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Full text of "Wilhelm von Humboldt's gesammelte Werke"

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HANDBOUND 

AT  THE 

4h 


UNIVERSITE-  OF 
TORONTO  PRESS 


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Ontario  Council  of  University  Libraries 


http://www.archive.org/details/wilhelmvonhumbol07humb 


r vT^l, 

I 

Wilhelm  von  Humboldt's 


gesammelte  Werke. 


Siebenter  Hand. 


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fieri  in. 

Verlag-   von   Georg   Reimer. 
1852. 


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I  ii  h  a  1  t*). 


Seite 

Ideen  zu  einem  Versuch,  die  Grunzen  der  Wirksam- 
keit des  Staats  zu  bestimmen 1 — 188 

(Breslau  1851.     8.     189  S.) 

I.    Einleitung 1 

II.   Betrachtung    des    einzelnen  Menschen,    und    der   höchsten 

Endzwekke  des  Daseins  desselben 10 

III.  Uebergang  zur  eigentlichen  Untersuchung.  Eintlieilung 
derselben.  Sorgfalt  des  Staats  für  das  positive,  insbe- 
sondre physische,  Wohl  der  Bürger 13 

IV.  Sorgfalt  des  Staats  für  das  negative  Wohl  der  Bürger,  für 
ihre  Sicherheit 41 

V.    Sorgfalt  des  Staats   für    die  Sicherheit    gegen   auswärtige 

Feinde        45 

VI.  Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  der  Bürger  unter 
einander.  Mittel,  diesen  Endzwek  zu  erreichen.  Veran- 
staltungen, welche  auf  die  Umformung  des  Geistes  und 
Charakters  der  Bürger  gerichtet  sind.  Oeffentliche  Er- 
ziehung       49 

VII.    Religion -  .     .     .     .       59 

VIII.   Sittenverbesserung 82 


*)    Mit    dem    vorliegenden    bände   sind   diese   gesammelten  Werke    Wilhelm 
von  Humboldt's  geschlossen. 


IV 

Seite 
IX.   Nähere,  positive  Bestimmung   der  Sorgfalt  des  Staats  für 

die  Sicherheit,  Kntwikkelung  des  Begriffs  der  Sicherheit  .       98 
X.    Sorgfalt  des  Staats    für  die  Sicherheit  durch  Bestimmung 
solcher  Handlungen  der  Bürger,    welche  sich  unmittelbar 
und    geradezu    nur   auf  den    Handlenden    selbst    beziehen 

(Polizeigeseze) 10  4 

XI.  Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Bestimmung 
solcher  Handlungen  der  Bürger,  welche  sicli  unmittelbar 
und  geradezu  auf  andre  beziehen  (Civilgeseze)     .     .     .     .     115 

XII.  Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  rechtliche  Ent- 
scheidung der  Streitigkeiten  der  Büffer 132 

XIII.  Sorgfalt    des  Staats    für   die  Sicherheit    durch  Bestrafung 

der  Uebertretungen  der  Geseze  des  Staats  (Rriminalgeseze)     137 

XIV.  Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Bestimmung 
des  Verhältnisses  derjenigen  Personen,  welche  nicht  im 
Besiz  der  natürlichen,  oder  gehörig  gereiften  menschli- 
chen Kräfte  sind.  (Unmündige  und  des  Verstandes  Beraubte.) 
Allgemeine  Anmerkung  zu  diesem  und  den  vier  vorherge- 
henden Abschnitten 161 

XV.  Verhältniss  der,  zur  Erhaltung  des  Staatsgebäudes  über- 
haupt notlrwendigen  Mittel  zur  vorgetragenen  Theorie. 
Schluss  der  theoretischen   Bntwiklung 171 

XVI.  Anwendung  der  vorgetragenen  Theorie  auf  die  Wirk- 
lichkeit       176 

Inhaltsregister 18'.t 

Denkschrift  über  Preussens  ständische  Verfassung.     19S— 278 

(Denkschriften  des  Ministers  Freiherrn  vom  Stein  über 
Deutsche  Verfassungen.  Herausgegeben  von  G.  H.  Pertz. 
Berlin  1848.     8.     S.  96  — i%5.) 

.Mémoire  devant    servir   de  refutation  à  celui  du 

Comte  de  Capo  d'Istria 279—293 

(Geschichte  des  zweiten  Pariser  Friedens  für  Deutschland. 
Aus  Aktenstücken  von  A.  F.  H.  Schaum  an  n.  Göttingen 
1844.     8.     Tlieil  II.     S.  HI  — XII.) 

Lettre  à  M.  Abel-Hémusal.  sur  la  nature  des  formes 
grammaticales  en  généra]  et  sur  le  génie  de  la 
langue  chinoise  en  particulier 294 — 381 

(Paris   18'.>7.     8.     VIII1'.     îr.'S.) 


V 

Seite 

Notice  sur  la  Grammaire  Japonaise  du  P.  Oyan- 

guren 382—396 

(Supplément  à  la  grammaire  Japonaise  du  P.  Rodriguez, 
ou  Remarques  additionnelles  sur  quelques  points  du  sy- 
stème grammatical  des  Japonais,  tirées  de  la  Grammaire 
composée  en  espagnol  par  le  P.  Oyanguren,  et  traduites 
par  M.  C.  Landresse,  membre  de  la  soc.  asiat.;  précédées 
d'une  notice  comparative  des  Grammaires  japonaises  des 
PP.  Rodriguez  et  Oyanguren.  Par  M.  G.  de  Humboldt. 
Ouvrage  publié  par  la  société  asiatique.  Paris  1826.  8. 
S.  1  —  12.) 
Lettre  à  M.  Jacquet  sur  les  alphabets  de  la  Po- 
lynésie Asiatique 3^7 — 422 

(Ueber  die-  Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprachbaues 
und  ihren  Eintluss  auf  die  geistige  Entwicklung  des 
Menschengeschlechts.     Berlin   1834.     4.     S.  492  — 511.) 

An  Essay  on  the  best  means  of  ascertaining  the 

afiinities  of  oriental  languages 423—434 

(Transactions  of  the  Royal  Asiatic  Society  of  Great  Britain 
and  Ireland.  Vol.  II.  P.J.  London  1829.  4.  p.  213  — 
221.  Auch  in  einem  besonderen  Abdrucke  aus  diesem 
Bande.     London   1828.      4.     11  S.) 

Sonette.  (Handschriftlich) 435—488 

1.  Der  Zug   nach  oben 435 

2.  Die  Hoffnung        436 

3.  Die  Ewiggütige 137 

4.  Jugend  und  Alter 438 

5.  Die  letzten   Schranken 439 

6.  Zwiefache  Ansicht 440 

7.  Die  stillen  Nächte 441 

8.  Die  Sterne 442 

9.  Blumen  und  Sterne 443 

10.  Betrachtung 444 

11.  Höchster  Lebensgewinn 445 

12.  Wolken,  Träume,  Lieder       446 

13.  Das  Schicksal  und  der  Mensch 447 

14.  Der  Seele  Kräfte 4  48 

15.  Gefiederte  Sänger 449 


VI 

Seile 

16.  Ihr  Bild       450 

17.  Licht  der  Liebe 451 

18.  Gegenliebe       452 

19.  Vorgefühl  und  Muth 453 

•J0.  Mannesmuth 454 

21.  Der  Gymnast 455 

•22.  Bescheidenes  Glück 456 

23.  Die  Schönheit 457 

24.  Gedanke  und  Gefühl 458 

25.  Des  Dichters  Geist        450 

26.  Gegebenes  Maal's 460 

27.  Zwiefache  Richtung 461 

28.  Der  Stier  im  Joch 462 

2«J.  Das  Pferd 463 

30.  Das  Verstummen       16  i 

31.  Das  Verschwinden 465 

32.  Räthsel  I.   .     . 566 

33.  Räthsel  II 467 

3i.  Lea 168 

35.  Traumgestatten 469 

36.  Sehnsucht  der  Liebe 470 

37.  Thekla 471 

38.  Das  Schweigen 472 

39.  Mitleid 473 

40.  Damokles 17  4 

11.  Des  Herrschers  Glanz 475 

42.  Das  Diadem 476 

43.  Die  Seelenwanderung 477 

4  4.  Venus 478 

45.  Mars 470 

46.  Leto 480 

47.  Sisyphus 481 

48.  Hellas 482 

40.  Die  Römer 483 

50.  Die  Römerin 484 

5,1.  Wahre  Gröfse 485 

.■•.'.  Mach!   der  Liebe 486 

53.  abschied  vom  Meer 487 

ii.  Des  Jenseits  Schleier 


Ideen  zu  einem  Versuch,  die  (îranzen  der  Wirk- 
samkeit des  Staats  zu  bestimmen. 


Le  difficile  est  de  ne  promulguer  que  des  lois  né- 
cessaires, de  rester  à  jamais  fidèle  .:i  ce  principe 
vraiment  constitutionnel  de  la  société,  de  se  mettre 
en  garde  contre  la  fureur  de  gouverner,  la  plus  fu- 
neste maladie  des  gouvernemens  modernes. 

MIRABEAU  I.  AINK.  sur  l'éducation  publique  p.  6&. 


Ideen  zu  einem  Versuch,  die  Gränzen  der  Wirk- 
samkeit des  Staats  zu  bestimmen. 


i. 

Einleitung. 

W  enn  man  die  merkwürdigsten  Staatsverfassungen  mit 
einander,  und  mit  ihnen  die  Meinungen  der  bewährtesten 
Philosophen  und  Politiker  vergleicht;  so  wundert  man  sich 
vielleicht  nicht  mit  Unrecht,  eine  Frage  so  wenig  vollstän- 
dig behandelt,  und  so  wenig  genau  beantwortet  zu  finden, 
welche  doch  zuerst  die  Aufmerksamkeit  an  sich  zu  ziehen 
scheint,  die  Frage  nämlich:  zu  welchem  Zweck  die  ganze 
Staatseinrichtung  hinarbeiten  und  welche  Schranken  sie  ih- 
rer Wirksamkeit  setzen  soll?  Den  verschiedenen  Antheil, 
welcher  der  Nation,  oder  einzelnen  ihrer  Theile,  an  der  Re- 
gierung gebührt,  zu  bestimmen,  die  mannigfaltigen  Zweige 
der  Staatsverwaltung  gehörig  zu  vertheilen,  und  die  nöthi- 
gen  Vorkehrungen  zu  treffen,  dass  nicht  ein  Theil  die  Rechte 
des  andern  an  sich  reisse;  damit  allein  haben  sich  fast  alle 
beschäftigt,  welche  selbst  Staaten  umgeformt,  oder  Vor- 
schläge zu  politischen  Reformationen  gemacht  haben.  Den- 
noch miisstc  man,  so  dünkt  mich,  bei  jeder  neuen  Staats- 
einrichtung zwei  Gegenstände  vor  Augen  haben,   von   wel- 

VII.  1 


chen  beiden  keiner,  ohne  grossen  Nachtheil  übersehen  werden 
dürfte:  einmal  die  Bestimmung  des  herrschenden  und  die- 
nenden Theils  der  Nation,  und  alles  dessen,  was  zur  wirk- 
lichen Einrichtung  der  Regierung  gehört,  dann  die  Bestim- 
mung der  Gegenstande,  auf  welche  die  einmal  eingerichtete 
Regierung  ihre  Thätigkeit  zugleich  ausbreiten  und  einschrän- 
ken muss.  Dies  Letztere,  welches  eigentlich  in  das  Privat- 
leben der  Bürger  eingreift  und  das  Maass  ihrer  freien,  un- 
gehemmten Wirksamkeit  bestimmt,  ist  in  der  That  das  wahre, 
letzte  Ziel,  das  Erstere  nur  ein  notwendiges  Mittel ,  dies 
zu  erreichen.  Wenn  indess  dennoch  der  Mensch  dies  Er- 
stere mit  mehr  angestrengter  Aufmerksamkeit  verfolgt,  so 
bewährt  er  dadurch  den  gewöhnlichen  Gang  seiner  Thätig- 
keit. Nach  Einem  Ziele  streben,  und  dies  Ziel  mit  Aufwand 
physischer  und  moralischer  Kraft  erringen,  darauf  beruht  das 
Glück  des  rüstigen,  kraftvollen  Menschen.  Der  Besitz,  wel- 
cher die  angestrengte  Kraft  der  Hube  übergiebl,  reizt  nur 
in  der  täuschenden  Phantasie.  Zwar  existirt  in  der  Lage 
des  Menschen,  wo  die  Kraft  immer  zur  Thätigkeit  gespannt 
ist,  und  die  Natur  um  ihn  her  immer  zur  Thätigkeit  reizt, 
Ruhe,  und  Besitz  in  diesem  Verslande  nur  in  der  Idee. 
Allein  dem  einseitigen  Menschen  ist  Ruhe  auch  Aufhören 
Einer  Aeusserung,  und  dem  Ungebildeten  giebt  Ein  Gegen- 
stand nur  zu  wenigen  Aeusserungen  Stoff.  Was  man  daher 
vom  Ueberdruss  am  Besitze,  besonders  im  Gebiete  der  fei- 
neren Empfindungen,  sagt,  gilt  ganz  und  gar  nicht  von  dem 
Ideale  des  Menschen,  welches  die  Phantasie  zu  bilden  ver- 
mag, im  vollesten  Sinne  von  dem  ganz  Ungebildeten,  und 
in  immer  geringerem  Grade,  je  näher  immer  höhere  Bildung 
jenem  Ideale  führt.  Wie  folglich,  nach  dem  Obigen,  den 
Eroberer  der  Sieg  höher  freut,  als  das  errungene  Land,  wie 
den  Reformator  die  gefahrvolle  Unruhe  der  Reformation 
höher,    als    der  ruhige   Genuss   ihrer    Früchte;    so   ist  dem 


Menschen  überhaupt  Herrschaft  reizender,  als  Freiheit,  oder 
wenigstens  Sorge  für  Erhaltung  der  Freiheit  reizender,   als 
Genuss  derselben.     Freiheit  ist  gleichsam  nur  die  Möglich- 
keil  einer  unbestimmt  mannigfaltigen  Thätigkeit;  Herrschaft, 
Regierung  überhaupt  zwar  eine  einzelne,  aber  wirkliche  Tbä- 
tigkeit.     Sehnsucht  nach  Freiheit  entsteht   daher  nur  zu  oft 
erst   aus    dem    Gefühle   des    Mangels    derselben.     Uniäugbar 
bleibt  es  jedoch  immer,  dass  die  Untersuchung  des  Zwecks 
und  der  Schranken  der  Wirksamkeit  des  Staats  eine  grosse 
Wichtigkeit  hat,  und  vielleicht  eine  grössere,  als  irgend  eine 
andere    politische.     Dass    sie    allein   gleichsam    den    letzten 
Zweck  aller  Politik  betrifft,  ist  schon  oben  bemerkt  worden 
Allein  sie  erlaubt  auch  eine  leichtere   und   mehr  ausgebrei- 
tete Anwendung.  Eigentliche  Staatsrevolutionen,  andere  Ein- 
richtungen  der  Regierung    sind  nie,    ohne   die   Concurrenz 
vieler,  oft  sehr  zufalliger  Umstände  möglich,  und  führen  im- 
mer mannigfaltig   nachtheilige   Folgen  mit  sich.     Hingegen 
die   Glänzen   der   Wirksamkeit    mehr    ausdehnen   oder   ein- 
schränken  kann  jeder   Regent  —   sei  es  in  demokratischen, 
aristokratischen,    oder   monarchischen   Staaten  —   still    und 
unbemerkt,   und   er  erreicht  vielmehr  seinen  Endzweck  nur 
um  so  sicherer,   je  mehr   er   auffallende  Neuheit  vermeidet. 
Die  besten  menschlichen  Operationen  sind  diejenigen,  welche 
die  Operationen  der  Natur  am  getreuesten  nachahmen.   Nun 
aber  bringt  der  Keim,  welchen  die  Erde  still  und  unbemerkt 
empfängt,  einen  reicheren  und  holderen  Segen,  als  der  ge- 
wiss nothwendige,  aber  immer  auch  mit  Verderben  beglei- 
tete  Ausbruch   tobender   Vulkane.     Auch   ist    keine   andere 
Art  der  Reform  unserm  Zeitalter  so  angemessen,  wenn  sich 
dasselbe   wirklich   mit  Recht   eines  Vorzugs  an  Kultur  und 
Aufklärung  rühmt.      Denn   die   wichtige   Untersuchung    der 
Grunzen  der  Wirksamkeit  des  Staats  muss  —  wie  sich  leicht 
voraussehen   lässl    —    auf  höhere  Freiheit  der  Kräfte,   und 

1* 


grössere  Mannigfaltigkeit  der  Situationen  führen.  Nun  aber 
erfordert  die  Möglichkeit  eines  höheren  Grades  der  Freiheit 
immer  einen  gleich  hohen  Grad  der  Bildung  und  das  ge- 
ringere  Bedürfniss,  gleichsam  in  einförmigen,  verbundenen 
Massen  zu  handeln,  eine  grössere  Stärke  und  einen  mannig- 
faltigeren Reichthum  der  handelnden  Individuen.  Besitzt 
daher  das  gegenwärtige  Zeitalter  einen  Vorzug  an  dieser 
Bildung,  dieser  Stärke  und  diesem  Reichthum,  so  muss  man 
ihm  auch  die  Freiheit  gewähren,  auf  welche  derselbe  mit 
Recht  Anspruch  macht.  Ebenso  sind  die  Mittel,  durch  welche 
die  Reform  zu  bewirken  stände,  einer  fortschreitenden  Bil- 
dung, wenn  wir  eine  solche  annehmen,  bei  weitem  ange- 
messener. Wenn  sonst  das  gezückte  Schwerdt  der  Nation 
die  phvsische  Macht  des  Beherrschers  beschränkt,  so  besiegt 
hier  Aufklärung  und  Kultur  seine  Ideen,  und  seinen  Willen; 
und  die  umgeformte  Gestalt  der  Dinge  scheint  mehr  sein 
Werk,  als  das  Werk  der  Nation  zu  sein.  Wenn  es  nun 
schon  ein  schöner,  seelenerhebender  Anblick  ist,  ein  Volk 
zu  sehen,  das  im  vollen  Gefühl  seiner  Menschen-  und  Bür- 
gerrechte, seine  Fesseln  zerbricht;  so  muss  —  weil,  was 
Neigung  oder  Achtung  für  das  Gesetz  wirkt,  schöner  und 
erhebender  ist,  als  was  Noth  und  Bedürfniss  erpresst  — 
der  Anblick  eines  Fürsten  ungleich  schöner  und  erhebender 
sein,  welcher  selbst  die  Fesseln  löst  und  Freiheit  gewährt, 
und  dies  Geschäft  nicht  als  Frucht  seiner  wohlthätigen  Güte, 
sondern  als  Erfüllung  seiner  ersten,  unerlässlichen  Pflicht 
betrachtet.  Zumal  da  die  Freiheit,  nach  welcher  eine  Na- 
tion durch  Veränderung  ihrer  Verfassung  strebt,  sich  zu  der 
Freiheit,  welche  der  einmal  eingerichtete  Staat  geben  kann, 
eben  so  verhält,  als  Hoffnung  zum  Genuss,  Anlage  zur 
Vollendung. 

Wirft  man  einen  Blick  auf  die  Geschichte  der  Staats- 
verfassungen ;   so  würde  es  sehr  schwierig   sein,    in   irgend 


einer  genau  den  Umfang  zu  zeigen,  auf  welchen  sich  ihre 
Wirksamkeit  beschränkt,  da  man  wohl  in  keiner  hierin  einem 
überdachten,  auf  einfachen  Grundsätzen  beruhenden  Plane 
gefolgt  ist.  Vorzüglich  hat  man  immer  die  Freiheit  der 
Bürger  aus  einem  zwiefachen  Gesichtspunkte  eingeengt,  ein- 
mal aus  dem  Gesichtspunkte  der  Nothwendigkeit,  die  Ver- 
fassung entweder  einzurichten,  oder  zu  sichern;  dann  aus 
dem  Gesichtspunkte  der  Nützlichkeit,  für  den  physischen 
oder  moralischen  Zustand  der  Nation  Sorge  zu  tragen.  Je 
mehr  oder  weniger  die  Verfassung,  an  und  für  sich  mit 
Macht  versehen,  andere  Stützen  braucht;  oder  je  mehr  oder 
weniger  die  Gesetzgeber  weit  ausblickten,  ist  man  bald  mehr 
bei  dem  einen,  bald  bei  dem  andern  Gesichtspunkte  stehen 
geblieben.  Oft  haben  auch  beide  Rücksichten  vereint  ge- 
wirkt. In  den  älteren  Staaten  sind  fast  alle  Einrichtungen, 
welche  auf  das  Privatleben  der  Bürger  Bezug  haben,  im 
eigentlichsten  Verstände  politisch.  Denn  da  die  Verfassung 
in  ihnen  wenig  eigentliche  Gewalt  besass,  so  beruhte  ihre 
Dauer  vorzüglich  auf  dem  Willen  der  Nation,  und  es  musste 
auf  mannigfaltige  Mittel  gedacht  werden,  ihren  Charakter 
mit  diesem  Willen  übereinstimmend  zu  machen.  Eben  dies 
ist  noch  jetzt  in  kleinen  republikanischen  Staaten  der  Fall, 
und  es  ist  daher  völlig  richtig,  dass  —  aus  diesem  Gesichts- 
punkt allein  die  Sache  betrachtet  —  die  Freiheit  des  Privat- 
lebens immer  in  eben  dem  Grade  steigt,  in  welchem  die 
öffentliche  sinkt,  da  hingegen  die  Sicherheit  immer  mit  die- 
ser gleichen  Schritt  hält.  Oft  aber  sorgten  auch  die  altern 
Gesetzgeber,  und  immer  die  alten  Philosophen  im  eigent- 
lichsten Verstände  für  den  Menschen,  und  da  am  Menschen 
der  moralische  Werth  ihnen  das  Höchste  schien,  so  ist  z.  B. 
Piatos  Republik,  nach  Rousseaus  äusserst  wahrer  Bemer- 
kung, mehr  eine  Erziehungs-  als  eine  Staatsschrift.  Ver- 
gleicht man  hiermit  die  neuesten  Staaten,  so  ist  die  Absicht, 


6 

für  den  Bürger  selbst  und  sein  Wohl  zu  arbeiten,  bei  so 
vielen  Gesetzen  und  Einrichtungen,  die  dem  Privatleben  eine 
oft  sehr  bestimmte  Form  geben,  unverkennbar.  Die  gros- 
sere innere  Festigkeit  unserer  Verfassungen,  ihre  grössere 
Unabhängigkeit  von  einer  gewissen  Stimmung  des  Charak- 
ters der  Nation,  dann  der  stärkere  Einfluss  bloss  denkender 
Köpfe  —  die,  ihrer  Natur  nach,  weitere  und  grössere  Ge- 
sichtspunkte zu  fassen  im  Stande  sind  —  eine  Menge  von 
Erfindungen,  welche  die  gewöhnlichen  Gegenstände  der  Thä- 
tiekeit  der  Nation  besser  bearbeiten  oder  benutzen  lehren, 
endlich  und  vor  Allem  gewisse  Religionsbegriffe,  welche  den 
Regeriten  auch  für  das  moralische  und  künftige  Wohl  der 
Bürger  gleichsam  verantwortlich  machen,  haben  vereint  dazu 
beigetragen,  diese  Veränderung  hervorzubringen.  Gehl  man 
aber  der  Geschichte  einzelner  Polizei -Gesetze  und  Einrich- 
tungen nach,  so  findet  man  oft  ihren  Ursprung  in  dem  bald 
wirklichen,  bald  angeblichen  Bedürfniss  des  Staats,  Abgaben 
von  den  Unterthanen  aufzubringen,  und  insofern  kehrt  die 
Aehnlichkeit  mit  den  älteren  Staaten  zurück,  indem  insofern 
diese  Einrichtungen  gleichfalls  auf  die  Erhaltung  der  Ver- 
fassung abzwecken.  Was  aber  diejenigen  Einschränkungen 
betrifft,  welche  nicht  sowohl  den  Staat,  als  die  Individuen, 
die  ihn  ausmachen,  zur  Absicht  haben;  so  ist  und  bleibt  ein 
mächtiger  Unterschied  zwischen  den  älteren  und  neueren 
Staaten.  Die  Alten  sorgten  für  die  Kraft  und  Bildung  des 
Menschen,  als  Menschen;  die  Neueren  für  seinen  Wohlstand, 
seine  Habe  und  seine  Erwerbfähigkeit.  Die  Alten  suchten 
Tugend,  die  Neueren  Glückseligkeit.  Daher  waren  die  Ein- 
schränkungen der  Freiheit  in  den  älteren  Staaten  auf  der 
einen  Seile  drückender  und  gefährlicher.  Denn  sie  griffen 
geradezu  an,  was  des  Menschen  eigenthüinliches  Wesen  aus- 
macht, sein  inneres  Dasein;  und  dabei  zeigen  alle  älteren 
Nationen  eine  Einseiligkeil,  welche  (den  Mangel  an  feinerer 


