. 161
Geift.
Sie löſcht fi in den Winden,
Sie brennet nicht im Feuchten.
Noureddin.
Und hab' ich erſt die Lampe,
Bekomm' ich auch den Ring.
Geiſt.
Mit Ring nimmt man die Lampe,
Mit Lampe nicht den Ring.
Noureddin.
Ich werde bald gefunden.
Geiſt.
Doch beide ſind verbunden.
Wo Ring iſt, brennt die Lampe;
- Wo Lampe, glänzt der Ring.
Noureddin.
Ich hör? aus Deinem Munde
Ja Spott und Zweifel gar?
Geif.
Des Tempels Fromme Runde
Muß mwölben fid) fürwahr,
Damit das Licht gefunde
Auf heiligem Altar.
Noureddin. |
Bald fichft Du mich geraden,
Einfältig, feuchtes Ding!
Geift.
Haft felbft den Ring zerbrochen
Und findeft nie den King.
Dehleni. Schriften. X. _ 11
162 Aladdin
Noureddin.
Du rodeft fehe vermeflen.
Geift.
Wirſt wieder ihn vergeflen!
(Er verfchwindet,)
Noureddin (aufgebracht.)
Ein philoſoph'ſcher Geift! Wil nämlich fagen,
Die dümmſte Beltie, die auf Erden lebt,
Bill Metaphyſik mit der Phyſik mengen,
Moral und Sittlichkeit. Zum Teufel, Herr,
Mas bat Moral und Sittlichkeit in der
Magie zu thun? Ein Magiker moralifdy!
Die Kunft, um welde unfre Eltern fid)
Dem Teufel mit dem eignen Blut verſchrieben,
Sol felbit moralifch jeßt getrieben werden?
Die Welt wird dod) mit jedem Tage ärger. *
Kein, fo ftupid hatt? id) doch feinen Geift
Seglaubt, wenn er auch pures Waſſer wäre!
Hindbad (kommt)
Mein Bruder, was bedeutet diefes Hafen?
Du grübelft fonft des Nachts auf Deinem Zimmer
Still, wie die Eul am Tage, wo der Wald
Am dickſten ift. Was hat Dich fo empört?
Noureddin.
Ich veife morgen fort nad) Iſpahan,
Denn wilfe, Bruder, daß die Wunderlampe
In der Gewalt des Frechen Buben iſt,
Den ich geſtorben glaubte,
Hindbad.
Wir? Die Lampe?
oder die Bunderlampe.
Noureddin,
Du biſt mein Bruder, Du verdankeſt mir,
Was Du gelernt; Du hätteſt mehr gelernt,
Wenn Stetigleit und Fleiß, wie Kopf Du hätteſt
Gleich morgen reif’ ich unermüdet fort,
Doch hämiſch und zuwider ift das Schidfal,
Drum ſchwöre mir bei des Propheten Grab,
Daß Du mid) rächen willt, als treuer Bruder;
Wenn ic) durd) meinen. Feind erliegen follte.
| Hindbad.
Ic ſchwöre Dir als Bruder und als Freund,
Wenn Du erliegft, wird Feine durſt'ge Zunge
Eid, mehr.nady Waffer in der Wüfte fehnen,
Noureddin.
Wohlan, ſo nimm hier dieſen Talisman.
Jetzt iſt er ſchwarz, doch wird er blutigroth,
Dann hat er Dir gezeigt des Bruders a:
Ab.)
Hindbad (allein.)
So iſt die Lampe wirklich auf der Erde?
Es iſt Fein ſelbſterfundnes Ammenmährchen?
Haſt nicht gelogen, wie ſchon oft, Noureddin,
Um Deine flache Eitelkeit zu kitzeln?
So haben Deine Stubenſtinkereien
Doch etwas noch gefruchtet. In der That,
Solch eine Lampe möcht' ich wohl beſitzen!
Dies Glück iſt ſehr kommode; mir gefällt
Die Freude mit Kommodität verbunden.
Sitz' ich ſo Abends und ich wünſche mir
Als Hindbads Dolch nad) Deines Mörders Blut,
163
1 Aladdin
Ein ſchönes Mädchen, das mir wohlgefallen —
Ic reibe meine Lampe — und da liegt fie
Wie Eva, und id) bin wie Adam gleid)
Im Paradies. Will id) zu effen haben,
Brauch' ic den dummen Koch nicht drum zu fehelten.
Ich laſſe meine Geifter die Gerichte
Bon eines Sultans Tafel nehmen; elle
Mas mir gefällt, und habe nod) den Spaß,
Daß dort die Majeftäten hungern müſſen.
Den Wein foll Keiner mir mit Waffer mifhen.
Ic laſſe glei) den Kellner, der es thut,
Erwürgen; denn den Wein mit Waller mifchen,
Iſt eine Sünde, die den Tod verdient.
Die Kerls, die ich nidyt leiden mag, laß id)
Don Geiftern an den Galgen hängen. Tauſend
Und aber taufend Späße wird es geben!
Id) könnte felber leicht fo Sultan werden!
Das mag id) aber nicht: regiere Lieber
Incognito, nad) meinen eignen Zaunen.
Ich haſſe Alles, was Verpflichtung heißt.
Es ift nicht Bosheit; nein bei meiner Seele!
'S ift nur Kommodität, und weil es mid)
Genirt, die Neigungen zu bandigen;
Und weil doch Alles nur ein tolles Zeug ift,
Und der der Tollfte, der es ordnen will,
Und der der Klügfte, der im trüben Waſſer
So lange fiſcht, bis felbft er an die Angel
Des Todes beißt. — Dies ift im Kurzen meine
Religion, Naturphilsfophie.
Geh’ nur, Noureddin, kann dir's nicht verdenken,
Daß du den Burfcen wegzuräumen fuchft.
oder die Wunderlampe. 165
Ich werde mid) nach deinem Beifpiel richten,
Und gleich das felbige Experiment
Mit dir anfangen, aus demfelb’gen. Grunde.
(2eife.)
Denn einen Eleinen Eurzen Meuchelmord
Iſt folhe Lampe werth, feldft unter a!
Ab
Aladdins Palaſt.
Der große Saal. Aladdin und feine Braut, Soliman, Zulima,
Morgiane, der Vezir und mehrere Gäfte bei Tafel.
Soliman.
Ich ſah noch nie ein ſolches Prachtgebäude!
Sag' aber, lieber Sohn, weil Alles hier
Doch ſo vollendet iſt, warum iſt denn
Das Fenſter, in der Ecke dort, nicht fertig?
Aladdin.
Mein Herr und Vater, Alles, was mich freut,
Verdank' id Eurer Güte; um dafür
Euch ſchwach nur meine Dankbarkeit zu zeigen,
Ließ ich dies Fenfter unvollendet ftehn,
Damit Ihr felbft an’s Werk die letzte Hand
Noch legen könntet; Euch für die Vollendung
Soll nur das Ganze danken.
Soliman.
Ach, wie fein!
Aladdin, Du entzückſt mih! Morgen will
Ich alle meine Künftler eiligſt fenden.
\
166 Aladdin
Yladdin.
Erlaubt, mein Vater, daß Geſang und Tanz
Bei Tafel die Geſellſchaft noch erfreue?
Soliman.
Thw, was Du willft, mein Sohn, hier biſt Du Herr.
(Aladdin winkt, fogleich teitt eine Feenfchanr herein, Einige in Tans-
fleidern, Andere mit Infteumenten ; indem der Tanz anfängt, finat der)
Chor,
Frühling ift gefommen; zart im Blatt gehült
Scyläft die junge Knospe; wie fie röthlich ſchwillt!
Rieſelt dann, ihr Saiten, wie ein Bad) im Hain!
Eingt Ihr, Liebe Mädchen, laut wie Bögelein,
Liebe fhwillt und reget ſich in jeder Bruft,
Selbft das Alter ſchmachtet friſch nad) Liebesluſt.
Brünftig quillt die Erde himmelauf, voll Kraft;
Gja! Freudig forudle dann der ITraubenfaft.
Laßt die holde Labung füg, gefund und gut,
Kühlen und erfrifchen inn’ge Liebesglut.
Mohamed, er zürnt nicht, o, er lächelt drein,
Winket Her mit Myrthen Mädchen, Lich’ und Wein.
Einige
Preiſen wollen wir, du ewige Natur,
Deine fhönfte Roſ' in deiner Rofenflur.
Andere,
Preiſet Ihr Gulnarens Schönheit, Hold und zart;
Singen wir Aladdins Ruhm auf Kriegerart.
Erſter Chor.
Zephyr, haft gefächelt in das Roſentuch,
Da Du bringft der Liebe fügen Wohlgerudy?
Haft Du in der Lore fpielend Dich bewegt,
|
AB DIT
ni te
oder die Wunderlampe. 167
Die fid) ſchwarz und Eräufelnd um die Schültern ſchlägt?
Haft Du in des Bufens Spiegel Dich gefehn,
Wo, wie Segel fhwellew, hoch die Wellen gehn?
Haft Du Did) erguidet in dom Moſchusduft?
Säumteft Du ein wenig in des Bufens Kluft?
Rede, Sephyr, rede, bleibe ruhig ftehn;
Jede Schönheit mir entde, die Du geſehn!
Zweiter Chor.
Schweige, Zephyr, flattre nur den Wald entlang!
Hier ertönt des Helden hoher Lobgeſang.
Schlug er auch im Felde nimmer auf ſein Zelt,
Höre doch, was hier wir dir verkünden, Welt!
Sterne ſollen zittern, wenn fein Spieß fi) regt,
Seldft die Sonne fliehet, wo fein Eifen ſchlägt,
Treten foll fein Pferd die Leich’ in Kriegeswuth;
Wie ein Karneol die Hufe roth vom Blut.
Alle Mädchenlocken follen wünſchen fid):
Wären wir doch Feſſeln, um zu fangen Did)!
Elemente zwei, von hödyft verfchiednem Werth,
Sollen blinken von dem blanken Heldenfchwert:
Waſſer, wenn’s ihm friedlich ftill im Arme ruht,
Feuer, wenn er’s fhhwinget in des Kampfes Wuth.
Laut die Eifenzunge ſcharf dann, aufgebracht,
Spricht die wilden Worte von der Todesmadt,
Freu’ Did, Deine Ehre ſchildert Feine Kunft! -
Sollſt in Wüften ftehen, wie ein Himmelsdunft;
In gerehtem Zorne ftark, und bräunlichroth
Klebt ſich an die Klinge der gewiſſe Tod!
Beide Chöre.
ent, nun eilen Beide fie, von Liebe warnt,
168 Aladdin
Hin zum Hodızeitszimmer felig Arm in Arm.
Welche Blumen reifen wird die Liebesflamm',
Wenn fid) ſolche Roſe ſchmiegt an folhen Stamm!
Hurtig jetzt, Ihr Mädchen, mit Gefang und Tanz
Heißt von ihren Locken ſchnell den Lilienkranz!
Hyacinthenkränze gebt der holden Maid,
Daß es deute: Schönheit, Stärke, Sruchtbarkeit!
Adam Dehlenichläger’s
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Elftes Banden.
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Gedruckt bei Leopold Freund in Breslau.
Adam GOehlenfchläger's
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Zum zweiten Alale gefammelt,
vermehrt und verbeffert.
Elftes Bänden.
Breslau,
im Berlage bei Iofef Mar und Komp.
1839.
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Adam GOrhlenfchläger's
Dramatiſche Dichtungen.
Neuntes Banden.
Aladdin oder die Wunderlompe. Zweiter Theil.
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Breslau,
im Verlage bei Joſef Mar und Komp. _
1839.
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Aladdin,
oder:
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Dramatifches Gedicht
R in zwei Spielen.
Zweites Spiel.
Melpomene.
Protog
Melpomene choricht.)
Thalia, heitre Roſenwangige,
Haſt Deine lilienblaße Trauerſchweſter
Zum Spiel geladen, und id) danke Dir
Für diefe Scherze, die mid) füß erheiterr.
Willſt weiter ſpielen? Willſt die Lebensfäden,
Die Ioder in den muntern Gaufeleien
Nur angefnüpft, zu Ende fpinnen? Scmeiter,
Das kannſt Du ohne meine Hülfe nicht!
Denn ganz fein Leben durd) geht nie ein Menſch
Auf Rofen, nicht der Glücklichſte; und fpielend
Gelangt kein Erdenkind zum Grabe hin.
Swei ſchwarze Schatten werden in der Folge
Die Häupter aus dem Hintergrunde heben,
Und Dein gefäll’ges Bild mit Nadıt verdunfeln.
Da brauchſt Du, Hirtin, Unbewaffnete,
Mein Räherfhwert; und Atropos, die Alte, -
Muß mit der Scheere fid) audy berbemühn,
Um die verworrnen Knoten durchzuſchneiden;
10
Damit die ſchöne Weberin der Zeit
Ihr buntes Lebenstuch zu Ende wirke. —
Wohlan! Wir gehen ferner Hand in Hand!
Ich ſehe zwar voraus, daß Du den Helden
Zum Ziele führen wirft; daß kurz die Nacht
Nur dämmern wird, damit der junge Morgen
Noch röther durch gebrochne Wolken ftrahle;
Daß häufig Deine Scherze Du als Sterne
Wirſt in dem dunkeln Firmamente ſtreuen;
Und Deine Liebe, heller als der Mond,
Auf ihm befeſtigen, damit er leuchtend
Den Freund auf ſeinem Lebensweg begleite.
Dies Streben aber, dieſer ſtarke Kampf
Wird tragiſch ſich entwickeln; Blut ſtatt Roſen
Wird die verſchlungnen Wandrungspfade färben.
Drum ift es billig, dag Melpomene
Das große Schild, womit fie Deinen Helden
Vertheid’gen wird, am Spieße hoch befeſt'ge —
Ihr Heil’ger Name licht im ſchwarzen Felde —
Als Ueberſchrift der folgenden Trophäe.
Erſter Aufzug.
—
Der große Saal in Aladdins Palaſt.
Tag. Eine Menge Handwerksleute des Sultans find Damit befchäfti-
get, das eine Fenſter zu vollenden,
Bauherr.
Sa ftehe wie auf Kohlen faft,
Beſchwert mit einer großen Laft.
Ein Monat fhon verfloffen ift,
Doch war er mir zu kurze Friſt.
Mir will nody nimmer recht gedeihn
Diefes verfluchte Fenfterlein. —
Ih nenn’ es fo aus Verger bloß,
Denn es ift wie ein Thor fo groß. —
Verflucht! Der Sultan naht fid) ſchon
Der Stadt mit feinem Schwiegerſohn.
Den Feind fie haben fo befiegt,
Daß blutig er im Staube liegt.
’S war eine große Nebellion;
Jetzt aber ift da Friede ſchon.
- Aladdin kam mit feinem Schwert
12 Aladdin
Und zeigte fid) gar tugendwerth.
Gr hält es ohne allen Zweifel,
Wenn icy nicht irre, mit dem Teufel.
Wie zeige er fonft wohl folhen Muth,
Urfprünglic nur aus Schneiderblut?
Wie baut’ er font ein ſolches Schloß,
Den ein’zgen feiten Stein» Koloß!
Und foldye Fenfter nody dazu,
Die mir benehmen meine Rub’,
Die nur verfpotten mein Bemühn. —
Wo nehm’ ic grünen Serpentin?
Gin Maurermeifter.
Den Serpentin, o Meifter, nicht
Sp leicht man aus den Bergen bridt:
Es ift ein feltner, gufer Stein,
Er will nicht gleich gefunden fein.
Id habe ſchon im ganzen Land
Nach Serpentin herumgefandt:
Sie haben Terpentin gebradt!
Geweint id) habe, wie geladıt.
Es mangelt uns an allen Dingen,
Mir werden’s nie zu Stande bringen.
Wie friegt Granit man, fpiegelalatt
Sefchliffen, wo man Thon nur bat?
Doch weiß ich wohl nod) einen Rath,
Und hoff’, Ihr billiget die Ihat:
Ich hab’ aus Gigs, gerieben fein,
Die Wand gemaht, fo glatt wie Stein;
Der Maler hat’s mit Del bemalt;
Schaut nur, wie grün und braun es ftrahft!
Dies kann für Zelfenftein wohl gehn,
oder die Wunderlampe.
_ Nur muß wian nicht zu nahe fehn.
Seid unzufrieden Ihr jebunder,
So reißen wir es leicht herunter,
Denn das ift doch ein Vortheil rein,
Den Kreide hat vor Felfenftein;
Soldy Wand ift leichter aufzurichten
Und leichter noch ganz zu vernichten.
Bauherr.
Id) mus mid) wohl gedulden ſchon,
Wo Stein nidt-ift, da nimmt man Then.
Doch Edelftein? und ſolche Sadıen,
Wollt Ihr auch das aus Kreide machen?
Erfter Schatzmeiſter (kommt)
O Bauherr, komm' und ſchaue nur
Die ſchönſten Steine der Natur!
Sie werden zieren trefflich hier
Im Fenſter, denn ich ſage Dir:
Aladdin hat ſie beſſer nicht.
Sieh' nur das hübſche Farbenlicht!
Wie Aepfel, Pflaum' und Traub' und Beer),
So formen ſie ſich, glänzend ſehr.
Bauherr.
Ich kenne wohl den ganzen Schatz:
Die Sklaven haben auf den Platz
Ihn von Aladdin ſelbſt gebracht,
Was ſelbſt er thut, iſt gut gemadıt.
Sind aber nicht genug allhier,
Wo nehmen wohl die andern wir?
I. Hofjude (kommt)
Hier find die allerrarften Steine,
Zwar find fie nod) ein wenig Heine;
14 Aladdin
Seht, wie befcheiden jeder ftrahlt!
Der Sultan hat fie theu'r bezahlt;
Hat mir dafür viel Geld gegeben,
Da müſſen fie wohl taugen eben.
Sind wohl nod) nicht fo groß, als jene;
Iſt aber Groß das einzig Schöne?
Sind nicht fo bunt; nad) meinem Sinn
Iſt aber mehr Geſchmack darin.
Bauherr.
So ernit id) bin, muß ich doch lachen.
Was foll ich mit den Erbfen maden?
Sie fünnen mehr nicht helfen bier,
Als Dintenkledj’ auf Schreibpapier.
Sude.
Ach, Herr, es find gar ſchöne Steine,
Ic wollt, fie wären wieder meine.
Bauherr.
Was wollt’ft Du mit dem Erbfenhaufen?
Jude (elig)
Ich wollte wieder ſie verkaufen!
Bauherr.
Ich muß fie brauchen, fo ſchlecht fie find. —
Wo nehm’ id) aber Gold gefhwind?
Zweiter Schaßmeifter.
Darauf der Bau nicht warten foll,
Der große Sad ift Goldes voll.
Der Sultan ließ im ganzen Land
Befehl ausgehn von eigner Hand,
Daß alle Unterthanen gleich,
Die Geld befäßen, wären reid),
Sollten hergeben ihr gelbes Erz.
———
oder die Wunderlampe. 15
Das hat gefreflen mandyes Herz.
Daraus entftand die Rebellion,
Die aber jetzt geendigt fchon.
Die Leute lieben den Kaifer fehr,
Doch lieben fie den Beutel mehr.
Jetzt haben wir ihn aber bier,
Er ſoll zum Baue dienen Dir.
Bauberr.
Habt ausgefogen das ganze Land,
Und 's füllt dod) nicht die halbe Wand.
Der Kaifer hat hier gar kein Recht
Zu fchelten, weil es geht ſo ſchlecht;
Ko nichts ift, willen ſelbſt die Thoren,
Da hat der Kaifer fein Recht verloren. —
Dort aber, in den Niſchen da,
Wir müſſen haben Bilder ja.
Zwei ausgehau’ne Bilder ſchön,
Wie fie dort in den Fenftern ftehn.
Ein Arbeiter.
Da fommt der Künftler ſchnell und heiß,
Die Stirne ganz bededt mit Schweiß ;.
Hat zwei Figuren auf der Bahre,
Das ift gewiß gar ſelt'ne Waare,
Gehüllt in Leinentücher fein,
Wie Kinder in die Windelein.
Der Künftler kommt.)
Habe gearbeitet wie ein Pferd!
Die Bilder find’s bei Gott nicht werth,
Daß ein fo feltner, großer Mann,
Wie ich, ſich firengt fo gewaltig an,
Ich habe mic, gehauen halb todt;
16 Aladdin
Mas thut man nidt um’s liebe Brot?
Jetzt aber ift es mir auch gelungen.
'S ift nicht vor meiner Mutter Wiege gelungen,
Daß fie von einem folden Wefen
An ihrem Kindbett' follte genefen.
Wie feltfam ift doch das Genie!
Es fommt und fteht, — man weiß nicht wie;
Wie ein Komet mit einem Schwanz,
In dem allerſchönſten Glanz,
Erfheint’s am Firmamente ftol;.
Bauherr (Gefühlt die Figuren.)
Its Marmor?
Künftler.
Hein, es ift von Hol;.
Bauberr.
Hol;? Ei, wie ſprecht Ihr ungereimt!
Künftler.
Das fchönfte, das im Garten Feimt,
Fein gefchniget, fauber geleimt.
Bauherr.
Und warum nahmt Ihr Marmor nicht?
Künftler.
Keil ich nicht bin ein dummer Wicht,
Weil ich dies Haus will abfolut
Nicht erfüllen mit Stein und Schutt.
Holz ift eine edlere Vegetation, |
Seht Ihr, mein Herr, als Steine fhon.
Erſt kommt das Mineralienreich;
Drauf fommen die Pflanzen von Gras bis Eich;
Dann folgen die Schaaren von den Ihieren,
Auf allen Iwein und auf allen Vieren.
oder die Wunderlampe.
Allmälig ftieg, feht Ihr, die Kunft;
Dod) tappte fie lang im Morgendunft.
Gott ift der Erfte, nad) dem Berichte, —
Wenn glauben wir fünnen der Geſchichte, —
Der etwas Aehnliches hat vollbracht,
Er hat die Menſchen aus Erde gemadıt.
Drauf machte man die Menfhen aus Stein.
Jetzt ftehen wir aber in beß'rem Schein!
Jetzt machen wir die Menſchen aus Hol;,
Daß nicht fie ftehn in plumpem Stol;.
Zulegt, wenn fort fo gehen die Sadıen,
Wird man nur Menfhen aus Menfchen madyen.
Doch, ad, id) fag’ es Eudy mit Trauern:
- Das wird vielleicht nody lange dauern. .
Bauherr.
Was bringſt Du jetzt auf Deiner Bahre?
Künſtler.
Mein Herr, es iſt gar ſchöne Waare.
Zwei ercellente Eremplare
Bon der holdfeligen Gulnare.
Bauherr.
Zwei Erxemplare, einerlei?
Künſtler.
Dies zeigt, wenn id) darf ſprechen frei,
Daß id) ein denfender Künftler bin.
Der denkende Künftler trägt doppelt Gewinn:
Erft muß man ihm für das Kunſtwerk danken,
Drauf obendrein für die Eugen Gedanken.
Das weig doch Moslem, Jud' und Chriſt,
Daß Menſchenwerk nur Machwerk ift.
Wie leicht kann nicht ein Bild verunglücken?
Oehlenſ. Schriften, XI.
To
18 k Aladdin
Wie leicht geht nicht ein Bild in Stüfen?
Dann ift es gut, mein licher Mann,
Daß man die Nolle doubliren Eann.
Habt Ihr mir diefes eingeftanden,
Sp ift da nod) ein Grund vorhanden:
- Ic hatte zu wenig Zeit! Vollbracht
Sind beide Dinger in einer Nadıt;
Da mußt ich beid’ aud), fo zu fagen,
Leber denfelben Leiften fchlagen.
Wäre mir gegeben längre Zeit,
Ic hätt? Aladdin auch Eonterfeit,
Da man nun aber kann leichter auf Erden
Mit Weibern als Männern fertig werden,
Hab’ ich nur die zwei Mädchen gemacht; —
Weil id) nur hatte die eine Nacht!
Dei Frauensperfonen ift viel gewonnen,
Sie ftehen gleihfam wie in Tonnen,
Man fieht nur von ihnen den obern Theil,
Das ift dem Künftler zu vielem Heil.
Bei diefen Figuren, wie ſich's gebührt,
Hab’ idy vier Beine mir profitirt.
Die alten Aegypter bei dem Nil
Gelangten fo zu demfelben Ziel:
Machten die Männer wie die Weiber,
Dflanzten auf Klöße die halben Leiber.
War das gethan, dann feßten fie
Ein Zeichen aus der Geometrie,
Um das Geſchlecht, zu Aller Behagen,
Mit mathematiſcher Gewißheit zu fagen.
Die Griechen aber — wie abgefhmadt! —
Sie machten Alles ganz beftelnadt,
oder die Wunderlampe. 19
Und follten fie etwas überziehn,
Dann machten fie naß die Drapperien, _
Wodurch man ahnen konnte die Glieder.
Dies it mir im höchſten Grade zumider.
Den Menfchen zu zeigen ganz pudelnaß —
Wie unnatürlih und toll ift das!
Beim bloßen Sehen muß man fon frieren
Und einen Schnupfen fogleid risfiren.
Das ift audy nur auf den alten Doden! —
Bei mir hingegen ift Alles troden.
Bauherr.
Das Maul, das brauchſt Du fehr gewandt.
Laß’ ſehn jeht, wie Du brauchſt die Hand.
(Er entblößt die Bilder.)
Mas ſeh' ih? Himmliſche Heerſchaaren!
Das ſind mir treffliche Gulnaren.
Ich ſeh' von ihr nicht eine Spur.
Künftler.
Hier Alles it in Miniatur,
Da muß die Schönheit auch Eleiner fein;
Daß Alles ſtimm' harmoniſch ein.
Bauherr.
Siehft Du das Bild dort auf der Want,
Gemalet wie von Geifterhand?
Künitler.
D ja, es ift recht gut gefroffen,
Doch folgt aus den verſchiedenen Etoffen
Der Bildnerei und Malerei,
Daß jede höchſt verfchieden fei.
Das Bild ift dort fo übel nicht,
Doch zu modern und laut es ſpricht.
20 Aladdin
Die Farben fehreien gar zu grell;
Dort iſt's zu dunkel und dort zu hell.
Ein Bild von gutem, edelm Ton,
Muß eine gewiſſe Moderation,
Muß eine gewille Steifheit zeigen,
Muß abnungsvoll in ſich felber ſchweigen;
Muß gleihfam fo ein Schmachten beadyten,
Ein anderweltliches, göttlih Trachten.
Die Farben müſſen wie Töne klingen;
Die Züge müflen wie Thaten fpringen;
Muß werden nad) Negel und mit Geſchick
Gleichſam eine poetifhe Farben-Muſik.
Bauderr.
Wo habt Ihr her die Weisheit da?
Künftler.
Aus einer Schrift, heißt: Afia.
Das Andre Hab’ id) wo anders her.
Ic leſe in der Kreuz und Quer”,
Um meine Zeit nidyt zu verlieren,
Nehm' ic kaum Zeit mir zu uriniren;
Ic wühle mic gleihfam wie ein Schwein
In allen Blumenbeeten ein,
In den äſthetiſchen Gefilden.
Beſchäftigt, nur mid) felbft zu bilden,
Vergeß' ic) ganz die Bilder zu bilden;
Bloß um die rechte Anfchauung zu haben.
Denn, feht, da liegt der Hund begraben!
Her fie nur hat, mein licher Mann,
Beſcheid mit Allem er willen kann.
Sr konſtruirt Euch die ganze Welt!
oder die WBunderlampe.
Bauberr.
&s wäre herrlich mit Euch beſtellt,
Wenn dieſes einzige Fenſter hier
Ihr könntet nur konſtruiren mir.
Künſtler.
Der Gegenſtand iſt mir gar zu Elein.
Bauherr.
Du philofophireft wie ein Schwein!
Haft nicht verftanden, was Du gelefen. —
Ad), das ift mir ein erbärmlidy Wefen!
Vor Scham wird einft der Enkel vergehn,
Daß feine Ahnfrau fo ausgefehn.
Iſt's möglidy, wird er fagen, im Leben,
Daß foldye Krüppel es je gegeben?
Er braucht nur, fühlt er der Liche Gewalt,
Dies Bild zu fehen, fo wird er kalt.
Und felbft der Greis wird fagen: Traun,
So garftig fah ich nod) Feine Frau'n! —
Ad), wie doch Alles ift plump und toll!
Ih weiß nicht mehr, was ich madyen fol.
Dort iſt's zu eng, und da zu ſchief,
Und da zu Elaffend, und da zu tief!
Das ganze Fenfter ift Pfuſcherei
u die erbärmlichfte Sudelei.
¶ Trompetenſtoß.)
Bas hör’ ih! Gräßlich ift diefer Ton!
Alle Arbeiter...
Der Sultan kommt mit dem Schwiegerfohn.
21
I
In
Aladdin
Khan.
Noureddin. Ein alter Kaufmann.
Kaufmann.
Das glaub’ ich, folhe Reife kann ermüden.
Doch Perfien ift ſehenswerth, und jeßt
Wohl mehr als je, feitdem Aladdin Alles
Verherrlicht und verfhönert. Da ift nun
Zum Beiſpiel gleich der feltfame Palaſt.
Noureddin (Hurtig).
Ia, der Palaſt! Wie hängt's damit zufammen?
Kaufmann Clangfam und launifch.)
Nie es zufammenhängt? Erft muß idy mir
Noch eine Pfeife zünden! Gleich, mein Herr!
(Er ſteckt die Pfeife an.)
Wie cs zufammenhängt, mein lieber Landsmann?
Nein, es ift wahr, Ihr feid ein Afrikaner!
- Hat nichts zu fagen, immer doch mein Landsmann,
Wenn Ihr im Monde nid geboren.
Noureddin.
Nein,
Id bin ein Erdenkind, mein Herr, wie Ihr.
Kaufmann
(nimmt lachend fein Glas.)
Ein Maulwurf? Nun, Gefundheit, Brüderden!
Auf daß Du fürder lang nod) wühlen mögelt
In Nacht und Finfterniß; mitunter wohl
Die Naf’ hinauf zur Sonn’ ein wenig richten,
Verblüfft fie aber wieder gleich hereinzichn
Und fo fortwühlen, bis Du müde bift.
Ich bin es lange ſchon, mein Freund, id habe
Nur furze Zeit noch. (Er teintt.)
oder die Bunderlampe. 23
Noureddin.
- Sp verliert fie nicht!
Sagt kurz und gut, wie es zufammenhängt
Mit diefem Wunderſchloß des neuen Prinzen.
Kaufmann.
Ia, ja! Geduld! (Er raucht) Wie es zufammenhängt?
Ei nun, es hängt ganz exzellent aufammen!
Vorzüglich fhöne, dide Marmorblöde!
Ihr ſchüttelt nicht die Mauern aus einander,
Mein Lieber, dafür fteh ich Euch.
Nov ur eddin Cungeduldig.)
Doch wie —
Kaufmann.
Doch, wie es font zufammenhängt? Ja, feht Ihr,
Das weiß ic beffer nicht, als warum eben
Mir meine friſche Pfeife ausgegangen,
Und wie ich wieder fie zum Brennen brachte.
Noureddin.
Herr —
Kaufmann.
Jeder hat ſo ſeine Launen, ſeht Ihr!
Der Eine baut gar langſam, ſchabt zuſammen
Materialien aus allen Ecken;
Iſt das gethan, fo fängt das Mauern an.
Doc übereilet er fidy nicht; bewahre!
Er nimmt fein Frühftud, Mittags», Abendeflen
Dazwildyen immer, und geht hübſch zw Bett
Zur rechten Zeit, fobald er fchläfrig wird.
Iſt etwas gar zu toll gemacht, fo macht er
Es wieder um; und damit fährt er fort,
Bis feine Bellerung es mehr verträgt.
24 Aladdin
Iſt dies gethan, fo holt er den Bolirer;
Der glättet Alles, und damit ift’s fertig. —
Ein andrer wunderlidyer, närr'ſcher Kerl
Wird wie 'ne Spinne gleid) zur Welt gebracht.
Er haspelt Alles aus fi ſelbſt heraus
Und ruht nicht, bis 's Gewebe fertig ift;
Und das geſchieht, derweil ein finn’ger Mann
Die Morgenpfeife bei dem Lichte zündet.
Das muß man gehen laſſen! Ieder Vogel
Singt, wie der Schnabel ihm gewachſen if.
Ioureddin.
So ward denn der Palaft ſo hurtig fertig?
Kaufmann.
Es kommt drauf an, Freund, was Ihr hurtig nennt,
Glaubt Ihr, dag er im Augenblide daftand,
Sp kroch Aladdin langſam, wie ’ne Schnecke,
Denn er bat eine Nacht dazu gebraudht.
Noureddin verwundert.)
Nur Eine?
Kaufmann.
Eine nur? Was denkt Ihr denn
Don Mohamed, dem heiligen Propheten?
Ihr feet ihn doch über den Palaft?
Noureddin.
Natürlich!
Kaufmann.
Nun, da darf id) wohl drauf wetten,
Sein Vater brauchte nicht die ganze Nadıt,
Ihn zu erbauen; und das war doch mehr.
Noureddin.
Ihr ſcherzet.
oder die Wunderlampe.
Kaufmann
(lest feine Pfeife auf den Tiſch.)
. Nein, mein Freund, ich ſcherze nicht.
; (Ernfter.)
Was kümmert Eudy denn der Zuſammenhang?
Ihr feht, es hängt zufammen. Braucht Ihr mehr?
Thut, was Ihr als ein Adams-Sohn vermögt,
Geht hin, betrachtet, laßt Euch ja nicht blenden
Und haltet bei dem Einzeln Euch nicht auf!
Seht auf das Ganze, dann auf jeden Theil,
Dann wieder auf das große, ſchöne Ganze; —
Ic wette, Freund, Ihr Eriegt fo große Achtung
Vor dem Baumeifter, dag Ihr far und deutlich)
Eu’r eignes Unvermögen anerkennt,
Sein Handeln und fein Wefen zu begreifen.
Noureddin. >
It es erlaubt, das fhöne Schloß zu fehn?
Kaufmann.
Wenn er zu Haufe ift. Doch heute geht
Er mit dem Schwiegervater auf die Jagd.
Noureddin.
Ich danke für die Nachricht, lieber Herr!
Jetzt muß ich Euch verlaffen, ich bin müde.
Kaufmann.
- Das kann idy denken. Lebet wohl, mein Freund!
Ich wünſch' Eud; viel Gefundheit und Vergnügen.
(Moureddin ab.)
26 Aladdin
Aladdins Palafı.
Der große Saal; das Fenfter ift vollendet. Soliman und Aladdin mit
Gefolge, zur Jagd gerüftet, Gulnare und ihre Amme. r
Soliman.
Ein ſo erfreulich Alter hofft' ich nie,
Obſchon an's Glück gewöhnt, aus Fürſtenblut
Entſproſſen und zum Thron beſtimmt. Mein Sohn,
Was ſoll am meiſten ich an Dir bewundern?
Haſt Reichthum, Weisheit, Liebe, Tapferkeit!
Und eine Macht, wie Keiner noch auf Erden.
Wo findet man ein Haus, wie dieſes hier?
Klug ließeſt Du ein Fenſter unvollendet,
Damit ich erft den Werth des Werks empfände,
Wenn ich das eigne Unvermögen fühlte.
In einer Nadıt haft Alles Du vollbradyt;
In einem ganzen Monat war es mir
Unmöglich, diefes Fenfter zu vollenden; |
Ein Wort von Dir — und cs fteht fertig gleid).
Mit Deinem Schwerte haft Du die Rebellen
Geſchlagen und geftraft; doch allen Leuten
Haft doppelt Du das Gold zurüdgegeben,
Mas ich im leeren Wahne forderte,
Um mein Verforechen mit dem einz’gen Feniter |
Dir zu erfüllen. Und wie zärtlid) liebſt |
Du meine Tochter! Kindlih ehrſt Du mid).
Gulnare hatte Recht, Dich einen Cherub
Zu nennen; bift ein Cherub meinem Reiche,
Mie Der, der Eden mit dem Schwerte ſchützte. |
Nun komm’, mein Sohn! Das Waldhorn fallt und ruft
Mit Iuftigem Getön zum dunkeln Walde. |
Da bab’ ich einen Kinderkrieg beftellt; |
|
oder die Wunderlampe 7
Denn, wer fo leicht Rebellen unterjodht,
Für ihn ift Tiegerjagd ein Poilenfpiel.—
Gulnare, Töchterhen, leb' wohl fo lange!
- Gulnare.
Geliebter Bater! Theuerſter Gemahl!
O laßt den Tieger frei im Walde laufen
Und gebet ihm leichtſinnig nicht ein Recht,
In Wuth die beften Herzen zu zerreißen.
Aladdin.
Wie Fiebenswürdig weiblich fürdteft Du.
Was ſchön bei Dir als Frau ift, müllen wir
Mit dem, was fih für Männer fhidt, aufwägen;
Und das ift, Deiner Furdt uns zu erfreun,
Sie aber nidyt zu theilen. Lebe wohl!
Gulnare.
Wann fommft Du wieder?
Aladdin.
Uebermorgen, Holde!
Wenn mid) der Tieger grauſam nicht zerreißt.
Sulnare
Du tpoltet meiner Furt?
Aladdin.
Ich liebe fie,
Und weiß, Du Kebft in mir aud) meinen Muth.
(Gr fügt fie.)
Leb’ wohl, mein Weib! Bald fehen wir ung wieder.
(Aladdin und Soliman ab mit Gefolge.)
Die Amme,
Das nenn’ id) Zärtlichkeit! Sein junges Weib
Sp ruhig zu verlaffen!
“
28 Aladdin
Gulnare.
Schweige fill. _
Slaubit Du, ein füßer Schäfer wär’ mir lieber?
Des Mannes größter Reiz iſt Muth und Stolz,
Denn das ift nur Gefühl von feiner Kraft.
Id) liebe nicht den weichen glatten Hirten.
Imme.
Ein braves Weib hat es nod) nie verdroffen,
Gerieben von des Mannes Bart zu werden,
Wenn er fie küßt; da haft Du wieder Ned.
Ein Weichling paßt fid) für die Liche ſchlecht.
Und ohne Bart hat es aud Feine Art.
Ich liebte feldft einmal feld einen Bart.
(Beide ab.)
Straße
Noureddin (atein.)
Nun. weiß ich's! Durch die Lampe hat er Alles.
Der Palaſt ift allein der Lampe Werk.
Und fie ift dort im Schloß; nicht auf der Jagd
Mit dem Befiger; ift im großen Saale
Leihtfinnig hinter einer Marmorfäule
Verſteckt. Das Hab’ ich mühfam auspunftirt. —
Ic hoffe, meine Lift wird mir gelingen,
Wo nicht, will ich was Anders glei) verfudhen.
Hier wohnt ein Kupferfhmid, ihn muß ich ſprechen.
(Er Elopft.)
Kupferſchmid (kommt heraus.)
Ei, guten Tag, mein lieber fremder Herr!
Iſt der Beſuch mir gütig zugedacht?
’
oder die Wunderlampe. 29
Noureddin.
Ja, Meiftert |
Kupferfhmid.
Nun, das freut mid in der That.
Erlaubt noch eine Frage: Kommt Ihr hier
Zum Freunde, oder ifrs zum Kupferfhmide?
Noureddin.
Zum Kupferſchmide.
Kupferſchmid.
Herrlich, lieber Mann!
Das ift wahrhaftig mir weit angenehmer,
Als wär's zum Freunde. Ad), Beſuche der Art,
> Die Eennen wir! Sie wollen Frühſtück haben,
Kaffee, Tabak, Aufwartung und dergleichen.
Kein, befter Herr, da lob' ich mir, wer nad)
Dem Kupferfchmide fragt; er fol mid) füttern,
Und ich nicht ihn. Nun, lieber, wadrer Herr,
Erſchreckt nur nit, ich will Euch auch nicht ſchinden!
Wer hat Euch aber gleich geſagt, daß hier
Der tolle Schmid in dieſer Straße wohnte?
Ich habe noch mein Schild nicht ausgehängt;
Das neue nämlich, denn das alte hängt,
Wie es ein Dutzend Jahre ſchon gehangen;
Doch Guß und Regen hat's ſo abgeleckt,
Wie meine Katz' den Teller. (Er lacht) Ha, ba, ha!
Ihr feht, ich bin ein Dichter, ein Poet,
Kann Gleichniſſe mit Katz' und Teller machen.
Ha, ba, ha, hal Nun feid nur unbeforgt,
Sum Kupferfchmid hab’ ich doch mehr Genie.
„Wer hat Eudy aber her zu mir gewiefen?
30 Aladdin
Noureddin (tocken und verdrießlich.)
Kein Menſch! Die Leute können gar nicht hören
In diefer Straße, alfo nicht antworten.
- Kein einz’ges unzerfprungnes Trommelfell
Bird in der Straße nody zu finden fein.
Dafür habt Ihr geforgt, mein lieber Mann!
Weil aus der Berberei id) aber komme,
Wo Pantherthiere nur und Löwen brüllen,
. Und alfo mein Gehör nicht ganz verlor,
Wußt' ich Euch gleich fehs Straßen weit zu finden,
Id brauchte ja dem Lärm nur nad) zu gehn.
Kupferfhmid (bei Seite)
Der Kerl ift pfiffig. (Laut,) Allerliebſter Mann,
Ic) bin es nicht, ich ſchweige maufeftill,
Doch das verfluchte Kupfer fchreit mir immer,
Als fühlt' es ftets das Meſſer an der Kehle.
Und prügeln mag ic es den ganzen Tag,
Ich kann es nimmer doc) zum Schweigen bringen.
Noureddin.
Ihr ſolltet einmal ſuchen, durch Vernunft
Ihm Artigkeiten zu gewöhnen, und
Es ungeprügelt laſſen.
Kupferſchmid.
Die Methode,
Verſtehn wir nicht in Afien, mein Herr!
Ic) weite, wenn id Euern Rath befolgte,
Mein Kaltfinn würde fo das Kupfer ärgern,
Daß es mit grüner Galle ſich beſpie,
Und wär’ im Stande, Leute zu vergiften,
Die ſich damit befaßten. Nein, mein lieber Herr
oder die Wunderlampe. 3i
Kupfer und Weiber wollen Prügel haben,
Wie blanke Stiefel täglich derbe Wichfe!
Wird's Leder gut gegerbt, fo wird’s gefchmeidig.
Doch jet zur Sache. Womit kann ich dienen?
Wollt Ihr heirathen und ein Haus möbliren?
Sp fommt nur her! Ihr findet Kaffeefannen
Und Theemaſchinen, Keſſel wohl verzinnt.
Wollt Ihr in’s Feld? Ich ſchmiede Helm und Harniſch,
So gut wie Topf und Keſſel, lieber Herr!
Wer's Eine macht, kann auch das Andre machen.
Seid Ihr ein wenig unpaß und verlangt
Ein Meffingbeden? Alles könnt Ihr haben.
Noureddin.
Ich wünfde mir ein Dugend Kupferlampen.
Kupferfhmid, ö
St, St! Spredyt leife, lieber Heer, id) bit? Euch!
Mein Nachbar ift Lichtgießer, haft die Lampen
Mehr, als die Peſtilenz. Doch wollt Ihr Lampen,
Sp kommt und folgt mir in das Magazin.
Da ſollt' Ihr Lampen fehn, die beſſer leuchten,
Als die Planeten und die Stern’ am Himmel.
- NRoureddin.
Ep gehn wir diefen Weg?
Kupferfhmid.
Ja, Ehrenmann!
Nehmt vor der Trepp' Euch nur in Acht, und fhwärzt
Euch an der Wand nit. In der Schmiede rauhrs!
Nur friſch Hinauf! Stoßt Euern Kopf nicht gegen
Die Balken da. Nun immer munter vorwärte.
£ 16.)
32 Aladdin
Sulnares Zimmern
Abend bei Sonnen-Untergang. Gulnare fist mit ihrer Zitter am off-
nen Fenftee und fingt:
Zitter, laß’ die Saiten Klingen!
Singen müſſen Deine Töne,
Schöne Freundin, daß der Kummer
Sanft in Schlummer mag verfchwinden,
Und die Seele Hoffnung finden
Und ſich tröften bei dem Klang. —
Wie ſich Abendwolken kofen!
Roſen brennen lichterlohe,
Frohe Wellen blinken helle,
In der Duelle baden Sterne;
Kommen ferne her zum Haine,
Um, im lieblichen Bereine,
Eidy zu freun bei dem Gefang.
Einget meine Liebesfreude
Beide, Stimme Du, und Saiten!
Meiden werd’ ich mich im Herzen.
Während Liebeskerzen funkeln,
Iede finge mir im Dunkeln
Süß, was fie von Liebe weiß.
In dem rothen Abendfcheine
Kleine Blumen freundlich ftehen ;
Wehen fhwärmerifh die Linden ;
Schwinden Nadıtigallen » Töne;
O fo töne, Zitter, ſchöne,
Töne Holder Liebe Preis!
Aber was ahnet mein '
Herz in dem Abendfihein?
oder die Wunderlampe. 33
Angft, o, was witterft Du?
Kin 9 ge, warum sitterft du?⸗
gieer, ad), tödfeft du?
Grauſamer, rötheft du
- +, Blumen und Frühlingsgras?
ard es vom Blute naß?
Furcht, o, verlaſſe mich!
Thörichte, faſſe dich!
Aber nur herzlicher
Bein’ ih, und ſchmerzlicher. »
(Sulnare’s, Amme Port herein, aus allen Kräften lachend.)
Amme.
Ha, ha, ba, ha Rin bin ich doch ein altes
Und abgelebtes Weib! Ha, ha, ha, ha!
Gulnare.
Iſt das * Lachen?
Amme.
> 7, Mein, zum Weinen, Kind!
—5 — Ind? id) aud) nicht, meine Tochter!
Sc) lache über etwas, das fo toll ift, y
Daß nie im Leben nod) mit befferm Grund
Ich je gelacht.
Gulnare.
Worüber?
Amme
Trauern follte
Der freilich, der vernünft'ger iſt. Ach Gott,
Der arme Teufel! 'S iſt doch wirklich hart,
So den Verftand von Grund aus zu verlieren.
Oehlenſ. Schriften. XI.
34 Aladdin
Gulnare.
Wohl it es ſchlimm, lieb Mütterhen! Drum nimm
Den Deinigen auch hübſch in Adıt. Was giebt's?
Amme.
Es geht ein Mann dort unten auf dem Markte
Mit einem Korb am Arm, voll neuer Lampen;
Die allerſchönſten neuen Kupferlampen; —
Ha, ha, und die verkauft er; ba, ha, ba!
Gulnare
Nun, darin ſeh ich keine Tollheit noch.
Amme.
Geduld, Geduld, mein Kind! Wohl wahr, verkaufen
Iſt gar nicht toll, vielmehr, es ift vernünftig,
Henn bei dem Handel etwas man gewinnt,
Was glaubft Du aber, daß der alte Ged
Für eine neue Lampe haben will?
Gulnare.
Ich weiß nicht! Sag's mir!
Amme.
Eine roſt'ge, alte!
Gulnare.
Wie, eine alte Kupferlampe will er
FZür eine neue haben? |
Amme.
Sift zum Berften.
Gulnare.
Ach, Poſſen, haſt ihn wohl nicht recht verſtanden!
Amme.
Ich nicht verſtehen? Warte, ſieh, da kommt er!
Nun fteht er grade vor dem Fenfter. Höre
Nun felbft; fe wirft Dur keinen Zweifel haben.
oder die WBunderlampe. 35
Man hört Noureddin auf der Straße rufen: „Wer win für alte Lam⸗
gen neue Ffaufen?”) :
Amme.
Was ſagſt Du jetzt? — Er handelt eigentlich
Mit neuen Lampen nicht, er kauft nur alte!
Du liebes Göttchen, 's lebt kein Weſen doch,
Das es ſo weit in der Verrücktheit bringt,
Als eben dieſer Menſch! Wie ſtolz er ſteht
Und ſieht ſich um; wie liſtig ſieht er aus,
Als dächt' er Leute recht zu hintergehn.
Du armer Schelm! Ach, daß ſich Gott erbarm'!
Siehſt Du, wie er bisweilen uns beäugelt;
Als wollt' er ſagen: Habt Ihr auch nicht Luſt?
Mein Töchterchen, es fällt mir etwas ein;
Vorgeſtern ſah ich hinter einer Säule
So eine alte ſchwarze Kupferlampe,
Im großen Saal, nachläſſig hingeworfen.
Bermuthlid hat ein Sklav’ fie da vergeflen.
Jetzt will ic) gleich fie einem Diener geben,
Damit er fie dem Thoren da verkaufe.
Ich möchte für mein Leben gerne willen, ;
Ob es denn wirklich Ernft ift, oder ob
Vielleicht ein Schabernad dahinter ftedt. _
Mein liches Kind, Du haft doch nichts dagegen?
Gulnare dfieht Hinaus.)
Es ift doc feltfam! Wie der Fremde ſteht
Und neue Lampen ftets für alte weggiebt.
Jetzt ficht er ung. Er zeigt ung feine Lampen
Und läßt fie glänzen in dem Sonnenfheine.
S find hübſche Dinger, diefe Kupferlampen,
Ich möcht' aud wohl fo eine Lampe haben.
36 Aladdin
Amme.
Ach ja, mein liebes Kind, es wäre herrlich.
Sie find fo niedlich und fo blank wie Gold.
Sp eine Lampe ift fehr gut zu haben;
So eine Lampe —
Gulnare.
Nun, ſo laufe denn!
(Amme ab.)
Gulnare (Callein)
Der Menſch hat etwas in den Zügen, das
Ich kennen ſollte. Finſter ſieht er aus!
Der arme Mann, kann das wohl anders ſein?
Wahnſinnig iſt er; das entdeckt man leicht.
Doch — ad), id) bin ein Kind, ein wahres Kind!
Die Amme (kommt zurück.)
Nun hab’ ich einen Sklaven mit der alten
Hinunter laufen Laffen.
Gulnare,
Liebe Mutter,
Sag’, findeft Du nit, daß der tolle Mann
Viel Aehnlickeit mit einem Andern bat,
Der wohl bekannt Dir ift?
Amme
Nein, Toherchen!
Du weißt, ich lebe gänzlich eingezogen,
Ich habe nie das Tollhaus noch beſucht;
Da find wohl Viele, die ihm ähnlich find.
Gulnare.
Erinnerſt Du des hübſchen Mährchens Did,
Das uns Aladdin einſt erzählt, vom Knaben,
Den freventlich ein Zaubrer in die Höhle
——
— ——
oder die Wunderlampe,
Einfchliegen wolte;uweil er ihm den Schaf. v;
Nicht reichen mochte, den er da gefunden?
Amme.
Ich habe nur den erſten Theil des Maͤhrchens
Gehört; wenn man mir etwas vorerzählt,
Das traurig iſt/ ſchlaf“ ich gewöhnlich ein,
Um nicht zu weinen. Hab’ ein weiches Herz;
Mein Kind, id, kann das. Mitleid, nicht vertragen!
Was aber hat dies Mähren: hier zu thun?
Gulnare.
Du weißt, dag ich von meiner Kindheit an
Mir jedes Ding, von dem man mir erzählte,
Wie etwas ſchon Geſeh'nes dadıte. War’s
Bon Leuten, hatt’ ich lange fie»gefannt;
Und an dem Drte war. ich-aud) gewefen.
So hab’ ich immer bei, dem Knaben mir
Aladdin nur gedacht; — den Zauberer
Hab’ ich mir felbft erſchaffen. Iſt es dod)
Nicht fonderbar? das Bild, das. fo ich dadıte,
Iſt eben diefem Wann erftaunlid) ähnlich.
Amme.
Das iſt ein Zufall, liebes Kind! Es kommt
In Deiner Phantafie Dir nur- fo vor.
Doch ftill, da kommt der Sklav' ſchon mit der gampe,
Ha, nun wird die Komödie beginnen. >
Sich’, wie die Freud’ ihm aus den Augen glänzt,
Der tolle Kerl! Wir müllen Allah danken,
Daß fo komplett wir den Verftand noch haben.
Sieh’ nur, er läßt dem Sklaven freie Wahl.
Wenn er die Kleine da nur nehmen wollte!
Er nimmt die größte! Abu, dummer Teufel,
37
38 Aladdin
Warum haft Du die kleinſte nicht genommen?
Nun, es ift einerlei; die große da
Iſt aud) recht hübſch. Und eine große hält
Im Zimmer beffer aus die ganze Nacht,
Als eine Heine. — Siehft Du wohl, mein Kind,
Der Handel ift gefchloffen! Und der Tolle
Geht mit den Gaffenbuben hinterdrein.
Er fieht nicht rechts nod) links, er wandert fort,
Als hätt er einen guten Kauf gemadıt.
Da dreht er um die Ede, wie verſchwunden.
(Sieht die Prinzeffin an.)
Du lieber Gott! Mein Kind, was fehlt Dir denn?
Wirſt blaß und zitterft?
Sulnare,
-Liebe Mutter, ad),
Ich weiß es nicht, es fällt mir fo aufs Herz.
Ad), eine Ahnung —
Amme (befsrgt.)
Warte, Kindchen, warte,
Ich will uns gleich ein Kampherpulver holen.
(Für ſtch im Weggehn.)
Du gute Seele! Merk' ich doch an Allem,
Was hier die Glocke ſchon geſchlagen hat.
Nun, es find junge Leute; das gebührt ſich.
Sie ift ein Schönes Weib, und er ein Mann,
Der nicht, wie Saladin, die ganze Nadıt
Kalt auf dem Dache friert. Du Kleine —
Hätt' ich dergleichen Dinge je von Dir
Vermuthet, als Du mit der Puppe ſpielteſt?
Nun, das iſt ſo die Ordnung der Natur,
Jedwedes Alter ſpielt mit ſeiner Puppe. 6)
oder die Wunderlampe. 39
Gulnare
(etzt fich an's Fenfter, den Kopf auf den Arm geftügt, und ee in
die Gegend hinaus.)
Die ſchöne Sonne barg ſich hinterm Walde;
Dort Todert fhon der Mond im blut'gen Glanz !
Die Abendrofen welken bleidy dahin;
Schon hebt fid) laut der kalte Wind der Nadıt,
Vom Horizonte fteigt die Wolf’ empor,
Der Himmel wird ein frauriges Gewölbe;
Wird eine Grabfapelle, wo. der Mond
Schwach durd) geborſtne Wolkenmauer blinkt.
Die ſchöne, heitre Tages-Lampe ſank —
Und Finſterniß umgiebt den Blumenflor,
Und aus den Grüften kriecht die Schlang' hervor.
(Sie ſinkt in Gedanken hin.) —
greies get»
Rai Sturm en Degen. Noureddin mitten auf dem gelbe, mit der
Lampe in: der Hand.
& Noureddin.
Nun hab’ ich el Nun hab’ ich fie! Hier ift fie!
Hier ift fie, hier, in meiner rechten Hand!
Dir darf ich fie wohl zeigen, bleiher Stern!
Du fißeft gar zu body und gar zu feft,
Als dag herab. du kommen folteft, um
Den theuern Schatz mir aus der Hand zu reißen,
So fieh’ denn, Stern, aus deiner Wolkenritze,
Du Einzelner am ganzen Himmelsraume,
Hier ift die Lampe! Diefes grüne Kupfer,
Um weldes Erampfhaft meine Hand ſich ballt,
Damit id) fie leichtſinnig, wie der Then,
40 Aladdin
Nicht wieder glei) verliere, Es ift Nacht!
»S ift Mitternacht und wie im Grabe finfter,
Mir half felbit die Natur; fie hüllte ſich
In ihren ſchwarzen Mantel, daß mich nichts
Verrathen follte. Schön! Jetzt Muth gefaßt! —
Ic zittr' und begreife meine Macht nidt!
Ob es auch wohl die rechte Lampe ift?
Es ſchaudert mir der Zweifel durch's Gebein.
(Er fieht ſich um.)
‚Bin ih allein? Allein! Allein, wie Adam
Im Paradief, als noch die ganze Melt
Ihm zu Gebote ftand. Jetzt eine Probe.
(Er ſcheuert ftarf an der Lampe.)
Der Geift (erſcheint und ruft:)
Scheure nicht fo gar gewaltig! Siehft ja wohl, id) zaudre
nicht.
Hurtig bin ih, wenn Du rufeft, burfig wie des Blitzes
4 Licht.
Und nicht id) allein: in Demuth neigt ſich jeder Erdengeift,
Wenn Du ihm, der Lampe Meifter, etwas auszurichten
heiß'ſt!
Noureddin
(laßt erſchrocken die Lampe fallen; der Geiſt verfchiwindet; er ergreift
? fie aber wieder und faat:)
Steh', ſteh'! Ic faſſe keck fie wieder! Steh’!
Geiſt Cerfcheint.)
Ich fiehe.
Noureddin.
Biſt Du der Lampe weltberühmter Sflav’?
Geiſt.
Berühmt nicht. Ein Geheimniß.
oder die Wunderlampe.
Noureddin.
Lieber Geiſt,
Ich fasle ganz verwirrt. So ſage mir,
Kannſt Du mir Alles geben, was ich will?
Geiſt.
Du haſt's gehört.
A Noureddin.
Sprichft wenig.
e Geiſt.
Handle mehr.
Noureddin.
Wenn ich die Dreiſtigkeit zum Beiſpiel hätte,
Zu fordern — nimm es übel nicht, ich frage,
Und eine Frage iſt ja kein Verbrechen —
Wenn ich die Dreiſtigkeit zum Beiſpiel hätte,
Zu fordern, daß Du mich und den Palaſt
Aladdins, ſeine Braut und Alles, was
In dem Palaſte heute ſich befindet,
Nach Aethiopiens Wäldern bringen ſollteſt?
Geiſt.
Sp folgt ich Dir und thät' es unbedingt.
" Noureddin (feon.)
So leicht?
Geiſt (finfter.)
Wie die Hyäne Raub verſchlingt.
Noureddin.
In Kraft der Lampe —— Dir gebührt!
eiſt.
So wie geſprochen, iſt es ausgeführt. -
(Er verſchwindet mit Noureddin.) |
42 Aladdin
Zweiter Yufzug-
Des Sultans Palaſt.
Morgen. Soliman fteht von feinem Lager auf.
Spliman.
Sim ist die Morgenftunde, ſchön, Aladdin,
Du hatteft Recht; ich wollt’ es Dir nit glauben;
Du bliedft noch einen Tag dort auf der Jagd,
Midy trieb die Regenwolke gleih nad) Haufe.
Ob meine Tochter aufgeftanden ift?
Du freundliche Gewohnheit, daß id) immer,
Wenn id das Bett verlaffe, gleich an’s Fenfter
Hintreten kann, nad dem Palaſte fehn
Und von den Kindern einen Gruß befommen —
Das ftärft mid) zu des ganzen Tages Arbeit.
(Er geht zum Fenfter und fieht hinaus.)
Wie? Was? O Himmel! Schlaf id immer nod)?
Traum’ ic? Gott, hab’ id) das Geſicht verloren?
Dod), großer Mohamed, id) fehe fonft
Ja Alles deutlich hier! Da fteht mein Bett:
Hier ift das Fenfter; hier die Straße; da
oder die Wunderlampe. 43
Die Häufer. Aber, Himmel, wo ift denn
Aladdins Schloß? Und wo ift meine Tochter?
(Er ruft; der wachthabende Dffizier tritt herein.)
Soliman.
Ha, Caſem, eile! Sage mir, mein Sohn,
Wo fteht mein Bett?
Gafem.
Großmächtiger Monard),
Dein Bett?
Spliman.
- Mein Bett? Haft Du es nicht gehört?
Gafem.
Da fteht eg.
Spliman.
Gut. Jetzt zeige mir das Fenfter.
Gafem.
Da, meifer Sultan!
| Soliman.
Jetzt den Blumentopf.
Caſem.
Den Blumentopf?
Soliman.
Ja, ja, den Blumentopf.
Gafem (kei Eeite.)
Ach, Perſiens Sultan hat den Kopf verloren! —
(Sant)
Da, großer Sultan!
| ‚Spliman.
Herrlich! Weil Du aber
Doch Alles weißt und Dir das Fragen auffällt,
Sp zeige mir, was doch viel größer ift,
Wo fteht Aladdins Schloß?
44 Aladdin
Caſem ma’
(zeigt zum Fenster hinaus, ohne hinzufehen.)
Da, großer Sultan!
Soliman.
Wo?
(Giebt ihm eine Ohrfeige, ſo daß er ſich ummendet.)
Nun, fo dreh’ einmal den klugen Kopf!
i Gafan.
Da — ha, Großmächtigſter! —
Eoliman.
Wo ſteht das Schloß,
Du zuverſicht'ge Aufter?
Caſem.
Gott mag's wiſſen.
Doch geſtern ſtand es da.
Soliman.
Das frag' ich nicht;
Geh', hole den Vezir, gleich ſoll er kommen!
Caſem.
Jetzt eben trat er in den Hof herein.
Es iſt ja die gewohnte Zeit! Da iſt er.
(Vezir tritt ein; Caſem geht.)
Soliman.
Vezir!
Vezir.
Ruhmwürd'ger Sultan, ſeid Ihr krank?
Was iſt dem ſtolzen Perſien begegnet?
Ihr ſeid erhitzt, es rollen Eure Augen.
Soliman—
So wißt Ihr auch nicht, was geſchehen iſt?
Gingt Ihr Aladdins Wohnung nicht vorbei?
/
oder die Wunderlampe.
Bezir.
Ja, großer Sultan, "wie ich immer pflege,
Wenn mid) die Pflicht zu Euerm Throne ruft.
Soliman.
Und Ihr habt nichts geſehn?
Vezir.
| Gar nichts, mein Her!
Soliman.
Bei Mekka und Medina, Ihr habt Recht,
Da war auch nicht das Mindeſte zu ſehn.
Ha — was ich aber meine — merktet Ihr
X feine ungewoͤhnliche Veränd'rung?
Vezir.
Aufrictig, edler Sultan, jedes Mal,
Wenn id) zum Divan gehe, hab’ ich immer
So viele Ding’ im Kopf, daß weder rechts,
Noch links im Gehen-ic die Augen werfe;
Um nicht verfpätet und zerftreut zu werden.
Und — ohnedem — Ihr wißt, mein gnäd'ger Hert,
Soliman.
Daß der Palaſt ein Dorn im Aug' Euch war?
Wohlan, der Dorn iſt ausgezogen, Freund!
Und zum Beweis — Ihr ſeht bei weitem weiter
Mit dem geheilten Auge jetzt, als ſonſt.
Sonſt ſaht Ihr nur bis hin nach dem Palaſte,
Jetzt könnt Ihr in die weite Ferne gaffen.
Vezir.
Ha!- _
Soliman.
un, Bir? Saht Ihr fs Tolles je?
46 ‚Aladdin:
Bezir
(faßt fich in feinem Erſtaunen.)
So Tolles? D, mein edler Herr und Sultan,
Das hab’ ic) wohl gefehn, fo gut wie Ihr.
Spliman.
Wie ich?
Vezir.
Ihr habt da den Palaſt entdeckt;
War das begreiflicher, als wie er heut
Wie Rauch und Nebel ſchnell verſchwunden iſt?
Jetzt kann ich ſprechen. Mich kann dieſer Zufall
Nicht überraſchen; ſchickt ſich wohl zum Ganzen.
Aladdin iſt ein Zaubrer, das iſt klar,
Ein böſer Zauberer, der mir mein Glück
Beneidet; d'rum betrog er meinen Sohn,
Beraubt' ihn grauſam feiner Gattin Liebe,
Verbiendete mit Gaufeleien Eud),
Gewann die holde Braut — jebt, da er ihrer
Schon fatt ift, ift das Gaukelwerk verſchwunden
Soliman.
DO Allah, Allah, meine Tochter, ol
. Bezir.
Bedauernswürd'ger Nater!
Soliman.
Meine Tochter!
Vezir.
Sie auch verſchwunden?
Soliman.
Alles! Meine Tochter,
Mein Lieblingskind Gulnare, Meine Freude!
oder die Wunderlampe. 47
WBezir.
O welch ein — betruͤbter Anblick!
Die große Majeſtät von Perſien
Rauft ſich das Haar verzweifelt aus dem Bart,
Muß bittre Thränen weinen wie ein Kind
Und wirft ſich wie ein Stlav’ Hin auf die Erde.
O Böſewicht, wo haft Du Did) verffedt?
Spliman.
Ha, der Betrüger wollte einen Tag
Im Walde jagen nody; er ift entflohen.
Vezir.
Wer weiß? Man muß das Mögliche verſuchen.
Ich will ſogleich von einer großen Schaar
Den ganzen dicken Wald durchſpähen laſſen.
Und finden ſie ihn, ſollen ſie ihn gleich
Vor Euern Thron in Ketten ſchleppen.
Soliman (erbittert.)
Nein!
Wird er gefunden — er wird nicht gefunden, —
Greift Ihr ihn aber, und gefteht er gleich nicht,
Wo meine Toter ift: dann bindet ihn
Und führt zum Hodjgerichte den VBerräther,
Damit fein frehes Blut die Rache Fühle,
Die heiß in meinem Vaterbufen brennt!
(Der Vezir hurtig ab.) e
vi Y ı m
48 Aladdin
Ein fchattiger ſchöner Ort im Walde.
Aladdin liegt fchlafend im. Grafe unter einem großen Baumd, ein
Büchlein fließt nahe bei ihm vorbei,
Lympha,
(ein kleines blau⸗gekleidetes Mädchen, kommt den Bach herunter, auf
einem großen Blatte fegelnd,, 9— Schilfblume in der Hand, und
ingt;
Das rath' ich dir, Welle,
Daß ſachte du fließeft;
Daß ftets du did) helle
Durd) Blumen ergießeft;
Daß, wie. du dic ſchaukelſt
Zum Ufer empor,
Ein Spiel da du gaufelft
Dem ITräumenden vor!