Kultur,  und  an  allgemeinerer  Kommunikation  noch  abge- 
rechnet) grossentheils  durch  die  last  überall  eingeführte  ge- 
meinschaftliche Erziehung,  und  das  absichtlich  eingerichtete 
gemeinschaftliche  Leben  der  Bürger  überhaupt  hervorge- 
bracht und  genährt  wurde.  Aul  der  andern  Seite  erhielten 
und  erhöheten  aber  auch  alle  diese  Staatseinrichtungen  bei 
den  Allen  die  thätige  Krall  des  Mensehen.  Selbst  der  Ge- 
sichtspunkt, den  man  nie  aus  den  Augen  verlor,  kraftvolle 
und  genügsame  Bürger  zu  bilden,  gab  dem  Geiste  und  dem 
Charakter  einen  höheren  Schwung.  Dagegen  wird  zwar 
bei  uns  der  Mensch  selbst  unmittelbar  weniger  beschrankt,  als 
vielmehr  die  Dinge  um  ihn  her  eine  einengende  Form  er- 
halten, und  es  scheinl  daher  möglich,  den  Kampf  gegen 
diese  äusseren  Fesseln  mit  innerer  Kraft  zu  beginnen.  Al- 
lein schon  die  Natur  der  Freiheitsbeschränkungen  unserer 
Staaten,  dass  ihre  Absicht  bei  weitem  mehr  auf  das  geht, 
was  der  Mensch  besitzt,  als  auf  das,  was  er  ist,  und  dass 
selbst  in  diesem  Fall  sie  nicht  ■ —  wie  die  Alten  —  die  phy- 
sische, intellektuelle  und  moralische  Kraft  nur,  wenn  gleich 
einseilig,  üben,  sondern  vielmehr  ihr  bestimmende  Ideen,  als 
Gesetze,  aufdringen,  unterdrückt  die  Energie,  welche  gleich- 
sam die  Quelle  jeder  thätigen  Tugend,  und  die  nothwendige 
Bedingung  zu  einer  höheren  und  vielseitigeren  Ausbildung 
ist.  Wenn  also  bei  den  alleren  Nationen  grössere  Kraft  für 
die  Einseitigkeit  schadlos  hielt;  so  wird  in  den  neueren  der 
Nachtheil  der  geringeren  Kraft  noch  durch  Einseitigkeit  er- 
höht. Ueberhaupt  ist  dieser  Unterschied  zwischen  den  Allen 
und  Neueren  überall  unverkennbar.  Wenn  in  den  letzteren 
Jahrhunderten  die  Schnelligkeit  der  gemachten  Fortschritte, 
die  Menge  und  Ausbreitung  künstlicher  Erfindungen,  die 
Grosse  der  gegründeten  Werke  am  meisten  unsere  Aufmerk- 
samkeit an  sich  zieht;  so  fesselt  uns  in  dem  Allerlhum  vor 
Allem    die  Grösse,    welche    immer   mit   dem  Leben   Eines 


8 

Menschen  dahin  ist,  die  Blüthe  der  Phantasie,  die  Tiefe  des 
Geistes,  die  Starke  des  Willens,  die  Einheit  des  ganzen 
Wesens,  welche  allein  dem  Menschen  wahren  Werth  giebt. 
Der  Mensch  und  zwar  seine  Kraft  und  seine  Bildung  war 
es,  welche  jede  Thätigkeit  rege  machte;  bei  uns  ist  es  nur 
zu  oft  ein  ideelles  Ganze,  bei  dem  man  die  Individuen  bei- 
nah zu  vergessen  scheint,  oder  wenigstens  nicht  ihr  inneres 
Wesen,  sondern  ihre  Ruhe,  ihr  Wohlstand,  ihre  Glückselig- 
keit. Die  Alten  suchten  ihre  Glückseligkeit  in  der  Tugend, 
die  Neueren  sind  nur  zu  lange  diese  aus  jener  zu  ent- 
wickeln bemüht  gewesen1);  und  der  selbst2),  welcher  die 
Moraliti.it  in  ihrer  höchsten  Reinheil  sah  und  darstellte,  glaubt, 
durch  eine  sehr  künstliche  Maschinerie  seinem  Ideal  des 
Menschen  die  Glückseligkeit,  wahrlich  mehr,  wie  eine  fremde 
Belohnung,  als  wie  ein  eigen  errungenes  Gut,  zuführen  zu 
müssen.  Ich  verliere  kein  Wort  über  diese  Verschiedenheit. 
Ich  schliesse  nur  mit  einer  Stelle  aus  Aristoteles  Ethik: 
„Was  einem  Jeden,  seiner  Natur  nach,  eigenthümlich  ist, 
„ist  ihm  das  Beste  und  Süsseste.    Daher  auch  den  Menschen 


')  Nie  ist  dieser  Unterschied  auffallender,  als  wenn  alte  Philoso- 
phen von  neueren  beurtheilt  werden.  Ich  führe  als  ein  Beispiel 
eine  Stelle  Tiedemanns  über  eins  der  schönsten  Stücke  aus 
Piatos  Republik  an:  Quanquam  autem  per  sc  sit  iuètiiia  grata 
nobis:  tarnen  si  exercitium  eins  nullam  omninoafferrel  utilitatem, 
si  iusto  ea  omnia  essent  patienda ,  quae  fratres  commémorant  ; 
iniustitia  iustitiac  foret  prae ferenda;  quae  enim  ad  feticitatem 
maxime  puiunt  nostram,  sunt  absque  dubio  aliis  prueponendu. 
Jam  corporis  cruiiatus,  omnium  rerum  inopia,  fames,  infamia, 
quaeque  alia  ecenire  iusto  fratres  dixerunt,  auimi  iUam  e  iustitia 
manuntem  toluptatem  dubio  proeul  longe  super  a  fit,  essclt/ue  adeo 
iniustitia  iustitiac  anlehithenda  et  in  virtutum  numéro  collovanda. 
Tied  em  ann  in  argumentis  dialogorum  Piatonis.  Ad  1.  %.  de 
repnblica. 
)  Kant  über  das  höchste  Gut  in  den  Anfangsgründen  der  Meta- 
physik  iler  Sitten    und   in  der  Kritik  der  praktischen  Vernunft. 


„das   Leben  nach   der   Vernunft,    wenn    nämlich  darin   am 
„meisten  der  Mensch  besteht,  am  meisten  beseligt  ')." 

Schon  mehr  als  Einmal  ist  unter  den  Staatsrechtsleh- 
ren! gestritten  worden,  ob  der  Staat  allein  Sicherheit,  oder 
überhaupt  das  ganze  physische  und  moralische  Wohl  der 
Nation  beabsichten  müsse?  Sorgfalt  für  die  Freiheit  des 
Privatlebens  hat  vorzüglich  auf  die  erslere  Behauptung  ge- 
führt; indess  die  natürliche  Idee,  dass  der  Staat  mehr,  als 
allein  Sicherheit  gewähren  könne,  und  ein  Missbrauch  in  der 
Beschränkung  der  Freiheit  wohl  möglich,  aber  nicht  not- 
wendig sei,  der  letzteren  das  Wort  redete.  Auch  ist  diese 
unleugbar  sowohl  in  der  Theorie,  als  in  der  Ausführung  die 
herrschende.  Dies  zeigen  die  meisten  Systeme  des  Staats- 
rechts, die  neueren  philosophischen  Gesetzbücher,  und  die 
Geschichte  der  Verordnungen  der  meisten  Staaten.  Acker- 
bau, Handwerke,  Industrie  aller  Art,  Handel,  Künste  und 
Wissenschaften  selbst,  alles  erhält  Leben  und  Lenkung  vom 
Staat.  Nach  diesen  Grundsätzen  hat  das  Studium  der  Staats- 
wissenschaften eine  veränderte  Gestalt  erhallen,  wie  Kame- 
ral-  und  Polizeivvissenschaft  z.  B.  beweisen,  nach  diesen  sind 
völlig  neue  Zweige  der  Staatsverwaltung  entstanden,  Kame- 
ral-,  Manufaktur-  und  Finanz-Kollegia.  So  allgemein  indess 
auch  dieses  Princip  sein  mag;  so  verdient  es,  dünkt  mich, 
doch  noch  allerdings  eine  nähere  Prüfung,  und  diese 
Prü *). 


')  To  oixeiov  ixacfuo  t>j  yvati,  xquuotov  xcci  î]ôtarov  10$  kxaöttp' 
xtù  TM  avüQconq)  Jij  o  xata  jov  vovv  ßiog,  fmfo  fiakiOxa  tovto 
ccvSqcottoç,  ovtoç  c<qcc  xaï  fvaai/uoveOTcrog.  Aristotelis  lld-ixiov 
Nixo{iuy.  1.  X.  c.  7.  in  fin. 

*)  An  dieser  Stelle  feilten  in  der  vom  Herausgeber  benutzten 
Originalhandschrift  (in  i.)  sechs  Bogen,  welche  wahrscheinlich 
zum  Abdruck  des  hier  folgenden  Fragments  in  Schiller's  Thalia 
(Jahrg.  1795,  Heft  5  S.  131  — 169-,  abgedr.  in  der  vorlieg.  Ausg. 
der  gesammelten  Werke  Band   I.    S.  '2  i'2  —  '203)  benutzt  und  bis 


10 

IL 
Betrachtung  des  einzelnen  Menschen,    und  der  höch- 
sten Endzwecke  des  Daseins  desselben. 

Der  wahre  Zweck  des  Menschen,  nicht  der,  welchen  die 
wechselnde  Neigung,  sondern  welchen  die  ewig  unveränderliche 
Vernunft  ihm  vorschreibt  —  ist  die  höchste  und  proportionirlich- 
ste  Bildung  seiner  Kräfte  zu  einem  Ganzen.  Zu  dieser  Bildung 
ist  Freiheit  die  erste,  und  unerlässliche  Bedingung.  Allein  ausser 
der  Freiheit,  erfordert  die  Entwicklung  der  menschlichen  Kräfte 
noch  etwas  anderes,  obgleich  mit  der  Freiheit  eng  verbundenes, 
.Mannigfaltigkeit  der  Situationen.  Auch  der  freieste  und  unab- 
hängigste Mensch  in  einförmige  Lagen  versetzt,  bildet  sich  min- 
der aus.  Zwar  ist  nun  einestheils  diese  Mannigfaltigkeit  allemal 
Folge  der  Freiheit,  und  anderntheils  giebt  es  auch  eine  Art  der 
Unterdrückung,  die,  statt  den  Menschen  einzuschränken,  den  Din- 
gen  um  ihn  her  eine  beliebige  Gestalt  giebt,  so  dass  beide  ge- 
uissermassen  Eins  und  dasselbe  sind.  Indess  ist  es  der  Klarheit 
der  Ideen  dennoch  angemessener,  beide  noch  von  einander  zu 
trennen.  Jeder  Mensch  vermag  auf  Einmal  nur  mit  Einer  Kraft 
zu  wirken,  oder  vielmehr  sein  ganzes  Wesen  wird  auf  Einmal  nur 
zu  Einer  Thätigkeit  gestimmt.  Daher  scheint  der  Mensch  zur 
Einseitigkeit  bestimmt,  indem  er  seine  Energie  schwächt,  sobald 
er  sich  auf  mehrere  Gegenstände  verbreitet.  Allein  dieser  Ein- 
seiligkeit entgeht  er,  wenn  er  die  einzelnen,  oft  einzeln  geübten 
Kralle  zu  vereinen,  den  beinah  schon  verloschnen  wie  den  erst 
künftig  hell  aufflammenden  Funken  in  jetler  Periode  seines  Le- 
bens zugleich  mitwirken  zu  lassen,  und  statt  der  Gegenstände, 
auf  die  er  wirkt,  die  Kräfte,  womit  er  wirkt,  durch  Verbindung 
zu  vervielfältigen  strebt.  Was  hier  gleichsam  die  Verknüpfung 
der  Vergangenheit  und  der  Zukunft  mit  der  Gegenwart  wirkt,  das 
wirkt  in  der  Gesellschaft  die  Verbindung  mit  andern.  Denn  auch 
durch   alle  Perioden    des  Lebens    erreicht  jeder    Mensch   dennoch 


jetzt  nicht  wieder  aufgefunden  sind.  Zunächst  ist  daher  der 
Schluss  der  Einleitung  verloren  gegangen,  in  welcher  dargelegt 
wurde,  wie  jene  „Prüfung  von  dein  einzelnen  Menschen  und 
-«•inen  höchsten  Bndzwecken  ausgehen  muss." 

(Aninerk.  d.  Ueiausg.) 


11 

nur  Eine  der  Vollkommenheiten,  welche  gleichsam  den  Charakter 
des  ganzen  Menschengeschlechts  bilden.  Durch  Verbindungen 
also,  die  aus  dem  Innern  der  Wesen  entspringen,  muss  einer  den 
Reichthum  des  andern  sich  eigen  machen.  Eine  solche  charakter- 
bildende Verbindung  ist,  nach  der  Erfahrung  aller  auch  sogar  der 
rohesten  Nationen,  z.  B.  die  Verbindung  der  beiden  Geschlechter. 
Allein  wenn  hier  der  Ausdruck,  sowohl  der  Verschiedenheit,  als 
der  Sehnsucht  nach  der  Vereinigung  gewissermassen  stärker  ist: 
so  ist  beides  darum  nicht  minder  stark,  nur  schwerer  bemerkbar, 
obgleich  eben  darum  auch  mächtiger  wirkend,  auch  ohne  alle 
Rücksicht  auf  jene  Verschiedenheit,  und  unter  Personen  dessel- 
ben Geschlechts.  Diese  Ideen  weiter  verfolgt  und  genauer  ent- 
wickelt, dürften  vielleicht  auf  eine  richtigere  Erklärung  des  Phä- 
nomens tier  Verbindungen  fähren,  welche  bei  den  Alten,  vorzüglich 
den  Griechen,  selbst  die  Gesetzgeber  benutzten,  und  die  mau  oft 
zu  unedel  mit  dem  Namen  der  gewöhnlichen  Liebe,  und  immer 
unrichtig  mit  dem  Namen  der  blossen  Freundschaft  belegt  hat. 
Der  bildende  Nutzen  solcher  Verbindungen  beruht  immer  auf  dem 
Grade,  in  welchem  sich  die  Selbstständigkeit  der  Verbundenen 
zugleich  mit  der  Innigkeit  der  Verbindung  erhält.  Denn  wenn 
ohne  diese  Innigkeit  der  eine  den  andern  nicht  genug  aulzufassen 
vermag,  so  ist  die  Selbstständigkeit  nothwendig,  um  das  Aufge- 
fasste  gleichsam  in  das  eigne  Wesen  zu  verwandeln.  Beides  aber 
erfordert  Kraft  der  Individuen,  und  eine  Verschiedenheit,  die, 
nicht  zu  gross,  damit  einerden  andern  aufzufassen  vermöge,  auch 
nicht  zu  klein  ist,  um  einige  Bewundrung  dessen,  was  der  andre 
besitzt,  und  den  Wunsch  rege  zu  machen,  es  auch  in  sich  über- 
zutragen. Diese  Kraft  nun  und  diese  mannigfaltige  Verschieden- 
heit vereinen  sich  in  der  Originalität,  und  das  also,  worauf 
die  ganze  Grösse  des  Menschen  zuletzt  beruht,  wonach  der  ein- 
zelne Mensch  ewig  ringen  muss,  und  was  der,  welcher  auf  Men- 
schen wirken  will,  nie  aus  den  Augen  verlieren  darf,  ist  Eigen- 
tümlichkeit der  Kraft  und  der  Bildung.  Wie  diese 
Eigentümlichkeit  durch  Freiheit  des  Handelns  und  Mannigfaltig- 
keit des  Handelnden  gewirkt  wird;  so  bringt  sie  beides  wiederum 
hervor.  Selbst  die  leblose  Natur,  welche  nach  ewig  unveränder- 
lichen Gesetzen  einen  immer  gleichinässigen  Schritt  hält,  erscheint 
dem  eigengebildeter]  Menschen  eigentümlicher.  Er  trägt  gleich- 
sam   sich    selbst    in    sie  hinüber,    und  so  ist  es  im  höchsten  Ver- 


12 

stände  wahr,  dass  jeder  immer  in  eben  dein  Grade  Fidle  und 
Schönheit  ausser  sich  wahrnimmt,  in  welchem  er  beide  im  eignen 
Busen  bewahrt.  Wieviel  ahnlicher  aber  noch  muss  die  Wirkung 
der  Ursache  da  sein,  wo  der  Mensch  nicht  bloss  empfindet  und 
äussere  Eindrücke  auffasst,  sondern  selbst  thätig  wird? 

Versucht  man  es,  diese  Ideen,  durch  nähere  Anwendungen 
auf  den  einzelnen  Menschen,  noch  genauer  zu  prüfen  ;  so  redu- 
cirt  sich  in  diesem  alles  auf  Form  und  Materie.  Die  reinste  Form 
mit  der  leichtesten  Hülle  nennen  wir  Idee,  die  am  wenigsten  mit 
Gestalt  begabte  Materie,  sinnliche  Empfindung.  Aus  der  Verbin- 
dung der  Materie  geht  die  Form  hervor.  Je  grösser  die  Fülle 
und  Mannigfaltigkeit  der  Materie,  je  erhabener  die  Form.  Ein 
Götterkind  ist  nur  die  Frucht  unsterblicher  Eltern.  Die  Form 
v\ird  wiederum  gleichsam  Materie  einer  noch  schöneren  Form. 
So  wird  die  Blüthe  zur  Frucht,  und  aus  dem  Saamenkorn  der 
Frucht  entspringt  der  neue,  von  neuem  blüthenreiche  Stamm.  Je 
mehr  die  Mannigfaltigkeit  zugleich  mit  der  Feinheit  der  Materie 
zunimmt,  desto  höher  die  Kraft.  Denn  desto  inniger  der  Zu- 
sammenhang. Die  Form  scheint  gleichsam  in  die  Materie,  in  die 
Materie  die  Form  verschmolzen;  oder,  um  ohne  Bild  zu  reden, 
je  ideenreicher  die  Gefühle  des  Menschen,  und  je  gefühlvoller 
seine  Ideen,  desto  unerreichbarer  seine  Erhabenheit.  Denn  auf 
diesem  ewigen  Begatten  der  Form  und  der  Materie,  oder  des 
Mannigfaltigen  mit  der  Einheit  beruht  die  Verschmelzung  der  bei- 
den im  Menschen  vereinten  Naturen,  und  auf  dieser  seine  Grösse. 
Aber  «lie  Stärke  der  Begattung  hängt  von  der  Stärke  der  Begat- 
tenden ab.  Der  höchste  Moment  des  Menschen  ist  dieser  Moment 
der  Blüthe1).  Die  minder  reizende,  einfache  Gestalt  der  Frucht 
weist  gleichsam  selbst  auf  die  Schönheit  der  Blüthe  hin,  die  sich 
durch  sie  entfalten  soll.  Auch  eilt  nur  alles  der  Blüthe  zu.  Was 
zuerst  dem  Saamenkorn  entspriesst,  ist  noch  fern  von  ihrem  Reiz. 
Der  volle  dicke  Stengel,  die  breiten,  aus  einander  fallenden  Blät- 
ter bedürfen  noch  einer  mehr  vollendeten  Bildung.  Stufenweise 
steigt  diese,  wie  sich  das  Auge  am  Stamme  erhebt;  zartere  Blat- 
tei sehnen  sich  gleichsam,  sich  zu  rereinigen,  und  schliessen  sich 
enger  und  enger,  bis  der  Kelch  das  Verlangen  zu  stillen  scheint  •). 


')  Blüthe,  Reife.     Neues  deutsches  Museum,  1791.  Junius,  22,  3. 

•)  Göthe,  über  die  Metamorphose  der  Pflanzen. 


13 

Iadess  ist  das  Geschlecht  der  Pflanzen  nicht  von  dem  Schicksal 
gesegnet.  Die  Blüthe  fällt  ab,  und  die  Frucht  bringt  wieder  den 
gleich  rohen,  und  gleich  sich  verfeinernden  Stamm  hervor.  Wenn 
im  Menschen  die  Blüthe  Melkt;  so  macht  sie  nur  jener  schönern 
Platz,  und  den  Zauber  der  schönsten  birgt  unserm  Auge  erst  die 
ewig  unerforschbare  Unendlichkeit.  Was  nun  der  Mensch  von 
aussen  empfängt,  ist  nur  Saamenkorn.  Seine  energische  Thätig- 
keit  muss  es,  sei's  auch  das  schönste,  erst  auch'  zum  seegenvoll- 
sten  für  ihn  machen.  Aber  wohlthätiger  ist  es  ihm  immer  in  dem 
Grade,  in  welchem  es  kraftvoll,  und  eigen  in  sich  ist.  Das  höchste 
Ideal  des  Zusammenexistirens  menschlicher  Wesen  wäre  mir  das- 
jenige, in  dem  jedes  nur  aus  sich  selbst,  und  um  seiner  selbst 
willen  sich  entwickelte.  Physische  und  moralische  Natur  würden 
diese  Menschen  schon  noch  an  einander  führen,  und  wie  die 
Kämpfe  des  Kriegs  ehrenvoller  sind,  als  die  der  Arena,  wie  die 
Kämpfe  erbitterter  Bürger  höheren  Ruhm  gewähren,  als  die  ge- 
triebener Miethsoldaten  ;  so  würde  auch  das  Ringen  der  Kräfte 
dieser  Menschen  die  höchste  Energie  zugleich  beweisen  und  er- 
zeugen.« 

Ist  es  nicht  eben  das,  was  uns  an  das  Zeitalter  Griechen- 
lands und  Roms,  und  jedes  Zeitalter  allgemein  an  ein  entfernte- 
res, hingeschwundenes  so  namenlos  fesselt?  Ist  es  nicht  vorzüg- 
lich, dass  diese  Menschen  härtere  Kämpfe  mit  dem  Schicksal, 
härtere  mit  Menschen  zu  bestehen  hatten?  Dass  die  grössere,  ur- 
sprüngliche Kraft  und  Eigenthümlichkeit  einander  begegnete,  und 
neue  wunderbare  Gestalten  schuf.  Jedes  folgende  Zeitalter  — 
und  in  wieviel  schnelleren  Graden  muss  dieses  Yerhältniss  von 
jetzt  an  steigen?  —  muss  den  vorigen  an  Mannigfaltigkeit  nach- 
stehen, an  Mannigfaltigkeit  der  Natur  —  die  ungeheuren  Wälder 
sind  ausgehauen,  die  Moräste  getrocknet  u.  s.  f.  —  an  Mannig- 
faltigkeit der  Menschen,  durch  die  immer  grössere  Mittheilung  und 
Vereinigung  der  menschlichen  Werke,  durch  die  beiden  vorigen 
Gründe  ').  Dies  ist  eine  der  vorzüglichsten  Ursachen,  welche  die 
Idee  des  Neuen,  Ungewöhnlichen,  Wunderbaren  so  viel  seltner, 
das  Staunen,  Erschrecken  beinahe  zur  Schande,  und  die  Erfin- 
dung neuer,  noch  unbekannter  Hülfsmittel,  selbst  nur  plötzliche, 
unvorbereitete  und  dringende  Entschlüsse  bei  weitem  seltner  noth- 


')  Eben  dies  bemerkt  einmal  Rousseau  im  Emil. 


14 

wendig  macht.  Denn  theils  ist  das  Andringen  der  äusseren  Um- 
stände gegen  den  Menschen,  welcher  mit  mehr  Werkzeugen,  ihnen 
zu  begegnen,  versehen  ist,  minder  gross;  theils  ist  es  nicht  mehr 
gleich  möglich,  ihnen  allein  durch  diejenigen  Kräfte  Widerstand 
zu  leisten,  welche  die  Natur  jedem  gieht,  und  die  er  nur  zu  be- 
nutzen braucht;  theils  endlich  macht  das  ausgearbeitetem  Wissen 
das  Erfinden  weniger  nothwendig,  und  das  Lernen  stumpft  selbst 
die  Kraft  dazu  ab.  Dagegen  ist  es  unleugbar,  dass,  wenn  die 
physische  Mannigfaltigkeit  geringer  wurde,  eine  bei  weitem  rei- 
chere und  befriedigendere  intellectuelle  und  moralische  an  ihre 
Stelle  trat,  und  dass  Gradationen  und  Verschiedenheiten  von  iin- 
serm  mehr  verfehlten  Geiste  wahrgenommen,  und  unserm,  wenn 
gleich  nicht  eben  so  stark  gebildeten,  doch  reizbaren  kultivirten 
Charakter  ins  praktische  Leben  übergetragen  werden,  die  auch 
vielleicht  den  Weisen  des  Alterthums,  oder  doch  wenigstens  nur 
ihnen  nicht  unbemerkt  geblieben  waren.  Es  ist  im  ganzen  Men- 
schengeschlecht, wie  im  einzelnen  Menschen  gegangen.  Das  Grö- 
bere ist  abgefallen,  das  Feinere  ist  geblieben.  Und  so  ware  es 
ohne  allen  Zweifel  seelenvoll,  wenn  das  Menschengeschlecht  Ein 
Mensch  wäre,  oder  die  Kraft  eines  Zeitalters  ebenso  als  seine 
Bücher,  oder  Erfindungen  auf  das  folgende  überginge.  Allein  dies 
ist  bei  weitem  der  Fall  nicht.  Freilich  besitzt  nun  auch  unsere 
Verfeinerung  eine  Kraft,  und  die  vielleicht  jene  gerade  um  den 
Grad  ihrer  Feinheit  an  Stärke  übertrifft;  aber  es  fragt  sich,  ob 
ni»  lit  die  frühere  Bildung  durch  das  Gröbere  immer  vorangehen 
muss?  Ueberall  ist  doch  die  Sinnlichkeit  der  erste  Keim,  wie 
der  lebendigste  Ausdruck  alles  Geistigen.  Und  wenn  es  auch 
nicht  hier  der  Ort  ist,  selbst  nur  den  Versuch  dieser  Erörterung 
zu  wagen;  so  folgt  doch  gewiss  "soviel  aus  dem  Vorigen,  dass 
man  wenigstens  diejenige  Eigentümlichkeit  und  Kraft,  nebst  al- 
len Nahrungsmitteln  derselben,  welche  wir  noch  besitzen,  sorg- 
fältigst  bewachen  müssen. 