Dann will ich did) Eofen,
Wenn lieblich zu ſehn
Durch Lilien, durch Roſen
Du ſchlängelſt dich ſchön.
Und ſachte nur rollſt du,
Sollſt blinken und fühlen,
Denn ſchäumeſt du, dann ſollſt du
Die Strafe bald fühlen!
(Sie ſchlägt drohend mit ihrem Blümchen in die Wellen)
Zephyr,
(ein kleiner Knabe, kommt reitend durch die Luft auf einem Roſenblatte
in einem Rocke von Silberflor.)
Sa ſa, immer zu,
Ohne Raſt, ohne Ruh'
nn u
Weit über die Erd’! [
Mit herrlihem Duft
oder die Wunderlampe
Erfülle die Luft,
- Mein wallendes Pferd!
Fuchs, Fuchs, nur munter
Bergauf, bergunter!
Laß' hängen die Zügel!
Zum Sänger der Hügel!
Dir mangeln nicht Flügel!
In Birken und Schnörkeln
So ſchnell wie ein Rädchen!
Ach, ſiehſt du das Mädchen,
So ſchön wie der Himmel,
Ein wenig nur bläſſer,
Auf bläulichem Schimmel
Durchſchwimmt die Gewäſſer?
Dort eilen ich muß.
Nun ſacht' ohne Schnauben,
Dann wollen wir rauben
Ihr ſchnell einen Kuß.
«Er ſchleicht ſich hinter Lympha und küßt fie.)
Lympha.
Ad, Zephyr, Du Schelm,
Mit Schild und mit Helm,
Im funkelnden Schein,
Ueber Stock, über Stein —
Während keck der kleine
Trompeter im Haine
Sein Liedchen ſchreit —
Du eileſt bereit
Ueber Korn und Saat
Zur Heldenthat,
Hintennach zu ſchleichen,
Oehlenſ. Schriften. XI. 4
49
50
Aladdin
Wo Mellen weichen,
Ein Mädchen zu beſchämen,
Das ihr Aemtchen verricht';
Einen Kuß zu nehmen?
Ha, garftiger Wicht!
(Sierwfcht fich den Kuß wieder ab mit Quellwaſſer.)
Zephyr.
Ach, Lympha, geſcheut,
Sei luſtig und gut.
Wie find' ich Dich heut'
Denn hier auf der Flut?
Lympha.
Du thörichter Bube,
Wo bin ich denn beſſer?
"Mir iſt das Gewäſſer
Ja Wiege, wie Stube?
Zephyr.
So ſiehe mich an,
Sei freundlich und gut!
(Bird Aladdin gewahr und ſpricht leife.)
Doch wer ift der Mann,
Der im Grafe da ruht?
Lympha.
Der trefflichſte Held
In Frieden, im Feld.
Id) bin eben da,
Den Wellen zu fagen,
Daß nicht fie zu nah’
Dem Lieben ſich wagen;
Daß leife fie ſchaukeln,
Ein Eummen dom Ohre,
oder die WBunderlampe. 5
Daß blinken und gaufeln
Eie follen im Rohre,
Und fingen im Windchen
Ein: Sclafe, mein Kinddyen!
Zephyr.
Ach, Lympha, das thu'!
Das läßt ſich wohl hören.
Ich will Deine Ruh'
Auch ferner nicht ſtören,
Will ganz ohne Toſen,
Wenn gut es Dir ſcheint,
Umkreiſen den großen,
Den ſchlafenden Freund,
Und koſen und ſchmeicheln
Soll Aether und Duft,
Die Wangen ihm ſtreicheln
Mit kühlender Luft.
(Er reitet hin und ſchwingt ſich verſchiedene Male über Aladdin; im Ei⸗
fer macht er ed aber fo ungefchickt, daß er gegen des Schlafenden Nafe
ſtoßt umd vom Pferde ftürzt. Aladdin bewegt fic.)
} Lympha.
Wie biſt Du doch läppiſch!
Das nenneſt Du ſacht?
Wie biſt Du doch täppiſch!
Aladdin erwacht.
Zephyr Cweinerlic.)
Ach, Lympha, das Bein mir
Ich habe geſchlagen.
(Er reibt das Bein.)
an
—
Aladdin
Lympha (chlagt in die Wellen.)
Iegt tragt aus dem Hain mir
Den ſchilfgrünen Wagen!
(Sie fegelt ab.)
Zephyr
(ſieht ihr muthlos mit Thränen nach.)
Nun wieder geſchmählt!
Ach, hat ſie nicht Recht?
Ich habe gefehlt,
Sch handelte ſchlecht.
Oft hat mich verdroſſen
Die Wildheit, mit Schmerz!
Sind Thränen gefloſſen,
Wie trauert' mein Herz!
Oft ließ ich den Tand
Und dachte: fürwahr,
Will zeigen Verſtand!
Warum denn nicht gar?
(Schüttelt mit dem Kopfe.)
Hab’ keinen Charakter,
Komm’ immer zu kurz.
(Betrachtet Aladdin.)
Ia, freilich erwaht u! —
Verzweifelter Sturz.
(Gr geht betrũbt ab.)
Aladdin
(richtet fich auf und fieht fich um.)
O Schöner Morgen! Wie das frühe Licht
Erfreulich durch die grünen Zweige bricht!
Mit dunkler Nacht verfhwand die Müdigkeit,
Und neues Leben uns der Tag verleiht.
Wie frifh der Thau das junge Gras befeuchtet!
oder die Wunderlampe. | 53
Hier liegt ein Meines Nofenblatt und leuchtet,
Es kitzelt mid), als wenn es fagen wollte:
Der Freund fchläft länger, als er billig follte!
Dank, lieber Silderbah für Deine Huld,
Dein Wiegenlied hat mid) in Schlaf gelullt.
Mie Alles blüht, wohin mein Auge fhaut,
O wärft Du aud) nod) hier, geliebte Braut!
Dann fehlte nichts im bunten Blumenſchimmer;
Jetzt in dem Reichthum mangelt etwas immer,
Iſt Alles ohne Dich doch trüb? und matt,
Sp wie ein Strauß, der keine Nofe hat.
. (Er verfinft in flilled Sinnen.)
Wie bin ih glücklich! Diefer ſchöne Morgen,
So Har und ruhig, ladet gleihfam ein
Zur fröhlichen Betradytung meines Heils.
Wie reihlih hat das Schickſal mid) verforgt:
Des fchönften, beiten Weibes Ehgemahl,
Beſitzer eines feltnen Mittels, das
Mir meine Wünfhe unbedingt erfüllt;
Des Sultans Schwiegerfohn, Sultan dereinft!
Stark, wohlgebildet, Elug, gefund und dreift.
Wie id mein ganzes junges Leben fühle
In diefer heil 'gen Sommermorgenftunde!
Ich habe lange nicht zu Gott gebetet;
Ad, in dem Wirbel der Bergnügungen
Kehrt ſich das eitle Herz fo felten zu
Dem Urfprung feines Dafeins, Stilfer Wa,
Ihr grünen Hallen, dunkelbraune Stämme,
Der würdigfte, der befte Tempel Gottes. .
Hier knie ih! — Heil ger, allein’ger Vater!
34 Aladdin
Sieh mir in’s Herz! Ad, Gott, ich kann nur weinen!
Doch liebft Du gern die Thränen ja der Kleinen!
Die Wade,
(die rund herum im Walde nad; Aladdin gefucht hat, tritt bei feinen
legten Borten herein, wird ihn gewahr, fchleicht fich hinter ihn, greift
ipn und will ihn in Feſſeln legen.)
Aladdin
Cipringt erſtaunt auf und zieht fein Schwert.)
Ha, wer ift da? Räuber und Diebsgefindel?
Wade.
Erkenn' in ung die Wache Deines Sultans.
Aladdin.
Was wollt Ihr?
Wade.
Did in Eifenketten legen,
Nach unjers Herın Gebot; gehordy’ und folge!
Aladdin.
Mas hab’ id) denn Kunz
ade.
Das wirft Du bören.
Aladdin.
Mo bringet Ihr mich bin?
Wade,
Zum Hochgerichte.
(Sie führen ihn fort.)
Zephyr
kommt erſchrocken hervor.)
Ah Lympha, Lympha, Lympha!
Lympha (oom Bade.)
Sephyr, Zebhor!
Zephyr.
Hoͤrteſt Du wohl, was bier geſchehn?
oder die Wunderlampe. 55
Lympha.
Kannſt Du nicht meine Thränen ſehn?
Zebhyr (erbittert)
Ha, die boshaften Menſchenkinder!
Aber warte! Bei allen Himmelsſtrahlen—
Das, das follen fie theu'r bezahlen.
Id) fliege nad Hauf, und immer geſchwinder,
Hurtig hin über Wald nnd Thurm,
Zu meinem Dater, dem alten Sturm.
Gr fol fid) heben, von Zorne voll,
Er den Wagen befteigen fol.
Dferde, mit flatternden Mähnen, im Flug
Sollen ſchnauben, ein eigner Zug.
Seine Sturmmütze foll er greifen mit Heulen,
In feinen Fäuften zwei mächtige Keulen!
Rächen fo fol er den armen Mann
An dem ganzen Neid) des Tyrannen dann.
Lympha.
Ach, wie zittr' ich, o weh, o weh!
Aber garſtiger Sultan, wart!
Eilen will ich, weil Du ſo hart,
Zu meiner Mutter, der ſalz'gen Eee.
Eie foll Schwellen am weißen Strand,
Mund verwüften das ganze Land.
Sie foll ſchäumen, mit Ungewittern
Ganz Deine Schiff’ in Trümmern zerfplittern!
Brandungen fieden! Das Meer zur Luft
Duälen die ftolzefte Seemanns »Bruft.
Lachend fol fie das Wrack hinſchlagen,
Wo Deine Sclöffer im Sturme verzagen,
36 Aladdin
Sinken und ſchwellen, bald ftark, bald ſchwach,
Dem Freund zur Rach', aber Dir zur Schmad!
(Beide ab.)
Dunkles Gefängnißs.
Aladdin
(in ſchweren Eiſenketten an einen Stein gefeſſelt; nachdem er lange
für fich in tiefen Gedanfen hingeftarrt hat, bricht er aus:)
Allmächt'ger Gott, ift dies ein Traum? Ein Traum!
Ia, ja, es ift ein Traum; id ſchlummre nod)
Int Blumengraf’, in jener dunkeln Waldung.
Der fhöne Traum vom Zephyr und vom Bade
Hat ſich zum düftern Trauerfpiel verwandelt,
Es ift ein Traum, ein Gaufelfviel der Wolken,
Wo, wenn fih nur ein leifer Wind bewegt,
Die Hirtin feuerfpeinder Dradye wird,
Der Baum ein Niefe, der die Faufte ball.
Todtenuhr Cin der Mauerrige.)
Bi, Bi, Bi,
Du Did) retteft nie,
Aladdin
Wer Sprit denn dort? Es war die Todtenuhr.
Todtenuhr.
Pi, Pi, Pi,
Du Dich retteſt nie.
Aladdin.
Iſt dies das einz'ge Lied, das Du gelernt,
Engbrüſt'ger Klausner, der in Einſamkeiten
Der faulen Klüfte, morſchen Mauerwerks,
Nur Tod, Erbleichen und Verweſung ſingt?
oder die WBunderlampe.
Todtenuhr.
Pi, Pi, Pi,
Du Dich retteſt nie.
Aladdin.
Ich glaub' es auch! — Du ſprichſt ſo zuverſichtlich,
Daß man auf's Wort ſogleich Dir glauben muß.
Unglücksprophet, he, Stundenglas des Todes,
Wer hat Dich in's Gefängniß herbeſtellt,
Um mit dem Sterbeliede mich zu quälen?
Todtenuhr.
Pi, Pi, Pi,
Du Dich retteſt nie.
Aladdin.
Sie kann's nicht anders, ob ſie's gerne wollte.
S iſt nur ein Laut, ein Picken mit dem Munde,
Wie man's mit deutlichen und klaren Worten
In der Naturgeſchichte leſen kann.
Sie ſingt auch nur: „Pi Pi!“ Das: „retteſt nie“
Hab’ idy mir felber ja nur zugedacht;
Das bab' idy nur gehört, fie nicht gefungen.
Todtenuhr.
Du Dich retteſt nie.
Aladdin.
Ha, Würmchen, was iſt das? Glaubſt Du mid) irre
An meiner gründlichen Philofophie
Mit einem bloßen Wort zu maden?
Todtenuhr.
Pi! —
Aladdin.
Seiswie es ſei! — die Hoffnung iſt verſchwunden!
Dies wiederholte kurze Warnungslied
*
57
58 Aladdin
Hat mir dag Herz im Bufen fehr erweicht,
Hat’s eng gemacht und muthlos, furchterfüllt.
Ia, es ift far, es kann nicht anders fein,
Der Zauberer ift jeßo Herr der Lampe.
Sie Eonnte ſelbſt ihr Werk ja nur vertilgen.
Ha, Leichtfinn, Leichtfinn, böfe Schlange, Du
Haft Adam aus dem Waradies gejagt,
Du bift der Störer alles Erdenglüds,
Ein wahrer Teufel, ein Verſucher bift Du,
Der in die guten Herzen Keime fäct
Zum Bifen; der Gefundheit, Glück und Tugend
Sataniſch untergräbt; damit der Menfd)
Flugs, unvermuthet in die Hölle ftürze,
Da bin id nun, durd Did, durch Dich allein! —
Die finfter mid) die engen Mauern drüden,
Wie Hohl der Sturm da draußen an dem Thurm
Eid) heulend ſtößt. Jetzt ift es Mitternacht.
Nacht, Nacht! Und id muß vor dem Licht mid) fürdten.
Das fchöne Licht, wonad die ganze Erde
Sid; innig fehnt, und das der Menſchen Augen,
Die Blumen öffnet — das erfchredt nur mid).
Bringt jedem Andern Leben, mir den Tor.
(Der Mond bricht durch eine Wolke und fcheint in fein Gefängnig
hinein.)
Es wird fo hell? Jetzt bricht der Tag fhon an —
Test kommt der Henker! — Nein, es war der Mond.
Was willft Du mir, Du lächelndes Gefpenft?
Willſt mir erzählen: ich fei nicht der Erfte,
Auf deſſen Ealkbeftricne Wangen Du
Geſchienen baft, die lebte Hochzeitsnacht,
Wenn matt er an den Stein gefeflelt faß,
oder die Munderlampe. 50
Und wuͤnſchte ſich zwei Flügel, um weit weg
Zu flattern, wo fein hungrig Beil fidy fehnte,
Den Kopf vom Rumpf bei frühem Licht zu trennen?
Willſt Du erzählen, daß Du morgen Nacht
Mein Haupt auf feinem Pfahle grüßen wirft?
Graufamer Mond, teufliſche Nacht-Erſcheinung,
Wie oft haft Du holdfelig, eine Göttin,
Mid) an dem Bufen meiner Braut begrüßt,
Denn Nadıtigallen in der dunfeln Laube
Die ftumme Seligfeit zu fingen wagten.
Da nannt' ich Dich ein gutes, Liebes Weſen;
Und doch kennt Deine kalte Grauſamkeit
Und Deine ſtille Wuth gar keine Gränzen.
Gleihgültig blickt Dein grinfendes Geſicht
Auf Myrthen-Lauben wie auf Rad und Galgen.
Wenn mit dem einen Auge meine Freude,
Die Unfhuld, Liebe Du belächelteſt
Haft mit dem andern ſchielend Du das Blut
Gezüdter Mörderdolche froh beäugelt,
Und Leihenfteine, die den todten Staub
So hart nicht drüden, als Verzweifelung
Die armen Hinterlaf’nen. Und jeht kommſt Du,
Mid) in der letzten Noth noch zu verhöhnen?
Weg, blaſſer Würgengel! zerftöre nicht
Der Unſchuld Ruh' in ihrer Todesftunde!
j (Der Mond wird von Wolken bederft,)
Bei Gott, er flieht! Er birgt fein bleiches Antlig
Wehmüthig hinter leichte Silberwolfen,
Wie ein unfhuldig Mädchen in dem Tuche
Das blühende Geſicht, um ihre Thränen,
Die unverfchuldet fliegen, zu verbergen.
60 Aladdin
D hab’ ih Unrecht Dir getan, o dann
Vergieb mir, Du unfhuld’ger Mond, vergieb,
Ich bin fo gar unglüdlidy; weiß nit, was
Ich thu' und fage! Ic bin aud unſchuldig,
Und muß dod) leiden, muß unfduldig fterben. —
Es bricht ein wunderbarer Eleiner Strahl,
Wie ein ätherriher Finger, aus der Wolke,
Und zeigt auf jene große Spinne dort,
Die in der Ecke mitten im Gewebe
Sp feelenruhig und zufrieden fißt.
Die Spinne.
Sich mein Gewebe fein,
Wie fidy die Fäden richten!
Ein Wind gar ſchwach und Flein,
Kann alles bald vernichten;
Dies deutet Allah's Madıt
ſtur ſchlecht am düftern Drt,
Dod) fei es dargebradht,
Und hör’ mein fröftend Wort:
Nie id) vom Mond erhel,
So ſitzet Gott im Glanze,
Im Mittelpunkt der Welt,
Und überſchaut das Ganze.
Er zieht bei'm ew'gen Licht
Die Fäden aus und ein;
Und er vergiffet nicht
Das Eleinfte Fädelein.
Aladdin.
Ha, wadre, frommeinfälfge Spinnerin!
Du tröfteft mich weit beſſer als ein Derwiſch.
oder die Wunderlampe. 61
Er zieht die Fäden weislich aus und ein,
Vergißt ſelbſt nicht das Eleinfte Fädelein!
Iegt ruft in feine Arm? er mid) zurüd,
Sollt' idy denn zittern? fluchen dem Geſchick?
Nein, komme Tod! fei immer Falt und graus,
Du bringt mid) nur in meines Vaters Haus.
(Er wirft ſich auf die Knie und fingt mit freudiger lauter Stimme:
Sollt' id) bang’ vor meinem Tode zittern?
Nein, id) zittre nidye vor meinem Tod!
Stürmt die Nacht mit Ungewittern,
Glänzt der Morgen doppelt roth;
Ich will nicht vor meinem Tode zittern.
Gott hat mir Unfterblichkeit gegeben,
Weil er ſelbſt unſterblich ift,
Und mein beftes, reinftes Leben.
Ganz mit ihm verbunden ift.
Gott hat mir Unſterblichkeit gegeben.
Trocknen werden diefe Leibesiäfte,
Und mein mürbes Fleifh verzehrt der Wurm,
Aber meine ew’gen Kräfte
Gehn nicht unter in dem Sturm;
Trocknen nicht wie diefe Leibesfäfte.
Id kann Tod und Untergang verachten;
Dies macht meinen kühnen Geift nicht Eranf;
Und mein beſſ'res, höchſtes Trachten
Bändigt nicht des Sarges Schrank.
Ich kann Tod und Untergang verachten.
Aladdin
D wie oft, wie oft ift ſchon geftorben
Meine eitle Erdenkränktichkeit!
Beſſ'res Leben it erworben
Durch den fchmerzenvollen Streit;
Beſſ'res Leben! Ich bin nicht geftorben.
Menfchenfreund ift nur der Tod auf Erden:
Stärki in ung das heil’ge Himmelslicht,
Endigt Leiden und Beſchwerden, }
Schredt und warnt den Böſewicht.
Menfchenfreund ift nur der Tod auf Erden!
Daß wir harrend nicht in eitlem Wähnen
Stumpf genießen nur die kurze Zeit,
Weckt er Sehnen, wet er IThränen,
Tilgt er die Zerbrechlichkeit,
Stört er diefes kalte, ftumpfe Wähnen.
Komme, wann Du willft, mit Deiner Hippe,
Treuer Alter, guter Knochenmann!
Nicht Dein bleiches Beingerippe
Meinen Geift erfchreden Eann;
Fürdte nicht das Blinfen Deiner Hippe.
Spilte dort mein Vater mic verlaffen,
Wenn der Iehte Kampf mein Auge trübt?
Soll! er den im Tode haflen,
Der im Leben ihn geliebt?
Hein, mein Gott, Du wirft midy nicht verlaffen.
(Er ftreckt fich ruhig auf fein Lager und fchläft ein.)
—XRX
oder die Wunderlampe. 63
| Richtplatz.
(Der Sultan ſitzt mit feinen Veziren und Hofleuten auf Dazu bereite-
ten Sigen. Unzählige Zufchauer, Der Henker und feine Jungen.)
| Soliman.
Bei Gott, das weiß mein Volk, das weiß die Welt,
Ich bin fein Tiger, dürfte nicht nad) Blut.
Gerechtigkeit will aber Blut für Blut;
Und meinem Herzen ift am nächſten dod)
Mein eignes Blut. Gulnare, meine Tochter,
Wer weiß, durch welche meuchleriſche That
Du aus der Welt vertilgt bift, holde Lilie!
Ia, bei dem großen Allah, bei'm Propheten,
Sn diefem Augenblid bin ich ein Tiger.
Man bringe den Verbrecher!
Vezir.
Sieh, da kommt er.
(Aladdin kommt von der Wache umringt, ſeine Mutter folgt thm.)
Wache (u Morgiane.)
Nun könnt Ihr ihm nicht weiter folgen. Geht!
Morgiane.
Ach Gott, mein Sohn, muß ich Dich jetzt verlaſſen?
Aladdin.
Wir ſehen bald uns wieder.
Morgiane.
(bricht in Thränen aus und umarmt ihn.)
f Ja fehr bald.
Ich habe ſchon bei der Moskee da draußen,
Wo Du fo gern als einer Knabe fpielteft,
Zwei Gräber ung beftellt; meins an der rechten,
Deins an der linken Seite Deines Vaters.
64 Aladdin
Wake.
Wie? Er begraben? Nein, aufs Rad geflochten,
Ein fchönes Treffen für des Himmel Vögel.
Morgiane.
Des Himmels Vögel?! O Du fhlimmer Vogel!
Glaubſt Du, des Himmels Vögel feien Henker
Wie Du? Die freundlicden, die kleinen Dinger,
Sp rein, voll Frommheit, daß fie immer ſich
Hinauf zum Himmel von der Erde fdwingen,
Sie follten, meineft Du, die Unſchuld ſchänden?
Bade.
Meg Weib! 4
(Sie fällt in Ohnmacht und wird weggetragen.)
Aladdin.
Geh hin in Frieden, alte, arme Mutter!
Ginfältig warft Du, aber gut und treu.
Du hatteft midy wie eine Mutter lich.
Haft alles gern gethan, was Da nur konnteſt!
Für mid) des Nachts gefponnen, daß des Tags
Ic effen konnte. Ad), ic babe Did)
Nur ſchlecht als Sohn erfreut. Du glaubteft immer,
Die Freude würde fih mit Unglüd end’gen —
'S ift eingetroffen! Leidende Prophetin,
Gehab' Did) wohl! Dort fehen wir uns wieder
(Er fniet auf den Sand.)
Es bindet mid) an diefe Welt nichts mehr;
Nur meine Liebe, Aber, heil’ge Liebe,
Du bift unfterblid wie die ew'ge Seele —
Id) werde meine Liebe wiederfinden ;
Hier hab’ ich fie durch Leichtſinn ganz verloren,
Ep fliege denn mein Blut!
oder die Wunderlampe. 65
ABum Scharfrichter,)
Thu' Deine Pflicht!
Der Scharfrichter.
Ich muß ein Tuch Dir um die Augen binden.
Aladdin.
Das brauchſt Du nicht. Laß frei die Augen mir,
Daß draus die ew’ge Seele fliegen kann.
Ic) fürchte nicht das Licht! Thu’ Deine Pflicht.
(Lärm: die Menge drängt fich näher.)
Einige Stimmen.
Aladdin ift unſchuldig, Laßt ihn los!
Soliman.
Menge.
Aladdin ift unfhuig:
(Der Scharfeichter fchwingt fein Schwert über dem Kopf, und er
wartet mit Ungeduld des Sultans Winf.)
Menge.
Aladdin iſt unſchuldig, laßt ihn los.
Wir retten ihn, denn er iſt unſer Freund;
Der klügſte Mann im Rath, im Streit der kühnſte;
Schutz und Vertheidiger der Unterdrückten,
Der ſchönſte Perſer und der edelſte,
Ihn wollt Ihr niederhauen? Weg die Wache,
Wir retten ihn!
Ha, was iſt das?
Soliman.
Treuloſer, blinder Haufen,
Du vetteft Deines Sultans bittern Feind?
Menge.
Er it Dein Feind nicht. Aber Nufhirman,
Den Großvezir, ihn kannt Du immer Eüpfen!
Dehlenſ. Schriften. XI.
66 Aladdin
Er iſt Dein Feind, weil er Maddins iſt.
Ihn Eannft Du köpfen, weil wir einmal doch
Hier find, um eine Ereution zu fehn.
Du wirft die ganze Stadt damit vergnügen.
Soliman (un Großvesier.)
Was fagen fie? i
Vezir.
Mein edler Herr, es iſt nur
Gin unartieulirtes, wildes Rufen;
Die Meinung ift: Aladdin fol nicht fterben.
Menge (aut.)
Aladdin los, Aladdin foll nit fterben!
Zu Hülfe! R
Spliman (fteht auf und ruft.)
Gnade! Sei's!
(Zum Henker.)
Wirf hin Dein Schwert.
Gerichtet hat mein Volk, und Soliman
Kann nidyt dem ganzen Perfien widerfprechen.
Aladdin Gnade!
Menge (euft jauch zend.)
Mohamed beihüge
Den großen Soliman! Aladdin Gnade!
Vezir
(bei Seite zum Sultan.)
Ich will ihn in’s Gefängniß bringen Laifen,
Und das gerechte Urtheil da vollziehn,
Weil's hier die blinde Pöbelwuth verhindert.
Spliman (aufgebradt.) ’
Scweig’, Sklav! — Man bringe mir Aladdin her.
Aladdin wird gebracht.)
oder die Wunderlampe. 67
- Soliman.
Nicht, weil das Volk es fordert, fondern weil
Mir Deine Schuld nod) nicht ganz Flar geworden,
Geh ich Die Frift, die Unſchuld zu beweifen.
Dein ganzes Thun war ftets mir unbegreiflich;
Vielleicht ift diefer Zauber Laune nur;
Vielleicht vermagft Du Alles noch zu ändern;
Drum ſchwöre mir bei Allahs heil'gem Namen,
Daß Du mir meine Tochter, den Palaft,
In vierzig Tagen wieder fhaffen willft,
Wo nicht, den Tod als Miſſethäter leiden.
Aladdin.
D edler Sultan, laßt mid) reden.
Spliman (ornig.)
Schweig'!
Schwör' oder ſtirb im Augenblicke! Scmwöre!
Aladdin.
Ic ſchwöre bei des hohen Allahs Namen,
Da id) Gulnare, den Palaft zurüd
Dir ſchaffen will, wo nidt, als Miffethäter
Den Tod in vierzig Tagen willig leiden.
Soliman.
Brihft Du den Eid, bift ewig Du verdammt.
Verdammniß rächt weit ärger als der Tod.
Man laß' ihn los; er kann fid) wegbegeben.
(Der Sultan fieht auf und geht mit Gefolge. Die Menge vertheilt jüch,)
Der Henker (su feinen Zungen.)
Ei hol’ der Henker die Barmherzigkeit!
Warum ftand ich fo zeitig auf und fchliff
Mein breites Schwert bei'm frühen Habnenfchrei?
Jetzt ift die ganze Arbeit ja umfonit.
0]
63 Aladdin
Hätt' ich doch wenigftens den Großvezier
Heut untere Meſſer gleich befommen. Er
Weiß immer wie ein Aal ſich durchzuhelfen.
Komm fir! Trag' Alles fort und bring’s nad) Haufe.
Muß laufen! Habe feine Ruh’, bevor
Ich nicht von einem Hahn den Kopf gehaun.
Du weißt, id) trank heut’ Morgen Tigerblut,
Blut muß ic fehen, eher thut's nicht gut.
(Ab.)
Der Zunge allein, nimmt fein Frühſtück hervor, ſingt and ißt, waäh—
rend cr Die Sachen auf dem Richtplag zufammenparkt.
Und in der Welt da geht es bunt,
Es ftürmt die Lebensflut;
Da brauft und fauf’t zu jeder Stund'
Das tolle Menſchenblut.
Sie balgen fidy, fie ſchlagen ſich,
Es ift ein ew’ger Streit;
Sie können nicht vertragen fid),
Doc ift die Welt gar breit.
Der Priefter zwar beſcheiden ſpricht:
Wollt ihr wohl artig fein?
Das hilft ihm aber alles nicht,
Und fchlüg’ das Wetter drein.
Da kommt der Henker im Mantel roth,
Den Pfiff er beſſer kennt;
Er ſchlägt den Kerl ganz maufetodt,
Das Haupt vom Rumpfe trennt.
Früh Morgens fprigt das friſche Blut
Warm auf den Rabenftein,
oder die Wunderlampe. 69
Spät Abends Liegt es ſchwarz und Falt,
Ein Fled im Mondenidein.
D Menſch, bedenke doch Dein Heil,
Erwäge Deine That!
Denn kommt der Henker mit dem Beil,
Dann ift es gar zu ſpat. —
Dies Lied hat ein armer Sünder g’madıt,
Mit vielem Wis und Kopf;
Nun ift der Kerl nicht witzig mehr,
Denn er ift ohne Kopf!
(Ab.)
Strabßbe.
Aladdin, im groben linnenen Kittel, bei ſeiner Mutter Wohnung, klopft
an die Thür. Ein fremder Mann kommt heraus,
Mann.
Was giebt’s, mein Freund?
Aladdin.
D, darf id) fragen, iſt
Die alte Morgiane nicht zu Haufe?
Mann.
Ja, lieber Freund, und wenn ich mich nicht irre,
Geht ſie ſo bald nicht wieder aus.
Aladdin.
| Warum?
Sie ift wohl Frank? “
| Mann.
Es fehlt ihr weiter nichts,
Aladdin.
Das ift mir lieb. Ic habe wicht'ge Kunde
Zu bringen, muß nothwendig mit ihr ſprechen.
70 | Aladdin
Mann.
Bedaure, dag ihr dann zu fpät gekommen;
Zum Epredyen ift fie gar nicht aufgelegt.
Aladdin.
Iſt fie da drinnen in dem Zimmerlein?
Mann.
Im Zimmerlein? Ja, ja, da ift fie, Freund!
Nicht aber hier im Haufe.
Aladdin.
Wo denn fonft?
Mann.
Ruht auf dem Kirchhof, bei'm Hollunderftraud).
Aladdin.
Ach, jet verſteh' ich Euch! Sie iſt geftorben.
Und Ihr habt neulich wohl dies Haus gekauft?
Mann.
So iſt es.
Aladdin. y
Wollt Ihr gütigft mir erlauben,
Nur einen Augenblid in ihre Etube
Zu treten, wo fie lebt! und ftarb?
Mann.
Sehr gern!
Da fteht noch Alles, wie in vor’ger Woche;
Das alte Hausgeräth und aud) ihr Noden.
Ich weiß nicht, wars id) damit machen foll;
Der alte Plunder hat gar feinen Werth,
Und Erben bat fie auch nicht; denn der Sohn
Hat Gut und Leben ja verbroden. ,
Aladdin.
Freilich!
oder die Wunderlampe.
Mann.
Es ift —2* hart für alte brave Leute.
Sie ſtarb aus Kummer nur um ihren Sohn,
Den liederlichen Wicht!
Aladdin.
Du haſt Genie!
Du pfeifſt nach dem Gehör nur Deine Weiſen,
Und kennſt doch weder Takt noch Noten recht. —
Erlaubt Ihr, daß ich mich binein begebe?
Mann.
Recht gern, verzeiht mir aber, daß ich Euch
Nicht folge, meine Zeit iſt knapp; ich habe
Sehr viel zu ſchaffen.
Aladdin.
Schafft nur immer fort!
Verſchwendet nicht die Zeit mit Neflerionen.
(Geht hinein.)
Morgianes Stube,
Aladdin
(alein; fteht und betrachtet Alles mit gefalteten Händen.)
Da ftcht der alte Roden noch. Nun ſchnurrt er
Nicht länger fleifig in der Ecke dort.
An folhen alten Freund gewöhnt man fich,
Vermißt den Lärm, wenn er nicht länger poltert.
Es fist ein wenig Vol? am Wocken noch;
Nun will id thun, als wenn’s die Mutter wäre,
Bil fpinnen, fo wie fie, und dazu fingen.
(Er fegt fich Hin, fingt und bricht in Thränen aus.)
Nein, das hat keine Art! Es ift nicht in
Dem rubevollen, dem gewohnten Takt;
A
12 Aladdin
3u fieberhaft, zu wild dreh’ ich das Nav.
Ad), lieber Gott! Sieh, diefen mürbeu Faden
Hat fie gefponnen! Er ift ganz und gar!
Sitzt unverlegt und unzerftört nod) da;
Die Parze aber, die ihn fpann — fie liegt
Mit fteifen Fingern bei'm Hollunderftraude.
Da hängt der alte feidne Mantel noch,
Mit wollnem. Futter. Hier find ihre Schuhe!
Nun frierft Du an den alten Beinen, Mutter!
Du wollteſt nie von diefer Wohnung weichen,
Die vor’ge Lebensart verlaffen nidt.
Id) habe nur Dein liebes ftilles Dafein
Mit meinem eiteln, ftolzen Uebermuthe
Zu Grund gerichtet. — Ad), ihr fremden Leute,
Die ihr dies Zimmer einft bewohnen werdet,
Wenn ihr des Nachts ein Poltern hier vernehmt,
Erſchreckt eud) nicht, es ift ein gufer, treuer
Hauskobold; laßt ihn fpinnen nur und fchnurren,
Er thut eud) nichts! Einſt war es eine Frau,
Die für den Sohn die Hauf fid) von den Fingern
Ganz abgeiponnen — zur Belohnung bat er
Sie todt geſchlagen. Iardas hab’, das hab’ id!
(Er fegt fich hin und weint.)
Sieh da, da fteht der Eimer nod. Es Liegt
Am Boden ned) ein halbverwelftes Blatt!
Ad), das bin id; das foll wohl mid) bedeuten!
(Er ftarrt lange mit wilden Blicken auf den Ort, wo die Wunder-
lampe in alten Tagen gehangen; drauf fagt er verwiret;)
Bei Gott, da hängt die Lampe. noch am Nagel!
(Er fpringt auf und greift danach.)
Wie? Meinft du, dag ic dich nicht gueifen Fann?
oder die Wunderlampe. 73
(Er nimmt einen Stuhl, ſteigt hinauf und faßt den Magel.)
Da hab’ ich dich. Jetzt bift du wieder mein.
Ha, nun will id) Gulnare wiederfinden,
Und den Palaft und alle Herrlicykeiten,
Wenn erit id) meiner Mutter Grab beſucht.
Esteigt herunter.)
Wirth kommt)
Kun, Freund, habt Ihr nun Alles durchgeichn?
Sie war Euch wohl verwandt?
Aladdin.
Weitläuftig nur.
Jetzt geh? ich wieder. Doch — erlaubet Ihr
- Mir diefe Kupferlampe mitzunehmen?
Sie ift faum einen Pfennig werth.
Wirth.
: Mein Freund,
Ic fehe eine.
* Aladdin.
Macht die Augen auf! ”-
Die Lampe bier in meiner rechten Hand.
Sie ift nur, wie gefagt, Schnurrpfeiferei;
Ic fammle, feht Ihr, ſolche Siebenfaden;
So hat die Lampe, ohne Werth für Andre,
Doch einen felöftgeträumten Werth für mid).
9 Wirth.
Mein Freund, Ihr Habt ja gar nichts in der Hand.
Aladdin (Hei Seite.)
Die Lampe hat die Eigenfchaft bekommen,
Unfihtbar auch zu fein für jeden Fremden?
O ſchön! So kann man fie mir nicht entwenden.
74 Aladdin
(Zaut, die eingebildete Lampe in den Bufen ſteckend)
Nun, weil Ihr es verfichert, glaub’ id) auch,
Die Lamp’ ift ein phantaſtiſch Gaukelbild.
Lebt wohl, mein Herr! Und Dank — Erlaubt, daß ic)
Dies welke Blatt aus ihrem Eimer nehme!
Wie eine Feder ſolls den Turban fhmüden;
Und mehr verlang’ ich von der Erbſchaft nicht.
Lebt wohl! |
Wirth.
Der arme Menſch, er ift verrüdt. —
Nehmt nur das Blatt, mein Freund, und rollt Eud) fort.
Aladdin,
Lebt wohl, mein Herr! Gebt Ihr mir einen Gruß,
Der alten Morgiane mitzubringen?
Ich will ihr Grab befudyen.
Wirth.
Grüße vielmals!
(Bei Seite.) '
Man muß den Tollen nad) dem Munde fprechen.
(2aut.)
Ihr müßt nur eilen! Denn um diefe Zeit
Pflegt fie ein wenig aus dem Grab zu fleigen
Und zu fpazieren, der Gefundheit wegen.
Es ift nicht gut, fo immer ftill zu liegen;
Man liegt fid) Ichief.
Aladdin.
Da habt Ihr wahr geſprocheu.
Seid Ihr ein Arzt, da Ihr auf die —
Der Todten Euch ſo gut verſteht?
Wirth.
Nein, Freund.
Ic bin ein Gerber.
oder die Wunderlampe. 75
' Yladdin.
Das ift auch der Arzt.
Er gerbt das Fell fo weich und fo gefchmeidig,
Das Schufter Wurm es leicht u fann.
Lebt wohl, Herr Arzt!
Wirth.
Empfehle mid gehorfamft.
Aladdin.
Und ‚weil Ihr dod) fo manches Kalb gegerbt,
Verſprech' ih Euch: ich will Euch wieder gerben
Jedwede Nacht, wenn idy geftorben bin.
Wirth.
Bemüht Eudy nicht, mein Herr! Bemüht Euch nicht.
Aladdin.
Hat nichts zu fagen, Herr! hat nichts zu Tagen.
| (Ab)
Sirhhen ef.
Aladdin
(auf dem Grabe feiner Mutter: thut als wenn er fie wiegte, und fingt:)
Schlafe, Kind, im Blumenbeet,
Laß die Träume Dich umgaufeln,
Ob aud) ftill die Wiege fteht,
Ohne Kiffen, ohne Schaufeln.
Hörſt Du, wie der dumpfe Sturm
Seufzet, weil id) Dich verloren?
Merkſt Du, wie der Leichenwurm
Sich bemüht, den Sarg zu bohren?
Schlafe, Kind, bei dem Gefang;
Ale Sternlein blinken Helle. .
76 Aladdin
Merkit Du wohl den muntern Klang,
Hoch im Thurm, von Deiner Schelle?
Nachtigall im Baume fliegt,
Hört Du ihre füßen Lieder?
Mutter! haft mid) oft gewiegt,
Nun will ic Did wiegen wieder.
If Dein Herz noch immer wei,
Sieh mein Trauren und mein Leiden!
Hier aus dem Hollunderzweig
Will ih Dir ’ne Flöte fchneiden.
Horde wie der Schall vergeht!
Stirbt im Falten Frühlingswetter,
Wie ein Wind der Naht verwehrt,
Durch die naſſen Winterblätter.
Ach, nun muß ich wieder fort!
'S iſt fo kalt an Deinem Grabe;
Und ic weiß gar feinen Ort,
Wo ich warm midı wieder labe.
Scylafe, Kind, im Blumenbeet,
Pag die Traume Did umgaufeln;
Db aud) ftill die Wiege fteht,
Ohne Kiffen, ohne Schaufeln!
(Er geht ab.)
Der große Plag vor dem Schloffe.
Aladdin an der Stelle, wo fein Palaſt geftanden, vom Pobel umringt.
Aladdin.
Jetzt folt Ihe fehn! Die Stunde hat gefchlagen,
Nun solle Ihr mein nicht länger hämifch ſpotten,
oder die WBunderlampe. 7
Ihr wilden Menfchen, mid) nicht mehr belad)en,
Auch Stein und Schutt nicht länger auf mid) werfen.
Es koſtet mir ein einzig Eleines Wort —
Und mein Palaft fteht wieder da, und felig
Drüdt die Geliebte mid) an ihre Bruft.
( Thut als wenn er etwas aus dem Bufen nahme.)
Hier, ſeht Ihr dieſe alte Kupferlampe!
Ein Kerl.
Wo, Bettlerprinz?
Aladdin.
Willſt Du wohl artig fein?
Und Eeinen Bettlerprinz mid) nennen, Du?
Ich kenne Dich redyt gut. Warft Du es nicht,
Dem einft im Regenwetter id) begegnete?
Da warfit Du Did) gleicdy nieder auf den Baud,
Daß id) Dir auf den Nüden treten follte,
Um meine Schuhe ja nicht zu befhmußen.
Der Kerl.
Das that ic damals!
Aladdin.
Bei der Lampe, die
Ich in der rechten Hand zum Himmel bebe,
Ich zücht'ge Did.
gerl.
Ein dreiſter Eid.
Aladdin.
Ha, Pöhel,
Was Du mit Augen nicht begaffen kannſt,
Das glaubft Du nie. Doch warte, Scurfe! warte!
(Er reibt,)
Seht Ihr den Geiſt? Seht Ihr der Lampe Geiſt?
78 Aladdin
Kerl.
Ja wohl! Da ſteht er wie ein Pfahl ſo ſteil,
Und trägt die Lamp', ich meine die Laterne.
Aladdin (eierlich)
In Kraft der Lampe, Sklav’! gebiet ih Dir,
Gulnare gleich und den Palaft zu bringen.
Drauf diefen höchſt gemeinen Kerl zu greifen, *
Und body an den Laternenpfahl zu hängen.
(Zu der Menge.)
Nehmt Euch in Acht! Das Schloß fommt wie ein Sturmwind.
Steht ihm im Weg nicht! Es zerfchmettert Euch—
(Er läuft auf die Seite; großes Gelächter; Aladdin wartet einige
Augenblicke, drauf thut er, als wenn er die Lampe wegwürfe.
Ha, das war eine falfhe Kupferlampe!
Derrätberei! Wer von Eud) wilden Kerls
Hat ſchändlich mir mein Eigenthum geftohlen?
(Sie lachen.)
Ja ladyt nur, lacht! das Weinen kommt nadıber.
Ihr glaubt wohl nicht, daß ich mid rächen kann?
(Er reißt einen großen Stein aus dem Pflafter und wirft ihn unter
die Menge. Einige fliehen, Andere dringen auf ihn ein; die Gaſſen—
buben yfeifen.)
Ein alter Mann (kommt.)
Seht Eures Wegs! Verfündigt Euch nicht an
Dem franfen Jüngling. Danfet Gott, daß Ihr
Beraubt nicht des Verftandes feid. Geht Ihr
In Frieden nur nach Haufe, Lieber Freund!
Aladdin.
Ih gehe bald nad) Haufe, lieber Herr!
Bohn’ aber weit von bier; bier kenn' ich Keinen.
Die legte Nacht hab' ich in den Nuinen
oder die WBunderlampe. 79
Des Walds geihlafen. — Könntet Ihr mir wohl
Mit einer Kleinen Rechnung helfen? Sagt,
Wie viele Tage hab’ id) noch zurüd
Von vierzig, wenn beinahe neun und dreißig
Verfloſſen?
Der Alte.
Dann ift einer nur zurüd,
Aladdin wehmüthig.)
Ein einz’ger nur! D rechnet wieder um!
Vielleicht habt Ihr das erfte Mal Euch etwas
Verrechnet. Sind nidyt drei, mein guter Herr,
Wie? oder wenigftens noch zwei zurüd?
Ic bitt' Euch, rechnet no ein Mal! Die Müh’
it klein; mir aber ift das Facit wichtig.
Der Alte.
Nur einer ift zurüd! es wird nicht anders.
Aladdin.
Es wird nicht anders? Nun in Gottes Namen!
Id) habe mir das Dulden angewöhnt.
Ein einz'ger nur? Das ift nicht viel. Nicht wahr?
Das ift fehr wenig.
— Der Alte.
» Geht nad) Haufe, Freund!
Aladdin.
Wenn nur ein einziger zurüd ift, geh’ ich
Schon morgen früh nad Haufe; aber, Greis!
Der Weg ift dunkel — dunkel! Kannit Du mir ’ne
Laterne leihen? Meine eigne Lampe
Iſt ausgegangen.
Der Alte.
Gott wird Euch begleiten..
80 Aladdin
Aladdin kgerührt)
Wird Er? Nun das iſt gut. Wen Er begleitet,
Der irrt ſich nicht, der findet feine Heimath.
Ich dank' Euch) für den fhönen Troft, mein Herr!
(Er kuͤßt ihm die Hand.)
Sagt, habt ihr Kinder?
Der Alte.
Einen Sohn.
Aladdin.
Ah — Sohn?
Ic wollt’ es wäre eine Tochter, Alter!
Die Söhne find gefährlich, wollen nicht
Am ftillen Heerd verweilen, wagen fid)
Leichtſinnig auf den Zebensftrom hinaus;
Da ſtürmt's und brauft’s! Und Viele find ertrunfen.
(Er ſtarrt hin in die Luft.)
Wir Eriegen wohl nicht Mondſchein heute Nacht?
Der Alte.
Ja, ſchönen Mondfchein, Lieber! Es ift Vollmond,
Aladdin cfröplic.)
Ad), das ift gut, daß er. die letzte Nacht
Midy nicht in Dunkelheit verläßt. Ich fiße
In den NAuinen von Verfepolis,
'S iſt eine große Stadt gewelen.
Der Alte.
Sehr groß.
Aladdin. r
Jetzt iſt fie eingeftürzt. Ach, Alles ftürzt
Im Leben ein. Mich freut es aber herzlich,
oder die Bunderlampe.
Wenn bleid) der Mond auf die Ruinen blidt.
Gott fei Euch gnädig. Ih muß Eud) verlaflen.
(Er geht.)
Der Alte cauein)
Da hat Natur ein gutes Werk ——
Abgelegener Ort außerhalb der Stadt,
mit Palmbaͤumen bewachſen; in der Näbe ein Fluß. Nacht.
Mond ſchein.
Aladdin
(kommt in tiefen Gedanken.)
Was iſt ein Eid? Ein harter Knoten, der
Sich nicht mit Liſt und Klugheit löſen läßt,
Zerhauen nicht durch des Gewalt'gen Schwert;
Ein Strick, woran des Teufels ſchwarze Klaue
Mich in der Hölle Rachen ſchleppen kann.
(Setzt ſich auf einen Baumſtumpf.)
Schon morgen alſo iſt der kleine Reſt
Des Lebens wieder aufgezehrt, der arme
Zehrpfennig, den ich wie ein Bettler nahm,
Der halb im Zorn und halb im Mitleid mir
Stolz zugeworfen wurde! — Blaſſer Mond!
Der Du die Zeiten auf der Erde theilſt,
Warum warſt Du ſo karg denn gegen mich,
Du gelber, bleicher Harpar? Sag', warum?
Taugt länger nicht vielleicht mein Trommelfell,
Das Abendlied der Nachtigall zu hören?
Eind meine Augen ftumpf und ohne Klarheit,
Wie mattes Horn in einer Diebslaterne?
Kann idy die Farben nidyt mehr unterfcheiden?
Oehlenſ. Schriften. XI.
81
Heller
82 Aladdin
It, wie ein Bogen, diefer Arm erſchlafft?
It diefer Blafebalg in meiner Bruft
Verdorben? Ift er mürb’ und müde fchon
Don feiner nimmer unterbrod’nen Arbeit? —
Pfui, Stahl! Was willt Du dem gefunden Fleiſche?
D, made nit, daß diefes friſche Blut,
Den theuern Purpur wüft vergeudet! Lange,
Noch viele Jahre kann es ruhig. fließen.
Du dunkle, harte Maife! Starkes’ Erz!
Das Du vom Berge, wie ein Räder kommſt,
Das Grdenförperlichfte, fharf Metall!
Um das Unkörperliche, Geiftige,
Den Willen zu beftrafen,. weil er böſe —
Ich bin nicht boshaft. Was hab’ ich verbroden? —
Ha, fragt denn die Natur nad) Schuld? nad) Unſchuld?
Die graufe Zeit bringt Kinder nur zur Welt.
Um ſelbſt ſie zu verſchlingen.
(Geht hin zu dem Fluß und ſtarrt in dag Waſſer.)
Habe mir «
Kon einem Philoſophen fagen Laflen,
Wie Waſſer unentſchiednes Chaos ift,
Woraus fid) alle Weltgeftaltın bilden.
Das ganze Meer ift nur ein großer Tiegel,
Da fließt noch aufgelöft die rohe Malle,
Roch ungeformt, noch aller Formen fähig. —
Bin ſchlecht gemacht! Ein mißgelung’nes Werfl
Ein Kannengießer hat mir auch vertrauf,
Daß man die Arbeit, die zum erften Male
Nicht recht gelingen wollte, in den Ziegel
Zum zweiten Male wirft, und gießt fie um,
Die Kannengießer und die Philoſophen
$
4
oder die Wunderlampe. 83
Sind ja geſcheute Leute; ich bin toll.
Ein Toller muß fid) nady den Weifen richten.
(Gr will fich in das Waſſer ſtürzen. Plötzlich hört er eine Bhghiche
fanfte Stimme leife fingen:)
Der Eleinen goldnen Schlange
It vor dem Waffer bange!
Iſt keine Waſſerſchlange!
Aladdin (erſtaunt.)
Was hör' ich? Eine Stimme meines Ringes,
Den mir Noureddin einſt gegeben, — ha!
Den nie vom Finger ic) gezogen habe
O Gott, e8 geht mir eine Hoffnung auf!
(Er flößt den Ring gegen einen Baum.)
Der Geift des Ringes
Cerfcheint plößlich und ruft:)
Sage, was willft Du mir?
Ic) muß gehorchen Dir.
Ä Du haft Gebieterrecht,
Ich bin Dein feuer Knecht.
Nicht muß nur id allein,
Herr! Dir gehorfam fein;
Alle die Sklaven, die
Dienen dem Ring allyie,
Nichten an jedem Ort
Sid) nad) dem Zauberwort.
s Aladdin.
Wie? Iſt Aladdin noch verlaffen nidt? —
Geift.
Bir beugen uns vor Deinem Angeſicht.
Aladdin.
Gleich dann die Braut, das Schloß zurückgebracht!
6
84 Aladdin
Geiſt.
Zu viel; dies ſteht nicht in des Ringes Macht.
Das Schaffen und die That gehört nicht mir, |
Mit Willen, mit Bewegung, dien’ id) Dir. |
Aladdin.
Mit Willen nur und mit Bewegung? Ha, |
Wo fteht denn mein Palaſt? |
Geift. |
In Afrika. |
Aladdin.
In Afrita? Verſteh“ Aſchon Alles faſt.
Und wo iſt meine Braut?
Geiſt.
In dem Palaſt.
Aladdin.
Vom Zauberer gefeſſelt, bleich in Qual?
Geiſt.
Doch treu der Ehre, liebend den Gemabl.
Aladdin.
So bringe mid dahin, o ftarfer Geift!
Geift.
Gebieter, ſchneller bift Du nie gereift.
Werſchwindet mit Aladdin.)
oder die Wunderlampe. 85
Dritter Aufzug.
uUfrita.
Aladdin liegt im großen Garten unter einem Apfelbaume und fchläft.
Die fteigende Morgenfonne wirft ihre Strahlen auf ihn. Im Hinter>
geunde fieht man feinen Palafl. Der Baum ift voll zwitſchernder
Bögel. Zephyr und Lympha fpielen im Grafe.
Zephyr.
Nun hab' ich den Freund gar reichlich umſpült
Mit Duft von der Roſenau.
Lympha.
Nun hab' ich das Blut ihm wieder gekühlt
Mit blinkendem Morgenthau.
Vögel.
Wir haben gefprungen und Iuftig gelungen,
Wie junge vergnügte Leut';
Seitdem es wieder ift. halb gelungen,
So ift er auch wieder geſcheidt.
Nur Muth, Aladdin! Aladdin, nur Muth!
Bald Alles glücklich fidy fügt;
Dann fließt fo heiter und leicht dein Blut,
Wie wir dann bift Du vergnügt!
86 Aladdin
Aladdin (erwacht)
Wie munter ſchon die kleinen Vögel ſingen,
Wie duftend blüht das junge Gras.
Was ſeh' ich dort? Mein ſchönes Schloß? o Himmel!
Ich bin in Afrika! Es iſt kein Traum.
Dort in der Laube ſitzt mein liebes Weib,
Still, traurig, blaß, mit Thränen auf den Wangen?
Gut — ha! — noch bin ich in des Zaubrers Macht.
Vermaͤhle Dich mit Vorſicht, heil'ge Liebe!
(Er wickelt ſich in ſeinen alten Mantel, verbirgt das Geſicht mit dem
Turban und geht wie ein alter Mann mit zitternden Schritten Gul⸗
nare entgegen.)
Sort grüß' Euch, Liebe Frau!
| Gulnare
(wiſcht ſich die Thränen aus den Augen.)
Ich danke Dir,
Mein guter, Greis,
Aladdin.
Um des Propheten willen,
Ihr feht fo traurig aus! Fehlt Euch denn etwas?
Gulnare
(ſeufzend, halb für fich.)
Ad, Alles!
Aladdin
(ſieht fich vorfichtig ut.)
Sagt mir, liebe Fraul wo ift
Der Herr des Schloffes? Ift er wohl zu Haufe?
Gulnare.
Sr it verreif’t, und kommt erft morgen wieder.
Aladdin.
Ha, jetzt begreif’ ih Eure Traurigkeit.
oder die Wunderlampe.
Gulnare.
Kaum, guter Sreis!
Aladdin.
'S iſt ſchön, daß Ihr allein;
Ihr feid von dem miitleidigen Geſchlechte,
Eu'r Herz erbarmt fidy leichter, als des Mannes.
Id bin ein armer Pilger, gebt mir einen
Schrofennig auf die Reife.
Gulnare
(will ihm Geld geben.)
Da, mein Greis!
Aladdin.
Nein, liebe Frau! nehmt Euer Geld zurück;
Das harte Erz kann hier mir wenig) helfen.
Gulnare.
Wollt Ihr zu effen haben, alter Mann?
Geht in die Küche, da wird Eud) die Köchin
Gern alles reichen, was Ihr nur verlangt.
Aladdin.
Nein, liche Frau! Es hungert mid gar: nicht,
Gulnare.
Seid Ihr denn durftig?
Aladdin.
Ja, das bin id) eher.
Sulnare,
Seht in den Keller, da wird Euch der- Kellner
Den beiten Wein gern geben. » Hier im Garten
ug id) allein und hab? Euch nichts zu ſchenken.
Aladdin.
u liebe gute Frau! das. Ihr allein feid,
Verdrießt mich nicht. Die Köchin und der Kellner,
87
38 “Aladdin
Sie können mid nur fchleht erquiden; feht,
Ihr müßt mir felber wohl Mundfchenkin fein,
Wenn id gefunden fol.
Gulnare.
Womit fann id
Euch dienen denn?
Aladdin. -
Mit einem fügen Kuffe.
Gulnare.
Seid Ihr verrüdt?
Aladdin.
Nun, nun, erzürnt Cudy nicht.
Ih Hätte nicht geglaubt, dag Ihr dem Zaub’rer
So treu und fo ergeben wäret
Gulnare.
9,
Wer bit Du?
Aladdin.
Dem Aladdin fünnt Ihr jegt
Nicht untreu fein; er hat den Kopf verloren.
Gulnare.
D Allah! (Sie win in Ohnmacht finfen.)
Aladdin.
Hat ihn aber vollends wieder
Bekommen; und, Du Engelsweib, da ift er!
(Er fchlägt den Mantel zurüd.)
Gulnare
(türzt ihm in die Arme.)
O heil’ger Gott! Gelichter meines Herzens!
Aladdin (umarmt fie)
Willſt Du mid) noch zu Deiner Köchin fenden?
oder die Wunderlampe. 89
Gulnare.
Aladdin, ſüßer Freund!
Aladdin.
So küſſe mid!
Gulnare.
Taufend und taufend Mal.
Aladdin.
O holdes Weib!
(Bährend die Geliebten mit einander fprechen, fingen -die Wogel:)
Chor.
Lange weg von dem Freund,
Hurtig wieder dann vereint,
Plotzlich Wiederfinden thut.
Männchen.
Weißt du noch, Liebchen fein,
Da vom Flug letzt wir kamen,
Stand der Baum ſo allein;
Kein Getön wir vernahmen.
Ic zuerft; Nordens Eis
Madyte mir ſchnelle Flügel;
Nach des Oſts Paradeis
Eilt’ idy her, nad dem Hügel.
Und du warft auf dem Weg
Mir im Zug weggekommen; -
Wo id) fah auf dem Steg,
Hatt' idy nicht did vernommen.
Und die Bruft war fo voll!
Und betrübt, tief im Sinnen,
Meine Stimm’ laut erfcholl;
Kamen her Scyäferinnen:
90
Aladdin
Hörten gern den Geſang,
Jede leicht, froh im Herzen,
Wußten nicht, daß der Klang
War ein Ton meiner Schmerzen.
Weibchen.
O ich weiß es wohl! Es war,
Als die große Vöͤgelſchaar,
Thät von Nord gen Süden ftreifen,
Unter Muſik von Flöten und Pfeifen.
Mifhung war e8 vieler Perſonen,
Cimbern, Longobarden und Teutonen,
Soldflügel fuhhte fern und nah,
Heil fie nicht ihre Männchen fah,
Und da fie dic) gar nicht fand,
Flugs fie in der Luft verfhwand;
Gab fidy nicht bedächtig Zeit,
log und flatterte weit und breit.
Dachte: fißt er nicht im Baum,
Ad), dann —* ich ihn wohl kaum.
r.
Und da fandeit du mid) eben.
; Sie.
D, wie war es dann ein Leben!
Heide
Frühlingslaub, fo grün und nett,
Ward das zweite Hochzeitsbett.
Chor.
Lange weg von dem Freund,
Hurtig wieder dann vereint,
Ad), wie ſüß, ach wie gut,
Plötzlich Wiederfinden hut!
oder die Wunderlampe. 9l
Gulnare.
Ach, mein Aladdin! Wie kannſt Du ſchon hoffen?
Der Zauberer beſitzt ja noch die Lampe.
Er trägt fie bei ſich auf der bloßen Bruft:
Er trennt fid) nie von ihr. Wie oft hat er
Sie mir gezeigt, um Did) zu höhnen; ad),
Wie oft verfuht, Did) mir verhaßt zu maden.
Wenn er, wie heute, nidyt verreift, pflegt er
Mit Lieb’ und Zärtlichkeit mich zu beläſt'gen;
Er will, dag ich ihn wieder. Lieben fol;
Noch hat mein Abichen, meine Traurigkeit,
Ihn abgehalten; aber holder Freund!
Wie lange wird das dauern?
Aladdin.
* Sei nur ruhig!
Laß' eine Deiner treuſten Dienerinnen
Durch den verborgnen Gang hinaus mich führen.
Von hier bis nach der Stadt iſt nur ein Stündchen,
Wie Du mir ſelber ſagſt. Ich komme wieder
Mit einem Pulver, das dem frechen Schuft
Ein Brief vom Tode wird. Du mußt Dich putzen,
Damit der Zaubrer glaube, wenn er wieder
Nach Hauſe kommt, daß ſich Dein Herz verändert,
Und daß Du ihm jetzt zu gefallen ſtrebeſt.
Leb' wohl fo lange, meine ſüße Liebe,
Vertrau' auf mid), und hege keine Furcht.
ı Gulnare.
Nun id Dich habe, will ich aud nicht fürchten.
(Sie gehen ab.)
92 Aladdin
Vögel-Chor.
Lange weg von dem Freund,
Hurtig wieder dann vereint!
Ach, wie ſüß, ach, wie gut
Plotzlich Wiederfinden thut.
Apothektke.
Apotheker. Aladdin in den alten Mantel gehüllt,
Aladdin
(am Gingange für fich.)
Id bin fo froh, ic) habe die Geliebte
Gefunden wieder, bin dem Tod. entgangen,
Die Lebensgeifter find nicht Länger irre.
Ic, werde den Tyrannen überwinden,
Und Elar und heiter ift das Frühlingswetter;
Bin ganz in meiner alten Knabenlaune.
Wie fteht der närr'ſche Apotheker da,
Ganz aufgeblafen in der Nichtigkeit.
Nothwendigkeit gebietet mir den düftern
Giftbeher in Tribut zu fegen; weil
Es aber ftreng Nothwendigkeit gebiefet,
Weil Tugend gegen Lafter ftreiten muß,
Soll Spaß und Laune, wie Mufit im Kriege,
Das Traurige des Kampfes übertäuben.
(Er geht hinein.)
Id müßte fehr mid) irren, lieber Freund,
Wenn Er nit felbft der Apotheker wäre.
Apotheker.
Du nennt mi Er, Du Lump?
oder die Wunderlampe.
Aladdin.
Nun, lieber Freund,
Keil Er ein Männdyen ift, mug id) wohl Er
Ihn heißen; wüßt' ich nur, Er wär’ ein Weibchen,
Ic würde gleich mit Sie ihn tituliren.
j Apotheker.
Ich bin ein Weibchen nit, ein Männden nicht,
Id) bin ein Mann.
Aladdin.
Ein Mann? Da haben wire.
Ich muß ihn erren, ohne mich zu irren.
Wär' er ein Männchen, ja da könnt' er noch
Mit einem Schein von Recht von mir verlangen,
Daß id) ihn effen und nicht erren follte.
Jetzt aber hat die Sady’ Er ganz verloren.
Was will = gegen Er mir wohl er-wiedern?
Apotheker.
Will nichts erimieern. Sage mir, wer bift Du?
Aladdin.
Ic komme grad’ aus Alerandrien,
Bin Stiefel, oder richtiger geſprochen,
Vantoffelputzer eines Philofonhen.
Apotheker.
Bas wilft Du? |
Aladdin.
Kann Er Iefen?
Apotheker.
Wär’ ich fonft
Wohl Anotheker?
94 Aladdin
Aladdin.
Kann Er alle Worte
Zu Ende lefen, mein’ ih? Apothefer .
Begnügen fid) im Allgemeinen mit
Den Anfangsfylben. Daß das Ende fehlt
Der Worte auf den Apothekerbüchſen,
- Hat mandyen Mann zu früh in’s Grab gebradıt.
Apotheker.
Wer bift Du in dem Lumpenmantel, der
Dich folder Frechen Worte hier erfühnft?
In meinem Laden foll man arfig ſein.
Aladdin.
Die Art ift eben mein Fad), denn mein Herr
Ift ein Grammatifer. Er lehrt mid nicht,
Wie id) die Sprache arfen foll, mein Freund!
Menn aber in der That er lefen kann,
MWenn es nicht Prahlerei und Dünfel ift,
So geb’ er, was auf dem Nezepte fteht.
Apotheker
(der das Rezept nachgefehen hat.)
Was feh’ ih! Diefes Pulver willſt Du haben?
Aladdin.
Und das ſogleich! Fort, halt’ er mid) nit auf.
- Apotheker.
Kannft meinetwegen gleich zum Teufel achen.
Aladdin.
Gr ift der erfte Krämer, der die Kunden
Sum Teufel fdidt.
Apotheker.
Ich bin Fein Krämer nicht ;
Und Du, Du bift kein Kunde,
oder die Wunderlampe.
Aladdin.
\ Welche Kunde
Kramt er mie da nun aus? Er fei fein Krämer?
Was ift er denn?
F Apotheker...
Ich bin Artift, ein Künftler,.
Ein Wiſſenſchaftlicher, ein Pharmazeut,
Ein Doktor, wenigftens ein Mediziner.
Aladdin.
Und wer bin ic?
Apotheker.
Du bift ein armer Scuft.
- Haft Du das Geld, dergleichen zu bezahlen?
So eine kräft'ge, feltne Medizin?
Was willt Du damit? Es iſt Gift. Willſt Du
Dich felbft vergiften?
Aladdin.
Mich nit, aber Andre.
Apotheker.
Was Andre? Andre? Immer beſſer. Folge
Mir gleich zum Kadi.
— Aladdin.
Hör', mein lieber Freund!
Ich will Ihm einen guten Rath doch geben.
Apotheker.
Mir einen guten Rath?
Aladdin.
Soll immer erft
Die Leute ganz ausreden laflen, ch’
Er fie beurtheilt.
95
96 Aladdin
Apotheker.
Willſt Du nit vergiften?
Haft Du es nicht gefagt? Wär'ſt Du es noch,
So könnt es immer hingehn. Aber Andre,
Noch Andre obendrein, ganz unverfchämt!
Und welde Andre willſt Du jegt vergiften?
Das wird mir eine gräßliche Geſchichte!
Wen willft Du in das Scyattenreid, verfenden ?
Ken?
Aladdin.
Fliegen.
Apotheker.
Sliegen?
Aladdin.
Wespen.
Apotheker.
Wespen?
Aladdin.
Bremſen
Apotheker.
Mit dieſem theuern Pulver Bremſen tödten?
Aladdin.
Auf's Wort! id) ſteh' mich beſſer, als er glaubt.
Es fommt mir eben nicht fo fehr drauf an,
Recht leder meine Fliegen zu traftiren.
(Er giebt ihm eine Goldmünze.)
Apotheker (ehr höflich.)
He, ja das iſt mas anders! ſieht man wohl.
(Bei Seite.)