Bewiesen  halte  ich  demnach  durch  das  vorige,  dass  die 
wahre  Vernunft  dem  .Menschen  keinen  andern  Zustand 
als  einen  solchen  wünschen  kann,  in  welchem  nicht 
nur  jeder  Einzelne  der  ungebundensten  Freiheit  ge- 
ii  i  esst,  sich  aus  sich  selbst,  in  seiner  Eigen  t  h  um  I  ich- 
keil zu  entwickeln,  sondern  in  welchem  auch  die  phy- 
sische Natur  keine  andre  Gestalt   fonMenschenhänden 


15 

empfängt,  als  ihn  jeder  Einzelne,  nach  dem  Maas  se 
seines  Bedürfnisses  und  seiner  Neigung,  nur  be- 
schränkt durch  die  G  ranzen  seiner  Kraft  und  seines 
Rechts,  selbst  u  nd  will  kü  hrlich  giebt.  Von  diesem  Grund- 
satz darf,  meines  Erachtens ,  die  Vernunft  nie  mehr  nachgeben, 
als  zu  seiner  eignen  Erhaltung  selbst  notliwendig  ist.  Er  inusste 
daher  auch  jeder  Politik,  und  besonders  der  Beantwortung  der 
Frage,  von  der  hier  die  Rede  ist,  immer  zum  Grunde  liegen. 


in. 

Uebergang"  zur  eigentlichen  Untersuchung.    Eintheilung 

derselben.     Sorgfalt  des  Staats   für  das  positive, 

insbesondere  physische,  Wohl  der  Bürger. 

In  einer  völlig  allgemeinen  Formel  ausgedrückt,  könnte  man 
den  wahren  Umfang  der  Wirksamkeit  des  Staats  alles  dasjenige 
nennen,  was  er  zum  Wohl  der  Gesellschaft  zu  thun  vermöchte, 
ohne  jenen  oben  ausgeführten  Grundsatz  zu  verletzen;  und  es 
würde  sich  unmittelbar  hieraus  auch  die  nähere  Bestimmung  er- 
geben, dass  jedes  Bemühen  des  Staats  verwerflich  sei,  sich  in 
die  Privatangelegenheiten  der  Bürger  überall  da  einzumischen,  wo 
dieselbe  nicht  unmittelbaren  Bezug  auf  die  Kränkung  der  Rechte 
des  einen  durch  den  andern  haben.  Indess  ist  es  doch,  um  die 
vorgelegte  Frage  ganz  zu  erschöpfen,  notliwendig,  die  einzelnen 
Theile  der  gewöhnlichen  oder  möglichen  Wirksamkeit  der  Staaten 
genau   durchzugehen. 

Der  Zweck  des  Staats  kann  nämlich  ein  doppelter  sein;  er 
kann  Glück  befördern,  oder  nur  Uebel  verhindern  wollen,  und  im 
letzteren  Fall  Uebel  der  Natur  oder  Uebel  der  Menschen.  Schränkt 
er  sich  auf  das  letztere  ein,  so  sucht  er  nur  Sicherheit,  und  diese 
Sicherheit  sei  es  mir  erlaubt,  einmal  allen  übrigen  möglichen 
Zwecken,  unter  dem  Namen  des  positiven  Wohlstandes  vereint 
entgegen  zu  setzen.  Auch  die  Verschiedenheit  der  vom  Staat 
angewendeten  Mittel  giebt  seiner  Wirksamkeit  eine  verschiedene 
Ausdehnung.  Er  sucht  nämlich  seinen  Zweck  entweder  unmittel- 
bar zu  erreichen,  sei's  durch  Zwang  —  befehlende  und  verbie- 
tende Gesetze,  Strafen  —  oder  durch  Ermunterung  und  Beispiel; 


16 

oder  mit  allen,  indem  er  entweder  die  Lage  der  Bürger  eine 
demselben  günstige  Gestalt  giebt ,  und  sie  gleichsam  anders  zu 
handeln  hindert,  oder  endlich,  indem  er  sogar  ihre  Neigung  mit 
demselben  übereinstimmend  zu  machen,  auf  ihren  Kopf  oder  ihr 
Herz  zu  •wirken  strebt.  Im  ersten  Falle  bestimmt  er  zunächst 
nur  einzelne  Handlungen;  im  zweiten  schon  mehr  die  ganze  Hand- 
lungsweise; und  im  dritten  endlich,  Charakter  und  Denkungsart. 
Auch  ist  die  Wirkung  der  Einschränkung  im  ersten  Falle  am 
kleinsten,  im  zweiten  grösser,  im  dritten  am  grossesten,  theils 
weil  auf  Quellen  gewirkt  wird,  aus  welchen  mehrere  Handlungen 
entspringen,  theils  weil  die  Möglichkeit  der  Wirkung  selbst  meh- 
rere Veranstaltungen  erfordert.  So  verschieden  indess  hier  gleich- 
sam die  Zweige  der  Wirksamkeit  des  Staats  scheinen,  so  giebt  es 
schwerlich  eine  Staatseinrichtung,  welche  nicht  zu  mehreren  zu- 
gleich gehörte,  da  z.B.  Sicherheit  und  Wohlstand  so  sehr  von 
einander  abhängen,  und  was  auch  nur  einzelne  Handlungen  be- 
stimmt, wenn  es  durch  öftere  Wiederkehr  Gewohnheit  hervor- 
bringt, auf  den  Charakter  wirkt.  Es  ist  daher  sehr  schwierig, 
hier  eine,  dem  Gange  der  Untersuchung  angemessene  Eintheilung 
des  Ganzen  zu  finden.  Am  besten  wird  es  indess  sein,  zuvörderst 
zu  prüfen,  ob  der  Staat  auch  den  positiven  Wohlstand  der  Nation 
oder  bloss  ihre  Sicherheit  abzwecken  soll,  bei  allen  Einrichtungen 
nur  auf  das  zu  sehen,  was  sie  hauptsächlich  zum  Gegen-, 
stände,  oder  zur  Folge  haben,  und  bei  jedem  beider  Zwecke  zu- 
gleich die  Mittel  zu  prüfen,  deren  der  Staat  sich  bedienen  darf. 
Ich  rede  daher  hier  von  dem  ganzen  Bemühen  des  Staats, 
den  positiven  Wohlstand  der  Nation  zu  erhöhen,  von  aller  Sorg- 
falt für  die  Bevölkerung  des  Landes,  den  Unterhalt  der  Einwoh- 
ner, theils  geradezu  durch  Annenanstalten,  theils  mittelbar  durch 
Beförderung  des  Ackerbaues,  der  Industrie  und  des  Handels,  von 
allen  Finanz-  und  Münzoperationen,  Ein-  und  Ausfuhr- Verboten 
ii.  s.  f.  (in  so  fern  sie  diesen  Zweck  haben),  endlich  allen  Ver- 
anstaltungen zur  Verhütung  oder  Herstellung  von  Beschädigungen 
durch  die  Natur,  kurz  von  jeder  Einrichtung  des  Staats,  welche 
das  physische  Wohl  der  Nation  zu  erhalten,  oder  zu  befördern 
die  Absicht  hat.  Denn  da  das  Moralische  nicht  leicht  um  seiner 
selbst  willen,  sondern  mehr  zum  Behuf  der  Sicherheit  befördert 
wird,  so  komme  ich  zu  diesem  erst  in  der  Folge. 


17 

Alle  diese  Einrichtungen  nun,  behaupte  ich,  haben  nachthei- 
lige Folgen,  und  sind  einer  wahren,  von  den  höchsten,  aber  im- 
mer menschlichen  Gesichtspunkten  ausgehenden  Politik  unange- 
messen. 

1.  Der  Geist  der  Regierung  herrscht  in  einer  jeden  solchen 
Einrichtung,  und  wie  weise  und  heilsam  auch  dieser  Geist  sei, 
so  bringt  er  Einförmigkeit  und  eine  fremde  Handlungsweise 
in  der  Nation  hervor.  Statt  dass  die  Menschen  in  Gesellschalt 
traten,  um  ihre  Kräfte  zu  schärfen,  sollten  sie  auch  dadurch  an 
ausschliessendem  Besitz  und  Genuss  verlieren  ;  so  erlangen  sie 
Güter  auf  Kosten  ihrer  Kräfte.  Gerade  die  aus  der  Vereini- 
gung Mehrerer  entstehende  Mannigfaltigkeit  ist  das  höchste  Gut, 
welches  die  Gesellschaft  giebt,  und  diese  Mannigfaltigkeit  geht 
gewiss  immer  in  dem  Grade  der  Einmischung  des  Staats  verlo- 
ren. Es  sind  nicht  mehr  eigentlich  die  Mitglieder  einer  Nation, 
die  mit  sich  in  Gemeinschaft  leben ,  sondern  einzelne  Untertha- 
nen,  welche  mit  dem  Staat,  d.  h.  dem  Geiste,  welcher  in  seiner 
Regierung  herrscht,  in  Verhältniss  kommen,  und  zwar  in  ein  Ver- 
hältniss,  in  welchem  schon  die  überlegene  Macht  des  Staats  das 
freie  Spiel  der  Kräfte  hemmt.  Gleichförmige  Ursachen  haben 
gleichförmige  Wirkungen.  Je  mehr  also  der  Staat  mitwirkt,  desto 
ähnlicher  ist  nicht  bloss  alles  Wirkende,  sondern  auch  alles  Ge- 
wirkte. Auch  ist  dies  gerade  die  Absicht  der  Staaten.  Sie  Mol- 
len Wohlstand  und  Ruhe.  Beide  aber  erhält  man  immer  in  eben 
dem  Grade  leicht,  in  welchem  das  Einzelne  weniger  mit  einander 
streitet.  Allein  was  der  Mensch  beabsichtet  und  beabsichten  muss, 
ist  ganz  etwas  anders,  es  ist  Mannigfaltigkeit  und  Thätigkeit.  Nur 
dies  giebt  vielseitige  und  kraftvolle  Charaktere,  und  gewiss  ist 
noch  kein  Mensch  tief  genug  gesunken,  um  für  sich  selbst  Wohl- 
stand und  Glück  der  Grösse  vorzuziehen.  Wer  aber  für  andre 
so  raisonniret,  den  hat  man,  und  nicht  mit  Unrecht,  in  Verdacht, 
dass  er  die  Menschheit  raisskennt,  und  aus  Menschen  Maschinen 
machen  will. 

2.  Das  wäre  also  die  zweite  schädliche  Folge,  dass  diese 
Einrichtungen  des  Staats  die  Kraft  der  Nation  schwächen.  So 
wie  durch  die  Form,  welche  aus  der  selbstthätigen  Materie  her- 
vorgeht, die  Materie  selbst  mehr  Fülle  und  Schönheit  erhält  — 
denn  was  ist  sie  anders,  als  die  Verbindung  dessen,  was  erst 
Ml.  2 


18 

stritt'?  eine  Verbindung,  zu  welcher  allemal  die  Auffindung  neuer 
Vereini^unsspunkte,  folglich  gleichsam  eine  Menge  neuer  Ent- 
deckungen nothweudig  ist,  die  immer  in  Verhältniss  mit  der  grös- 
seren, vorherigen  Verschiedenheit  steigt  —  ehen  so  wird  die 
Materie  vernichtet  durch  diejenige,  die  man  ihr  von  aussen  giebt. 
Denn  das  Nichts  unterdrückt  da  das  Etwas.  Alles  im  Menschen 
ist  Organisation.  Was  in  ihm  gedeihen  soll,  muss  in  ihm  gesäet 
werden.  Alle  Kraft  setzt  Enthusiasmus  voraus,  und  nur  wenige 
Dinge  nähren  diesen  so  sehr,  als  den  Gegenstand  desselbeu  als 
ein  gegenwärtiges,  oder  künftiges  Eigenthum  anzusehen.  Nun 
aber  hält  der  Mensch  das  nie  so  sehr  für  sein,  was  er  besitzt, 
als  was  er  thut,  und  der  Arbeiter,  welcher  einen  Garten  bestellt, 
ist  vielleicht  in  einem  Mahreren  Sinne  Eigenthümer,  als  der 
müssige  Schwelger,  der  ihn  geniesst.  Vielleicht  scheint  dies  zu 
allgemeine  Raisonnement  keine  Anwendung  auf  die  Wirklichkeit 
zu  verstatten.  Vielleicht  scheint  es  sogar,  als  diente  vielmehr  die 
Erweiterung  vieler  Wissenschaften,  welche  wir  diesen  und  ähnli- 
chen Einrichtungen  des  Staats,  welcher  allein  Versuche  im  Grossen 
anzustellen  vermag,  vorzüglich  danken,  zur  Erhöhung  der  intel- 
lectuellen  Kräfte  und  dadurch  der  Kultur  und  des  Charakters 
überhaupt.  Allein  nicht  jede  Bereicherung  durch  Kenntnisse  ist 
immittelbar  auch  eine  Veredlung,  selbst  nur  der  intellectuelleu 
Kraft,  und  wenn  eine  solche  wirklich  dadurch  veranlasst  wird,  so 
ist  dies  nicht  sowohl  bei  der  ganzen  Nation,  als  nur  vorzüglich 
bei  dem  Theile,  welcher  mit  zur  Regierung  gehört.  Ueberhaupt 
wird  der  Verstand  des  Menschen  doch,  wie  jede  andere  seiner 
Kräfte,  nur  durch  eigne  Thätigkeit,  eigne  Erfiudsamkeit,  oder 
eigne  Benutzung  fremder  Erfindungen  gebildet.  Anordnungen  des 
Staats  aber  führen  immer,  mehr  oder  minder,  Zwang  mit  sich, 
und  seihst,  wenn  dies  der  Fall  nicht  ist,  so  gewöhnen  sie  den 
Menschen  zu  sehr,  mehr  fremde  Belehrung,  fremde  Leitung, 
fremde  Hülle  zu  erwarten,  als  selbst  auf  Auswege  zu  denken. 
Die  einzige  Art  beinah,  auf  welche  der  Staat  die  Bürger  beleh- 
ren kann,  besteht  darin,  dass  er  das,  was  er  für  das  Beste  er- 
klärt, gleichsam  das  Resultat  seiner  Untersuchungen,  aufstellt, 
und  entweder  direkt  durch  ein  Gesetz,  oder  indirekt  durch  irgend 
eine,  die  Bürger  bindende  Einrichtung  anbefiehlt,  oder  durch  sein 
ansehn  und  ausgesetzte  Belohnungen,  oder  andre  Ermunterungs- 
mitiel  dazu  anreizt,  oder  endlich  es  bloss  durch  Gründe  empfiehlt; 


19 

aber  welche  Methode  er  von  allen  diesen  befolgen  mag,  so  ent- 
fernt er  sicli  immer  sehr  weit  von  dem  besten  Wege  des  Leinens. 
Denn  dieser  bestellt  unstreitig  darin,  »leichsam  alle  mögliche  Auf- 
lösungen des  Problems  vorzulegen,  um  den  Menschen  nur  vorzu- 
bereiten, die  schicklichste  selbst  zu  wählen,  oder  noch  besser, 
diese  Auflösung  selbst  nur  aus  der  gehörigen  Darstellung  aller 
Hindernisse  zu  erfinden.  Diese  Lehrmethode  kann  der  Staat 
bei  erwachsenen  Bürgern  nur  auf  eine  negative  Weise,  durch 
Freiheit,  die  zugleich  Bindernisse  entstehen  lässt,  und  zu  ihrer 
Hinwegräumung  Starke  und  Geschicklichkeit  giebt;  auf  eine  po- 
sitive Weise  aber  nur  bei  den  erst  sich  bildenden  durch  eine 
wirkliche  Nationalerziehung  befolgen.  Eben  so  wird  in  der  Folge 
der  Einwurf  weitläufiger  geprüft  werden,  der  hier  leicht  entste- 
hen kann,  dass  es  nämlich  bei  Besorgung  der  Geschäfte,  von 
welchen  hier  die  Rede  ist,  mehr  darauf  ankomme,  dass  die  Sache 
geschehe,  als  wie  der,  welcher  sie  verrichtet,  darüber  unterrichtet 
sei,  mehr,  dass  der  Acker  wohl  gebaut  werde,  als  dass  der  Acker- 
bauer gerade  der  geschickteste  Landwirth  sei. 

Noch  mehr  aber  leidet  durch  eine  zu  ausgedehnte  Sorgfalt 
des  Staats  die  Energie  des  Handlens  überhaupt,  und  der  mora- 
lische Charakter.  Dies  bedarf  kaum  einer  weiteren  Ausführung. 
Wer  oft  und  viel  geleitet  wird,  kommt  leicht  dahin,  den  Ueber- 
rest  seiner  Selbsttätigkeit  gleichsam  freiwillig  zu  opfern.  Er 
glaubt  sich  der  Sorge  überhoben,  die  er  in  fremden  Händen  sieht, 
und  genug  zu  thun,  wenn  er  ihre  Leitung  erwartet  und  ihr  folgt. 
Damit  verrücken  sich  seine  Vorstellungen  von  Verdienst  und  Schuld. 
Die  Idee  des  ersteren  feuert  ihn  nicht  an,  das  quälende  Gefühl 
der  letzteren  ergreift  ihn  seltener  und  minder  wirksam,  da  er  die- 
selbe bei  weitem  leichter  auf  seine  Lage,  und  auf  den  schiebt, 
der  dieser  die  Form  gab.  Kommt  nun  noch  dazu,  dass  er  die 
Absichten  des  Staats  nicht  für  völlig  rein  hält,  dass  er  nicht  sei- 
nen Vortheil  allein,  sondern  wenigstens  zugleich  einen  fremdarti- 
gen Nebenzweck  beabsichtet  glaubt,  so  leidet  nicht  allein  die 
Kraft,  sondern  auch  die  Güte  des  moralischen  Willens.  Er  glaubt 
sich  nun  nicht  bloss  von  jeder  Pflicht  frei,  welche  der  Staat  nicht 
ausdrücklich  auflegt,  sondern  sogar  jeder  Verbesserung  seines 
eignen  Zustandes  überhoben,  die  er  manchmal  sogar,  als  eine 
neue    Gelegenheit,   welche   der   Staat   benutzen  möchte,    fürchten 

2* 


20 

kann.  Und  den  Gesetzen  des  Staats  selbst  sucht  er,  soviel  er 
vermag  zu  entgehen,  und  halt  jedes  Entwischen  für  Gewinn. 
Wenn  man  bedenkt,  dass  bei  einem  nicht  kleinen  Theil  der  Na- 
tion die  Gesetze  und  Einrichtungen  des  Staats  gleichsam  den 
Umfanff  der  Moralität  abzeichnen;  so  ist  es  ein  niederschlagender 
Anblick,  oft  die  heiligsten  Pflichten  und  die  willkührlichsten  An- 
ordnungen von  demselben  Munde  ausgesprochen,  ihre  Verletzung 
nicht  selten  mit  gleicher  Strafe  belegt  zu  sehen.  Nicht  minder 
siebtbar  ist  jener  nachtheilige  Einiluss  in  dem  Betragen  der  Bür- 
ger geçen  einander.  Wie  jeder  sich  selbst  auf  die  sorgende 
Hülfe  des  Staats  verlässt,  so  und  noch  weit  mehr  übergiebt  er 
ihr  das  Schicksal  seines  Mitbürgers.  Dies  aber  schwächt  die 
Theilnahme,  und  macht  zu  gegenseitiger  Hülfsleistung  träger. 
Wenigstens  muss  die  gemeinschaftliche  Hülfe  da  am  thätigsten 
sein,  wo  das  Gefühl  am  lebendigsten  ist,  dass  auf  ihm  allein  al- 
les beruhe,  und  die  Erfahrung  zeigt  auch,  dass  gedrückte,  gleich- 
sam von  der  Regierung  verlassene  Theile  eines  Volks  immer 
doppelt  fest  unter  einander  verbunden  sind.  Wo  aber  der  Bür- 
ger kälter  ist  gegen  den  Bürger,  da  ist  es  auch  der  Gatte  gegen 
den  Gatten,  der  Hausvater  gegen  die  Familie. 

Sich  selbst  in  allem  Thun  und  Treiben  überlassen,  von  jeder 
fremden  Hülfe  entblüsst,  die  sie  nicht  selbst  sich  verschafften, 
würden  die  Menschen  auch  oft,  mit  und  ohne  ihre  Schuld,  in 
Verlegenheit  und  Unglück  gerathen.  Aber  das  Glück,  zu  wel- 
chem der  Mensch  bestimmt  ist,  ist  auch  kein  andres,  als  welches 
seine  Kraft  ihm  verschafft;  und  diese  Lagen  gerade  sind  es, 
welche  den  Verstand  schärfen,  und  den  Charakter  bilden.  Wo 
der  Staat  die  Selbsttätigkeit  durch  zu  specielles  Einwirken  ver- 
hindert, da  —  entstehen  etwa  solche  Uebel  nicht?  Sie  entstehen 
auch  da,  und  überlassen  den  einmal  auf  fremde  Kraft  sich  zu 
lehnen  gewohnten  Menschen  nun  einem  weit  trostloseren  Schick- 
sal. Denn  so  wie  Ringen  und  thätige  Arbeit  das  Unglück  er- 
leichtern, so  und  in  zehnfach  höherem  Gi-ade  erschwert  es  hoff- 
nungslose, vielleicht  getäuschte  Erwartung.  Selbst  den  besten 
Fall  angenommen,  gleichen  die  Staaten,  von  denen  ich  hier  rede, 
nur  zu  oft  den  Aerzten,  welche  die  Krankheit  nähren  und  den 
Tod  entfernen.  Ehe  es  Aerzte  gab,  kannte  man  nur  Gesundheit 
oder  Tod. 


21 

3.  Alles,  womit  sich  der  Mensch  beschäftigt,  wenn  es  gleich 
nur  bestimmt  ist,  physische  Bedürfnisse  mittelbar  oder  unmittel- 
bar zu  befriedigen,  oder  überhaupt  äussere  Zwecke  zu  erreichen, 
ist  auf  das  genaueste  mit  innern  Empfindungen  verknüpft.  Manch- 
mal ist  auch,  neben  dem  äusseren  Endzweck,  noch  ein  innerer, 
und  manchmal  ist  sogar  dieser  der  eigentlich  beabsichtete,  jener 
nur,  nothwendig  oder  zufällig,  damit  verbunden.  Je  mehr  Einheit 
der  Mensch  besitzt,  desto  freier  entspringt  das  äussere  Geschäft, 
das  er  wählt,  aus  seinem  innern  Sein;  und  desto  häufiger  und 
fester  knüpft  sich  dieses  an  jenes  da  an,  wo  dasselbe  nicht  frei 
gewählt  wurde.  Daher  ist  der  interessante  Mensch  in  allen  La- 
gen und  allen  Geschäften  interessant;  daher  blüht  er  zu  einer 
entzückenden  Schönheit  auf  in  einer  Lebensweise,  die  mit  seinem 
Charakter  übereinstimmt. 

So  Hessen  sich  vielleicht  aus  allen  Bauern  und  Handwerkern 
Künstler  bilden,  d.h.  Menschen,  die  ihr  Gewerbe  um  ihres  Ge- 
werbes willen  liebten,  durch  eigen  gelenkte  Kraft  und  eigne  Er- 
findsamkeit  verbesserten,  und  dadurch  ihre  intellectuelleu  Kräfte 
kultivirten,  ihren  Charakter  veredelten,  ihre  Genüsse  erhöhten. 
So  würde  die  Menschheit  durch  eben  die  Dinge  geadelt,  die  jetzt, 
wie  schön  sie  auch  an  sich  sind,  so  oft  dazu  dienen,  sie  zu  ent- 
ehren. Je  mehr  der  Mensch  in  Ideen  und  Empfindungen  zu  le- 
ben  gewohnt   ist,   je   stärker   und    feiner   seine   intellectuelle  und 

moralische   Kraft   ist;   desto   mehr   sucht   er   allein  solche  äussere 

* 

Lagen  zu  wählen,  welche  zugleich  dem  innern  Menschen  mehr 
Stoff  geben,  oder  denjenigen,  in  welche  ihn  das  Schicksal  wirft, 
wenigstens  solche  Seiten  abzugewinnen.  Der  Gewinn,  welchen 
der  Mensch  an  Grösse  und  Schönheit  einerntet,  wenn  er  unauf- 
hörlich dahin  strebt,  dass  sein  inneres  Dasein  immer  den  ersten 
Platz  behaupte,  dass  es  immer  der  erste  Quell,  und  das  letzte 
Ziel  alles  Wirkens,  und  alles  Körperliche  und  Aeussere  nur  Hülle 
und  Werkzeug  desselben  sei,  ist  unabsehlich. 