Der Mann ift äußerlich ein wenig rauh,
Doch innerlich im Kerne ganz vortrefflid.
oder die Wunderlampe. 97
(2aut.)
Das ift was anders. Ad), mein lieber Herr,
Ihr nehmt mir meine Hiße doch nicht übel?
Man muß mit folcherlei vorfidytig fein,
Man hat ja eine Art dod) von Gewiſſen.
Aladdin.
Da hat er wahr geſprochen. Aber fag’ er,
Henn eine tücht'ge Flieg' ich tödten will,
Wie viel kann ſie vertragen dann?
Apotheker a
Mein Har!
Das ſteht im mathematifhen VBerhältnig,
Um fo zu reden, zu der Fliege Größe.
Wenn es die allgemeine Sorte ift,
Könnt Ihr getroft mit dem ‚geringften Gran
Sehntaufend, wie ein Simfon mit dem Efels-
Kinnbacken die Ppilifter, tödten, wenn
-Das Gift mit Wafler Ihr und Zucker menge.
(Er reicht ihm das Pulver.)
Aladdin (ſteckts in die Taſche.)
Wenn aber nun die Fliege Seine Größ' hat?
Apotheker.
Wie? Meine Größe? Was ift das nun wieder?
Ihr wollt gewiß ein Unglüd damit ftiften.
Sp groß wie ih? Allmächtiger Prophet,
Sp groß ift nicht die größte Pferdefliege.
; Aladdin.
Ia, fieht Er wohl, das Ding hat einen Hafen.
Ic ſchwör' ihm, daß id) Fliegen tödten will,
Weil aber fie in eines Mannes Kopf,
Mug ich das Pulver in den Mund ihm —
Oehlenſ. Schriften. XI.
95 Aladdin
Apotheker.
Bei des Propheten Grab, id) mahe Larm!
Aladdin.
Das hoff’ id) nicht. Er hat gewiß fo viel
Verftand, dag Er begreift, wie leicht mir's ift,
Ihm, wenn Er vorlaut wird, das Maul zu ſpalten,
Und felbft das Pulver in den Hals zu werfen.
Apotheker.
Das ift mir ein vermaledeiter Menſch!
Seht! tödtet meinetwegen wen Ihr wollt,
Geht, tödtet Fliegen, Bremfen, Philoſophen,
Und Menſchen, Wespen, Müden, was Ihr wollt;
Wenn Ihr nur mic), mein Weib verfchont und Hallan,
Mein Eleines Söhndyen, mit den fehiefen Beinen.
‚Aladdin.
Nun, — — leb' er wohl! Er kann ja wohl begreifen
Daß Alles nur ein Spaß ift, Sei Er ruhig!
(2lb.)
Apotheker (ieht ihm nach.)
Wer weiß, wozu der Kerl wohl wär? kapabel,
Bezahlt mir aber gleich, und rafonabel.
Man muß fih auch nicht gar zu viel erboßen,
Um nicht die Kunden vor den Kopf zu ftoßen.
(6.)
aladdBine Palad. ®
Gulnare; ihre Amme.
Gulnare.
Halt Du Aladdin nun recht wohl verwahrt?
Amme.
Ia, Kind! Nun ſteht er dort im Kabinet,
oder die Wunderlampe.
Grad’ an dem großen Speifefaal, dag er
Leicht Alles hört; was dort gefprodyen wird,
Und gleich erſcheinen kann zur rechten Stunde.
Gulnare.
Mir iſt ſo Angſt, lieb' Mutter, ſo beklommen.
Amme.
Mein Kind, das darfſt Du ja nicht fein. Sei munter.
Was ifi’s denn mehr? Sp einen Schuft zu tüdten?
D, Taf’ mid fehen, daß Du ihm bezahlſt,
Dem bleichen, welken Scheufal, den Betrug,
Den id), unſchuld'gerweiſ', beförderte.
Ich Habe mitten in den großen Saal
Die Tafel ftellen laſſen. Kommt er nun,
Sp follft Du ihn zum Abendeflen Laden,
Das lebte, hof? ich doch, in diefem Leben,
Wofern Du mit Gefhidlichkeit das Pulver
Nur in den Wein der goldnen Schaale mengft.
Gulnare.
Ach, Hadſcha! gräßlich iſt doch dieſe That.
F Amme.
Und welches andre Mittel iſt zu wählen?
Sag, ſoll er Deiner Ehre Dich berauben?
Willſt Du Aladdin ſchmählich ſterben ſehn?
Und ſoll vor Gram Dein alter Vater ſterben.
Gulnare.
Nein, Hadſcha! Eher ſoll der Zaubrer fterben.
Amme.
So ift es recht! Das Unkraut reufet man
Im Garten aus, die wilden Thiere ſchießt man;
Warum fol denn der Menfh Ausnahme fein,
Der doch Verſtand und freien Willen bat.
m.
L
100 Aladdin
Sei ohne Furcht, und ſpare nicht das Pulver,
Thu's ganz hinein und ſchüttle wohl den Becher;
Denn fiehft Du wohl, damit er nicht erfahre,
Wie fid) der Wein von diefem Pulver trübt,
Hab’ id) die großen Gold-Pofale ftatt
Der ſonſt'gen Gläfer auf den Tiſch geſetzt.
Wie wird der Zaubrer ſterblich ſich verlieben,
Wenn er in diefer fhönen Tracht Did) findet.
Mein liebes Kind! Du biſt die Schönfte dod)
. Von Weibern, die ich je mit Augen fah!
Ja, meine Mil ift Dir recht wohl bekommen.
Wie zauberifch der weiße, weihe Atlas
Eid) um den ſchlanken Körper fhmiegt! Wie eng
Das Demantmieder ſchließt. Wie üppig ſchwillt
Die Seide mit den jungen Zwillingshügeln.
Mein liebes Kind! Wenn Du mit diefer Schönheit
Ein eines Gränden Zärtlichkeit verbindeft,
Wirkt Du fo fehr des Zaubrers Augen blenden,
Das er in’s Picht wie eine Müde fliegt.
(Sie gehen hinein.)
8 wa. Tone
Viele Kleider hängen an den Wänden umher.
Aladdin.
Da mid) der Zufall unvermuthet doch
Zu meinem eignen Kleiderfchrank geführt,
Bill ih dem Einfall meiner Laune folgen. —
(Er ſucht zwifchen den Kleidern.)
Hier iſt es, richtig, ja, bier iſt das Kleid,
Das mir Noureddin einit als Vetter ſchenkte
oder die Wunderlampe. ul
Das will ich anziehn. Da iſt auch der Turban;
Wie hoch verwegen, und wie voller Flitter!
(Er Eleidet fich um.)
Ic will vor ihm in diefer Tracht erfcheinen, .
Wenn aus dem Todesbecher er getrunken,
Damit er feiner Sünde fid) erinnert,
Und mwenigftens mit New’ und ohne Wuth
Das wüfte Leben endigt. Großer Allan!
Wird es gelingen? Brillenfihlangen tödtet
Der Mohr mit weniger Gefahr, als id)
Den Zauberer, ein gräßlicheres Unglüd,
Ein größ’res Unheil droht wohl nidye der Welt.
Als wenn die Lampe Sklav der Bosheit wird.
(Er betrachtet feinen Ring.)
O Ning! du bift mir noch mein einz’ger Troſt.
Wie er den Ning fo ganz vergeflen Eonnte!
Der Himmel läßt dod immer einen Ausweg
Der Unſchuld, wenn fie Schlechtigkeit verfolgt.
Wird es gelingen? — Diefen Sweifel wird
Am Teichteften der Ning mir wohl enträthfeln.
(Er flößt den Ring gegen die Wand.)
Der Geift des Ninges Cerfcheint.)
Was will mein Herr und mein Gebieter?
Aladdin.
Nichts!
Schweig, lieber Geiſt! id) wünſche nichts zu wiſſen
Der Einfall war nur thöricht, unbedachtſam.
Denn um mein Schickſal wollt' ich Dich befragen,
Du weißt ja Alles; wollte hier voraus,
Wie dieſe That ausfallen wird, erfahren:
102 Aladdin
Schweig aber, lieber Sklav! — Was ift das Leben,
Wenn es voraus nothwendig ſchon beftimmt?
Geift.
Was id) nicht felber weiß, werd’ ich nidyt fagen.
Aladdin.
Vermagſt Du Alles zu entderen nicht?
Geiſt.
Was ſchon geſchehn iſt, und was jetzt geſchieht.
Aladdin.
Sp lieſt Du nicht im großen Bud) der Zukunft?
Geift.
Ia, weil es fih im Bud) der Vorzeit ſpiegelt.
Wer gut die Saat und wer den Boden kennt,
Weiß von der Ernte immer was zu fagen.
Aladdin.
Sp rede, Lieber! Was wahrſagſt Du mir?
Geiſt.
Was unabhängig von der Zeit, vom Raume,
Darüber kann doc) felbft der klügſte Geift
Nur reden halb verblümt, und wie im Iraume.
Dann zu der Lampe Du Dein Recht beweiſ'ſt
Wenn dem fie, der unwürdig fie befellen,
Du aus den frevelhaften Händen reißft.
Und viele Feinde können fid) vermeſſen;
Um diefes Dir zu deuten, will id) heut
Erwähnen, was Du felbft vielleicht vergellen.
Die Wunderlampe wirket font zerftreut
In Eleinen Stücken nur, vertheilt im Leben,
Denn ganz befigen fie fehr wen’ge Leu.
oder die Wunderlampe.
Ihr Aeuß'res: Glück, ift Wenigen gegeben,
Ihr Innres: Geift, nur Einigen verwandt;
Vereinigt wird’s des Lebens höchſtes Streben.
Da freun fie erft, wo Eintracht fie verband,
Denn ohne Glüd ift oft der Geift verſchwunden,
Und ohne Geift ift nur das Glück ein Tand.
Daß völlig der Erwählte kann gefunden,
Muß er den Feind bekämpfen durch die Waffen,
- Dann wird der Sieg als höchſtes Wohl empfunden.
Sehr viele Seelen kranken und erfchlaffen ;
Mer nit von Gott vorzüglich auserkoren,
Der ift zur Menge feiner Zeit gefchaffen.
Doch waſchen fid) und reiben fid) die Mohren,
Und toben gegen Schickſal, Gott, und Leben,
Weil fie nicht, fo wie Iene, weiß geboren.
Im Sorne waffenlos fie fid) erheben;
Mit der Natur fie wollen in’s Gefecht,
Heil ihnen die Natur — nicht Kraft gegeben!
Eie treiben Alles wüſt, verrüdt und ſchlecht;
Zum Kern will fi die hohlſte Schale machen,
Zum Herrn, wer den Beruf erfült als Knecht.
Drum muß die Stärke nur forgfältig wachen ;
Gott hat dem Mächt'gen darum Kraft verliehn,
Das bändigen er ſoll den kranken Schwachen.
Verſchiedentlich fid) Außert ihr Bemühn:
Der Eine fordert ohne Ruh' und Raſt,
Daß Wolken ihn zur Sonne follen ziehn.
103
104 Aladdin
Der Andre, der in Sünden ſchwelgt und praßt,
Bill alle Blumen, die gen Himmel fprießen,
Herunterziehn zu fih in den Moraft.
Haft gegen diefe Zwei Dich Fühn erwicfen:
Gebändiget deg Eitlen tollen Trieb,
Der feine eigne Schatten ehrt als Rieſen;
Und ſank die Bosheit durch den Heldenhieb,
Die Scylechtigkeit, die nimmer kann gefunden,
Die nur die Tücke hat im Herzen lieb;
Hat Ieder fo durd) dich den Tod gefunden,
Dann fing’ id) dir die beften Siegeslieder,
Dann ifi der Nebel aud) ſogleich verſchwunden,
Und Dir entgegen flammt die Lampe wieder!
Berfchwindet.)
Großer Saal.
Sulnpkk: Noureddin (an der Tafel.)
Gulnare,
Nehmt hiefes Stück, mein Herr, das ift noch beffer.
Noureddin
(freundlich nach feiner Art.)
Ich bin nicht leder, reizende Gulnare!
Nach einem unter allen Stüden hab’ id)
Mid nur gefehnt: nad) Dir, mein Engelsfind!
Ich bin ein fehr erfahrner, weifer Mann,
Hab’ Alles durchgeprüft und durchgeſchaut;
Mir gab Natur den thät’gen Geift, der ſich,
Wie Morgenthau, auf alle Blumen wirft:
oder die Wunderlamse. 105
Nur Liebe hab’ ich nie zuvor gekannt;
Sie hat die Lampe mir denn aud) verichafft.
Sonft mad? ich eben mir. aus diefer Lampe
So viel nit; fie durch meinen Fleiß zu haſchen,
Sp daß id) fagen Fann: Jetzt packt' ih Did,
Trotz Deiner Gegenwehr, durd) meine Klugheit,
Dies ift fürwahr ihr herrlichſter Genuß.
Und dann, verfteht ſich, daß ich Did) gewann.
Fühl', wie mein Herz mir fhlägt; fo ſchlug es niet
Wie fonnteft Du fo ange granfam fein?
Gulnare.
Ihr wißt, es iſt nicht leicht den Schmerz zu zwingen,
Und gleich ſich an das Neue zu gewöhnen.
Noureddin.
Das weiß ih meine Königin, das weiß ich.
Ich weiß, was in der Welt man willen kann.
Zu etwas Großem hat mid) die Natur
Erſchaffen; fie verkieh mir viele Gaben,
Die zu der Weisheit höchſt nothwendig find,
Als Kind war das Gedächtniß hei mir groß,
Und dazu kam nun, daß ic, Würmer hatte;
Da mocht' id) nicht mit andern Kindern fpielen;
War mürrifh, krank; ſaß aber mittlerzeit
Und lernte Hübfh das Penſum auf dem Schemel,
Derweil die Andern draußen liefen, faben
Den Mond, die Blumen an, und balgten id)
Als ich nun groß geworden — das will fagen
Erwachſen — das will wieder jagen: als ic)
Die Kinderfhuhe ganz mir ausgetreten,
(Denn in gemeiner phyſiſcher Bedeutung
’
106 Aladdin
Bin id) nicht fonderlich empor geſchoſſen!)
Doch Du verftehft mich?
Guluare.
Ganz! Ihr ſeid von Körver
Nur klein und mager.
Noureddin.
Nun wohlan! Nachher
Da hätten ſie mich gern dazu verführt,
Den Weibern und den Mädchen nachzulaufen;
Doch dazu war ich gar zu tugendſam,
Auch fühlt' ich keinen Trieb zu ſolchen Poſſen.
Mit Burſchen nun zu ſchmauſen und zu zehren,
Das mocht' ich auch nicht; erſtlich hatt' ich keinen
Beſondern Appetit, und Wein erhitzt;
Dank dem Propheten, der ihn ſtreng verboten.
Allmählig aber reifte meine Weisheit
Sp weit nad) vielen durchgewachten Nächten,
Daß idy entdedte, wie c& eine Lampe
Hier in der Welt giebt, die mit ihren Strahlen
Die Gegenftänd’ erleuchtet und belebt,
Und ohne welde nichts zu machen ift.
Nach diefer Hab’ ich immer nun gegriffen —
Und — fie zulegt bekommen, wie Du weißt.
i Gulnare.
Ja wohl, das weiß ich.
Noureddin.
Darum will ich, Liebchen!
Mein künft'ges Leben fröhlich auch genießen.
Zuvor pflegt’ id mit Frauen wenig Umgang,
Weil Hegenftände größrer Wichtigkeit,
Mid) feflelten und meinen Geift vergnügten.
oder die Wunderlampe. 107
Stets in erhab’ner Grüdelei verfunfen,
Beſitz' ich nicht die Leichte Artigkeit.
An ſüßes Schwaßen ift nicht meine Zunge
Gewöhnt; durch vieler Jahre wache Nächte
Sind mir die Wangen nach und nach erblichen,
Schwach bin ich aber nicht. Des Abends darf ich
Doch wenig nur genießen, ſo ein Süppchen,
Das leicht nur zu verdauen iſt; mein Magen
Iſt nicht von beſter Sorte. Leute, ſiehſt Du,
Die wenig ſich bewegen, müſſen Ordnung,
Enthaltſamkeit, in allen Dingen zeigen.
Gulnare.
Wie gründlich und vernünftig.
Noureddin.
Liebes Kind!
Ich ſpreche grundlich und vernünftig nur.
Daran biſt Du wohl nicht gewöhnt bei jenem
Gemäſteten und täppiſchen Geſellen?
Gulnare.
Ei run, ein wenig Spaß kann auch erfreun.
Noureddin.
O ja! Mit Maßen aber, äußerſt ſparſam!
Ich haſſe Spaß wie allerlei Gewürz;
Denn es — erhitzt das Blut, verdirbt den Magen.
Iſt's aber eine beißende Stichelei,
Iſt's eine gift'ge Pille, die man witzig
- Dem Uebermuthe zu verfchluden giebt,
Laß id) es gelten; doc der bloße Spaß,
Der efelt mir, wie Kinderbrei dem Mann.
Gulnare.
Ihr wollt, der Spaß ſoll ernſt ſein. Ich, ein Weib,
108 Aladdin
Verſteh' mich nur auf Küchenſachen, aber
Selbit in der Küche kocht der Topf bisweilen
Ganz über, weil zu ſtark das Feuer brennt.
So könn't es auch vielleidyt dem Witze gehen.
Noureddin.
Der Witz iſt Witz, nicht Topf; der Topf iſt Tropf;
Das Ueberkochen taugt nicht!
Gulnare.
Immer darf es
Nicht überkochen! doch der Augenblick,
Muß nah ſein, ſonſt wird nicht das Eſſen gar.
Noureddin.
Mein Kind, die Welt iſt keine Küche; Eſſen
Iſt Seele nicht; das Gleichniß hinkt verflucht
Hat keinen philoſophiſchen Gehalt;
Und, daß ich von der Poeſie jetzt rede,
Wie abgeſchmackt, unedel! Ganz in der
Arabiſchen Manier, wie wohl ich merke.
Biſt eine Perſerin, und kannſt im Munde
Dergleichen pöbelhafte Bilder führen?
Gulnare.
Das Bild iſt treffend, däucht mid).
Noureddin.
Wenn ein Kerl
Mit einem Prügel mir den Rücken ſchlägt,
Dann trifft er auch. Ein Bild muß edel ſein.
Erinn're mich bei der Gelegenheit,
Daß ich bei einem Araber geleſen,
Wo ſelbſt ein Königsgeiſt zum Sohne ſpricht
„Denn id Dir Alles ſagte, würde Dir
Das Haar auf Deinem Haupt zu Berge ftehn,
oder die Wunderlampe.
So wie die Stahel eines Stachelſchweins.“
Hat denn der Kerl nidyt Löwenmähnen? Hat er
Nicht ſelbſt Syanenmahnen? Schlangenfimme?
Ich muß Dich etwas bilden, wie ic) merke.
Gulnare.
Ic werde gern mic von Euch bilden laſſen.
Ein Fleines Stud noch?
Noureddin.
Nein, mein Engelchen!
Wenn mehr ich eſſe, ſchlaf ich nicht, und ſtets
Bin ich ein großer Freund von ruh'gen Nächten.
Gulnare.
Es ift ſchon fpät. Wie dunkel ift der Himmel!
Wie voller Sterne!
Noureddin.
Jene Sterne leuchten
Des Nachts nur, Du, mein Kind, haſt aber zwei,
Die Hold des Tages wie des Nachts mir leuchten
Gulnare..
Idhr ſchmeichelt.
Noureddin.
Jedes Ding hat ſeine Zeit,
Sagt Salomo, jetzt bin ich Freier: bin
Ich erſt Dein Mann geworden, will ich auch
Nicht ſolcher Gleichniſſe mich mehr bedienen,
Die eigentlich doch eitle Thorheit ſind.
Ich ſag' es nur, damit Du hören ſollſt,
Ich könnte wohl ſo gut wie jeder andre
Dir ſchöne Sachen fagen, wenn ich wollte.
Gulnare.
Wie beißt der Stern, der da fo röfhlich —
109
110 Aladdin
Noureddin.
Ic) feh’ nicht Jänger gut mit bloßen Augen,
Das Lefen hat mir das Gefidyt verdorben.
Dod warte! Gleih will id) vas Auge waffnen.
Wo war es? Welhen Stern haft Du gemeint?
Gulnare.
Den über'm Apfelbaum, den rothen dort.
Während Noureddin durch fein Fernrohr nach dem Sterne ficht,
wirk Gulnare ältternd das Giftpulver in ihren Becher und fagt leiſe)
Bertheid’ge meine That vor Gott, o Nothwehr!
Noureddin.
Ei, ei, mein Kind, kennſt Du den Hundsſtern nicht?
Verſtehſt Du Dich denn gar nicht auf die Sterne?
Gulnare,
Es freut mich, wenn ic) fie fo blinken febe,
Als ſchön're Blumen in dem fchönern Garten;
Mit ihren Bliden wenden fie den Menſchen
Don Miffethaten ab, wozu die Nadıt
Mit ihrer Dunkelheit verführen will,
Und drohen glühend ihm, wenn er gefrevelt.
Noureddin.
D das tft Schwärmerei! Nein, was id) meinte,
Vergnügt's Did) nicht, den Namen jedes Sterns
Zu fennen, und zu willen im voraus,
Mo er des Nachts am Himmel ſcheinen wird?
Gulnare.
Das ift mir nie im Leben eingefallen
Sp haben alle diefe Sterne Namen?
Noureddin.
Die mehrften, Kind! Die mehrften, Kind! Wir baben
Nur die Milchſtraße noch zurüd, da ift
>
oder die Wunderlampe. 111
Der Liebe Gott in Konfufion gerathen.
Kommt aber Zeit, kommt Rath; man fteigt allmählig.
Gulnare.
Und diefer Stern da droben ift der Hundeftern?
e Noureddin.
Ja, Kind, und das ift mein Stern; ift der Etern,
Worunter ich geboren.
Gulnare.
N In der That?
Man fagt, die Sterne follen Einflug haben
Auf eines Menſchen Leben, ift das wahr?
Noureddift.
Ja ja! Das läßt fid) wohl nicht gänzlich leugnen.
Gulnare.
Sehr wunderbar! Was thu' ich aber hier,
Daß thöricht ich in Sachen mid) vertieft,
Wovon ich nicht das Mindeſte verſteh'!
Noureddin.
Sprich immer nur vernünftig, Kind, das macht Did)
Weit liebenswürdiger in meinen Augen,
Als Du vorher gewefen.
Gulnare.
Edler Herr!
Weil's doch jo weit mit uns gekommen, will id)
Mid, auch nicht Länger ſpröde weigern, gleich,
Nach Perfer Sitte den Verlobungsbecher
Mit Eud) zu wechfeln. Aber, licher Himmel,
Ih bin nicht Witwe, ja, mein Gatte Iebt,
Wie kann ich ihm denn meine Treue bredyen?
Moureddin.
Damit Du länger von Gewillensbiffen
112 Aladdin
Nicht Leiden ſollſt, will ih dem Geiſt befehlen
Aladdin zu enthaupten,- und den Kopf
Auf einem Silberteller ung zu bringen.
Gulnare.
Um Gottes willen nicht! Ich ſchwör' es Euch,
Ich überlebe nicht die grauſe That.
Noureddin (Cinſter)
Du liebſt ihn noch?
Gulnare.
Ach nein, das thu' ich nicht.
Noureddin
(vol eiferſüchtigen Zorns.)
Du liebſt ihn noch! Treuloſe! Ha, ſehr gut,
Daß Du mid dran erinnerſt. Ja, nun fol
Er fterben; denn fo lang er lebt, finnft Du
Auf Trug und Lift nur gegen mid).
Gulnare
(ergreift .ein Meſſer von dem Tiſch)
Bei Gott!
Ic; ſtoße mir das Mefler in die Bruft, »
Sobald Ihr nah der Lamp’ im Bufen greift.
Noureddin (hei Seite)
Sie liebt ihn, er foll fterben diefe Nacht.
Doc) fie fol leben, ich will fie beſitzen;
So räch' idy mid noch oft an jenem Wicht!
(Laui.)
Du liebſt mich denn?
Gulnare.
So heiß, daß zum Beweiſe
Id) gleich den Becher mit Euch wechſeln will.
oder die Wunderlampe. 113
Noureddin.
Nun ſprichſt Du, Liebchen, wie es ſich geziemt.
Nach diefem Wechſeltranke bift Du mein,
Noch diefe Nacht will ganz ich Dich befigen.
Gulnare.
Wirſt diefe Nacht nod) fein bei Deiner Braut,
Wenn Du den Becher leerſt.
Noureddin.
Das thu' ich gern,
Der lehte Tropfen ſoll den Bund beſiegeln.
(Er leert den Becher.)
Gulnare
¶chaut hinaus zum Himmel mit gefalteten Händen.)
Noureddin.
Was Rast Du da fo feltfam in die Luft?
Gulnare.
Der rothe Hundeftern hat fein Blut verloren,
Blinkt filberblaß, und löſcht fi in dem Nebel.
Noureddin.
Gulnare, mir wird's übel — Schmerz ergreift mich.
Gulnare.
Die bleiche a drüdt Did) an ihre Bruft.
Noureddin.
Dermag mid) nicht zu rühren; dunkel wird's
Vor meinen Augen und es brennt mir fchredlid
Das Eingeweide.
(ie Thür öffnet fü ch leife, Aladdin tritt herein, geht ihm entgeacn.
ſteht ſtill und betrachtet ihn.)
Tod und Hölle! Ha!
Aladdin?
Oehlenſ. Schriften. XI:
nn
114 Aladdin
(Er will die Lampe aus feinem Bufen nehmen, feine Hand finkt ohn-
mächtig nieder,)
Teufel, Du haft mid) vergiftet!
Aladdin
(bewegt, Doch mit Ruhe.)
Was konnt ic anders thun? D betet nad)
Zu Gott, daß er im letzten Augenblide
Euch Eure Miffethat vergeb. Ihr habt
Mid ſchwer gekränkt. Ih war ein armer Knabe,
Ich hatte nur mein junges, friſches Leben,
Sonſt nidıts in diefer großen Melt; das wolltet
Ihr tilgen, um nad) Ehr’ und Ruhm zu fteigen.
Doch beifer hat das Schickſal es gemeint;
Was Ihr mir Böfes zugedacht, hat ſich
Sum Glüd verwandelt. Hämiſch kamt Ihr aber
Zum zweiten Mal, mein Leben zu vernichten.
Bor Sram ift meine Mutter mir geftorben.
Jetzt wollt Ihr Unſchuld ſchänden, alter Sünder.
Nicht ich, die ewige Gerechtigkeit
Hat Euch erſchlagen. Betet! Sterbt mit Reue!
Noureddin.
Verdammt ſei Du, Dein Gott, die ganze Welt!
(Er firbt.)
Gulnare.
Ach Gott, er ift geftorben.
Aladdin
(nimmt die Lampe aus feinem Bufen und wirft ein ſchwarzes Tuch
über ihn.)
Und verſchwunden. —
Mein edles Weib, jetzt geh’ nur auf Dein Zimmer
Und danke Gott für feine große Gnade.
oder die Wunderlampe.
Bald ſollſt Du Deinen Vater wiederfehn.
Geh' nur zu Bett und ſchlafe ruhig ein.
Gulnare.
Jetzt Schlafen? Schlafen, mein Geliebter? Nein!
Doch beten will id) wohl die ganze Nacht,
Bis uns der helle Morgen wieder lacht.
(Sie geht.)
(Aladdin reibt die Lampe.)
Der Geift.
Mas fordert mein Gebieter?
Aladdin.
Rieſe, ſtark und groß!
Verberge diefen Leichnam in der Erde Schoß;
It das gethan, dann zeige Dich Fühn und gewandt,
Und feße den Palaft, wo fonft er immer ftand.
! Geift.
Sp ſchleunig ride id) Alles aus, was Du gewollt,
Wie Nachts ein Leichtes Feuer durch den Aether rollt.
Aladdin (vertraulich)
Du dachteſt wohl nicht, Tieber Geift, fo fchnell und bald
Befreit zu werden von des Schändlicdyen Gewalt?
Geift.
Ich denke Selten! mich erſchuf die ew'ge Macht,
115
Gleich zu vollziehn nur, was mein Herr für mich gedacht.
(Berfchwindet.)
116 Aladdin
Bierter Aufzug.
Des Sultans Schlafgemach.
Soliman schläft unter einem Thronhimmel. Der Hofnare kommt here
ein, mit einem Pflafter auf der Stirne, geht hin zu dem Bette und
fhüttelt den Sultan.
Narr.
He, Sultan, Sultan! König aller Kön'ge!
Haſt Du nicht einmal doch das Rieſenwerk
Auf Dich geladen, für das Land zu wachen?
Iſt's denn erlaubt den ganzen Vormittag
So zu verſchlafen? Schäme Dich, Du Großer!
Soliman (erwact.)
Was will der Narr?
Narr.
Er will den Klugen weden.
Soliman.
Iſt es fo ſpät?
Narr.
So ſpaͤt, daß bald es wieder
Su früh wird. Kannſt damit Dich immer tröſten.
oder die Bunderlampe.
Soliman.
Warum trägft Du das Pflafter auf der Stirne?
Narr.
Ich komme ber, Gerechtigkeit zu fudyen.
Soliman.
Mas ift begegnet?
Narr.
Mädytiger Monardy!
Du, deilen Scheitel über Kaukaſus
Emporragt; über Ararat fogar,
Der höher ift, nad) ein’gen Geographen,
Beil Noahs Arche da ſich feſt gelaufen;
Du, der den rechten Arm zum Ganges firedft,
Und Deinen linken nach dem ſchwarzen Meere;
Du, deſſen Fuß fo herrifc breit und feſt,
Auf den verborgnen Erdenſchätzen weilt;
- Du, deffen Aug’ in höchſtvertrautem Umgang
Mit Sternen Iebt: hör' Deines Dieners Klage,
Und gieb ihm Net!
Soliman.
Was ift Dir denn begegnet?
Narr.
Verdammt fein ſolche launiſche Gebäude,
Die nad) Belichen kommen und verſchwinden.
Soll man die alte Meinung jetzt verändern,
Die man von Häufern, Schlöffern, fonft gehegt?
Eind fie nicht länger feftes Eigenthum?
Mobilien nur blos? Der Henker hol's!
Das ift ja völlig gegen die Gefeße!
Soliman.
Sprich deutlich.
117
113 Aladdin
Narr.
Herr, ih bin ein armer Narr,
Doch nicht der klügſte Mann im ganzen Lande,
Du Selber nicht in gnädigſter Perſon,
Dermöchteft wohl vor ſolchem Dich zu hüten.
Soliman.
Sprid), oder fürdte meinen Zorn!
Narr.
Ich ſpreche.
Ich bin ein Vogel, Du biſt Elephant;
Ic bin ein armes Schaf, Du biſt ein Rindvieh!
So fhiebe dann die Müße von den Ohren,
Und ftreng’ die Kräfte an, daß Du's begreifft! —
Wie heute morgen ich hinaus fhazierte,
Den Körper zu bewegen, um die Seele,
Bei'm Sonnenaufgang zu erquicken; während
Der rothe Kuchen in dem gelben Scheine
Viel Aehnlichkeit mit Deinem Blute hatte,
Als geftern Du Did) der Gelundheit wegen
Zu Ader ließeſt.
Soliman.
Güt'ger Gott im Himmel!
Wie macht der Kerl Vergleichungen. —
Narr.
Es iſt
Die Quinteſſenz von aller Schmeichelei!
Ein Andrer würde kümmerlich Dein Blut
Nur mit der Sonne Herrlichkeit vergleichen;
Doch hat mir das zu wenig zu bedeuten,
Ich muß die Sonne mit dem Blut vergleichen.
oder die WBunderlampe.
Soliman.
Epridy, oder ich vergleiche fie mit Deinem.
Narr.
Nun weißt Du wohl aus der Naturgefhichte,
Die Augen werden blind, wenn man zu lange
Starr in die Sonne blidt; wie alfo ich
Mich über diefe fchöne, blanke Kugel
echt ſehr gefreut, und tief daran gedacht,
Wie Alles in der Welt zufammenhänge;
So fang’ id) an zu Jaufen voller Freude,
Weil's Univerfum fi) fo hübſch beſcheiden
Kalfatern ließ, ohn' etwas einzuwenden.
Ic) Taufe zu in voller Karriere!
Und auf dem großen Plate war, das wußr id,
Auch nichts, was meinem Flug im Wege ftand!
Doc) diefe Meinung fam mir theu'r zu ſtehn;
Denn eh’ id) mid) nod) recht befinnen Eonnte,
Lief ih mir eine folde Beule, Herr,
Grad’ in die Stirn, daß wenn ein Grieche mir
Begegnet, glaubt er, ich fei Jupiter
Und daß mein Kopf mit Pallas ſchwanger fei.
—Soliman.
Woran haft Du Did) denn geſtoßen?
Narr.
Nun,
Woran denn fonft, als an dem tollen Schloſſe,
Das Keinen fragt, ob's kommen — gehen darf,
In Allem nur der eignen Paune folgt?
: Spoliman.
Aladdins Schloß? D Himmel, meine Tochter!
Iſt fie.aud) da?
119
120 Aladdin
Narr.
Das weiß ich nicht, denn, Herr,
An ihr bab’ ich mid, leider nicht geftoßen.
Doch diefe Rolle Vergament hat mir
Der Pförtner mit an Dich gegeben, Sultan!
Soliman.
Ptes, lieber Narr! Lies laut und ohne Boilen.
Narr (ieſt)
Ihm Gott allein Preis!
„Das Land des Königs der Könige, die kaiſerliche Herr:
ihaft und das Reich, wie es über alle andere erhaben ift,
laſſe Gott es ewig blühen.“
Id) ſchwöre Dir, ich made Feine Pollen,
Es ſteht mit Schwarz auf Weiß im Brief gefchrieben.
Soliman.
Nun, das iſt auch recht ſinnreich und vernünftig;
So fangen alle meine Briefe an.
Nur weiter! Dieſes iſt Einleitung nur!
Narr die.)
„Der Geringfte Eurer Unterthanen, gering wie ein in
der Luft fliegender Flocken, Aladdin, Muftapha’s Sohn,
verkündet feinem in hohem Grade hohen Herrn, groß wie
Salomon, dem Schatten des Allmächtigen, dem Statthalter
des Barmberzigen, dem Dffenbarer der Wohlthaten, dem
Herrn der Erde Soliman, Perfiens Sultan!“
(Er trocknet fich den Schweiß von der Stirn.)
Der Henker hole diefen Kanzelleiftyl!
Der Mann fprict ſonſt natürlid und geſcheidt.
oder die Bunderlampe. 121
; Soliman.
Das muß fo fein, das fordert meine Hoheit.
Ein jeder darf nit, mir nichts Dir nichts, fo
Mir ſchwatzen auf den Leib hinein, wie Du.
Doch weiter! Alles ift Einleitung noch.
Narr tief.)
„Wie die Gnade des eivigen Gottes unbegreiflid von
Eurem freuen Diener fam und wid, ift fie auch wieder er»
ſchienen. Der Palaft vor Euern Augen auf dem alten Ort
mag genugfam als Beweis dienen. Sobald Euer Sflav,
dem Eure Gnade und Güte die eigne Tochter als Gemah—
lin verlieh, mit ihr von einer Pilgerfchaft nad) Mekka zus
rüfgefommen, und fie den Staub der Seele, welder fid)
auf der Neife des Lebens angeklebt, abgefhüttelt haben,
wird er mit erleichtertem Herzen ſich Eud) zu Füßen wer:
fen, und die Tochter in die Arme ihres Vaters zurüde
bringen.
Der Stern der Statthalterfhaft und der Herrlichkeit
erleudyte Euch immer mit feinem Schein und lichtem Glanze.“
Soliman.
Wie! Iſt es wahr? Steht's Alles ſo im Briefe?
—Narr.
Glaubſt Du, daß ich dergleichen dichten kann?
Soliman.
O hilf mir denn ſchnell aus dem Bette heraus,
Und laß mid) fehn, ob es ſich fo verhält.
Narr.
Du ſiehſt das Pflaſter an der Stirne ja!
Soliman.
Es koſtet Dir Dein Leben, zauderſt Du!
122 Aladdin
Narr.
Und zaudr' ich nicht, fo Eoftet es mir auch
Mein Narrenleben. Was ift bier zu thun?
Soliman.
Mir aus dem Bette fchleunig follft Du helfen.
Narr.
So komm denn, alter Herr, und laß Dir Helfen,
Wirſt froden bald und fteif. Da ift der Mantel!
Willſt Du die Krone ftatt der Mütze tragen?
Die Kronen find gewöhnlich weich gefüttert,
In ihnen läßt fid) auch gemächlich fchlafen.
Wo hat fid) denn Dein Zepter hinverirrt? —
Iſt in den Nachttopf unter’s Bett gefallen.
Gott ftrafe mih! Ganz naß! — Hat nichts zu fagen:
Es iſt von Gold gemacht, es roftet nit.
Soliman.
O Gott, Sulnare, meine liebe Tochter!
(ab; der Nare folgt.)
Gin andres - Zimmer.
Der Narr, von den Hoflenten umeingt.
Einer.
Ah Gott, Herr Narr! ift es denn wirklid wahr?
Iſt wieder der Palaſt zurüdgefommen?
Narr.
Das feht Ihr ja!
Der Vorige.
Ach ja, ich ſeh' es wohl,
Wer aber darf jebt feinen Augen glauben?
Narr.
Wollt Ihr denn Lieber Andrer Augen glauben?
oder die Wunderlampe. 123
» Der Borige.
Dier Augen Sehen mehr als zwei.
Narr,
So geht!
Fragt eine Spinne, die hat adıt. \
Ein Andrer (Eommt.)
Ad Himmel!
Herr Narr, Herr Narr! Das ift ja ganz erſtaunlich —
Iſt alles wieder da? Was foll man denken?
Narr.
Man foll anftandig, man foll ruhig fein;
Man foll die Sadyen nicht begreifen wollen,
Die man nun einmal nicht begreift; man foll
Das kaiſerliche Schloß nicht mit Gefchrei
Und albernem Gefhwäg erfüllen, wie
Ein Hospital der alten Plauderſchweſtern.
Man foll nad) feinem Zimmer ſich begeben,
Sell männlid fein und guter Hoffnung fein,
Hofmann.
‚ Wie fann man männlid) guter Hoffnung fein?
Narr.
Das geb’ id) Eurer Weisheit zu bedenken.
(Sie gehen ab.)
Ein alter Hofdiener kommt.)
Mein Freund, haft Dws gefehn?
Narr.
Und mid) gefreut,
j Der Alte.
Aladdin ift ein Glückskind, und verdient's,
Wie glühend ift nicht die Natur in ihm.
124 Aladdin
Mit Manneskraft die Kindlichkeit gepaart,
Und Tapferkeit und Stolz mit Güt’ und Liebe.
Narr.
Wie traurig war ich nicht nady feinem Unglück! -
Da ward mir meine Rolle leicht; denn Unglück,
Serftörung, Sturm und Noth macht immer wißig,
Drum ift der Teufel auch der Witzigſte.
Tod) gaukl' ich gern aus frohem Uebermuthe;
Bald aber fällt mir meine Nolle läſtig
Wenn alles thät'ge Kraft und Freude wird.
Denn gar zu ſchwach und blöde wird der Eultan;
Wir’ er nod) higig, könnte wenigftens
Mein Spaß, mein Wagen oft ein Schild nod) fein,
Um Härt', um Uebereilung zu verhindern.
Das ift er aber nicht; und was id) fage,
Verſteht er nicht. Iſt erit Aladdin da,
Will ih der Narr nicht fein, fein Narr zu fein.
Der Alte.
Die Rolle wird zuleßt dody immer Läftig,
Man kann nidyt immer launig fein; und nüchtern
Iſt nur der Narr ein armes Ding, befonders
Menn er zum Poſſenreißer nicht geboren;
Wenn Stolz er hat, und edeles Gefühl,
Wie Du. Zum Gaufler kann fi) das Genie
Für ein’ge Seit herunterlaffen, aber
Es ekelt bald dem Adler in dem Moore,
Er fühlt der Flügel Kraft, und fhwingt fid) fort.
Narr.
Da baft Du wohl ein wahres Wort gefprocden.
(Sie gehen ab.)
oder die Wunderlampe. 125
2 a —.
Großer Plag, im Hintergrunde die Mofchee. Ein unzähliger Haufen
Pilger, Derwifche, Abdallen und Kalender; vorne Aladdin und Guls
nare in Pilgerkleidern, mit Stäben in den Hänven.
Gulnare.
Wie viele Leute find doch hier verfammelt.
Aladdin,
Und Alle, meine Theure! find fie da,
Sid) zu erbauen; nit aus Eigenliche,
Nicht aus Gewinnſucht. Weltgeift, Menſchlichkeit
Hat ſie gerufen. Iſt es nicht erbaulich,
So in Vereinigung Gott anzubeten?
Gulnare.
O herrlich, herrlich! Der Gemeinde Stimme
Staͤrkt Herz und Geiſt. Da fühlt man ſich ein” Glied
Des ew'gen Ganzen, fromm im vollen Chore.
Aladdin.
Das Leben fordert Sonn- und Werkeltage,
Wer, ohne Feſt, nur hin die Tage ſchlendert,
Iſt ein gemeiner Menſch und blüht nicht ſelbſt.
Gulnare.
Mein Freund! Ach, ſiehſt Du dort den jungen Mann,
Als Pilger nicht gekleidet, nicht als Derwiſch,
Und auch nicht als Abdalla, noch Kalender!
Aladdin.
Wo, liebe Frau?
Gulnare.
Ei, ſiehſt Du ihn denn nicht?
Dort, in dem weißen Unterkleid; ganz offen
Am Halſ', und mit den breiten, weiten Aermeln;
Den RoE dagegen trägt er ohne Aermel;
126 Aladdin
Statt Turbans hat er eine hohe Mütze,
Und eine Taſche um den Leib gegürtet,
Drin fteden Bücher, Dintenfaß, Papier;
Und flatternd fchlingt ein buntes Blumentuch
Sid) un den linken Arm, die rehte Schulter.
Aladdin,
Ich ſeh' ihn; es ift ein arab'ſcher Dichter.
Gulnare.
Er feßt ſich Hin; man bringt ein Saitenfpiel.
Aladdin.
O komm! Wir wollen audy das Lied vernehmen.
Wer liebt die wunderſchöne Dichtkunſt nicht?
Der Felfen äußert felbft im Wiederhall,
Wie lieh ihm der Gefang ift. Nofen öffnen
Sid) bei dem fügen Ton der Nadytigall,
Leicht Hüpft durch's Thal ermuntert das Kameel,
Sobald des Führers Zauberflöte Elingt;
Und follte der vernünftige Menſch fi) nicht
Erfreuen bei der Poeſie? Mein Gott!
Dann wär’ er härter als der harte Stein!
Der Sänger
(greift in Die Saiten, die Menge fließt einen weiten Kreis um ihn.
Wenn Alles ruhig, erhebt er feine Stimme :)
Ihr großen Haufen! Fromme Pilgerfdyaaren!
Für Euch des Sängers Harfe laut erbebt:
Gern will idy fingend Jedem offenbaren
Die alte Sage, die mein Herz erhebt.
Die Sünden filgend, die ibm peinlich waren,
Iſt Ieder kindlich wieder neu belebt;
‚Beim heil'gen Stein, des Patriarden Stempel
Bei des Propheten hochgewölbtem Tempel.
oder die Wunderlampe.
Was in der Welt geſchehen, bald verſchwindet,
Die größte That wird in der Ferne Klein;
Nur kurz die fromme Kunde Rettung findet
In alten Büdyern, auf dem morfchen Stein;
Daß nicht Bertilgung gänzlid) überwindet,
Will oft die Sage wiederholet fein;
Um Leben nun felbft in den Tod zu bringen,
Erſchuf den Sänger Gott, und lieg ihn fingen.
Abrabam, Aſſars Sohn, in alten Zeiten
Verließ die Ebnen in Aegypti Land;
Die treue Sara wollt’ ihn gern begleiten,
Sie zogen muthig durch Arabiens Sand.
Sie wurden Ararat gewahr von weiten,
Da bald der Fürft fid) eine Wohnung, fand;
Er ſah den Sohn des Landes, ftolz, vermeilen,
Und lernte bald den Sklav des Nils vergeffen.
Dod) als ihn Sara konnte mehr nicht Taben,
Als längft die ſchöne Jugend war dahin,
Ging Abraham und zeugte einen Knaben
Mit einer blühenden Araberin.
Doch Hagar mußte größte Vorſicht haben,
Denn fie war Sara’s eigne Dienerin.
Und da ſich Alles gegen fie vereinte,
Da ging fie in die Wüſt' hinaus und meinte.
Geängftigt von Gedanken, tief im Lande
Sucht Abraham, und feine Stimm’ erfcholl.
Da fand er die Gelichte fern im Sande
Mit einem Knäblein bei dem Bufen voll.
Sie fehnte fid) bei einer Duelle Rande
127
128 Aladdin
Nach Waſſer, welches gar zu mächtig quoll;
Das durch den Druck des Kindes Fuß gezwungen
Zu ſpringen ward, wo es noch nie geſprungen.
Daß Hagar könne jetzt die Flut genießen,
Die wild und ſchäumend aus der Erde ſprang,
Ließ Abraham durch Sand das Waſſer fließen
In rieſelndem und ſanftem Wellengang.
Drauf gänzlich alle Sorgen ſie verließen;
Sie dankten Gott mit hohem Lobgeſang,
Und tauchten drauf das Kindlein in den Quell,
Und nannten es mit Namen Ismael,
Ismaeliten, darum Iodt im Raum,
Im öden Naum, die Wüſt' Eud fo Defannt;
Was felbit ein Blümelein gewähret kaum,
Nennt doch der Neiter ftolz fein Vaterland;
Durch's Laub in jedem einzeln’ Eederbaum
Des Ahnherrn Name wird vom Wind genannt,
Erſtaunt ihn einen Held die Nachwelt heißt,
Und braufend durd) die Wüften brennt fein Geift.
Nach Ismaels Geburt ſich freundlidy nahte
Im Traum dem Patriarchen Gabriel.
Er ſprach: Did) hat erforen Allahs Gnade,
Ein Haus ihm zu erbaun am fernen Quell,
Der herberufen diente gleich zum Bade,
Dem Erftlingskind, dem Eleinen Ismacl.
Da baue kühn Du die gewölbten Hallen,
Da laß den Stier in feinem Blute fallen.
Als Abraham nun Enieend niederfiel
Und fragte: Wie fol id) ein Haus erbauen,
oder die Wunderlampe. 129
Wo ewig tobt ein wildes Sandgewühl,
Und wo kein Stein und Felfen ift zu fhaun?
Da ſenkte Gabriel den Lilienftiel
Und fagte: Freund, Du folft das Haus erbauen
- Auf Deinen Glauben; der darf nie vergehen;
Dann wird das Haus auf einem Felfen_ftehen.
Und glei) vom Gipfel Ararats da droben
(Wo Ihr gebetet auf des Herren Gebot)
Löſt plötzlich fi, wie durch ein Donnertoben,
Der weiße Marmorbiod, im Morgenroth.
Und hurtig wurde das Geftein geſchoben
In's Thal herunter; da verfchwand die Noth,
Da nahm der Patriarh den Marmor Elar
Und baute Gott den heiligen Altar.
Doch als ein großer Stein zurückgeblieben,
Sehr fein, doch ſchwarz, nicht wie die andern weiß.
Da feufzt er trauernd: Ich allein im Trüben
Darf mid) erheben nicht zu Allahs Preis,
Den frommen Stein that Gott im Himmel lieben;
Da trat auf feinen Wink der heil'ge Greis
Ein Zeichen in den Stein mit beiden Füßen,
Das noch mit Inbrunſt Fromme Pilger küſſen.
Und — o wie wunderbar, von Gott erkoren,
Trifft fi) das Gute ſtets im Erdenreich!
Wo Ismael vor grauer Zeit geboren,
Ward der Prophet geboren auch zugleich.
Das alte Haus, gebrechlich, faſt verloren,
Mit Schutt bededt, bewachſen mit Geſträuch,
Dehlenf. Schriften. XL. 9
130 Aladdin
Das hebt fid) wieder, das verſchwindet nimmer,
Denn Mahoms Tempel tragen feine Trümmer.
D tretet wieder in das Haus hinein!
Mit frommen Liedern und mit Yalmenzweigen!
Dann, Gabriel, im morgenrothen Schein
Wirſt in den Tempel du vom Himmel fteigen,
Wenn alle brüderlich wir im Verein
Dem Himmel können unfre Liebe zeigen.
Folgt, Ismaeliten. Wo die Fahne weht!
Ein Gott nur ift, und Mahom fein Prophet.
(Er flieht auf und geht in den Tempel hinein; die verfammtelten
Schaaren wiederholen mit lauter Stimme die legte Zeile des Gefan-
ges und folgen.)
. Underer Drt in Mekka.
Hindbad und Fatime, eine alte Frau, in Pilgertracht.
Hindhad.
Gott grüße Dich!
Fatime.
Dich auch, Du frommer Pilger!
Hindbad,
Fromm kann icdy mich nicht nennen, heil'ge Frau,
Wenn ich in Deiner Nähe ftche.
Fatime.
Gott
Iſt heilig, Freund, und der Prophet ift Heilig;
Ich bin ein fündenhaft, gebrechlich Weib.
Hindbad.
Du bift mir wohl bekannt. Der Frommen Ruhm
oder die Wunderlampe.
Verbreitet, wie der Sonnenfdein, fid) weit,
Und Iodt den Sohn der Naht hieher, damit
Er an dem warmen Lichte fi) erauide,
ga Fatime.
Wo biſt Du her?
Hindbad.
Ic bin aus Afrika.
Doch haben gleid) der Nil, das rothe Meer
Und die arab’ihen Wüften ung getrennt,
Dein Nam’ ift doch zu meinem Ohr gedrungen.
Fatime.
Dafür muß ich allein dem Zufall danken.
Hindbad.
Du wohnſt in Perſien?
Fatime.
Ja, Wandersmann!
Bei Iſpahan, in einem großen Walde,
Da haben gute Bauern eine Hütte
Mir aufgebaut.
Hindbad.
Und ſie beſuchen Dich
In Deiner Einſamkeit, aus Deinen Reden
Erbauung ſich zu holen, Kraft und Troſt.
Man ſagt ſogar, es habe der Prophet
Die Gabe Dir verliehen, kranke Leute
Zu heilen, wenn Du nur mit Deiner Hand
Das ſchwere Haupt des Leidenden berührſt.
Fatime.
Was die Natur vermag, iſt nie ergründet,
Noch weniger des Ew'gen Vatergüte.
131
132 Aladdin
Ic bin ein armes Weib; doch fürde ich Gott.
Ihm zu gefallen ftrebt mein ganzes Leben.
Henn lange fih der Menſch im wüften Taumel
Der Leidenschaften fortgewälzt,. befommt
Das Irdiſche zuleßt die Oberhand;
Das Haupt, das fid) gen Himmel richten follte,
Sinkt fhlaff, von Sünden ſchwer, und ohne Muth.
Menn nun, gewarnt von des Gewillens Stimme,
Der Menfd) zum Guten reuig wiederkehrt,
Dann kann wohl eine menſchenfreundliche
Unſchuld'ge Hand ihm feine Nunzeln glätten,
Den Geift durd treuen Händedrud erleichtern.
Hindbar.
Its wahr, daß Fürft Aladdin, feine Frau,
In Mekka diefes Jahr als Pilger find?
’ Fatime.
Noch geſtern war er hier mit der Gemahlin,
Doch heute Morgen früh iſt er ſchon wieder
Mit einer Karavane weggereiſt.
Hindbad
(mit ſichtbarer Unzufriedenheit.)
Iſt er ſchon weg?
Fatime.
Wie kann das Dich verdriegen?
Hindbad (fast ſich)
Id bin aus Afrika, wie Du gehört,
Ich wollt ihn ſprechen, hatte Bielerlei
Geſchäfte mit ihm abzumachen! Ich
Bin Kaufmann, habe Geld von ihm zu fordern,
Nun ift er wieder weg, von Berfien
Nach Mekka, weißt Du, gebt ein langer Weg.
oder die Wunderlampe.
Fatime.
Mein Freund, Du follteft licher Allah danken
Für dieſen Wink; denn des Propheten Stadt
Iſt ein Vereinungsort nur frommer Pilger;
Kein Khan, mein Lieber, Feine Kaufmannsbörſe.
Sindbad.
Da haſt Du wieder Recht, vergieb mir, Alte!
Ja, ſo vermag die Eitelkeit der Welt
Uns zu bezwingen, ſelbſt wo wir nicht wollen.
Ich danke Dir, Du haft mid) gleich befehrt.
Mit Gottesfurdt will ich die Zeit abwarten,
Und mit der nächſten Karavane geh’ ic)
Nach TERN: Wir ziehm vielleidyt zufammen?
Fatime.
Nein, id) geh' nicht mit der Karavane.
Id wandle langfam fort auf meinem Fuß,
Das ift fo meine Grille. Diefe Reife
Mady’ ic) fehr oft, und fie befommt mir wohl.
Es ahnt mir doch, daß dies die letzte wird.
Sieh” Du in Frieden mit der Karavane,
Ih gehe morgen früh ſchon wieder fort.
Doch, kommſt Du einft nad) Perfien, und willft
In meiner Kleinen Hütte mid) beſuchen,
Dann wirft Du mid) in meinem Walde finden,
Wo ich mit Mild) und Frucht Dich Iaben kann.
Hindbad.
Ich danke Dir und wünſche Dir viel Glück!
Fatime.
Die Pilgerfahrt nach Gott iſt immer glücklich.
(Sie ſcheiden.)
133
134 Aladdin
Arabiſche Wüſte.
Nacht; nichts als Sand und Luft; der Mond mitten am Himmel.
Karavane
Gicht langſam vorbei, fingend.)
Durd) des Tages Hibe, durd der Wüfte Sand,
Ziehn wir freudig wieder nad) dem Vaterland,
Bringen einen feltnen Schab: Zufriedenheit,
Zuverfiht im Herzen, heitre Frömmigkeit.
Allah, leite Deine treue Pilgerſchaar!
Stärke das Kameel, zeig’ eine Quelle Klar.
Labend fällt der Thau, es ſchwand der Tag fo ſchwül;
Mo das Maulthier tritt, ift jet der Boden kühl.
Alles Sand und Himmel! Wunderſchöne Nadıt!
Klar des Mondes Sichel aus der Ferne ladıt.
Ach, wie felig ftrahlet durdy) den kühlen Thau
Des Propheten Zeichen uns vom heil'gen Blau!
Muthig immer weiter, immer luftig fort!
Mahoms Mond geleitet zum erwünfdten Drr.
GZieht weiter.)
Wilder Wald in Perfien.
Nacht. Im Vordergrunde ein Steinhaufen , im Hintergrunde
Fatimes Hütte.
Hindbad.
Verdammt, wo find’ ich die elende Hütte?
Dielleiht bin ich fie fon vorbei gegangen;
Wer unterfcheidet wohl ein Neft von Zweigen,
Mit Moos bededt, vom übrigen Gefträudy?
Ich bin den halben Wald faft durdgelaufen,
oder die Bunderlampe. 135
Allmälig ift es Naht geworden. Hier
Muß es doch fein, nad) Allem, was id) hörte,
Wie müde bin ih! Sich’, da fteht ein Steinhaufl
Da will id ruhn.
(Er fegt fich.)
Die Lampe muß ich haben.
Das alte Weib ift fehr berühmt; Gulnare
Hat fid) nad) ihrer Freundfchaft lang' gefehnt-
Id made mir die gute Frau verbunden,
Ih will ihr Famulus, Difcipel werden;
- Auf diefe Art foll mir die Frömmigkeit
Den Eingang in das Wunderſchloß verfhaffen.
So krieg' ich bald die Lamp’ und räche gleich
Des Bruders Tod. Das ift ja recht und billig.
Weswegen liegen wohl die Steine hier?
Vorſätzlich ſcheinen fie gehäuft zu fein.
Ein großes Stück fteht aufrecht in der Mitte;
Es find ja Wort' in diefen Stein gehauen!
Ei, fhhade, daß der Mond von Wolfen ganz
Bedeckt iſt; möchte gern das Verschen lefen.
(Der Mond tritt hervor, die Eulen Frächzen tief im Walde, und
er lieft;)
„Es fault Noureddins Körper bier;
Er fiel durd) eigne Mordbegier,
War feiner eignen Bosheit Spiel;
Hier fand er feiner Bosheit Ziel.“
(Er fpringt erichrocken zurück und flarrt lange den Steinhaufen an.)
Wie? Saf id da auf meines Bruders Grabe?
Sein Grab! Und fol ic feinen Tod nicht rächen?
Dies war ein Sporn und Feine Warnung! Nein!
(Er fieht fich um und entdeckt plöglich Fatimes Hütte.)
Steht nicht die Hütte da? Ganz in der Nähe!
136 Aladdin
Der Zauber blendet nit die Augen mehr.
Hinein! Und müßte felbft das alte Weib
Erliegeg, fie foll mir behilflich fein.
(Er will hineingehen. Ein blaffer Mann in bluteothen Kleidern ſteht
vor der Thür und verfperrt ihm den Eintritt.)
Hindbar.
Ha, wer bit Du?
Geſpenſt
(mit hohler Stimme.)
Zurück, zurück, zurück!
Hindbad.
Wer biſt Du, der Du kühn den Weg mir ſperrſt?
Wer biſt Du? rede!
Gefpenft.
Deines Bruders Geift.
Hindbad.
Noureddin Du?
Gefpenft.
Sein Geift. Dort fault mein Körper
(Es zeigt auf den Steinhaufen,)
Hindbad.
Warum bift Du fo fharladhroth gekleidet?
Gefpenft Cieufst.)
Ach, Hindbad!
Hindbad.
Warum ſeufzeſt Du? Was loderſt
Du glühend blutig, gräßlich in der Nacht?
Geſpenſt.
Ach, ach!
Hindbad.
Antworte mir.
oder din Wunderlampe, 137
Geſpenſt.
Ach, ach!
Sindbad
ers Antworte!
Geſpenſt.
Das Rothe — das hier brennt — ſo ungeheuer!
It —
Hindbar.
gun, was iſt es?
Geſpenſt.
Es iſt Höllenfeuer!
(E3 verſchwindet. Hindbad ſinkt betäubt hin auf den Steinhaufen.
Da er wieder zu ſich kommt, ſieht er ſich um, und entdeckt einen
alten ehrbaren Mann, ſich zur Seite, im ſchwarzen Rock, mit kurzer
Tabackspfeife, die ſehr ſtark Dampft.)
Hindbad (ſpringt auf.)
Biſt wieder da? Jetzt eine ſchwarze Kohle?
Biſt Du ſchon ausgebrannt?
Der Alte
ae fanfter, freundlicher Stimme.)
Mein lieber Herr!
Was bat doch diefes Tafeln zu bedeuten?
Id) ging vorbei; bier wohn? ich in der Nähe,
Da hört ich Euch laut mit Eud) felber ſprechen,
Im Fiebertraume; fpradyt von einer Lampe,
Die Wunder mahen Eönnte, die man Euch
Entwendet hatte, die Ihr haben wolltet.
Ihr glaubtet einen Geift zu fehn und fieler
Zulegt entkräftet hin auf diefe Steine.
Ihr Kommt von einer Reiſe!
Hindbar.
Ia, das thu' ic.
138 Aladdin
Greis.
Da trifft es oft, daß ſich die Lebensgeiſter
Verwirren. Aber wieder Muth gefaßt!
Ihr fcheint nicht ſchwach zu fein, vielmehr gefund,
Und feid gewiß ein ftarfer Geift, wenn nicht
Euch Krankheit ſchwächt, davon bin id) verſichert.
Hindbad.
Ihr habt Euch nicht geirrt. Ich träume felten,
Bin abergläubifhy nicht — und fehe fonft
Nicht Geifter. Aber jegt! da fand er, da!
Greis (lächelnd.)
Er ftand in Eurem Kopf nur, lieber Herr!
Id) ging vorbei; wenn etwas da geftanden,
Dann müßt ich es wohl auch gefehen haben!
Hindbad,
Ihr fahet nichts?
Greis,
Ic fah’ nur Eudy allein:
Ein irr'nder Pilger, mit den Bäumen ſprechend.
Hindbad.
Bei Gott, id glaub’ es aud), es war ein Traum.
Greis Cunrupig.)
Ihr follt nicht Ihyworen! Nennt nicht diefen Namen.
Ich mag's nit hören. Uebrigens feid ruhig!
Daß Ihr die Lampe wieder haben wollt,
Find’ ich ganz billig, fie ift Euer Erbtheil.
Ic habe allerlei von ihr gehört,
Ich weiß au, dag Aladdin oft fie mißbraucht;
Mir leiden AU in diefem Reich darunter.
Es würde fehr mid) freuen, wenn Ihr ihm
- Die Flügel lähmen könntet,
oder die WRunderlampe, 139
Hindbad.
Aber wie?
Greis.
Das iſt die Frage! Denn der ganze Plan
(Bovon ich eben Euch fo ſprechen hörte)
Gefällt mir nit. Sie ift ein Fluges Weib,
Und könnte leicht entdeden, lieber Herr,
Trotz aller Lift, was Ihr im Schilde führt.
Das Scheint mir gar zu langfam, zu gewagt.
5 Hindbad..
Was thätet Ihr an meiner Stelle? -
Greis.
i Lieber
Wolle ih das alte Weib ganz felbit agiren;
Fatime felber fein.
Hindbar.
Wie das?
Greis.
Ich weiß,
Daß die Prinzeffin fie zu ſprechen wünfdt;
Doch bat fie nimmer nody das Weib gefehn;
Das Volk auch nicht fo eigentlich; fie hüllt
Sich immer in den diden Regenſchleier.
Wenn ih an Eurer Stelle wär’, idy wollte
Sehr bald mir Eingang in das Schloß verfhaffen.
- Hindbad,.
Wie jo?
Greis.
Ihr Scheint in den Geberden viel
Geſchmeidigkeit zu haben, feid gewiß
Ein Meifter, Herr, in der BVerftellungskunft.
140 Aladdin
Ä Hindbad. ⸗
Wenn auch?
Greis.
Ei nun, mein Herr, ſo müßt Ihr ſelbſt
Fatime ſpielen.
Hindbad.
Und die wirkliche?
Greis.
Die wirkliche — iſt alt — und lebensſatt!
Ich hoffe nicht, daß Euch der Tabacksrauch
Zu ſehr inkommodire? Lieber Herr,
Ich bin ein ftarfer Raucher.
Hindbad,
Raucht nur fort!
Der reis
(raucht ftark und blaft bisweilen das Feuer aus der Pfeife.)
Nun, fie ift alt und wartet auf den Tod.
Der Tod kommt langfam erft mit Qual und Schmerz.
Ihr könntet Eud) verdient noch um fie machen,
Wenn Ihr dem Schmerz zuvorfommt, und den Wunic,
Den längſt gehegten, bald befriedigt.
Hindbad.
| Alter,
Ihr rathet mir, die alte Frau zu Morden?
Der Greis
(raucht immer ftärker.)
Was morden? Lieber, ich bin gar fein Freund
Bon ſolchen übertriebnen Nedensarten.
Ihr macht dem langen Sehnen nur ein Ende,
Das ift das Ganze! Weiter ift es nichts!
Thut, was zu thun it, ohne langes Zaudern!
oder die Wunderlamge. 141
Dort ſchläft die alte Fran. Braucht Euren Dold,
Legt ihren Rock an und begrabt fie hurtig.
Dann müßt Ihr Predigten glei morgen halten
Fürs Volk, das herkommt; dann feid Ihr Fatime,
Und werdet als Fatime bald hinauf
Gerufen aud zu der Prinzeffin werden.
Dann könnt Ihr leicht die Lampe finden und
Stüdfelig fein. Lebt wohl. Wir fehn uns wieder!
(Er geht in den Wald hinein.)
Hindbad
(nach einer langen Paufe, worin er dem Greis mit den Augen
gefolgt.)
Das war der Teufel ſelbſt, wenn ich nicht irre!
(Er lehnt ſich an einen Baum und hält die Hände vor den Kopf.)
Ic habe dort im Khan zu viel getrunken,
Das ift die ganze Sache! Geift und Teufel
Sind ja Geburten nur von Blut und Wein;
Was aber mir der alte Mann gefagt,
Das find Gedanken meiner eignen Klugheit.
Will keine Memme fein!
(Er geht hin.)
Hier ift die Hütte!
Die morſche Thüre Halb. nur angelehnt.
Ob fie wohl ſchläft? Sie fingt, das will id) hören.
(Gefang aus der Hütte.)
Es leuchtet dur den Wald
Der Mond da droben;
Des Vögleins Stimm’ erihall,
Um Gott zu loben.
Recht wie ein feufzend Ah
Tönt es von Weiten,
142 Aladdin
Und freundlich greift der Ba ”
In feine Saiten.
Nur ein’ Blum’ im Wald
. Sich welk entfaltet;
Gehört dem Tode bald,
Das Herz erkaltet.
Dort aber welken nidt
Die Blumenkränze,
Bor Gottes Angeſicht,
Im em’gen Penze!
D bleiches Mondenlicht!
Bald wird Dein Strahlen
Mein bleiheres Geſicht
Im Tode malen;
Anlädyle dann den Tod,
Daß er nit quäle;
Dann kommt das Morgenrotb
Und nimmt die Seele.
Das falbe Blümlein neigi
Sid, auf dem Stengel;
Bethau' es kühl und leicht,
Du Todesengel!
O komm’, id fühle nicht
Die legte Wunde;
Dort ftrablt ein ew'ges Licht,
Dort idy gefunde!
Hindbad.
Sie ſchlaft. Wohlant fie fagt ja felber, dag
oder die Wunderlampe. 143
Sie werde nicht die letzte Wunde fühlen.
Sie wünfht den Tod; der Wunſch fei ihr gewährt.
(Er geht hinein.)
Die Hütte
Fatime fchlafend auf ihrem Lager. Hindbad triti herein.
Hindbar.
Wohl, dag der Mond Mar in die Hütte fheint!
Da liegt fie ſchlafend auf dem trodnen Laube,
Dom alten Mantel ſparſam eingehüllt.
Sie fhläft und faltet feſt die bleihen Hände.
Schlimm, daß fie in den Kleidern liegt; ib muß
Sie wecken erft, um nicht den Rod mit Blut
Zu färben, den nachher ich brauchen foll.
(Er fest ihe den Dolch auf die Bruft und zuft:)
Batim’, erwacht!
Fatime.
O Himmel, wer ift da?
Bift Du ein Räuber? Sag’, was willft Du hier
In meiner armen Hütte? Hier ift nichts.
Was Deine Raubſucht fätt'gen könnte O
Erbarm' Did einer alten Frau, und blafe
Das Licht nicht aus, das bald fidy felber Löfcht.
Hindbad.
Steh' auf!
Ö Fatime.
O Allah! — Pilger — warum Eommft
In dunkler Nacht mit diefem Mörderdold),
Der wild und zornig wie Dein Auge funfelt?
144 Aladdin
Sindbao.
Steh' auf und fürchte nichts! Nur zaudre nick,
Zieh’ Dir die Kleider aus und gieb mir fie,
Den Rod, den Schleier und die alte Krüde.
Da haft Du meinen Mantel; den kannt Du
Behalten, während id) die Kleider braudıe.
Nur hurtig, und verſchwende mir die Zeit
Mit Fragen nick.
Fatime.
Ach, Wandrer, raſeſt Du?
Was willſt Du? Du biſt heiß, komm’, ſetze Dich,
Die Reife bat das Blut Dir aufgewallt.
Du ſprichſt verwirrt. Ich will Did) laben; daß
Dir Ruh’ und daß Gefundheit wirderkehre.
Da fteht ein Korb mit Brot und Früchten. Watt,
Ich will den Becher D Dir mit Waffer füllen.
Hindbad
Ciegt ihr den Dolch auf die Bruſt)
Ic, bin nicht müde! Meine. Kräfte haben
Midy nicht verlaſſen. Gleich gehorche mir!
Zieh” Deine Kleider aus! Da ift mein Mantel!
Erfülle meinen Wunſch, fonft ſtoß' ich Dir
Das Eifen in die Bruft.
Fatime.
O ew'ger Gott,
Id) fürchte nicht den Tod; — doch — aus dem Schlafe
Geweckt zu werden, um den Tod zu ichs _
Erbarnıt Eud meiner! f
oder die Wunderlampe. 145
Hindbad.
£ Weib, die Kleider her!
Bei meiner Seligkeit, bei Allahs Gnade, -
Ich thu' Dir nichts zu leid.
Fatime
(sieht fich um und giebt ihm die Kleider.)
Da find fie, Pilger!
Hindbad.
(reicht ihr eine kleine Schachtel.)
Jetzt ftreihe mir die Farb’ hier in’s Gefiht!
Das macht die Haut mir braun und runzlicht, wie
Die Deinige.
Fatime.
Die Hände zittern mir!
An Deiner Stirn find Runzeln ſchon genug.
Hindbad.
| Ic Habe Dir bei Deinem Gott gefhworen —
2 Fatime Cfärbt iyn.)
Es ift gethan.
Sindbad.
So bin ich fertig ſchon?
Fatime.
Ja, Fremder.
Hindbad.
Du biſt nimmer noch geweſen
Sei der Prinzeffin, bei Aladdins Weib,
Nicht wahr?
Fatime.
Noch nicht! Doch hat fie oft gewünſcht,
Ich möchte fie beſuchen. Sie iſt fromm.
Oehlenſ. Schriften. XI. 10
146 Aladdin
Hindbad,
Ich werde diefen mühevollen Gang
Für Did nun unternehmen.
Tostet fie,)
Fahre bin
Nach Deinem Gott, Du haft genug gelebt.
Fatime.
Wer gottlos lebt, iſt ſchon im Leben todt,
Der Gottesfürcht'ge lebt, wenn er geſtorben.
(Stirbt.)
Hindbad.
Sie ſtirbt mit Antitheſen in dem Munde.
O Eitelkeit! — Jetzt muß ich dieſen Körper
Tief in die Erde ſcharren. Uebermorgen
Beſuch ich die Prinzeſſin; und fie ſoll
Zu einer Bitte ihren Mann verführen,
Wodurch ſich ſo der Lampe Geiſt empört,
Das er vielleicht ihn gleich in Staub zermalmt.
Die Beifter haben ihre ſchwache Seite,
Wie andre Leute; Eünnen böfe werden.
Dann werd’ ich gleid) der Lampe mid bemächtigen.
Doch morgen muß ic) Predigten ſchon Halten,
Daß mid) die Leute für Fatime nehmen.
Außerhalb der Hütte,
Morgen, Hindbad als Fatime gekleidet, mit einem Schleier vor Dem
Geficht, predigt fißend vor der Hütte; eine große Menge Zuhörer
umgiebt ihn; der alte Mann im ſchwarzen Rock mit der Tabakspfeife
it auch zugegen.
Hindbad.
Ihr frommen Islamiten, da Ihr ber
Gekommen feid, aus meinem Munde die
oder die Wunderlampe.
Entwidelung der heiligen Geſchichte
Zu hören, um erbaut zu werden, um
Eud) drin zu fpiegeln, Beifpiel audy zu nehmen
Für Euern Lebenswandel und Hantierung;
Will ich Euch deutlich auseinander feßen,
Warum Ihr Schweinefleiſch nicht eſſen dürft.
Laßt das Euch nicht aus Eurer Faſſung bringen,
Daß grob und -heifer meine Stimme klingt!
Ic Eomme, feht Ihr, von der langen Reife,
Und ob die Wanderung zwar Heilig wat,
Kann man dod Schnupfen fo, wie fonft, bekommen
Doc jest zum Torte, Was ich Euch verkünde,
It Wahrheit, denn es fteht in dem Korane.
Einmal, da Iefus mit den Jüngern hin
Zum Walde ging, um da’ zu Kredigen,
Im Grünen, wie ih bier; da baten fir,
Er möchte doch erzählen, wie es Noah
Segangen wär’, als durdy das Zorngeriht
Des Herren ein Nogen fiel, wodurd) die Menichen
Wie Hund’ erfoffen, alle Hunde mit,
Nur Noah nit, nur feine Söhne nicht,
Und ein’ge Thier und Efel ausgenommen.
Warf's hin in’s Gras; und aus dem Klumpen ftieg
Ein alter Mann mit ſchneegefärbtem Bart;
Umd das war Japhet, Noahs jüngfter Sohn.
Er wußte nun von Allem viel zu fagen,
Weil ſelbſt er in der Arche mit geweſen,
Fund er erzählte Ffolgendergeftalt:
Sinmal war unfer Schiff in Meeresnoth;
ie Stelle nämlich, wo jedwedes Thier
10°
Da nahm Herr Chriftus gleidy ein Klümplein Erde,
147
148 Aladdin
Täglich das Nöthige verrichten mußte,
Ward fo beſchwert, daß die Gefahr entftand,
Wir fünnten, des unmäß’gen Ballafts wegen,
Bei'm mind’ften Wind das Gleichgewicht verlieren.
Als Noah Allah nun zu Rathe 309,
Befahl er ibm, den großen Elephanten
In größter Ei’ auf das Verdeck zu bringen,
Um feine Notbdurft aud) da zu verrichten.
Durch diefe Miſchung nun entftand die Sau,
Die Vieles fraß; was fie nicht freſſen konnte,
Das wühlte fie geſchickt doch auseinander,
Wodurch das Schiff das Gleichgewicht gewann.
Doch als durch ſolche That der Sau die Schnauze
Kom aromat’fhen Duft ergriffen wurde,
Ward fie zu niefen hart genöthiget,
Da flog ne Maus ihr aus dem Nafenlod),
Die plötzlich wieder fid) fo ftark vermehrte,
Daß Noah wiederum geängftigt ward.
Er fürchtete, die Mäufe möchten nämlich
Das Schiff mit ſcharfen Zähnen ibm zernagen.
Da lieg ihn Gott gleich einen Prügel bofen,
Und derb den Löwen vor die Stirne ſchlagen.
Als nun der Löwe drob erzürnt' und ſchnob,
Flog eine Katz' ihm aus dem Nafenlod,
Die gleich das ganze Maufevolf verzehrte,
Und wieder Noah’s Herz erleichterte.
Do, Fromme Moslems! draus läßt ſich beweifen,
Wie niedrig jede Sau von Herkunft ift.
Und deshald hat der heilige Prophet,
Bol finn’ger Weisheit und voll Vatergüte,
Dem Volk dies Fleifh zu eſſen ftreng verboten.
oder die Wunderlampe.
| Bote (kommt.)
Biſt Du die heil ge Frau im Walde hier?
Hindbad.
So nennen diefe frommen Seelen mid.
Bote
Dann folge mir ſogleich zu der Prinzeffin!
Eie hat ſehr lange Dich zu fehn gewünfct,
Und fendet mid), Dich eiligft hinzuholen.
Hindbad.
En lebt denn wohl fo Tange, Lieben Leute!
Nehmt, was id Euch gepredigt, wohl zu Herzen,
Damit es Eud) zum Troft und zur Erbauung
Im Tod und Leben immer dienen möge.
216.)
Der alte Mann mit der Pfeife.
Ich bin mit diefer Predigt fehr zufrieden.
Der Menſch wird mir mit jedem Tage lieber.
(Q16.)
Ein Zuhörer.
Nie ſpricht fie heute doch fo grob und laut.
Ein Anderer.
Die Predigt hat mid) wenig nur erbaut.
Dritter.
Sie donnerl' uns doch tüchtig in die Ohren.
Vierter.
Mas war der Tert? Den Tert hab’ ich verloren.
Eriter.
Er war ja nur von lauter Koth und Dred,
Vierter,
Wir? Fafelt Ihr? Bin ich denn Euer Get?
149
150 Aladdin
Dritter,
Sie warf den Kopf auf fo ne eigne WVeife.
Vierter.
Sie war ein wenig ſteif noch von der Reiſe.
Renegat.
Ich mußte herzlich in der Predigt weinen.
O ſchöne Rev! Wird fie im Druck erſcheinen?
(216.)
Ein alter Derwiſch.
Dies war ein finnig, wunderfam Gedidt,
Worin uns der Prophet aufmerkfam madıt
Auf einge Thiergeſchlechter, nah’ verwandt,
Obſchon bei'm erften Anblid fehr MalDiunk,
3 (Ab.)
Taſchendieb
(wenn die Andern weg find.)
Wie find fie toll! Wie ift der Mann doch toll!
Nur von Moral war diefe Predigt voll.
Die letzte Neil’, ein wenig gegen Norden,
Madıt, daß fie atheiftiih ſchon geworden.
ie pfiffig trieb fie hier nicht ihren Spott
Mit Mahom, Chriftus und dem lieben Gott;
Das ficht dod) ein der allerdümmfte Tropf,
Der nur ein Ohr befißt an feinem Kopf.
Ih habe mehr nicht; denn die andre Part
Nahm das Gericht, nad plumper Lümmelart,
Pfui! ſchäm' er fi), daß ich, der gehen mußte,
Und ftehlen, während er von gar nichts wußte;
Das ich, der mein Gewerbe fleißig frich,
Derweil er fa, ein rechter Tagedieh;
Daß beiler ih die Predigt Doc vernommen,
oder die Wunderlampe. 151
Als er und fie, die nur deshalb gekommen;
Daß ich, obſchon dahinten, weit entfernt,
Hab’ Ban von der Predigt nur geernt't.
(Weg mit dem Diebftahl.)
Erlenmoor.
Nacht, Mondſchein. Zwei Elfen.
h Erſte.
Komm her! Siehſt Du, was id) im Moore fand,
Tief im Gebüſch, da bei dem Duellenrand?
weite,
Ein Leichnam! Pfui Dich an, Du garſt'ger Wicht!
Erſte.
Ha, Schmach und Schande! Kennſt Du ihn denn nicht?
Zweite
D Graufamkeit! un feh’ ich's erft genau,
Getödtet hat man uns die alte Frau,
-Die bier im Walde wohnte, freundlid) fang
Sie uns fo manche Nadıt bei Zitherklang,
Menn dort im fühlen Wind, im Ningeltan;,
Wir hüpften um die Erl' im Monvdenglan;.
Grite.
Sie war fo gut; die Gegend weit und breit
Kennt ihre Tugend, ihre Freundlichkeit.
Ob wir’s gleich waren, die fo Elein doch find,
Verachtet faſt von jedem Menfcenkind,
Sp pflanzte fie mit Brei doch Fleine Stäb’
Kreuzweis im Boden uns, mit Spinngeweb’,.
Und freute fi), wenn wir uns wagten nah.
Den Brei zu effen, während fie es fab.
152 Aladdin
Zweite
D laß’ uns unfre Scweftern rufen, Du!
Noch ift es Mitternacht, wir haben Ruß),
Ihr bald ein Grab zu madıen, tief und gut,
Wenn jede fleißig nur arbeiten thut.
Erfte (uft)
Ihr Elfen kommt!
Zweite.
Eh', Du gerufen ſchier
Erſcheinen fie.
Alle Elfen.
Hier ſind, was ſollen wir?
Erſte.
Seht Ihr die alte Frau?
Alle.
O welche Noth!
Die heilige Fatime! Sie iſt todt!
Erſte.
Ann macht ein Grab da an dem hübſchen Ort;
Wir tragen mittlerzeit die Leiche fort.
Einige.
Wir folgen!
Andere.
Wollen fingend vorne gehn.
Andere
Wir laufen mit, um Alles zu befehn.
Andere.
Und wir, wir holen, wo das Bädhlein fließt,
Die Lilie, die gen Himmel grade fprießt.
Sie bietet viele weiße Blumen dar,
Das foll bedeuten: ihre Silberhaar;, -
oder die WBunderlampe. 153
Und ihre Wangen, blaß von Herzeleid,
Und ihre Unſchuld, ihre Frömmigfeit.
, Erfte.
Wir müſſen einen Umweg mahen! Hört!
Daß nicht des Zauberers Gefpenft uns ftört,
68 liegt ja fein zerfehmettertes Gebein
Dort unter dem erhob’nen Felfenftein.
Die, welde vorne gehn.
Nun fingen wir! Nun langfam jeden Schritt.
Die Nadtigall
(über ihren Häuptern in einen Baume.)
Ihr Elfchen! Darf ich aud) wohl fingen mit?
Elfen.
Ad, das verfteht fih! Singft fo fhön und Har;
Du bift der Kantor, wir die Knabenfdyaar.
‘ Grabgefang der Elfen.
(Die Nachtigall trillert dazwiſchen; aus der Ferne tönt das ſchwache
Läuten einer Glocke.)
Mer weiß, wie nah’ mir ift mein Ende!
Sehr hurtig geht die kurze Zeit;
Doch Alles leiten deilen Hände,
Der über Zeit und Sterblidykeit;
Das Leben kommt, das Leben fliegt,
Nur Tugend bleibt und Tugend fiegt.
Der Mensch lebt Länger als die Blume,
Wir länger als das Menſchenkind;
In Gottes lichtem Heiligthume
Doch ſchon die lieben Aeltern find.
- Hamadryaden, fhön zuvor,
Erzeugten uns, das Elfendor. “
154 Aladdin
Wir werden aud), wie Iene, fterben,
Dann fpielt was Andres in dem Wald,
Die Kinder, die uns einft beerben,
Heweinen uns am Grabe bald.
Was jebt genannt: ein’ Elfe Elein,
Heißt: Schatten, bald, im Mondenihein,
Doch fröhlich haben wir gelebet;
Den Wald belebt, kein Leid gethan;
Kein Blut an unfern Händen Elebet,
Nur Blumen zeigen unſre Bahn.
Und foll es denn gefchieden fein —
Mir fchlafen ſüß und fröhlich ein.
Die Alte wird aud) felig fohlafen,
Ihr Leben war Unfchuldigkeit.
Gott wird den böfen Mörder ftrafen,
Der ihr den ſchnellen Tod bereift.
Das Morgenroth wird angefadht.
Leb' wehl! Verſchwunden iſt die Nacht
oder die Bunderlampe. 155
Funfter Aufzug.
Ylag vor Aladdins Palatt
Selim. Sindbar.
Selim.
€; guten Tag! Denn, wenn id mid) nicht irre,
So treff' ich einen alten Iugendfreund.
Sindbad—
Sehr möglich; in der Jugend hat man immer
Der Freunde g'nug! die Freundſchaft aber iſt
Wie Waizenbrot, will gleich gegeſſen ſein!
Kann ſich nicht lange halten, kommt dazwiſchen
Nur eine Nacht, dann iſt es trocken ſchon!
Selim.
So haltet Ihr denn auf die Freundſchaft nichts?
Sindbad.
Sie läßt ſich gar nicht Halten, lieber Herr!
Obſchon es eine feile Dirne ift. |
Selim
Doch Jugendfreundſchaft, Lieber! Iugendfrenndfhaft!
156 Aladdin
Sindbad.
Iſt eine Iugendkrankheit, die wie Blattern
Und Mafern überftanden fein muß. Und
Das wird fie meiftens glücklich; wen’ge tragen
Don ihr die Narben im Gefidt; o nein!
Sie wachſen aus, fodald man älter wird.
Selim.
Und, Sindbad! Kennft Du mid) denn gar-nidyt mehr?
Sindbad.
Wenn Eure Füße mich nicht irre machen,
Dann ſeid Ihr Selim, Eben Haſſans Sohn.
Wir wohnten in der Gaſſe dort zuſammen,
Und ſpielten oft als Knaben mit einander.
Selim.
Willſt Du mich wieder gleidy zum Beſten haben,
Weil meine Füße beid’ ein wenig groß find?
u Sindbad.
Nein beide nicht. Der Linke fißt ganz redt,
Der Rechte fit Dir nur ein wenig linke.
Hat aber nichts zu ſagen; links und redits,
Hat ein Gelehrter einmal mir vertraut,
Sind relative, wanfende Begriffe,
Worüber nie die Welt wird einig werden.
Denn was in Verfien rechts und links wir nennen,
Das nennt man in Europa links und rechts.
So viele Erdenfeiten, fiehft Du wohl,
Ep viele Rechts und Links; weil nun die Erde
Ganz rund ift, oder wenigftens oval,
Sp rollt das Rechts und Links unendlich fort,
So lange diefe tolle Kugel rollt,
Wenn nun der Eine rechts, der Andre links iff,
oder die Bunderlampe. 157
Kannſt Du getroft auf beiden Füßen gehn,
Und brauchſt nicht links, noch rechts Dich umzufchn.
— Selim.
Es iſt nicht hübſch, auf ſolche Art und Weiſe
Des alten Schulkam'raden hier zu ſpotten.
Sindbad.
Ich kenne alle Leute an den Füßen.
Der Fuß iſt mir das beſte Glied am Koͤrber
Und das vernünftigſte; wenn alle Glieder,
Wie er, ſich an die Erde halten wollten,
Dann brauchten ſie den Sturz nicht mehr zu fürchten.
Selim.
Man kann nicht mit dem ganzen Körper gehen.
Sindbad.
Warum nicht? wär’ es mit dem ganzen Körper,
Dann braucht' aud) gleich der ganze Körper Schuhe;
Es kriegt’ ein braver Mann was zu verdienen.
Selim.
Dein Bater war ein Schufter; und faſt ſollt' ich
Nach Deiner Rede glauben —
Sindbad.
Ja natürlich!
Dazu bin ich empfangen und geboren.
S iſt was darin, was die Gelehrten ſagen:
Man werde mit Genie zur Welt gebracht.
Man fast, Poeten werden nur geboren;
Möcht' aber für mein Leben gerne willen,
Ob denn ein Schuſter nicht geboren wird?
Selim.
Auf die Art, Freund! begreif ich, wünſcheſt Du,
Daß alle Menfchen Taufendfüge wären.
153 Aladdin
Sindbad.
Natürlich! Was den mehrften Leuten lieb iſt,
Kann id) nicht um den bittern Tod vertragen.
Zum Beifpiel: reinen Himmel, Morgenrotb
Und Sonnenschein haß' id wie Peftilenz.
Kein, Negen, Koth! das hat was zu bedeuten,
Das ruinirt die Stiefel. Viele rühmen’s,
Wenn Einer grad’ auf feinen Füßen geht;
Mir fchneidet es in’s Herz, denn ad) wie lange
Kann nicht ein Solcher feine Sohlen nutzen?
Wenn's Pflafter neu gelegt wird, muß ich weinen.
Tanz ift mir aber meine größte Freude,
Und ob id) fonit die Moraliften chre,
Sp ärgert es mid) doch, wenn fie beitändig
Den jungen Menfchen von dem Pflaftertreten
Abrathen; denn das ift die größte Tugend,
Wodurch das Pflafter abgeſchliffen wird.
Selim i
Du haft doch Nahrung?
Sindbab.
Nun, cs gebt, fo fol
Nah meinem Handwerk fragt ein jeder Menſch.
Dazu nun kommt die gräßlidhe Geſchichte
Mit den Vantoffeln Abu Kafems, ſiehſt Du,
Die ſolchen Scyreden in das Blut der Stadt
Gejagt, daß ihre Schuhe fie Faffiren,
Faſt, ch’ fie halb nur abgetragen find.
Selim.
Ei nun, das ift mir lich, mein guter Bruder!
Derweil Du auf dem Leiften bier genäbt,
Hab’ ich auf meinem Fuß das Land durdiwandert
oder die Wunderlampe.
8 Krämer,. mit dem Bündel auf dem Nüden.
Bin in Balfora, Bagdad, Kaſchemir
Und Samarfand geweien,
Sindbad.
Ja, fo geht's!
— Eine macht die Schuh', der Andre braucht fie. —
Als letztens wir ung fahen, fpielten wir
Als Kinder; jetzo nützen wir dem Staate.
Selim.
Doch, lieber Himmel, fage mir, was ift
Aus jenem langen Taugenichts geworden?
Wie hieß er doch? dem armen dummen Teufel,
Der immer in der Schule Schläge kriegte,
Weil er fein Penfum niemals lernen wollte,
Und der deswegen immer wieder uns
Durdprügelte, um fid) zu rächen?
Sindbad.
Ja,
Men meinfi Du eigentlich? Es waren Viele,
Die immer mid durdprügelten.
Selim.
Ei, ihn,
Der immer fid) fo täppiſch wunderlich
Betrug! Groß war er, ſtark, und wenn wir fpielten,
Gewann er immer. Kannft Did nicht erinnern?
Er, der einft die Drangen fing, die dort
Geworfen wurden aus dem Kaufmannsladen:
Sindbad.
Meint Du Aladdin?
159
160 Aladdin
Selim.
Ia, Aladdin, richtig!
Aladdin hieß der Lauſejung'. Wie gehts ihm?
Eindbad.
D ihm geht's, Gott fei Dank, fo ziemlidy wohl,
Denn er ift Prinz geworden! die Prinzeß
Ist feine Frau, und wenn der Eultan ftirbt,
Dann wird er Sultan auch. Nun, Brüderhen,
Das ift ja doch ganz leidlich avancirt.
Selim,
Wie, fafelft Du?
Sindbad.
Frag' Du das kleinſte Kind,
Dann wirft Du bald mein Wort beſtätigt hören.
Selim.
Das wär der Teufel! Wie, der Taugenichts,
Der immer Kartenhäufer baute, immer
In feinen dummen Phantaficen ging
Und nichts auswendig lernen konnte?
Sindbad. c
Richtig.
Inwendig ſoll er aber ſehr gelehrt fein.
Dort hat er jüngft ein Kartenhaus gebaut.
(Er zeigt ihm das Schloß.)
Selim.
Der Teufel! wie ift das denn zugegangen?
Sindbad.
Das willft Du willen? Schweig, id bitte Dich),
Beſprich es nicht. - Wenn nur idy daran denke,
Werd' ich verrüdt im Kopf. Genug, Prinz ift er.
oder die Wunderlampe.
Sie friegen’s in der Negel, weißt Du wohl,
Die weder leſen recht, noch fhreiben können.
Selim.
Ich bin, wie aus den Wolken ganz gefallen!
Das Dich, das in die Schule einft mit uns
Gegangen, es iſt groß, berühmt geworden ?-
Sindbad..
Nun bitt ich Dich! Und wie er ſtolz geworden
Auf mich kann er ſich gar nicht mehr beſinnen,
Obſchon die Ruthe damals öfter wir
Zuſammen kriegten.
Selim.
Wer kommt aber dort,
Da von den vielen Sklaven reich begleitet?
Sindbad
(ängftlich unterthänig.)
Da fommt er, unfer gnäd’ger Fürft. Geſchwind,
Gleich wirf Dich in den Koth!
Selim.
Die Hoſe wird
So gräßtich an den Knieen mir beſchmutzt.
Sindbad.
Hat nichts zu fagen, Fannft fie wieder waſchen.
Wenn Du des Landes Brot genießen willft,
Dann mußt Du aud des Landes Sitte folgen.
(Aladdin geht vorbei mit Gefolge.)
Sindbad
(ichreit Enieend aus voller Kehle.)
Der Himmel fegne Did), geliebter Prinz!
Selim.
re war es wirklih. Aber fage mir,
Dehlenf. Schriften. XI. 11
161
162 Aladdin
Die kannit Du Did im felb’gen ——
So ganz verflucht verändern?
Sindbad.
Halt das Maul!
Id) hab’ die Lieferungen auf dem Schlofle;
Ich ſuche Hofnarr bei dem Herrn zu werden,
Der Alte hat die Tollheit ganz verloren,
Iſt Elug im Kopf geworden. Darum üb ic)
Mid) fo erftaunlicd in dem Wiß; cs wird
Dur meine Gönner bald mir auch gelingen ;
Durd ihren Einfluß hof id Narr zu werden. »
5 iſt eine Charge, die fi) mit dem Schuftern
Nicht wohl verträgt. Man trifft in der Geſchichte
Ja Schufter, die Poeten, Philofophen
Geweſen; Eünnen fie nicht Narr'n aud werden?
Doet und Narr, das aränzt fo nab zufammen,
Daß ſchon ein feiner Kopf dazu gehört,
Die Gattungen zu trennen, Aber komm’
Mit mir zu Haufe; da will mehr ich ſprechen,
Hier aber haben Wand’ und Mauern Ohren.
(Beide ab.)
Der geoße Saal im Palaſte
Gulnare Hindbad (als Fatime.)
Hindbad
(mit zurückgehaltener, fanfter, leifer Stimme.)
Wohl wahr, mein Töhterdien! Was Du mir zeigft,
Iſt wunderbar, und von fo großer Pracht,
Daß meine Augen faſt geblendet werden.
oder die Wunderlampe.
Vor Allem ift nun diefer Saal fehr ſchön!
Die hohe Kuppel, freundlich himmelblau,
Mit goldnen Sternen, blühenden Guirlanden,
Die taufendfarbigsan der Wand fid) fhlängeln;
Die edlen Marmorfäulen — Alles zeugt
Bon feinem Reichthum, Geift und von Geſchmack.
Nur eins — vergieb, erlauchte Fürfiin, gnädigſt
Der alten Frau die große Dreiftigfeit —
Nur eins fehlt noch, um diefen Wunderfaat
Zum fhönften auf der Erde zu vollenden,
Gulnare.
Nur eins? — Vergieb, daß ich mich wundern muß;
Kein Menſch, der diefen Saal gefehn, hat noch
Gewagt, ihm einen Mangel vorzumerfen ;
Dagegen zweifelten die meiften wohl,
Obhb, was fie fahen, nidyt ein Traumbild fei.
Hindbad.
Du darfit nicht glauben, dag mein altes Auge
Für ſolch ein Wunder Hlind fei, liches Kind,
Das weit die fieben andern übertrifft,
Wovon in Griechenland die Rede ging;
Beil aber Alles hier fo herrlich ift,
Wollt' ich nicht gern, daß etwas mangeln ſollte.
Es thut mir leid. Das mag Dich aber tröſten,
Daß nichts in dieſer Welt vollkommen iſt.
Gulnare.
Was fehlt denn in dem ſchönen Wunderſaal⸗
Hindbad.
Siehſt Du, da droben in der großen Kuppel,
Da mangelt etwas,
s 1‘
163
164 Aladdin
Gulnare,
Da? Nein, liebe Mutter,
Da mangelt nichts. Vielmehr, die fhöne Kuppel
Iſt das Volllommenfte des ganzen Schlofles.
Mas nur verfhönern Eonnte, glänzt ſchon da;
Mehr würde nur der fhönen, Fühnen Wölbung
Den hocherhabnen Bogenfhwung benchmen.
Hindbar.
Mein gutes Kind! Iwar bin ic alt und ſchwach,
Und führe nur ein eingefchränktes Leben
In meiner Eleinen Hütte, ohne Pracht;
Dod) Hin id) jung, wie Du, einmal gewefen;
Dft hat die Erdenſchönheit mid entzüdt,
Und thut es noch; denn nie hab’ ich in ihr
Ein bloßes Spiel der Sinnlichkeit erkannt,
Vielmehr, die höchſtbedeutungsvolle Kraft
Der Gottheit felbit. Drum war es meine Pflicht
Das Auge für die reine Schönheit Gottes,
Den Geift für feine Weisheit, und das Herz
Für feine Vatergüte ftets zu bilden.
Gulnare. -
Was fprihft Du fromm und weile, gute Frau,
Was fehlt denn hier?
Hindbad.
Ach, für den Blid, der lüſtern
Nur einen äußerlihen Kitzel ſucht —
Gar nichts, mein Kind, und jede ftolze Seele,
Die ſich mit ihren ird'ſchen Kräften bläht,
Muß der Gewölbe Dreiftigkeit bewundern
Bulnare
Doch?
oder die Wunderlampe.
Hindbad.
- Aber, liebes Kind, das fromme Auge,
Das Gottes Bild in allem Schönen ſucht,
Das könnte wohl noch etwas wünſchen, welches
In's Ganze höhere Bedeutung legte;
Ob auch dabei vielleicht der niedre Sinn
Ein wenig von der Zierlichkeit vermißte.
- - Gulnare
Bas mangelt droben? Sag’ es denn!
Hindbad.
x Ein Rot: Ei.
Gulnare.
Ein Rot» Ei! Wie? Ein Ei des großen Vogels,
Der Elephanten in den Krallen führt?
Der nad) dem Wallfiſch tief in Wellen taucht,
Wie eine Möw' nad) Eleinerem Geſchwimm?
Hindbad.
Ein Ei von dem.
Gulnare.
Und lebt ein ſolches Thier?
Iſt's nicht bloß ein Geſchöpf der Phantafie?
Hindbad.
O Zweifelſucht, du biſt 'ne ſchlimme Krankheit.
Gulnare.
So glaubſt Du wirklich?
Hindbad.
Kind, ich zweifle nicht.
Doch — dieſen Vogel woll'n wir fliegen laſſen.
Unmögliches zu wünſchen, wäre Thorheit.
Gulnare.
Und warum wünſcheſt Du ein Ei vom Rok?
165
166 Aladdin
Hindbad,
Weil, wenn es unter diefer Kuppel hinge,
Es Dir ein Bild der Gottheit werden follte,
Don Allah, von der unbekannten Macht,
Des Kreifes Mittelpunkt, des Weltregierers.
Gulnare,
Ad) ja, das wäre ſchön!
Hindbad
(als wenn er gehen wollte.)
Doch komm’, mein Kind,
Unmögliches zu wünſchen, wäre Thorheit!
Gulnare.
Und glaubſt Du nicht, daß, wer dies Schloß gebaut,
Ein Ei vom Vogel Rok verſchaffen könnte?
Hindbad.
Ich zweifle, liebes Kind; ic zweifle fehr.
Gulnare.
Wie wenig kennſt Du doch Aladdins Macht,
Noch morgen. findeſt Du das Werk volhracht!
(Sie gehen weiter.)
Ss: alte
Aladdin, mit der Lampe in feiner Haw. Der Geift.
Geiſt.
Hier bin ich, ſage mir, was ſoll ich thun?
Aladdin.
Mas Du zuvor gethan, iſt gut gethan,
Das Schloß, das Du mir hier erbaut, ift ſchön,
Bon felt'nem Werth; doc, wie Du weißt, der Menſch
Schnt ſich vom Guten immer nad) dem Bellern, —
Und wahrlich, diefer Trieb ift lobenswerth,
oder die Wunderlampe. 167
Mer strebt nie gern nad) der Bolllommenheit?
Sp geht's auch mir. Durch Allahs Güte bin
Ic, jetzt Befiger aller Herrlichkeiten,
Und habe wenig mir zu wünſchen mehr.
Jetzt geht es mir, wie es dem Künftler geht,
Der, wenn fein Werk entworfen und vollendet,
Daran fid) freut, das Werk zu überfchauen,
Um fo die legte Hand daran zu legen.
Wie viel gewinnt der fhönfte Diamant
Nicht durd das Schleifen, durd die Folie?
So geht es mir mit diefem Wunder -Schloile.
Das Wichtigſte daran ift ſchon geleiftet!
Es aber hier und dort noch auszuſchmücken,
Das iſt das einzigſte, was übrig iſt.
Geiſt
Aladdin.
Schaf? mir, lieber Sklav', ein Rot⸗ Ei,
Und häng' es droben hin in das Gewölbe.
Das fol mir ein Symbol von Allah fein,
Der in der Mitte feines Himmels ſitzt.
Geiſt.
Iſt das Dein Ernſt?
Aladdin.
Mein Ernft.
Der Geiſt.
Jetzt muß id) ſprechen.
Er betrachtet ihn lange mit glühenden Augen, drauf ruft er:)
Ha, fo dringt doch oft die Sünde felbft in eine edle Bruft,
Sp hat Schlechtigkeit fi) Eingang zu verſchaffen doch ge—
‚mußt!
Was mangelt?
168 Aladdin
Du, wie einfad) warft Du chmals, und wie kindlich Fromm
Dein Herz;
Willſt in einen Käfig hängen — Gott, zum Schmud, zum
eiteln Scherz!
Iſt Dein Glaube jet vergangen? Ift es unter Deinem Stand,
Zuverſichtlich hinzuknieen, Moslem wie Dein ganzes Land?
Hier, im ſchwankenden Gewölbe — Frevler, ha, wie fün-
denhaft —
Willſt Du an den Faden Enüpfen frech den Mittelpunkt der
Kraft?
Auch das Ei von einem Roke zieren fol Dein Putzgemach?
Made! Weißt Du, was Du forderft unter Deinem Lattendach?
Weißt Du, was der Rok bedeutet, wonach Deine Sehnſucht
“ ftrebt?
Ha, die große, volle Erde, die in ihrem Aether ſchwebt!
Nur die Erd, die unermüdet eilt im ungeheuern Raum!
'S ift der Vogel Not? Du ſteheſt auf des Nüdens grünem
Flaum.
Das iſt der unbänd'ge Flieger: „Nimmer müd!“ der Ruhe
Feind,
Der des Stahles Kraft, des Aethers Flüchtigkeit in ſich
vereint.
Er, mit ſeinen breiten Schwingen, würdig ſchwebend, ewig
ſtrebt,
Während Dich und Perſien mächtig er in feinen Krallen hebt.
Id), ich bin ein Geift der Erde, fie ift meine Mutter; ha!
Jetzt di Mutter fol id) holen, dag Du fie kannſt henken da?
Unverfchämter, gleich vom Throne ſchlüg' id) Dich, zum Bits
. tem Schmerz; —
Doc), ich kenne Hindbads Bosheit, kenne Dein leichtfinnig Herz.
Höre denn, was ic) verkünde; hör’ es ohne Zagen doch:
oder die Wunderlampe. 169
Eva wurde von der Schlange fonit verſucht, und wird es nod).
Liftig denkt Noureddins Bruder, als Fatime, Tag und Nadıt,
Wie er ſich den Schatz erbeute, wenn er Did in Staub
gebracht.
Hindbad heißt er; längſt fein Eifen war von frommen Blute
roth;
Nicht die Rache, das Verlangen treibt ihn nur zu Deinem
Io.
Handle jetzt als Herr und König, bitteft Du, dann ſag' ich)
nein!
Diesmal ſollſt Du ſelbſt Dir helfen, das mag Deine Strafe
- fein.
(Berichwindet.)
Außen vor Fatime's Hütte im Walde.
Nacht. Hindbad, als Fatime, Sindban.
| Sindbad..
Seid Ihr. die Fromme Kopfwehheilerin?
Hindbad.
3a wohl! Ift Iemand dort im Dorfe Erant,
Und wünſcht fi) meine Hülfe? Lieber Freund,
Id werde morgen mid) dahin begeben.
IH kann nicht mehr fo laufen in der Nadır,
Wie id) zuvor gethan. Das Alter drüdt.
Sindbad.
Was ipreht Ihr da? Sch’ id) denn aus, als wenn
Ich aus dem Dorfe käme? Folgt ſogleich!
Ihr müßt nad) Iſpahan noch heute Nadıt;
So wie Ihr Hier mid) findet, Schlecht und recht,
170 Aladdin
Bin id) dod) kaiferliher Hof⸗Schuhmacher
Ic nähe für die herrliche Gulnare
Die allerniedlihften Pantoffeln, Stiefel;
Im Fuße fein nur, denn ihr rechter Fuß
Iſt kaum fo groß, wie meine linfe Hand;
Im Scafte weit; fie hat zwei runde Waden —
Nun, davon will ic) ſchweigen, das find Schuſter—
Geheimniſſe, und das hat weiter nichts
Mit unfers Prinzen Kopfweh Tonft zu thun,
Alfo, der große Prinz, — jebt ift er groß, —
Dort in der Schule war er aber Elein.
Denn, unter uns, vielleicht wißt Ihr es aud):
Sr ift nur von gemeiner Ertraction,
Nur fein Genie hat ihn emporgeſchwungen.
Sr hat nicht Ahnen, doch es ficht fo aus,
Als wenn er Stammherr felbft zu werden dächte. —
Nun, was ich fagen wollte, diefer Prinz
Hat Kopfweh, und das thut der jungen Gattin
Aud meh; drum wünſcht fie fchleunigft Eure Hülfe,
Der Hof hat aber feinen eignen Arzt,
Ihn will fie vor den Kopf nicht gerne ſtoßen, —
Obſchon fie für Aladdins Kopf beſorgt — \
Id bin fehr wigig, nicht?
Hindbad.
Erſtaunlich wißig.
Sindbad,
Und närriſch auch, nicht wahr?
Hindbad.
Erſtaunlich närriſch.
Sindbad.
Kurzweilig auch?
oder die Wunderlampe.
Hindbad.
Nun, wenigftens feid Ihr
Sur für die Langeweile.
Sindbad.
Das iſt herrlich.
Ich geh’ mit einem Narren ſchwanger, ſeht Ihr,
Ic, hoffe bald zum Narrn zu avanciren.
Drum laß’ ich Alles mir gefallen dort;
Ich laſſe mir das Laufen nicht verdrießen,
Und hab? es heilig der Prinzeß' verſprochen,
Eud) lebend oder todt gleich mitzubringen,
Damit der Prinz geheilt doch werben kann.
Es geht den jungen Chemännern, wie
Den Kindern, wenn fie ihre erften Zähne
Dort in der Stirne kriegen, thut es weh.
‚Haba, das war ein guter Witz, nicht wahr?
Sindbad.
Nicht übel. Doch es ſchickt ſich nicht, daß Ihr
Die Leut' auf Euren Witz aufmerkſam macht,
Dabei verliert er faſt den halben Werth.
Jetzt hol' id) meinen Stab und den Koran,
Dann will id) gern, mein Lieber, Eud) begleiten.
| (Gr scht hinein).
Sindbad (akein. )
S iſt Schade, daß ic) fein Gelehrter bin!
Ein Narr muß eigentlidy dody Vieles willen.
Ic hab’ mir aber fagen laffen, daß es
Natur-Poeten gebe, nun fo will id)
Jetzt ein Natur⸗Narr werden. Das ift audı
171
172 Aladdin
Nicht zu verachten, Alle können nicht
Gelehrte Narr'n fein; s muß auch Laien geaen.
(Er fegt fich.)
Ah ja, was thut man nicht für Frau und Kind!
Nicht Jeder mag, wie diefes alte Weib,
Im dicken Walde wohnen, unbemerkt,
Mit Löwen, Lenparden, Schlangen Ichen;
Und mehrerm foldyerlei Ian Hagel, der
Nur in die weite Welt mit nadten Beinen
Auf allen Vieren lauft, wies liche Vieh.
Sonft nimmt ſich's bier ganz artig aus, befonders
Wenn fo der Vollmond durd die Zweige glänzt.
Zur linken Hand ein Moor mit Blumenfcilf,
Zur rechten Hand ein blühendes Gebüſch,
Dazwiſchen geht der fchmale Steg zur Stadt,
Der Steg geht zwifchen zwei Grabhügeln, glaub’ ich,
Der ein’ ift dit mit Steinen rund umgeben,
Der andre nur mit Nofen überpflanzt
Und Lilien. Wie die größte filbern fi)
Im Mondichein ſchlank auf hohem Stengel hebt!
Bei Gott, es fieht fo aus, als wenn der Mond
Der Blume was in’s Dhr zu fagen hätte,
Da ift das alte Weib denn endlicdy wieder.
Nun, Mütterchen, fo können wir denn gehn?
Hindbad.
Ia, lieder Sohn; jebt immer munter fort!
(Er will fich durch's Gebüfch zur rechten Seite Drängen, bleibt aber in
einer Dornhecke ftecken.)
Sindbad.
Seid Ihr denn nicht gefcheidt? Wo wollt Ihr hin?
oder die Bunderlampe. 173
Hindbar.
Ad, Du haft Recht, mein Sohn, hier geht der Weg!
(Er geht zur Linken, and finft in den Moor.)
O rette, rette!
Sindbad
sieht ihn wieder heraus.)
Weib, feid Ihr verrüdt?
Und Ihr wollt andrer Leute Kopf Furiren?
Zum Teufel, warum geht Ihr nicht den Weg?
Hindbar.
Den Weg? ee Zwiſchen den zwei Hügeln dort?
Sindbad.
Nun je.
Hindbar.
Und fiehft. Du nicht den ſchwarzen Mann,
Der auf den Steinen fist und Taback raucht?
Ich kann den Tabacksrauch nicht gut vertragen
Des Mitternadhts,
©Gindbad,
Ic ſeh' nur einen Zweig,
Der in den Wind fid) neigt und nidt.
Hindbad.
Ja, ja,
Er niet, da haft Du Recht; er nidt der Alte'
Sindbar.
9a, ba, nun feh’ ih, wo der Schuh Euch drückt!
Seid abergläubifch, wie die meiften Weiber!
Sp halten wir ung denn zur rechten Hand, 4
Da, wo die Pilie ftcht.
Hindbad.
'S iſt keine Lilie,
174 Aladdin
Es iſt ein todtes Weib im Leihenhemd,
Schlank ift fie, denn die weiße, bleide Leinwand -
Bedeckt nur ein Gerippe! —
Sindbad.
Nun, Ihr ſeid
Recht eine Fuge Frau, das muß ich fagen.
Schämt Eu, zum Teufel! Kommt, zum Teufel, kommt!
(Er zieht ihn.)
Hindbad Cänsnlich.)
Ach nein, ach nein, ich will zum Teufel nicht.
Sindbad Gieht ihn Hin.)
Könnt Ihr jebt fehen, es ift eine Lilie,
Kein todtes Weib?
Hindbad.
Die weiße Lilie richt
Mir gar zu ftark, fie richt nah Menſchenblut.
(Er finft in Ohnmacht.)
Sindbad
Ciehlägt die Hände zuſammen und betrachtet ihn.)
Das magſt Du aud nicht viehen? Nicht Tabacksrauch?
Auch Lilien nit? Was magft Du riechen denn?
Bei Gott, das nenn id) eine Fuge Frau!
Recht eine weife Frau! Kann nicht Taback
ertragen — nun, das laß ich noch ſo hingehn,
Die Weiber mögen alle den Tabak nicht.
Dagegen Lilien! Aber es ift wahr,
Sie riehen ſtark, und eine kluge Frau
Hat feine Nerven: meine find gehärter.
Ic bin ein Mann, und obendrein ein Schuſter
Und obendrein hab' ich den Nar'n in petto
Ein Narr muß vielerlei vertragen können
or
oder die Wunderlampe. 17:
Berdammter Zweig, Du niet nocd immer fort?
Das ift Dein Werk, daß ich mid) bier verfpäte,
Das — Du büßen!
(Er will den Zweig abbrechen.)
Au, zum Teufel, au!
Da hab’ id) mir die ganze Hand verwundet.
Der Höllenzweig ift ja voll fharfer Dornen. —
Was mad)’ ich aber jest mit diefer Frau?
Kommt fie nad) Hofe nicht, behält der Prinz
Das Kopfweh, und ich werde nicht fein Narr.
Kurz, Alles kommt dadurd) aus feinem Gleife.
Was mach' ich jest? Sie auf den Schultern fort
Zu fragen, dazu hab’ id) Kräfte nicht.
Gefellen hab’ ic) audy nicht, wie zu Haufe,
Die mir ein wenig helfen fünnten. Nun,
Ich will fie immer etwas liegen laſſen,
Und meine Pfeif’ anzünden mittlerzeit.
Vielleicht bringt fie der wirkliche Gerud)
In’s Leben wieder.
(Gr fegt fich auf Fatimes Grab, mit dem Rücken gegen das Grab des
Zauberers, ſchlägt Feuer und zündet feine. Pfeife an.)
Es ift doch entſetzlich,
Wie wild die Phantafie bisweilen fpielt
Im Menfhenkopf. Wann wird man dod) vernünftig?
(Der Schwarze Mann auf des Zauberers Grabe hat feine Pfeife aus-
geraucht und Flopft dreimal damit leife auf. die Grabfleine, fo daß bie
Aiche drauf fällt. Die Steine raſſeln; Noureddins Geift fteigt empor,
geht dreimal um den Grabhügel und fteht ſtill vor der ſchwarzen Gr-
fcheinung. Der Schwarze zeigt auf den in Ohnmacht liegenden Hind-
bad, giebt dem Rothen einen heimlichen Befehl und verfchwindet, Das
rothe Geſpenſt nähert ſich dem Ohnmächtigen, betrachtet ihn weinend.
ſeufzt und fchlägt die Hände über dem Kopf zufammen. Im felbigen
Augenblick wendet fich Sindbad um und wird es gemwahr.)
176 Aladdin
Was ſeh' ic; dort? Was ift das für ein Kerl?
In rothen Scharlach rei) und ſchön gepußt;
Scheint Mitleid mit dem alten Weib zu haben,
Vielleicht wird er mir helfen, wenn id) ihn
Sefällig bitte. Guten Tag, mein Herr!
(Für fich.)
Es follte freilich heißen: Gute Nacht.
S klingt aber gar zu närriſch, gleich den Leuten
Beim erften Anblick gute Nacht zu wünfden.
Gefpenft.
Hilf der alten Frau mir auf den Nüden,
Ich will gleich fie zum Palaſte tragen.
Aber wenn fie wieder dann erwachet,
Darfſt Du nicht, wer Dir geholfen, fagen!
Sindbad.
Ich kenn' Euch nicht, wie ſollt' ich es denn ſagen?
Geſpenſt.
Sage, daß Du ſelbſt fie haft getragen.
; Sindbad,
Schön. Tragt nur fort. Ic) werde deſſen fdjon,
Was Ihr gethan, mid) laut zu rühmen willen.
(Das Geſpenſt nimmt Hindbad auf den Rüden und geht fort.)
Sindbad (folat.)
Ihr kamt recht wie gerufen. Diefes Weib’
Soll Prinz Aladdins Franken Kopf kuriren.
Nun ward ihr übel hier, dem alten Dinge,
Bei jenem Lilienftraud, der Eraftig riecht.
Wenn Ihr zufäl®ger Weife nicht gekommen.
Sie hätte ſich vom Orte nie vielleicht
Erhoben mehr. Es wäre fhlimm gewefen.
oder die WBunderlampe. 177
Geſpenſt.
Bald, bald wird fie jetzt wieder fein genefen.
Sindbad.
Sie kann noch Vieles = in der Welt.
i Gefpenft.
Nach dem Tode, nad) dem Furzen Leben
Wird der Lohn für jede That gegeben.
Eile jetzt! Sie naht dem Ziele chen.
Sindbar.
Ihr geht mir gar zu Pu muß id) geftehen.
| Gefpenft.
Langſam will id) ferner mit Dir geben.
Sindbad.
Da tragt Ihr ein recht ſchönes, rothes Kleid,
Sagt mal, wo macht man dieſen ſchönen Scharlach?
Geſpenſt.
Auf dem Weberſtuhl, wo's Garn iſt Feuer
Und der Einſchlag Pech. — Das Tuch iſt theuer,
Sindbad.
Es fängt im dicken Forſt zu ſtürmen an;
Ihr ſprecht ſehr leiſe, habt Ihr ſchwache Lungen?
Geſpenſt
Dieſer Blaſebalg zieht nicht mehr Luft ein.
| Sindbad,
Wer feid Ihr, wenn id) fragen darf?
Geſpenſt.
Ein Köhler.
Sindbad.
nicht gar? Im ſolcher ſchönen Tracht!
Geſpenſt.
Dien' dem reichſten Köhler, mußt Du wiſſen
Oehlenſ. Schriften. XI. 12
173 Aladdin
Reichſten Köhler rund im ganzen Land.
Er brennt Bäume, die fid) felbft bewegen:
Iweig wird Arm, und Blatt wird Haar genannt.
Sindbad.
Es ftürmt, ich Bann fein einzig Wort verftehn.
Geſpenſt.
Fort! Denn eh’ die Morgenftrahlen blinken,
Muß idy wieder in die Erde finken.
(Gr geht fort und fingt:)
- In der Hölle fingt der Hahn,
Wie im Wald die Nadytigallen;
Bader fi) der fhwarze Schwan,
Wo die Schwefelfeen wallen.
Und im Grunde tief da kracht's,
Schlüpft kein kühler Wind hinein.
Darum fpufen wir des Nadıts,
In dem kühlen Mondenfhein.
Sindbad.
fu, Landsmann! Was find das für garftge Lieder?
Sefpenft.
Sind Soldatenlieder, Jugendtollheit!
Leichter wird die Bürde, wenn ich finge.
Sindbad (kei Seite.)
Zuletzt macht er mir bange; fürdte faſt,
Es iſt nicht ganz geheuer eben hier.
(Er ſteht ſtill.)
Gefgenft.
Fort nun, fort, daß diefe Fromme Seele,
Die ich ſchleppe, nicht das Ziel verfehle.
(Zornig.)
Fort! Wo nicht, ER ih Dir zu die Kehle,
oder die WBunderlampe. 179
Sindbad (bei Seite.)
S ift ein Geift, bei meiner armen Seele!
Eaut.)
Ah, ad), Herr Köhler! Ach, id) gehe ſchon,
Ihr braucht die Gurgel mir nicht abzufchneiden,
Ich geh? ohnedem! Ich geh’ mit Freuden!
(Beide ab.)
Vorzimmer in Aladdins Palaſt.
Sindbad, Hindbad
(der auf dem Boden noch in Ohnmacht liegt.) -
Das Zimmer ift voll Nifchen und Marmorbilder; eine geoße ſchwarze
Eule fist im Hintergrunde auf dem Bilde der Gerechtigkeit und ſtarr
immer auf Hindbad.
Sindbad (betrachtet ihn.)
Sie hat fid) nody nicht recht erholt. Ha, hai!
Id) muß darüber immer herzlich lahen,
Wenn meiner Angft im Wald’ ich mid) erinnre.
Der brave Mann! der mir fie tragen half,
Glaubt’ idy nicht gar zuleßt, er wär’ ein Geift?
'S ift doch entſetzlich mit dem Aberglauben,
Ganz kann man ihn doch nicht vertilgen. Ja,
Wenn's heller Tag iſt, in der großen Stadt,
Wenn alle Straßen voll von Menfchen find,
Dann hat e8 feine Noth; da bin ich keck;
So daß idy ordentlidy mic zwingen muß,
Bisweilen an den lieben Gott zu glauben.
Des Nachts dagegen, fo im finftern Walde,
Wenn Stürme braufen und wenn Eulen fchrein,
Und wenn die Hundertjähr’gen Eichen zittern,
Und ihre Haare hoch zu Berge ftehn —
Da glaub’ ich gern an Gott und an den Teufel,
IR!
180 Aladdin
An Alles, was man fid) nur wünſchen mag. —
Sie regt fih? Endlid wird fie wieder nıunter,
Hindbad (Schlägt die Augen auf.)
Mas feh ich! Wie bin ich hieber gefommen?
Sindbad.
Auf dieſem Rücken!,
Hindbad citeht auf.)
Du haft mich getragen?
Sindbad.
Hab’ ih? Nun das war brav von mit getan,
Hindbad.
Ich fiel in Ohnmacht.
Sindbad.
Das kann leicht Degegnen.
Kir Menſchen find zerbrechliche Gefäße.
Ihr könnt nidyt Lilien riechen, das kann id);
Bei weitem aber Kaben nicht jo guf.
Ein Ieder hat fo feine ſchwache Seite,
Hindbad.
Die garſt'ge Liliel Lieber! fagt aufrichtig,
Hab’ ich was Dummes auf dem Weg geplaudert?
Sp in der Fieberhitze?
Sindbad.
Henn ihr immer
Dergleihen Neden hübſch im Munde führt,
Steh’ id Eud) dafür ein, es wagt fi nicht
Ein unvernünftig Wort auf Eure Lippen.
Hindbad.
So ſchwieg ich fill denn?
Sindbad.
Maufeftill.
oder die Wunderlampe, 181
Hindbad.
’ Ihr feid
Wohl müde, armer Mann?
Sindbad.
Hat nichts zu fagen.
Ich könnt’ Euch wohl auf folde Art und Weife
Einmal fo weit noch fragen, unermüdet.
Dody geht! Hier ift ein Bote ſchon geweien,
Ic faat’ ihm aber, dag Ihr ruhen müßte
Nach Eurer Wandrung.
Hindbad.
f Nun, das war vernünftig.
(Betrachtet feinen Ara.)
Wie Du mid) aber hart gefaßt! Mein Arm
It blau von Deinen Fingern.
Eindbad.
Wenn Ihr wieder
ad) Haufe kommt, waſcht Euch mit Branntewein ;
Da geht es wieder weg. Nehmt es nicht übel;
Man Eennt nidyt immer feine eignen Kräfte.
Hindbad.
So geh id; und weil Ihr mir treu geholfen,
Werd’ ich in’s tägliche Gebet Euch ſchließen.
Sindbad.
Das wünſch' ich eben. Aber ſagt, bei Wem? -
Hindbad.
Bei wem wohl beſſer, als beim Lieben Gott!
Sindbad (verdrieglic.)
Das kann id) ſelbſt, fo viel es nöthig ift.
Nein, feht ihe wohl! wenn jest Ihr unfern Prinz
GSeheilt, dann wird er Euch affeftionirt,
182 Aladdin
Und ſchlägt gewiß Eud) feine Bitten ab.
Erinnert Eudy dann mein! Mehr fodr? ich nicht
Für meinen langen mühevolleun Gang.
Hindbad,
Das werd’ id. -
Sindbad.
Scht, id Bin des Schuſterns müde,
Das ift die niedrigfte der Profeffionen.
Strumpfwirker, Schneider fteigen höher gleich.
Don dem Barbier will id) nun gar nicht reden,
Lebt in verfrautem Umgang mit dem Kopf.
Vergeßt mein nicht, wenn Eud) die Freude winket!
Hindbad.
Ih werd’ Eud) nicht vergeſſen.
Sindbad.
So ein Dienft,
Wo wenig nur zu thun ift, viel zu nehmen,
Nun, kurz und gut, ein Hof-Amt, liche Fran!
Hof-Bettbereiter zum Erempel, der
Das Bett von den Bedienten maden läßt,
Und felber ſchläft.
Hindbad.
Ihr ſpracht vom Narren neulid).
Sindbad.“
Ja, ja, ſo etwas. Hab' ich erſt das Hof-Amt,
Dann kommt der Narr von ſelbſten bald.
Hindbad.
Lebt wohl,
Id werd’ Euch nidyt vergeflen, wahrlid nicht.
a"
. oder die Bunderlampe. 183
Sindbad.
Sp wünfdy ich Euch viel Segen, Heil und Glück,
Und die Erfüllung aller Eurer Wünſche. *
b.)
Hindbad (alein.)
Biel Heil und Glück? Daß es gelingen mag? —
Id) danke Dir, — Wie bin id) dod) fo matt.
- Und diefe Obnmadyt! die Erfchginung! War
Es eine Geifterwarnung? Brennt Noureddin?
Gicht es ein Leben nad) dem Erdentode?
Giebt's einen Himmel? Eine Hölle?
(Er wird die Eule gewahr.)
Mas?
Da fist ja eine Eohlenfhwarze Eule
Dort auf dem Marmorbild, und blidt midy an
Mit Feueraugen! Pflegen doch die Eulen
Sonft nidyt des Tages Helle zu vertragen.
Wie ift fie hier in's Haus herein gekommen?
Die Fenfter find doch zugeſchloſſen. Ha!
Dort fehlet eine Scheibe, wie id) ſehe.
Vortrefflich! Diefes zeugt von Leihtfinn, von
Vergeßlichkeit. Er ift der alte Wildfang-
(Er verfinkt in die vorigen Gedanken.)
Jetzt alfo wieder morden — morden!
(Er fest ſich.)
Hindbad,
Das kommt vom frommen Leben! Als Fatime
Darf man nur Brot und Kräuter eſſen; Waller
- Statt Wein nur trinken; — ha, da ſpuken gleid)
Die eitlen Dünft im dummen Kopf. Drum laßt
Uns eilen, diefe Lebensart zu ändern.
134 Aladdin
Gewiſſen ift, wie jede Furt, nur Krankheit.
Gerechtigkeit? — Da fteht fie, irr' ich nit;
Ein fteinern Bild. Die ſchwarze Eule fißt
Ihr auf der einen Schale; doch — da ſteht
Die Wage glei. — Ein fehr genaues Bild
Don dem, was man Gerechtigkeit genannt.
Iegt zittern, auf der Schwelle meines Glüds?
Das wäre Schlechtigkeit im, wahren Sinne;
Nein, Hindbad! —
(Fühlt fich auf Die Bruft.)
Hab’ ich Didy mein guter Doldy?
Wohlan! nur muthig fort. Es muß gelingen.
(Er geht hinein. Die Eule fliegt von der Säule weg durch die zer—
brochne Scheibe, und verliert fich in der Ferne.)
Der große Saal.
Aladdin liegt auf einem Sopha. Gulnare tritt herein mit Hindbad
als Fatime,
Aladdin (betrachtet ihn aufmerkſam.)
Biſt Du die heil'ge Frau, die Seel’ und Körper
Zu beifen und erleichtern wohl verfteht?
Hindbad.
En glaubt einfält’ge Frömmigkeit, mein Fürſt!
Ich Din nicht Heilig; Mohamed ift heilig;
Ic bin ein fündhaft und gebrechlich Weib.
Aladdin.
Vermagſt mir alfo nicht den Schmerz zu kindern?
Hindbad.
Die Fürſtin ſagt ja, Du vertraueſt mir!
Komm leg Dein ſchweres Haupt in meinen Schooß,
Und laß Did von den alten Händen ſtreicheln
oder die Wunderlampe.
Doch, follen meine Künfte helfen, muß
Dein befter Schatz grad’ in der Nähe fein.
Es ſcheint fehr wunderbar, fo ift es aber.
Die ganze Kunft beſteht in Sympathie,
Ein Räthſel ift die heilige Naturkraft.
Aladdin.
So hör’ idy gern Dich ſprechen, frommes Weib.
Wohlan, mein befter Schatz ift in der Nähe.
Sulnare! nah’ Did), Liebe, meinem Lager.
n Hindbar.
D Fürſt! Du haſt ein edles, treues Herz!
Ia wohl! Die Gattin ift der größte Schatz
Den fid) die reine Seele wählen konnte: -
Sier gilt es aber nur dem bloßen Körper;
Drum mus der Schaß aud) bloß ein Körper fein.
Ich weiß aus Heiliger Eingebung wohl,
Dein befter Schatz ift eine Kupfer-Lampe.
Aladdin.
Wohlan! dann weißt Du auch, daß ich die Lampe
An meinem Bufen trage.
Hindbad.
Ia, gewif.
5 ift aber nötig, der Gefundheit wegen,
Daß Du den, Bufen mir entblößeft; ich
Muß bald die Lampe, bald Dein Haupt berühren,
Ep werden des Metalls magnet'ſche Kräfte,
Mit meinen Fingerfpigen nah’ vermählt,
Dir. bald den Dunft aus Deinem Haupt vertreiben.
(Er zieht feinen Dolch hervor.) j
Laß Dich erfchreden nicht, mein edler Herr!
Der blanke Dolch allhier ift auch vonnöthen,
186 Aladdin
Wenn mir das Ganze recht gelingen foll.
Ic muß die Lampe mit dem Dold) berühren;
Denn cben durd) den innigen Verein
Berfchied’ner Erze, wenn was Flüffiges
Dazwiſchen kommt, Eannft Du genefen wieder,
(Er will ihm den Dolch auf die Bruft fegen.)
Aladdin
(ipringt auf, greift ihn und wirft ihn zu Boden.)
Ha, Mörder! Du follft nit mein Blut vergiegen!
Gulnare.
O Himmel! — welche That! — Die fromme Frau —
Aladdin.
it der verrucht'ſte Böſewicht auf Erden. +
(Er greift den Dolch und ſetzt ihm denſelben auf den Hals.)
Stirb gleid), Verräther!
Hindbad
(auf den Sinieen.)
Herr, ſchenk' mir das Leben.
Aladdin.
Etirb!
Hindbad.
Laß mid) leben, Herr! Ic werde Dir
Ein treuer Diener fein; ich chre Did)
Als Vater, wenn Du wieder mir als Vater
Das Leben fchenfit.
Aladdin.
Nein, diefe Zunge foll
Verſtummen, die nur mit dem Heil'gen frevelt.
Hindbad
(fat ihm in den Arm.)
Was hab’ ih Dir gethan?
oder die Wunderlampe. 137
Aladdin.
Du böſe Natter!
Und mollteft Du mid; meuchleriſch nicht morden?
Hindbad.
Und wenn idy’s wollte, haft Du meinen Bruder
Mir nidyt getödtet? Ruft nit aus der Erde
Sein Blut um Rache?
Aladdin.
Ha, der frehe Mörder!
Hindbad.
Mein Bruder war ein Menfh; Du raubteft ihm
Den Schatz, wonach fein Lebelang er ftrebte;
Kann das Did) wundern denn, daß er Did hafte?
r Aladdin,
Ha, Fuchs! Du windeft Dich nicht aus der Schlinge
(Er klatſcht in die Hände, ein Sklav kömmt.)
Man bringe mir zwei Damaszenerfchwerter!
(Der Sklav richtet den Befehl aus und geht.)
Eich, Hindbad! Ehrlich war mein Lebenswandel
Bis heut, ganz offen, rein und unverblümt.
Du biſt ein ſchlechter Menſch, und fterben ſollſt Du.
Doch will ic) die Gelegenheit Dir rauben,
Hier über Mordthat und Gewalt zu Elagen.
Ich traue meinem Arm und meinem Nechte.
Nimm diefes gute Schwert! Du zitterft, Sklav?
Kann Unfhuld zittern, die auf Recht vertraut?
Nimm diefes Schwert. Bei Gott! die freche Stirn
Sol länger nicht des Himmels fpotten. Küffen
Sollſt Du mit blut'gem Munde bald den Staub.
Hindbad.
Und tödt' ich Dich allhier, was wird mein Schidfal?
188 Aladdin
A Aladdin
(nimmt die Lampe aus feinen Bufen und feßt fie auf die Erde.)
Ich ſetze hier die Lampe zwifchen uns.
Der Sieger kann fid) ihrer gleich bemächt'gen,
Und Feine Macht vermag ihn zu verlegen.
Gulnare.
” Aladdin! Heil'ger Gott, was wageſt Du?
Aladdin.
Muth gegen Feigheit, Stärke gegen Tüde!
Bertheid’ge Di! Ha — oder, kei dem Em’gen!
Ic fpalte Dir den plattgedrüdten Schädel.
Hindbad nimmt das Schwert.)
Chor
unſichtbarer böſer Geiſter.
Ach, verrannt wird
Jetzt die Laufbahn,
Jetzt beraubt ſind
Wir des Freundes!
Und mit Beiſtand
Können mehr nicht
Auf dem Kampfplak
Wir dabei fein.
Denn im Sweifampf,
Gegen Bruft Bruft,
Wir nur furdtiam,
Ohne Muth find.
Wir verftehn ung
Auf das Schwert nid.
Mit dem Dolch, bloß
In dem Nadıtgraum,
En a nn nn nn
rn hi
oder die WBunderlampe.. 189
Einen Mord ftil
Wir begehn.
Eich an unfere Betrübniß!
Kannit Du nicht, Hindbad, den Doldy ihm bei dem Rückgrad
Hinterrüds durdy einen Sprung jetzt einftoßen?