Wie  sehr  zeichnet  sich  nicht,  um  ein  Beispiel  zu  wählen,  in 
der  Geschichte  der  Charakter  aus,  welchen  der  ungestörte  Land- 
bau in  einem  Volke  bildet.  Die  Arbeit,  welche  es  dem  Boden 
widmet,  und  die  Ernte,  womit  derselbe  es  wieder  belohnt,  fesseln 
es  süss  an  seinen  Acker  und  seinen  Heerd  ;  Theilnahme  der  se- 
genvollen Mühe  und  gemeinschaftlicher  Genuss  des  Gewonnenen 
schlingen  ein  liebevolles  Band  um  jede  Familie,   von   dem  selbst 


22 

der  mitarbeitende  Stier  nicht  ganz  ausgeschlossen  wird.  Die 
Frucht,  die  gesäet  und  geerntet  werden  muss,  aber  alljährlich 
wiederkehrt,  und  nur  selten  die  Hoffnung  täuscht,  macht  gedul- 
dig, vertrauend  und  sparsam;  das  unmittelbare  Empfangen  aus 
der  Hand  der  Natur,  das  immer  sich  aufdringende  Gefühl:  dass, 
wenn  gleich  die  Hand  des  Menschen  den  Saamen  ausstreuen 
muss,  doch  nicht  sie  es  ist,  von  welcher  Wachsthura  und  Gedei- 
hen kommt;  die  ewige  Abhängigkeit  von  günstiger  und  ungünsti- 
ger Witterung,  üösst  den  Gemüthern  bald  schauderhafte,  bald 
frohe  Ahndungen  höherer  Wesen,  wechselweis  Furcht  und  Hoff- 
nung ein,  und  führt  zu  Gebet  und  Dank;  das  lebendige  Bild  der 
einfachsten  Erhabenheit,  der  ungestörtesten  Ordnung,  und  der 
mildesten  Güte  bildet  die  Seelen  einfach  gross,  sanft,  und  der 
Sitte  und  dem  Gesetz  froh  unterworfen.  Immer  gewohnt  hervor- 
zubringen, nie  zu  zerstören,  ist  der  Ackerbauer  friedlich,  und  von 
Beleidigung  und  Rache  fern,  aber  erfüllt  von  dem  Gefühl  der 
Ungerechtigkeit  eines  ungereizten  Angriffs  und  gegen  jeden  Störer 
seines  Friedens  mit  unerschrockenem  Muth  beseelt. 

Allein  freilich  ist  Freiheit  die  nothwendige  Bedingung,  ohne 
welche  selbst  das  seelenvollste  Geschäft  keine  heilsamen  Wirkun- 
gen dieser  Art  hervor  zu  bringen  vermag.  Was  nicht  von  dem 
Menschen  selbst  gewählt.,  worin  er  auch  nur  eingeschränkt  und 
geleitet  wird,  das  geht  nicht  in  sein  Wesen  über,  das  bleibt  ihm 
ewig  fremd,  das  verrichtet  er  nicht  eigentlich  mit  menschlicher 
Kraft,  sondern  mit  mechanischer  Fertigkeit.  Die  Alten,  vorzüg- 
lich die  Griechen,  hielten  jede  Beschäftigung,  welche  zunächst 
die  körperliche  Kraft  angeht,  oder  Erwerbung  äusserer  Güter, 
nicht  innere  Bildung,  zur  Absicht  hat,  für  schädlich  und  entehrend. 
Hire  menschenfreundlichsten  Philosophen  billigten  daher  die  Skla- 
verei, gleichsam  um  durch  ein  ungerechtes  und  barbarisches  Mittel 
einein  Tlieile  der  Menschheit  durch  Aufopferung  eines  andern  die 
höchste  Kraft  und  Schönheit  zu  sichern.  Allein  den  Irrthum, 
welcher  diesem  ganzen  Raisonnement  zum  Grunde  liegt,  zeigen 
Vernunft  und  Erfahrung  leicht.  Jede  Beschäftigung  vermag  den 
Menschen  zu  adeln  ,  ihm  eine  bestimmte,  seiner  würdige  Gestalt 
zu  geben.  Nur  auf  die  Art,  wie  sie  betrieben  wird,  kommt  es 
an;  und  hier  lässt  sich  wohl  als  allgemeine  Regel  annehmen,  dass 
sie  heilsame  Wirkungen  äussert,  so  lange  sie  selbst,  und  die 
darauf  verwandte  Energie  vorzüglich  die  Seele  füllt,  minder  wohl- 


23 

thätige,  oft  naclitheilige  hingegen,  wenn  man  mehr  auf  das  Re- 
sultat sieht,  zu  dem  sie  führt,  und  sie  selbst  nur  als  Mittel  be- 
trachtet. Denu  alles,  was  in  sich  selbst  reizend  ist,  erweckt 
Achtung  und  Liebe,  was  nur  als  Mittel  Nutzen  verspricht,  bloss 
Interesse;  und  nun  wird  der  Mensch  durch  Achtung  und  Liebe 
eben  so  sehr  geadelt,  als  er  durch  Interesse  in  Gefahr  ist,  ent- 
ehrt zu  werden.  Wenn  nun  der  Staat  eine  solche  positive  Sorg- 
falt übt,  als  die,  von  der  ich  hier  rede,  so  kann  er  seinen  Ge- 
sichtspunkt nur  auf  die  Resultate  richten,  und  nun  die  Regeln 
feststellen,  deren  Befolgung  der  Vervollkommnung  dieser  am  zuträg- 
lichsten ist. 

Dieser  beschränkte  Gesichtspunkt  richtet  nirgends  grösseren 
Schaden  an,  als  wo  der  wahre  Zweck  des  Menschen  völlig  mora- 
lisch, oder  intellectuell  ist,  oder  doch  die  Sache  selbst,  nicht  ihre 
Folgen  beabsichtet,  und  diese  Folgen  nur  nothwendig  oder  zufäl- 
lig damit  zusammenhängen.  So  ist  es  bei  wissenschaftlichen  Un- 
tersuchungen, und  religiösen  Meinungen,  so  mit  allen  Verbindun- 
gen der  Menschen  unter  einander,  und  mit  der  natürlichsten,  die 
für  den  einzelnen  Menschen,  wie  für  den  Staat,  die  wichtigste 
ist,  mit  der  Ehe. 

Eine  Verbindung  von  Personen  beiderlei  Geschlechts,  welche 
sich  gerade  auf  die  Geschlechtsverschiedenheit  gründet,  wie  wel- 
leicht die  Ehe  am  richtigsten  definirt  werden  könnte,  lässt  sich 
auf  eben  so  mannigfaltige  Weise  denken,  als  mannigfaltige  Ge- 
stalten die  Ansicht  jener  Verschiedenheit,  und  die,  aus  derselben 
entspringenden  Neigungen  des  Herzens  und  Zwecke  der  Vernunft 
anzunehmen  vermögen;  und  bei  jedem  Menschen  wird  sein  gan- 
zer moralischer  Charakter,  vorzüglich  die  Stärke,  und  die  Art 
seiner  Empfindungskraft  darin  sichtbar  sein.  Ob  der  Mensch 
mehr  äussere  Zwecke  verfolgt,  oder  lieber  sein  innres  Wesen  be- 
schäftigt? ob  sein  Verstand  thätiger  ist  oder  sein  Gefühl?  ob  er 
lebhaft  umfasst  und  schnell  verlässt;  oder  langsam  eindringt  und 
treu  bewahrt?  ob  er  losere  Bande  knüpft,  oder  sich  enger  an- 
schliesst?  ob  er  bei  der  innigsten  Verbindung  mehr  oder  minder 
Selbstständigkeit  behält?  und  eine  unendliche  Menge  andrer  Be- 
stimmungen modiiiziren  anders  und  anders  sein  Verhältniss  im 
ehelichen  Leben.  Wie  dasselbe  aber  auch  immer  bestimmt  sein 
mag;  so  ist  die  Wirkung  davon  auf  sein  Wesen  und  seine  Glück- 
seligkeit unverkennbar,  und  ob  der  Versuch  die  Wirklichkeit  nach 


24 

seiner  innern  Stimmung  zu  finden  oder  zu  bilden,  glücke  oder 
rnisslinge?  davon  hängt  grösstenteils  die  höhere  Vervollkomm- 
nung, oder  die  Erschlaffung  seines  Wesens  ab.  Vorzüglich  stark 
ist  dieser  Einfluss  bei  den  interessantesten  Menschen,  welche  am 
zartesten  und  leichtesten  auffassen,  und  am  tiefsten  bewahren. 
Zu  diesen  kann  man  mit  Recht  im  Ganzen  mehr  das  weibliche, 
als  das  männliche  Geschlecht  rechnen,  und  daher  hängt  der  Cha- 
rakter des  ersteren  am  meisten  von  der  Art  der  Familienverhält- 
nisse in  einer  Nation  ab.  Von  sehr  vielen  äusseren  Beschäfti- 
gungen gänzlich  frei;  fast  nur  mit  solchen  umgeben,  welche  das 
innere  Wesen  beinah  ungestört  sich  selbst  überlassen;  stärker 
durch  das,  was  sie  zu  sein,  als  was  sie  zu  thun  vermögen;  aus- 
drucksvoller durch  die  stille,  als  die  geäusserte  Emplindung;  mit 
aller  Fähigkeit  des  unmittelbarsten,  zeichenlosesten  Ausdrucks,  bei 
dem  zarteren  Körperbau,  dem  beweglicheren  Auge,  der  mehr  er- 
greifenden Stimme,  reicher  versehen;  im  Verhältniss  gegen  andre 
mehr  bestimmt,  zu  erwarten  und  aufzunehmen,  als  entgegen  zu 
kommen;  schwächer  für  sich,  und  doch  nicht  darum,  sondern  aus 
Bewunderung  der  fremden  Grösse  und  Stärke  inniger  anschlies- 
send ;  in  der  Verbindung  unaufhörlich  strebend,  mit  dem  vereinten 
Wesen  zu  empfangen,  das  Empfangene  in  sich  zu  bilden,  und 
gebildet  zurück  zu  geben  ;  zugleich  höher  von  dem  Muthe  beseelt, 
welchen  Sorgfalt  der  Liebe,  und  Gefühl  der  Stärke  einflösst,  die 
nicht  dem  Widerstände  aber  dem  Erliegen  im  Dulden  trotzt  — 
sind  die  Weiber  eigentlich  dem  Ideale  der  Menschheit  näher, 
als  der  Mann;  und  wenn  es  nicht  unwahr  ist,  dass  sie  es  selt- 
ner erreichen,  als  er,  so  ist  es  vielleicht  nur,  weil  es  überall 
schwerer  ist,  den  unmittelbaren  steilen  Pfad,  als  den  Umweg  zu 
gehen.  Wie  sehr  aber  nun  ein  Wesen,  das  so  reizbar,  so  in  sich 
Eins  ist,  bei  dem  folglich  nichts  ohne  Wirkung  bleibt,  und  jede 
Wirkung  nicht  einen  Theil  sondern  das  Ganze  ergreift,  durch 
äussre  Missverhältnisse  gestört  wird,  bedarf  nicht  ferner  erinnert 
zu  werden.  Dennoch  hängt  von  der  Ausbildung  des  weiblichen 
Charakters  in  der  Gesellschaft  so  unendlich  viel  ab.  Wenn  es 
keine  unrichtige  Vorstellung  ist,  dass  jede  Gattung  der  Trefflich- 
keit sich  —  wenn  ich  so  sagen  darf  —  in  einer  Art  der  Wesen 
darstellt;  so  bewahrt  der  weibliche  Charakter  den  ganzen  Schatz 
der  Sittlichkeit. 


25 

Nach  Freiheit  strebt  der  Mann,  das  Weib  nach  Sitte, 
und  wenn,  nach  diesem  tief  und  wahr  empfundenen  Ausspruch 
des  Dichters,  der  3Iann  sich  bemüht,  die  äusseren  Schranken 
zu  entfernen,  welche  dem  Wachs thurn  hinderlich  sind,  so  zieht 
die  sorgsame  Hand  der  Frauen  die  wohlthätige  innere,  in  wel- 
cher allein  die  Fülle  der  Kraft  sich  zur  Blüthe  zu  läutern  \er- 
mag,  und  zieht  sie  um  so  feiner,  als  die  Frauen  das  innre  Dasein 
des  Menschen  tiefer  empfinden,  seine  mannigfaltigen  Verhältnisse 
feiner  durchschauen,  als  ihnen  jeder  Sinn  am  willigsten  zu  Ge- 
bote steht,  und  sie  des  Yernünftelns  überhebt,  das  so  oft  die 
Wahrheit  \  erdunkelt. 

Sollte  es  noch  nothwendig  scheinen,  so  würde  auch  die  Ge- 
schichte diesem  Raisonnement  Bestätigung  leihen,  und  die  Sitt- 
lichkeit der  Nationen  mit  der  Achtung  des  weiblichen  Geschlechts 
überall  in  enger  Verbindung  zeigen.  Es  erhellt  demnach  aus  dem 
Vorigen,  dass  die  "Wirkungen  der  Ehe  eben  so  mannigfaltig  sind, 
als  der  Charakter  der  Individuen;  und  dass  es  also  die  nachthei- 
ligsten Folgen  haben  muss,  wenn  der  Staat  eine,  mit  der  jedes- 
maligen Beschaffenheit  der  Individuen  so  eng  verschwisterte  Ver- 
bindung, durch  Gesetze  zu  bestimmen,  oder  durch  seine  Einrich- 
tungen, von  andern  Dingen,  als  von  der  blossen  Neigung,  abhängig 
zu  machen  versucht.  Dies  muss  um  so  mehr  der  Fall  sein,  als 
er  bei  diesen  Bestimmungen  beinah  nur  auf  die  Folgen,  auf  Be- 
völkerung, Erziehung  der  Kinder  u.  s.  f.  sehen  kann.  Zwar  lässt 
sich  gewiss  darthun,  dass  eben  diese  Dinge  auf  dieselben  Re- 
sultate mit  der  höchsten  Sorgfalt  für  das  schönste  innere  Da- 
sein führen.  Denn  bei  sorgfältig  angestellten  Versuchen,  hat  man 
die  ungetrennte,  dauernde  Verbindung  Eines  Mannes  mit  Einer 
Frau  der  Bevölkerung  am  zuträglichsten  gefunden,  und  unläugbar 
entspringt  gleichfalls  keine  andre  aus  der  wahren,  natürlichen, 
unverstimmten  Liebe.  Eben  so  wenig  führt  diese  ferner  auf  andre, 
als  eben  die  Verhältnisse,  welche  die  Sitte  und  das  Gesetz  bei 
uns  mit  sich  bringen;  Kindererzeugung,  eigne  Erziehung,  Gemein- 
schaft des  Lebens,  zum  Theil  der  Güter,  Anordnung  der  äussern 
Geschäfte  durch  den  Mann,  Verwaltung  des  Hauswesens  durch 
die  Frau.  Allein,  der  Fehler  scheint  mir  darin  zu  liegen,  dass 
das  Gesetz  befiehlt,  da  doch  ein  solches  Verhältniss  nur  aus 
Neigung,  nicht  aus  äussern  Anordnungen  entstehn  kann,  und  wo 
Zwang  oder  Leitung  der  Neigung  widersprechen,   diese  noch 


26 

weniger  zum  rechten  Wege  zurückkehrt.  Daher,  dünkt  mich, 
sollte  der  Staat  nicht  nur  die  Bande  freier  und  weiter  machen, 
sondern  —  wenn  es  mir  erlaubt  ist,  liier,  wo  ich  nicht  von  der 
Ehe  überhaupt,  sondern  eiuem  einzelnen,  bei  ihr  sehr  in  die  Au- 
gen fallenden  Nachtheil  einschränkender  Staatseinrichtungen  rede, 
allein  nach  den  im  Vorigen  gewagten  Behauptungen  zu  entschei- 
den —  überhaupt  von  der  Ehe  seine  ganze  Wirksamkeit  entfer- 
nen, und  dieselbe  vielmehr  der  freien  AYillkühr  der  Individuen, 
und  der  von  ihnen  errichteten  mannigfaltigen  Vertrage,  sowohl 
überhaupt,  als  in  ihren  Modifikationen,  gänzlich  überlassen.  Die 
Besorgniss,  dadurch  alle  Familienverhältnisse  zu  stören,  oder  viel- 
leicht gar  ihre  Entstehung  überhaupt  zu  verhindern  —  so  ge- 
gründet dieselbe  auch,  bei  diesen  oder  jenen  Lokalumständen, 
sein  möchte  —  würde  mich,  in  so  fern  ich  allein  auf  die  Natur 
der  Menschen  und  Staaten  im  Allgemeinen  achte,  nicht  abschrek- 
ken.  Denn  nicht  selten  zeigt  die  Erfahrung,  dass  gerade,  was 
das  Gesetz  löst,  die  Sitte  bindet;  die  Idee  des  äussern  Zwangs 
ist  einem,  allein  auf  Neigung  und  innrer  Pflicht  beruhenden  Ver- 
hältniss,  wie  die  Ehe,  völlig  fremdartig;  und  die  Folgen  zwin- 
gender Einrichtungen  entspi-echen  der  Absicht  schlechterdings 
nicht*). 

in  dem  moralischen  und  überhaupt  praktischen  Leben  des 
Menschen,  sofern  er  nur  auch  hier  gleichsam  die  Regeln 
beobachtet  —  die  sich  aber  vielleicht  allein  auf  die  Grund- 
sätze des  Rechts  beschränken  —  überall  den  höchsten  Ge- 

*)  Hier  endigt  das  im  Jahrg.  1 79*2  der  „Thalia"  abgedruckte  Frag- 
ment. Der  weitere  Inhalt  des  verloren  gegangenen  Stückes 
der  Handschrift  ergiebt  sich  aus  der  Inhaltsanzeige: 

(4.)   „Die  Sorgfalt   des    Staats    für   das   positive    Wohl   muss 
auf  eine  gemischte  Menge  gerichtet  werden  und  schadet 
daher  den  Einzelnen  durch  Maassregeln,  welche  auf  ei- 
nen  jeden    von   ihnen,    nur    mit   beträchtlichen  Fehlern 
passen." 
I.").)    „Die  Sorgfalt  des  Staats  für  das  positive  Wohl  der  Bür- 
ger   hindert    die    Entwikkelung    der    Individualität    und 
Eigeuthümlichkeit  des  Menschen." 
Der  zunächst   folgende  Text  der  Handschrift  gehört  zu  diesem 
5.  Tlieil. 


27 

sichtspunkt  der  eigenthümlichsten  Ausbildung  seiner  selbst 
und  anderer  vor  Augen  hat,  überall  von  dieser  reinen  Ab- 
sicht geleitet  wird,  und  vorzüglich  jedes  andre  Interesse 
diesem,  ohne  alle  Beimischung  sinnlicher  Beweggründe  er- 
kannten Geseze  unterwirft.  Allein  alle  Seiten,  welche  der 
Mensch  zu  kultiviren  vermag,  stehen  in  einer  wunderbar 
engen  Verknüpfung,  und  wenn  schon  in  der  intellektuellen 
Welt  der  Zusammenhang,  wenn  nicht  inniger,  doch  wenig- 
stens deutlicher  und  bemerkbarer  ist,  als  in  der  physischen; 
so  ist  er  es  noch  bei  weitem  mehr  in  der  moralischen. 
Daher  müssen  sich  die  Menschen  unter  einander  verbinden, 
nicht  um  an  Eigenthümlichkeit,  aber  an  ausschliessendem 
Isolirtsein  zu  verlieren;  die  Verbindung  muss  nicht  ein  We- 
sen in  das  andre  verwandeln,  aber  gleichsam  Zugänge  von 
einem  zum  andern  eröfnen;  was  jeder  für  sich  besizt,  muss 
er  mit  dem,  von  andren  Empfangenen  vergleichen,  und  da- 
nach modificiren,  nicht  aber  dadurch  unterdrükken  lassen. 
Denn  wie  in  dem  Reiche  des  Intellektuellen  nie  das  Wahre, 
so  streitet  in  dem  Gebiete  der  Moralität  nie  das  des  Men- 
schen wahrhaft  Würdige  mit  einander;  und  enge  und  man- 
nigfaltige Verbindungen  eigenthümlicher  Charaktere  mit  ein- 
ander sind  daher  eben  so  nothwendig,  um  zu  vernichten, 
was  nicht  neben  einander  bestehen  kann,  und  daher  auch 
für  sich  nicht  zu  Grösse  und  Schönheit  führt,  als  das,  des- 
sen Dasein  gegenseitig  ungestört  bleibt,  zu  erhalten,  zu  näh- 
ren, und  zu  neuen,  noch  schöneren  Geburten  zu  befruchten. 
Daher  scheint  ununterbrochenes  Streben,  die  innerste  Eigen- 
thümlichkeit des  andern  zu  fassen,  sie  zu  benuzen,  und, 
von  der  innigsten  Achtung  für  sie,  als  die  Eigenthümlichkeit 
eines  freien  Wesens,  durchdrungen,  auf  sie  zu  wirken  — 
ein  Wirken,  bei  welchem  jene  Achtung  nicht  leicht  ein  an- 
dres Mittel  erlauben  wird,  als  sich  selbst  zu  zeigen  und 
gleichsam  vor  den  Augen  des  andern  mit  ihm  zu  verglei- 


28 

chen  —  der  höchste  Grunclsaz  der  Kunst  des  Umganges, 
welche  vielleicht  unter  allen  am  meisten  bisher  noch  ver- 
nachlässigt worden  ist.  Wenn  aber  auch  diese  Vernachläs- 
sigung leicht  eine  Art  der  Entschuldigung  davon  borgen 
kann,  dass  der  Umgang  eine  Erholung,  nicht  eine  mühevolle 
Arbeit  sein  soll,  und  dass  leider  sehr  vielen  Menschen  kaum 
irgend  eine  interessante  eigenthümliche  Seite  abzugewinnen 
ist;  so  sollte  doch  jeder  zu  viel  Achtung  für  sein  eignes 
Selbst  besizen,  um  eine  andre  Erholung,  als  den  Wechsel 
interessanter  Beschäftigung,  und  noch  dazu  eine  solche  zu 
suchen,  welche  gerade  seine  edelsten  Kräfte  unthätig  lässt, 
und  zu  viel  Ehrfurcht  für  die  Menschheit,  um  auch  nur  Eins 
ihrer  Mitglieder  für  völlig  unfähig  zu  erklären,  benuzt,  oder 
dutch  Einwirkung"  anders  modiüzirt  zu  werden.  Wenigstens 
aber  darf  derjenige  diesen  Gesichtspunkt  nicht  übersehen, 
welcher  sich  Behandlung  der  Menschen  und  Wirken  auf  sie 
zu  einem  eigentlichen  Geschäft  macht,  und  insofern  folglich 
der  Staat,  bei  positiver  Sorgfalt  auch  nur  für  das,  mit  dem 
innern  Dasein  immer  eng  verknüpfte  äussre  und  physische 
Wohl,  nicht  umhin  kann,  der  Entwikklung  der  Individualität 
hinderlich  zu  werden,  so  ist  dies  ein  neuer  Grund  eine  solche 
Sorgfalt  nie,  ausser  dem  Fall  einer  absoluten  Notwendig- 
keit, zu  verstatten. 

Dies  möchten  etwa  die  vorzüglichsten  nachtheiligen  Fol- 
gen sein,  welche  aus  einer  positiven  Sorgfalt  des  Staats  für 
den  Wohlstand  der  Bürger  entspringen,  und  die  zwar  mit 
gewissen  Arten  der  Ausübung  derselben  vorzüglich  verbun- 
den, aber  überhaupt  doch  von  ihr  meines  Frachtern  nicht 
zu  trennen  sind.  Ich  wollte  jezt  nur  von  der  Sorgfalt  für 
das  physische  Wohl  reden,  und  gewiss  bin  ich  auch  überall 
von  diesem  Gesichtspunkte  ausgegangen,  und  habe  alles 
genau  abgesondert,  was  sich  nur  auf  das  moralische  allein 
bezieht.     Allein  ich  erinnerte  gleich  anfangs,  dass  der  Gegen- 


29 

stand  selbst  keine  genaue  Trennung  erlaubt,  und  dies  möge 
also  zur  Entschuldigung  dienen,  wenn  sehr  Vieles  des  im 
Vorigen  entwickelten  Raisonnements  von  der  ganzen  posi- 
tiven Sorgfalt  überhaupt  gilt.  Ich  habe  indess  bis  jezt  an- 
genommen, dass  die  Einrichtungen  des  Staats,  von  welchen 
ich  hier  rede,  schon  wirklich  getroffen  wären,  und  ich  muss 
daher  noch  von  einigen  Hindernissen  reden,  welche  sich 
eigentlich  bei  der  Anordnung  selbst  zeigen. 

6.  Nichts  wäre  gewiss  bei  dieser  so  nothwendig,  als 
die  Vortheile,  die  man  beabsichtet,  gegen  die  Nachtheile, 
und  vorzüglich  gegen  die  Einschränkungen  der  Freiheit, 
wrelche  immer  damit  verbunden  sind,  abzuwägen.  Allein 
eine  solche  Abwägung  lässt  sich  nur  sehr  schwer  und  ge- 
nau, und  vollständig  vielleicht  schlechterdings  nicht  zu  Stande 
bringen.  Denn  jede  einschränkende  Einrichtung  koüidirt  mit 
der  freien  und  natürlichen  Aeusserung  der  Kräfte,  bringt  bis 
ins  Unendliche  gehend  neue  Verhältnisse  hervor,  und  so  lässt 
sich  die  Menge  der  folgenden,  welche  sie  nach  sich  zieht 
(selbst  den  gleichmässigsten  Gang  der  Begebenheiten  ange- 
nommen, und  alle  irgend  wichtige  unvermuthete  Zufälle, 
die  doch  nie  fehlen,  abgerechnet)  nicht  voraussehen.  Jeder, 
der  sich  mit  der  höheren  Staatsverwaltung  zu  beschäftigen 
Gelegenheit  hat,  fühlt  gewiss  aus  Erfahrung,  wie  wenig 
Maassregeln  eigentlich  eine  unmittelbare,  absolute,  wie  viele 
hingegen  eine  bloss  relative,  mittelbare,  von  andern  vorher- 
gegangenen abhängende  Notwendigkeit  haben.  Dadurch 
wird  daher  eine  bei  weitem  grössere  Menge  von  Mitteln 
nothwendig,  und  eben  diese  Mittel  werden  der  Erreichung 
des  eigentlichen  Zweks  entzogen.  Nicht  allein  dass  ein 
solcher  Staat  grösserer  Einkünfte  bedarf,  sondern  er  erfor- 
dert auch  künstlichere  Anstalten  zur  Erhaltung  der  eigent- 
lichen politischen  Sicherheit,  die  Theile  hängen  weniger  von 
selbst   fest   zusammen,    die    Sorgfalt    des   Staats   muss   bei 


30 

weitem  Ihätiger  sein.  Daraus  entspringt  nun  eine  gleich 
schwierige,  und  leider  nur  zu  oft  vernachlässigte  Berech- 
nung, ob  die  natürlichen  Kräfte  des  Staats  zu  Herbeischaf- 
fung aller  hothwendig  erforderlichen  Mittel  hinreichend  sind? 
und  fällt  diese  Berechnung  unrichtig  aus,  ist  ein  wahres 
Misverhältniss  vorhanden,  so  müssen  neue  künstliche  Ver- 
anstaltungen die  Kräfte  überspannen,  ein  Uebel,  an  welchem 
nur  zu  viele  neuere  Staaten,  wenn  gleich  nicht  allein  aus 
dieser  Ursache,  kranken. 