Als ein Freund drüd’ an die Bruft ihr, und erwürg’ ibn.
Bald Dein Sieg dann foll gelobt fein, hoch lautauf.
Als ein Aal fhlüpf aus der Hand ihm! Sei fhleunig!
Be ift, Hindbad, jegt Deine Lift, Deine Kunft, Deine Klugheit?
Als ein Neidhart Du erliegft!
Chor guter Geifter.
Seht, der Wüthrich zittert ja ſchon!
Jetzt ift Alles fobald vollbracht.
Brauchen dem Freunde nicht beizuftchn,
Brauchen ihn aufzumuntern nicht;
Herrlid) fteht in der Iugendfraft
Er, das Schwert in der ftarken Hand;
Und mit zuverſichtlichem Blick
Schwingt er leicht das gewaltige Schwert;
Aber in großen Tropfen fteht
Todesangft auf des Neidharts Stirn.
Seht, er wanfet, es fallt fein Schwert;
Dod Aladdin verihonet ihn.
Hindbad.
Laß mid, ein wenig ausruhn, wenn Du noch
Ein wackrer Kämpfer bift!
Aladdin.
Das magft Du auf.
190 Aladdin
Hindbad
(fegt fich und athmet tief.)
Ic ſeh' es ein zulegt, daß bloße Lift
Mus doch der Kraft srliegen. Nun jo will
Ic, aud) zum Teufel gehn’ durch eigne Hand.
(Er bohrt fich den Dolch in die Bruſt.)
Aladdin.
Das haft mit allem Böſen Du gemein.
Denn feine ganze Kraft, ein Gaukelſpiel,
Verliſcht in ihren eignen Nebellicht.
Aladdin und Gulnare ftehen einige Augenblicte gedankenvoll und be:
trachten den Leichnam. Plötzlich wird er von unfichtbaren Händen
ihren Augen entriffen. Eine fchöne und leife Muſik ertönt von der
Kuppel des Saales, und verlöfcht nach und nach jeden bittern Ein—
druck des vorhergehenden Auftritts, Süße, liebevolle Töne dringen in
inre Herzen. Cie umarmen fich entzückt, und ſtehen unbeweglich in
feliger Verwunderung; plöglich fingt ein unfichibarer Chor;
Siebenfach jeßt Deine Sklaven wünfden, Herr, Dir Heil
und Glüd,
Heulend ſchwand der Trauernebel, Blum’ und Sonne kehrt
zurück;
Selbſt haſt Du Dich Held bewieſen, wohl beſtanden die
Gefahr:
Ring und Lampe, nimmer weichend, dienen jetzt Dir im—
merdar.
Geiſter des Ringes.
Wo Ihr geht und wo Ihr weilet, folgen wir im Ringeltanz.
Unſichtbar, doch unzerbrechlich, ſchützet ud) des Ninges Kranz.
Geifter der Lampe.
Und in Eure Lebenslampe gießen wir Eudy reihlih dann
Lebensöl, damit die Lampe hell und freundfid) leuchten kann.
oder die Bunderlampe. 191
Alle Geifter.
Siebenfach jet Deine Sklaven wünfhen, Herr, Dir Heil
und Glüd,
- Haft geftritten, haft gefieget, Blum’ und Sonne kehrt zurüd.
Gulnare.
O ſüße Töne, die mid) body erfreuen!
Aladdin.
Wir danken Eud), ihr unfidhtbaren Treuen!
(Die Muſik und der Gefang fchweigen.)
Der Bezir
- (mit Gefolge geht Aladdin entgegen, auf einem- rothen Sammikiſſen
trägt er Das Diadem.)
Wir bringen, Herr, Dir Freud’- und Trauerfunde;
Der alte Sultan Iebt niht mehr auf Erden,
Hat der Natur Geſetz gehorcht, und iſt
Nach feinen fel’gen Vätern heimgegangen. —
Was uns als treue Diener eines guten, _
° Geliebten Herrn betrübt, erfreut ung wieder,
Wenn wir bedenken, was die Hoffnung uns
Don Deiner Großmuth, Herr, ſchon lang? verſpricht.
So wird denn diefer Todesfall die Herrſchaft
Nur ändern, nicht die Lich’ und den Gehorfam.
Auch, hoffen wir, verjagft Du nicht die alte
Erprobte Dienerfhaft. Wir bringen Dir
Die Krone. Nimm fie aus des Sklaven Hand,
Und fege fie Dir ſelbſt aufs freie Haupt.
(Aladdin empfängt die Krone.)
Allgemeiner Ruf vom verfammelten Volke auf
dem Schloßplatze.
Der ew'ge Allah fegne Verfiens Sultan!
Daß er, der Sonne gleich, mit Luft und Kraft
192 Aladdin
Das Land erleuchte, mit der ſchönen Gattin.
Gulnare lebe hoch, Aladdin Lebe!
Aladdin
dteitt zum Fenſter hin, ſtützt ſich auf die Hand und betrachtet lange
fchweigend die Menge, darauf ſagt er:)
Da drunten ftand id) als ein Eleiner Knabe,
Henn Sonntags id) ſpazieren gehen durfte,
Betrachtete erftaunt das alte Schloß,
Und Eonnte nicht begreifen, wie man doch
Solch trefflichen Palaſt erbauen konnte.
Da drunten warf ich in der tollen Wuth
Den Stein dem Haufen nach, der mich verhöhnte!
Da drunten jauchzen ſie mir jetzt als Sultan,
Als ihrem neuen König froh entgegen.
Wie ſeltſam iſt doch eines Menſchen Leben!
Wie wunderbar ſich Alles kreuzt und bricht;
Ein Spielwerk in der Hand der Ewigkeit.
Ein Wink — und gleich find wir der alte Staub.
Mas ift denn Menfhengröße? Komm Gelichte
Und folge mir zu Deines Vaters Leiche,
Damit fein frommes, bleiches Angeficht
Uns tröfte; — während dies leichtſinn'ge Volk
Zur neuen Krönung fehnell Das Feft bereitet,
Und laß uns dann hinaus zum Kirchhof gehn,
Und finnend uns beim duftenden Hollunder
Auf Morgianens Grab zufammen feßen.
WIE en 7.
W
Adam Oehlenſchläger's
e ER.
Zwölftes Bändchen.
er
Adam Oehlenfchläger's
Zum zweiten Sale gefammelt,
vermehrt und verbeffert.
Zwölftes Bändden.
Breslau,
im Berlage bei Iofef Mar und Komp.
1839.
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NE ———
Adam Oechlenfchläger's
Dramatifche Dichtungen.
Zehntes Bändchen.
Die Fifcherstochter. In zwei Abtheilungen.
—— —— — r C—
Breslau,
im Verlage bei Joſef Max und Komp.
—
1S39.
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Die Fiſcherstochter.
In zwei Abtheilungen,
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An Ludwig Tieckhk.
? Zu meinen Kindermärdyen Eehr’ ich wieder,
Dod kann der Menſch nicht aus fic) felbft heraus;
Noch ſchwingt die Phantafie leicht ihr Gefieder,
Doc) hat der Dichter Kinder, Weib und Haus.
Nicht mehr Aladdin er die Lampe feuert,
Ein Fiſcher, harrt er an dem Strande dreif.
Hat ſich das Hübfche Wunder doch erneuert?
309 er in feinem Neb hinauf den Geift?
Und blühen wieder ihm des Drients Freuden?
Das mag der liebe Lefer felbit enticheiden.
Doch wie die alten Bilder mich beſuchen
Und bringen wieder manch verſchwundnes Glüd,
Kehrt auch lebendig — unter meinen Buchen —
Des Freunds Erinnerung mir treu zurüd.
tidyt blos Erinn’rung — nein, id will ihn finden,
Den meine Seele liebt und Bruder nennt,
Ich fand ihn wieder, Alle Nebel ſchwinden,
Und keine Meinungsform die Geifter trennt,
Aus einer Heimath, denen es gelungen,
Ein Lied zu fingen in verfchiednen Zungen.
'
*
Dir reich ich gern, was in den letzten Träumen
Zu fehn die nord’fhe Mufe fih gewagt.
„Ich habe nie verlangt, daß allen Bäumen
Diefelbe Rinde wachſe“ — Leffing fagt;
Det), edler Tied, wenn aud) in ein’gen Dingen
Verſchieden, ftehen wir ung gar nicht fern:
Den Hippogryph mit breiten bunten Schwingen
Wir reiten nad) dem Wunderlande gern.
Haft mir den Weg gezeigt, vom edeln Britten
In Sturm and Sommernacht vorher geritten.
Mein Tied! id) ſeh' Didy wieder. Helle Thränen
Stehn mir im Auge, Du bift wieder mein.
Holbergs Apoftel, und Du Freund der Dänen,
Du haft nidyt aufgehört mein Freund zu fein.
Die Harfen ſchweigen jet, die friſchen Lieder,
Die uns als Jünglinge fo fehr erfreut —
Wir ſchlagen nod) die Harfent Und wie heut
Zum Grabe lichen wir ung — treue Brüder.
Dresden, im Juni 1831.
A. Deblenfchläger.
\
Erſte Abtbeilung.
Perfonen
Sandib, ein Fiſcher.
Amine, feine Tochter.
Ein Sklavenhändler.
Eine Meerfee.
Agib, ein junger Fürft.
Sloriftane, eine Fer.
Ein Waldgeift.
Hadſcha, ein Mädchen.
Fünf Geiſter.
Zwei Knaben.
Gin Abdallah.
Machmud, Sultan.
Der Vezier.
Duban, ein Arzt.
Ein Sklave.
Ein Scharfridter.
Erfier Aufzug.
Eine aͤrmliche Fifcherhütte am Strande des rothen Meeres,
Zwei SKindlein ſchlafen im Bette, Amine, die ältere Tochter, geht
ihrem Bater Sandib entgegen, der mit Fifcyergeräthen zur Thür
hereintritt.
Amine.
Hat, Vater, einen guten Fang gemacht?
Sandib.
Da liegt und plätfchert Etwas in dem Eimer.
Ich bin der Faftenfpeifen überdrüffig;
Man fteht im Nebel ftundenlang, der Wind
Durchſchauert Einen. Fleiſch verlangt mein Magen;
Bekomm' ich's nicht, bekomm' id) bald das Fieber.
Amine,
Nein, morgen will id) al mein Garn verkaufen;
Für das empfangne Geld Fauf ih Dir Speifen.
Ic will Dir einen guten Pillau kochen.
Sandib.
Reich' mir die Schaale da!
16 Die Fiſcherstochter.
Amine.
'S ift nichts darin.
Sandib.
Hier nichts und da nichts, und am Strande nichts!
Die Hände leer, und leer die ganze Hoffnung.
Amine
(mit unterdrückter Bewegung.)
Du könnteſt Deinen Zuftand leicht verbeflern.
Sandib.
Wie fo, mein Töchterlein?
Amine.
Derkaufe mid)!
Sandib (bei Seite.)
Hat fie mir tief in’s Herz gefhaut? (laut) Ia, Kind,
Dein Glüd würd id) gewiß dadurd) befördern,
Denn Du bift ſchön, es ftünd’ ung leicht die Wahl,
Im großen Haufen der begier’gen Freier
Dir einen guten Käufer aufzufuchen.
Was aber würd’ aus mir, den Kleinen werden,
Don Dir verlafen? Nein! mein Garten fteht
Auf trocknem Sand und bringt nit Vieles ein;
Doch blüht in ihrem Beet die ſchönſte Roſe,
Das einz’ge Köſtliche, was ich befiße;
Nimmt aud der Sturm mir diefe Zierde weg,
Dann wohn’ ic auf der Wüſt'; bald auf dem Kirchhof.
Amine (küßt ihn.)
Du licher Vater!
Sandib.
Habt wohl nichts gegeſſen?
Amine.
Ja doch!
Die Fiſcherstochter. 17
Sandib. |
Im Traum! Nicht wahr? Gar fhöne Schüſſeln;
Der Schlaf — traun, das ift ein gemachter Koch!
Amine, '
Der Schlaf ftärkt, Vater!
Sandib.
Did! doch nicht die Kleinen.
Ein friſches Mädchen blüht in ihrer Fülle,
Saugt, wie die Lilie, Nahrung aus der Luft;
Dod) diefe, armen Pflanzen beugen bald
Die ſchlaffen Häupter, wenn man fie nicht wällert.
Amine
Allah wird für fie forgen.
. Sandib.
Ia — im Himmel!
Im Himmel aber find der Engel g’nug.
Ein armer Vater braucht auf Erden Kinder.
Amine.
Du bift betrübt, ich wollte Didy gern tröften.
Sandib.
Das fannft Du nicht. Geh’ nur zu Bett, mein Kind!
Amine.
Die trübe Nacht trübt Dir das wunde Herz;
Doch morgen wirft Du, in dem ſchönen Frühroth
Ein Hoffnungstiedlein mit der Lerche fingen.
Sandib.
Wohl möglih. Gute Naht, und ſchlafe wohl.
(Sie geht Hinter die. Gardine.)
Sandib (allein)
Was foll ein armer Menfd) nod) auf der Erde?
Wie viel hat er dem Thiere zu Heneiden!
Dehlenf. Schriften. XII.
18 Die Fiſcherstochter.
Da ift fein armer Fuchs, kein armer Habicht,
Sie finden Nahrung in dem tiefen Wald,
In hoher Luft. — Wo aber find’ id) meine?
Mein fpottet das unendlich reiche Meer.
Die Fleinfte Perle Fünnte mid) bereichern,
Doc) geizig ruht der Abgrund auf dem Schatz,
Und gönnt mir nidyt einmal fo viele Fiſche,
Daß id) die armen Würmer ſätt'gen kann.
Wozu bekam ein Unglüdfeliger
Berftand? Empfindung? Um fein Unglück tiefer
Zu fühlen nur, Wär’ dumm id), wie der Seehund,
Stumm, wie der Fiſch, für meinen eignen Schmerz!
Mas Hilft das Winfeln? Nun — das Klagen pumpt
Das Waller Einem wieder vom Verdeck,
Damit das Iede Boot noch ein’ge Zeit
Mit Sturm und Regen und mit Wellen ftreite.
(Man Hört Mufif draußen, Sandib geht hinaus.)
Grüner Plas vor der Hütte.
(Eine kleine Karavane macht Halt. Schöne Sflavinnen fleigen von
den Kanteelen herunter und gehen in bunte Zelte hinein, die von
ſchwarzen Sflaven in aller Eile errichtet worden. Der Sklanenhändler
grüßt den Fifcher, der zur Thür heraustritt.)
Sflavenhändler.
Guten Abend, Fifcher! Haft wohl kaum fo fpät
Gefellfchaft hier erwartet?
Eandib,
Herr, ich grüße Dich.
Mer Hift Du, fremder Herr?
Die Fiſcherstochter.
Sklavenhändler.
Nun, wie Du ſiehſt:
Ein luſt'ger Zeiſ ig und voll guter Laune,
Mit Sklaven, ſchönen Mädchen und Kameelen
Reichlich verſehn. Du biſt ein Muſelmann,
Nicht wahr?
Sandib.
Iſt das zu fragen?
Sklavenhändler.
Nun — ich habe
So meinen Grund zu dieſer Frage, ſiehſt Du!
Ich bringe guten Wein in irdnen Krügen,
Und bin gleich willens meine Abendmahlzeit
Im Grünen und im Mondenſchein zu halten;
Bin aber leider ein Gefellfhaftsthier,
Das nicht allein fhmarogen, trinken mag.
Zwar — der Erzwater Noah, der betrank
Sid ernft und in der ftillen Einfamteit;
Das darf man fo genau mit ihm nidyt nehmen:
Er war Erfinder der Betrunfenheit;
Bon ihm war das fon viel, daß nüdytern er
Allein im Bett befoffen werden Eonnte, _
Doch mit der Zeit reift aud die Wiſſenſchaft,
Steigt und erweitert fi; und was nur Handwerk
Gewefen, wird Fabrit, Manufaktur,
Und ganze Schaaren wirken jest zufammen
Mit Eunfterfahrner Kraft zu einem Ziel.
Nun, alfo — Du bift Mufelmann?
Sandib.
Warum
In dieſe Frage Dir fo wichtig, Lieber?
19
20 Die Fifherstohter.
Sflavenhändler.
Ei, fieht Du, mit den Weibern fann, mit Sklaven
Mag id) nicht trinken. Dod Du bift ein Freier;
Mit Dir wohl mödr id eine Schaale leeren;
Doch wünſcht' ih auch, daß es Dir ſchmecken möchte.
Sandib. _
Nun alfo?
Sflavenbändler.
Biſt Du Jude, Ehrift, bift Heide,
Sp trinkſt Du, wie das Schaf die Duelle trinkt;
Und das hat feine Art; doch bift Du Moslem,
Dann ſchmeckt Dir erft der Wein vortrefflic, weil er
Verboten ift,
Sandih.
Nun ja! Ih bin Redtgläubiger.
Sflavenhändler (uft)
Sp bring’ uns, Kulif, nur fogleih zwei Krüge,
Nebſt Fleifh und Brot und Frücht' und Eingemachtem.
Und feße Du Did auf den Teppich, Freund!
Denn trafen Deine Schlafen, bleichen Wangen
Und Dein erlofchnes Auge mid nicht Lügen,
En haft Du, dent ich, läng’re Zeit gefaftet,
Als es im Koran vorgefchrieben fteht.
Sandib.
Zwar bin ich etwas hungrig.
Stlavenhändler.
Nun, fo if!
(Sie effen.)
Stlavenhändler
(nach einer Pauſe.)
Du biſt ein Fiſcher!
Die Fiſcherstochter.
Sandib.
Ia!
Sklavenhändier.
Das bin id) aud).
Doch Du bift arın, wie foll ich das begreifen ?
Verſtehſt wohl noch das Fiſcherhandwerk fehlecht?
Wo filheft Du, mein Freund?
Sandib.
Im offnen Meer.
Sklavenhändler.
Da haben wir's! Du fiſcheſt, wo gar wenig
Zu finden iſt, nichts an der Angel beißt.
Du — Nun, trink' einmal und werde klüger.
(Sie trinken.)
Sandib.
Wo fiſcheſt Du denn, Freund?
Sklavenhändler.
Im Trocknen.
Sandib.
Wie, im Trocknen?
Sklavenhändler.
Mit dem Netze
Der Lit, im Strom der üpp gen Leidenſchaften.
Im trüben Wafler fiſcht man ftets am beften!
Doch meine Fifhe haben Feine Schuppen,
Sind glatt und rund, gefdymeidig, Tauter Yale.
Du bift wohl jest zu alt — wärft Du ein Jüngling
Und rührteft einen meiner Zitteraale, —
Id weil’, es zuckte Dir durd) Mark und Bein,
Im Trocknen, Fisher!
a
22 Die Fiſcherstochter.
Und in der erften Stunde würdeft Du
Den Mond kaum von den Sternen unterfdeiden.
Sandib.
Du biſt ein luſt'ger Kopf.
Sklavenhändler.
Ganz recht! Doch Du
Bilt ein betrübtes Herz; das thut mir leid.
Sandib.
Nun — auf Dein Wohlergehn!
Stklavenhändler.
Und auf das Dein’ge.
(Sie trinken.)
Sandib.
Dein Wein ift ganz vortrefflich, lieber Herr!
Doch — Deine Schönheiten? Ad) ja, warum nicht?
Die Eleine Blonde dort war gar nicht übel.
Stlavenhändler.
Nicht übel? Wie zum Teufel, alter Murrkopf,
Willſt Du noch kritteln?
Sandib.
Nun — ſo große Schönheit
Hat früher man geſehen.
Sklavenhänhler.
Ja — im Kruge!
Sandib.
Nein, nein!
Sklavenhändler.
Ein Bild im Waſſer? Eine Meerfei?
Pa Sandib.
In meiner eignen. Hütte!
Die Fiſcherstochter. 23
Sflavenhändler (aufmerkfam.)
In der Hütte?
Sandib.
Selbſt hab’ ih eine Tochter, die ber Gott
Weit ſchöner if.
Stlavenhändler.
In Deinen Augen? Ia,
Das glaub’ id. In der Einbildung, und durd)
* Zauberbrille eitler Vaterliebe.
Sandib.
Eich ſelbſt! Die Thür fteht offen, und fie fchläft
Schon auf dem Lager.
Sflavenhandler
(ichaut hinein und fagt erftaunt, leife.)
Allah! welche Schönheit!
—— Goldſtück iſt ſie reichlich werth.
Sandib (immer trinfend‘)
Nun, Freund, was ſagſt Du jetzt?
Sklavenhändler
is den Vorhang wieder fallen und fegt fich gleichgültig auf feinen
Platz.)
Ja, ſie iſt recht hübſch.
(Für Sandib wieder eingießend.)
Ich merke, Fiſcher, Du biſt Philoſoph:
Du haſt die Armuth nicht aus Noth gewählt,
Du liebſt fie, treibſt fie nur aus Eigenſinn.
Sandib.
Wie foll ich das verſtehn?
Sklavenhändler.
Mit dem Verſtande,
Wenn ſonſt Du einen haſt. Die ſchönſte Nuß
24 Die Fiſcherstochter.
Hältft Du in Deiner Hand, den ſüß'ſten Kern,
Und magft nur nicht die dünne Scyaale Enaden.
Sandib
Und welden Kern? -
Stflavenhändler.
Sag’, künnen taufend Goldſtück
Did glücklich maden?
Sandih.
Wie bekomm’ id) die?
Sflavenhändler. 5
Slaubft Du, die Tochter freue fih in Armuth,
Als Kinderwärterin, und Nebe ftidend?
Ich wette, lieber möcht' in’s eigne Neb
Sie einen Freier fangen.
Sandib.
Das iſt möglich!
Die Zeit, die Sorge!
Sklavenhändler.
Ja, ganz recht! die Sorge.
Denn mit der Zeit verſchwindet auch die Schönheit,
Und Sorg' und Kummer ſtellen bald ſich ein.
Sandib.
Ein wackrer Eh'mann iſt nicht leicht zu finden.
Sklavenhändler.
O zehn für einen! Doc) erſt muß er fehn.
In Deiner Hütte bleibt fie unbekannt,
Wie unter naflen Blättern eine Knospe,
Und welft, eh' fie geduftet hat. Gieb mir
Die Schöne! Taufend Goldſtück' geb’ id) Dir;
Und jeder bat gewonnen, alle Drei;
Die Fiſcherstochter. 25
Sandib.
Du biſt ein Sklavenhaändler, merk' ich wohl.
Sklavenhändler.
Pfui Teufel! Glaubſt, ich würde mich ſo tief
Erniedrigen? Sklavinnenhändler bin ich;
— einen Goldſchmid wohl vom Goldſchmid —
Sandib.
Ich meine Tochter Dir verkaufen? Ha!
So wär' ich ein Nichtswürdiger, nicht werth,
Je des Propheten Paradies zu ſchaun.
Sklavenhändler.
Hör’ mid) und thu’ nachher, was Dir gefällt.
Was wünfdt fid) bald ein Mädchen? Einen Mann!
Was noh? Ein gutes Haus, Wohlftand und Segen.
Was wird der Tochter, wenn fie bei Dir harrt?
Armuth und Elend! Alle Tage Jammer.
Ic kaufe fie für eine große Summe,
Und hoffe durd) den Kauf dod) zu gewinnen;
Alfo verkauf ic) fie an Feinen Lump.
Ein reicher Edler kann fie nur erftehn;
Iſt er auch hübſch, dann wird fie bald ihn fieben.
Ich gebe Dir mein Ehrenwort darauf,
Ich werde fie an einen guten, fchönen,
Vornehmen Herrn verkaufen. Ales hat fie
Dann, was fie braucht; und Du haft ebenfalls
Das Tanaperonanäit, unverhoffte Gold.
Sandib.
Sie liebt mid) und die Kleinen gar zu fehr.
Sflavenhändler dadt.)
D ja, das glaub’ ih. Hab’ ich doch ſelbſt Mädchen
26 Die Fiſcherstochter.
Gekannt, die Beine Hund’ und Kagen kosten,
Weil fein Geliebter da war.
Sandib.
Glaubſt Du wirflid,
Eie würde diefes Schickſal überleben?
Sflavenhändler.
Sich’ meine Puppen da! Eie fpielen, tanzen,
Sie Schlafen zuverfichtlid im Gezelt,
Und Iaffen mid) und das Verhängniß walten.
Glaubſt Du von anderm Thon Dein Kind gebildet?
Sandib.
Ha, Weiber! Schwache, wanfende Gefhönfe!
Sflavenbäudler.
Ia, nächſt den Männern wüßt' id auf der Welt
Nichts Schwankenders und auch Charafterloferes.
Geht es uns beffer, wenn als Miethlinge
Wir in die erfte Schladyt zufammenlaufen?
Erft wird geweint, von Eltern und Gefdwiftern,
Don Muhmen, Baſen Abſchied Fromm genommen,
Geheult, geſchluchzt. Und doch — im erften Khan
Da trinken die Kam’raden Brüderfchaft,
Das Auge wird getrodnet. Ein’ge Tage
Verlaufen kaum, und Alles ift vergeflen.
Da wird gefiegt, geplündert und geraubt;
Und der, der chen felöft am meiften weinte,
Sieht ruhig Andre weinen, deren Thränen
Er alt verfhuldet. — Freund, fo ift die Welt!
Sandib.
Fürwahr, recht eine böfe Welt.
*
Die Fiſcherstochter. 27
Stlavenhändler.
Was bös?
Ich kenne feine beffere.
Sandib.
Doch kann ich
Mir eine beſſre denken.
Sklavenhändler.
Ja, warum nicht?
Der Herr Gott ſollte Dich gefragt nur haben,
Als er die Welt erſchuf! Da wär' es ſchöner
Geworden. Nicht? Wir hätten Abende
Dann ohne Mücken, ohne Mittagsſchwüle
Den Tag bekommen. Auf die Blätter hätte
Kein Wurm, kein Ungeziefer ſich gewagt;
Und ſelbſt im ſtärkſten Regenwetter hätteſt
Du auf den Straßen keinen Koth gelitten.
Sandib.
Zwar bin ich nur ein Fiſcher; doch ein Derwiſch
Hat mid) erzogen und Grundfäße tief
Mir eingeprägt, die mir hernady im Lehen —
Sflavenhändler.
Zu großer Unbequemlidykeit gewefen.
Sandib (trinkt)
Pedantiſch bin ic) nicht, und mein Gewillen
Sträubt gegen einen guten Trunk ſich nicht.
Sklavenhändler.
Und auch nicht gegen einen vollen Beutel.
Sandib.
Du fagft: fie würde glüdlid) fein?
28 Die Fiſcherstochter.
Sklavenhändler.
Gewiß
So glücklicher, als in der Armuth Hütte.
Sandib
(immer mehr berauſcht.)
Und kann ich ſie beſuchen, wo ſie wohnt?
Sklavenhändler.
Ja freilich! Wenn ſie Sultanin geworden.
Sandib.
Wie? Sultanin?
Sklavenhändler.
Kann es geringer ſein?
Sandib.
Gut! Ich verkaufe fi. Sch, nimm fie gleich,
Heil fie noch ſchläft! Denn wacht fie auf, weint fie,
Dann ift’s um mid) gefchehen. Nimmermehr
Will ic) fie wiederfehn. Ein einz’ger Blid
Bon ihren Augen würde Deine Nede
Zu Boden ſchlagen. — Geh’! — Ic) trinke fort
Indeß, Muth zu bekommen. An die Kinder,
Die mutterlofen Waiſen, will idy denken,
Die id) mit Hülfe diefes Gelds ernähren,
Erziehen kann. Das danken wir Aminen.
Sie ftand uns immer bei, freu in der Noth.
Sflavenhändler.
Gut, gut! ich hole fie.
(Er winkt feinen Sklaven, Amine wird auf dem Ruhebette fchlafend
herausgetragen.)
Sandib (fortteintend.)
Alfo verfpridft Du:
Sultanin fol fie werden?
Die Fiſcherstochter
Sklavenhändler.
Nur ein Fürſt
Kann ſolche Perle kaufen.
Sandib.
Siehſt Du wohl —
'S iſt nicht das erſte Mal — Wie heißt Du doch?
Sklavenhändler.
Bedreddin heiß id.
Sandid (umarmt ihn.)
Nun, Gott beſſre Dich!
Du kannſt cs nöthig haben. — Küffe mid)!
Sklavenhändler.
Recht gern, mein lieber Bruder.
Sandib.
Höre mich!
Vergiß nicht, was Du eben fagen wollteft! —
Es ift mir oft fhon durch den Kopf gefahren,
Wenn id) ganz nüchtern war. — Und glaube Du
Nur nidyt, dag mir der Wein — Der Bein ift gut!
Wo ift er her?
— Sklavenhändler—
Von Ceylon.
Sandib.
Ceylon hoch!
Da liegt der alte Adam ja begraben.
Nur glaube nicht, daß Du durch Ueberredung —
Denn freilid) bin ich arm und jegt berauſcht,
Und deshalb bin ic) luſtig; aber nüchtern,
Und nüchtern bin ich meine meifte Zeit,
Da fraur ic) tief. — Die Arme! Hülle fie
Gut in die Tücher ein. — Ich will fie küſſen!
29
30 Die Fiſcherstochter.
Sflavenhändler.
Haft ja geſagt, Du wollteft fie nicht fehn.
Sandib.
Der legte Zug hat mid) beherzt gemacht.
(Seht hin und küßt fie.)
Nun lebe wohl, Amine! Jetzt bekommſt
Du einen fhönen Bräutigam. Wenn Du
In feinen Armen felig bift, vergißt Du
Wohl bald den armen Vater. Die Gefhwifter,
Den Kleinen Lolo darfft Du aber nicht
Vergeflen; denn fie weinen fid die Augen aus,
Wenn morgen fie erfahren, dag Du weg bift.
Sflavenhbändler
(u den Sklaven.)
Jetzt bringt fie in mein eigenes Gezelt.
Sandib.
Und pflegt fie wohl! Das fag’ id Dir, Bedreddin!
An jenem Tage fordr?’ id) meine Tochter
Zurück aus Deinen Händen. Wehe Dir,
Iſt fie dann glüdlid) nicht: ic) hHaue Dir
Den Kopf vom Rumpf!
Stlavenhändler _.
Sei ruhig, lieber Fiſcher!
Du wirft fhon von mir hören.
Sandib.
Ei, was frag’ ic
ſdach Dir, Du Boſewicht⸗ Nach meinem Kind,
Aminen, frag’ id.
Sflavenhändler.
Gut. Ia, ja, von ihr
Soft Du auch Nachricht haben. j
Die Fiſcherstochter.
Sandib
(ihm nachahmend.)
Ja, ja, ja!
Verſprichſt und lügſt in einem Athemzug!
Es koſtet Dir ein Ja nicht mehr als Nein;
Doch wehe Dir, wenn Du mein Kind mißhandelſt.
Sklavenhändler
(su den Sklaven.)
Er ift betrunken. Tragt fie ſchleunig fort,
Und ihr bringt ihn hinein, bringt ihn zu Bett,
Und legt ihm diefen Beutel auf den Til).
Sandib.
Leb' wohl, Amine! Dieſen legten Trunk
Noch auf Dein Wohlergehn. Leb' wohl, leb' wohl!
Und grüße Deinen König, Sultan, vielmals!’
(Er wirft die Trinkſchaale über den Kopf.)
Kein Schuft foll mehr aus diefer Schaale trinken!
Und nimmer, nimmer trin® ich wieder Wein;
Denn tränk' ich mehr, verkauft’ ich wohl diezAndern
Auch bald — ja felbft das Herz mir aus dem Leibe.
(Stolz zu den Sklaven.)
Nun, Knechte, bringt mid) in das Schlafgemach!
Ich bin des Sultans Schwager, follt Ihr willen.
(Sie bringen ihn hinein.)
Die Fifcherhütte. Morgen.
‚ Sandib
(eben aufgeftanden, ruft:)
Amine! Kind, wo bift Du? Schläfſt Du no?
Sie holt vermuthlid) Waffer bei der Duelle.
Ih fühle Kopfichmerz, ſchwer ift mir das Haupt;
Ich hab’ aud) einen niederträcht'gen Traum
31
32 Die Fiſcherstochter.
Gehabt! Wie man fo etwas träumen ann?
Nein, war es ja doch ganz natürlich, daß
Mir davon träumte! Spraden wir davon
Doch kurz vor dem Zubettegehn. — Doch fo
Lebendig! Diefer liſt'ge Sklavenhändler,
Weltklug und Iebensluftig, kalt, verſchmitzt;
Und Mädchen, Zelte, Sklaven und Kamecle!
& (Er ruft)
Amine! Kommt fie nody nicht? Zehnmal könnte
Das Waſſer ja geholt fein.
(Er Schaut hinter die Gardine.)
Gott, ihr Bett
Iſt fort! Und da — da liegt der Beutel wirklich. .
Allan il Allah! Was hab’ ich gethan?
(Er zerreigt fein Gewand.)
Ich, Rabenvater hab’ mein Kind verkauft.
Es ift fein Traum! 'S ift Wahrheit, bittre Wahrheit.
Ha, Böſewicht? Und nun? Ich follte ruhig
Das Blutgeld nod verprafen? Nein, ihr armen
Unſchuld'gen! eure Ehrenlumpen will
Ic mit geftohlnem Purpurſammt nicht ftiden.
Es brennt mir in der Hand das Herengold.
Hinaus damit! Hinaus damit zum Strande!
(Er läuft hinaus, offnet den Beutel, wirft alle die Goldſtücke in’s
Meer und eilt in Verzweiflung von dDannen.)
Eine Meerfee
(fteigt aus dem Waſſer. fest fich auf einen trocknen Stein und
fpricht :)
Schön liegt die Feine Hütte
Hier dicht am rothen Meer;
Das Gras, die Palmen, die Quelle
Scmüden den Drt gar fehr;
Dehlenſ. Schriften. XII.
Die Fiſcherstochter.
Kommt nun ein Fremder gefahren
Im Kahn und ſchaut zurück,
Glaubt er, daß da, ſeit Jahren,
Wohne das ſtille Glück.
Ach, ſähſt Du hinter der Mauer
Die Armuth und die Dual,
Des Vaters Gram und Trauer,
Du Liebteft nicht das Thal!
Hört Ihr es drinnen weinen?
Verlaſſen in der Noth,
Es find die armen Kleinen,
Sie haben. nidt Morgendrot.
Doch diefe Waſſermelone
Werf' ich zum Fenſter hinein.
Ein Goldſtück, von den vielen,
Leg' blank ich auf den Stein.
Das findet der kleine Lolo,
Wenn hier er Muſcheln ſucht.
Ein Haus, wo Unſchuld wohnet,
Wird nicht von Gott verfludt.
Ein Goldſtück follt du finden
Sier jede vierte Woch';
Nicht wird die Fee verfdhwinden,
Sie hilft den Kleinen nod).
Ic liebe den fchönen Knaben,
Er fpielt an meinem Strand.
Ein Scherflein meiner Gaben
Leg’ ic) in feine Hand.
Gerſchwindet im Waſſer.)
0
34 Die Fiſcherstochter.
Zweiter Yufzug.
Wald, bei einer Duelle.
Agib
(des Sultans Sohn, kommt, auf der Jagd verirrt; er hat cin Ja—
gerhörn und eine Flaſche an der Seite hangen.)
as hilft das Nufen? Keiner fteht mir Nedez
So mächt'ger Fürft ich bin, gehorcht mir doch
Kein Baum; felbft die gefhwäß’ge Quelle hemmt
Nicht ihren Lauf, antwortet Feiner Frage.
Ich bin durchnäßt vom Negen; dody der Wein,
Gemiſcht mit Waſſer, fol mein Herz erquiden.
Vergieb, Prophet, mir diefe Fleine Sünde,
(Miſcht Wein und Waſſer in einem Becher und trinkt.)
Jetzt blüht der Wald mir wieder hoffnungsgrün;
Die Wolken theilen ſich, ſchön ſinkt die Sonne,
Und treff' id) mein Gefolg' heut Abend nicht,
Find ich vielleicht doch eine trodne Höhle,
Wo ich die Nacht zubringen kann. Id) bin
Sehr mid’ und fchläfrig von der langen Wand’rung.
(Lest fich hin auf ein trocknes Felfenftück,)
Die Fiſcherstochter.
Wenn nur der Vater es nicht übel nimmt!
Wenn nur die Fee, die mid) fo oft verfolgt
Mit Seufzern und mit närr'ſchen Lichesreden,
Wegbleiben will. Doch fürcht' ic) nidyt den Spuk;
Mit. dreiftem Wort pfleg' ich ihn zu verſcheuchen.
(Er fchläft ein.)
Sloriftane
(eine fchöne Fee, erfcheint,)
Kann eine Fee in einen Sterblidyen
Sich fterblidy faft verlieben? Ach, wie ſchön
Blüht ihm die Wange! Doch, VBerwegner, zittre,
Wenn diefe Liebe ſich in Haß verwandelt,
Biſt du der Einzige, der ſchnöde wagt,
Der ſchönen Floriſtane Glanz zu-trogen?
Jetzt, in dreihundert Jahren — feit dem Tag’,
Als Amgiad, mein Herr und Eh’gemahl,
Sid) thöriht gegen Salomon empörte;
Weßhalb vom Geifterfürften er gefeſſelt,
Im engen Schrein, zum Meeresgrund geſchickt,
Mid) hinterlich als Witw’, ihn Mm betrauern; —
+ Hab’ idy des Herzens Triebe frei befolgt,
Und jeden Wunſch befriedigt. — Du nur wagſt —
Ha, liebt’ ich nicht! Jetzt troßet der Verwegne,
Er weiß, daß zarte Neigung mid) entwaffnet.
Agib! Erwache!
(Sie weckt ihn.)
Agib erwacht.)
Bift Du wieder da,
Berfolgerin? Laß mic mit Frieden! Geh’
Und ftöre meine Ruhe nicht. *
35
36 Die Fifherstodter.
Floriſtane.
Du haſt
Die meinige geſtört. Ich liebe Dich!
Agib.
Pfui, ſchäme Dich! Schickt es ſich einem Weibe,
Selbſt erſt zu frein?
Floriſtane.
Ich bin kein Menſchenkind,
Ich bin ein Geiſt, ein überird'ſches Weſen.
Agib.
Ich wünſche keinen körperloſen Schatten
Zur Ehefrau.
Floriſtane.
Ich bin nicht körperlos;
Laß Dich von dieſem runden Arm umfangen,
Und Du wirſt Körper fühlen. Unter Geiſtern
Giebt's ſchöne Körper, giebt es Weiber auch.
Agib.
Biſt Du ein Geiſt und biſt Du eine Fee,
So ſollteſt Du doch Liebe beſſer kennen,
Die weit mehr geiſtig doch als irdiſch iſt.
Und Freiheit iſt ihr luft'ges Element,
Worin die ſchöne Blüthe nur gedeiht.
Floriſtane.
Verwegner, gar zu ſpät wirſt Du den Hochmuth
Verdammen; wenn ich Deinem Schickſal Dich
Kalt überlaſſe; wenn ein plumper Waldgeiſt
Mich rächt, — weil ich die Rache ſelbſt verſchmähe.
Agib.
Mein Schickſal liegt in des Allmächt'gen Hand.
Verſchwinde nur!
Die Fiſcherstochter.
Floriſtane.
Wohl, Agib, ich verſchwinde;
Doch bei der ew'gen Sterne blaſſem Schimmer,
Mein Wort war mehr als Drohung dieſes Mal.
(Berichwindet.)
Agib Cakein.)
Ha, welde Dual, von einem foldhen ftolzen,
Hochmüth'gen Wefen ſich verfolgt zu willen:
Zwar leugn’ ich's nicht, fie ift fehr ſchön; allein
Sie blendet nur, und fie entzückt mic nic.
Des Mannes Stärke muß fid) vor der Schönheit
Des Weib’s freiwillig beugen. Ihre Stärke
Empört mid) gegen fi. Ganz unnatürlid)
Und lächerlich wär’ auch ein fold Verhältniß.
Ic fühle mid zu gut dazu, ein Sklav
Nur ihrer Luft zu fein- Warum verfolgt
Das Schickſal Den, den es fo ſehr begabt?
Ein Kobold liebt mid) und der Vater haft mid).
Wie unnatürlid beides, Haß und Liche!
(Er fieht fich um.)
Doch idy bin nicht allein. Was feh’ idy da?
Es fist ein Eleiner Greis ja bei der Duelle,
Im fhwarzen Pelz, mit langem Ziegenbarte!
Greis (Cäczend.)
Ach ja! Du liebe Zeit! Die liebe Jugend!
Das brauft und fprudelt! Wird ſchon fachter gehn.
gib.
Sp warm in heißer- Sommerzeit gekleidet?
Sriert es Did), Alter?
37
33 Die Fiſcherstochter.
Greis.
Ja, das Alter friert.
Kalt ift die Nadıt auch nad) den heißen Tagen.
(gib.
Wie Hift Du ſchwacher, alter Mann fo weit
Don Menfhenwohnungen bieber gerathen?
Greis.
Wie ich gekommen, thut zur Sache nichts;
Doch wie nach Haus ich heute wieder gehe,
Das iſt die Frage.
Agib.
Kannſt Du nicht mehr weiter?
Greis.
In toller Jugend bin ich gar zu viel
Herumgeſprungen, und jetzt kommt die Strafe.
O weh, mein Bein!
Agib.
Wie viele haſt Du?
Greis.
Zwei.
Agib.
Gleichſt einem Thiere mehr als einem Menſchen.
Greis.
Man bildet ſich, mein Sohn, nach der Geſellſchaft,
Worin man lebt. Ein wackrer, ſchlichter Landmann,
Der viel mit Thieren und mit Beſtien umgeht,
Bekömmt, wenn ich ſo frei wohl reden darf,
Auch etwas redlich Beſtialiſches
In dem Betragen, das nicht übel kleidet.
Agib (acht)
Da, laum'ger Alter, ſprichſt Du lautre Wahrheit!
Die Fiſcherstochter.
Dft reifen Geift und Herz im Felde mehr
Yıls im Gefellihaftszimmer. Weil Du aber
Ein folder Beftienfreund bift, follten billig
Die Thiere dankbar Did) vom Drte ſchleppen.
Greis,
Wie viel gab’ id) dazu, wenn hier id) hate?
Ein Pferd, zum wenigften doch einen Efel!
Dod) in der Noth hilft man fid) wie man Bann:
Mein lieber Sohn, Du hoffnungsvoller Züngling!
Laß eines Greifes Bitte Did) bewegen,
Und trage midy auf Deinen breiten Schultern
Nur über diefen feihten Bad). Unfern
‚Des Ufers wirft Du meine Hütte finden.
Agib..
Wie fhmeihelhaft! Im Mangel eines Efels
Nimmit Du —
Greis.
Mit einem Menfchenkind vorlieb.
Komm’, guter Iunge, mache Dich nicht Eoftbar.
Agib.
Die Blume der Beredſamkeit blüht Dir
Auf Deinen Lippen; wer kann widerſtehn?
Nun ja! Des Spaßes halber fei dem alfo
Und wenigftens ift dies Verhältnig mir
Ganz neu; wenn reizend nicht, doch maleriſch.
Sp ſetze Did) getroſt auf meinen Rüden.
Ich will Dein Pferd fein. .
Greis,
Das iſt hübſch von Dir,
39
40 Die Fifherstohter.
Hilf mir nur erft hinauf auf diefen Stein!
Ic bin fehr alt und fteif in den Gelenken.
(Agib Hilft ihm hinauf, er reitet auf feinem Nacken.)
Agib.
Doch was iſt dies? Bocksfüße haſt Du ja!
Greis.
Ich bin ein wenig haarig an dem Schienbein,
Und dünne Waden hab' ich ſtets getragen;
Doch mangelt gar nicht Kraft mir in den Knochen.
Agib (bei Seite.)
Ih fürcht', ich habe nen dummen Streich gemacht.
(Laut.)
Jetzt durch den Bach bin ich mit Dir gewatet,
So gehe wieder ſelbſt nach Deiner Hütte.
Greis
(klammert ſich feſt an ihn.)
Nein, nein! Es iſt ein gar zu ſchöner Abend,
Im Mondſchein wollen wir ein wenig wandeln.
Agib.
Ich werfe Dich in's Gras!
Greis.
Ja, wirf' nur Du!
Mich wirfſt Du aus dem Sattel nicht. Zum Gehn
Zwar taugen mir die Beine nicht; doch können
Sie feſt ſich klemmen noch, wie Hummerklauen.
Agib.
Gerecht iſt Allah! — Schone, Du erſtickſt mid), .
Ic trage Did), wohin Du willſt, nur tödte
Mid nicht.
Greis,
Was tödten? Bin ich dod) fein Narr,
Die Fiſcherstochter. 41
Und wuͤthe gegen eignes Fleiſch und Blut.
Wer ſchadet thöricht ſeinem eignen Körper?
Agib.
Was Körper?
Greis.
Jetzt biſt Du ein Glied von mir;
Wir ſind ein Leib, mein Sohn, und eine Seele.
Agib.
Ich trage Dich zur Hütte.
—* Greis
(boshaft lächelnd.)
Das verſchlägt
Nur wenig! Nein, zum Grabe trägſt Du mich,
Der Tod nur trennt ung.
Agib.
Allah iſt gerecht!
Greis.
Warum erſchrickſt Du? Iſt denn das ſo ſchlimm?
Fürwahr, Du ſollteſt mir weit lieber danken;
Ich rette Dich vor meiner Kinder Zahn,
Denn Menſchenfleiſch, das iſt ihr Leibgericht.
Agib (entſetzt)
Wer biſt Du? Gott im Himmel, ſag' es mir!
Greis.
Nun, ein geliebtes Kind hat viele Namen:
Ein Satyr, Waldgeiſt oder auch Waldteufel,
Wie's Dir genehmig iſt.
Agib.
O Mohamed!
Greis.
Som kann id) gar nicht über Krankheit: lagen,
42 Die Fiſcherstochter.
Doch Leid’ ich öfter ftark am Podagra;
Muß fißen bleiben bei der Schwäßerin,
Der Quelle, die das Wort nur führen will,
Und nie drauf Achtung giebt, was Andre reden.
Dann mangelt mir Bewegung; ic befomme
Zuletzt den Scharbod. Die verfluchten Knaben,
Die liche Jugend läuft herum und Eehrt
Eid) an den Alten nicht. So fiß’ idy denn,
Id) armer Greis, mir felber überlaffen,
Und muß mir leider helfen, wie id kann,
Kommt nun einmal ein Eräfl’ger junger Sant,
Sp lockt ihn mein Geſicht, ehrwürd’ger Bart; |
Er fühlt gleich Mitleid, nimmt mid auf den Rüden,
Und fiß’ id) einmal da, fo wird er mid)
Sp wenig wieder los, wie das Kameel
Den eignen Budel. Meine Kinder wollen
Ihn ſchlachten, freffen gleich; ich aber fage:
Still, ſtill, ihr Lieben! Nur Geduld, Geduld!
Erſt laßt mich ihn gebrauchen! Wenn er nicht,
Matt, abgeh ärmt, den Fuß mehr rühren kann,
Dann iſt noch immer Zeit zum Schlachten da.
Sp thun’s die Menfchen ja mit Ochs und Pferd;
Sie find vernünftig, und fie können ung
Zum Mufter dienen, wie wir handeln follen.
Schon viele Kerle hab’ ich fo gebraudıt;
Doch foldy ein ftarkes Roß, wie Du bift, ift
Mir noch nicht vorgefommen. Trage mid)
Zum Dattelbaum und reich' mir ein’ge Früchte!
Agib.
D Bott, welh Schickſal gleicht dem meinigen?
Die Fiſcherstochter. 43
Ich bin des Königs Sohn! Des Vaters Wille
Beherrſcht dies Reich.
Greis.
Nicht uns. Wir huldigen
Nicht ſeiner Macht, ſo wenig wie der Vogel
Im Baum, und wie die Schlang' im ——*— Graſe.
Agib.
Geſundheit, Jugend, Shinket, Geiſt und *
Hat. Allah mir verliehen, tauſend Sklaven
Gehorchen meinem Wink, dreihundert Weiber
Wetteiferten, dem Herrſcher zu gefallen —
Und jetzt —
Greis.
Biſt Du ein Pferd! Sonſt warſt Du Fürſt.
So geht es! Auf und nieder in der Welt!
Doch jetzt bin ich des Wimmerns überdrüſſig.
Bas thäteft Du wohl, wenn Dein Roß ſich bäumte?
Du ließeſt es die fharfen Sporen fühlen,
Die Peitſche! Nun, das will “ aud) "mal thun.
Agi
O Schickſal, ſchwer, ſchwer wi Du mid darnieder!
Greis.
Ich bin nicht ſchwer, ich armer alter Mann,
Bin faſt nur Haut und Knochen. Höre jetzt!
Des Nachts ſchläfſt Du zum frühen Morgenroth;
Ich hange feſt, und drücke Dich im Traum,
Damit Du wieder nicht weglaufen ſollſt.
Dann gehen luſtig wir ſchnell durch den Wald
Und eſſen Datteln, ſchmatzen füge Trauben,
Und trinken friſches, kühles Quellenwaſſer.
Iſt das nicht gut? Was klagſt Du dann? Du brauchſt
44 Die Fiſcherstochter.
Auch eben nice zu ſtark Did) anzuftrengen,
So wie mein felger Letzter, der den Blutfturz
Bekam. — Sieh’, da hängt eine ſchöne Nuß,
Die fnade mir. Ich habe fehlechte Zähne.
(Agib Enackt inm Die Nuß, der Greis ißt fie.)
Agib
Cleife, die Hand an feine Feldflaſche legend.)
D war’ es Gift, was deine Höhlung birgt,
Bald künnteft Du mid) von der Qual befrein!
Greis. 377
Was haft Du da? Trägft Waifer in dem Kürbiß?
Agib deife.)
Ein Blitz der Hoffnung zudt durd meine Nacht.
Hier hab’ ich Blut für diefen braunen Igel;
Und wenn er mehr nicht faugen kann, fo Fällt
Er mir vom Körper los.
Greis.
Was wisverſt Du?
Agib.
Du fragteſt, was ich in der Flaſche trage?
Wenn ich es ſage, glaubſt Du mir wohl kaum.
Greis.
Warum nicht? Immer lügen nicht die Menſchen,
Mitunter können ſie wohl Wahrheit ſprechen.
Agib.
Ein mag'ſcher Saft birgt ſich in dem Gefäß,
Der herrlich ſchmeckt, weit kräft'ger noch als Waſſer,
Und der ſelbſt den Betrübten luſtig macht.
Greis.
So lrink' einmal, Betrübter! Werde luſtig!
Die Fiſcherstochter. 45
Agib (rinkt.)
Jetzt bin ich luſtig;
(Er ſingt ein Lied.)
Greis.
Laß mich auch 'mal ſchmecken!
Das wär' der Tauſend! Kann man darnach ſingen?
Nun weiß ich alſo, wie's die Vögel machen;
Oft hab' ich ſie beneidet. Laß mich ſchmecken!
Agib.
So viel Du willſt.
Greis (rinkt)
O füßer, kräft'ger Trank.
Agib.
Nicht wahr?
Greis—
O Zaubertrank, o Freudentrank!
Agib.
Hei, luſtig!
Greis.
Luſtig! Wie muß doch das Vieh
Euch Menſchenvolk beneiden, daß ihr ſolche
Getränke brauen könnt.
Agib.
Wir thun es, um
Euch ähnlicher zu werden; wenn wir trinken,
Dann werden wir auch Vieh.
Greis.
Je mehr ich trinke,
Bad idy ein Menſch. Ich denke, fühle, lache,
Ich weine — und der — Ernſt
Verläßt mid ganz.
46 Die Fiſcherstochter
Agib.
So iſt es eben recht.
Greis.
Je mehr ich aber trinke, fühl' ich mich
Zum Schlaf geneigt.
Agib.
Das iſt die rechte Höhe
Von Glück; wer ſchläft, der weiß von Sorge nichts.
Greis.
So will ich mich in's Gras ein wenig legen;
Doch heilig mußt Du mir vorher verſprechen,
Nicht wegzulaufen.
Agib.
Ei, wo denkſt Du hin?
Greis.
Id) denke nirgends hin; doch ſchwöre mir's.
Agib.
Ich ſchwör's!
Wobei?
Greis.
Agib.
Bei dieſem Freudenſaft!
Greis.
Bei dieſem Saft? Ja, ja, bei meinem Bart,
Der Saft iſt echt. So wollen wir denn gleich
Ein Schläfchen unter dieſem Baume machen
Agib.
Ein! Angenehme Ruh’! Ste i in der Flaſche
Kein Wein mehr? ;
Greis
Leider nein! Sp viel ich drüde,
Die Fiſcherstochter. 47
Preſſ' id) doch Feinen fügen Tropfen mehr
Aus der Drange. Schlafe wohl, mein Kind!
Agib.
Ich danke vielmals!
Greis.
Morgen häng' ich mich
Gleich wieder feſt an Deinen ſtarken Hals.
Agib.
Schön, Alter!
Greis.
Und dann reit' ich Dich, bis Du
Vor Müdigkeit nicht länger laufen kannſt.
| Agib.
Recht wohl.
Greis.
Dann wirſt Du abgeſchlachtet, und
Dann freſſen ich und meine Kinder Dich.
Agib.
Geſegnete Mahlzeit!
Greis.
Trinken Wein dazu;
Den mußt Du uns verſchaffen.
Agib.
Wenn ich erſt
Gefreſſen bin.
Greis (gähnt.)
Ja wohl.
Agib.
Von Herzen gern.
48 Die Fiſcherstochter.
Greis.
Dun jal So hab’ id) denn mein Haus beftellt;
So will id) auf den Lorbeerblättern ruhn.
(Er ſtreckt fich hin und fchläft ein.)
gib
(durchbohrt ihn mit feinem Spieße.)
Erlöſt! Gerettet! Welch ein Wechſelſpiel
Des Glücks! Kaum faſſ' ich meine Rettung noch;
Kaum die Gefahr, worin ich eben ſchwebte.
Fern hör’ id) Hörnerklang. Mein Haufe nah.
Allah, icy danke dir! Boll Demuth knie ich
Im heil’gen Abendroth an heil’ger Duelle,
Hier will id) einen Tempel baun, wo fid)
Voll Andadıt Palmen mit den Blättern neigen,
Dank, Herr des Lebens, für die ſchöne Gabe!
Denn ftaunend ſteh' id) da, wie neugeboren.
(Er wäfcht fich Geſicht und Hande, Eniet und betet aus dem Koran.)
„Du zweifelft dran, ob dir ein Gott
Dom Himmel body hinunterfhaut?
Ha, Schau hinauf! Entdecke da
Die Wolfen und den ftarfen Blik.
Schau’ feine weiten Nebel dort,
Und lichte, blaue Wölbungen;
Und freut fih nod nie deine Bruft,
Und fühlet tief: Vom Himmel fiebt
Ein gnad’ger Gott vol Liebesmacht;
Dann fteig’ auf den verwegnen Fels,
Wo ſich der Adler Nefter baut!
Und zweifelft Du ned, armer Menih!
Dann ftürze did) von Fels hinab,
Die Fiſcherstochter.
Und werde, was Du warft — ein Staub!
Und bleibe Staub, bis Deines Gotts
Lautdonnernde Dromete fallt,
Did) rufend vor das Weltgericht.
Denn lieber Staub und feelentodt
In Allah's Welt, als lebend fredy,
Und zweifelnd an des Ewigen
Vorſehung und en
(Ab.)
Floriſtane cerfcheint.)
Ha, ſtolzer Agib! Haſt Dir ſelbſt geholfen
Durch eigne Klugheit und durch eignen Muth.
Den kleinen Sieg trag’ ich nicht 'mal davon,
Dich von dem grimm'gen Waldesgeiſt zu retten,
Ach, Floriſtane, gar zu ſchwache Fee!
In Deinem Herzen wechſeln Haß und Liebe,
Wie ſchnell vom Sturm verfolgte Wolkenbilder.
Ich lieb' ihn! — Und verdient's der Edle nicht?
Wohlan, ich will auf beſſ're Tage hoffen.
Noch liebt er Keine — das nur tröſtet mich.
Erſt wenn um eine Andr' er mich verſchmäht,
Komm' dann, o Eiferſucht! mit blauer Lippe,
Verwandl' in eine Tiegerin die Taube!
Bis dahin will ich hoffen — und verzeihn.
Werſch windet.)
Oehlenſ. Schriften. XII. 4
49
50 Die Fifherstodter.
Der it te
Des Sultans. Palaſt.
Agib. Der Sklavenhändler.
Sklavenhändler.
Sa, edler Fürft und Herr! bei meinem Bart,
Das ift ein Schag! Nicht blos, was man fo oft
Eud) bietet: Jugend, heit'res, frifches Blut
Und einen ſchönen Körper; aud) das hat fie;
Ein ſchön'res Mädchen ward wohl nie gefehn!
Doch macht nicht blos der Purpur, die Geftalt
Die Roſe zu der Königin der Blumen,
Weit mehr der unfihtbare, geift’ge Duft;
Und meiner Sklavin Geift, ihr fanftes Herz
Und ihre feine Bildung, die ihr, ſcheint es,
Auch die Natur von felbft verliehen hat,
Macht dieſe zarte, ſchlanke Fiſcherin
Zur Fiſcherin faſt aller Männerherzen.
Und wie die Blum’ im Schaͤtten ſchöner wird,
So ziert aud) eine holde Traurigkeit
Den Glanz, und miſcht ihn mit den dunkeln Streifen,
Die Fiſcherstochter. 51
Agib.
Sie trauert? Warum trauert ſie?
Skluvenhändler.
Das thun
Sie all' im Anfang; das macht ſie nachher
Geneigter nur für des Geliebten Troſt.
Agib.
Die bloße Sinnlichkeit kann mich nicht feſeln;
In Wolluſt bildet ſich kein edler Geiſt,
Und jene Weiberthiere ſind mir längſt
Zuwider.
Sklavenhändler.
Wenn ſie Dich nicht feſſelt, Herr!
Geb' ich ſie Dir um nichts.
Agib.
Ha, welche Großmuth!
Um nichts bekomm' ich, was mir nicht gefällt;
Und wenn fie mir gefällt, was zahl’ ich dann?
Sflavenhändler.
Zehntaufend Goldſtück.
Agib.
ur, zehntaufend Goldſtück'
Für Bildung, Herz und Geift, in Baufh und. Bogen?
Sflavenhändfler.
Du fpotteft mein. Sich’ felb ft und prüfe fie:
Da kommt fie eben her mit ihrem Mädchen.
Agib.
Still! Hinter dieſem Vorhang will ich hören,
Was fie mit ihrem Mädchen ſpricht.
4°
52 Die Fifherstodter,
Sflavenhändler.
Ad, Hear!
Mit ihrem Mädchen fpricht fie nichts Geſcheites,
‚Sprich felbft mit ihr.
Agib.
Nein, nein! Ich wünſche keine
Studirte Rede! mit dem Mädchen will id)
Sie ſprechen hören. So fliegt ſich das Herz
Am leicht'ſten auf; und hat fie Geift, fo wird
Der Geift, wie wir, wohl hinter, der Gardine
Verſteckt nicht lange bleiben.
(Sie treten hinter den Vorhang.)
Amine kommt mit Hadſcha, ihrem Mädden.
Hadſcha.
Ach, welch' ein ſchöner, kühler Steinpalaſt,
Und weiche ſeidne Divans längs den Wänden!
In luft'gen Fenſtern duften Blumentöpfe!
Springbrunnen in den Sälen. Sah'ſt Du auch
Den Roſengarten? Alle Gänge weiß,
Mit Silberſand beftreut; und goldne Löwen
Mit Fragengefihtern auf den grünen Terraffen,
Und in den Schwarzen Berten bunte Tulpen,
Und Hyazinth, Narziß von taufend Farben,
Den, weldy ein Glüd! hier wirft Du Herrfderin,
Gewinnft des edeln Iünglings, Agib's Herz,
Und wenn der alte ftrenge Sultan ftirbt,
Dann bift Du Sultanin! Ah, fei dann gnädig,
Und made mid zu Deiner lieben Vertrauten!
Amine
Ha, ſäß' ic wieder blaß im Sonnenfchein
Auf dem Kamel’, fern in der sden Wüfte,
Die Fiſcherstochter.
Dann hätt' ich noch die Hoffnung, daß vielleicht
Ein freundlich Fieber mich erlöſen würde!
Hadſcha.
Kann es Dich ſchmerzen noch, von einem Vater
Getrennt zu werden, der ſein Kind verkaufte?
Amine.
Das hat aus Kindeslieb' er nur gethan.
Hadſcha.
So hat er alſo väterlich gehandelt?
Amine.
Nein! Doch nicht väterlich. Der Vater iſt
Ein Mann; ein Mann muß auf ſich ſelbſt vertrau'n.
Hadſcha.
Er wollte Dir auch einen Mann verſchaffen,
Der Deiner werth iſt.
Amine.
Macht das Gold ihn werth?
Hadſcha.
Es iſt doch eine gute Eigenſchaft,
Doch immer eine ſchöne Tugend mehr
Bei einem Mann. Ach, ſieh einmal, Amine,
Die hübſchen Blumen da!
Amine.
Drei holde Blumen
Verließ ich in der Huͤtte. Die Aurikel
Hat nicht ſo goldne Locken als mein raſcher,
- Mein luſt'ger Loloz — jetzt iſt er betrübt;
Und meine kleine Sara trägt das Haar
Noch krauſer als die dunkle Hyazinthe.
Hadſcha.
Der ſchöne Fürſt wird Dich weit beſſer lieben.
53
54 Die Fiſcherstochter.
Amine.
Hadſcha.
Mein Gott, was ſprichſt Du da?
Den Fürſten nicht? Das iſt ja Hochverrath!
Amine.
Ich den Wollüſt'gen lieben, der ſein Herz
Mit tauſend faden, dummen Puppen theilt?
Hadſcha.
Und woher weißt Du denn, daß alle Tauſend
So dumm ſind?
Ich nimmer ihn.
Amine.
Der Verſtand iſt unter ihnen
So ſelten wie ein Vierklee auf der Wieſe.
Hadſcha.,
Man findet doch mitunter ein'ge da.
Kein Kind ſei mehr! dazu biſt Du zu groß.
Amine.
Für Kindeseinfalt ift fein Menſch zu groß.
Hadſcha.
Weißt Deine Worte beſſer zwar zu drechſeln,
Doch weiß ich — Recht hab' ich bei alledem.
Amine.
Da ſieht man, Hadſcha! Du haſt auch Gefühl;
Wenn auch für Liebe nicht — für Eigenliebe.
Hadſcha.
Da kommt der Sklavenhändler ſchon zurück.
Sklavenhändler kommt.)
Du biſt verkauft, Amine!
Amine Cangſtlich.)
Bier
—
Die Fiſcherstochter. 55
Hadida.
Dem Fürften?
Sklavenhändler
(mit verftellter Gleichgültigkeit.)
Den fie nicht mag, der mag fie auch nidyt mehr.
Der Fürft ſchenkt fie an feinen alten Gärtner,
An Mesrun, der ſich längft ein: fleiß’ges Mädchen
Für feinen Rofengarten dort gewünſcht.
Amine (iron)
Ich athme wieder!
Sflavenhändler.
Nun, gehab Did wohl,
Amine! Ich verlaffe Dich. Gehorche
Seht Deinem neuen Herrn.
Der alte Gärtner Ckommt.)
It das die Sklavin?
Sklavenhändler.
Ja! Sie verſteht die Tulpen gut zu warten,
Auch Roſenhecken zu beſchneiden, Kränze
Recht mit Geſchick und mit Geſchmack zu binden;
Auch fiſchen kann ſie in dem kleinen Teich,
Mit Netz und Angel, wie es Dir beliebt.
Gärtner.
Was ſagſt Du dazu? Magſt Du mir wohl dienen?
Amine.
Von Herzen gern.
Gärtner.
Und dieſes ält're Mädchen?
Sklavenhändler.
Geht mit ſo in den Kauf, Ich will ſie nicht
Von ihrer Freundin trennen. Wer den Ring
96 Die Fiſcherstochter.
Mit dem Demanten kauft, bekömmt für nichts
Das hölzerne Futtral. Sie iſt recht ſtark
Und kann Aminen bei der Arbeit helfen.
Lebt wohl, mein fhönes und mein garftges Kind.
Ab.)
Hadſcha.
Mein garſt'ges Kind! Und: „geht mit in den Kauf!“
Faft ärgern könnt' id) mid), wär ich nicht längſt
Schon gegen ſolche Reden abgehärtet.
Es freu't mich, bei Amine doch zu bleiben,
Und treu, wie ſie, werd' ich Dir Alter, dienen.
Gärtner.
So kommt denn, meine beiden Gärtnerinnen!
(Sie gehen ab.)
Agib.
(ſchlägt den Vorhang ki und tritt entzückt hervor.)
Verwandle mic, o Liebe! Zaub’re gleid)
Des Sultans Sohn in einen Gärtner um.
Der ſchönſten Augen Pfeil hat mid) getroffen,
Und ohn' es fetbft zu wiflen, hat das Mädchen,
Natürlich, ſchlicht und groß, mein Herz gewonnen.
Sie will den Fürften nit? Wohlan, fie fol
In mir den Gärtner nur, den Menſchen Eennen.
Vielleicht vermag der Sklav mehr als der Fürft;
Denn Roſenketten haben oft gehalten,
Ro Eifenketten bradyen.
(Ab.)
Die Fiſcherstochter.
Der Garten. Abend.
Amine Hadſcha. Agib, als Gärtner,
Agib.
Gott grüß' Dich, Holdes Mädchen!
Amine,
Her bit Du?
Agib.
Ein Sohn des alten Gärtners, Deines Herrn,
Er hat von ſeiner neuen, ſchönen Sklavin
Mir viel erzählt, und hat mir auch erlaubt,
Dich zu beſuchen hier.
Amine.
So ſei willkommen!
Agib,
Wie geht es met der Arbeit? It die Kanne
Nicht gar zu ſchwer? Erlaubft Du, daß id) Dir
Im Eimer Waſſer aus dem Teiche hole?
Amine.
Die Eleine hübſche Kanne, die mein Herr
Abſonderlich für mic Hat ſchmieden laſſen,
Iſt gar nicht ſchwer. Der irdne Krug war fchwerer,
Den id) zu Haufe nad) der Duelle trug.
Agib (bei Seite)
Doch, Arme! trugft Du ihn wohl leihtern Herzens!
(2aut.)
Du eine Wafferträgerin? Wer follte
Das an den weißen Händen wohl vermuthen.
| Amine
Man holt ja Waller in der Morgenkühle,
Eh’ noch die Sonne ſcheint, und wäſſert Blumen
97
58 Die Fiſcherstochter.
Auch erſt nad) Sonnenuntergang. Ic hatte
Etets wenig mit der Sonne nur zu thun! °
Agib.
Du fcheinft audy mehr ein Kind des Mondes zu fein:
Wie herrlidy fallen Dir die blonden Flechten,
Wie lange Mondesftrablen von den Schultern!
Amine,
Hat Dir der Vater auch befohlen, Freund,
Von meinen Händen, Flechten ſchön zu fprechen?
gib.
Ach nein! Das thu ich felbit aus freien Stücken;
Dazu ift nöthig fein Befehl.
Amine,
Laß’ es
Doch Lieber bleiben.
2 Agib.
Sind das Zauberdinge,
Die etwa man nicht laut beſprechen darf?
Amine
Du fcheinft ein luſt'ger, loſer Vogel, Freund!
Agib.
. Ein Vogel? Ia, vielleicht! Doc gar kein loſer;
Ic kann nicht fliegen mehr, id) kann nicht fingen.
Amine,
Nicht fingen, la’ ich gelten, viele Vögel
Nur fchreien ſchlecht. Doc fliegen? Wie, nicht fliegen?
Agib.
Du haft den Faden mir um’s Bein gebunden.
Amine.
Ein ſchlechtes Vogelbein, das einen ſchwachen
Und dünnen Faden nicht zerreigen kann!
Die Fiſcherstochter.
Agib.
Soll ich Dir Waſſer holen?
. Amine.
Ia, warum nidyt?
(Er geht mit dem Eimer.)
Ein luſt'ges junges Blut, das lieber Feuer
Als Waſſer holt.
Hadſcha
(in Gedanken vertieft ſitzend, den Kopf fchüttelnd.)
Ad) Gott, ady Gott, Amine!
Warum hat Did) der junge Fürft verfhmäpt?
Du könnteſt Fürftin fein.
Amine.
Jetzt bin ich Gärtnerin,
Das ift vielleicht noch beſſer.
Agib
(ommt mit bi Eimer.)
Wovon if
Die Nede?
Hadſcha
Ach, der Thörin! Sie will lieber
Ne Gärtn'rin fein als eine Fürftenbraut.
Agib.
Hadſcha.
Sie mag den Fürſien gar nicht leiden.
Agib.
Hat fie ihn ſchon geſehn?
Hadſcha.
Nein, ganz und gar
Warum?
60 Die Fifherstodter.
Agib.
Was haſt Du gegen ihn, mein ſchönes Kind?
Amine.
Er ſoll ſo ſtolz und vornehm thun. Er hat
Dreihundert Weiber ſchon. Da wär' ich, denk' ich,
Wohl überflüßig.
Agib.
'S iſt ’ne gute Haut,
Das glaube mir.
Amine.
Du kennſt ihn?
Agib.
Wie mich ſelbſt!
An einem Tage ſi nd wir ja geboren,
Und meine Mutter war aud) feine Amme.
Wir heißen Agib beide; haben vieles
In dem Charakter Aehnliches; wir waren
Als Knaben Spiellam’raden, und er ſchämt
Sich meiner noch nicht.
Amine,
Schön! Id mag recht gern
Von meinem Nächſten etwas Gutes hören.
Hadlda.
Mein Gott! Den Fürften nennt fie ihren Nächſten.
gib.
Eind wir nit alle Menſchen?
(Bei Seite.)
Er ift ihr‘
Vielleicht ſchon naher, als fie felber glaubt.
Amine,
Jetzt Fällt der Than, drum müſſen wir nad) Haufe,
Die Fifherstodter.
gib.
Wohlan! So will ic) Dir die Eimer tragen.
(Er nimmt das Ioch über die Schultern.)
Siehſt Du, ich gehe ſchon in Deinem Joch!
(Alle ab.)
Luſtwald außer dem Garten.
Amine (alein.)
Wie ſchön ift die Natur! Auf jedem Stengel
Ihr einen Kranz gereicht der Frühling hat;
In jeder Knospe ſteckt ein Eleiner Engel,
Ein Elfenflüglein, winkt mir jedes Blatt.
Wie wunderbar doch ift mir nun zu Muthe,
Als hatt’ ic) nie vorher den Lenz gefehn.
Sonſt kannt' ich nur, fonft liebt' idy nur das Gute,
Nicht wußt' ich noch, was reizend war und fon.
Dod) nein! — Die Kinder! — Ia, das waren Roſen,
Weit beffer nod), als dief’ am kühlen Born;
Mit ihnen Eonnt’ ich zuverfichtlid, koſen;
Sie welkten nicht — und hatten feinen Dorn!
(Seufst.)
Hier ift es anders! was ich dort verloren,
Scheint mir wie — neugeftaltet, neugeboren.
Die Phantafie lag nod) vor wen’gen Woden,
Ein Keim im Ei, beinah mir unbewußt;
Jetzt aus der Schal' ift er herausgekrochen,
Der loſe Vogel! macht mir Schmerz und Luft.
Nach Agib frag’ ich; kaum ift er gekommen,
Ep brennt mir in der Wange ſchon das Blut,
Ye
62 Die Fifherstodhter.
Ich weiß ja noch nicht, ob er freu und guf;
Doch — daß er ſchön — das hab’ idy wohl vernommen,
Entzückt fühl' ich mid bier, umringt von Bäumen,
Der Zephyr fpielt, er ift nicht kalt und ſcharf.
Hier will ich ſchlafen und bier will ich träumen
Bon Dem, dep kaum ich wad) gedenken darf,
Das erfte Schlechte Bett war doch die Wicfe,
Der Wald war, dod) das erfte Schlafgemad);
Daſſelbe Wiegenlied fingt mir der Bad),
Als einft vor Eva in dem Paradicfe.
(Sie ichläft ein.)
Sloriftane
(ericheint, von einer Brilfenfchlange gefolgt.)
Komm nur, komm, du fhupp’ge Schlange!
Sei nicht bange!
Kennſt nicht ſelber deine Macht.
Aber ſacht!
Winde did) um ihr nacktes Bein!
Tod) foll-fie nicht des Todes fein.
Die volle Wade, den Eleinen Fuß
Dein kalter Körper decken muß. *
Angſt erwacht ſie, und wird ſehn
Deine Demantaugen offen ſtehn.
Tief dann verwunde den warmen Schnee,
(Ab.)
(Die Brillenſchlange windet ſich um Aminens Bein und ſarrt Fe mit
funkelnden Augen an,)
Agib
(kommt, noch als Gärtner gekleidet.)
Da fihlaft fie! Ach, wie ſchön! Sonft reisten mid)
Die üpp’gen körperlichen Formen wenig.
Die Fiſcherstochter. 63
Doch hier! — Ein ſchöner Geiſt in fhöner Hülle,
Das iſt was Anders. Und die ſchöne Hülle
Amine, hüllte Deine Sittfamkeit
In Larven wieder. Doch der Schlaf, Du Reine,
Iſt nicht fo ftreng verſchämt. Allmächt'ger Allah!
Was wickelt da ſich um ihr linkes Bein?
So wahr ich lebe — eine eeee
Unglüdlide!
Amine
(wieder erwachend.)
Was kühlt mir dody fo fehr
Das Bein?
gib.
Um Allah's willen, theures Mädchen!
Iſt Dir Dein Leben lich, fo rühre Dich)
Nicht von der Stelle.
Ymine,
Was?
Agib.
Die Brillenſchlange!
(Sie entbedt die Schlange und wird ohnmächtig.)
Agib.
Nun Leben, Glüc auf einen Wurf geſetzt.
(Er ergreift die Schlange dicht um den Kopf und reißt fie von Amt:
nen Bein los; die Schlange windet fich und will beißen, kann aber
nicht.)
Agib.
Ha, wohl gegriffen, bei'm Prophet! Ja, ziſche
Du nur, Du garftger, gifterfüllter Wurm!
Schlecht fahft Du die Gefahr durch Deine Brille;
Warum auch trägft Du dumm fie auf dem Nüden?
(Die Schlange wickelt fich um feinen Arm.)
64 Die Fifherstodter.
Ygib.
Id) ziitrel Sich, das Gift fließt von dem Hauzahn
Mir auf die Hand hinunter. Dod) die Haut
It Heil, und eine Wunde tödtet nur.
‚(Er geht hin zu einem Baume, an deſſen Rinde ein großer
Schwamm wächſt.)
Hier ift ein Fleifh, das ohne Schaden Dir
Den Eiter aus dem hohlen Hauer faugt.
Hier kühle deinen Zorn!
(Die Schlange beißt fich in den Schwamm feſt; er reißt mit der lin»
fen Hand feinen Dolch aus der Scheide und fchneidet ihr den Kopf
ab, der im Schwamme fißen bleibt.)
Sieg! Sieg!
(Er wirft den Korper weit weg in's Gras und wäfcht feine Hände
und Arme vorfichtig in dem Bache.)
Amine
(erholt fich wieder.)
Allah il Allah! Nette mid) !
Agib.
Du biſt age holdes Leben!
Amine.
Agib,
Wo iſt der grauſe Mörder? Hat er mich
Geſtochen — ach, dann muß ich ſterben. Rette
Dich, mein geliebter Freund! Verlaſſe mich,
Daß ich Dich nicht vergifte.
Agib.
O Amine,
Du haft mid) ſchon mit ſüßem Liebesgift
Verwundet; fterben muß id, heilft Du nicht!
Die Brillenſchlang' ift aber überwunden;
Die Fiſcherstochter. 65
Denn ich ergriff fie had) am Naden, fo
Daß mid) der Zahn nicht mehr verwunden konnte.
Nun ftedt das grimm’ge Haupt kief in dem Schwanm;
Im Grafe zuckt der Körper mit der Brille.
Amine.
D mein Befreier!
u Agib.
Glückliche Gefahr!
Du liebſt mich wieder?
Amine.
Ja, ich liebe Dich!
Agib.
So macht die todte Schlange ihrer Muhme
Verſuchung wieder gut; denn ſie verjagt uns,
Wie jene, nicht aus unſerm Paradies;
Grad' umgekehrt: fie öffnet uns die Thüre!
(Sie umarmen fich.)
Bilde Berggegend.
Sloriftane
(mit fliegenden Haaren auf nadten Felfen herumfchwärmend.)
Ausgelöfht in meinem Bufen ift der Liebe legte Glut;
Gegen meinen Willen wieder Lämpft des Frechen Frevel-
' muth.
Rother Blitz! Ha, zude nieder, tödt' ihn an der Thörin
Bruft!
Nein — noch follft du nicht zerſchmettern; diefes Sterben
wäre Luft.
Ha, id) will mic; beſſer rächen an dem — Gemahl:
Oehlenſ. Schriften, XII.
665 Die Fiſcherstochter.
Will der Gattin Treue ſchwächen! Eiferfucht zeig” deine
Dual!
Bald, bald wird er felbit erfahren, was verfhmähte Liebe
ei;
Kalt wie Eis und hart, Amine, macht Did) meine Zauberei.
Fort nun, ‘fort! nad) jener Höhle, wo durch den gewalt’
gen Riß
Seit der Schöpfung keine Sonne brach in meine Fin—
ſterniß.
Zu den Sümpfen, wo Vampyren, wo die gift ge Fleder⸗
maus
Bauen, wo die garſt'ge Natter wedelt mit dem Schwanze
kraus.
Da will ich aus kräft'gen Dingen brauen einen ſolchen Saft,
Der ihr das Gehirn umnebelt mit der tollſten Zauberkraft.
Lieben ſoll ſie den Verhaßten kurz, um, wenn die Liebe
weicht,
Ihn empfindlicher zu martern, wenn fie ihm Verachtung
-, zeigt.
Folgt mir jeßt, ihr Schwarzen Vögel, von dem blut'gen
Rabenſtein!
Brauſend flieg! ic; durch die Wüfte, blaß im blauen Von
denſchein.
(Berichwindet.)
Die Fiſcherstochter.
Vierter Aufzug.
Dunkle Höhle, von dem Feuer eines Zauberfefiels erleuchtet.
Sloriftane Fünf Geifter, als Knaben.
Floriſtane.
eiſter meiner Zaubernacht,
Sagt, was habt ihr jetzt vollbracht?
Um den Liebestrank zu brau'n.
Schnell — was bringet ihr? Laßt ſchaun!
Erſter Geiſt.
Es ſaßen zwei Tauben im Waldeszelt,
Und ſchnäbelten ſich, und girrten;
Sie kehrten ſich nicht um die ganze Welt,
Ob Schwerter im Felde klirrten,
Ob Blumen blühten, ob Sonne ſchien;
Er dachte nur Sie, ſie dachte nur Ihn!
Sie waren fo zärtlich, fo dumm dabei,
Das Herz voll Blut und das Hirn voll Brei;
Da würgt ich ſchnell das verliebte Paar,
Ihr Blut wird wirken im Trank, fürwahr!
o7
68 Die Fiſcherstochter.
Sloriftane.
Taubenblut
Immer gut!
Giebſt Ihr bald zum Fliegen Muth,
Leichtes, ſeichtes Vogelblut!
Zweiter Geiſt.
Doch Taubenblut wäre gar zu heiß,
Dann brennen zu ftark ihr die Wangen;
Hier bring’ id) Dir etwas Todesihweiß
Und weiße Feuchte der Schlangen,
Wollüſtig find fie, und Falt dabei;
Auch bring’ id) Dir ein Krofodillenei;
Der Liche gleichen die Eier:
Erft flein, und dann ungeheuer!
Sloriftane,
Schlangenblut
Mehrt die Wuth.
Todesſchweiß noch beſſer thut;
Und das Krokodillenei
Setzt Geſchmack nur auf den Brei.
Dritter Geift.
Ich bringe Roſen. Ihr Geifter, ſchaut!
Die fhönfte da, follt ihr willen,
Hab’ bei der Trauung id) einer Braut
Schnell weg vom Haupte geriffen.
Die meiften find welk fchon, wie ihr feht;
Die hab’ id) mir von den Gräbern gemäbt,
Und wo die Kirchen fie bargen.
Sie welften auf Jungfernfargen.
Die Fiſcherstochter.
Sloreftine.
Roſenwaſſer deſtillir' ich,
Dieſe Kunſt iſt gar nicht ſchwierig;
Gut gewählt die Roſen ſind.
Was bringſt Du, mein ſchnelles Kind?
Vierter Geiſt,
Ich bringe Waſſer ſo rein und kalt;
Schaut nur, wie lieblich und helle!
Das ſprudelt dort in dem Zauberwald,
Und „Sehnſucht“ heißet die Quelle.
Da ſetzen ſich Liebende, weinen d'rin,
Und wähnen in ihrem verliebten Sinn
Die Freuden wiederzufinden,
Die at wie Wellen verfehwinden.
Floriſtane.
Schöne Flut, du ſollſt es wäſſern,
Alles kochen, Alles beſſern.
Fünfter Geiſt.
Mit Taubenblut Du begonnen haſt,
Mit Menſchenblut mußt Du enden
Vom wunden Herzen, in aller Haſt
Warm bring' ich's, in eignen Händen.
Ein ſchönes Weib ſich den Leib durchſtach,
Weil ein Verräther die Treue brach;
Es traf der Dolch wie mit Flügeln
Sie — zwiſchen den ſchönſten Hügeln.
Sloriftane.
Menfchenblut
Das Befte thut.
Geifter, nad) der Arbeit ruht!
70 Die Fiſcherstochter
Seht beim Kochen ganz allein
Muß id) in der Höhle fein.
(Die Geifter verfchwinden.)
Sloriftane,
Und diefe Mohnblume leg' id) dazu,
Um ganz ihr den Kopf zu verrüden;
Dann hat fie länger nicht Naft ned) Ruh;
Der Mahn nur fann fie entzüden.
Sie ficht nur die Welt durdy den Zauberflor,
Ihr Herzensihaß wird ein garft’ger Mohr;
Ihn fucht fie auf Blumenmatten,
Und haft und verachtet den Garten.
Agib! Bald in Trauerftunden
Fühleſt Du, was ich empfunden.
(Sie vollendet den Zauber.)
Bald
Amine
(als Fürftin, int prächtigen Jagdkleide.)
O meh, ich habe mid) verirrt. Mein Agib!
Du hörft mid nit. Weit bin idy vom Gefolg’
Im ungeheuern düftern Bald allein.
Ach, die Gazelle hat mid) hergelodt;
Durd) Sauber, glaub’ ich, ift mein Pferd geftürzt:
Ic) fiel in’s hohe Gras, da lief das Roß,
Und lieg mit meinem Schreden midy allein.
Id) Eenne diefe Gegend nidyt. Wo bin ih?
Vergebens ftoß’ ih in mein Jägerhorn,
Die Fiſcherstochter. 7
Nur Echo fpottet mein. Ic glaube Antwort
Zu hören, und es ift nur Wiederhall. .
Sloriftane
(kommt aus der Höhle heraus, im lichtblauen Gewande, das blonde
Haar hängt ihr zu den Ferfen herunter. Sie trägt ein goldenes
Zrinfhorn in der Hand.)
Mas hör’ ih? Welche Menfhenftimme klagt
In diefer Gegend, wo der Uhu fonft
Nur in den Zweigen heult? Hat eine Taube
Eid) aus dem NRofenhain etwa verirrt
Und ſucht ihre Männchen zwiſchen diefen Felfen?
Amine.
Silf, Allah! Welche ſchöne Jungfrau fteht
Mit blondem Haare bei der Höhle dort,
Und winkt mir mit dem ſchöngeformten Golde.
Floriſtane.
Wer biſt Du, liebes Kind?
Amine,
Ich bin die Fürftin
Des Landes, bin des edeln Agib’s Weib.
Ic hab’ mid) auf der Jagd verirrt,
Floriſtane.
O weh!
Du edle Fürſtin, wie bedaur' ich Dich.
Doch wird Dein Herr Gemahl Dich bald wohl finden.
Amine
(ſinkt Hin auf ein Felſenſtück.)
Ich bin fo müde, fo erſchöpft, fo durftig.
Sloriftane.
Da komm’ ich ja ganz wie gerufen hier!
72 Die Fiſcherstochter.
Id) wohn’ in diefer Höhle, So erfüll ich
Ein heiliges Gelübd', das in Verzweiflung
Ic eines falfhen Mannes wegen that.
Ih hab? der Welt entfagt; doch braucht fie mein,
Sp gönn’ id) Jedem gern den kleiuen Dienft.
Aus Saftmelonen, die im Thale reifen,
Und aus dem Staub des üpp'gen Zuderrohrs
Bereit’ ich einen köſtlichen Sorbet,
Der viele Wand’rer ſchon im Wald erquidte;
Auch Dir reicy ich recht gern den fügen Trank.
Amine
(teinft begierig.)
Ich danfe Dir!
Sloriftane deife.)
Gewonnen ift das Spiel.
Ymine
(vor fich Hinfchauend.)
Was gabſt Du mir? Es wird der Kopf mir wüſt,
Ein feltfam Feuer glüht in meinen Adern;
Die Bilder der Vergangenheit, die mir
Sp theuer waren, ſchwinden wie im Nebel,
Und Gaufelträume feſſeln mir den Sim,
Sloriftane.
Haft Du den Durft gelöſcht?
Amine,
Ich durfte mehr,
Als eh’ ich nody getrunken.
Sloriftane.
Nun, To trinke
Noch einmal!
—
Die Fiſcherstochter. 13
Amine wild.)
Wie? Aus diefem Horn? das Du
Bon eines Teufels Stirne weggeriſſen
Und falſch vergolder? Mit der Schwefelguelle
Der Unterwelt gefüllt? Laß mid hinaus
In’s Meer mid) ftürzen! Da erft find id) Labſal.
Sloriftane,
Du fhwärmft, mein liebes Kind! Die beige Wallung
Geht bald vorüber. Geiftiges Getränk -
Stillt beffer nody den Durft als kalte Flut.
Vielleicht war es ein wenig gar zu ftarf;
Doch schnell verdunftet diefer leichte Rauſch.
Nicht wahr, jegt ift der Durſt geftillt? Nun bift
-Du wieder ruhig?
| — Amine.
Sag' — wo iſt mein Hirt?
Nach Mesrun's Hütte bringe mich, wo Liebe,
Ein Purpurpfirſich, ſüß im Schatten glühte.
Floriſtane.
Du meinſt wohl: Sage mir, wo iſt mein Fürſt,
Mit dem demantenüberſä'ten Turban,
In Goldſtoff reich gekleidet, deſſen Wink
Zehntauſend bange Sklaven gleich gehorchen?
Amine
(fchwärmerifch grübelnd.)
Betrogen hat er mich! Erſt war er nur,
Ein Gärtnersſohn — jetzt iſt er Fürſt geworden,
Das iſt ein andrer Agib! Ja, bei'm Allah,
Das iſt ein falſcher! Sagte mir nicht Agib,
Sie ſeien zwei, ſie ſäh'n einander ähnlich?
74 Die Fiſcherstochter.
An einem Tage wären fie geboren,
Und biegen Agib beide? Ha — nun bat
Der Fürft mir den geliebten Freund entwendet,
Vielleicht ihn ſchon getödtet. Ia, es hat mir
Der handliche Betrug ſchon längſt geahnet,
Sloriftane deite.)
Es wirft! Vortrefflich.
(2aut.)
Nun, Amine, weil
Du Alles weißt, will ih cs Dir geftehn:
Id) bin Fein Menſch, bin eine gute Fee,
Die mit betrognen Mädchen Mitleid fühlt
Und ihnen in der Noth zu Hülfe kommt,
Amine.
Sp hab’ ich alfo Recht? der falſche Fürit
Hat den gelichten Züngling mir entwendet?
Sloriftane,
So iſt es.
Amine.
Und getödtet?
Floriſtane.
Nein, das nicht!
Durch einen ſchlauen Arzt, der Duban heißt —
Amine.
Ich kenn' ihn: unterſetzt und voller Narben.
Ein kluger Kopf, und eine ſcharfe Zunge;
Der alles Zarte neckt.
Floriſtane.
Ja, eben Der!
Der iſt ein Zauberer wie alle Aerzte,
Die Fiſcherstochter. 75
Und er hat Agib, auf Befehl des Fürften,
In einen tollen Mohren Dir verwandelt.
Nun fist der arme Jüngling als Abdallah
In Eleiner Waldeshütte, öffnet nur
Den Mund, um gottesfürdtige Sentenzen
Zu plappern, zur Erbauung der Gemeinde,
Sonſt thut er nichts, er hat die ftille Wuth,
Sag! Kannft Du ihn noch immer zärtlidy Lieben?
Amine -
Hat nur der garſt'ge Mohr nad) Aaib’s Her;,
Dann lieb’ ich ihn in jeglicher Geftalt.
(Schwärmerifch.)
O heil'ges Dunkel! Blickt der Silberftern
Nicht doppeltſchön aus einer finftern Nacht?
Und Nachtigall und Nachtviol' erfreuen
Erft in der Dämm’rung. Könnte ſich die Nadıt
Doch ſelbſt in den Geliebten füß verwandeln!
Sch bin wie Schnee fo weiß; die Weiße blendet
Erſt aber reizend in des Schwarzen Nähe.
Die ſchönſten Zähne funfeln Far wie Perlen
- Aus einem fhwarzen Mund; und der Demant
Gewinnt an Glanz; auf einem ſchwarzen Finger.
Floriſtane.
Ganz recht! Es freut mich, daß nicht Zaubertrug
Die ſchöne Wahrheit Dir entſtellen kann.
Doch mußt Du Zauber gegen Zauber ſtellen,
Wenn ſchnöde Du nicht unterliegen willſt.
Hier ſchenk id) Dir den ſchönſten Talisman
Dom köſtlichen Rubin. Verwahr' ihn wohl
An Deiner Bruft.
76 Die Fiſcherstochter.
(Sie ſteckt ihr einen Rubinenſchmuck vorn an das Bruftgewand.)
So lang Du diefen trägft,
Kannft jeden Gegenftand in der Natur
Du leicht nad) Wunſch verwandeln: Menfchen Thiere,
Seldft Bäume, Felfen, Fluß; nur kannt Du nicht
In's Beſſere das Schlechtere geftalten;
Auch ſelbſt nicht den gemachten Zauber löſen.
Mit Vorſicht mußt Du meine Gabe nußen. ,
Amine
Id) danfe Dir!
Sloriftane,
Du brauchſt nur einen Zweig,
Im Walde hier gefchnitten, abzufchälen
Und nad) den vier Welfgegenden zu ſchwingen.
Amine,
Id) danke Dir für diefe ſchöne Gabe.
Wo find id) aber den gelichten Mohren ?
Sloriftane.
Nicht weit von hier wohnt er in einer Hütte
Und bat fid) ganz der ftillen Schwärmerei,
Den ſchönſten Sittenſprüchen hingegeben.
Amine.
Aus feinem Munde will ich Weisheit hören.
Ab.)
Floriftane
(allein, Iuftig.) .
Ha, hal Es freut mid, diefes Poſſenſpiel!
An Agib hab’ ich mid) ſchon halb gerächt.
Den tollen Fakir — den Abdallah — wie fie
Ihn heißen, der nur fißend in der Hüfte
tr
Die Fifherstohter. 77
Der Philoſophen Sprüde blöde nadylallt
Und der für einen großen Heil’gen gilt,-
Sol fie beſuchen — ſich in feine Tollheit
Und Häßlichkeit verliehen. Und den Arzt,
Der unverfhämt es wagte, meinem Gatten
Mein Liebesabenteuer zu entdecken,
Weshalb ihm Amgiad die feltne Gabe
Der wiederkehrenden Lebenskraft verlich,
Will ich auch züchtigen. Amine fol ihn
In einen fharfen Dornbuſch mir verwandeln:
Ein fharfer Dorn ift er doch ftets geweſen.
Dann muß noch Agib mit dem Leben büßen.
Ich reize feinen düftern Vater Machmud
Noch ärger gegen ihn. Das Vaterurtheil
- Soll Didy verdammen, Stolzer! Eine Fee
Läßt ſich nicht ungeftraft demüthigen.
(Verſchwindet.)
Vorhalle einer kleinen Waldmoſchee.
Zwei große Knaben.
Eriter.
Ic; bin faft mid’ ihm länger aufzuwarten.
Zweiter.
Ih auch! Man hat gar keinen Dank dafür,
Auch feinen Lohn, fein einziges Vergnügen!
Sonſt, wenn die Leute ſcharenweiſ' herfamen,
Die Predigt hörten, uns Almofen gaben,
Das war was anders! Wir verwahrten immer
Das Geld;.aud war es eine rechte Luft,
75 Die Fiſcherstochter.
Die fhönen Weiber, Mädchen zu beäugeln,
Derweil fie fo andächtig feufzten, weinten.
Doch in der legten Zeit kommt feine mehr;
Der Mohr ift aus der Mode ganz gefommen,
Die Weiber mögen. ihn nicht pred’gen hören.
Erfter.
Er ift aud) gar zu garftig, und mit fammt
Der Tollheit predigt er nicht toll genug.
Ein anderer Abdallah, eine Stunde
Don bier, ift jetzt im allerhöchſten Rufe.
Der wüthet Dir wie ein Befeffener!
In einer Silberkfapfel trägt er Haare,
Die der Prophet am Haupte felbft gefragen ;
Und durd) ein rundes Glas von Bergkriſtall
Weiß er fogar Baummolle zu verbrennen.
Er öffnet nie die Hände, fo daß ihm
Die Nägel in die Haut hineingewachſen.
Zweiter.
Der hier verdirbt e8 ganz mit allen Sekten;
Denn von Gefcheiten giebt es doch auch welde,
Sie hörten gern die guten Sittenfprüde
Der perfifhen und der arab'ſchen Weifen,
Wenn er fie nicht fo oft mit feinen tollen
Yuslegungen verdürbe.
Erfter.
Glaube mir,
Al Soft, der ift nicht der erfte Pred'ger,
Der einen guten Tert verdorben bat.
Zweiter.
Still doch! Sich, da kommt eine ſchöne Frau!
Die Fiſcherstochter.
Amine Commt)
Iſt's hier?
Erſter.
Ja, ſchöne Herrin! Eben recht!
Hier wohnt der Heilige. Er predigt gleich,
Sobald in die Kapelle Du hineingehſt.
Amine.
Kann ic, ſogleich hineingehn?
Eriter.
(reicht ine eine Büchfe.)
Ja! fobald
Du nur den Armen erft Almofen ſpendeſt.
Amine
(reicht ihm eine Goldborfe.)
Erſter.
Ach, liebe gnäd'ge Frau!
Dafür bekömmſt Du gern den ganzen Koran,
Den Roſengarten und die Spruͤche Sadi's
Zu hören.
Iſt das genug?
(Sie geht hinein.)
Zweiter.
Wenn die Noth am größten ift,
Iſt auch die Hülfe da. Jetzt müſſen wir
Auch recht für fie in der Kapelle räuchern.
(Beide ab.)
79
80 Die Fiſcherstochter.
Eine Eleine Kapelle
Ein Häßlicher Mohr fißt auf einer Baftmatte und fchaus wahnfinnia
vor fich hin. Amine, von den Sinaben begleitet, tritt herein. Es
wird ihr ein Plas ihm gegenüber angewiefen. Die Anaben
räuchern.
Amine (bei Seite) _
Allmächt'ger Allah! ift das mein Geliebter?
Mohr
(in einformigen, \eelenlofem Ton, ohne auf Amine zu fehen.)
„Wächſt die Begierde Dir über die Obren,
Und haft Du den Verftand verloren,
Dann wärft Du beffer nicht geboren.“
Das will fagen: die Hühner ſchwimmen nicht fo gut
im Teihe, wie die Meerfchweine in der Luft.
Amine.
Sort! Selbft die Stimme hat fid) ganz verändert.
Mohr.
„Die Welt ift wie ein todtes Aas
Nur Hunde fieben foldyen Fraß.“
Amine,
Ach, ad, gewiß, Geliebter! Eitel ift
Die Höfe Welt; das haben wir erfahren,
(Leife.)
Wie del! Welche Mäßigung! Wie groß
Muß feine Seelenftärke fein, die doh.
In foldyem Unglüd’ feig nicht unterliegt
Und ruhig ſich mit Sprüchen tröften Eann.
Mohr
„Die Welt noch heute dauern mag,
Vielleicht ift morgen der legte Tag.“
Die Fiſcherstochter. 81
Amine.
O wär es alſo!
Mohr.
„Mehr als die Menge ſchlechter Leut'
Lieb' ich die ſtille Einſamkeit.“
Amine.
Ich auch, ich auch! O ſüße Einſamkeit.
Mohr.
Das will ſagen: die Erbſen im Scheffel ſind nicht ſo
gut, als das Siebengeſtirn am Himmel, wenn der Wolf
beult.
Erſter Knabe ceeife.)
Wenn er nur die Erklärung bleiben ließe,
Damit verdirbt er aber Alles wieder.
Zweiter Knabe.
Ei was! Sie ift ja toll, fo gut wie er;
Da giebt es, denk' ich, nicht viel zu verderben.
Amine
(u dem Mohren.)
Geliebter, fennft Du mich denn gar nidt mehr?
Mohr. Fe
„Sobald ber Menſch die Worte ſpricht,
Dann wird er feiner Worte Knecht;
-Hat er fie ausgeſprochen nicht,
Iſt er der Herr, und das mit Rede!"
Amine (eiſe.)
Er giebt mir einen int; die Knaben horchen!
Mohr.
Das will fagen: Ein ſchweigender gt iſt beſſer
Oeblenſ. Schriften. XII.
82 Die Fiſcherstochter.
als ein redender Narr; und der Zuder im Sorbet kann
auch zu füß fein, wenn die Blätter vom Baume fallen.
(Er Elingelt mit einer Kleinen Glocke.)
Amine.
Was will er jetzt?
Knabe.
Die Predigt ift zu Ende,
Und die Gemeinde kann nad) Haufe gehn.
Amine,
Sp geh’ ich denn; doch bald, bald Fehr? ich wieder.
Knabe
Das wird dem Herrn die größte Ehre fein.
Amine.
Leb' wohl, Geliebter!
Mohr
(Schaut Schwermüthig vor fich hin, ohne auf fie zu achten.)
Amine.
Gr antwortet nicht.
Knabe.
Kein, jest ſtudirt er zu der nächſten Predigt.
Amine.
Ich werde diefe Predigt nicht verfäumen.
Wirkt eine Kußhand dem Mohren zu und geht ab.)
Knabe.
Die Frau zahlt mehr als eine ganze Gemeinde.
Jetzt woll'n wir etwas noch beim Heil’gen bleiben.
Amine
(im Weggehen vor fich.)
Das Agib? Ad), fonft weidet ſich das Herz
Noch an den Trümmern des verfhwundnen Glüds;
Doch dieſe! keine Züge kenn’ ich mehr;
Die Fiſcherstochter.
Nicht eine Spur einmal, ein Staub, des Fußes
Des Hingeſchied'nen; ad), Fein Namenzug
Aus guter Zeit, der alten Todeshand!
Dod) es wird kommen! Nur Geduld, Geduld!
Mir ift der liche Schwarze dody das Einz’ge,
Was meinen Wunſch noch an das Leben bindet,
(Ab.)
83
84 Die Fiſcherstochter.
Fünfter Aufzug.
Des Sultans: Gemad,
Machmud. Floriftane Cals alte Wahrfaserin.)
Sloriftane
PR (de3 Sultans Hand genau betrachtend.)
Ich ſag' es Dir! Er firebt Dir nad) dem Leben!
Machmud.
Mein eigner Sohn? Unmöglich!
Floriſtane.
Dieſe Zeichen
In Deiner rechten Hand, ſie trügen nicht.
Beſcheint der nächſte Mond nicht Agib's Leiche,
Wird er die Deine ſehen.
Machmud Gerdrießlich.)
Da iſt Gold!
Jetzt mache Dich ſogleich nur aus dem Staube!
Hinaus! aus dieſer Hinterthüre! Hurtig!
Ich höre den Vezier; der darf nicht wiſſen,
Daß ich Verkehr mit alten Hexen habe.
Gloriſtane ab.)
Die Fiſcherstochter.
Mach mud (boshaft lächelnd.)
Und wenn das Gatter feinen Dienfi verrichtet,
So fällt Du Here in den Abgrund tief,
Und wirft nicht fürder einen Sultan ängft’gen,
Auch nicht Bertraute feiner Thaten fein.
Der Bezir kommt.
Mahmud.
Wo ift mein Sohn? Schwärmt er nod) immer närriſch
Als Hirt im Thale für fein Blumenmädchen?
Bezier.
Hein, großer Sultan, während tapfer Du
Den Aufruhrshaufen auf dem Berg bezwangft,
Hat Agib zärtlidy ſich ein Herz erobert.
Ehen als Gemahlin prangt das ſchöne Weib
An feiner Seite. Beide fehnen fid)
Nach Deinem königlichen Vaterſegen.
Machmud.
Es eilt nicht! Ohne mich zu fragen, hat
Auf eigne Hand er Hochzeit ja gehalten;
Und während id), ein Greis, kühn der Gefahr
Die Stirne bot, hat er auf weichen Kiffen
Bi und fchnöder Wolluft nur gefröhnt.
Bezier,
Er wäre gern mit Dir in Kampf gegangen,
Wenn Du es ihm erlaubt.
Mahmud.
Um mir den Lorbeer
Vom Haupt zu reifen? Um auf meinen Lorbern
Nachher zu ruhn? Nein, das gelingt ihm. nicht.
Wenn ih im Grabe bin, dann kann er kämpfen
Und fiegen, und handtieren wie er wünfdt;
”
86 Die Fiſcherstochter.
tod) brauch' id) feine Hilfe nicht. Hör', Haſſan,
Ich will mich Dir vertraun, noch haſt Du mich
Nicht hintergangen.
Vezier.
Allah! Hintergehn!
Das bloße Wort macht mir die Seele zittern.
Machmud.
Du denkſt Dir wol Dein hübſches bärt'ges Haupt
Auf einer Eiſenpike blutig prangen
Hoch über des Palaſtes Cederthor?
Vezier.
Nicht knecht'ſche Furcht, auch freie Dankbarkeit,
- großer Sultan, bindet mich an Did).
Der Edelmuth nur madıt fid) will'ge Diener.
Machmud.
Ja, ja! Ich glaub' es wohl. Doch iſt die Furcht
Auch ein recht hübſches Ding, nicht zu verachten!
Du kennſt die treffliche Geſchicklichkeit
Ja meiner ſchwarzen Sklaven? Köpfe haun ſie
Sp leicht und kalt Dir ab, wie einen Kohlſtrunk.
Erblaffe nigt! 'S ift nur fo hingeſprochen;
Du bift mir nützlich, Du bift tapfer, Elug,
Haſt nichts zu fürdten, wenn Du chrlid) bift.
Bezier
D edler Herr!
Mahmud.
Say’, Hagi Haflan! glaubft Du,
Daß Agib_ in der That fo weich und weibiſch
Verzogen ift, als er gern ſcheinen möchte,
Um fidyer mid) zu machen? Will er meinen
Verdacht und Argwohn nicht dadurd einfchläfern?
Die Fiſcherstochter.
Und lauert er nicht auf Gelegenheit,
Bald unabhängig fidy von mir zu machen?
Vezier (fchüttelt den Kopf.)
Mahmud.
Er weiß, dag meine Brüder ich ermordet!
Kein Borurtheil von nahverwandtem Blut
Drüdt das Gewiffen mir, Er ift mein Sohn,
Doch erft nady meinem Tod erbt er das Neid);
Wie Fann er mir denn langes Leben wünſchen?
Und könnt’ er aud) nicht glauben, daß ich feinen
Geheimen Wunſch entdede und den Wünfcher,
‚Der Wuünſche wegen, felbft zur Hölle wünſche?
Bezier.
Er ift ein frommer Sohn, liebt feinen Vater.
Machmud.
Was lieben? Wieder eine Redensart!
Ein europäiſch Wort, ein Ketzerwort,
Worin kein Sinn liegt. Glühend haſſen ſoll
Der Sarazen’, genießen, kräftig wirken.
Wer fann mir das verdenken, dag mir Agib
Zuwider ift? Auch wenn man gar nit wüßte,
Was id ſchon aus geheimer Duelle weiß?
Zwar Sultan bin id; bin ich aber glücklich?
Ein jeder. Schuft beneidet meine Macht!
Der feigfte Knecht kann mir das Leben rauben;
Und diefer Sohn — der ungeduldig geht
Und fchweigt, auf meine Todesftunde lauert,
Mit ehrerbiet’gem Lächeln meine Stirn
Betrachtet jeden Morgen, ob vielleicht
Nicht Gram und Alter eine Furche noch
Darin gezeichnet Haben? Pfui, o pfui!
87
88 Die Fiſcherstochter.
Bezier,
Nein, Agib, Herr, ift nicht von diefem Schlage!
Gin leichtes Blut und den Vergnügen hold,
Scheut er Geſchäft und Arbeit; Heldenthat,
Staatskunft und Nechenkunft find ihm zuwider;
Mit Gelde weiß er gar nicht umzugehn,
Er liebt nur Poeſie, Philofophie, ;
‚Natur und Blumen, und die hübſchen Weiber,
Aus Eifen ift er nicht, wie Du, gefchmiedet;
Anftrengung haft er; und die weiche Hand,
Die Roſen pflückt, kann nicht das Steuerruder
Der Staaten lenken. Laß ihm fein Vergnügen
Den ernften Fleiß, die Arbeit gönnt er Dir,
Machmud.
Ein Schmetterling!
Vezier.
So iſt's. Und glaubeſt Du,
Es fühle ſich der Schmetterling geneigt,
Mit Königsadlern einen Flug zu wagen?
So laß ihn flattern auf den Roſenhecken,
Derweil Du auf dem Felſen Neſter bauſt.
Machmud.
Dein Gleichniß iſt nicht übel. — Zwar — ich könnte
Dir etwas ſagen — Doch — ein ander Mal!
(uſtet.)
Ich leide wieder an dem ſchlimmen Huſten;
Der Arzt, der Duban, ſoll mir Tropfen bringen.
2b.)
Vezier (allein)
Du armer Tropf! Doch auch: Du gift'ger Tropfen!
Man muß dem eiteln, böſen Graubart ſchmeicheln,
J
Die Fifherstodhter. 89
Wenn feiner Graufamkeit man einen Maulkorb
Anlegen will. Armfeliges Geſchäft,
Der Wärter eines folhen Tigers fein!
Und nimmer weiß man, ob er nicht das Gitter
Serbrechen wird und feinen Wärter morden.
Er geht mit Mordgedanfen um! Ich kenn’ ihn!
Und er verſchweigt mir etwas. was es ift!
D edler Agib! meine ganze Hoffnung
Steht nur zu Dir — und wollteft Du wie id — —
Doc, Agib, es ift Deine Großmuth nur,
Die diefes grimm’gen Schakals Leben er
" )
Großer Saal
Agib. Duban, der Arzt,
Agib.
Ich feh’ es deutlich, es ift abgemacht!
Eie liebt mid) nicht; und jene fügen Freuden,
Der erften Liebe Morgenthau, die Derlen,
Die in der Sonne wie Demanten blinften —
Berdunftet find fie, weggetrodnet — und
Das Grün der Hoffnung — ein verwelftes Heu!
Doch ſcheint es Kälte nicht, nicht Wankelmuth,
Bielmehr ein ftiller Wahnfinn, der fie trügt.
Ad) fage, Duban! ift nody Hoffnung, glaubt Du?
Duban.
Nun, wenigftens für meine Wiſſenſchaft,
Wenn aud) fonft Feine. Die Erfahrungskunde
Gewinnt beftimmt durch diefen feltnen Fall.
Du fagft, fie feufzt für einen garſt'gen Mohren?
90 Die Fifherstohter.
Agib.
Für den abſcheulich häßlichen Abdallah.
Und weil er ſchwarz iſt, liebt ſie nur das Schwarze.
In ſchwarzem Sammt geht ſie einher; mit ſchwarzen
Tapeten iſt ihr Schlafgemach bekleidet.
Und erſt in dunkler Nacht ſchwärmt ſie im Wald.
Duban.
So thut die Eul' es auch, und von den Franken
Wird ſie der Weisheit Vogel doch genannt.
In einen dummen Mohren ſich verlieben,
Henn einen edlen Gatten man beſitzt,
Scheint Naferei; doch Naferei und Liebe
Sind ja Gefhwifter, Herr! Wer wagt die Linie
Der Grenze mit Gewißheit wohl zu zeichnen?
Zum Wahnfinn neigt fid) öfter das Genie,
Und thier’fhe Dummheit ift wahnfinnig auch;
Da treffen wir den Grund der Sympathie!
Agib.
Ah, Duban! wenn Du meinen Kummer Eennteft!
Duban.
Mein Fürft, es wäre wohl am beiten, Did)
Zuerft zu heilen. Wie? Du bift verliebt?
Erlaub mir, das iſt Thorheit, Eigenſinn!
Agib.
Du fcherzeft, Duban!
Duban.
Bloßer Eigenfinn!
Was zwingt Did) wol in aller Welt, fag’ mir’s,
An einem einz’gen Gegenftand zu bangen?
Trägſt Etwas Du im Magen, in den Lungen,
Der Leber, in der Milz, das ſolches fodert?
a Fa —
Die Fifherstodter.
Im Blut, Gehirn, im Rückgrad, in den Nerven?
Du bift ein Mann und wünſcheſt Dir ein Weib,
Das ift natürlih! Du bift Afiat
Und Fürft, und willft Veränderung — audy gut!
Was fhreibt Dir da die Grenze vor? Bernunft,
Klugheit, Geſchmack und eigne Manneswürde.
Doch, Geift und Körper Schwächen, edler Agib,
Mit Seufzen, Weinen, weicher Schwärmerei
Für eine Einz’ge, Eigenfinn’ge, Spröde,
Die nur aus Tollpeit Dein Verdienſt verſchmäht,
Iſt wieder Tollheit. Alfo theileft Du
Die Krankheit, leider, die Du fehr bedauerft.
gib.
Sp fireng, 0 Duban, tadelſt Du die Liebe?
Duban.
Ja, ſie iſt füß, wie mandes andre Gift.
Denn was ift Gift? Nur die einſeit'ge Richtung
Der Kräfte, die das Gleichgewicht zerftört.
Thut Liebe nicht desgleihen? Sie erfchlafft
"Das Herz für jeden andern Wohlgenuf,
Und wie geſchmacklos oft felbit in der Wahl!
Drum baben fie die ſchlauen Griechen ftets
Als einen läpp'ſchen Knaben abgebildet,
Der mit dem Tüchlein vor den Augen geht.
Und fpielt man einmal Blindekuh, Gebieter!
Warum nit einen garſt'gen Mohren greifen,
Ep gut wie einen ſchönen, edeln Jüngling?
Ich ſeh' nicht ein, was daran hindern follte.
Agib.
Auch ic) kann fprechen, meine Meinung aud)
In Worte Eleiden: Lieb’ ift nur der Zauber,
92 Die Fifherstochter.
Der unfre IJugendftrahlen, die fonft Falt
Verſchwinden würden, in dem Punkt vereinigt,
op der Altar der Lebensflamme fteht;
Sie ift der Teich, der alle Bäche fammelt,
Die fonft in Sümpfe fi) verlieren würden,
Und treibt mit reichen Fluten fo die Mühle,
Die nur das gute Korn der Thaten mahlt;
Und Leidenſchaften find die mächt'gen Flügel.
Himm weg die fchöne Leidenfchaft der Jugend,
Der Menfdy wird kleinlich und ein kaltes Thier.
Mas Weisheit Männer lehrt, lehrt uns die Liche;
Denn fie nur ſchwächt die mächt'ge Eitelkeit
Und iſt die erfte Kraft, die außer fi)
Der Iüngling achtet. So lehrt ihn die Liche
Sreundfchaft, die Welt, Gott, den Propheten fhäßen,
Und was im Anfang weiche Krankheit fdjien,
Entfaltet fidy in blühende Gefundheit.
Duban.
So wünfd ich denn viel Glück zu der Gefundpeit,
Wenn diefe Krifis Uberftanden ift.
Agib
(ſeufzend in fich ſelbſt zurückkehrend.)
So wirkt die Liebe, wenn ſie glücklich iſt;
Unglücklich tödtet ſie wie Frühlingskälte
Jedwede Knosp' in ihrer zartiten Blüthe.
Amine (kommt)
Wie ſchwer iſt's mir, ihm Freundlichkeit zu heucheln!
(Laut.)
Erlaubeſt Du, mein fürſtlicher Gemahl,
Daß ich mich wieder nach dem Wald begebe,
Um des Abdallah Predigt beizuwohnen?
Die Fiſcherstochter.
gib *
(leife zu Duban.) -
Du fiehft, fie hat den Mohren nur im Kopf.
Duban.
Im Herzen leider auch.
Agib.
Soll ich's erlauben?
Duban.
Erlaubſt Du es, wird fie ſehr dankbar fein.
gib.
Sie dauert mich, die ſchöne Schwärmerin!
Ach, fie iſt krank — verworren. air ein Werk,
Natur, haft Du vernichtet!
Duban.
; Ia, gewiß!
Ein wahres Kind ift die Natur: fie macht
Eid) Spielzeug nur, um es entzweizubrechen.
Agib (aut)
Wie geht es, liebe Frau?
Amine.
Recht gut! Ich liebe
Did) immer noch!
(2iebfofet ihn Falt.)
Agib (chmerzlich.)
O laß das lieber bleiben!
Duban (achend.)
Ehſtand iſt Vohland Wie glückwünſch' ich mir,
Der ich ein ew'ger Junggeſell geblieben!
Und ſchelten mich die Weiber Hageſtolz —
Das kleine Uebel kann ich leicht ertragen.
93
94 Die Fiſcherstochter.
- Amine
(betrachtet Duban mit einem verächtlichen Blick.)
Bit Du der Fluge Arzt?
Agib.
Ia, das ift Duban.
Amine.
Willſt Du mid) aud verwandeln?
Duban,
Wenn ic könnte,
Recht gern!
Amine.
Bei Allah, Du bist offenherzig
Und plump aud ſchon genug, felbit unverwandelt.
Duban.
Bon Mondſchein, Nofen bin ich nicht gefchmiedet.
Vielleicht bin id; Dir auch nicht ſchwarz genug!
Amine.
Ha, wehe Dir, wenn wir uns wiederfehn!
(Ab.)
Dnban
Sie ift verrüdt!
Ein Sflad (kommt.)
Der Sultan ruft den Arzt.
{ Duban,
Gleich, gleich! |
Sklav—
Er huſtet!
Duban.
But!
Die Fiſcherstochter.
Sflav.
Hein, gar nicht gut.
Er will nicht huſten mehr.
Duban.
Das glaub’ idy Dir.
Sklav.
Und Du ſollſt ihm den Huſten gleich gg
.)
Duban.
Hier iſt's nicht leicht ein Arzt fein; denn für Huften
Und Liebe giebt es feine ſchnellen Mittel,
Agib.
Ich höre meinen zorn’gen Vater kommen.
In diefem Augenblid’ kann ic) unmöglid)
Ihn Sprechen — da id) felbit fo ganz verftimmt;
Das würd ihm Del nur in fein Feuer gießen.
Beſänft'ge Machmud, wenn’s Dir möglid) ift,
Und rette meine holde Schwärmerin !
Wo nicht — beraube mid) aud) des Verftandes,
Damit id) länger nicht mein Unglüd fühle.
(Ab.)
Mahmud kommt.)
Wer lief da fort?
r Duban.
Der da?
Mahmud.
Es war mein Sohn,
Warum flieht er vor mir?
Duban.
Er hat vermutblid)
Dich nicht gefehn.
95
96 Die Fiſcherstochter.
Machmud.
Gewiß! Deswegen lief er.
Duban.
Vergieb, mein gnäd'ger Sultan! Kobad ſagt,
Du huſteſt —
Machmud Gerdrießlich.)
Ja — ich huſte, wenn es mir
Gefällt; jetzt huſt' ich nicht; jetzt haben wir
Mas Wichtigeres zu thun, Herr Arzt, als huſten.
. Duban.
Ich ftehe zu Befehl.
Mahmud (freundlicher) "
Hör, lieber Duban!
Man fagt, Du feift ein Held in Wunderfüren.
Haft manches Leben ſchon dem Tod entriffen;
; Mit boshaftem Lächeln.)
So fannft Du aud) wohl, wenn es nöthig ift,
Das ganz Entgegengefebte thum, und Tod
In Leben bringen?
Duban.
Dieſe Kunft ift leicht;
Man braucht nur der Natur ihr freies Spiel
Zu laſſen; Alles reibt fi) auf zulegt;
Machmud.
Doch was zu langſam nach dem Grabe kriecht,
Dem kannſt Du Flügel an die Füße binden?
Duban.
Was nur ein Arzt vermag, vermag id) auch.
Ich prahle nicht, dad) Wahrheit ift es, Herr!
Wenn aud) ein Schwert mein Haupt vom Rumpfe trennte.
Die Fiſcherstochter.
Es würd' im Silberbecken beſſer ſprechen,
Tiefſinn'ger wenigſtens, als auf den Schultern.
Mahmud.
Es freut- mid), einen folhen Mann zu finden,
Der mir mit feiner Weisheit nützen kann.
Du fennft wohl nody nicht diefen Agib?
Duban.
Her,
Ich lieb’ in diefem Jüngling Deinen Sohn.
Machmud.
Das brauchſt Du nicht. Mein Sohn? Ich zweifle ſehr
Denn ſeine Mutter Zandra war leichtſinnig
Und hatte viel mit einem Frankenſklaven
- Im Nofenhain zu fchaffen. Diefer Jüngling
Wünſcht meinen Tod! Ich weiß es ganz gewiß,
Sein Handeln und fein Wefen zeigt es fhon;
Und eine biedere Wahrfagerin 4
Hat ohnedies in meiner Hand gelefen,
Daß feinetwegen ich ermordet werde,
Wenn ic nicht Schnell ihn aus dem Wege räume,
Kun könnt’ ich zwar ihn mit dem Richterſchwert
Vertilgen, doch das will ic nicht, das giebt
Anlaß zu Klagen, zu Berleumdung wieder.
Wenn aber fi) in Deinen Krügen, Arzt,
Ein foldyer feltner Saft befinden follte,
Der ohne Schmerz und Schand', aud ohne Blut,
Den ungerathnen Sohn entfernen Eünnte —
Dann wär’ Dein Glück gemadıt!
„Duden,
Mein Herr! id) habe
Nicht folhen Krug in meiner Apotheke,
Oehlenſ. Schriften. XIL.
97
93 Die Fiſcherstochter.
Denn meine Krüge tragen mit einander
Diefelbe Ueberſchrift.
Mahmud.
Und melde denn?
Duban,
Auf jedem fteht mit reiner Hand gefhrieben:
„Unfhuld’ge Wiſſenſchaft“
Mahmud
(mit boshaftem Lächeln.)
Sp? Iſt das möglidy?
So bitt ich tauſend Mal denn um Verzeihung,
Daß ich verlangt, was Du nicht leiſten Fannft.
} Duban.
Vergieb, daß ich's nicht leifien Fann, und rechne
Yuf meine dauernde Verſchwiegenheit.
Mahmud.
Das werd’ ich!
Duban
(verbeugt fich und will gehen.)
Machmud.
Wart' ein wenig, lieber Arzt!
Ein Kunſtſtück möcht' ich erſt doch von Dir ſehn.
Duban.
Und welches, Herr?
Machmud.
Das mit dem Todtenkopf.
Duban (ſutzt)
Machmud.
Du ſagſt: es könne weit geſcheiter noch
Dein abgehau'nes Haupt im Becken reden
Als auf den Schultern?
x
Die Fiſcherstochter.
Duban (entfegt.)
: Hab’ id) das gefagt?
Mahmud.
Weil Du nun fhon im Leben fo gefcheit
Dem Sultan widerfprichft, möcht' ich gar gern
Im Tod Did; nody gefcheiter ſprechen hören.
Duban.
Ich will nit hoffen —
Mahmud.
Und warum nidt, Freund?
Ein — nes Daupt, das sehen kann,
Darf immer hoffen.
(Er klatſcht in die Hände, feine Leibwache und Sklaven treten
® herein.)
Meine Unterthanen!
Trabanten, Schergen, Sklaven und Verfchnittne!
(53 füllt fich nach und nach der Saal.)
Der Arzt will uns ein großes Kunftftüd zeigen!
Er fagt: es könne nach dem Tode noch
Sein abgehau’nes Haupt verftändig reden.
Id) haſſe Prahlerei, wißt ihr, wie Peſt;
Um nun des Freundes Biederkeit zu retten,
Erlaub’ ih ihm, die Wahrheit feines Worts
Im koͤniglichen Saale zu beweifen;
Und bei dem Probeftüd’ will; ihm zu Ehren,
Mit meinem Hof id) ſelbſt zugegen fein.
Duban.
Sultan! Vergiß nicht, daß ein größ'rer Scheif,
Als Du, die Thaten ſchaut und richtet dort.
Willſt Du ein Spiel — die kurze Sinnenluft —
Mit des unfdhuld’gen Mannes Morde kaufen?
7°
100 Die Fiſcherstochter.
Madmud.
Alſo: Dein Kopf kann nad) dem Tode fpredhen?
Duban.
3a, ein’ge Augenblide, während Leben
Noch in den Nerven, in den Fibern- ift,
Mahmud.
Das wäre! Und verftändig ſprechen?
Duban.
Kann
Ein wichtiges Geheimniß Dir entdeden.
Doch des unfchuld’gen Mannes Mord allein
Wird Dir das Siegel brechen.
\ Mahmud.
Nun, mein Freund!
Wenn es nichts weiter ift, fo Eniee Du
Getroft nur auf das blut’ge Fell, das Dir
Der Büttel breitet. Kehre Did um mein
Gewilfen nicht! Ic werde mid mit dem
Abfinden fon.
i Duban.
Machmud! Ic bin ein Mann,
Der das Unwürd'ge haßt, und niedrig wär's,
Mein Leben Enieend nod von Dir zu betteln,
Menn Neugier, ftärker als Gerechtigkeit,
Did) treibet, des Unfhuld’gen Mord zu fehn,
So fei dein alfe!
(3u einem Sklaven.)
Bringt ein Pinnentud),
Und aud ein blankes Silberbeden her.
Machmud.
Thut, wie er euch geſagt!
Die Fiſcherstochter 101
Duban,
Wenn ih es recht
Beden?, ift ja der Tod für einen Weiſen
Auch gar nicht fürchterlich! - Der Lebensbürde,
Die oft den Rüden knechtiſch mir gebeugt,
Sntladet er mid) fanft; die Seele fliegt,
Ind Eehrt, vom Staub’ un nah) Mahom’s Freuden.
Machmud.
Ja, ja, ganz recht!
Duban.
So will ich auch mit Muth
Den Streich empfangen; Angſt und ſchlaffe Furcht
Sollſt Du in meinem Angeſicht nicht leſen,
Der Krampf des Schreckens ſoll es nicht entſtellen;
Und ruhig, wie ein weißes Marmorhaupt,
Mit offnen Augen, aber ohne Stern,
Soll Dich mein Haupt nach meinem Tode grüßen;
Die Veilchenlippen werden ſich bewegen
Und Dir die kalte Zunge Rede ſtehn.
Machmud.
Ich ſehne mich! Geſchwind!
Duban.
Doch jedes Ding
Hat ſeine Form im Leben, großer Fürſt!
Und ſelbſt der Tod kann ſie nicht ganz entbehren.
Wenn dies Experiment gelingen ſoll,
Sind ein’ge Vorbereitungen vonnöthen.
aß einen Sklaven auf mein Zimmer gehn,
en großen Folianten Dir zu Holen,
n fhwarzen Sammt gebunden und mit Silber
eſchlagen. Auf dem Schreibetiſche liegt er.
*
102 Die Fifherstonter.
| Mahmud.
Thut, was er fagt.
(Stau ab.)
Duban
Gum Scharfrichter.)
Und Du, mein Herr College!
Haft Du nun aud) Dein Handwerk redht gelernt?
Stolz lehnft Du Did) da auf den krummen Säbel;
Kannft Du ihn auch gebraudyen?
Büttel.
Sei nur ruhig
Und kniee nieder! Leichter ſpringt kein Hagel
Vom Dach', als Dir der Kopf vom Halſe ſpringt
Duban.
In das Gelenke mußt Du fauber treffen.
Erlaube mir!
(Er befühlt die Echärfe des Säbels.)
Iſt er aud) fharf genug?
Mahmud.
Die Ruh', womit er ftirbt, muß ich bewundern.
Er fpielt mit ITodeseifen, Henkerſchwert,
Wie mit der Lichtfheer’, eh’ das Licht gelöſcht wird.
Duban.
Mas ift es anders? Ic bin Wundarzt, Herr!
Gewohnt an diefe Todesinftrumente.
Sklaven
Hier bringen wir das Buch, das Tuch, das Becken.
Duban
Gum Scharfrichter.)
Wenn meinen Kopf Du abgehauen haft,
G'rad im Gelenfe, made, daß er fällt
>
Die Fiſcherstochter. 103
Sms Silberbecken, auf das weiße Tuch!
Dann wird das Blut nicht aus den Adern laufen,
Es ftürzt der Körper nicht, er wadelt nur,
Bis wieder er fein Gleihgewicht gefunden.
Nimm dann den Kopf, ſetz' ihn auf meinen Hals,
Und Binde diefen rothen feidnen Faden,
Den ich Dir gebe, feit darum.
Skharfridter.
Schon gut!
Duban
(nimmt dad Buch und reicht es dem Sultan.)
Und Du, geftrenger Sultan, nimm das Bud!
Gar Vieles wird der Inhalt Dir verkünden;
Und was Dir dunkel ift, erflär ich nod),
Wenn feſt das Haupt an feine Wunde fließt.
Machmud.
Ich danke Dir!
Duban.
Was mich unruhig macht,
Iſt der Gedanke, daß Du einen Mord
Doch eigentlich begehſt; und beſſer wär's,
Wenn dieſe thör'ge Neugier Du bezähmteſt.
Mumhmnuv.
Sie läßt ſich gar nicht zähmen. Kitzelſt mich
Mit Neſſeln erſt, ſo daß die Haut mir juckt,
Und widerräthſt mir weiſe dann das Kragen?
Scharfrichter, fpute Dich!
Duban
Enieend, zum Scharfrichter.)
Thu' Deine Pflicht!
(Der Scharfrichter enihaustet ihn ſo, daß der Kopf in's fllberne
104 Die Fiſcherstochter.
Becken fallt. Der Körper bleibt aufrecht auf den Knieen ruhend,
nachdem er ein paar Mal gewackelt hat. Das Blut ſpringt wie ein
Springbrunnen, hoch in die Luft, Fehrt aber in die Adern wieder zu-
rück, ſo daß nur wenig verfchüittet wird. Der Scharfrichter feßt den
Kopf auf den Hals und verbindet die Wunde mit dem feidnen Faden.)
Madmud ,
\ (mit einem tiefen Seufzer.)
Ha, wunderbar!
Menge.
O feltfam! Unbegreiflich!
Sieh dor) — mie todtenblaß er wieder da
Die Augen öffnet; doch die Augen zeigen
Das Weiße nur. Es rühren fid) die Lippen,
Er will gern ſprechen, doch das wird ihm ſchwer.
Duban
(leife, mit halberftickter Stimme.)
Gebieter! Blätt’re nur im fhwarzen Bud’!
Bald wirft Du deutlich das Geheimniß finden.
Machmud.
Die Blätter kleben an einander feſt.
Duban,
Sp feuchte Dir die Finger in dem Mund.
Machmud
ins ala Binzoe nd Klättert \
Ih habe fieben "Blätter durchgefehn ;
Doch — nichts Gefchrieb’nes! Sie find rein und Leer.
Duban,
Leer? Wie Dein Leben! Aber rein? Nein, Sultan,
Es wird fhon kommen, Du mußt weiter blättern.
Machmud
(blättert weiter und ſagt.)
Es wird mir ſo beklommen — ha, mir ſchwindelt.
Die Fifherstodter. 105
Duban.
Iſt's das Gewiſſen?
Machmud —
Nein — es iſt der Tod.
Duban.
Haſt endlich Du das ſchwarze Blatt gefunden?
Machmud.
Da iſt est
Duban.
Nun, fo lies die Worte laut! *
Das wird Dich bald von Deinem Uebel heilen.
Machmud dien).
Dein Ziel haft Du erreicht!
In Deinem Blut fidy Schleicht
Das Gift, das Du geliebt;
Es Deinen Lohn Dir giebt.
Dein Körper fallt in Staub,
Und ohne Ehrenlaub,
Du Böſewicht verrucht!
Dein Name wird verfludt.
Sp geht es jedem Haupt,
Das Wüthen fid) erlaubt.
Duban.
Da haft Du Deine Grabfchrift ſelbſt gelefen.
(Er richtet fich wieder gefund auf, mit rothen Wangen.)
Zuſchauer.
O Allah! Seht! Die Leiche geht, bewegt ſi id:
Machmud.
Ergreift den Zauberer.
(Faut zurück und ftirbt.)
106 Die Fiſcherstochter.
Duban
(mit Rachdruck und Würde eiuen ftolzen Blick auf Die Menge
werfend.)
Der Zauberer
Läßt ſich nicht greifen! — Nun, gehabt euch wohl!
(Lächelnd.)
Herzlos and kopflos kämpften mit einander;
Kopflos hat wieder feinen Kopf gefunden,
Doch diefem Wüthrich brach das wilde Herz.
(Er geht ruhig von dannen, das Volt fchaut ihm flaunend nach.)
Sweite Abthbeilung.
Perfonen
Floriftane, die Fee.
Agib, der junge Sultan.
Duban, der Arzt.
Der Abdallah.
Sandib, der Fiſcher.
Amine, ſeine Tochter.
Lolo, fein kleiner Sohn.
Die Meerfee.
Abubekr, ein Fiſcher.
Ein reiſender Europäer.
Sein Secretair.
Sein Wegweiſer.
Amgiad, ein Geiſt.
Selim, der Nachbarkönig.
Sein Oberfüdenmeifter. .
Seine Köche.
Acht verzauberte File.
Chor der Fiſcher.
an
Erfer Aufzug.
Gemach im Palnfte.
Sloriftane (als Agib's Amme.)
&; ift nicht ganz gegangen, wie ich dadıte.
Erft mußt’ ich diefen böfen Sultan ftrafen,
Der mid) zum.Lohne für die Warnung, frech
Hinunter in der Abgrund ftürzen wollte,
So ging denn Duban auch mit Sieg von dannen!
Doch ein Tag früher oder fpäter, thut
Zur Sache nichts; und unterhaltend wird
Ein Spiel durch überwundne Schwierigkeiten.