Vorzüglich  ist  hiebei  ein  Schade  nicht  zu  übersehen, 
weil  er  den  Menschen  und  seine  Bildung  so  nahe  betritt, 
nemlich  dass  die  eigentliche  Verwaltung  der  Staatsgeschäfte 
dadurch  eine  Verflechtung  erhält,  welche,  um  nicht  Ver- 
wirrung zu  werden,  eine  unglaubliche  Menge  detaillirter 
Einrichtungen  bedarf  und  ebensoviele  Personen  beschäf- 
tigt. Von  diesen  haben  indess  doch  die  meisten  nur  mit 
Zeichen  und  Formeln  der  Dinge  zu  thun.  Dadurch  wer- 
den nun  nicht  bloss  viele,  vielleicht  tiefliche  Köpfe  dem 
Denken,  viele,  sonst  nüzlicher  beschäftigte  Hände  der  re- 
ellen Arbeit  entzogen;  sondern  ihre  Geisteskräfte  selbst  lei- 
den durch  diese  zum  Theil  leere,  zum  Theil  zu  einseitige 
Beschäftigung.  Es  entsteht  nun  ein  neuer  und  gewöhnlicher 
Erwerb,  Besorgung  von  Staatsgeschäften,  und  dieser  macht 
die  Diener  des  Staats  so  viel  mehr  von  dem  regierenden 
Theile  des  Staats,  der  sie  besoldet,  als  eigentlich  von  der 
Nation  abhängig.  Welche  ferneren  Nachtheile  aber  noch 
hieraus  erwachsen,  welches  Warten  auf  die  Hülfe  des  .Staats, 
welcher  Mangel  der  Selbstständigkeit,  welche  falsche  Eitel- 
keit, welche  Unthäligkeit  sogar  und  Dürftigkeit,  beweist  die 
Erfahrung  am  unwidersprechlichsten.  Dasselbe  Uebel,  aus 
welchem  dieser  Nachtheil  entspringt,  wird  wieder  von  dem- 
selben wechselsweis  hervorgebracht.  Die,  welche  einmal 
die  Staatsgeschälie  auf  diese  Weise  verwalten,  sehen  immer 


31 

mehr  und  mehr  von  der  Sache  hinweg  und  nur  auf  die 
Form  hin,  bringen  immerfort  bei  dieser,  vielleicht  wahre, 
aber  nur,  mil  nicht  hinreichender  Hinsicht  auf  die  Sache 
selbst,  und  daher  oft  zum  Nachlheil  dieser  ausschlagende 
Verbesserungen  an,  und  so  entstehen  neue  Formen,  neue 
Weitläufigkeiten,  oft  neue  einschränkende  Anordnungen,  aus 
welchen  wiederum  sehr  natürlich  eine  neue  Vermehrung 
der  Geschäftsmänner  erwächst.  Daher  nimmt  in  den  mei- 
sten Staaten  von  Jahrzehend  zu  Jahrzehend  das  Personale 
der  Staatsdiener,  und  der  Umfang  der  Registraturen  zu,  und 
die  Freiheit  der  Unterthanen  ab.  Bei  einer  solchen  Ver- 
waltung kommt  freilich  alles  auf  die  genaueste  Aufsicht,  auf 
die  pünktlichste  und  ehrlichste  Besorgung  an,  da  der  Gele- 
genheiten, in  beiden  zu  fehlen,  so  viel  mehr  sind.  Daher 
sucht  man  insofern  nicht  mit  Unrecht,  alles  durch  so  viel 
Hände  als  möglich  gehen  zu  lassen,  und  selbst  die  Möglich- 
keit von  Irrthümern  oder  Unlerschleifen  zu  entfernen.  Da- 
durch aber  werden  die  Geschäfte  beinah  völlig  mechanisch, 
und  die  Menschen  Maschinen;  und  die  wahre  Geschiklich- 
keit  und  Redlichkeit  nehmen  immer  mit  dem  Zutrauen  zu- 
gleich ab.  Endlich  werden,  da  die  Beschäftigungen,  von 
denen  ich  hier  rede,  eine  grosse  Wichtigkeit  erhalten,  und 
um  konsequent  zu  sein,  allerdings  erhalten  müssen,  dadurch 
überhaupt  die  Gesichtspunkte  des  Wichtigen  und  Unwich- 
tigen, Ehrenvollen  und  Verächtlichen,  des  letzteren  und  der 
untergeordneten  Endzwecke  verrükt.  Und  da  die  Not- 
wendigkeit von  Beschäftigungen  dieser  Art  auch  wiederum 
durch  manche,  leicht  in  die  Augen  fallende  heilsame  Folgen 
für  ihre  Nachtheile  entschädigt;  so  halle  ich  mich  hieb  ei 
nicht  länger  auf,  und  gehe  nunmehr  zu  der  Iezten  Betrach- 
tung, zu  welcher  alles  bisher  Entwikkelte,  gleichsam  als  eine 
Vorbereitung,  nothwendig  war,  zu  der  Verrükkung  der  Ge- 


32 

Sichtspunkte  überhaupt  über,  welche  eine  positive  Sorgfalt 
des  Staats  veranlasst. 

7.  Die  Menschen  —  um  diesen  Theil  der  Untersuchung 
mit  einer  allgemeinen,  aus  den  höchsten  Rücksichten  ge- 
schöpften Betrachtung  zu  schliessen  —  werden  um  der  Sa- 
chen, die  Kräfte  um  der  Resultate  willen  vernachlässigt. 
Ein  Staat  gleicht  nach  diesem  System  mehr  einer  aufge- 
häuften Menge  von  leblosen  und  lebendigen  Werkzeugen 
der  Wirksamkeit  und  des  Genusses,  als  einer  Menge  thäti- 
ger  und  geniessender  Kräfte.  Bei  der  Vernachlässigung  der 
Selbslthätigkeit  der  handelnden  Wesen  scheint  nur  auf  Glük- 
Seligkeit  und  Gennss  gearbeitet  zu  sein.  Allein,  wenn,  da 
über  Glükseligkeit  und  Genuss  nur  die  Empfindung  des 
Geniessenden  richtig  urtheilt,  die  Berechnung  auch  richtig 
wäre;  so  wäre  sie  dennoch  immer  weit  von  der  Würde 
der  Menschheit  entfernt.  Denn  woher  käme  es  sonst,  dass 
eben  dies  nur  Ruhe  abzwekkende  System  auf  den  mensch- 
lich höchsten  Genuss,  gleichsam  aus  Besorgniss  vor  seinem 
Ge°enlheil,  willig  Verzicht  thut?  Der  Mensch  çeniesst  am 
meisten  in  den  Momenten,  in  welchen  er  sich  in  dem  höch- 
sten Grade  seiner  Kraft  und  seiner  Einheit  fühlt.  Freilich 
ist  er  auch  dann  dem  höchsten  Elend  am  nächsten.  Denn 
auf  den  Moment  der  Spannung  vermag  nur  eine  gleiche 
Spannung  zu  folgen,  und  die  Richtung,  zum  Genuss  oder 
zum  Entbehren,  liegt  in  der  Hand  des  unbesiegten  Schik- 
sals.  Allein  wenn  das  Gefühl  des  Höchsten  im  Menschen 
nur  Glück  zu  heissen  verdient,  so  gewinnt  auch  Schmerz 
und  Leiden  eine  veränderte  Gestalt.  Der  Mensch  in  seinem 
Innern  wird  der  Siz  des  Glücks  und  des  Unglücks,  und  er 
wechselt  ja  nicht  mit  der  wallenden  Fluth,  die  ihn  trägt. 
Jenes  System  führt,  meiner  Empfindung  nach,  auf  ein  frucht- 
loses Streben,  dem  Schmerz  zu  entrinnen.  Wer  sich  wahr- 
haft auf  Genuss  versteht,  erduldet  den  Schmerz,   der  doch 


33 

den  Flüchtigen  ereilt,  und  freuet  sich  unaufhörlich  am  ru- 
higen Gange  des  Schiksals;  und  der  Anblik  der  Grösse 
fesselt  ihn  süss,  es  mag  entstehen,  oder  vernichtet  werden. 
So  kommt  er  —  doch  freilich  nur  der  Schwärmer  in  an- 
dern, als  seltnen  Momenten  —  selbst  zu  der  Empfindung, 
dass  sogar  der  Moment  des  Gefühls  der  eignen  Zerstörung 
ein  Moment  des  Entzükkens  ist. 

Vielleicht  werde  ich  beschuldigt,  die  hier  aufgezählten 
Nachtheile  übertrieben  zu  haben;  allein  ich  musste  die  volle 
Wirkung  des  Einmischens  des  Staats  —  von  dem  hier  die 
Rede  ist  —  schildern,  und  es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
jene  Nachtheile,  nach  dem  Grade  und  nach  der  Art  dieses 
Einmischens  selbst,  sehr  verschieden  sind.  Ueberhaupt  sei 
mir  die  Bitte  erlaubt,  bei  allem,  was  diese  Blätter  Allge- 
meines enthalten,  von  Vergleichungen  mit  der  Wirklichkeit 
gänzlich  zu  abstrahiren.  In  dieser  findet  man  selten  einen 
Fall  voll  und  rein,  und  selbst  dann  sieht  man  nicht  abge- 
schnitten und  für  sich  die  einzelnen  Wirkungen  einzelner 
Dinge.  Dann  darf  man  auch  nicht  vergessen,  dass,  wenn 
einmal  schädliche  Einflüsse  vorhanden  sind,  das  Verderben 
mit  sehr  beschleunigten  Schritten  weiter  eilt.  Wie  grössere 
Kraft,  mit  grösserer  vereint,  doppelt  grössere  hervorbringt, 
so  artet  auch  geringere  mit  geringerer  in  doppelt  geringere 
aus.  Welcher  Gedanke  selbst  wagt  es  nun,  die  Schnellig- 
keit dieser  Fortschritte  zu  begleiten?  Indess  auch  sogar 
zugegeben,  die  Nachtheile  wären  minder  gross;  so,  glaube 
ich,  bestätigt  sich  die  vorgetragene  Theorie  doch  noch  bei 
weitem  mehr  durch  den  warlich  namenlosen  Seegen,  der 
aus  ihrer  Befolgung  —  wenn  diese,  wie  freilich  manches 
zweifeln  lässt,  je  ganz  möglich  wäre  —  entstehen  müsste. 
Denn  die  immer  thätige,  nie  ruhende,  den  Dingen  inwoh- 
nende Kraft  kämpft  gegen  jede,  ihr  schädliche  Einrichtung, 
und  befördert  jede,  ihr  heilsame;  so  dass  es  im  höchsten 
vu.  3 


34 

Verstände  wahr  ist,  dass  auch  der  angestrengteste  Eifer  nie 
so  viel  Böses  zu  wirken  vermag,  als  immer  und  überall 
von  selbst  Gutes  hervorgeht. 

Ich  könnte  hier  ein  erfreuliches  Gegenbild  eines  Volkes 
aufstellen,  das  in  der  höchsten  und  ungebundensten  Freiheit, 
und  in  der  grossesten  Mannigfaltigkeit  seiner  eignen  .und  der 
übrigen  Verhältnisse  um  sich  her  existirte;  ich  könnte  zei- 
gen, wie  hier,  noch  in  eben  dem  Grade  schönere,  höhere 
und  wunderbarere  Gestalten  der  Mannigfaltigkeit  und  der 
Originalität  erscheinen  müssten,  als  in  dem,  schon  so  un- 
nennbar reizenden  Alterthum,  in  welchem  die  Eigentüm- 
lichkeit eines  minder  kultivirten  Volks  allemal  roher  und 
gröber  ist,  in  welchem  mit  der  Feinheit  auch  allemal  die 
Stärke,  und  selbst  der  Reichthum  des  Charakters  wächst, 
und  in  welchem,  bei  der  fast  gränzenlosen  Verbindung  al- 
ler Nationen  und  Welttheile  mit  einander,  schon  die  Ele- 
mente gleichsam  zahlreicher  sind;  zeigen,  welche  Stärke 
hervorblühen  müsste,  wenn  jedes  Wesen  sich  aus  sich  selbst 
organisirte,  wenn  es,  ewig  von  den  schönsten  Gestalten  um- 
geben, mit  uneingeschränkter  und  ewig  durch  die  Freiheit 
ermunterter  Selbsttätigkeit  diese  Gestalten  in  sich  verwan- 
delte; wie  zart  und  fein  das  innere  Dasein  des  Menschen 
sich  ausbilden,  wie  es  die  angelegentlichere  Beschäftigung 
desselben  werden,  wie  alles  Physische  und  Aeussere  in  das 
Innere  moralische  und  intellektuelle  übergehen,  und  das 
Band,  welches  beide  Naturen  im  Menschen  verknüpft,  an 
Dauer  gewinnen  würde,  wenn  nichts  mehr  die  freie  Rück- 
wirkung aller  menschlichen  Beschäftigungen  auf  den  Geist 
und  den  Charakter  störte;  wie  keiner  dem  andern  gleichsam 
aufgeopfert  würde,  wie  jeder  seine  ganze,  ihm  zugemessene 
Kraft  für  sich  behielte,  und  ihn  eben  darum  eine  noch  schö- 
nere Bereitwilligkeit  begeisterte,  ihr  eine,  für  andre  wohl- 
thätige  Richtung  zu  geben;  wie,  wenn  jeder  in  seiner  Eigen- 


35 

thümlichkeit  fortschritte ,  mannigfaltigere  und  feinere  Nuan- 
cen des  schönen  menschlichen  Charakters  entstehen,  und 
Einseitigkeit  um  so  seltener  sein  würde,  als  sie  überhaupt 
immer  nur  eine  Folge  der  Schwäche  und  Dürftigkeit  ist, 
und  als  jeder,  wenn  nichts  mehr  den  andern  zwänge,  sich 
ihm  gleich  zu  machen,  durch  die  immer  fortdauernde  Noth- 
wendigkeit  der  Verbindung  mit  andern,  dringender  veran- 
lasst werden  würde,  sich  nach  ihnen  anders  und  anders 
selbst  zu  modificiren;  wie  in  diesem  Volke  keine  Kraft  und 
keine  Hand  für  die  Erhöhung  und  den  Genuss  des  Menschen- 
daseins verloren  gienge;  endlich  zeigen,  wie  schon  dadurch 
ebenso  auch  die  Gesichtspunkte  aller  nur  dahin  gerichtet, 
und  von  jedem  andern  falschen,  oder  doch  minder  der 
Menschheit  würdigen  Endzwek  abgewandt  werden  würden. 
Ich  könnte  dann  damit  schliessen,  aufmerksam  darauf  zu 
machen,  wie  diese  wohlthätige  Folgen  einer  solchen  Kon- 
stitution, unter  einem  Volke,  welches  es  sei,  ausgestreut, 
selbst  dem  freilich  nie  ganz  tilgbaren  Elende  der  Menschen, 
den  Verheerungen  der  Natur,  dem  Verderben  der  feindseli- 
gen Neigungen,  und  den  Ausschweifungen  einer  zu  üppigen 
Genussesfülle,  einen  unendlich  grossen  Theil  seiner  Schrek- 
lichkeit  nehmen  würden.  Allein  ich  begnüge  mich,  das 
Gegenbikl  geschildert  zu  haben;  es  ist  mir  genug,  Ideen 
hinzuwerfen,  damit  ein  reiferes  Lrtheil  sie  prüfe. 

Wenn  ich  aus  dem  ganzen  bisherigen  Raisonnement  das 
letzte  Resultat  zu  ziehen  versuche;  so  muss  der  erste 
Grundsaz  dieses  Theils  der  gegenwärtigen  Untersuchung 
der  sein: 

der  Staat  enthalte  sich  aller  Sorgfalt  für  den  positiven 
Wohlstand  der  Bürger,  und  gehe  keinen  Schritt  weiter, 
als  zu  ihrer  Sicherstellung  gegen  sich  selbst  und  gegen 
auswärtige  Feinde  nothwendig  ist;  zu  keinem  andern 
Endzwekke  beschränke  er  ihre  Freiheit. 

•     3* 


36 

Ich  müsste  mich  jezt  zu  den  Mitteln  wenden,  durch 
welche  eine  solche  Sorgfalt  thätig  geübt  wird;  allein,  da  ich  sie 
selbst,  meinen  Grundsäzen  gemäss,  gänzlich  misbillige,  so 
kann  ich  hier  von  diesen  Mitteln  schweigen,  und  mich  be- 
gnügen nur  allgemein  zu  bemerken,  dass  die  Mittel,  wo- 
durch die  Freiheit  zum  Behuf  des  Wohlstandes  beschränkt 
wird,  von  sehr  mannigfaltiger  Natur  sein  können,  direkte: 
Geseze,  Ermunterungen,  Preise;  indirekte:  wie  dass  der 
Landesherr  selbst  der  beträchtlichste  Eigenthümer  ist,  und 
dass  er  einzelnen  Bürgern  überwiegende  Rechte,  Monopo- 
lien  u.  s.  f.  einräumt,  und  dass  alle,  einen,  obgleich  dem 
Grade  und  der  Art  nach,  sehr  verschiedenen  Nachtheil  mit 
sich  führen.  Wenn  man  hier  auch  gegen  das  Erstere  und 
Leztere  keinen  Einwurf  erregte;  so  scheint  es  dennoch  son- 
derbar, dem  Staate  wehren  zu  wollen,  was  jeder  Einzelne 
darf,  Belohnungen  aussezen,  unterstüzen,  Eigenthümer  sein. 
Wäre  es  in  der  Ausübung  möglich,  dass  der  Staat  eben  so 
eine  zwiefache  Person  ausmachte,  als  er  es  in  der  Abstrak- 
tion that  ;  so  wäre  hiergegen  nichts  zu  erinnern.  Es  wäre 
dann  gerade  nicht  anders,  als  wenn  eine  Privatperson  einen 
mächtigen  Einfluss  erhielte.  Allein  da,  jenen  Unterschied 
zwischen  Theorie  und  Praxis  noch  abgerechnet,  der  Einfluss 
einer  Privatperson  durch  Konkurrenz  andrer,  Versplitterung 
ihres  Vermögens,  selbst  durch  ihren  Tod  aufhören  kann, 
lauter  Dinge,  die  beim  Staate  nicht  zutreffen;  so  steht  noch 
immer  der  Grundsaz,  dass  der  Staat  sich  in  nichts  mischen 
darf,  was  nicht  allein  die  Sicherheit  angeht,  um  so  mehr 
entgegen,  als  derselbe  schlechterdings  nicht  durch  Beweise 
unterstiizt  worden  ist,  welche  gerade  aus  der  Natur  des 
Zwanges  allein  hergenommen  gewesen  wären.  Auch  han- 
delt eine  Privatperson  aus  andern  Gründen,  als  der  Staat. 
Wenn  z.  B.  ein  einzelner  Bürger  Prämien  aussetzt,  die  ich 
auch  —  wie  es  doch  wohl  nie  ist  —  an  sich  gleich  wirk- 


37 

sam  mit  denen  des  Staats  annehmen  will;  so  thut  er  dies 
seines  Vortheils  halber.  Sein  Vortheil  aber  steht,  wegen 
des  ewigen  Verkehrs  mit  allen  übrigen  Bürgern,  und  wegen 
der  Gleichheit  seiner  Lage  mit  der  ihrigen,  mit  dem  Vor- 
theile  oder  Nachtheile  anderer,  folglich  mit  ihrem  Zustande 
in  genauem  Verhältniss.  Der  Zwek,  den  er  erreichen  will, 
ist  also  schon  gewissermaassen  in  der  Gegenwart  vorberei- 
tet, und  wirkt  folglich  darum  heilsam.  Die  Gründe  des 
Staats  hingegen  sind  Ideen  und  Grundsätze,  bei  welchen 
auch  die  genaueste  Berechnung  oft  täuscht;  und  sind  es  aus 
der  Privatlage  des  Staats  geschöpfte  Gründe,  so  ist  diese 
schon  an  sich  nur  zu  oft  für  den  Wohlstand  und  die  Sicher- 
heit der  Bürger  bedenklich,  und  auch  der  Lage  der  Bürger 
nie  in  eben  dem  Grade  gleich.  Wäre  sie  dies,  nun  so  ist's 
auch  in  der  Wirklichkeit  nicht  der  Staat  mehr,  der  handelt, 
und  die  Natur  dieses  Raisonnements  selbst  verbietet  dann 
seine  Anwendung. 

Eben  diess,  und  das  ganze  vorige  Raisonnement  aber 
gieng  allein  aus  Gesichtspunkten  aus,  welche  bloss  die  Kraft 
des  Menschen,  als  solchen,  und  seine  innere  Bildung  zum 
Gegenstand  hatten.  Mit  Recht  würde  man  dasselbe  der 
Einseitigkeit  beschuldigen,  wenn  es  die  Resultate,  deren  Da- 
sein so  nothwendig  ist,  damit  jene  Kraft  nur  überhaupt  wir- 
ken kann,  ganz  vernachlässigte.  Es  entsteht  also  hier  noch 
die  Frage  :  ob  eben  diese  Dinge,  von  welchen  hier  die  Sorg- 
falt des  Staats  entfernt  wird,  ohne  ihn  und  für  sich  gedei- 
hen können?  Hier  wäre  es  nun  der  Ort,  die  einzelnen 
Arten  der  Gewerbe,  x\kkerbau,  Industrie,  Handel  und  alles 
Uebrige,  wovon  ich  hier  zusammengenommen  rede,  einzeln 
durchzugehen,  und  mit  Sachkenntniss  aus  einander  zu  sezen, 
welche  Nachtheile  und  Vortheile  Freiheit  und  Selbstüber- 
lassung ihnen  gewährt.  Mangel  eben  dieser  Sachkenntniss 
hindert    mich,    eine    solche   Erörterung  einzugehen.     Auch 


38 

halte  ich  dieselbe  für  die  Sache  selbst  nicht  mehr  notwen- 
dig. Indess,  gut  und  vorzüglich  historisch  ausgeführt,  würde 
sie  den  sehr  grossen  Nuzen  gewähren,  diese  Ideen  mehr 
zu  empfehlen,  und  zugleich  die  Möglichkeit  einer  sehr  mo- 
dificirten  Ausführung  —  da  die  einmal  bestehende  wirkliche 
Lage  der  Dinge  schwerlich  in  irgend  einem  Staat  eine  un- 
eingeschränkte erlauben  dürfte  —  zu  beurtheilen.  Ich  be- 
gnüge mich  an  einigen  wenigen  allgemeinen  Bemerkungen. 
Jedes  Geschäft  —  welcher  Art  es  auch  sei  —  wird  besser 
betrieben,  wenn  man  es  um  seiner  selbst  willen,  als  den 
Folgen  zu  Liebe  treibt.  Dies  liegt  so  sehr  in  der  Natur 
des  Menschen,  dass  gewöhnlich,  was  man  anfangs  nur  des 
Nuzens  wegen  wählt,  zulezt  für  sich  Reiz  gewinnt.  Nun 
aber  rührt  diess  bloss  daher,  weil  dem  Menschen  Thätigkeit 
lieber  ist,  als  Besiz,  allein  Thätigkeit  nur,  insofern  sie 
Selbstthätigkeit  ist.  Gerade  der  rüstigste  und  thätigste  Mensch 
würde  am  meisten  einer  erzwungenen  Arbeit  Müssiggang 
vorziehn.  Auch  wächst  die  Idee  des  Eigenthums  nur  mit 
der  Idee  der  Freiheit,  und  gerade  die  am  meisten  energische 
Thätigkeit  danken  wir  dem  Gefühle  des  Eigenthums.  Jede 
Erreichung  eines  grossen  Endzweks  erfordert  Einheit  der 
Anordnung.  Das  ist  gewiss.  Eben  so  auch  jede  Verhütung 
oder  Abwehrung  grosser  Unglücksfälle,  Hungersnolh,  Ueber- 
schwemmungen  u.  s.  f.  Allein  diese  Einheit  lässt  sich  auch 
durch  Nationalanstalten,  nicht  bloss  durch  Staatsanstalten 
hervorbringen.  Einzelnen  Theilen  der  Nation,  und  ihr  selbst 
im  Ganzen  muss  nur  Freiheit  gegeben  werden,  sich  durch 
Verträge  zu  verbinden.  Es  bleibt  immer  ein  unläugbar 
wichtiger  Unterschied  zwischen  einer  Nationalanstalt  und 
einer  Staatseinrichtung.  Jene  hat  nur  eine  mittelbare,  diese 
eine  unmittelbare  Gewalt.  Bei  jener  ist  daher  mehr  Frei- 
heit im  Eingehen,  Trennen  und  Modiliciren  der  Verbindung. 
Anfangs  sind  höchst  wahrscheinlich  alle  Staatsverbindungen 