Nun fteh’ idy wieder hier als Agib's Amme,
Die er noch liebt, oft in. dem Wald beſucht,
Auf deren Wort er baut. Als ſolche hab’
Ic freien Zutritt. Er ift Sultan jest; —
Die Freude foll er ruhig nicht geniegen!
Ich will ihm Wermuth in den Honig milden;
Es ift fhon halb geihehn. Jetzt freut mich Haß
Statt der einfält’gen Lieb’; und derbe Rache
Kühlt nur und heilt die Wunde, die mir ſchnöde
Verachtung flug.
110 Die Fiſcherstochter
Agib
(kommt langſam, niedergeſchlagen, a verfchränften Armen, fich allein
glaubend,)
Jetzt bin ih Sultan! — Viele
Beneiden mid und willen nit, wie arm
Der Sultan ift!
Floriſtane.
Heil Dir, mein edler Sohm!
Agib.
Ad, liede Mutter, bift Du da? Kommt Du
Aud, um dem neuen Herrſcher Glüd zu wüniden?
Sloriftane.
Ad, fünnt ich das, wie gern, gern thät' id es!
Doch Glück, auf Trug gebaut, ift ſchlechtes Glück
Ich kenne fon Dein Leiden, guter Agib!
Und Deine Krankheit muß id) fehr bedauern;
Das Weib, auf welhes Du die Zärtlidykeit
Verſchwendet, bat es nicht um Dich verdient.
Vergiß fie! Laß fie in der Tollheit rafen!
Und alle Deine Freuden kehren wieder.
Agib.
Nie werd’ ic) fie vergeflen, immer werd’ id
Sie lieben, wenn aud) Wahnſinn fie zerftört.
Floriſtane.
Nichts kann Did) von der großen Schwachheit heilen?
Auch nicht Verbrechen, Frechheit, fhnöde Luft?
Agib.
Weib, rede deutlich, ſprich in Räthſeln nicht!
Floriſtane.
Ich wohne bei der Quelle, wie Du weißt,
Unweit des häßlichen Abdallah Haus.
Die Fiſcherstochter. 111
Du kennſt mid, Agib, ſchon von Kindesbein,
Weißt, daß ich Lügen haſſe, bieder bin,
Daß Deine Ehre mir am Herzen liegt:
Der Lotterbube ſtellt ſich fromm und toll,
Wie ſchon fo viele ſchlaue Fakirs thaten,
Blos nur, um ſchöne Weiber zu verführen.
Auch Deine Frau ift längſt verführt; ich weiß ee.
Und wenn Du glaubft, fie bete Fromm zu Gott,
Schwelgt fie nur üppig in des Mohren Arm.
Mit eignen Augen fah id) oft das Paar
Im Walde gehn, ſich herzen, küſſen, feufzen,
Und felig girren, wie die Turteltauben.
Agib Crafend.)
Sp fliege Blut!
Sloriftane.
Gott! Du erfhredit mid Arme!
(Entflieht.)
Der Bartd.
Amine
(alein, fie Hat ſich einen Stab gefchnitten und fchalt Die Rinde ab.)
Ich darf nicht länger unbewaifnet fein,
Denn das Gewitter zieht mir immer näher;
Leicht könnte mid) ein unverhoffter Blitz
Zu Boden fhlagen, trüg’ ich nicht den Leiter
In meiner Hand. — Hätt' aber früher ich
Den Zweig geholt, vielleiht fhon wäre dann
Biel Böfes auch gefhehn. Ich thu' es ungern!
Der falfche Agib ficht dem theuern Freund
112 Die Fiſcherstochter.
So ähnlidy, daß mir oft der Buſen ſchmilzt,
Wenn er fo freundlid) milde mich betradıtet;
Und die Vernunft muß immer erft mir fagen:
Nimm Did) in Acht! Der Menſch ift ein Betrüger!
(Sie betrachtet den Zauberſtab.)
Ob diefer Stab nun auch bezaudern kann?
Er fieht fo fchlicht und fo natürlich aus;
Bin wirklich jest id eine mächt'ge Fee?
Und war das ſchöne Weib, das mir’s verfprad),
Nicht ein Gebild der eignen Phantafie?
Es gilt die Probe! Ha — wer kommt fhon da?
Bei Gott, der Arzt, der Duban, eben der,
Der al’ mein Unglück mir bereitet hat.
Du fommft mir eben recht! Hier will ich ftehn,
Verborgen hinter diefem Myrtenreis;
Und wenn er cs am wenigften erwartet,
Tret' ich hervor, als die Vergelterin,
(Sie verbirgt fich.)
Duban
(kommt mit einem Ranzen auf dem Rüden, den Wanderftab in
der Hand.)
Nun muß ich wieder in die weite Welt!
'S ift ein einförmig Ding um's Menfhenleben ;
Id) wollte, daß der Geift mich von der Gabe
Der Auferftchung bald befreien wollte;
Ic fterbe doch zulegt vor Langeweile.
Ein Dugend Freunde ftirbt mir nad) dem Andern;
Das alte Gaukelſpiel hab’ ich fo oft
Gefehn, daß mir die Wiederholung ekelt.
Der Hals, der fid) nidyt beugen will, muß brechen,
Das hab’ ich in der langen Zeit gelernt;
Die Fifherstodter. 113
Doch wo das Kraut wächſt für den bittern Tod’,
Weiß nicht der Arzt und wird es nimmer willen.
Die Gabe, die man mir gegeben hat,
Kann id) mit meinen Leidenden nicht theilen.
Ich will es beſſer nicht als Andre haben,
So mad)’ mid) fterblih, Du Unfterblidyer!
(Gr fest ſich einen Augenblick auf einen Baumſtumpf, ſteht aber
gleich wieder auf.)
Zwar fühl ich mih nad) ſolchem Aderlaß
Wie neu geboren; nur ein wenig matt,
Erſchöpft, faft wie ein neugebornes Kind.
Die Spannung wirkt audy etwas. Ganz kann man
Sid) nicht der dummen Todesfurdt enthalten;
Und haut der Büttel grad nicht in’s Gelenk,
Kann ich mic) Leicht verbluten, menigftens
Muß ic doc gehn mit einem fchiefen Hals,
Bis wieder ein Tyrann mid küpfen laßt.
Wo kehr' ich Hin jetzt? Nach Europa, glaub’ ich,
Da fehen ſich doch die Jahrhunderte
Nicht ganz fo ähnlid), wie in Afien;
Da wechfelt fchnell die Tollpeit mit der Mode,
Und der Hanswurft des Augenblicks macht ſich
Von alten Lappen einen neuen Rock.
Amine (tritt hervor.)
Verrather biſt Du da? Nimm Deine Strafe! |
(Sie fchlägt ihn mit dem Stabe, er wird in einen Dornbuſch
verwandelt.)
Jetzt kannſt Du rigen mit dem ſcharfen Dorn,
Bift Du verwelket bift.
(Der Dornbufh wird plöglich von weißen Bluthen bedeckt.)
Dehleni. Schriften. XII, 8
114 Die Fifherstodter.
Amine
Er wird mit Blumen
Sefhmüdt. Willft Deine Unfhuld Du mir damit
Beweifen? Ha, zu fpat! Ich kann den Zauber
Nicht wieder löfen. — Und wenn auch — Du lügft!
Denn, Bube! haft Du meinen edeln Agib
In einen garftgen Mohren nicht verwandelt?
(Eine Nachtigall fliegt in den Dornbufch und trilfert ein Sllagelied.)
Amine,
Ha, was ift das? will die Natur mir ganz
Den Kopf verrüden? Sollen Blumen, Vögel
Jetzt für mic) denken — fühlen? Fort! Hinein,
Ein Sprüdylein aus des Weifen Mund zu hören;
In heil’ger Halle wird die Sornentbrannte
Befonnenheit und Ruhe wieder lernen.
(4b.)
Die SOHEerlTe
Der Mohr (wie vormals.) Amine (als andächtige Zuhörerin.
Mohr.
„Der ift Eu’r Freund, der im Geheg
Der Irre zeigt den rechten Weg.“
Amine,
D Lieber! zeige mir den rechten Meg!
Bin eben heute deſſen fehr bedürftig.
Mohr.
Das will fagen: die Wege gehen Ereuz und quer; und
am Ende ift der eine eben fo gut wie der andere.
Die Fiſcherttochter. Ab
z Amine.
Du fir nur guten Samen, armer Agib,
Um ihn mit wilden Fuß gleich zu zertreten!
Mohr.
„Zernft in der Noth den Helfer kennen,
Ihn kannſt Du Deinen Bruder nennen.“
Amine.
So fei mein Bruder! Hilf mir in der Noth!
Mohr.
Das will fagen: die Brüder haſſen ſich oft mehr als
wildfremde Leute.
Amine.
Es kränkt ihn wohl, daß ic) ihn jegt als Bruder
Nur lieben will.
(Geht hin und ftreichelt ihm die Wange.)
Ad), Agib, mein Geliebter,
Ic) liebe Did) mehr als mein eignes Leben!
Kennt Du mid) gar nicht wieder, füßer Freund?
| Agib
(ftürzt RI, mit Gefolge.)
Sie koſet ibn, herzt ihn! Es iſt gewiß!
Verräther, ſtirb!
(Er durchbohrt den Mohren)
- Amine
(ichlägt Agib mit dem Stabe.)
Berwandle Did in Stein
Zur Hälfte, von den Sehen bis zum Nabel,
Und ſitz' auf einem Falten Marmorbiod!
(Die Verwandlung geichieht.)
Amine.
Ihr, fein Gefolge, werdet Fröſche, Kröten!
| (68 geſchieht.)
116 Die Fiſcherstochter.
Amine.
Und haft du, Stab, nody diefe Eigenfchaft,
En bring’ ihn fißend fo nach dem Palaſt,
Wo in der Einfamkeit, in dem Saar
Er die verlorne Königsmacht beweine.
( Agib verfchwindet.)
Amine (zum ſterbenden Mohren.)
O mein Geliebter! Warum kann der Stab,
Der Bosheit ſtraft, nicht Tugend neu beleben?
Doch — biſt Du hin — dann iſt mir Alles gleich!
Die Loſung zur Verwüſtung iſt gegeben.
Natur! Du haſt ein ſchönes Werk vernichtet,
Und dreiſt vernicht' ich ſchleunig wieder Dich!
Du ſtehſt ſo trocken da, du hoher Baum,
Gefurcht die Stirn und ſchüttelſt ernſt das Haupt,
Als wäre meine That dir ſehr zuwider?
Und du — du grünes, falſches Hoffnungsgras!
Wo nur die Schlange lauert; und ihr Blumen,
Wo Gift ſich in den Kelchen birgt. — Weg, weg!
Zum See verwandl' id) dieſe ganze Landſchaft,
So ſtill und traurig, wie das todte Mieer,
Und ihr, ihr eigennüß’gen Falten Seelen
Der Hauptftade! die ihr meine Noth befadyet,
Ihe habt ja doch nur eine Fifchnatur,
Und altes Blut fließt in den engen Adern —
So werdet Fiih? in diefem großen Ser,
Mit Schuppen um die liebelofe Bruft!
Grit rett' id) mid) und den geliebten Leichnam,
Und dann, dann mag die Sündflut immer ſchwellen.
——
en
Die Fiſcherstochter. 117
Sandib’3 Hütte am rothen Meere.
Sandih
Cfigt grübelnd mit Tafel und Rohrfeder in der Hand.)
Wenn ein gewaltig, inniges Gefühl,
Das Tag und Naht das Herz mit Wehmuth fült,
Zum Didyter einen armen, ſchlichten Fiſcher
Umſchaffen kann — dann bin idy ein Poet!
(2ieft, was er gefchrieben hat.)
Weit — weit von der Hütte
Das Kameel fie bringt;
Aengftlid unter Fremden
- Sie die Hände ringt;
Eid) die ſchönen Haare
Yon dem Haupte rauft:
„Barum haft Du, Vater!
Graufam mid verkauft?”
„Du, der fo mid) liebte,
Froh entgegenfam,
Benn ih Dir die Bürde
Don dem Haupte nahm!
An die Bruft mid drüdte,
Herzte, küßte mi —
Vater! was verwandelt
Hat zum Tieger Didy?"
Haft ein Thier beleidigt! —
Id bin nicht fo gut;
Ziegerin vertheidigt
Kräftig ihre Brut;
118 Die Fifderstodter.
Tieger ift nicht minder
Seinen Jungen hold;
Der verkauft nicht Kinder
Für ein ſchnödes Gold!
(Gr verfinft in wehmüthige Gedanfen.)
Der Strand außer der Hütte.
Sloriftane.
Es thut mir leid, daß ich den Eleinen Knaben
Aud) noch verderben muß; dod fordert es
Die Noth. — In mag'ſchen Kreifen hab’ ich neulic)
Entdeckt, daß Lolo, wenn er von der Schwefter
Den Talisman einmal bekommen follte,
Den id) ihr gab, — Herr meines Sciefals wird,
Und hun glei muß id), was der Knabe will;
Das wäre dod) ein wenig gar zu hart,
Daß eine mächt'ge Fee von einem Kind’
Abhängen follte. — Lolo, Du mußt fterben!
Dod leicht und ohne Bangen fei Dein Tod.
Bald Eommt er, um das Goldftüd hier zu holen,
Das die barmherz’ge Meerfei oft ihm ſchenkt.
Sie hat es mir geftehen müſſen; denn
Nur Bein ift ihre Macht; fie muß den Geiftern
Der Oberwelt geboren. Still! da kommt
Der Knabe fhon! Ieht fängt das Schaufpiel an.
Id will wie die Fee erfheinen,
Die den Knaben liebt fo fehr. —
Nein — das wag’ ich nimmermehr;
Die Fiſcherstochter. 119
Sp erfhrek’ ich nur den Kleinen,
Der gleidy weinen
Würde, wenn mit folder Miene
Ich erichiene,
Die dem Menſchen ſchrecklich ift;
Hein — dann glaubt er nidye die Lift:
Daß id) ihm aufrichtig diene.
Hat’s mir doch die Fei geftanden,
Selbſt wenn Lolo riefe: Huf!
Mage, mit dem Haupt voll Schiff,
Kaum fie in der Näh’ zu landen.
Mit den Banden
Düſt'rer Häßlichkeit fie ringt;
Lieder ſingt,
Unter grüner Pflanzen Gitter;
Und zu ihrer leiſen Zither
Leiſe nur die Stimme klingt.
Meine Stimm’ iſt nicht fo ſchön,
Darum will ich auch nicht ſingen;
Aber — ja, vor allen Dingen
Muß mich dieſer Knabe ſehn.
Buſenhöh'n
Sollen, wie die ſchäum'gen Wellen,
Lieblich ſchwellen:
Und mit Lotus, wunderbar,
Wird Dein langes Flechtenhaar,
Blonder Nacken, ſich geſellen!
Zwar iſt er ein Knabe noch,
Doch der Schönheit Wundergaben
120
Die Fiſcherstochter.
Wittern ſchon ganz junge Knaben,
Sehen früh in unferm Joch.
Schuppig doch
Muß im Morgenpurpurglanze,
Schön im Tanze,
Halb, vom Nabel, idy ein Fiſch,
- Wie die Schlange, leicht und frifd)
Wedeln mit dem Silberfhwanze.
2olo
(kommt aus der Hütte heraus.)
Warum kommt Amine nid?
Vater hat es doch verfprocen,
Eie foll uns das Eſſen kochen.
Vater ſchweigt, macht ein Gedicht!
Und er bricht
Aus in Thränen, wenn wir fragen;
Will nichts fagen! £
Ach, die Schwefter kommt nicht mehr!
Und id) gräme mid) fo fehr,
- Und id) darf mic) nidyt beklagen.
Lieb bift Du mir, Schwefterlein!
Aber zauderft Du noch lange,
Wird’s dem Fleinen Lolo bange,
Daß er werd? vergefen Dein.
'S war nidt fein,
»S war nicht hübſch von Dir, zu gehen.
Ach, wir fehen
Uns vergeblid) nah Dir um.
Kup ih Did, dann bleibſt Du ftumm,
Wo die grünen Weiden ftehen.
Die Fifherstodter.
Jetzt will id) mein Goldftüd nehmen.
Sich’, da liegt es ſchon! Dod nein,
Das war nur ein gelber Stein.
Wenn nur niht die Wellen kämen;
Muß mid) ſchämen,
Daß ich es noch nit gefunden.
Zwiſchen runden
Muſcheln liegt's — ich ſeh's a
(Entdect Floriſtane.)
Allah! welche ſchöne Frau!
Blätter in dem Haar gebunden.
(Gr klettert einen Baum hinayf.)
Sloriftane.
Holdes Kind! welch' thöricht Bangen
Treibt Dich wol zu folder Flucht?
Hänaft da, wie ’ne reife Frucht
Mit den vollen Apfelwangen.
Ad), Verlangen
Bühl ic), Deinen Mund zu Füllen.
Kennen müſſen
Wir uns näher, Knabe hold!
Gab ih Dir nicht lichtes Gold,
Und Melonen auch, die fügen?
Lolo.
Ach biſt Du die Waſſerfee,
Die uns zeiget ſolche Güte?
Floriſtane.
In der friſchen Knabenblüte
Biſt mir theuer mehr wie je.
%
[57
Die Fiſcherstochter.
In die See
Mag’ hinunter keck zu foringen.
'S wird gelingen;
Dann fol der Delphin, mein Roß,
Didy nad) dem Eriftallnen Schloß
Durd die Purpurwogen bringen.
Lolo.
Liebe Fer, das geht nicht an.
Sich’, mein Goldſtück ſuch' idy eben;
Das muß id) dem Vater geben,
Den id) nicht verlafien kann.
Ad), und dann
Würden aud) die andern Kleinen
Herzlich weinen,
Wenn auch idy verſchwunden wär,
O wie ſehr!
Wir erwarten alle Tage,
Hoffend bald, und bald mit Klage,
Unſrer Schweſter Wiederkehr.
Floriſtane.
Willſt Du Deine Schweſter ſchau'n?
Lolo.
Wie? Amine?
Aminens Trugbild im Waſſer.
Immer munter,
Lieber Bruder! ſpring herunter,
Folg' nach den Kriſtallenau'n.
Drunten, traun,
Liegen Perlen, ſchön verborgen.
Die Fifherstonter. 123
Alle Sorgen
Schwinden dann in Eurzer Frift,
Wenn mein Lolo bei mir ift.
Mir beſuchen Vater morgen.
(2olo fpringt in's Waſſer hinunter. Das Meer fchließt ſich über ihm
zu.” Eine tiefe Stille herrfcht. Nach einigen Augenblicken- fteigt die
wirkliche Meerfei herauf, mit dem kleinen Ertrunfenen in den
Armen.)
Meerfei.
Schnell die böfe Fee verſchwand,
Als das liebe Kind ertrunfen.
Es ifi tief hinabgefunfen
In das unbekannte Land.
Dod), wenn Tand
Meine Kunft nicht, meine Lieder,
- Sing’ id) wieder
Leben in die treue Bruft.
Schon bewegft Du Deine Lungen,
Herrlichſter der Fifcherjungen,
Annod Deiner unbewußt.
Doch — wenn Sie einmal zurüd
Nach der Hütte Echren follte? —
Mir fie dann zeitlebens grollte,
Und zerftört das ftille Glück.
Meifterftüd
Der Natur! Du füßer Ruhe!
Meine Gabe
Sol fie Dir nicht rauben gleich
Spielt ſie mir noch ſolchen Streich —
Stets ich Dich verloren habe.
124 Die Fifherstodter.
Hein — Du follt noch nicht erwadıen ;
Schlafen magft Du, wunderbar,
So vielleicht ein ganzes Jahr;
Dod Dein Kirſchenmund ſoll laden,
Das wird madıen,
Daß Geduld der Vater übt,
Tief betrübt;
Und Did) beifegt in die Höhle,
Weil er hoffe, daß die Seele
Miederkehre, die er Tiebt.
(Sie baut ein Bett von Sand und Meergras, legt den finaben dar»
ein, und taucht hinunter in’s Waller.)
Derfelbe Ort, den Abend nachher.
Sandib und mehrere Sifder bei der Leiche des einen Lolo.
Sandib.
Denn id) einmal noch den Verſtand verliere,
So haltet mir’s zu Gute, lieben Brüder!
Ein graufam Schickſal freut fi d’ran, mid Armen
Ganz zu vernichten! Mein befheidnes Glück
Erregte feine grimm’ge Eiferſucht;
Selbſt meine Armuth hat's mir nicht gegönnt,
Und in mein Brunnenwaller miſcht' es Wermuth.
Nur eine Roſe mit drei Knospen trug
Mein Schmerzensdorn, der mid vermundete;
Seht — Roſ' und Knospen — fie find bin, find bin!.
Und nur mit fharfen Nadeln fteht der Dorn.
O fharrt mir aud ein Grab im nalen Sand),
Und laſſet mid) bei meinem Lolo fchlafen!
(Er wirft fich verzweifelnd zur Erde. }
Die Fifdherstohter. 125
i Abubekr.
Sandib! verzweifle nicht! Der Knabe ſchläft nur,
Er iſt nicht todt.
Sandib.
Todt, todt, mein Lolo, biſt Du! —
Den ganzen Tag hab' ich bei ihm geſeſſen,
Mit Luft hab' ich die Lungen ihm gefüllt,
Mit meinen Küſſen wollt' ich ihn erwärmen —
Doch Alles half zu nichts! Schlaff ſinkt ſein Arm,
Und nimmer öffnen ſich die Augen wieder.
Abubekr.
So koͤnnen wir ihn nicht zur Erde ſtatten,
Denn blühend liegt er da, mit Roſenwangen,
Wenn ſteif und kalt auch, wie ein wächſern Bild.
Mit Trauerliedern wollen wir ihn tragen
Nach jener ſchönen, trocknen Felſenhöhle,
Unweit der Hütte. Auf der Bahre kann
Er liegen dann, mit Blumen um das Haupt.
Den Eingang wollen wir mit großen Steinen
Verwaͤhren gegen wilder Thiere Hunger.
Da kann der Vater täglich ihn befuchen
Und täglid) hoffen. Und erwacht der Knabe,
So lohnt die Freude doppelt Sandib's Schmerz,
Wenn den verlornen Schab er wiederfindet.
Während die Fiicher mit dem Leichensuge beichaftigt find, kommt
der Europier, von fchwarzen Sklaven im Palankine getragen, mit
Sekretair und Wegweiſer)
"Europäer (begeiſtert)
Hier iſt es alſo!
126 Die Fiſcherstochter.
Wegweiſer.
Ein'ge Schritte noch
Zur Linken, gnäd'ger Herr!
Europäer.
Kann ich nun auch
Deſſen verſichert ſein? Hier war es eben,
Wo Moſes in den Tagen grauer Vorzeit
Von Pharao verfolget worden. Iſt
Nun dieſes in der That das rothe Meer?
MWegweifer.‘
Ganz ohne Zweifel, zuverläffig, Herr!
Europäer,
Die Röthe will mir dody nidyt recht einleuchten.
Ich hätt’ es mir weit röther vorgeftellt,
Wie etwa Kirfhenfuppe, rothe Dinte.
Wegweiſer.
Der Sand nur giebt ihm einen rothen Schein.
Man darf es zwar in der Geographie
Mit ſolchen Namen zu genau nit nehmen:
Das ſchwarze Meer ift auch nicht rabenſchwarz,
Das Marmormeer von Marmor nit gebaut,
Das grüne Vorgebirg’ nicht immer grün,
Und mancher arme Fifcher ift geftrandet
Mit Mann und Maus am Kap der guten Hoffnung.
Europäer.
Da habt Ihr recht! Die Neifefchreiber lügen,
Das ſchwarz fie werden möchten. Darum ift’s
Vonnöthen, Lieber! daß man felbft mitunter
Mit eignen Augen unterſucht. — Herr Gott!
Die Fiſcherstochter. 127
jier war es alfo, wo der große Mann
)as unertränkbar auserlefne Bolt - -
luf's Trockne bradyte? Ia, bei Gott! da ficht
Ran nod) die Narbe da, die große Furche.
mar fehr undeutlih, von dem Zahn’ der Zeit
jeinah? verzehrt, doch noch nicht ganz vertilgt.
ö Wegweiſer.
zu'r Gnaden drücken ſich poetiſch aus!
Sie meinen, daß der Zugwind, daß der Windſtoß.
der einst fo wunderbare Wirkung that,
ticht gänzlidy aufgehört und immer noch
die Meeresflähe fegt, die einft er trennte,
ch finde die gelehrte Hypotheſe
techt finnreich, fie verdient gedruckt zu fein,
nd rathe fehr dazu, daß fie fogleid)
n's Tagebud) hineingetragen werde,
Europäer.
ei, Sekretair! Schreib’ Er in’s Tagebud):
n diefem Drte flüchteten die Iuden,
om König Pharao durch's Meer verfolgt,
ie's an den Furchen noch zu jehen iſt.“
Sefretair.
leich, gnäd’ger Herr! Ich werd’ es gleich notiren.
(Schreibt.)
n diefem Orte flücteten die Juden,
m König Pharao durdy’s Meer verfolgt,
ie's an den Furchen nod) zu fehen ift.“
(Er fledt das Buch in die Taſche.)
| „ Europäer.
Se herrlich iſt's doch, in die graue Vorzeit
128 Die Fiſcherstochter.
Hinein ſich zu verſetzen und die Spuren
Der letzten Trümmer ſinnig aufzuſtöbern. —
Doch was hat dieſer Auflauf zu bedeuten?
Da ſitzt ein Mann und weint faſt wie ein Kind;
Mas fehlt denn ihm?
Ein Fiſcher.
Er weint, mein gnäd’ger Herr,
Faft wie ein Kind, weil er fein Kind verloren:
Der Kleine Knab' ift Leider ihm ertrunfen.
Europäer.
Gerechter Gott! er macht ein Wefen draus,
Als wär’ ein prächt'ger Onyr ihm in’s Waller
Gefallen, den dereinft Kleopatra
An eigner königliher Hand getragen.
Hat ſchon der Kleinheitsgeift fid) aus Europa
Nach Afien verbreitet? Lieber Gott,
Es ift ja doch ganz in der Ordnung, daß
Ein Fifherfind ertrinfen muß mitunter. —
Hat aber Niemand etwas Seltenes
Mir zu verkaufen? Gern erfteh’ ich ſolches,
Menn’s nicht zu theuer wird.
Megweifer
(nimmt einen Stein von der Erde, bläft darauf, fAubert ihn mit ver
nem Gewande, reicht ihn dem Herrn und fagt.)
Mit diefem Stein
Schlug Pharao in feinem heiligen Eifer
Den grogen Mofes in die Nadengrube,
Hier an der Ede fit ein wenig Nothes;
Das ift verfteinert Blut. Er ift nicht theuer,
Er koſtet einen Baham. |
Die Fiſcherstochter. 129
Der Europäer (kauft den Stein.)
Sefretair!
Da! Ste ihn in die Taſche!
Sefretair.
Ich bin faft
Schon jo beladen als ein Arbeitsmagen,
Der Ziegelfteine fährt,
Europäer.
So geht es nicht!
Ich muß mir bald noch einen Efel kaufen;
In diefem Lande find mehr Seltenheiten,
Als ich vorher gedacht; zum bill’gen Preis!
Was ift.ein Baham wol für folhen Stein,
Womit der große Pharao den nod)
Weit größern Mofes in den Rüden flug?
Nun tragt mid) wieder fort! Es wird ſchon dunfel.
| (Indem er den Fifchern vorbeigetragen wird, su Sandib.)
Ei, Lieber, wein’ Er nicht! Pfui, ſchäm' Er fi!
Er wohnt hier unter lauter Seltenheiten,
Kann täglich jene Furdy’ im Meer betrachten,
o vormals Mofes das Reißaus genommen;
on Siegelfteinen, womit Pharao
ie Juden auf der Flucht hat ftein’gen wollen,
ahrſcheinlich ift fein ganzes Haus erbaut;
nd doch — doch grämt er ſich, weil ihm ein Kind
eftorhen it? — Ad) Menſch, du bift nur Staub!
(Zu den Trägern.)
un weiter, Kinder! Immer luſtig fort!
enn mid) verlangt nad) mehr Merkwürdigkeiten ;
Oehlenſ. Schriften. XII. n 9
130 Die Fifherstodter.
Im weiten Kreis erweitert fih der Sinn.
Ic fehne fehr mid) nad) den Pyramiden,
Die, Sekretair, muß Er in Lebensgröße
Mir zeichnen.
Sekretair hust.)
Europäer,
Nun — verfteh? Er mid nicht unredt:
Ich meine — perſpektiviſch in Verkürzung.
- Wegweifer.
Befehlen Euer Gnaden diefen Weg?
Europäer,
Die Reife geht mir aber gar zu langfam.
Im Luftballon den? ich fie fortzufegen,
Denn diefes Kriechen halt’ ich mehr nicht aus;
Es fteht im Widerſpruch zu meiner Schnelle.
Sekretair deife.)
Da werden wir die Ziegelfteine, denk’ id,
Doch hei den Pyramiden liegen Taffen.
(Alle ab.)
Offene FZelfennpoöple
Die Fiſcher tragen Lolo, mit Blumen gefchmückt, auf Ruderſtangen,
mit Schilf zuſammengeflochten. Der Vater folgt, mit dem kleinſten
Kinde auf dem Arm und mit Sara an der Hand.
Geſang der Filder.
Schlaf, holdes Kind, auf Deiner Bahre.
Noch finfe nicht zum Tod’ hinab!
Die Felfenhöhfe fei Dein Grab;
Die Fiſcherstochter.
Entfchliefeft in dem Lenz der Jahre!
Der güf'ge Allah Dich bewahre!
Der Dich dem treuen Water gab,
Zum zweiten Male kann er geben;
Kehr' wieder in das ſchöne Leben!
Noch hat der Tod Did) nicht umfangen,
Du lächelſt ja wie fonft gefund; '
Der vollen Kirfche gleicht Dein Mund, *
Und Nofen gleichen Deine Wangen.
3u früh bift Du hinweggegangen,
Wie eine Knospe, feft und rund.
Zwar — berften muß der Keld) der Nelken,
Doch — duften erft, und gleidy nicht welken.
Wenn, nad) den himmlifchen Geboten,
Ein Greis das Leben fpät verliert,
Stehn wir an feinem Sarg gerührt,
Dod wir beweinen nicht den Todten.
Kon Morgenwolken, purpurrothen,
Wird er in's Leben neu geführt.
Wir fingen feine Trauerlieder —
In feinen Kindern lebt er wieder.
Doch — biegt fih) auf dem zarten Stengel
Der Keim, eh' er gereift zur Luft;
Und welft an feiner Mutter Bruft
Der Unfhuld Eleiner Erdenengel — —
Ad — dag ein Engel werd’ ein Engel,
Und kaum fi) feiner nod bewußt —
Das tröſtet nicht in bittern Schmerzen,
Dann weinen wir mit Vaterherzen.
g°
131
132
Die Fiſcherstochter.
O Gott! bewahr der Kinder Leben,
Die, Herr, Du uns gegeben haft;
Dann wird die Hütte zum Palaft,
Und aus dem Meergras wachen Neben.
Wer wollte feinen Lolo geben
Für aller Kön’ge Goldeslaft?
In unfrer Kinder Lenzgewimmel
Genießen wir voraus den Himmel!
Die Fiſcherstochter.
-
Zweiter Aufzug.
Um Strande bei Sandibs Hütte
Früh Morgen. Der Mond fcheint noch.
San dib (mit Fifchergeräthe.)
Der Sturm hat ſo gebrauſt die ganze Nacht,
Als ſollte ſchon die Welt zu Grunde gehn.
Sehr große Steine hat das Meer zum Strande
Gewälzt, und voller Meergras liegt das Ufer.
Wenn nur die Fifche nicht hinweggeſcheucht
An fremden Küften ihre Laiche werfen.
Ich bleibe Hier, wenn auch ich hungern follte:
Verlaſſe nicht die Felfenhöhle, wo
Mein Scyläfer, mein Scyeintodter blühend ruht.
Ic, kann ihn alle Tage doch befucyen,
Und täglid) Hoffen, wenn auch täglich fürdıten.
Ad), wie vermiß ich meinen lieben Jungen,
Sein freundlihes Geſchwätz, woraus ſchon Keime
Der Klugheit ſproßten. — Sollte meine Tochter
Einmal zurüdefehren, weiß fie doch
Noch, wo der Vater wohnt. — Ih kann's mir felbfi
134 Die Fiſcherstochter.
Nicht deutlih machen, und doch ift dem fo;
Verzweifeln ſollt' ich, und id) hoffe wieder.
Mir fcheint’s, als fei nur Alles eine Probe,
Um mid) in Zuverſicht an Gott, Geduld
Zu ftärfen. Und befonders Lolos Tod,
Der doc fein wahrer Tod ift, tröftet mid).
Es ift der eh'rne Arm nicht der Natur,
Der ſchonungslos, nad) ewigen Gefegen
Die Wunde fhlägt. Ein launenhafter Geift
Treibt bier fein Spiel. So will idy muthig auch
Das End’ erwarten; und in Allahs Namen
Ueb' ich nun mein Gefchäft und werfe dreift
Mein Neb hinaus; der Sturm hat fi) gelegt.
(Er wirft das Netz hinaus und ziehts wieder herauf.)
Nur Schutt und Steine! Dacht' ich's nicht? — Geduld!
Ich muß das Glück zum zweiten Mal verfuchen,
(Er reinigt das Netz und wirft es wieder hinaus.)
Noch ſchwerer jest! Es fheint mir, es bewege
Eid) Etwas drin. Das werden File fein,
(Zieht hinauf.)
Was feh’ ic? Eines Efels Beingerippe?
Ad), armer Eſel! wie biſt du in’s Waller
Geplumpt? Das ift ja nicht Dein Element.
Und doc) vielleicht fchliefft du weit ruh'ger da,
Als in der Knechtſchaft auf dem trodnen Lande,
Dich höhnt der Menſch, der ein weit ärg'rer Efel
Als du iftz undankbar vergißt er höhniſch,
Wie nüglicd du ihm biſt — den treuen Dienft,
Derweil er ſchmauſet und du_Difteln friß'ſt.
Verwandter Weifer mit dem garffigen
Geſicht! Beſcheid'ner Freund! Geduld'ges Herz!
Die Fiſcherstochter. 135
Hier ſcharr' id) dein Gebein in nalen Sand,
Zwar bin id Menſch, doc hab’ ic) ſchwere Bürden,
Wie du, getragen; Stolz und Hohn für Dank, '
Wie du, bekommen. — Thier! wir find Verwandte,
Zum dritten Male jest. Nun, güt’ges Schickſal,
Verſuche mid) nicht gar zu fehr! Ein wenig,
Haushälterin des Lebens! nur ein Bilfen
Aus deiner großen Speifefammer. Geiz’ge
Beſchließerin! mady’ nur den Speicher auf!
Barum foll fid) die träge Herrſchaft täglich)
Den fetten Bauch nur überfüllen? Haft
Du gar nichts übrig für die Dienerfchaft?
{ (Zieht herauf.)
Ha, was ift das? Wie ſchwer! Wenn es nur nicht
Das Neb zerreißt, dann bricht die ganze Hoffnung. —
Ein Schrein! Ein eh'rner Schrein! Dicht zugeſchloſſen,
Mit einem großen Siegel wohl verfehn.
Ha, freu’ did, Sandib! Haft dein Glück gemacht:
Ein Schatz, ein ſeltner Schatz liegt hier verwahrt.
Schiffbrüchiger, vergib mir diefe Freude!
Man fagt: des Einen Tod, des Andern Brot.
Wie öffn' id) doch das ſchöne Käftchen gleich?
Mit meinem Meſſer? Ia, das geht! das geht!
(Er öffnet den Schrein, ohne das Siegel zu zerbrechen. Ein ſtarker
Rauch fleigt empor wie eine Wolfenfaule und verbreitet fich über dag
Meer. Es blist und donnert aus der Wolfe, Eine ungeheure Rie- -
fengeftalt wird kennbar, Die fpricht:)
Ha, Gefängniß! Scheußliche Kluft!
In pechſchwarzer Nacht Finfternig
Zufammengedrängt, litt mein Körper
Unendliche Qual, des Lichts beraubt
136 Die Fifherstodter.
Und der freien Bewegung der Glieder;
Eng hineingepreßt, entbehrend
Des erguidenden Sturms, der Felfenluft.
Dumpf verhöhnt von tobender Wellen
Schaum, hört id) den faufenden Flug
Der Fiſche; feldft in erftidenden Dampf
Aufgelöft! Der Rieſenkörper — des Nüdgrats
Sehnigte Flechten. Ein Wurm in der Nuß —
Nuß ohne Loch! Schnöde gebannt
In ewige Knechtſchaft. Nur des Bewußtſeins
Nicht entbehrend; des Gefühls, um die Schmach
Tief zu empfinden, verzweiflungsvoll
Dem Schickſal fluhend, und die Kühnbeit,
Die den Dummdreiſien dazu trieb,
Großer Salomon! Herrſcher der Geifter,
Deiner ewigen Madt zu trogen.
Sandib (entiest.)
Was hör’ ic) hir? O Allan! Mohammed!
Der Geift
(wird immer deutlicher in der Wolke.)
Heilige Freiheit! athm' ich auf’s neu
Deine himmlische Luft? Kann id) in voller
Lebensgröße mid) wieder dehnen,
Wie ein Kind aus den Windeln
Die zarten Glieder? — Breitet end) jebt
In Wolken, Schultern! Flattre, mein Haar!
Wie des Kometen Schweif dur die Luft.
Und du, mein Bein, fuß auf der Erd’!
Füllt euch Lungen, und erfchalb
Meine freudige Stimm’ mit Donnergetös
Siebenfach wiederholt an den Felſen;
®
Die Fiſcherstochter. 137
Während im Aug’ röthlides Feu'r
Zuckt als tödtender Blitz.
Sandib.
Die langen Locken auf dem großen Haupte
Hinwehen zu den Sternen. Ha, id) zitt’re!
Ic, fürchte, dag er mit dem breiten Fuße
Mid, einer Raupe gleich, zertreten wird. —
Iſt aber, in der That, der Mann fo groß?
Vielleicht bin ich, zu Nichts hineingefhrumpft,
Ein Iwerg geworden, dem fo Alles größer
Und ungeheuer deucht. — Doch nein; bin id)
Ein Iwerg, dann hat die ganze übrige
Natur fid) aud) verändert! Dann find dort
Die Palmen Difteln nur, die Weiden Gras,
Dann ift das Meer ein Bad), worüber, naf
Bis an die Knöchel nur, der Große water.
Der Geiſt
chat fich nach und nach zufammengenommen und teitt nun in edler,
obſchon übermenfchlicher Geſtalt Sandib entgegen.)
Nun ſag' mir, Fiſcher, die gewünſchte Todesart!
Denn ſterben mußt Du; wählen kannſt Du ſelbſt den Tod.
Sandib.
Mas hör’ ich? Güt'ger Allah! morden willſt Du mid?
Geift.
Ich hab's gefhworen, ehrlid halt’ id) meinen Eid.
1 Sandib.
Abſcheulich ſind Dein Eid und Deine Ehrlichkeit.
Geiſt.
Ha, wiſſe, Sterblicher! einen Geiſt ſiehſt Du vor Dir,
Der Urwelt Sohn, von übermäß'ger Rieſenkraft,
Als keine Bäume, keine Pflanzen, Blumen noch
138 Die Fiſcherstochter.
Das Thal bedeten, als die irrende Waſſerflut
Den Schlamm nod küßte, wirbelte fon Amgiad
In Felfenklüften, auf der Berge fteinernem Dad)
Im Sturmgebraus, und fpielte mit dem rothen Blih.
dachher, als zarte Pflanzen wurden, Menfhen aud),
Sah mid) auf fhwarzen Dradyen reiten fern der Hirt,
Und zitterte. Der Jäger auch! denn oft, fin Zorn,
Hab’ id) den Mann vom Felfenrand hinabgeftürzt,
Wenn meinen Freund, den Steinbod, er verwundete.
Dod) böſ' von Herzen bin ich nicht, nur launenhaft;
Und aud) als Hund verwandelt biß id) todt den Wolf,
Der graufam in des Greifes Heerde würgete,
Sp ftürmend auf des Urgebirges. Felfenftein,
In Höhlen mic) verlierend, in dem weißen Schaum
Der Waffertrichter fpielend, oft mic) hängend lang
Zwiſchen Himmel und Erde, wolkenähnlidy, faugend fo
Durch Iuft’ge Röhren aus dem Abgrund falz’ge Flut —
Sah id) einmal im Frühling, als der Vogelſang
Aus grauem Dunft mic) in den grünen Wald gelodt,
Ein fhönes Feenmädden, mild’rer Zeiten Kind.
Ein Geift der niedern Negionen, kann fie zwar
Sid) folder Ahnen rühmen nicht, wie mein Geſchlecht;
Schön aber ift fie! Aus dem Bade flieg das Kind,
Mit vollen Lenden, weiß wie Schnee; das gelbe Haar
In NRingelloden zu den runden Waden tief
Hinuuterfliegend, zu dem niedlich Eleinen Fuß,
Und mit der ſchönen Hände zartem Bilderwerk
Bedeckte fie erröthend halb die Mädchenbruft.
Da war's um mid) gethan! Und gar zu thöricht ſchloß
Der Adler ernft ein Bündniß mit der Nachtigall.
Denn falſch wie Frühlingswetter, wie des Bades Perl,
Die Fifherstodter. 139
Wie Flügelfarbenftaub des eiteln Scmetterlings,
Der, feine Treue kennend, nur vom Blumenkeld
Zum Blumenkeldye flattert und ſich Honig faugt,
Sp ift mein Weib. — Ich traf fie in des Buhlen Arm,
Und aufgebradt vom Wahnfinn der Erbitterung
Stieß, mit verruchter Kehle, gegen Salomon,
Den Herrn der Geifter, Läfterungen toll ih aus.
Da griff er mid) und bannte mid) in diefen Schrein
(Das Hohngelächter meines Weibes hört’ ich noch).
Sp liegend in dreihundert Jahren war ich mir
Der eignen Schuld, der Frechheit meines Weibs bewußt.
Sandib.
Du armer Geift! Da haft Du fehr Did) langeweilt.
Geift.
Wie der Bär im Winter fchlafend feine Tagen faugt,
Harrt’ ic geduldig hundert Jahr’ im engen Schrein;
Und dem Grretter, der den Deckel öffnete,
Verſprach ich reichen Lohn von Silber, lichtem Gold,
Nubinen, Diamanten und Smaragden grün.
Denn einer ſchwachen Menſchenhand iſt es erlaubt,
Was Salomon verfagte dem gewaltigen Geift:
Das Siegel aufzumahen. — Kein Erretter kam!
Eich, da verfprad) ich dem Befreier Fürſtenmacht.
Khalife, Sultan, Mogul, König, Tatardan —
Was ihm beliebte, fol’ er werden. — Keiner Fam!
Noch ein Jahrhundert ſchlich ſich hin mit Schnedengang;
Oft glaubt ich meine Rettung nah’, wenn braufend fid)
Der plumpe Walfifch dem Gefängniß näherte,
Das einzige Thier, das ſich fo tief hinunterwagt.
Doch ad), mit täppfchen Stoffen fegt' ev weiter nur
140 Die Fifherstodter.
Don meiner Hoffnung Blumenftrand den eh’rnen Sarg.
Nunmehr verfprady im folgenden Jahrhundert id)
Geſundheit meinem Finder, häuslich ftilles Glüd,
Bewährte Freunde, Frieden, gute Jahreszeit,
Ein edles Weib, der Kinder Segen. — Keiner kam!
Selbftifür den höchſten Lohn ic) feine Hülfe fand,
Als Aufter in der Scale ftedt’ ich immer noch.
Sieh, da verlor id die Geduld, und ſchwur in Wuth,
Daß, wer mid) aus der Kerkernacht erlöfte jeßt —
Der Zaud’rer — fterben folt? er, und zum Lohn der That
Nur felber wählen fdyleunig feine Todesart. — |
Kaum war der Eid gefhworen, als ich deutlich ſchon |
- Der Mogen braufen hörte, hoch hinaufgewühlt.
Da ſuchten ängftlidy im Orkan den Meeresgrund
Die Ungehewr, und ſchuppten, im Vorübergehn
Den Zauberfchrein zum Strand hinauf. Sp fandit Du
mid).
Bezahlen werd’ id) jetzt Dir den verdienten Lohn;
Drum rede, Fiſcher! wähle, wie Du fterben willſt!
Sandib.
Don Alter will id) fterben,
Geift.
Scyerze nidyt mit mir!
Sandib.
Was wag’ id), wenn Du doch fogleid) mid) tödten willt?
Geift.
Wohl wahr! Ein armes Leben ift Dein ganzer Schatz,
Das zeigt mir Dein zerlumpter Turban, Dein Gewand,
Dein kalt verzweifelt Lächeln, Dein geflidtes Neb.
Ha, danke mir, daß ic von einer ſchnöden Laft
Did Schnell erlöfe, wodurd) frei die Eerle wird.
=
Die Fifherstodter. 141
Sandih.
Dann wär’ es auch zum erſten Mal Undankbarkeit,
Daß Wohlthat danke Dir „ die Beleidigung.
eift.
Warum haft Du mir früher nicht geholfen, Mann!
Ich hätte Did) zu Aſiens Sultan gern gemadıt.
Sandib. -
Wie kann ein Niefe doch) fo dumme Fragen thun?
Dein Handeln maht die Wahrheit recht einleuchtend mir:
Im großen Körper felten * ein großer Geiſt.
eiſt.
Dummdreiſter Erdklos!
Sandib.
Zwinge Deinen edeln Zorn!
Streng' halt ich an Dein eigenes Verſprechen mich,
Und geh’ nicht weiter. Einen Eidſchwur thateſt Du,
Ich folle fterben; dod) des Todes freie Wahl
Haft Du mir auch mit heil'gem Eid' verſichert ja?
Geiſt.
Ich that's, und halte Dir mein Wort, bei Salomon!
| Sandib.
Recht gut! Nun alſo — wählen fol idy meinen Tod,
Nicht zu der Wahl gezwungen fein; denn Lieber! Zwang
Iſt feine Baht. Das fiehft Du, Hoff’ ich, felber ein?
Geift.
Sp wähle denn, und mache mir die Zeit nicht lang.
Sandib.
Hein, Freund, ih will nicht min Denn durch diefe
ahl
Machſt Du mir grade umgekehrt die Zeit zu kurz.
142 Die Fiſcherstochter.
Ih will nicht wählen! Noch nicht. Wann id wählen
will,
Das weiß id nicht; vielleicht fhyon morgen, und vielleicht
Nach hundert Jahren erft: die Wahl fteht ganz mir frei..
Und Dir obliegt's, zugegen jeden Augenblick
Zu fein, um meinen Wink zu hören, meine Wahl.
Denn tödteft Du mid) nidyt im ſelb'gen Augenblid,
Dann bift Du ein Meineid’ger, und von Gott verfluct;
So mußt Du, als ein treuer Hund, mir folgen ftets, |
Vermuthlich — bis zum Orabesrand. Denn ſchwerlich
wahl’ |
Ich meinen Tod, eh? felbft er mit der Hippe kommt.
Geiſt.
Giebt's in der Welt wohl einen ſo geſchmeid'gen Wurm,
Mit hohlerm Zahn, als menſchliche Spitzfindigkeit?
Sandib.
Nun alſo?
Geiſt.
Nun, ſo lebe, Du Armſeliger!
Der ein erbärmlich Leben ſchähet feige mehr
Als Heldentod.
Sandib.
Was willſt Du?
Geiſt.
Ich verlaſſe Dich!
Sandib.
Das darfſt Du nicht, Du mußt mir folgen nad) dem Eid.
Geift
(wirft ihm einen Talisman hin.)
Den fcheure, bift des Lebens überdräffig Du,
Und gleich erfchein’ ich, breche Dir den frechen Hals.
Die Fifherstodter. 143
Sandib (eiſe.)
Da hat er wieder mich zum Beſten! Hofft' ich doch,
Ich ſoll' ihm erſt auspreſſen ſchweres Löſegeld.
Ich muß ihn noch verſuchen. Wie ich merke, ſteckt
Er gar nicht tief im Scharfſinn.
(Eaut.)
Nun gehab' Dich wohl,
Du launenhafter Geiſt, der mir einbilden will,
Daß Du in dieſem engen Schrein verborgen lagſt.
Geiſt.
Wie? Zweifelt noch der Wurm an meiner Biederkeit?
Sandib.
Du treibſt mit dem Einfältigen Dein loſes Spiel.
Geiſt.
Wie? Hab' ich nicht den Troſt einmal, nach langer Qual,
Nach der dreihundertjährigen Gefangenſchaft—
Daß man mir glaube? * für” nen Lügner noch?
Sau
Mer glaubt wohl Wunder, 9 — ſelber nicht geſehn?
Geiſt (ungeduldig.)
Ich ſag' es Dir, ſo war es doch!
Sandib Gauckt die Achſeln.)
Jetzt glaub' ich Dir,
Sonſt wirft Du böſe.
Geiſt.
Sieh denn ſelbſt, Ungläubiger!
(Er löft ſich wieder in Dampf auf, der fich als Nebel über das Meer
verbreitet und zulegt ald weißer Oualm fich in den Schrein zufammen-
zieht. Eine beinah erfiichte Stimme fragt aus dem Oualm heraus.)
Glaubſt Du mir jebt?
144 Die Fiſcherstochter.
Sandib
(Klappt den Deckel wieder zu.)
Ja, großer Geift, jest glaub’ id Dir.
Geiſt (im Schreine,)
So mache nur gleich wieder auf!
Sandib.
Nein, edler Herr!
Bin dazu gar zu ſchlecht; das kannſt Du ſelber thun
Geift.
Ih hab's Dir ja gefagt, id) kann's nicht felber thun.
Sandib.
So fhlaf ein Mittagsihläfchen noch, dreihundert Jahr,
Bis ein treuherz'ger Narr Did) wieder findet, der
Did) aus dem Käfich unverfehns entſchlüpfen Laßt.
Geift.
Mein Lieber Freund, Du fcherzeft.
Sandib.
Hein, ich bin fehr ernft.
Geift.
Mad’ auf, und id) erfülle gern Dir jeden Wunfd).
Sandib.
Und was verſichert mich wohl Deine Biederkeit?
Geiſt.
Mein Eid, beim heil'gen Ring des hohen Salomon.
Sandib deife)
Den Eid erfüllt er; hab’ ic) es doch felbft gemerft. —
Laut.)
Wohlan denn, ich befreie Dich zum zweiten Mal.
(Er öffnet den Schrein. Der Geift erfcheint auf die vorige Weiſe; wie
er aus Dem Nebel getreten ift, fchiebt er den Schrein mit feinem Fuße
ins Meer hinaus.)
Die Fifherstodter. 145
Sandib (erſchrickt.)
Was machſt Du da?
Geiſt.
Befreie mir mein Auge, *
Vom ſehr verhaßten Anblick
Sandib.
Brichſt Du Deinen Eid?
Geiſt.
Nicht zweifle länger, Staub, an meiner Redlichkeit!
Doch hab' ich Deine Naſeweisheit wohl verdient.
Sorich, was verlangſt Du?
Sandib.
Alſo kann ich Sultan ſein
In Aſien, vom rochen Meer bis China's Strand?
Geiſt. v
Recht gern! Ich hole Dir die Krone.
Sandib.
Thu' es nicht!
Ein armer Fiſcher lieber doch, als Herr der Welt.
Die Arbeit wäre ſchwier'ger und betrübter noch,
Und würde doch, wahrſcheinlich, gar zu ſchlecht beſtellt. —
Doch ſchöne Weiber ſchaffſt Du mir?
Geiſt.
Im Ueberfluß.
Sandib
ſchaut nach dem Grabe feiner Frau unter den Weiden.)
annſt Todte Du erwecken?
Geiſt.
Nein; das kann nur Der,
er fie erſchuf, wenn Jorafil's Poſaune tönt.
Oehlenſ. Schriften. XII. 10
«
146 Die Fiſcherstochter.
Sandib.
Geiſt.
Ja! da kommt Dein kleiner Knabe ſchon.
Der Stein ſperrt ihm den Eingang nicht, er läuft hieher,
Reibt ſich die Augen, glaubt, daß er geſchlafen hab’,
Lolo
(kommt und umarmt Sandib.)
Guten Morgen, Vater! Himmel, welch ein großer Mann.
Scyeintodte?
Sandib.
Dein Nettungsengel. Fürchte nicht, mein liebes Kind.
(Bekümmert.)
Sag', wie befindſt Du Dich? Du biſt doch recht geſund?
Lolo
(reibt ſich die Augen.)
Ich habe mich verſchlafen, glaub' ich. Ach, ic bin
Sp hungrig, Vater!
Geiſt.
Fiſcher, geh’ zur Hütt' hinein,
Hof -Deine Heinften Kinder, und dann folge mir,
Dann follft Du Fiſche fangen, die fehr Foftbar find.
Sandib.
Und find’ ic wohl Amine, meine Tochter, auch?
Geift.
Das wäre möglich; dod) beftimmt verſprech' ich nichts.
Sandib.
O ſegenreicher, o glückſelig-ſchöner Tag!
Sei
Heift.
Ta wohl, ein ſchöner Eommertag. Mid) freut es aud)
Nad) langer am die Morgenröth’ im Wald zu fehn.
(Sie gehen ab.)
Die Fiſcherstochter. 147
Eine wüfte Gegend, mit einem See zwifchen vier Hügeln.
Der Geif. Sandib,
Geift.
Dort ba’ ih Deinen Kindern ſchon ein Haus gebaut.
Sandib.
Wo bin ih? Allah! Nie fah id) nod) diefen Drt.
Geift (öhniſch)
Wohl Vieles hat Dein blödes Aug noch nicht gefehn.
Hier weile! Haft Du Deine Nebe mitgebracht?
Sandib.
Hier ſind ſie.
Geiſt.
Gut. So fiſche dreiſt! Doch ein mal nur
Des Tages ift der Fiſchfang, mer® es, Dir erlaubt.
Sandib.
Nur ein Mal? Heil'ger Mohammed! Am rothen Meer
War drei Mal oft zu wenig für die Dürftigkeit,
Um Brot nur zu bekommen.
Geiſt.
Hier Geſottenes
Wirſt Du zum Brote finden.
Sandib.
D der Wunder al!
Geift.
Eritaune nur nicht länger! Grüble ferner nicht!
Du grübelft doch in's Blau hinein, entdedeft nie
Die Urſachen der Wirkung mit dem Breigehirm.
Kaum weiß idy’s felber, der ich doch ein Niefengeift.
Wenn nun Du einen Fang gemacht, dann geh’ zum Schloß
Wo diefer Gegend König wohnt; er wohnt nicht fern,
10°
148 Die Fiſcherstochter.
Und zum Palaſte führt ein fhöner Nofenfteig.
Da, in der Küche, kaufen fie den Fang Dir ad.
Dierhundert Bahams Eoften fie; Du darfit fie nicht
Verkaufen unter diefem Preis.
- Sandib.
Ach, jo verkauf
Ic fie wohl gar nicht?
Geift. vr
Wieder Zweifel? Könnt id) doch
Did) ew’gen Zweifler würgen, und das Taubenhirn
Gen diefe Klippe Schlagen, hätt’ ic Freundſchaft nicht
Dir zugefihworen. Fiſche denn, und glaube mir:
Sold wirft Du fiſchen, ſag' ic.
Sandib.
Und die Tochter, Geiſt?
Beift.,
Die fhöne Perle find'ſt Du nicht in diefem Ser.
(Verſchwindet.)
Sandib (Callein)
So will ich mehr auch grübeln nicht.
Er hat nicht Unrecht, wenn er ſpricht:
Das Forfhen bringt uns nicht fehr weit,
Menn es betrifft die Göttlichkeit.
Du bift ein ſtarker Niefengeift,
Und Du mahft Wunder — das beweift
Ia eben, daß ein Geift Du bit; >
Das die Natur weit krafrger ift
In Dir, als mir, dem Menſchenkind. — —
Hier weht aud) nidyt der Eleinfte Wind,
Der See ift fpiegelblant und Klar;
Die Fiſche kommen ſchon fürwahr
Die Fifherstodter. 149
Mir Schönen Schuppen durch die Flut.
Sie find beinahe gar zu aut
Zum Eſſen. — Ia, ich feh’s genau:
Der da ift roth, und jener blau,
Und diefer geld, der Andre weiß
Wie Silber. — Thewr ift auch der Preis!
Zu Haufen kommen fie herbei. —
Ha, welche närr'ſche Phantafei!
Der ftille See ſcheint mir ein Land,
Die Fiſche Menfchen allerhand.
Die Silberweißen, wo das Licht
Eid in die reinften Strahlen bricht, —
Rechtgläub'ge find’s! Die Nothen dann,
Eie beten wohl das Feuer an,
Sind Heiden. Und die fanften Dlauen.
Im blauen Waller kaum zu fchauen,
Langſamer auch und wen’ger frei,
Sind Ehriften in der Sklaverei.
Die Gelben aber, die geſchwind
Sp emfig fhwimmen wie der Wind,
Die oft die kleinen Blauen freffen,
Bon Weißen wieder aufgegeflen —
Die, mit dem falben, matten Schein —
Das mögen wohl die Juden fein!
Doch jest, den® ich, genug geträumt!
- Die Arbeit wird dabei verfäumt.
Jetzt will ic fiſchen! — Ach, fieh da!
Ein Weißer, Nother, Blauer ja;
Und aud) ein Gelber ging hinein,
Nur wollt’ er nicht der Erfte fein, —
150
Die Fiſchers tochter.
Jetzt bring’ zum Schloß ich meinen Fang,
Der Weg, hör’ id), ift gar nicht lang.
Ic Eehre mit dem Gelv zurüd,
Theil’ mit den Kindern diefes Glüd.
Den Lolo hat mir Gott gegeben;
Die Tochter auch ift nod) am Leben.
Ein ftarker Geift mir leicht verſchafft,
Was ſchnöde Lift hinweggerafft.
(Ab mit den Fiichen. )
ee IE Di
Die Fifherstodter. 151
Dritter Aufzug
Eine große gewolbte Küche. J
(Die Küchenjungen kommen, machen Feuer auf den Heerd und ſetzen
Töpfe mit Waſſer darüber. Nach und nach verfammeln fich Die Köche,
in veinlichen weißen Zäckchen, mit langen Meflern an der Seite,
Schürzen vorgebunden. Es werden Lauch und Peterfilie gehackt, Rüs
ben und gelbe Wurzeln gefchabt ꝛc. Allmälig heitert fich Alles auf.
Das Feuer brennt lichterloh, das Waffer Focht. Es wird gefchnitten,
geipickt, mit Mehl beftreut, Eier und Del gebraucht; Braten werden
an den Spießen gedreht. Wenn Alles im Gange ift, tritt der Vezier
der innern Angelegenheiten auf, als
Dberfüdhenmeifter
(und Hält mit Würde folgende Rede.)
ME undtäce! Meiſterköche! Wackre Jungen!
Ganz von dem Fleiß, dem Eifer überzeugt,
Womit, bei wichtigen Gelegenheiten
Im Dienſt des Staats, ihr die Spicknadel braucht,
Den Bratſpieß und die Löffel, bitt' ich) euch
Heut mit verdoppelten Kräften zu wetteifern,
Damit das Feuer, das mit reiner Flamme
Hod) auf des Vaterlandes Altar brennt —
(Er zeigt auf den Herd.)
Bewundrungswürd’ger noch auflodern möge!
152 Die Fifcherstochter.
Die Sadye, Kinderdyen, ift kürzlich dieſe:
Ein großer Zaub’rer aus Europa’s Reichen
Iſt heut in Afien plöslic angelangt:
Erft riethen wir auf jenen Vogel Rod;
Als aber durch die Luft er näher kam,
Und mitten in des Schloſſes Hof herabfant,
Entdeckten wir, es fei ’ne große Dlafe,
Aus eines Ungeheuers Baud) gefchnitten,
Mit Luft gefüllt, die durch die Luft ihn trug.
Seltſam ift diefer Zauberer gekleidet
Und gar phantaftifh. Närriſch zugefpist
Dedt ihm der Rod von hinten kaum die Lenden,
Und dingelt als ein Läppchen, wenn er geht;
Nom kahlen Haupte nimmt er einen Filz
Bei jedem Wort, er fpricht, und zeigt die Glabe,
Wo ihm das wen’ge Haar als Dornenkrone,
Mit Mehl und Fett bedekt, den Scheitel Eränjt.
Klein ift er, blatternarbig; did die Nafe,
Der Bauch, fonft Alles dünn. Er ſchnupft Tabad,
Für feine ſchwachen Augen, und fcyeint nicht
Der Mann zu fein, der er doch wirklich ift.
Nun fteht er draußen und erklärt dem Sultan
Die ganze Eonitruction der Wunderblafe,
Der Sultan will, wir follen ihn mit Pracht
Bewirthen und mit allen Lederheiten
Des Jahres. Strengt euch alſo an, ihr Leute!
Damit der feine Europäer Achtung
Für unfre Kunft und Wiſſenſchaft-bekomme.
(Er win gehen, kehrt aber zurück.)
Noch Eins! Im Fahrzeug bei der Wunderblafe
Saß mit dem Herrn ein feltfames Geſchöpf.
Die Fiſcherstochter. 153
Erſt glaubten wir, es fei ein Herenmeifter ;
Doch umgekehrt — 08 war ein Sefretair,
Der Alles aufſchreibt, was der Herr erfährt.
Iſt nun die Suppe gut und nicht verbrannt
Der Braten, werden wir im Werk genannt;
Denn er befchreibt das ganze fremde Wefen.
Das wird gedrudt und wenn auch nicht gelefen,
So ſteht's doch da und wird in künft'gen Tagen
Gewiß von den Gelehrten nahgefchlagen,
Kenn in lateinihen Schriften fie beweifen,
Wie andre Nationen trinken, fpeifen!
Ein Koch (kommt.)
Es irifft ſich ganz befonders glücklich, Herr!
Da ift mit wunderfchönen feltnen Fifchen
Ein Fifher eben angekommen; doc)
Gr hält fie theuer,
Dberfühenmeifter.
Laßt mic) felber fehn.
(Der Koch bringt die Fifche, Sandib folgt ihm.)
| Kr.
Der, weiß wie Perlenmutter, ift ein Hecht;
Der Roth? eine Karauſche, und der Blaue
Scheint mir ein Dorſch zu fein; der Gelb’ ein Yal. _
Doch find’ id) nur entfernte Aehnlichkeit.
- Nie fah ich foldye Fiſche noch!
Dberküdenmeifter.
- 3b aud nid.
Mas Eoften diefe Fiſch'?
Sandib.
In Baufh und Bogen
Dierhundert Bahams.
154 Die Fifherstohter.
Oberküchenmeiſter.
Das iſt äußerſt billig!
(Zum Mundkoch.)
Dies ſeltene Gericht vertrau' ich Dir,
Nur Dir in eignen Händen. Doch ſelbſt will ich
Zugegen ſein, wenn ſie bereitet werden,
Damit hübſch Alles in der Ordnung bleibe.
Koch.
Soll ich ſie braten?
Oberküchenmeiſter.
Unglückſeliger!
War's nun nicht gut, daß ich hier ſelbſt zugegen?
Willſt Du die ſeltne Schüſſel mir verderben?
Glaubſt Du, ich zahle hier vierhundert Bahams,
Um unſerm Sultan, um dem fremden Herrn
Geröſtete Fiſch' im braunen Mehl zu zeigen?
Koch.
Doch der Geſchmack!
Oberküchenmeiſter.
Einfält'ger! was Geſchmack?
Wenn Du Geſchmack beſäßeſt, wüßteſt Du,
Daß von Geſchmack hier nicht die Rede ſein kann,
Denn der Geſchmack fällt Keinem in die Augen.
Bei dieſen Fiſchen ſind die ſchönen Farben
Das Wichtigſte. Du ſollſt ſie kochen!
Koch.
* Blau?
Oberküchenmeiſter.
Den Blauen magſt Du immer blau abkochen;
Den Rothen roth, den Weißen weiß, und gelb
Den Gelben.
Die Fifherstohter. 155
Koch.
Doch wenn nicht die Farben Stich
Im heißen Waſſer halten?
Oberküchenmeiſter
(legt väterlich feine Hand auf des Kochs Schultern.)
Nun, mein Sohn! ;
Dann haft Du Deine Pflicht gethan; dann mögen
Die Kräfte der Natur fid) feiser rathen.
Komm, Fisher! Ich will Dir die Bahams zahlen.
(Ab mit dem Fifcher.)
Der Schloßhof.
(Der Europäer und fein Sekretair, aus dem Luftballon- geftiegen,
vom Eultan und feinen Hofleuten umringt.)
Sultan.
D großer Mann, dep Kenntniß, deſſen Scharffinn
Ic tief bewundern muß! Wie fühl ich mid)
Gering dod) gegen Did! Was ift die Kraft
Des Arms, die Teiblihe Gewalt wohl gegen
Den mächtigen Gedanken, das Genie?
Seldft, fagft Du, haft Du diefes Werk erfunden?
Europäer cfche befcheiden.)
Großmächtigſter! Wenn ic die Freud’ etwa
Gehabt,- durd eine glüdliche Idee
Zuerst auf diefe Neuigkeit zu ftoßen,
Darfit doch Du mein Verdienſt nicht überfhägen.
(2eife zum Sefretair.)
Die guten Leutel — ’S wird am beiten fein,
Das in dem frommen Wahne fie verharren:
Ich fei Erfinder diefes Luftballons.