39 

nichts,  als  dergleichen  Nationenvereine  gewesen.  Allein 
hier  zeigt  eben  die  Erfahrung  die  verderblichen  Folgen, 
wenn  die  Absicht  Sicherheit  zu  erhalten,  und  andre  End- 
zwekke  zu  erreichen  mit  einander  verbunden  wird.  Wer 
dieses  Geschält  besorgen  soll,  muss,  um  der  Sicherheit  wil- 
len, absolute  Gewalt  besizen.  Diese  aber  dehnt  er  nun 
auch  auf  das  Uebrige  aus,  und  je  mehr  sich  die  Einrichtung 
von  ihrer  Entstehung  entfernt,  desto  mehr  wächst  die  Macht, 
und  desto  mehr  verschwindet  die  Erinnerung  des  Grund- 
vertrags. Eine  Anstalt  im  Staat  hingegen  hat  nur  Gewalt, 
insofern  sie  diesen  Vertrag  und  sein  Ansehen  erhält.  Schon 
dieser  Grund  allein  könnte  hinreichend  scheinen.  Allein 
dann,  wenn  auch  der  Grundvertrag  genau  bewahrt  würde, 
und  die  Staatsverbindung  im  engsten  Verstände  eine  Natio- 
nalverbindung wäre;  so  könnte  dennoch  der  Wille  der  ein- 
zelnen Individuen  sich  nur  durch  Repräsentation  erklären; 
und  ein  Repräsentant  Mehrerer  kann  unmöglich  ein  so  treues 
Organ  der  Meinung  der  einzelnen  Repräsenlirten  sein.  Nun 
aber  führen  alle  im  Vorigen  entwikkelte  Gründe  auf  die 
Nothwendigkeit  der  Einwilligung  jedes  Einzelnen.  Eben 
diese  schliesst  auch  die  Entscheidung  nach  der  Stimmen- 
mehrheit aus,  und  doch  liesse  sich  keine  andere  in  einer 
solchen  Staatsverbindung,  welche  sich  auf  diese,  das  posi- 
tive Wohl  der  Bürger  betreffende  Gegenstände  verbreitete, 
denken.  Den  nicht  Einwilligenden  bliebe  also  nichts  übrig, 
als  aus  der  Gesellschaft  zu  treten,  dadurch  ihrer  Gerichts- 
barkeit zu  entgehen,  und  die  Stimmenmehrheit  nicht  mehr 
für  sich  geltend  zu  machen.  Allein  dies  ist  beinah  bis  zur 
Unmöglichkeit  erschwert,  wenn  aus  dieser  Gesellschaft  ge- 
hen, zugleich  aus  dem  Staate  gehen  heisst.  Ferner  ist  es 
besser,  wenn  bei  einzelnen  Veranlassungen  einzelne  Verbin- 
dungen eingegangen,  als  allgemeinere  für  unbestimmte  künf- 
tige   Fälle    geschlossen    werden.      Endlich    entstehen    auch 


40 

Vereinigungen  freier  Menschen  in  einer  Nation  mit  grösse- 
rer Schwierigkeit.  Wenn  nun  dies  auf  der  einen  Seite  auch 
der  Erreichung  der  Endzwekke  schadet  —  wogegen  doch 
immer  zu  bedenken  bleibt,  dass  allgemein,  was  schwerer 
entsteht,  weil  gleichsam  die  langgeprüfte  Kraft  sich  in  ein- 
ander fügt,  auch  eine  festere  Dauer  gewinnt  — -  so  ist  doch 
gewiss  überhaupt  jede  grössere  Vereinigung  minder  heilsam. 
Je  mehr  der  Mensch  für  sich  wirkt,  desto  mehr  bildet  er 
sich.  In  einer  grossen  Vereinigung  wird  er  zu  leicht  Werk- 
zeug. Auch  sind  diese  Vereinigungen  Schuld,  dass  oft  das 
Zeichen  an  die  Stelle  der  Sache  tritt,  welches  der  Bildung 
allemal  hinderlich  ist.  Die  todte  Hieroglyphe  begeistert  nicht, 
wie  die  lebendige  Natur.  Ich  erinnere  hier  nur,  statt  alles 
Beispiels,  an  Armenanstalten.  Tödtet  etwas  Andres  so  sehr 
alles  wahre  Mitleid,  alle  hoffende  aber  anspruchlose  Bitte, 
alles  Vertrauen  des  Menschen  auf  Menschen?  Verachtet 
nicht  jeder  den  Bettler,  dem  es  lieber  wäre,  ein  Jahr  im 
Hospital  bequem  ernährt  zu  werden,  als,  nach  mancher  er- 
duldeten Noth,  nicht  auf  eine  hinwerfende  Hand,  aber  auf 
ein  theilnehmendes  Herz  zu  stossen?  Ich  gebe  es  also  zu, 
wir  hätten  diese  schnellen  Fortschritte  ohne  die  grossen 
Massen  nicht  gemacht,  in  welchen  das  Menschengeschlecht, 
wenn  ich  so  sagen  darf,  in  den  lezten  Jahrhunderten  ge- 
wirkt hat  ;  allein  nur  die  schnellen  nicht.  Die  Frucht  wäre 
langsamer,  aber  dennoch  gereift.  Und  sollte  sie  nicht  see- 
genvoller  gewesen  sein?  Ich  glaube  daher  von  diesem  Ein- 
wurf zurükkehren  zu  dürfen.  Zwei  andre  bleiben  der  Folge 
zur  Prüfung  aufbewahrt,  nemlich,  ob  auch,  bei  der  Sorglo- 
sigkeit, die  dem  Staate  hier  vorgeschrieben  wird,  die  Er- 
hallung der  Sicherheil  möglich  ist?  und  ob  nicht  wenigstens 
die  Verschaffung  der  Mittel,  welche  dem  Staate  nothwendig 
zu  seiner  Wirksamkeit  eingeräumt  werden  müssen,  ein  viel- 


41 

facheres  Eingreifen  der   Räder   der   Staatsmaschine    in    die 
Verhältnisse  der  Bürger  nothwendig  macht? 


IV. 

Sorgfalt  des  Staats  für  das  negative  Wohl  der  Bürger, 
für  ihre  Sicherheit. 

Wäre  es  mit  dem  Uebel,  welches  die  Begierde  der 
Menschen,  immer  über  die,  ihnen  rechtmässig  gezogenen 
Schranken  in  das  Gebiet  andrer  einzugreifen  *),  und  die  dar- 
aus entspringende  Zwietracht  stiftet,  wie  mit  den  physischen 
Uebeln  der  Natur,  und  denjenigen,  diesen  hierin  wenigstens 
gleichkommenden  moralischen,  welche  durch  Uebermaass  des 
Geniessens  oder  Entbehrens,  oder  durch  andere,  mit  den 
nothwendigen  Bedingungen  der  Erhaltung  nicht  übereinstim- 
mende Handlungen  auf  eigne  Zerstörung  hinauslaufen;  so 
wäre  schlechterdings  keine  Staatsvereinigung  nothwendig. 
Jenen  würde  der  Muth,  die  Klugheit  und  Vorsicht  der  Men- 
schen, diesen  die,  durch  Erfahrung  belehrte  Weisheit  von 
selbst  steuern,  und  wenigstens  ist  in  beiden  mit  dem  geho- 
benen Uebel  immer  Ein  Kampf  beendigt.  Es  ist  daher  keine 
letzte,  widerspruchlose  Macht  nothwendig,   welche  doch  im 


')  Was  ich  hier  umschreibe,  bezeichnen  die  Griechen  mit  dem 
einzigen  Worte  nXeovtÇuc,  für  das  ich  aber  in  keiner  andern 
Sprache  ein  völlig  gleichbedeutendes  linde.  Indess  liesse  sich 
vielleicht  im  Deutschen  :  Begierde  nacli  Mehr  sagen;  ob- 
gleich dies  nicht  zugleich  die  Idee  der  Unrechtmässigkeit  an- 
deutet, welche  in  dem  griechischen  Ausdruck,  wenn  gleich  nicht 
dem  Wortsinne,  aber  doch  (so  viel  mir  wenigstens  vorgekom- 
men ist)  dem  beständigen  Gebrauch  der  Schriftsteller  nach, 
liegt.  Passender,  obgleich,  wenigstens  dem  Sprachgebrauche 
nach,  wohl  auch  nicht  von  völlig  gleichem  Umfang,  möchte  noch 
Uebervort  h  eilung  sein. 


42 

eigentlichsten  Verstände  den  Begriff  des  Staats  ausmacht. 
Ganz  anders  aber  verhalt  es  sich  mit  den  Uneinigkeiten  der 
Menschen,  und  sie  erfordern  allemal  schlechterdings  eine 
solche  eben  beschriebene  Gewalt.  Denn  bei  der  Zwietracht 
entstehen  Kämpfe  aus  Kämpfen.  Die  Beleidigung  fordert 
Rache,  und  die  Rache  ist  eine  neue  Beleidigung.  Hier  muss 
man  also  auf  eine  Rache  zurükkommen,  welche  keine  neue 
Rache  erlaubt  —  und  diese  ist  die  Strafe  des  Staats  — 
oder  auf  eine  Entscheidung,  welche  die  Partheien  sich  zu 
beruhigen  nöthigt,  die  Entscheidung  des  Richters.  Auch 
bedarf  nichts  so  eines  zwingenden  Befehls  und  eines  unbe- 
dingten Gehorsams,  als  die  Unternehmungen  der  Menschen 
gegen  den  Menschen,  man  mag  an  die  Abtreibung  eines 
auswärtigen  Feindes,  oder  an  Erhaltung  der  Sicherheit  im 
Staate  selbst  denken.  Ohne  Sicherheit  vermag  der  Mensch 
weder  seine  Kräfte  auszubilden,  noch  die  Früchte  derselben 
zu  gemessen;  denn  ohne  Sicherheit  ist  keine  Freiheit.  Es 
ist  aber  zugleich  etwas,  das  der  Mensch  sich  selbst  allein 
nicht  verschaffen  kann;  dies  zeigen  die  eben  mehr  berühr- 
ten als  ausgeführten  Gründe,  und  die  Erfahrung,  dass  unsre 
Staaten,  die  sich  doch,  da  so  viele  Verträge  und  Bündnisse 
sie  mit  einander  verknüpfen,  und  Furcht  so  oft  den  Aus- 
bruch von  Thätlichkeiten  hindert,  gewiss  in  einer  bei  wei- 
tem günstigeren  Lage  befinden,  als  es  erlaubt  ist,  sich  den 
Menschen  im  Naturstande  zu  denken,  dennoch  der  Sicher- 
heit nicht  gemessen,  welcher  sich  auch  in  der  mittelmäs- 
sigslen  Verfassung  der  gemeinste  Unterthan  zu  erfreuen  hat. 
Wenn  ich  daher  in  dem  Vorigen  die  Sorgfalt  des  Staats 
darum  von  vielen  Dingen  entfernt  habe,  weil  die  Nation 
sich  selbst  diese  Dinge  gleich  gut,  und  ohne  die,  bei  der 
Besorgung  des  Staats  mit  einfliessenden  Nachtheile,  ver- 
schaffen  kann;   so  muss  ich  dieselbe  aus  gleichem  Grunde 


43 

jezt   auf  die  Sicherheit  richten,   als   das  Einzige1),    welches 
der   einzelne  Mensch  mit  seinen  Kräften   allein   nicht  zu  er- 
langen vermag.     Ich  glaube  daher  hier  als  den  ersten  posi- 
tiven —  aber  in  der  Folge  noch  genauer  zu  bestimmenden 
und  einzuschränkenden   —    Grundsatz  aufstellen  zu  können: 
dass   die   Erhaltung   der   Sicherheit  sowohl  gegen  aus- 
wärtige Feinde,  als  innerliche  Zwistigkeiten  den  Zwek 
des  Staats  ausmachen,  und  seine  Wirksamkeit  beschäf- 
tigen muss; 
da  ich  bisher  nur  negativ  zu  bestimmen  versuchte,    dass  er 
die   Gränzen  seiner   Sorgfalt  wenigstens    nicht   weiter   aus- 
dehnen dürfe. 

Diese  Behauptung  wird  auch  durch  die  Geschichte  so 
sehr  bestätigt,  dass  in  allen  früheren  Nationen  die  Könige 
nichts  andres  waren,  als  Anführer  im  Kriege,  oder  Richter 
im  Frieden.  Ich  sage  die  Könige.  Denn  —  wenn  mir  diese 
Abschweifung  erlaubt  ist  —  die  Geschichte  zeigt  uns,  wie 
sonderbar  es  auch  scheint,  gerade  in  der  Epoche,  wo  dem 
Menschen,  welcher,  mit  noch  sehr  wenigem  Eigenthum  ver- 
sehen, nur  persönliche  Kraft  kennt  und  schäzt,  und  in  die 
ungestörteste  Ausübung  derselben  den  höchsten  Genuss  sezt, 
das  Gefühl  seiner  Freiheit  das  theuerste  ist,  nichts  als  Kö- 
nige und  Monarchien.  So  alle  Staatsverfassungen  Asiens, 
so  die  ältesten  Griechenlands,  Italiens,  und  der  freiheitlie- 
bendsten  Stämme,  der  Germanischen2).  Denkt  man  über 
die  Gründe  hiervon  nach,   so   wird  man  gleichsam  von  der 


')  La  sûreté  et  In  liberté  personelle  sont  les  seules  cïioses  qu'un  rire 
isolé  ne  puisse  s'assurer  par  lui  7nème.  .Mirabeau  s.  réducat, 
publique,  p.  110. 

-)  Reges  (nam  in  terris  nomen  imperii  id  primum  fuit)  cet.  .Sallu- 
stius  in  Catilina.  c.  %  —  Kat  ico/ag  tutaoa  no'/.ig  EIXaç  eßaot- 
ï.fvtTO.  Dion.  Halicarn.  Antiquit.  Rom.  1.  5.  (Zuerst  wurden 
alle  Griechische  Städte  von  Königen  beherrscht  u.  s.  f.) 


44 

Wahrheit  überrascht,  dass  gerade  die  Wahl  einer  Monarchie 
ein  Beweis  der  höchsten  Freiheit  der  Wählenden  ist.  Der 
Gedanke  eines  Befehlshabers  entsteht,  wie  oben  gesagt,  nur 
durch  das  Gefühl  der  Notwendigkeit  eines  Anführers,  oder 
eines  Schiedsrichters.  Nun  ist  Ein  Führer  oder  Entscheider 
unstreitig  das  Zwekmassigste.  Die  Besorgniss,  dass  der 
Eine  aus  einem  Führer  und  Schiedsrichter  ein  Herrscher 
werden  möchte,  kennt  der  wahrhaft  freie  Mann,  die  Mög- 
lichkeit selbst  ahndet  er  nicht;  er  traut  keinem  Menschen  die 
Macht,  seine  Freiheit  unterjochen  zu  können,  und  keinem 
Freien  den  Willen  zu,  Herrscher  zu  sein  —  wie  denn  auch 
in  der  That  der  Herrschsüchtige,  nicht  empfänglich  für  die 
hohe  Schönheit  der  Freiheit,  die  Sklaverei  liebt,  nur  dass  er 
nicht  der  Sklave  sein  will  —  und  so  ist,  wie  die  Moral  mit 
dem  Laster,  die  Theologie  mit  der  Kezerei,  die  Politik  mit 
der  Knechtschaft  entstanden.  Nur  führen  freilich  unsere 
Monarchen  nicht  eine  so  honigsüsse  Sprache,  als  die  Könige 
bei  Homer  und  Hesiodus  '). 


')  'OvTircc  rtutjnovat  Jiog  xovçai  usycû.oto, 
ravof.itvov  r    sGidüjöi  ô'iOToeifÊiov  ßuaü.rjiov, 
Toj  f.nv  £7ii  ylcüaatj  y).vy.tni]V  /novat,  eecatjv , 
Tov  <T  ene'  tx  OTOucaog  net   ueùiycc. 

und 
Tovvcs.cc  yao  ßaaih]tc  tywfnovtç,  ovvc/.u  ).uoig 
Bkumoutvoig  ctyoqij(pi  utiajoonu  eoy«  ztlevai 
Ptfiaias,  (xaXaxoig  nuQUKfuuivbi  tnttaatv. 
Hesiodus  in  Theogonia. 

(Wen  der  götterentsprossenen  Könige  Zeus  des  Erhabnen 
Töchter  ehren,  auf  wen  ihr  Auge  bei  seiner  Geburt  blickt, 
Dem  beträufeln  sie  mit  holdem  Thaue  die  Zunge, 
Ilonigsüss  entströmet  seineu  Lippen  die  Rede. 

und 
Damm  herrschen  verständige  Könige,  dass  sie  die  Völker, 
Wenn  ein  Zwist  sie  spaltet,  in   der  Versammlung  zur  Eintracht 
Sonder  Mühe  bewegen,  mit  sanften  Worten  sie  lenkend.) 


45 

V. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  gegen 
auswärtige  Feinde  *)'. 

Von  der  Sicherheit  gegen  auswärtige  Feinde  brauchte 
ich  —  um  zu  meinem  Vorhaben  zurükzukehren  —  kaum 
ein  Wort  zu  sagen,  wenn  es  nicht  die  Klarheit  der  Haupt- 
idee vermehrte,  sie  auf  alle  einzelne  Gegenstande  nach  und 
nach  anzuwenden.  Allein  diese  Anwendung  wird  hier  um 
so  weniger  unnüz  sein,  als  ich  mich  allein  auf  die  Wirkung 
des  Krieges  auf  den  Charakter  der  Nation,  und  folglich  auf 
den  Gesichtspunkt  beschranken  werde,  den  ich  in  dieser 
ganzen  Untersuchung,  als  den  herrschenden,  gewählt  habe. 
Aus  diesem  nun  die  Sache  betrachtet,  ist  mir  der  Krieg  eine 
der  heilsamsten  Erscheinungen  zur  Bildung  des  Menschen- 
geschlechts,  und  ungern  seh'  ich  ihn  nach  und  nach  immer 
mehr  vom  Schauplaz  zurücktreten.  Es  ist  das  freilich 
furchtbare  Extrem,  wodurch  jeder  thätige  Muth  gegen  Ge- 
fahr, Arbeit  und  Mühseligkeit  geprüft  und  gestählt  wird,  der 
sich  nachher  in  so  verschiedene  Nuancen  im  Menschenleben 
modifient,  und  welcher  allein  der  ganzen  Gestalt  die  Stärke 
und  Mannigfaltigkeit  giebt,  ohne  welche  Leichtigkeit  Schwäche, 
und  Einheit  Leere  ist. 

Man  wird  mir  antworten,  dass  es,  neben  dem  Kriege, 
noch  andere  Mittel  dieser  Art  giebt,  physische  Gefahren  bei 
mancherlei  Beschäftigungen,  und  —  wenn  ich  mich  des 
Ausdrucks  bedienen  darf  —  moralische  von  verschiedener 
Gattung,  welche  den  festen,  unerschütterten  Staatsmann  im 


*)  Dieser  Abschnitt  war  bereits  in  der  Berlinischen  Monatsschrift 
Jahrg.  1792.  Stück  I.  S.  84—88  enthalten  und  aus  derselben  in 
diesen  gesammelten  Werken  Till.  I.  S.  312  — 317  abgedruckt. 
Die  uns  jetzt  vorliegende  Original-Handschrift  des  Verfassers 
enthält  einzelne  Abweichungen,  welche  in  diesem  neuen  Abdruck 
genau  wiedergegeben  sind. 


46 

Kabinett,  wie  den  freimüthigen  Denker  in  seiner  einsamen 
Zelle  treffen  können.  Allein  es  ist  mir  unmöglich,  mich  von 
der  Vorstellung  loszureissen ,  dass,  wie  alles  Geistige  nur 
eine  feinere  Blüthe  des  Körperlichen,  so  auch  dieses  es  ist. 
Nun  lebt  zwar  der  Stamm,  auf  dem  sie  hervorspriessen 
kann,  in  der  Vergangenheit.  Allein  das  Andenken  der  Ver- 
gangenheit tritt  immer  weiter  zurück,  die  Zahl  derer,  auf 
welche  es  wirkt,  vermindert  sich  immer  in  der  Nation,  und 
selbst  auf  diese  wird  die  Y\  irkung  schwächer.  Andren,  ob- 
schon  gleich  gefahrvollen  Beschäftigungen,  Seefahrten,  dem 
Bergbau  u.  s.  f.  fehlt,  wenn  gleich  mehr  und  minder,  die 
Idee  der  Grösse  und  des  Ruhms,  die  mit  dem  Kriege  so 
eng  verbunden  ist.  Und  diese  Idee  ist  in  der  That  nicht 
chimärisch.  Sie  beruht  auf  einer  Vorstellung  von  überwie- 
gender Macht.  Den  Elementen  sucht  man  mehr  zu  entrin- 
nen,  ihre  Gewalt  mehr  auszudauern,  als  sie  zu  besiegen: 

—  mit  Göttern 

soll  sich  nicht  messen 

irgend  ein  Mensch; 

Rettung  ist  nicht  Sieg;  was  das  Schicksal  wohlthätig  schenkt, 
und  menschlicher  Muth,  oder  menschliche  Empfindsamkeit 
nur  benutzt,  ist  nicht  Frucht,  oder  Beweis  der  Obergewalt. 
Auch  denkt  jeder  im  Kriege,  das  Recht  auf  seiner  Seite  zu 
haben,  jeder  eine  Beleidigung  zu  rächen.  Nun  aber  achtet 
der  natürliche  Mensch,  und  mit  einem  Gefühl,  das  auch 
der  kullhirteste  nicht  abläugnen  kann,  es  höher,  seine 
Ehre  zu  reinigen,  als  Bedarf  fürs  Leben  zu  sammeln. 
Niemand  wird  es  mir  zutrauen,  den  Tod  eines  gefalle- 
nen Kriegers  schöner  zu  nennen,  als  den  Tod  eines  kühnen 
Plinius,  oder,  um  vielleicht  nicht  genug  geehrte  Männer  zu 
nennen,  den  Tod  von  Robert  und  Pilatre  du  Rozier.  Allein 
diese  Beispiele  sind  selten,  und  wer  weiss,  ob  ohne  jene  sie 
überhaupt  nur  wären?  Auch  habe  ich  für  den  Krieg  gerade 


47 

keine  günstige  Lage  gewählt.  Man  nehme  die  Spartaner 
bei  Thermopylä.  Ich  frage  einen  jeden,  was  solch  ein  Bei- 
spiel auf  eine  Nation  wirkt?  Wohl  weiss  ichs,  eben  dieser 
Muth,  eben  diese  Selbstverläugnung  kann  sich  in  jeder  Si- 
tuation des  Lebens  zeigen,  und  zeigt  sich  wirklich  in  jeder. 
Aber  will  man  es  dem  sinnlichen  Menschen  verargen,  wenn 
der  lebendigste  Ausdruck  ihn  auch  am  meisten  hinreisst, 
und  kann  man  es  läugnen,  dass  ein  Ausdruck  dieser  Art 
wenigstens  in  der  grossesten  Allgemeinheit  wirkt?  Und  bei 
alle  dem,  was  ich  auch  je  von  Uebeln  hörte,  welche 
schrecklicher  wären,  als  der  Tod;  ich  sah  noch  keinen  Men- 
schen, der  das  Leben  in  üppiger  Fülle  genoss,  und  der  — 
ohne  Schwärmer  zu  sein  —  den  Tod  verachtete.  Am  we- 
nigsten aber  existirten  diese  Menschen  im  Alterthum,  wo 
man  noch  die  Sache  höher,  als  den  Namen,  die  Gegenwart 
höher,  als  die  Zukunft  schätzte.  Was  ich  daher  hier  von 
Kriegern  sage,  gilt  nur  von  solchen,  die,  nicht  gebildet,  wie 
jene  in  Piatos  Republik,  die  Dinge,  Leben  und  Tod,  neh- 
men für  das,  was  sie  sind;  von  Kriegern,  welche,  das 
Höchste  im  Auge,  das  Höchste  aufs  Spiel  sezen.  Alle  Si- 
tuationen, in  welchen  sich  die  Extreme  gleichsam  an  einan- 
der knüpfen,  sind  die  interessantesten  und  bildendsten.  Wo 
ist  dies  aber  mehr  der  Fall,  als  im  Kriege,  wo  Neigung  und 
Pflicht,  und  Pflicht  des  Menschen  und  des  Bürgers  in  un- 
aufhörlichem Streite  zu  sein  scheinen,  und  wo  dennoch  — 
sobald  nur  gerechte  Verteidigung  die  Waffen  in  die  Hand 
gab  —  alle  diese  Kollisionen  die  vollste  Auflösung  finden? 
Schon  der  Gesichtspunkt,  aus  welchem  allein  ich  den 
Krieg  für  heilsam  und  nothwendig  halte,  zeigt  hinlänglich, 
wie,  meiner  Meinung  nach,  im  Staate  davon  Gebrauch  ge- 
macht werden  müsste.  Dem  Geist,  den  er  wirkt,  muss 
Freiheit  gewährt  werden,  sich  durch  alle  Mitglieder  der 
Nation  zu  ergiessen.    Schon  diess  spricht  gegen  die  stehen- 


48 

den  Armeen.  Ueberdiess  sind  sie,  und  die  neuere  Art  des 
Krieges  überhaupt,  freilich  weit  von  dem  Ideal  entfernt,  das 
für  die  Bildung  des  Menschen  das  nüzlichste  wäre.  Wenn 
schon  überhaupt  der  Krieger,  mit  Aufopferung  seiner  Frei- 
heit, gleichsam  Maschine  werden  muss;  so  muss  er  es  noch 
in  weit  höherem  Grade  bei  unserer  Art  der  Kriegführung, 
bei  welcher  es  soviel  weniger  auf  die  Stärke,  Tapferkeit 
und  Geschicklichkeit  des  Einzelnen  ankommt.  Wie  verderb- 
lich muss  es  nun  sein,  wenn  beträchtliche  Theile  der  Na- 
tionen, nicht  bloss  einzelne  Jahre,  sondern  oft  ihr  Leben 
hindurch  im  Frieden,  nur  zum  Behuf  des  möglichen  Krie- 
ges, in  diesem  maschinenmässigen  Leben  erhalten  werden? 
Vielleicht  ist  es  nirgends  so  sehr,  als  hier,  der  Fall,  dass 
mit  der  Ausbildung  der  Theorie  der  menschlichen  Un- 
ternehmungen, der  Nuzen  derselben  für  diejenigen  sinkt, 
welche  sich  mit  ihnen  beschäftigen.  Uniäugbar  hat  die 
Kriegskunst  unter  den  Neueren  unglaubliche  Fortschritte 
gemacht,  aber  ebenso  unläugbar  ist  der  edle  Charakter  der 
Krieger  seltner  geworden,  seine  höchste  Schönheit  existirt 
nur  noch  in  der  Geschichte  des  Alterthums,  wenigstens  — 
wenn  man  diess  für  übertrieben  halten  sollte  —  hat  der 
kriegerische  Geist  bei  uns  sehr  oft  bloss  schädliche  Folgen 
für  die  Nationen,  da  wir  ihn  im  Alterthum  so  oft  von  so 
heilsamen  begleitet  sehen.  Allein  unsre  stehende  Armeen 
bringen,  wenn  icli  so  sagen  darf,  den  Krieg  mitten  in  den 
Schooss  des  Friedens.  Kriegsmuth  ist  nur  in  Verbindung 
mit  den  schönsten  friedlichen  Tugenden,  Kriegszucht  nur 
in  Verbindung  mit  dem  höchsten  Freiheitsgefühle  ehrwürdig. 
Beides  getrennt  —  und  wie  sehr  wird  eine  solche  Trennung 
durch  den  im  Frieden  bewafneten  Krieger  begünstigt?  - 
artet  diese  sehr  leicht  in  Sklaverei,  jener  in  Wildheit  und 
Zügellosigkeit  aus. 


49 

Bei  diesem  Tadel  der  stehenden  Armeen  sei  mir  die  Er- 
innerung erlaubt,  dass  ich  hier  nicht  weiter  von  ihnen  rede 
als  mein  gegenwärtiger  Gesichtspunkt  erfordert.  Ihren  gros- 
sen, unbestrittenen  Nuzen  —  wodurch  sie  dem  Zuge  das 
Gleichgewicht  halten,  mit  dem  sonst  ihre  Fehler  sie,  wie 
jedes  irdische  Wesen,  unaufhaltbar  zum  Untergange  dahin- 
reissen  würden  —  zu  verkennen,  sei  fern  von  mir.  Sie 
sind  ein  Theil  des  Ganzen,  welches  nicht  Plane  eitler 
menschlicher  Vernunft,  sondern  die  sichre  Hand  des  Schik- 
sals  gebildet  hat.  Wie  sie  in  alles  Andre,  unsrem  Zeit- 
alter Eigenthümliche,  eingreifen,  wie  sie  mit  diesem  die 
Schuld  und  das  Verdienst  des  Guten  und  Bösen  theilen, 
das  uns  auszeichnen  mag,  müsste  das  Gemälde  schildern, 
welches  uns,  treffend  und  vollständig  gezeichnet,  die  Vor- 
welt an  die  Seite  zu  stellen  wagte. 

Auch  müsste  ich  sehr  unglüklich  in  Auseinandersezung 
meiner  Ideen  gewesen  sein,  wenn  man  glauben  könnte,  der 
Staat  sollte,  meiner  Meinung  nach,  von  Zeit  zu  Zeit  Krieg 
erregen.  Er  gebe  Freiheit  und  dieselbe  Freiheit  geniesse 
ein  benachbarter  Staat.  Die  Menschen  sind  in  jedem  Zeit- 
alter Menschen,  und  verlieren  nie  ihre  ursprünglichen  Lei- 
denschaften. Es  wird  Krieg  von  selbst  entstehen;  und  ent- 
steht er  nicht,  nun  so  ist  man  wenigstens  gewiss,  dass  der 
Friede  weder  durch  Gewalt  erzwungen,  noch  durch  künst- 
liche Lähmung  hervorgebracht  ist;  und  dann  wird  der  Friede 
den  Nationen  freilich  ein  eben  so  wohlthätigeres  Geschenk 
sein,  wie  der  friedliche  Pflüger  ein  holderes  Bild  ist,  als 
der  blutige  Krieger.  Und  gewiss  ist  es,  denkt  man  sich 
ein  Fortschreiten  der  ganzen  Menschheit  von  Generation  zu 
Generation;  so  müssteh  die  folgenden  Zeitalter  immer  die 
friedlicheren  sein.  Aber  dann  ist  der  Friede  aus  den  inne- 
ren Kräften  der  Wesen  hervorgegangen,  dann  sind  die  Men- 
schen, und  zwar  die  freien  Menschen  friedlich  geworden. 
vu.  4 


50 

0 

jezt  —  das  beweist  Ein  Jahr  Europäischer  Geschichte  — 
gemessen  wir  die  Früchte  des  Friedens,  aber  nicht  die  der 
Friedlichkeit.  Die  menschlichen  Kräfte,  unaufhörlich  nach 
einer  gleichsam  unendlichen  Wirksamkeit  strebend,  wenn  sie 
einander  begegnen,  vereinen  oder  bekämpfen  sich.  Welche 
Gestalt  der  Kampf  annehme,  ob  die  des  Krieges,  oder  des 
Wetteifers,  oder  welche  sonst  man  nüanciren  möge?  hängt 
vorzüglich  von  ihrer  Verfeinerung  ab. 

Soll  ich  jezt  auch  aus   diesem   Raisonnement   einen  zu 
meinem  Endziel  dienenden  Grundsaz  ziehen; 

so  muss  der  Staat  den  Krieg  auf  keinerlei  Weise  be- 
fördern, allein  auch  ebensowenig,  wenn  die  Notwen- 
digkeit ihn  fordert,  gewaltsam  verhindern  ;  dem  Einflüsse 
desselben  auf  Geist  und  Charakter  sich  durch  die  ganze 
Nation  zu  ergiessen  völlige  Freiheit  verstatten;  und  vor- 
züglich sich  aller  positiven  Einrichtungen  enthalten,  die 
Nation  zum  Kriege  zu  bilden,  oder  ihnen,  wenn  sie 
denn,  wie  z.  B.  Waffenübungen  der  Bürger,  schlechter- 
dings nothwendig  sind,  eine  solche  Richtung  geben, 
dass  sie  derselben  nicht  bloss  die  Tapferkeit,  Fertigkeit 
und  Subordination  eines  Soldaten  beibringen,  sondern 
den  Geist  wahrer  Krieger,  oder  vielmehr  edler  Bürger 
einhauchen,  welche  für  ihr  Vaterland  zu  fechten  immer 
bereit  sind. 

VI. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  der  Bürger 
unter  einander.  Mittel,  diesen  Endzwek  zu  erreichen. 
Veranstaltungen,  welche  auf  die  Umformung  des  Geistes 
und  Charakters  der  Bürger  gerichtet  sind.  Oeffent- 
liche  Erziehung. 
Eine  tiefere  und  ausführlichere  Prüfung  erfordert  die 
Sorgfalt  des  Staats  für  die  innere  Sicherheit  der  Bürger  un- 


51 

ter  einander,  zu  der  ich  mich  jezt  wende.  Denn  es  scheint 
mir  nicht  hinlänglich,  demselben  bloss  allgemein  die  Erhal- 
tung derselben  zur  Pflicht  zu  machen,  sondern  ich  halte  es 
vielmehr  für  nothwendig,  die  besondren  Grunzen  dabei  zu 
bestimmen,  oder  wenn  diess  allgemein  nicht  möglich  sein 
sollte,  wenigstens  die  Gründe  dieser  Unmöglichkeit  ausein- 
anderzusezen,  und  die  Merkmale  anzugeben,  an  welchen  sie 
in  gegebenen  Fällen  zu  erkennen  sein  möchten.  Schon  eine 
sehr  mangelhafte  Erfahrung  lehrt,  dass  diese  Sorgfalt  mehr 
oder  minder  weit  ausgreifen  kann,  ihren  Endzwek  zu  er- 
reichen. Sie  kann  sich  begnügen,  begangene  Unordnun- 
gen wieder  herzustellen,  und  zu  bestrafen.  Sie  kann  schon 
ihre  Begehung  überhaupt  zu  verhüten  suchen,  und  sie  kann 
endlich  zu  diesem  Endzwek  den  Bürgern,  ihrem  Charakter 
und  ihrem  Geist,  eine  Wendung  zu  ertheilen  bemüht  sein, 
die  hierauf  abzwekt.  Auch  gleichsam  die  Extension  ist 
verschiedener  Grade  fähig.  Es  können  bloss  Beleidigungen 
der  Rechte  der  Bürger,  und  unmittelbaren  Rechte  des  Staats 
untersucht  und  gerügt  werden;  oder  man  kann,  indem  man 
den  Bürger  als  ein  Wesen  ansieht,  das  dem  Staate  die  An- 
wendung seiner  Kräfte  schuldig  ist,  und  also  durch  Zerstö- 
rung oder  Schwächung  dieser  Kräfte  ihn  gleichsam  seines 
Eigenthums  beraubt,  auch  auf  Handlungen  ein  wachsames 
Auge  haben,  deren  Folgen  sich  nur  auf  den  Handelnden 
selbst  erstrekken.  Alles  diess  fasse  ich  hier  auf  einmal  zu- 
sammen, und  rede  daher  allgemein  von  allen  Einrichtungen 
des  Staats,  welche  in  der  Absicht  der  Beförderung  der  öffent- 
lichen Sicherheit  geschehen.  Zugleich  werden  sich  hier  von 
selbst  alle  diejenigen  darstellen,  die,  sollten  sie  auch  nicht 
überall,  oder  nicht  bloss  auf  Sicherheit  abzwekken,  das 
moralische  Wohl  der  Bürger  angehen,  da,  wie  ich  schon 
oben  bemerkt,  die  Natur  der  Sache  selbst  keine  genaue 
Trennung  erlaubt,  und  diese  Einrichtungen  doch  gewöhnlich 

4* 


52 

die  Sicherheit  und  Ruhe  des  Staats  vorzüglich  beabsichten. 
Ich  werde  dabei  demjenigen  Gange  getreu  bleiben,  den  ich 
bisher  gewählt  habe.  Ich  habe  nemlich  zuerst  die  grosseste 
mögliche  Wirksamkeit  des  Staats  angenommen,  und  nun 
nach  und  nach  zu  prüfen  versucht,  was  davon  abgeschnitten 
werden  müsse.  Jezt  ist  mir  nur  die  Sorge  für  die  Sicher- 
heit übrig  geblieben.  Bei  dieser  muss  nun  aber  wiederum 
auf  gleiche  Weise  verfahren  werden,  und  ich  werde  daher 
dieselbe  zuerst  in  ihrer  grossesten  Ausdehnung  betrachten, 
um  durch  allmähliche  Einschränkungen  auf  diejenigen  Grund- 
saze  zu  kommen,  welche  mir  die  richtigen  scheinen.  Sollte 
dieser  Gang  vielleicht  für  zu  langsam  und  weitläufig  ge- 
halten werden;  so  gebe  ich  gern  zu,  dass  ein  dogmatischer 
Vortrag  gerade  die  entgegengesezte  Methode  erfordern 
würde.  Allein  bei  einem  bloss  untersuchenden,  wie  der  ge- 
genwärtige, ist  man  wenigstens  gewiss,  den  ganzen  Umfang 
des  Gegenstandes  umspannt,  nichts  übersehen,  und  die  Grund- 
säze  gerade  in  der  Folge  entwikkelt  zu  haben,  in  welcher 
sie  wirklich  aus  einander  herfliessen. 

Man  *)  hat,  vorzüglich  seit  einiger  Zeit,  so  sehr  auf  die 
Verhütung  gesezwidriger  Handlungen  und  auf  Anwendung 
moralischer  Mittel  im  Staate  gedrungen.  Ich,  so  oft  ich 
dergleichen  oder  ähnliche  Aufforderungen  höre,  freue  mich, 
gesteh1  ich,  dass  eine  solche  freiheitbeschränkende  Anwen- 
dung bei  uns  immer  weniger  gemacht,  und,  bei  der  Lage 
fast  aller  Staaten,  immer  weniger  möglich  wird. 

Man  beruft  sich  auf  Griechenland  und  Rom,  aber  eine 
genauere  Kenntniss  ihrer  Verfassungen  würde  bald  zeigen, 
wie   unpassend    diese   Vergleichungen    sind.      Jene   Staaten 


*)  Von  hier  an  war  dieser  Abschnitt  bereits  in  der  Berlin.  Mo- 
natsschr.  Jahrg.  1792  Stück  12,  S.  597  — 606  enthalten  und  ist 
daraus  in  diesen  „gesammelten  Werken"  Bd.  I.  S.  336— 342  ab- 
gedrockt  (Anmerk.  d.  Herausgeb.) 


53 

waren  Republiken,  ihre  Anstalten  dieser  Art  waren  Slüzen 
der  freien  Verfassung,  welche  die  Bürger  mit  einem  Enthu- 
siasmus erfüllte,  welcher  den  nachtheiligen  Einfluss  der  Ein- 
schränkung der  Privatfreiheit  minder  fühlen,  und  die  Energie 
des  Charakters  minder  schädlich  werden  liess.  Dann  ge- 
nossen sie  auch  übrigens  einer  grösseren  Freiheit,  als  wir, 
und  was  sie  aufopferten,  opferten  sie  einer  andern  Thätig- 
keit,  dem  Antheil  an  der  Regierung,  auf.  In  unsern,  meisten- 
theils  monarchischen  Staaten  ist  das  alles  ganz  anders.  Was 
die  Alten  von  moralischen  Mitteln  anwenden  mochten,  Na- 
tionalerziehung, Religion,  Sittengeseze,  alles  würde  bei  uns 
minder  fruchten,  und  einen  grösseren  Schaden  bringen. 
Dann  war  auch  das  Meiste,  was  man  jezt  so  oft  für  Wir- 
kung der  Klugheit  des  Gesezgebers  hält,  bloss  schon  wirk- 
liche, nur  vielleicht  wankende,  und  daher  der  Sanktion  des 
Gesezes  bedürfende  Volkssitte.  Die  Uebereinstimmung  der 
Einrichtungen  des  Lykurgus  mit  der  Lebensart  der  meisten 
unkultivirten  Nationen  hat  schon  Ferguson  meisterhaft  ge- 
zeigt, und  da  höhere  Kultur  die  Nation  verfeinerte,  erhielt 
sich  auch  in  der  That  nicht  mehr,  als  der  Schatten  jener 
Einrichtungen.  Endlich  steht,  dünkt  mich,  das  Menschen- 
geschlecht jezt  auf  einer  Stufe  der  Kultur,  von  welcher  es 
sich  nur  durch  Ausbildung  der  Individuen  höher  empor- 
schwingen kann;  und  daher  sind  alle  Einrichtungen,  welche 
diese  Ausbildung  hindern,  und  die  Menschen  mehr  in  Mas- 
sen zusammendrängen,  jezt  schädlicher  als  ehmals. 

Schon  diesen  wenigen  Bemerkungen  zufolge  erscheint, 
um  zuerst  von  demjenigen  moralischen  Mittel  zu  reden,  was 
am  weitesten  gleichsam  ausgreift,  Öffentliche,  d.  i.  vom  Staat 
angeordnete  oder  geleitete  Erziehung  wenigstens  von  vielen 
Seiten  bedenklich.  Nach  dem  ganzen  vorigen  Raisonnement 
kommt  schlechterdings  Alles  auf  die  Ausbildung  des  Men- 
schen in  der  höchsten  Mannigfaltigkeit  an;  öffentliche  Erzie- 


54 

hung  aber  muss,  selbst  wenn  sie  diesen  Fehler  vermeiden, 
wenn  sie  sich  bloss  darauf  einschränken  wollte,  Erzieher  an- 
zustellen und  zu  unterhalten,  immer  eine  bestimmte  Form 
begünstigen.  Es  treten  daher  alle  die  Nachtheile  bei  der- 
selben ein,  welche  der  erste  Theil  dieser  Untersuchung  hin- 
länglich dargestellt  hat,  und  ich  brauche  nur  noch  hinzuzu- 
fügen, dass  jede  Einschränkung  verderblicher  wird,  wenn 
sie  sich  auf  den  moralischen  Menschen  bezieht,  und  dass, 
wenn  irgend  etwas  Wirksamkeit  auf  das  einzelne  Individuum 
fordert,  diess  gerade  die  Erziehung  ist,  welche  das  einzelne 
Individuum  bilden  soll.  Es  ist  unläugbar,  dass  gerade  dar- 
aus sehr  heilsame  Folgen  entspringen,  dass  der  Mensch  in 
der  Gestalt,  welche  ihm  seine  Lage  und  die  Umstände  ge- 
geben haben,  im  Staate  selbst  thätig  wird,  und  nun  durch 
den  Streit  —  wenn  ich  so  sagen  darf  —  der  ihm  vom  Staat 
angewiesenen  Lage,  und  der  von  ihm  selbst  gewählten,  zum 
Theil  er  anders  geformt  wird,  zum  Theil  die  Verfassung  des 
Staats  selbst,  Aenderungen  erleidet,  wie  denn  dergleichen, 
obgleich  freilich  auf  einmal  fast  unbemerkbare  Aenderungen, 
nach  den  Modifikationen  des  Nationalcharakters,  bei  allen 
Staaten  unverkennbar  sind.  Diess  aber  hört  wenigstens  im- 
mer in  dem  Grade  auf,  in  welchem  der  Bürger  von  seiner 
Kindheit  an  schon  zum  Bürger  gebildet  wird.  Gewiss  ist 
es  wohlthätig,  wenn  die  Verhältnisse  des  Menschen  und  des 
Bürgers  soviel  als  möglich  zusammenfallen;  aber  es  bleibt 
diess  doch  nur  alsdann,  wenn  das  des  Bürgers  so  wenig 
eigenthümliche  Eigenschaften  fordert,  dass  sich  die  natürliche 
Gestalt  des  Menschen,  ohne  etwas  aufzuopfern,  erhalten 
kann  —  gleichsam  das  Ziel,  wohin  alle  Ideen,  die  ich  in 
dieser  Untersuchung  zu  entwikkeln  wage,  allein  hinstreben. 
Ganz  und  gar  aber  hört  es  auf,  heilsam  zu  sein,  wenn  der 
Mensch  dem  Bürger  geopfert  wird.  Denn  wenn  gleich  als- 
dann die  nachtheiligen  Folgen  des  Mis  Verhältnisses  hinweg- 


55 

lallen;  so  verliert  auch  der  Mensch  dasjenige,  welches  er 
gerade  durch  die  Vereinigung  in  einen  Staat  zu  sichern  be- 
müht war.  Daher  müssle,  meiner  Meinung  zufolge,  die 
freieste,  so  wenig  als  möglich  schon  auf  die  bürgerlichen 
Verhältnisse  gerichtete  Bildung  des  Menschen  überall  vor- 
angehen. Der  so  gebildete  Mensch  müsste  dann  in  den 
Staat  treten,  und  die  Verfassung  des  Staats  sich  gleichsam 
an  ihm  prüfen.  Nur  bei  einem  solchen  Kampfe  würde  ich 
wahre  Verbesserung  der  Verfassung  durch  die  Nation  mit 
Gewissheit  hoffen,  und  nur  bei  einem  solchen  schädlichen 
Einfluss  der  bürgerlichen  Einrichtung  auf  den  Menschen 
nicht  besorgen.  Denn  selbst  wenn  die  leztere  sehr  fehler- 
haft wäre,  liesse  sich  denken,  wie  gerade  durch  ihre  einen- 
genden Fesseln  die  widerstrebende,  oder,  troz  derselben, 
sich  in  ihrer  Grösse  erhaltende  Energie  des  Menschen  ge- 
wänne. Aber  diess  könnte  nur  sein,  wenn  dieselbe  vorher 
sich  in  ihrer  Freiheit  entwikkelt  hätte.  Denn  welch  ein  un- 
gewöhnlicher Grad  gehörte  dazu,  sich  auch  da,  wo  jene 
Fesseln  von  der  ersten  Jugend  an  drükten,  noch  zu  erhe- 
ben und  zu  erhalten?  Jede  öffentliche  Erziehung  aber,  da 
immer  der  Geist  der  Regierung  in  ihr  herrscht,  giebt  dem 
Menschen  eine  gewisse  bürgerliche  Form. 

Wo  nun  eine  solche  Form  an  sich  bestimmt  und  in  sich, 
wenn  gleich  einseitig,  doch  schön  ist,  wie  wir  es  in  den  al- 
ten Staaten,  und  vielleicht  noch  jezt  in  mancher  Republik 
finden,  da  ist  nicht  allein  die  Ausführung  leichter,  sondern 
auch  die  Sache  selbst  minder  schädlich.  Allein  in  unsren 
monarchischen  Verfassungen  existirt  —  und  gewiss  zum 
nicht  geringen  Glük  für  die  Bildung  des  Menschen  —  eine 
solche  bestimmte  Form  ganz  und  gar  nicht.  Es  gehört  of- 
fenbar zu  ihren,  obgleich  auch  von  manchen  Nachtheilen 
begleiteten  Vorzügen,  dass,  da  doch  die  Staatsverbindung 
immer  nur  als  ein  Mittel  anzusehen  ist,   nicht   soviel  Kräfte 


56 

der  Individuen  auf  diess  Mittel  verwandt  zu  werden  brauchen, 
als  in  Republiken.  Sobald  der  Unterthan  den  Gesezen  ge- 
horcht, und  sich  und  die  seinigen  im  Wohlstande  und  einer 
nicht  schädlichen  Thaligkeit  erhalt,  kümmert  den  Staat  die 
genauere  Art  seiner  Existenz  nicht.  Hier  hätte  daher  die 
öffentliche  Erziehung,  die,  schon  als  solche,  sei  es  auch  un- 
vermerkt, den  Bürger  oder  Unterthan,  nicht  den  Menschen, 
wie  die  Privaterziehung,  vor  Augen  hat,  nicht  Eine  bestimmte 
Tugend  oder  Art  zu  sein  zum  Zwek;  sie  suchte  vielmehr 
gleichsam  ein  Gleichgewicht  aller,  da  nichts  so  sehr,  als  ge- 
rade diess,  die  Ruhe  hervorbringt  und  erhält,  welche  eben 
diese  Staaten  am  eifrigsten  beabsichten.  Ein  solches  Stre- 
ben aber  gewinnt,  wie  ich  schon  bei  einer  andern  Gelegen- 
heit zu  zeigen  versucht  habe,  entweder  keinen  Fortgang, 
oder  führt  auf  Mangel  an  Energie;  da  hingegen  die  Verfol- 
gung einzelner  Seiten,  welche  der  Privaterziehung  eigen  ist, 
durch  das  Leben  in  verschiedenen  Verhältnissen  und  Ver- 
bindungen jenes  Gleichgewicht  sichrer  und  ohne  Aufopferung 
der  Energie  hervorbringt. 

Will  man  aber  der  öffentlichen  Erziehung  alle  positive 
Beförderung  dieser  oder  jener  Art  der  Ausbildung  untersa- 
gen, will  man  es  ihr  zur  Pflicht  machen,  bloss  die  eigene 
Entwikkelung  der  Kräfte  zu  begünstigen;  so  ist  diess  einmal 
an  sich  nicht  ausführbar,  da  was  Einheit  der  Anordnung  hat, 
auch  allemal  eine  gewisse  Einförmigkeit  der  Wirkung  her- 
vorbringt, und  dann  ist  auch  unter  dieser  Voraussezung  der 
Nuzen  einer  öffentlichen  Erziehung  nicht  abzusehen.  Denn 
ist  es  bloss  die  Absicht  zu  verhindern,  dass  Kinder  nicht  ganz 
unerzogen  bleiben;  so  ist  es  ja  leichter  und  minder  schäd- 
lich, nachlässigen  Eltern  Vormünder  zu  sezen,  oder  dürftige 
zu  unterstüzen.  Ferner  erreicht  auch  die  öffentliche  Erzie- 
hung nicht  einmal  die  Absicht,  welche  sie  sich  vorsezt, 
nemlich  die  Umformung  der  Sitten  nach  dem  Muster,  wel- 


57 

ches  der  Staat  für  das  ihm  angemessenste  hält.  So  wich- 
tig und  auf  das  ganze  Leben  einwirkend  auch  der  Einfluss 
der  Erziehung  sein  mag;  so  sind  doch  noch  immer  wichti- 
ger die  Umstände,  welche  den  Menschen  durch  das  ganze 
Leben  begleiten.  Wo  also  nicht  alles  zusammenstimmt,  da 
vermag  diese  Erziehung  allein  nicht  durchzudringen.  Ueber- 
haupt  soll  die  Erziehung  nur,  ohne  Rüksicht  auf  bestimmte, 
den  Menschen  zu  ertheilende  bürgerliche  Formen,  Menschen 
bilden;  so  bedarf  es  des  Staats  nicht.  Unter  freien  Men- 
schen gewinnen  alle  Gewerbe  bessren  Fortgang;  blühen  alle 
Künste  schöner  auf;  erweitern  sich  alle  Wissenschaften. 
Unter  ihnen  sind  auch  alle  Familienbande  enger,  die  Eltern 
eifriger  bestrebt  für  ihre  Kinder  zu  sorgen,  und,  bei  höhe- 
rem Wohlstande,  auch  vermögender,  ihrem  Wunsche  hierin 
zu  folgen.  Bei  freien  Menschen  entsteht  Nacheiferung,  und 
es  bilden  sich  bessere  Erzieher  wo  ihr  Schiksal  von  dem 
Erfolg  ihrer  Arbeiten,  als  wo  es  von  der  Beförderung  ab- 
hängt, die  sie  vom  Staate  zu  erwarten  haben.  Es  wird  da- 
her weder  an  sorgfältiger  Familienerziehung,  noch  an  An- 
stalten so  nüzlicher  und  notwendiger  gemeinschaftlicher 
Erziehung  fehlen  ').  Soll  aber  öffentliche  Erziehung  dem 
Menschen  eine  bestimmte  Form  ertheilen,  so  ist,  was  man 
auch  sagen  möge,  zur  Verhütung  der  Uebertretung  der  Ge- 
seze,  zur  Befestigung  der  Sicherheit  so  gut  als  nichts  ge- 
than.  Denn  Tugend  und  Laster  hängen  nicht  an  dieser  oder 
jener  Art  des  Menschen  zu  sein,  sind  nicht  mit  dieser  oder 
jener  Charakterseite  nothwendig  verbunden;  sondern  es 
kommt  in    Rüksicht    auf  sie  weit    mehr  auf  die  Harmonie 


')  Dans  une  société  bien  ordonnée,  nu  contraire,  tout  invite  les  hom- 
mes à  cultiver  leurs  moyens  naturels:  sans  quon  s'en  mâle,  V édu- 
cation sera  bonne;  elle  sera  même  d'autant  meilleure,  quon  aura 
plus  laissé  h  faire  a  Vindustrie  des  maîtres  et  a  V émulation  des 
élèves.     Mirabeau  s.  l'éducat.  publ.  p.  12. 