156 Die Fiſcherstochter.
Das giebt Nefpekt, Vertraun. In einem Lande,
Wo Wechſelbriefe, wo Empfehlungsicreiben
Nichts nusen, ift es immer gut, mein Lieber,
Ein foldy unfhuld’ges Mittel zu gebraudyen.
Sefretair.
Gewiß! Doch wollen Eure Gnaden fid)
Nicht auch Erfinder des Schießpulvers nennen,
Der Drudereien, der Uhrmaderei,
Sammt des Kompalles?
Europäer (elehrend.)
Nein, mein Lieber, nein!
gern’ er von mir, wenn er es nod) nicht weiß:
Man muß befcheiden fein, und nie fid) mit
Gelieh'nen Federn ſchmücken, außer wo
Es nöthig iſt.
Sekretair.
Ich leihe keine Feder,
Die ausgenommen aus dem Gänſeflügel,
Womit ih Euer Gnaden Tagbuch ſchreibe.
Sultan.
Obſchon ihr Europäer Chriſtenhunde
Nur ſeid, beweiſt ihr doch in euren Thaten
Faſt übermenſchlichen Verſtand. Wir fangen
Schon an, allmälig uns nach euch zu bilden.
Mit den Kanonen wißt im Krieg ihr beſſer
Als wir zn fpielen. Und fo giebt es Vieles,
Du haft denn durd) die Tiefe des Verſtandes
Ein ſolches Werk zu Stande nur gebracht,
Und nicht durd Zauberei?
Europäer.
Was Zauberei?
Die Fiſcherstochter.
Es giebt gar feine Zauberei, Großmächt'ger!
Das Wunder ift des Aberglaubens Mutter,
Ein Kind der Ihorheit, der Unwiſſenheit,
Und füllt mit Gaufelbildern nur das Hirn.
Sultan,
Sp glaubft Du nicht an Zauber?
Europäer,
Ei, bewahre!
Sultan.
Auch nicht an Geifter?
Europäer.
Wen'ger nod).
Sultan.
Br, 3 Du haft
Doch felber einen.
Europäer.
Das ift eine Frage,
Die uns zu weit vom Ziele führen würde,
So viel behaupt' ich: Alles in der Welt
Geht platt natürlich) zu. So der Ballon:
Wenn der mit Gas des Waſſerſtoffs gefüllt ift,
Steige er mit mir empor. Warum? Der Menſch
Wiege nur vier Pfund im Waſſer — in der Luft
Verhältnigmäßig freilih etwas mehr;
Doch wird die Schwere von der Leichtigkeit
Defiegt, die Luft von_einer lichtern Luft;
Sp fliegen wir, wie Fauft auf feinem Mantel,
Davon, dod) ganz natürlich, mathematifcy!
Sultan.
Die luft' ge Leichtigkeit beneid' ich Dir,
Willſt Du mich dieſe Kunſt wohl lehren?
157
158 Die Fiſcherstochter—
Europäer.
Gern!
Sultan.
Ic werde meine Dankbarkeit Dir zeigen.
Europäer.
Hein, großer Sultan! Du mußt mir verfprecdhen,
Daß Du mid) nidyt dafür bezahlen willft.
Der Eigennug ift mir im. tiefften Herzen
Verhaßt; dod) Lieb’ ich innig die Natur;
Don Mineralien und Steinen hab’ id)
Schon eine nette Sammlung; doch es mangelt
Mir Vieles noch. Wenn etwa fi) in Deiner
Ein Doppel-Eremplar befinden follte,
Wenn einen überflüß’gen Diamant,
Rubin, Smaragd, Saphir Du haben follteft —
Sultan.
Die follft Du baden.
Europäer (ſch tief verbeugend.)
Und id) werde Dir
Sp vielen Wind, als Du verlangft, bereiten,
(Alte ab.)
DBie Side
Oberfükhenmeifter Koche Jungen.
Dberfüdenmeifter.
Nun? Habt ihr fie in’s Waſſer ſchon gethan,
Und kocht das Waſſer bald?
a Koch.
Ja, Herr! es kocht.
tod) leben fie, es heben ſich die Häupter,
Sie gaffen weit. ‘
Die Fiſcherstochter. 159
Oberküchenmeiſter.
Das iſt doch recht curios!
Ja, ja, der Tod kann oft ſehr ſchmerzlich ſein,
Nicht blos für Menſchen, denk' ich, auch für Thiere.
Der Aal beſonders will nicht gern daran,
Er hat ein zähes Leben. — Güt'ger Allah!
Was iſt doch dieſes? Sieh, die Mauer berſtet,
Und eine ſchöne Dame ſteht im Schornſtein.
(Amine iſt durch die Mauerritze getreten, im flatternden Gewande,
mit weißen Roſen bekränzt, den Zauberſtab in Der Hand.)
Amine.
Fiſche, thut ihr eure Pflicht?
Oberküchenmeiſter.
Iſt dies ein Traum, iſt's ein Gedicht?
Die Fiſche
(trecken die Häupter aus dem Topfe heraus und ſprechen:)
Länger athmen wir nicht
In der Luft, in der Friſche;
Jetzt, nad) fhuldiger Pflicht,
Sind im Waffer wir Fifche.
Doch in kühlender Flut
Dürfen mehr wir nicht rennen;
In der fengenden Glut
Wir Unfhuldigen brennen.
Unfre Freude verfhmwand,
Und wir follten Dich halfen;
Doch es hat der Verſtand
Ja Did, Arme, verlaffen.
Unfre Farben find ſchön,
Dod der Tod wird fie rauben;
160 Die Fiſcherstochter.
Wir find bunt nody zu fehn,
Nach verfhiedenem Glauben.
Die Erlöfung geht an.
Löſ' das Käthfel, wer Eann!
Dberkfühenmeifter.
Id kann es nicht; ich gebe gleich) ein Pfand.
Amine (cſhmerzlich)
Vergebt mir an dem Todesort,
Und faget mir ein Trofteswort!
Die Fiſche.
Nur der Menſch, voll Begier,
Wünſcht die Dauer der Tage;
Ohne Wunſch ift das Thier,
Und es ſtirbt ohne Klage.
Die Natur iſt gerecht,
Mag ſie kränken, erfreuen;
Der erſchuf das Geſchlecht,
Kann es wieder erneuen.
Und das ſagen wir dreiſt,
Ob verwandt auch mit Thieren
Wer gehabt einen Geiſt,
Kann ihn nimmer verlieren!
Amine.
Länger ſoll die Glut nicht ſchmerzen;
Werdet Kohlen, arme Herzen!
(Sie wirft den Topf im Feuer um und verſchwindet durch Die mie- -
dergeöfinete Mauerrige, die fich gleich fchliegt, wenn fie fort ift.)
Dberfüdenmeifter.
Mundkoch! Komm, Eneip’ mich in die Nafe!
Die Fiſcherstochter. A
Koch.
Gern!
(Er thuts.)
Oberküchenmeiſter.
Verfluchter Kerl! Biſt Du denn ganz des Teufels?
Laß bleiben, ſag' ich! Menſch, biſt Du verrückt?
Koch.
Ich thue ja nur, Herr, was Du befohlen.
Oberküchenmeiſter.
Kerl! Maß und Mäßigung ſollſt Du doch halten.
Ich wollte mit Gewißheit nur erfahren,
Ob ich nicht träume, ob ich wirklich wache?
Koch.
Nun, Herr, haſt Du den Glauben in den Händen!
Oberküchenmeiſter.
'S iſt nicht zum erſten Mal, mein lieber Usbek,
Daß Deine Pfiff’ und Tüd’ ich wohl gemerkt.
Nimm Did) in Adıt!
Koch (leiſe.)
'S iſt nicht das erſte Mal,
Daß ich ihn bei der Naſ' genommen habe,
Doch nie fo deutlich und fo derb wie jetzt.
Oberküchenmeiſter.
Iſt noch der Fiſcher da?
Junge.
Ja, hoher Herr!
Oberküchenmeiſter.
Er muß mir morgen wieder Fiſche ſchaffen;
Vier ſolche Fiſche für denſelben Preis.
Dann lad' ich unſern Sultan und den Fremden
Zu dieſem wunderbaren Schauſpiel ein,
Dehlenf. Schriften. XIL.
162 Die Fiſcherstochter.
Befleißigt euch jegt, Alles blank zu feuern,
Mit feiner Aſche reibt die Gedertifche,
Daß heil fie, wie der Mond am Himmel, glänzen;
Und mit geriebnem Ziegelftein das Kupfer,
Daß die aftrollen roth wie Sonnen funkeln.
Wird meine Nafe nur fo bald geheilt!
Denn der verfluhte Koch — Du Schwerenötber!
Nur dran gewöhnt, Geſchlachtetes zu greifen,
Nimmſt Du nie Rückſicht auf lebend'ges Fleiſch.
Kühlſalbe werd' ich brauchen müſſen, Balſam
Drauf ſchmieren und ein garſt'ges Pflaſter tragen.
Ruft mir den Fiſcher! Denn geht der mir fort,
So können wir den ganzen ſchönen Plan
Mit Rauch und Ruß nur in den Schornſtein ſchreiben.
(Ab.)
Die Küche, den Tag darauf.
Alles ift blank und fauber. Aus dem Gußfteine duftet Lavendelmaffer,
Ein ölpaviernes ITransparentbild bedecft den Schornſtein. Es ſtellt
des Sultans Namenzug Dar in einem Palmenkranze, von zwei flie—
genden Pofgunenengeln getragen, Die noch Palmzweige in den Hän-
den halten. Divans find in der Küche angebracht.
Der Sultan kommt mit dem Europäer und Gefolge. Der Oberfüchen-
meiſter folgt prächtig angezogen, mit einem fchwarzen Pflafter auf der
Naſe. Eine große Symphonie wird gefpielt, welche das Geheimnif-
volle der Situation, das Kochen des Waflers und der Fifche Tod mu-
iealifch malt. Zwei Kücheniungen fchlagen zugleich auf Caſtrollen,
und ein Bratenwender knarrt dazwifchen,
‚ Der Europäer.
Sublim, auf Ehre! In der That fublim!
Die Fiſcherstochter. 163
Hätt' ich dod) nicht geglaubt, daß der Geſchmack
In Aſien fo weit fon fortgerüdt.
Sultan.
So habt ihr aud) in euerm Land dergleichen?
Europäer.
Ach Gott! was hat man nicht in unferm Lande?
Parole d’honneur! hier hätt’ ich's nicht erwartet.
Swei Künfte: Malerei und auch Muſik
Verbinden fid) in ſchweſterlicher Eintracht. —
Sehr — Schr bewundr' ich den Pofaunenengel;
Den Linken! Welcher Ausdrud — in den Baden!
Wie er fid) anftrengt. Weniger bemüht fi)
Der Rechte da. Das nenn’ ic) Uebergänge,
Nuancen, Feinbeit. — Und nun die Mufik,
Ganz in dem beften Genre: Eraftiger Lärm
Und dreifte Wiederholung luſt'ger Sätze.
Nichts von der vor/gen Dudelei, gar nichts
Don melodiöfer Herzempfindelei.
Has hat Mufit mit dem Gefühl zu thun?
Noch wen’ger, denk' ich, als die Poeſie. —
Und obendrein ganz neue Inftrumente:
Die zwei Caſtrolle und der Bratenwender.
Sie wirken mit erftaunlihem Effekt,
Großartig und mit trag'ſcher Ironie,
An rechten Stellen angebradyt. Das haben
Wir noch in den Orcheſtern nicht zu Haufe.
Kommt Zeit, kommt Kath! An einem Tage ward
Nicht Nom gebaut.
Sultan (ju den Leuten.)
Ep zeigt ung jetzt das Wunder!
El”
164 Die Fifherstodhter.
(Das Transparent wird weggenommen. Man ficht den ſchwarzen
Schornftein; der Topf mit den Fifchen wird, mit Waſſer gefüllt
über’s Feuer gefegt.)
Europäer bedenklich.)
Die Bühne ftellt hier einen Schornftein vor.
Ia, fo! Ich ſeh', man hat ſich nad) dem Shafefpear
Gebildet. Nun, warum nicht? Ieder Anfang
Iſt schwer, und nad) und nad) fteigt aus dem Chaos
Die Form, die niedlich-zierlich-elegante,
Die glattgehobelte, die bloße Schönheit
Weit übertrifft; von der gigantifcden
Erhabenheit nun gar nicht bier zu reden.
(Die Mauer berfter.)
Sloriftane
(tritt leichtfinnig im dünnen Halbdurchfichtigen Gewande hervor, mit
sothen Rofen um's Haupt, einen Myrtenzweig in der Hand, und
fragt die Fifche lachend.)
Ihr Fiſche, über ihr eure Pflicht? Antwortet der Frage
vernünftig,
Und fprecht nicht dummes, betrübtes Zeug, fonft ftraft euch
die blühende Myrte.
Die Fiſche.
Ja, mächt'ge Fee, gern thun wir die Pflicht. Der Natur
ja find wir verpflichtet;
Und handeln wir der Natur gemäß, fo handeln wir auch
nad) den Pflichten.
Sloriftane.
Betrübt euch denn die Verwandlung nidyt?
Fiſche.
Wie ſollt' uns ſolche betrüben? °
Die Fiſcherstochter. 165
Als Fische doch haben wir Fifchverftand; als Menfchen
hatten wir feinen.
Floriſtane,
Es iſt doch artig, ein Menſch zu ſein.
Fiſche.
Das können die Menſchen nicht meinen;
Sonſt ſtrebten ſie nicht bei Tag und Racht, den Beſtien
wieder zu gleichen.
Floriſtane.
Worin beſteht denn die Freude jetzt?
Fiſche.
Erſt können immer wir trinken,
In's Wirthshaus brauchen wir nicht zu gehn, den letzten
Heller zu zahlen,
Um arm und elend Rubinen zuletzt zu tragen zum Spott
auf der Nafe.
Sloriftane.
Doch habt ihr im Waller nidyts zu thun, da müßt sihr
eud) langeweilen.
Fiſche.
Das eben ergötzt die faule Natur. Nichts ſcheuten wir
mehr als die Arbeit!
Floriſtane.
Was macht ihr denn da?
Fiſche.
Wir laufen umher und bilden uns ſehr auf der Reiſe.
Auch brauchen wir Pferd und Wagen nicht; ſelbſt als das
ſchnelleſte Dampfboot
Wir fahren durch die kühlende Flut.
166 Die Fiſcherstochter.
Sloriftane.
Der DBogel hat es doc) beifer.
Fiſche.
Ach, bald ermüdet der Vogelflug; er ruht auf Zweigen des
Baumes;
Wir ſegeln, als Schiffer und Schiff zugleich, blitzſchnell
durch ferne Korallen.
Floriſtane.
Doch ſcheint euch nicht die erquickende Sonn'.
Fiſche.
Dann kann ſie auch nicht ermatten.
Wir kühlen uns tief im Schilfeswald, in dunkeln Hainen
des Meeres;
Und freundlich lächelt die Sonn’, als Mond, uns durd) »
die dämmernde Flädıe.
Floriſtane.
Doc Kleider traget ihr länger nicht.
Fiſche.
Den ſchönſten, leichteſten Panzer,
Kein Waffenſchmid mit beſſerer Kunſt kann Schuppen bil—
den und fügen.
Floriſtane.
Wo iſt das vorige Vaterglück, und wo die häusliche Freude?
Fiſche
Als Menſchen hatten wir Kinder vier; als Fiſche werfen
die Weibchen
Die Laiche mit Hunderttauſenden drein, wenn alle glücktich
gerathen.
Floriſtane.
Die frißt ein Mund Dir als Caviar in einer einzigen
Mahlzeit.
Die Fifherstodter. 167
h Fiſche.
Dann werfen wir leicht die Laich' auf's neu. Das neh—
men wir dort ſo genau nicht.
Floriſtane.
Doch ewige Feindſchaft, ew'ger Streit raſ't dort am Bo—
den des Meeres.
Fiſche.
Wie auf der Fläche des feſten Lands, naiv wir freſſen
einander.
Floriſtane.
Doch hören könnt ihr ja leider nicht; man ſagt, die Fiſche
find taubitumm.
Fiſche.
Verleumdung! Höreſt Du ſelber doch, daß wir vortrefflich
Dich hören.
Floriſtane.
Da bab’ ich es, traun, geleſen einmal in einer Naturge—
ſchichte.
Fiſche.
Wir waren es einſt; doch ſteigt die Kunſt. Jetzt haben wir
drunten im Waſſer
Der Taubſtummen treffliches Inſtitut. So iſt der Mangel
gehoben.
Floriſtane.
Es thut mir leid, doch das Schickſal wills, ich muß euch
Arme verkohlen.
Fiſche.
Ein Fiſch, Philoſoph mit kaltem Blut, erträgt geduldig
ſein Schickſal.
(Sie wälzt den Topf in die Aſche und verſchwindet durch die
Mauer.)
168 Die Fifherstodter.
Der Sultan
i (fpringt erftaunt von feinem ige auf.)
Allah it Allan! Wunder über Wunder,
Europäer
(mit einem dummen vornehmen Lächeln.)
Recht artig! Ganz charmant. Und was bekommen
Wir noch?
Sultan
(betrachtet ihn verwundert.)
Mehr willft Du noch?
Europäer.
Ein Fleines Nachipiel,
Nicht wahr?
Oberküchenmeiſter
(verbeugt ſich tief vor dem Sultan.)
Das feltne Schaufpiel ift zu Ende.
Europäer.
Sp kurz? Nun — beifer kurz als gar zu lang.
Und die drei Einheiten, fie waren doch
Ganz ridytig obfervirt: das ift der Knoten!
Auch wurden die Gouliffen gut gebraudt;
Und ic) bewundre Eurer Majeftät
Mechanici, die mit fo vieler Täuſchung
Selbft todtgebadne Fische ſprechen laſſen;
Das fünnen die lebend’gen nicht einmal,
(Leife zum Sefretair.)
So ift der Anfang immer bei Barbaren!
Das Aug’ erfreuen Phantasmagorien,
Doch — was befümmt Geſchmack? Was der Berftand?
Kein einziger Charakter ward entwidelt,
Die Fiſcherstochter. 169
Wenn ich mid) ſelbſt nicht, in dem Swifchenfpiele,
Mitrehne. — Doch — man muß wohl höflid) fein.
Sefretair.
Verſteht ſich!
Sultan
Gum Oberküchenmeiſter.)
Laß ſogleich den Fiſcher holen,
Europäer (galant.)
Id) danke Dir, großmächtiger Monard),
Der einem fremden Mann die Gnad’ erwiefen,
Derfönlih in Dein Schauſpiel ihn zu bringen.
Die kleine Scene da war allerliebft;
Dod) muß id) frei geftehn: das Transparent
Mit Deinem Namenszug im Palmenlaub,
Und mit den trefflichen Pofaunenengeln,
Die Duvertur’ audy mit dem Bratenwender,
Trompeten, Pauken und mit den Gaftrollen
Gefielen mir am beften; fteht im wahren
Aeſthet'ſchen Werth weit Über jener Farce:
Ein feltfam unverftändlidyes Gemiſch
Dom Platten und Sublimen; dod) gefteh? id),
Driginel. Denn fpradyen aud die Fiſche
Ganz gegen ihre fonft’ge Fiſchnatur
Und ſpaßten läppiſch mit dem bittern Tode,
Sp fhienen fie mir Fische doc) zu fein.
'S ift viel, die Ilufion ganz aufzuheben
Und — ein’germaßen — doch zu illudiren.
Sultan (sei Seite.)
Der Menſch mag auf die Luft ſich gut verftehn,
Doch fheint er — auf der Erd' — ein Narr zu fein.
170 Die Fiſcherstochter.
Sandib kommt. Ohne auf den Europäer weiter zu achten, geht
Der Sultan
(dem Fifcher entgegen und fragt:)
Biſt Du ein Zauberer? Ein Herenmeifter?
Geſtehe mir die Wahrheit unverbolen.
Sandib,
Ic bin ein armer Fifcher, großer Sultan!
Und weiter nichts.
Sultan.
Und diefe Fiſche?
Sandib.
Fang' ic)
In einem See, von Hügeln dicht umſchloſſen.
Kaum eine Meil' unfern der Stadt.
Sultan.
Id) habe
In meinem Reiche Eeinen folden See.
Du folft dahin mich bringen!
Sandib.
Nach Befehl!
Doch fiihren darf idy morgen wieder erft.
Sultan.
Warum dann erft?
Sandib.
Mid) bindet ein Gelübde,
Das einem mächt'gen Niefen ich gethan,
Sultan.
Sp ftehft mit Geiftern dad) Du in Verkehr?
Sandib.
Ic) kenn’ ihn beſſer nicht als Du, Herr König!
In einem eh'rnen Schrein gefeflelt lag er;
Die Fiſcherstochter. 171
Id) fische’ ihn aus der See heraus. Zum Lohn
Kann täglidy ich vier ſchöne Fiſche fangen.
Wie's zugeht, weiß id nicht!
Sultan.
Ih muß es willen,
Und bin nit ruhig, eh? ic das Geheimnig
Entdede. Morgen folgſt Du mir dahin.
Der Sultan acht mit Gefolge; nur der Europäer und fein ESetretaie
bleiben zurück.
Europäer (Gachend)
Ei, hab' ich doch mein Tag ſo was geſehn!
Der Spaß hat mir beinah' den Kopf verrückt.
Sefretair,
Es war fein Spaß, Herr! Es war bittrer Ernit!
So wahr id) lebe, pure Hererei,
Europäer.
Ei, geh’ Er doch mit feiner Hererei!
Hat audy die Luft Ihn angeftedt?
Sefretair.
Ich weiß es
Mir anders nicht natürlich zu erklären.
Europäer.
Es war nur eine Poſſe, fieht Er wohl,
Um uns zu hintergehn. Die Indianer
Sind gute Tafchenfpieler, weiß man ja;
Sie gaufeln ſelbſt mit gift'gen Brillenfchlangen,
Liebkofen ihnen, fragen fie im Bufen,
Wenn erft der Zahn herausgebroden ift.
Warum denn File nicht fo. gut wie Schlangen?
Id) leugn' es nicht, fie waren ſchön gemacht,
Vermuthlich nur aus Pappe, buntgemalt
172 Die Fiſcherstochter.
Und mit Springfedern drinnen wohl verfehn;
Und um nun redyt die Illuſion zu fteigern,
Spielt felbft der gnad’ge Sultan eine Rolle,
Stellt fid) erftaunt — um uns nur zu erftaunen,
Doch wir find feine Kinder, feine Narren.
Ich wette, mein Geſicht hat nicht die mind’fte
Verwunderung gezeigt, denn fich, mein Lieber!
Das wäre ganzlid) infra dignitatem,
Nun fchreib’ er hurtig, eh’ id) es vergeffe:
(Diktirt dem Sefretair, der fehreibt.)
„Am dritten hujus fahn wir eine Farce
Beim König” — — Ia, wo find wir eigentlich?
Mir Haben nody nicht Zeit gehabt, zu fragen,
In welches Königreich mit dem Ballon
Wir Hingeratben find. — Thut nichts zur Sache!
Schreib' er nur: „auf der malabar'ſchen Küfte.“
Sefretair.
Der malabarihen?
Europäer.
Dder: „der barbar'ſchen!“
„Am dritten hujus fahn wir eine Farce
Beim König auf der malabar'ſchen Küfte,
Mehr zur Mechanik als Aeſthetik hörend;
Woraus wir deutlich denn abnehmen konnten,
Auf welher niedern Stufe nod die Kunſt
Bei diefen ungeſchliff'nen Völkern fteht!”
Hat er's?
Sefretair.
Verbotenus,
Die Fiſcherstochter 173
Europäer.
So fann man fi
Im Vaterland, wenn wir nad) Haufe kommen.
Don eines fremden Volks Geſchmack und Sitten
Doch eine deutliche Vorftellung machen.
(Beide ab.)
174 Die Fiſcherstochter.
Bierter Aufzug.
Bilde Waldgegend.
Der Sultan. Sandib,
Selim.
MD inunter ift die Sonne
Gegangen fhon; die ſchönſte Abendwonne
Genieß' ich hier im dunkelgrünen Walde.
Dort oben fteht ein Schloß, da find wir balde.
Bei dieſen Felfenrißen,
Unwegbar, kann man nicht zu Pferde fißen;
Doch drunten mag, im Ihale,
Im Zelt, bei'm guten Mahle,
Nur mein Gefolge weilen;
Mit Dir, o Fiſcher! will ich weiter eilen,
Das Abentewr beftchen
Und, ohne Schaudern, immer vorwärts geben.
Smwar auf dem Zaubergrunde!
Denn leicht, in einer Stunde
Bin id), von längftbefannten
Ganz nahen Gegenden, nad) ungenannten,
Noch nie gefehnen — in den eignen Staaten —
Wie träumend hingerathen.
Die Fiſcherstochter. 175
Sandib.
Ein wahrer König muß als Held ſich fühlen,
Ihn kann die Furcht nicht Fühlen;
Ein Fifher lernt auch wohl Gefahren trogen
Im Sturm, auf Felfenklogen.
Selim.
Mas Du von Deinem Kinde
Erzählt mir haft, treibt mid), daß ic) gefchwinde
Mit Dir das Sciefal theile.
Und fommen in der Eile
Wir nad) dem Schloß — das von den Abendflammen
Noch ftcht beleuchtet — denk' id):
Dir ſchnelle Hülfe ſchenk' ich.
Mit Deinem Schickſal hängt der Spuk zufanmen!
Sandib.
Amine, theures Madden!
Iſt es mir doch, als hatte mir ein Fadchen
Im Labyrinth gegeben
Der Geift, um Did) zu finden, füßes Leben!
Selim.
Noch hab’ ich felbft nicht Kinder,
Dod fühl’ id) drum nicht minder,
Mas das ein Glück fein muß, vor allen Gaben,
Ein Töchterlein zu haben.
Sandib.
Nie ſchenken die Gewalten
Des Himmels Dir, was fie Dir nidyt erhalten!
Ein Kind, noch nicht geboren,
Kannft Du nicht lieben, haft Du nicht verloren ;
Dody — haben — und dann millen —
Da fühlt das Herz ſich btutend und zerriſſen!
176 Die Fiſcherstochter.
Stlim.
Nur kurz wir zwei ung Eennen,
Doch möcht' ich Did) wohl meinen Freund ſchon nennen.
Im Schwarm des präht’gen Lebens
Ich fuchte nur vergebens;
Vielleicht dies Abenteuer,
Die Wand’rung nad) dem guten Ungeheuer,
Schenkt mir, in fchnelen Stunden,
Mas id am Hof zeitledens nicht gefunden.
Sandib,
Kann derbe Biederfeit, die zwar verwegen,
Dod ohne Eigennuß Dir tritt entgegen,
Kann ſchlichte Armuth büßen
Auf üpp’gen Reichthum, auf die gar zu fügen
Hofworte, Schmeicheleien —
Beſuche mid im Freien
Mitunter, wenn Did Feine Sorgen ftören ;
Und — eines Menfdyen Stimme follft Du hören!
Selim.
Bewundern muß id, Weifer! Dich nicht wenig:
Du könnteſt fein ein König,
Don China’s Küften bis zum rothen Meere;
Dody Deine Männerehre
Liebſt Du als den Schimmer;
Und was Du gut nicht kannſt, das willſt Du nimmer!
Sandib.
Nun — — darf man zu viel nicht preiſen.
Mir ging es wie dem Weiſen
In Griechenland — ſelbander!
Diogenes iſt doch kein Alexander.
Die Fiſcherstochter. 177
Selim.
Hier öffnen fi) die Bäume;
Es laden ung mit Blumen grüne Näume
Hinein in einen Garten,
Den, ohne Zweifel, luft'ge Feen warten.
Sandib.
Licht ſeh' ich in den Hallen
Des Schloſſes droben, hör die Nachtigallen
So herrlich trillern hinter grünen Gittern;
Hier fann nur eine Bruft vor Freude zittern.
Selim.
Ich will es Dir geſtehen,
Ich ſah entzückt die Königin der Feen
Geſtern den Fiſch verbrennen —
Nicht weiß ich mein Gefühl Dir recht zu nennen,
Denn — iſt es auch nicht Liche,
Fühl' id) doch zarte Triebe, _
Das holde Wefen bald ganz zu befißen,
Das mir erſchien durch ſchwarze Mauerrißen,
Sandib.
So bring’ uns Allah’s Segen
Die Schöne Dir, die Tochter mir entgegen. _
(Beide ab.)
Der Gatten.
Amgiad, der Geift, bringt Lolo durch die Luft und fest ihn in den
Garten ; den ehernen Zauberfchrein hat er auch mitgebracht.
Amgiad.
Haft Du mid, einer Knabe, wohl verftanden,
Und fürchteſt Did) nicht vor dem großen Rieſen?
Dehlenf. Schriften. XII. 12
178 Die Fifherstodter.
Lolo.
Wie ſollt' ich Dich, Wohlthäter, fürchten, der
Das Leben mir gerettet hat, und der
Auch meinen Vater glücklich macht?
Amgiad.
Noch iſt
Er's nicht. Der Arme trau'rt um Deine Schweſter.
Lolo.
Verſprochen haſt Du mir, ich ſolle ſie
In dieſem Schloſſe finden.
Amgiad.
Doch verrückt,
Wahnſinnig.
Lolo.
Ach, Du lieber Mohammed,
Dann kennt ſie wol nicht ihren Lolo wieder?
Amgiad.
Sie wird Did) kennen, auch den Vater kennen.
Und dieſe Liebe, die noch tief im Herzen
Ihr wurzelt, hoff’ ich, wird den Wahnſinn dämpfen,
Sie daran hindern, daß ſie nicht Gebrauch
Gleich von der Zaubermacht in Tollheit mache.
Und iſt ſie erſt geheilt — dann hat es weiter
Gar keine Noth. Doch müſſen wir ihr gleich
Den ſchlimmen Talisman vom Buſen reißen,
Womit ſie Unheil ſtiften kann. Wie leicht
Nicht könnte fie den alten Vater, mit
Ehrwürd'gem Bart, in einen Ziegenbock,
In einen Vogel, Lolo, Did) verwandeln!
7 Die Fiſcherstochter.
Und iſt's geſchehn, dann fteht es nidyt zu ändern.
Eu'r Schickſal hängt dann nur von jenem falfcdyen
Boshaften Mefen ab, das, armer Lolo,
Did, in das Meer gelodt.
2ole. .
Ad), kann die Schweiter
So fhöne Künfte machen, lieber Geift?
Ein Ziegenbock der Vater? Nein, bewahre!
Doch id) ein Vogel — Ad), Du lieber Riefe,
Laß meine Schwefter mid) zum Vogel machen!
Id) möchte gar zu gern ein Vogel fein.
Amgiad.
Du bift ja ſchon ein Eleiner, Lofer Bogel!
Lolo.
Doch fliegen kann ich nicht. Ich möchte gern
Wie Du und wie der Vogel Flügel tragen.
Amgiad.
Das geht nicht. Höre jetzt, was ich befehle!
Gleich mußt Du nach dem Schloſſe laufen, Lolo;
Verſteckt in einem Winkel warten, bis
Die Schweſter kommt. Dann lauf' ihr raſch entgegen;
Und wenn ſie Dich an ihren Buſen drückt,
Dann reiß' ihr von der Bruſt den köſtlichen
Rubinenſchmuck. Triffſt Du den jungen Sultan,
Der Deinem Vater folgt — gieb ihm dies Bild
Und bitt' ihn, Dir zu folgen! Er wird's thun.
Wenn dann Du Floriftane, meine Gattin,
Hier in dem Garten fiehft, befehle gleid)
Der Zauberin, in diefen Schrein zu Frieden,
=
180 Die Fiſcherstochter.
Den aus dem Meer ich wieder hergebolt.
Sie muß es thun, haft Du den Talisman;
Auf hundert Schritte muß fie Dir gehorden.
Drum lafle fie ja weiter nicht entſchlüpfen
Will fie es nicht, dann rufe: Salomon!
Und ift fie in dem Kaften, ſchließe gleich
Den Deckel zu und rufe mich! Ic komme;
Und bald — bald ift das Schaufpiel ausgefpielt.
Lolo.
Das wär’ ein prächt'ger Spaß! Ich kann die Fee,
Die boshaft mir das Leben rauben wollte,
In einem Kaſten fangen? Zweifle nicht!
Ic werd’ cs thun, id) bring’ es wohl zu Stande. -
Imgiad.
Doch laß Did) ja von Deiner Liche zu
Der Schwefter nicht verführen, in dem Schloß
Zu weilen! Nimm den Talisman und fliche,
Wenn Du dem Sultan erft das Bild gegeben,
Dann folgt er Dir und fhüst Did auf dem Weg;
Denn trifft euch aud) zu früh das böfe Weib,
Wird ihre Leidenfchaft für jenen Jüngling
Did fihern, bis idy Dir zu Hülfe komme,
2olo.
Ad), allerlichft! Ich werd’ es gut beforgen.
(Ab)
Die Fiſcherstochter. 181
Dede Konigshalle, von vier Kandelabern erhent.
Agib
(allein, auf einem Throne ſitzend; ein Purpurmantel, nachläſſig überge⸗
worfen, bedecit ihm den nadten Leib.)
Bei der Halle Trauerferzen
Sig’ ich auf dem Thron allein;
Halb ein Falter Marmorftein,
Halb ein Menſch mit wundem Herzen,
Um zu fühlen meine Schmerzen
Tiefer noch in öder Nacht,
Wenn die Sorge mit mir wacht.
Fragt ihr, Nachtigall und Eule:
„Barum haft zur Marmorfäule
Du den Feind nur halb gemacht?“
Wär’ id) doch ein ganzer Stein
Wie die alten Heidengötter,
Die idy oft im ſchönen Wetter
Stehen fah im grünen Hain!
Zeigte nur die Miene Pein,
Eine edle, ftile Trauer!
Das erregte Furdt und Schauer,
Zauberin ! in deiner Bruft,
Wenn du mid mit graufer Luft
Sudft, in dem Gefängnißbauer.
Ach — aufrichtig ift dod nicht
Diefer Wunfh! — den Arm bewegen
Kann id) — halbe Hoffnung hegen
In dem träumenden Gedicht;
Und wenn aus in Thränen bricht
Auch mein Aug, kann es dod) fehe
Die Fiſcherstochter.
Draußen ſchöne Berge ftehen.
Mond und Sterne fheinen Mar,
Und mitleid’ger Vögel Schaar
Theilet, fcheint es, meine Wehen.
Schämen freilid ſollt' ich mid)
Vor mir felbft im öden Simmer;
Theuer ift fie mir nod) immer.
Hallen, Liebe! ſollt' ich did);
Denn verrucht und freventlich
Mehr entftellft du meinen Geift
Als den Leichnam. Das beweift
Diefe Schwachheit — daß ich weine.
Körper, werde ganz zum Steine!
Seele, werde wieder dreift!
Wüͤnſch' ic) nicht herbei die Stunde,
Daß fie mit der Geißel, bleich
Komme, wie vom Feenreid,
Zu erneuen meine Wunde?
Steht mit Geiftern fie im Bunde?
Ah, du arme, füße Braut!
Wahnſinn aus den Augen fchaut.
Scheint der Mond auf Gräber, Dächer,
Irrt fie her, durd) die Gemächer,
Wenn der frifche Ahend thaut.
Fragt: „Willſt du did immer noch
Aus für den Geliebten geben?”
Sag’ ih dann: „Ia, füßes Leben,
Denn dein Agib bin id) dod),
Selbft im ärgſten Sklavenjoch!“
Die Fiſcherstochter. 183
Reißt mit gräßlihem Entzüden
Sie den Purpur mir vom Nüden,
Geißelt mid) zum Blute roth,
Giebt mir Früdte, Waller, Brot,
Und geht fort mit Zornesbliden.
Nun, fo trag’ in Allah’s Namen
Id) geduldig diefe Qual;
Findet fie mid) todt einmal,
Sproßt vielleicht des Mitleids Samen.
Reue! deine Thränen Famen
Sreilid dann zu ſpät. Fast fih.) Doc) nein!
Noch bin ich ein Halber Stein —
Will mid) härten, nicht betrüben,
Männer können Weiber lieben,
Dod) das Unglück macht nicht Elein!
(Selim und Sandib, noch in der Galerie, die zum Thronſaale führt.)
Selim.
Ich kann mid) kaum ob der Verwund'rung faffen.
Als Kind bin, mit dem Vater, ich) einmal
Beim Nachbarkönig zum Beſuch gewefen,
Ein fhlimmer Wüthrich war es, Machmud hieß er;
Cein Sohn dagegen, faft von meinem Alter,
Agib bei Namen, war ein edler Knabe.
Ic) Eenn’ es Alles wieder, feh’ es wieder!
Die Pavillons des Schloffes, Minareten,
Die Marmorftufen und die herrlichen
Gemächer! Die Tapeten kenn’ ic) auch,
Wo Iofeph von den Brüdern in der Wüfte
Derkauft den Beduinen wird. — Das machte
Auf meine jugendlihe Phantafie
184 Die Fiſcherstochter.
Damals ſehr grogen Eindrud. Dod da waren
Die Hallen vollgepfropft von Sklaven, Kriegern:
Jetzt ftehn fie leer, wie Gräber; nichts Lebend’ges
Im ganzen großen Schloß; nur Vögel bau’n
Sid Nefter in den Fenftern, uud die Spinne
Mebt ungeftraft ihr Iuftiges Geweb
Schräg durdy den Saal und fängt neugier’ge Fliegen.
Springbrunnen hört man nur mit leifem Rieſeln
Im öden Kaum. Scauluftig fprudelt hoch
Der Stral hinauf, die Königspradyt zu fehn,
Und kehrt verdrießlich in fid) felbft zurüd,
Geht murrend fort, betrogen in der Hoffnung.
(Sie treten in den Saal hinein.)
Mas feh’ ich aber, Gott! da ſitzt ein König!
Der junge Sultan Agid, auf dem Thron,
Im Burpurmantel, doch mit bleiden Wangen!
gib,
Wer naht fih? Wagen Sterblice fih noch
Hierher, wo Zauber nur und Unglüd wohnen?
Selim.
Mein edler junger Freund, Eennft Du mid) noch?
Den Nahbar Selim? Oft ſchon, freilich, dacht' ich
Did) wieder zu befuchen; doch geſteh' ich,
Heut war es eben meine Abſicht nid.
Wie in Dein fernes Reid, nad) ein’ger Stunden
Umirren dort im Wald, ich bergerathen,
Begreif' ic) nicht; doch ſprichſt Du felbft vom Zauber,
Und Dein Palaft, fo menfchenleer und wüſt,
Last mid) nichts Gutes hoffen. Bift nur Du
Non der verfchwundnen Herrlichkeit zurück?
Die Fiſcherstochter. 185
Agib.
Ja, Selim, ja! Das Königreich iſt hin,
Die eitle Macht! Und nur zum Spotte ſitzt
Der König auf dem Thron — dem Himmelbett!
Es mangeln Räder nur — dem Leichenwagen!
Selim.
Erkläre mir das Näthfel.
Agib,
Wie foll ich
Ein Räthfel wol Dir löfen, edler Freund,
Das felbft mir unbegreiflich ift und bleibt!
Verzeih', dag ich nicht, wies dem Wirthe ziemt,
Dem königlichen Gaft entgegeneile!
Ad), Fame der Prophet von Mekka feldft,
Ic, könnte mid) vor ihm in Staub nicht werfen.
Siey’ nur! Zur Hälfte bin id Marmorftein,
Und blutige Striemen deden mir entehrend
Den Rüden und den ganzen obern Leib.
(Er entbloßt fich.)
Selim.
O ſchauderhaft! höchſt fhauderhaft! Dod) bin id)
Des Zaubers ſchon gewohnt. Der Fifcher da
Hat einen Niefengeift heraufgezogen,
Der ihm gar wunderbare Fifchye fchenkte.
Der gute Sandib hat vor einem Jahre
Die Tochter, ein holdfel’ges Kind, verkauft.
Ein Sflavenhändler hat ihn ſchlau mit Wein
Berauſcht und dann zu einer That verführt,
Die nüchtern täglich er zu ſpät bereute.
186 Die Fiſcherstochter.
Die ſucht er, glaubt, daß feiner Tochter Schidfal
Mit diefer Zauberei zufammenhänge.
Agib.
Amine! Heißt nicht Deine Tochter fo?
Sandib.
Allah il Allah!
Agib.
Wohnſt am rothen Meer?
Sandib.
Gott, Gott! Wo iſt ſie?
Agib.
Unglückſel'ger Vater!
Sandib.
Ach, iſt ſie todt?
Agib.
Weit ärger noch als todt!
Sandib.
Lebt ſie in Armuth, Elend?
Agib.
Aerger, ärger!
Sandib.
Bedeckt mit Lumpen? Eine Bettlerin?
Agib.
Weit ärger, Mann! Sie ſchwelgt im Ueberfluß.
Sandib.
Als Sultanin, wie mir's der Sklavenhändler
Verſprochen?
Agib.
Mehr! Als Here, Zauberin.
—
Die Fiſcherstochter. 187
Sandib.
Unmöglid)!
Agib.
Bleibe hier! — Es naht fidy ſchon
Die Unglüdfel’ge. — Tretet in die Ele,
Derbergt Euch Beide hinter die Gardine,
Ihr werdet bald ein blut'ges Schaufpiel fehn.
Selim.
Bei meinem Schwert, fie fol Dich nidyt beleid'gen.
gib.
Geh’, geh”, mein Freund, Dein Schwert ift gar zu ftumpf!
Gebrechlich gegen einen Zauberftab.
Willſt Du Dich felber nicht in Unglück ftürzen —
Verberge Did)!
Sandib (tief bewegt.)
Ich will mic nicht verbergen!
Ich bin ihr Vater — will mid nidyt verbergen.
Kann fie die ganze Welt in Nichts verwandeln,
Ihr Herz kann fid) doch nicht verwandeln! Das
Iſt edel — denn id) fenn’ es.
Agib.
Ach, was richtet
Ein ſchwaches Herz wol gegen Wahnſinn aus?
(Amine kommt langſam durch die Galerie; faſt als Schlafwandlerin,
in langen weißen Kleidern, mit niederhängendem Haare, eine Leuchte
in der einen, eine Geißel in der andern Hand. Sie weilt drinnen.)
Agib.
Ha, Fiſcher! Kennſt Du wieder die Geſtalt?
188 Die Fiſcherstochter.
Sandib.
Mein armes Kind, wie blaß! Ad), fie ift krank
Geweſen.
Agib.
Iſt es noch. Die ärgſte Krankheit! —
Unheilbar, ſeelenkrank!
Amine (rinnen)
Hier iſt's ſo ſchwül
Im großen Schloß, und keine Dienerſchaft.
Dicht alles zugemacht.
( Macht ein Fenſter auf.)
Ach, friſche Kühle,
Mit Blumenduft gemiſcht, erquickt mich wieder!
(Sie fest ſich auf ein Sopha.)
Sandib,
Sie ſpricht fehr leiſe mit ſich ſelbſt.
Agib.
Das thut
Sie immer; innerlich ſehr ſtark bewegt.
Sandib.
Und eine Leuchte trägt ſie.
Agib.
Ob der Mond
Scheint oder nicht. Sie merkt nicht recht, was vorgeht;
Halbträumend ſcheint fie, in der letzten Zeit,
Zu handeln.
Amine
(fieht auf ihre Füße.)
Meine Sohlen find ganz naß
Geworden. Nie geb’ id) mir Zeit genug,
Die Fifherstohter. 189
Zu gehn auf dem gebahnten Weg’, durd) Gänge.
Im hohen naſſen Abendgrafe wat’ ich,
Da freut es mid), die Blumen zu zertreten;
Denn ic bin felbit nur ein zertretnes Blümchen.
Sandib.
Eie fieht uns nicht.
Amine Crinnen.)
Erſt wenn der Todtenkopf
Des Himmels über der Cypreſſe fteht,
Dann ift es rechte Zeit, dann muß ich Arme
Die mir verhaßte, blut'ge Arbeit thun.
Agib.
Sie meint den Mond und meine Geißelung.
Sandib.
Ach, meine arme Tochter! Welcher Wahnſinn!
Sie handelt ja nicht frei; wie eine Puppe,
Bon unfidtbaren Drähten nur bewegt,
Irrt fie umher, Ealt, leblos — aber doch
Nicht ohne Mitleid, ohne Zartgefühl.
Das Eonnte felbft der ärgfte Zaub’rer ihr
Im Bufen nicht erftiden. — Gutes Kind!
Ic, Hoffe nody; denn Deine Nettung — — freilich
Auf Meeresgründen lag fie fief verborgen,
Ich aber habe fie an’s Licht gefifcht.
Agib.
Ach, redeſt Du Wahrheit, guter Vater!
Amine
(geht in den Saal hinein.)
Nun muß id ihn beſtrafen.
190 Die Fifherstodter.
Agib Cum Fifcher.)
Trete feitwärts.
(Sandib verbirgt fich.)
Amine
(nähert fich dem Könige bewegt.)
Unglüdliher! Lehrt Did nit Schmerz, nicht Schmach,
Nicht Einfamkeit, nicht Ernft noch Biederfeit?
Aus Deinen Sälen ift der Schmeichelgeift
Entflohn. Die Eule fliegt zu Dir hinein,
Die, blind am Tag’, ſcharfſichtig in der Nadıt,
Verhüllte Miffethaten leicht entdedt.
Mit glüh'nden Kerzen in dem dicken Kopf
Schielt fie zum halben Leichnam auf dem Thron,
Heult und entfernt fih wieder. Heilig ſchaut
Der Stern, mit ewiglichten Wahrheitsaugen,
Did) Lügner auf dem königlichen Pranger,
Und die Halsftarrigkeit, die Strafe fordert,
Macht feldit den feſten Stern am Himmel zittern.
Ein armes, weiches Herz — ein [hwahes Weib
Swingft Du dazu, Scharfrichterin zu fen,
Weil Du mit eines edeln Mannes Larve
Den Neidhart dedft, und einen ſchönen Jüngling
In einen garftgen Mohren umgewandelt,
Nicht um die Liebe, doch um’s Leben bradteft.
(Aufgebracht.)
Berräther, gleicdy geftche Dein Verbrechen!
Wo nicht, fo geißl' idy wieder Did) aufs Blut.
Agib.
Amin’, id bin Dein Agib, bin Dein Agib!
Für diefe füge Wahrheit will id) fterben.
(Amine entblößt ihm die Schultern und will ihn geißeln.)
Die Fiſcherstochter. 191
Sandib
(tritt raſch hervor.)
Halt’, meine Tochter!
Amine
(läßt verwundert die Geißel finfen.)
Wer ift diefer Mann?
Sandib
— (ſtreckt ſeine Arme gegen ſie aus.)
Dein Vater! Kennſt Du nicht den Vater wieder?
Amine.
Du biſt's!
(Amarmt ihn.)
Sandib.
Ich bin's; obſchon ich väterlich
Nicht gegen Dich gehandelt. Aerger hab' ich
Gewüthet, als die Brüder auf dem Bilde,
Die Joſeph haßten und für Geld verkauften;
Ich liebte Dich — und Gott — ich war Dein Vater!
Amine.
Aus Liebe, Vater, haſt Du es gethan;
Zu meinem Glücke wollteſt Du mich bringen.
Id wär’ auch glücklich wie ne ſel'ge Huris
In Mahom's Paradies geworden; hätte
Nicht ſchnöde Bosheit dieſes Glück zerſtört.
Doch — Bosheit ſtraft Gerechtigkeit mit Strenge.
Entferne Did), mein Vater! Geh’ hinein
In’s Nebenzimmer, daß Du Zeuge nicht
Don einem fchauerlidyen Auftritt werdeft.
Sandib.
Du fragft, Amine, nicht nach den Geſchwiſtern?
192 Die Fiſcherstochter.
Amine CHurtig.)
Ach, was macht Lolo?
2olo
(kommt und lauft ine hurtig entgegen.)
Da ift Lolo! Küf mid)!
(Sie küßt ihn zärtlich; er reißt ihe den Talisman von der Bruft
und ruft:)
Seht wieder fort!
(Zum Sultan.)
Da, Sultan, ift ein Bild!
Folg' mir, wenn Du die Schöne fehen willft,
Hinunter in den Garten.
Selim
(betrachtet entzückt Floriftanens Bild.)
Iſt es möglich?
Die dunkle Ahnung geht ſchon in Erfüllung?
(Er folgt dem Knaben.)
Amine (athmet frei.)
Ach Gott! ich fühle mich wie neu geboren.
'S iſt mir, als ſei ein Stein mir von der Bruſt
Gefallen. — Ich hab' einen ſchlimmen,
Sehr ſchlimmen Traum gehabt. Wo iſt mein Agib?
Sandib.
Da fit er! Eine Leich' auf feinem Thron.
Amine.
Ein Leichnam? — Ha — nie blühten feine Wangen
Wohl ſchöner, als zwei junge Pfirfiche,
(Sie ſtreckt ihm die Arme entgegen.)
Agib.
Gott! warum bin id) noch ein halber Stein
Und kann nicht hin an ihren Bufen fliegen?
Die Fiſcherstochter. 193
Der Zug bewegt ih — Himmel! — Warmes Blut
Kehrt wieder in die Balterftarrten Glieder?
Aufitehen kann ich — gehen — O Amine!
(Er eilt in ihre Arme.)
Ymine
(kuͤßt ihn zärtlich.)
Id; habe einen garfgen Traum gehabt,
Mein Herzgeliebter, ad), vergied mir ſolchen!
Mir räumte, daß ein niedriger Betrüger
In einen Mohren Did) verwandelt hätte.
Und diefer falihe Agib, der Dir leider
Sehr ähnlich fah, faß auf dem Throne dort;
Und täglidy fühlt ich mid) dazu verpflichtet,
Ihn wund zu geißeln. Zeig’ mir Deinen Rüden
Und überzeug’ mid), daß id) mid) geivrt!
Agib (Hei Seite.)
Gott! könnt' id) diefe blut’gen Striemen ewig
Bor ihrem Blid verbergen.
Amine
(entbloßt feine Schulter und fagt froh.)
Eitler Traum!
Sie iſt ſo glatt und weiß, wie Elfenbein.
Agib (erftaunt.)
Bei Gott! id) fange felbft zu glauben an,
Daß Alles nur ein nicht'ger Traum gewefen.
Amine.
So last uns wachend unfres Glüds genießen!
Mein lieber Lolo lief hinunter in
Den Garten wieder; zu den andern Kindern
Oeblenſ. Schriften. XII. 13
194 Die Fiſcherstochter.
Vermuthlich. — Warum hat er feine Schwefier
So ſchnell verlaffen? Liebt er mid nicht mehr?
Komm’, treuer, alter Bater! Komm’, Gemahl!
Erft wenn ic unter Gottes freiem Himmel
Eud) Alle glüdlih an den Bufen drüde,
Fühlt ſich die Bruft von aller Laſt befreit.
(Ale ab.)
Die Fiſchers tochter. 195
Bünfter Aufzug.
Der Garten.
Sloriftane.
Dr fhöne Sultan ift ſchon hier;
Nie ſchlug das Herz fo zärtlid mir.
Die Sehnfudyt macht mich faſt betrübt,
Denn ſterblich Hab’ id) mid) verliebt,
Und er ift audy Fein Ealter Stein,
Wie Agid, gegen Schönheit; nein,
Grad’ umgekehrt! Ich merkt’ es gleich,
Als ich ihm ſpielte jenen Streid:
Das Wunder wundert ihn zwar fehr,
Doch meine Reize zehn Mal mehr.
Seht wollt? er mit dem Fiſcher gehn,
Um eigentlid) nur mid) zu fehn.
Ganz ift der Agib mir zumider!
Er ſitzt mit hänge Gefieder,
Ein armer Vogel ohne Kraft,
Die Blüthen find hinweggerafft.
Toll ift er, und fein Weib ift toll;
—
196 Die Fiſcherstochter.
Weiß nicht, was ich bier länger fol!
Zwar ift es aud) gefährlich ja;
Denn mein Gemahl ift wieder da,
Endlich aus feinem Loch befreit;
Das thut mir freilicdy innig leid.
Doch — ein geſchied'nes Ehepaar
Eind wir einmal. Dreihundert Jahr’
Haben meine Sehnſucht nit erregt;
Der madıt mir nie das Blut bewegt.
Zwei Schäße ſuch' ih: einen Mann,
Der liebt mich — und den Talisman!
2olo ift aus dem Meer gekommen,
Hat von der Schwefter Bruft genommen
Den Blutrubin, der mid bezwingt,
Wenn meines Gatten Wunfd) gelingt.
Doch, hab’ id) Selim erft gewonnen.
Dann handelt er nicht mehr befonnen;
Der Kleine liebt ihn; Selim muß,
Mir zu entfernen den Verdruß,
Dom Knaben gleicdy das Kleinod ranben;
Dann reifen ihm die ſüß'ſten Trauben.
Wenn ih nur Lolo's Gegenwart
Entgehen kann! Das wäre hart,
Wenn fold ein Kind mid) könnte zwingen
Dod, ad) — wozu? zu welchen Dingen?
Und bin ich hundert Schritte nur
Bon ihm entfernt, kann die Natur
Des Zauberfhmuds nicht länger trinken,
Mie in den engeren Bezirken.
Was will er denn? Er giebt mir Fritt! —
Ich hoffe, meine feine Lift
Die Fifherstodter. 197
Wird leicht des Kindes Einfalt trügen;
Es wird fih bald fo glücklich fügen,
Daß idy gelange nad) dem Ziel.
Und poltert der. Gemahl auch viel,
Werd’ ich zum Ziele dod) gelangen —
Den Bären können nicht Müden fangen! nn
Ein anderer Ort im Garten.
(Selim, mit einer Sonnenwende in der Hand. Amgiad, der Geift,)
" Selim.
Hier hofft? idy eine wunderſchöne Frau zu fehn,
Und gräßlich offenbart ſich mir ein Niefengeift. e
Der Geift.
Id) bin des wunderſchönen Weibes Eh’gemahl.
Selim.
Ja fo! So bitt' ich vielmals um Verzeihung Did).
Geiſt.
Recht gern verziehn! denn wiſſ' ich liebe nicht das Weib;
Du ſollſt ſie aber auch nicht lieben.
Selim.
Hätt' ich doch
Es kaum geglaubt, Du kleiner Kobold Eiferſucht,
Daß Du auch ſtarker Rieſengeiſter Herrſcher ſeiſt.
Geiſt.
Aus Eiferſucht nicht handl' ih, aus Barmherzigkeit.
Du bift ein kühner Degen, ftarker Junggeſell,
Du ſchauderſt nicht vor der Erſcheinung, die Dir droht,
195 Die Fifherstodter.
Und foldye Leute Lich’ id. Darum gab ich Dir
Die Sonnenwend’ in linker Hand, damit das Weib
Did) nicht entdede, bis id) Dich als Freund gewarnt.
Selim.
Ach, warne nicht! Liebſt Du nicht ſelbſt das ſchöne Weib,
So laſſe mich ſie lieben!
Geiſt.
Nein! — Als Fliege ſollſt
Du Deine Flügel nicht verbrennen. Freilich iſt
Die Liebe ſelbſt nur Schwachheit einer niedern Art;
Doch kann ſie wol unſchuldig ſein, gutmüthiger
Naturen. So nicht Frechheit; und die böſe Fee
Kennt ſelbſt die ſeichte Liebe nicht, die wie ein Kind
Mit bunten Blumen, leichten Seifenblaſen ſpielt.
Und wär's noch kräft'ge Sinnlichkeit! Die Sinne find
Nicht zu verachten: mit den Sinnen klammert ſich
Der Geiſt nur feſt an die Natur, vermählt ſich ihr,
Und wird nicht blos ein körperliches Traumgebild;
Doch ſo verhält ſich's mit dem eiteln Weibe nicht:
Ihr einz'ger Sinn iſt Flatterſinn! Und was ſie liebt,
Haßt und verſchmaht fie bald im nächſten Augenblid,
Sobald der Wunſch befriedigt ift — die Eitelkeit!
Nicht, wie der Löwe, ſucht fie einen edeln Raub,
Den Hunger dran zu ftillen: wie der Marder fcyleicht
Sie fid) beim Mondſchein in das offne Hühnerhaus,
Und beißt und würgt — und freuet fid) des Seelenmords!
Bift Du ein ſolches blindes- Huhn, das willig ſich
Will würgen laſſen — fag’ es mir! Ic) laſſe Dich),
Verſchwend' an Deine Rettung mehr fein einz’ges Wort.
Dod) bift Du Held und König, fehnft Du wieder Dich
Die Fiſcherstochter. 199
Nach Deinem Volk und nad) dem leeren Richterftuhl:
So bring’ ich Dich im Augenblid hoch durd) die Luft
Nach Deinem Land, und ſchenke wieder Did) der Welt.
Selim.
Die Arzenei ift bitter, die den Kranken heilt,
Und füg ift oft im goldnen Keldy das falſche Gift.
Ic danke Dir und Deinen Wink befolg’ ich, Geift!
Benn erſt id) meinen Freunden Lebewohl gefagt.
(Beide ab.)
Boriger Drt im Garten.
Lolo.
"cDer Zauberſchrein ſteht mit geöffnetem Deckel halb verborgen hinter
einer Blumenftaude.)
Nun darf idy nicht vergeifen,
Was mid) der Geift gelehrt;
Kommt her die Fee vermeſſen,
Und wieder weg begehrt,
Darf ih es nicht erlauben;
Und was fie au verfpricht,
Bill id) ihr gar nicht glauben,
Denn ehrlich ift fie nicht.
Sie hat mid woll'n ertränfen,
Der Fürft iſt Marmelftein,
Die Schwefter kann nicht denken,
200
Die Fiſcherstochter.
Bee, Du follft in den Schrein!
Sonſt konnt id) Vögel fangen
Jetzt fang’ id) eine Fer.
Ift fie hineingegangen,
Freu’ ich mich mehr wie je.
Die große Sonnenwende
Gab mir der Geift fo Klug,
Daß id) ihr Auge blende,
Bis fie mir nah’ genug.
Denn nur auf hundert Schritte
Wirkt der Aubinenftein.
Ic) höre ihre Tritte,
Sie nähert fid) dem Schrein.
(Berbirgt fich.)
Floriſtane kommt.)
Wo bleibt der ſchöne König?
Er macht mir lang die Frift.
2919 (tritt hervor.)
D warte nody ein wenig,
Wenn's Dir genehmig ift.
Sloriftane (erſchrickt)
Has seh’ ih? Holder Knabe,
Bit Du mir wieder nah‘.
2olo
Geigt ihr den Talisman.)
Ja, mit der beften Gabe
In meinen Händen da!
Die Fiſcherstochter.
Sloriftane Cichmeichelnd.)
Was willft Du? Soll id) fuchen
Die Purpurblumen Dir?
Wünſchſt Di wohl Früchte, Kuchen?
Derlange nur von mir!
Lolo.
Du ſchlüpfſt auf dieſem Stege
Nicht wieder weg. O nein!
Ich bitte Dich: komm, lege
Did) hübſch in dieſen Schrein.
Floriſtane
(entdeckt entſetzt den Zauberſchrein.)
In dieſen Schrein, mein Lieber?
(Bei Seite.)
Id) kenne — Gott — den Schrein,
Und ich befomm’ ein Fieber.
(Laut.)
Der Kaſten iſt zu klein,
Da kann ich gar nicht liegen.
Lolo.
Das Meer war auch zu groß,
Doch wollteſt Du mich wiegen
In ſeinem Todesſchooß.
Floriſtane
(in einen ſchönen Vogel verwandelt.)
Du Eleiner milder Knabe,
Halt’ mid) nicht länger feft!
Id meine Jungen habe
Dort in des Baumes Neft.
Die Fiſcherstochter.
Sie hungern. Ad), id) bitte,
Laß mid) ein wenig los;
Ich fliege hundert Schritte
Nach jener Ceder blos!
Lolo.
Du bleibſt!
Floriſtane (als kleiner Hund.)
Aus Deinem Mündchen
Hör’ id) ein ſtrenges Wort.
Ich Bin Dein liebes Hünddyen,
Ach, laß mid laufen fort,
Yus jener Duelle trinken!
Dann Fehr’ idy treu zurüd.
Ich folge Deinen Winfen,
Das ift mein höchſtes Glüd.
Lolo.
Ich kenne Deine Treue,
Ich kenne Deinen Trug.
Betrügſt mid) nicht auf's neue,
Der Worte jetzt genug.
Floriſtane.
Ach, ſei nicht ungeduldig!
Lolo.
Du biſt ne böſe Tee.
Floriſtane (als Lamm.)
Ein Lämmchen, ganz unſchuldig—
Ich laufe nach dem Klee.
Lolo (bei Seite.)
Ad), welche hübfchen Thiere,
Nie ſchöner noch geſehn.
Die Fifherstodter. 203
Bald idy den Zorn verliere
Und laſſ' das Läumchen gehn.
Dody nein — um Gottes willen!
Ich thu's um feinen Preis.
(Laut)
Darf Deinen Wunſch erfüllen
Nicht, Schönes Lämmchen weiß!
Denn wärft Du, was Du fheineft —
Das bift Du aber nicht.
Es Hilft nit, dag Du weineft,
Du Eennft doh Deine Pflicht.
Du willſt mid) nur betrügen,
Dod) das foll gar nicht fein.
Ich kenne Deine Lügen;
Hinunter in den Schrein!
Floriſtane
(als Brillenſchlange.)
Du böſer, garſt'ger Bube,
Gleich laufe weit von mir!
Ich komm' aus meiner Grube,
Den Tod jetzt bring' ich Dir.
Lolo Cänsftlich.)
O Salomon, zum Siege!
(Auf den Schrein zeigend.)
Fort, Here! die Du biſt.
Fioriſtane.
O weh! Ich unterliege
Ganz meiner eignen Liſt.
(Sie ſchlüpft als Schlange in den Schrein hinein; 2olo macht den
Deckel zu.)
204 Die Fifherstonhter.
(Amgiad, der Geiſt, kommt mit Agib, Sandib und
Amine)
Amgiad
(betrachtet höhnifch den augemachten Schrein.)
Auf tiefftem Meersgrund fol fie künftig wohnen,
Wo felbft nicht Leviathan, wo fein Sturm
Sie an das ferne Ufer fchleudern kann.
Bon einem Ungeheu'r befrei' id) fo
Die arme Welt. Was ift das Krokodil
Wol gegen eine ſolche Zauberin,
Die nur die hohe Gabe der Natur,
Die Schönheit, mißbraucht, um das Häßliche,
Um das Gehäffige der That zu üben?
Sandib (bei Seite.)
Ich hab’ dem guten Geift Unrecht gethan
Denn er ift weit vernünfrger, als ich dadıte.
Agib (froh.)
O ſegenreicher Tag! Ich rufe Land
Entzückt, wie der verzweiflungsvolle Schiffer
Vom Maſtkorb; eben wie die magern Hände
Der Mannſchaft um des Hungers Opfer würfeln.
Amgiad
(nimmt aus feinem Bufer acht Kohlen und wirft fie hin ins Gras;
zwei Mohammedaner,, zwei Indianer, zwei Chriften und zwei Juden
ſtehen auf, fchütteln fich und gehen ihres Weges.)
Der Zauber ift gelöft, Es wimmelt wieder
Geſchäft'ges Volk in der verlaßnen Wüfte;
Doch Wü ift mehr nicht ein bebautes Land.
Der See verhärtet fid) zu fefter Erde;
Die Fiſcherstochter. 205
Der Eleine Fiſch wird größer: aus den Schuppen
Wird Menfhenhaut, die Gräten werden Knochen,
Die Lungen füllen fid) mit friiher Luft,
Und warmes Blut fließt in den Adern wieder.
In Falten Wellen lauert Falter Tod,
Wo fonft verzaubert fih) das Leben regte.
Alles erwacht, wie aus dem Binterfchlaf:
Der bärt’ge Löwe ftredt fid) in der Höhle;
Durch Waldeszweige raſſelt Hirfchgeweih;
Des Schwarzen Ebers weißen Hauzahn färbt
Schon neu vergoßnes Blut. Im Cederwald,
Wo ſich die Schlangen regen, grüßet laut
Unzähl'ger Vögel Sang das Morgenrotb,
Das bunt dem eiteln Pfau den Schweif bemalt.
Der Bauer — neulich nod) ein Silberhäring,
Spannt feinen Ochs — im Berge fonft verfteinert —
Bor feinen alten Pflug. Der geiz’ge Filz
Befühlt fein Gold mit magern Fingern wieder.
Der Schyreiber greift das Rohr, das er bei feiner
Verwandlung fallen lieg — noch ift die Tuſche
Nicht dran getrodnet. Der Verbrecher nagt
Berzweiflungsvoll wie vormals feine Kette,
Der Arme, Kranke feufzt auf faulem Stroh;
Auf leichten Sohlen ſchleicht der glüdliche
Liebhaber fih zu feiner holden Schönen;
Die alte Liebe wie der alte Haß
Sind in den nalen Fluten nicht geroftet.
In ihre Nechte tritt, fo gut, fo böfe,
Wie fie vorher gewefen, die Natur —
Und wie ein leichter Nebel weicht der Zauber!
(Er nimmt den Schrein und verfchwindet damit in die Luft.)
206 Die Fifherstodter.
San dib (umarmt feine Kinder.)
So kann id) mid) denn wahrlidy, liebe Kinder!
Heut’ einen höchſt glückſel'gen Fifher nennen;
Und wünfce Jedem — denn wir Menfchen find
Doch alle Fifcher an dem Strand der Hoffnung —
Daß er, eh’ ihn die Noth am höchſten drüdt,
Wie id), das Glück in feine Netze fangel
05 008 0
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