58 

oder  Disharmonie  der  verschiedenen  Charakterzüge,  auf  das 
Verhältniss  der  Kraft  zu  der  Summe  der  Neigungen  u.  s.  f. 
an.  Jede  bestimmte  Charakterbildung  ist  daher  eigener  Aus- 
schweifungen fähig,  und  artet  in  dieselben  aus.  Hat  daher 
eine  ganze  Nation  ausschliesslich  vorzüglich  eine  gewisse 
erhalten,  so  fehlt  es  an  aller  entgegenstrebenden  Kraft,  und 
mithin  an  allem  Gleichgewicht.  Vielleicht  liegt  sogar  hierin 
auch  ein  Grund  der  häufigen  Veränderungen  der  Verfassung 
der  alten  Staaten.  Jede  Verfassung  wirkte  so  sehr  auf  den 
Nationalcharakter,  dieser,  bestimmt  gebildet,  artete  aus,  und 
brachte  eine  neue  hervor.  Endlich  wirkt  öffentliche  Erzie- 
hung, wenn  man  ihr  völlige  Erreichung  ihrer  Absicht  zu- 
gestehen will,  zu  viel.  Um  die  in  einem  Staat  nothwendige 
Sicherheit  zu  erhalten,  ist  Umformung  der  Sitten  selbst 
nicht  nothwendig.  Allein  die  Gründe,  womit  ich  diese  Be- 
hauptung zu  unterstüzen  gedenke,  bewahre  ich  der  Folge 
auf,  da  sie  auf  das  ganze  Bestreben  des  Staats,  auf  die  Sit- 
ten zu  wirken,  Bezug  haben,  und  mir  noch  vorher  von 
einem  Paar  einzelner,  zu  demselben  gehöriger  Mittel  zu  re- 
den übrig  bleibt.  Oeffentliche  Erziehung  scheint  mir  daher 
ganz  ausserhalb  der  Schranken  zu  liegen,  in  welchen  der 
Staat  seine  Wirksamkeit  halten  muss  '). 


')  Ainsi  c'est  peut-être  un  problème  de  savoir  si  les  le ii  isla  leurs 
français  doivent  s'occuper  de  V éducation  publique,  autrement  que 
pour  en  protéger  les  progrès,  et  si  la  constitution  la  plus  favo- 
rable au  développement  du  in  ni  humain  et  les  lois  les  plus 
propres  à  mettre  chacun  à  sa  place,  ne  sont  ]>as  la  seule 
éducation  que  le  peuple  doive  attendre  d'eux.  1.  c.  p.  11.  — 
D'après  cela,  les  principes  rigoureux  sembleraient  exiger  que 
l'Assemblée  Nationale  ne  s'occupât  de  l'éducation  que  pour  l'enle- 
ver à  des  pouvoirs  .OU  à  des  corps  qui  peuvent  en  dépraver  l'in- 
fluence. 1.   c.  i>.  12. 


59 

VII. 
Religion. 
Ausser  der  eigentlichen  Erziehung  der  Jugend  giebt  es 
noch  ein  anderes  Mitlei  auf  den  Charakter  und  die  Sitten 
der  Nation  zu  wirken,  durch  welches  der  Staat  gleichsam 
den  erwachsenen,  reif  gewordenen  Menschen  erzieht,  sein 
ganzes  Leben  hindurch  seine  Handlungsweise  und  Denkungs- 
art  begleitet,  und  derselben  diese  oder  jene  Richtung  zu  er- 
theilen,  oder  sie  wenigstens  vor  diesem  oder  jenem  Abwege  zu 
bewahren  versucht  —  die  Religion.  Alle  Staaten,  soviel  uns 
die  Geschichte  aufzeigt,  haben  sich  dieses  Mittels,  obgleich 
in  sehr  verschiedener  Absicht,  und  in  verschiedenem  Maasse 
bedient.  Bei  den  Alten  war  die  Religion  mit  der  Staats- 
verfassung innigst  verbunden,  eigentlich  politische  Slüze 
oder  Triebfeder  derselben,  und  es  gilt  daher  davon  alles 
das,  was  ich  im  Vorigen  über  ähnliche  Einrichtungen  der 
Alten  bemerkt  habe.  Als  die  christliche  Religion,  statt  der 
ehemaligen  Parlikulargoltheiten  der  Nationen,  eine  allgemeine 
Gottheit  aller  Menschen  lehrte,  dadurch  eine  der  gefährlich- 
sten Mauern  umstürzte,  welche  die  verschiedenen  Stämme 
des  Menschengeschlechts  von  einander  absonderten,  und  da- 
mit den  wahren  Grund  aller  wahren  Menschentugend,  Men- 
schenentwikkelung  und  Menschenvereinigung  legte,  ohne 
welche  Aufklärung,  und  Kenntnisse  und  Wissenschaften 
selbst  noch  sehr  viel  länger,  wenn  nicht  immer,  ein  selte- 
nes Eigenthum  einiger  Wenigen  geblieben  wären;  wurde 
das  Band  zwischen  der  Verfassung  des  Staats  und  der  Re- 
ligion lokkerer.  Als  aber  nachher  der  Einbruch  barbarischer 
Völker  die  Aufklärung  verscheuchte,  Misverstand  eben  jener 
Religion  einen  blinden  und  intoleranten  Eifer  Proselyten  zu 
machen  eingab,  und  die  politische  Gestalt  der  Staaten  zu- 
gleich so  verändert  war,   dass  man,   statt   der  Bürger,  nur 


60 

Unterthanen,  und  nicht  sowohl  des  Staats,  als  des  Regenten 
fand,  wurde  Sorgfalt  für  die  Erhaltung  und  Ausbreitung  der 
Religion  aus  eigener  Gewissenhaftigkeit  der  Fürsten  geübt, 
welche  dieselbe  ihnen  von  der  Gottheit  selbst  anvertraut 
glaubten.  In  neueren  Zeiten  ist  zwar  diess  Vorurtheil  selte- 
ner geworden,  allein  der  Gesichtspunkt  der  innerlichen  Si- 
cherheit und  der  Sittlichkeit  —  als  ihrer  festesten  Schuz- 
wehr  —  hat  die  Beförderung  der  Religion  durch  Geseze 
und  Staatseinrichtungen  nicht  minder  dringend  empfohlen. 
Diess,  glaube  ich,  wären  etwa  die  Hauptepochen  in  der  Re- 
ligionsgeschichte der  Staaten,  ob  ich  gleich  nicht  läugnen 
will,  dass  jede  der  angeführten  Rüksichten,  und  vorzüglich 
die  lezte  überall  mitwirken  mochte,  indess  freilich  Eine  die 
vorzüglichste  war.  Bei  dem  Bemühen,  durch  Religionsideen 
auf  die  Sitten  zu  wirken,  muss  man  die  Beförderung  einer 
bestimmten  Religion  von  der  Beförderung  der  Religiosität 
überhaupt  unterscheiden.  Jene  ist  unstreitig  drükkender  und 
verderblicher,  als  diese.  Allein  überhaupt  ist  nur  diese 
nicht  leicht,  ohne  jene,  möglich.  Denn  wenn  der  Staat 
einmal  Moralität  und  Religiosität  unzertrennbar  vereint  glaubt, 
und  es  für  möglich  und  erlaubt  hält,  durch  diess  Mittel  zu 
wirken;  so  ist  es  kaum  möglich,  dass  er  nicht,  bei  der  ver- 
schiedenen Angemessenheit  verschiedener  Religionsmeinun- 
gen zu  der  wahren  oder  angenommenen  Ideen  nach  geform- 
ten Moralität  eine  vorzugsweise  vor  der  andern  in  Schuz 
nehme.  Selbst  wenn  er  diess  gänzlich  vermeidet  und  gleich- 
sam als  Beschüzer  und  Vertheidiger  aller  Religionspartheien 
auftritt;  so  muss  er  doch,  da  er  nur  nach  den  äussren 
Handlungen  zu  urtheilen  vermag,  die  Meinungen  dieser  Par- 
theien mit  Unterdrükkung  der  möglichen  abweichenden  Mei- 
nungen Einzelner  begünstigen;  und  wenigstens  interessirt  er 
sich  auf  alle  Fälle  insofern  für  Eine  Meinung,  als  er  den 
aufs   Leben    einwirkenden    Glauben    an    eine    Gottheit    all- 


61 

gemein  zum  herrschenden  zu  machen  sucht.  Hiezu  kommt 
nun  noch  üher  diess  alles,  dass,  bei  der  Zweideutigkeit  aller 
Ausdrükke,  bei  der  Menge  der  Ideen,  welche  sich  Einem 
Wort  nur  zu  oft  unterschieben  lassen,  der  Staat  selbst  dem 
Ausdruk  Religiosität  eine  bestimmte  Bedeutung  unterlegen 
müsste,  wenn  er  sich  desselben  irgend,  als  einer  Richtschnur, 
bedienen  wollte.  So  ist  daher,  meines  Erachtens,  schlech- 
terdings keine  Einmischung  des  Staats  in  Religionssachen 
möglich,  welche  sich  nicht,  nur  mehr  oder  minder,  die  Be- 
günstigung gewisser  bestimmter  Meinungen  zu  Schulden 
kommen  liesse,  und  folglich  nicht  die  Gründe  gegen  sich 
gelten  lassen  müsste,  welche  von  einer  solchen  Begünstigung 
hergenommen  sind.  Eben  so  wenig  halte  ich  eine  Art  dieses 
Einmischens  möglich,  welche  nicht  wenigstens  gewisser- 
maassen  eine  Leitung,  eine  Hemmung  der  Freiheit  der  In- 
dividuen mit  sich  führte.  Denn  wie  verschieden  auch  sehr 
natürlich  der  Einfluss  von  eigentlichem  Zwange,  blosser 
Aufforderung,  und  endlich  blosser  Verschaffung  leichterer 
Gelegenheit  zu  Beschäftigung  mit  Religionsideen  ist;  so  ist 
doch  selbst  in  dieser  lezteren,  wie  im  Vorigen  bei  mehre- 
ren ähnlichen  Einrichtungen  ausführlicher  zu  zeigen  versucht 
worden  ist,  immer  ein  gewisses,  die  Freiheit  einengendes 
Uebergewicht  der  Vorstellungsart  des  Staats.  Diese  Be- 
merkungen habe  ich  vorausschikken  zu  müssen  geglaubt,  um 
bei  der  folgenden  Untersuchung  dem  Einwurfe  zu  begegnen, 
dass  dieselbe  nicht  von  der  Sorgfalt  für  die  Beförderung  der 
Religion  überhaupt,  sondern  nur  von  einzelnen  Gattungen 
derselben  rede,  und  um  dieselbe  nicht  durch  eine  ängstliche 
Durchgehung  der  einzelnen  möglichen  Fälle  zu  sehr  zerstük- 
keln  zu  dürfen. 

Alle  Religion  —  und  zwar  rede  ich  hier  von  Religion, 
insofern  sie  sich  auf  Sittlichkeit  und  Glükseligkeit  bezieht, 
und  folglich  in  Gefühl  übergegangen  ist,  nicht  insofern  die 


62 

Vernunft  irgend  eine  Religionswahrheit  wirklich  erkennt, 
oder  zu  erkennen  meint,  da  Einsicht  der  Wahrheit  unabhän- 
gig ist  von  allen  Einflüssen  des  Wollens  oder  Begehrens, 
oder  insofern  Offenbarung  irgend  eine  bekräftigt,  da  auch 
der  historische  Glaube  dergleichen  Einflüssen  nicht  unter- 
worfen sein  darf  —  alle  Religion,  sage  ich,  beruht  auf  einem 
Bedürfniss  der  Seele.  Wir  hoffen,  wir  ahnden,  weil  wir 
wünschen.  Da,  wo  noch  alle  Spur  geistiger  Kultur  fehlt, 
ist  auch  das  Bedürfniss  bloss  sinnlich.  Furcht  und  Hofnung 
bei  Naturbegebenheiten,  welche  die  Einbildungskraft  in  selbst- 
thätige  Wesen  verwandelt,  machen  den  Inbegriff  der  ganzen 
Religion  aus.  Wo  geistige  Kultur  anfängt,  genügt  diess 
nicht  mehr.  Die  Seele  sehnt  sich  dann  nach  dem  Anschauen 
einer  Vollkommenheit,  von  der  ein  Funke  in  ihr  glimmt, 
von  der  sie  aber  ein  weit  höheres  Maass  ausser  sich  alin- 
det.  Diess  Anschauen  geht  in  Bewunderung,  und  wenn  der 
Mensch  sich  ein  Verhältniss  zu  jenem  Wesen  hinzudenkt, 
in  Liebe  über,  aus  welcher  Begierde  des  A ehnlich Werdens, 
der  Vereinigung  entspringt.  Diess  findet  sich  auch  bei  den- 
jenigen Völkern,  welche  noch  auf  den  niedrigsten  Stufen 
der  Bildung  stehen.  Denn  daraus  entspringt  es,  wenn  selbst 
bei  den  rohesten  Völkern  die  Ersten  der  Nation  sich  von 
den  Göttern  abzustammen,  zu  ihnen  zurükzukehren  wähnen. 
Nur  verschieden  ist  die  Vorstellung  der  Gottheit  nach  der 
Verschiedenheit  der  Vorstellung  von  Vollkommenheit,  die  in 
jedem  Zeitalter  und  unter  jeder  Nation  herrscht.  Die  Göt- 
ter der  ältesten  Griechen  und  Römer,  und  die  Götter  unse- 
rer entferntesten  Vorfahren  waren  Ideale  körperlicher  Macht 
undStäike.  Als  die  Idee  des  sinnlich  Schönen  entstand  und 
verfeinert  ward,  erhob  man  die  personificirte  sinnliche  Schön- 
heit auf  den  Thron  der  Gottheit,  und  so  entstand  die  Reli- 
gion, welche  man  Religion  der  Kunst  nennen  könnte.  Als 
man  sich  von  dem  Sinnlichen  zum  rein  Geistigen,  von  dem 


63 

Schönen  zum  Guten  und  Wahren  erhob,  wurde  der  Inbegriff 
aller  intellektuellen  und  moralischen  Vollkommenheit  Ge- 
genstand der  Anbetung,  und  die  Religion  ein  Eigenthum  der 
Philosophie.  Vielleicht  könnte  nach  diesem  Maassstabe  der 
Werth  der  verschiedenen  Religionen  gegen  einander  abge- 
wogen werden,  wenn  Religionen  nach  Nationen  oder  Par- 
iheien, nicht  nach  einzelnen  Individuen  verschieden  wären. 
Allein  so  ist  Religion  ganz  subjektiv,  beruht  allein  auf  der 
Eigenthümlichkeit  der  Vorstellungsart  jedes  Menschen. 

Wenn  die  Idee  einer  Gottheit  die  Frucht  wahrer  geisti- 
ger Bildung  ist;  so  wirkt  sie  schön  und  wohlthätig  auf  die 
innere  Vollkommenheit  zurük.  Alle  Dinge  erscheinen  uns 
in  veränderter  Gestalt,  wenn  sie  Geschöpfe  planvoller  Ab- 
sicht, als  wenn  sie  ein  Werk  eines  vernunfllosen  Zufalls 
sind.  Die  Ideen  von  Weisheit,  Ordnung,  Absicht,  die  uns 
zu  unsrem  Handien  und  selbst  zur  Erhöhung  unsrer  intel- 
lektuellen Kräfte  so  nothwendig  sind,  fassen  festere  Wurzel 
in  unserer  Seele,  wenn  wir  sie  überall  entdekken.  Das  End- 
liche wird  gleichsam  unendlich,  das  Hinfällige  bleibend,  das 
Wandelbare  stät,  das  Verschlungene  einfach,  wenn  wir  uns 
Eine  ordnende  Ursach  an  der  Spize  der  Dinge,  und  eine 
endlose  Dauer  der  geistigen  Substanzen  denken.  Unser 
Forschen  nach  Wahrheit,  unser  Streben  nach  Vollkommen- 
heit gewinnt  mehr  Festigkeit  und  Sicherheit,  wenn  es  ein 
Wesen  für  uns  giebt,  das  der  Quell  aller  Wahrheit,  der  In- 
begriff aller  Vollkommenheit  ist.  Widrige  Schiksale  wer- 
den der  Seele  weniger  fühlbar,  da  Zuversicht  und  Hofnung 
sich  an  sie  knüpft.  Das  Gefühl,  alles,  was  man  besizt,  aus 
der  Hand  der  Liebe  zu  empfangen,  erhöht  zugleich  die  Glük- 
seligkeit  und  die  moralische  Güte.  Durch  Dankbarkeit  bei 
der  genossenen,  durch  hinlehnendes  Vertrauen  bei  der  er- 
sehnten Freude  geht  die  Seele  aus  sich  heraus,  brütet  nicht 
immer,  in  sich  verschlossen,  über  den  eignen  Empfindungen 


64 

Planen,  Besorgnissen,  Hofnungen.  Wenn  sie  das  erhebende 
Gefühl  entbehrt,  sich  allein  alles  zu  danken;  so  geniesst  sie 
das  entzükkende,  in  der  Liebe  eines  andern  Wesens  zu  le- 
ben, ein  Gefühl,  worin  die  eigne  Vollkommenheit  sich  mit 
der  Vollkommenheit  jenes  Wesens  gattet.  Sie  wird  gestimmt, 
andren  zu  sein,  was  andre  ihr  sind;  will  nicht,  dass  andre 
ebenso  alles  aus  sich  selbst  nehmen  sollen,  als  sie  nichts 
von  andern  empfängt.  Ich  habe  hier  nur  die  Hauptmomente 
dieser  Untersuchung  berührt.  Tiefer  in  den  Gegenstand  ein- 
zugehn,  würde,  nach  Garves  meisterhafter  Ausführung,  un- 
nüz  und  vermessen  sein. 

So  mitwirkend  aber  auf  der  einen  Seite  religiöse  Ideen 
bei  der  moralischen  Vervollkommnung  sind;  so  wenig  sind 
sie  doch  auf  der  andern  Seite  unzertrennlich  damit  ver- 
bunden. Die  blosse  Idee  geistiger  Vollkommenheit  ist  gross 
und  füllend  und  erhebend  genug,  um  nicht  mehr  einer  an- 
dern Hülle  oder  Gestalt  zu  bedürfen.  Und  doch  liegt  jeder 
Religion  eine  Personificirung,  eine  Art  der  Versinnlichung 
zum  Grunde,  ein  Anthropomorphismus  in  höherem  oder  ge- 
ringerem Grade.  Jene  Idee  der  Vollkommenheit  wird  auch 
demjenigen  unaufhörlich  vorschweben,  der  nicht  gewohnt 
ist,  die  Summe  alles  moralisch  Guten  in  Ein  Ideal  zusam- 
menzufassen, und  sich  in  Verhältniss  zu  diesem  Wesen  zu 
denken;  sie  wird  ihm  Antrieb  zur  Thätigkeit,  Stoff  aller 
Glükseligkeit  sein.  Fest  durch  die  Erfahrung  überzeugt, 
dass  seinem  Geiste  Fortschreiten  in  höherer  moralischer 
Starke  möglich  ist,  wird  er  mit  muthigem  Eifer  nach  dem 
Ziele  streben,  das  er  sich  stekt.  Der  Gedanke  der  Mög- 
lichkeit der  Vernichtung  seines  Daseins  wird  ihn  nicht  schrek- 
ken,  sobald  seine  täuschende  Einbildungskraft  nicht  mehr  im 
Nichtsein  das  Nichtsein  noch  fühlt.  Seine  unabänderliche 
Abhängigkeit  von  äusseren  Schiksalen  drükt  ihn  nicht; 
gleichgültiger  gegen  äusseres  Geniessen  und  Entbehren,  bükt 


65 

er  nur  auf  das  rein  Intellektuelle  und  Moralische  hin,  und 
Schiksal  vermag  etwas  über  das  Innre  seiner  Seele.  Sein 
Geist  fühlt  sich  durch  Selbstgenügsamkeit  unabhängig,  durch 
die  Fülle  seiner  Ideen,  und  das  Bewusstsein  seiner  innern 
Stärke  über  den  Wandel  der  Dinge  gehoben.  Wenn  er 
nun  in  seine  Vergangenheit  zurükgeht,  Schritt  vor  Schritt 
aufsucht,  wie  er  jedes  Ereigniss  bald  auf  diese,  bald  auf 
jene  Weise  benuzte,  wie  er  nach  und  nach  zu  dem 
ward,  was  er  jezt  ist,  wenn  er  so  Ursach  und  Wir- 
kung, ZwTek  und  Mittel,  alles  in  sich  vereint  sieht,  und 
dann,  voll  des  edelsten  Stolzes,  dessen  endliche  Wesen 
fähig  sind,  ausruft: 

Hast  du  nicht  alles  selbst  vollendet 
Heilig  glühend  Herz? 

wie  müssen  da  in  ihm  alle  die  Ideen  von  Alleinsein,  von 
Hülflosigkeit,  von  Mangel  an  Schuz  und  Trost  und  Beistand 
verschwinden,  die  man  gewöhnlich  da  glaubt,  wo  eine  per- 
sönliche, ordnende,  vernünftige  Ursach  der  Kette  des  End- 
lichen fehlt?  Dieses  Selbstgefühl,  dieses  in  und  durch  sich 
Sein  wird  ihn  auch  nicht  hart  und  unempfindlich  gegen 
andre  Wesen  machen,  sein  Herz  nicht  der  theilnehmenden 
Liebe  und  jeder  wohlwollenden  Neigung  verschliessen.  Eben 
diese  Idee  der  Vollkommenheit,  die  warlich  nicht  bloss  kalte 
Idee  des  Verstandes  ist,  sondern  warmes  Gefühl  des  Her- 
zens sein  kann,  auf  die  sich  seine  ganze  Wirksamkeit  be- 
zieht, trägt  sein  Dasein  in  das  Dasein  andrer  über.  Es  liegt 
ja  in  ihnen  gleiche  Fähigkeit  zu  grösserer  Vollkommenheit, 
diese  Vollkommenheit  kann  er  hervorbringen  oder  erhöhen. 
Er  ist  noch  nicht  ganz  von  dem  höchsten  Ideale  aller  Mora- 
lität  durchdrungen,  solange  er  noch  sich  oder  andre  einzeln 
zu  betrachten  vermag,  solange  nicht  alle  geistige  Wesen 
in  der  Summe  der  in  ihnen  einzeln  zerstreut  liegenden  Voll- 
kommenheit in  seiner  Vorstellung  zusammenfliessen.  Viel- 
vii.  5 


66 

leicht  ist  seine  Vereinigung  mit  den  übrigen ,  ihm  gleichar- 
tigen Wesen  noch  inniger,  seine  Theilnahme  an  ihrem  Schik- 
sale  noch  wärmer,  je  mehr  sein  und  ihr  Schiksal,  seiner 
Vorstellung  nach,  allein  von  ihm  und  von  ihnen  abhängt. 

Sezt  man  vielleicht,  und  nicht  mit  Unrecht,  dieser  Schil- 
derung den  Einwurf  entgegen,  dass  sie,  um  Realität  zu  er- 
hallen, eine  ausserordentliche,  nicht  bloss  gewöhnliche  Stärke 
des  Geistes  und  des  Charakters  erfordert  ;  so  darf  man  wie- 
derum nicht  vergessen,  dass  diess  in  gleichem  Grade  da  der 
Fall  ist,  wo  religiöse  Gefühle  ein  wahrhaft  schönes,  von 
Kälte  und  Schwärmerei  gleich  fernes  Dasein  hervorbringen 
sollen.  Auch  würde  dieser  Einwurf  überhaupt  nur  passend 
sein,  wenn  ich  die  Beförderung  der  zulezt  geschilderten 
Stimmung  vorzugsweise  empfohlen  hätte.  Allein  so  geht 
meine  Absicht  schlechterdings  allein  dahin,  zu  zeigen,  dass 
die  Moralilät,  auch  bei  der  höchsten  Konsequenz  des  Men- 
schen, schlechterdings  nicht  von  der  Religion  abhängig,  oder 
überhaupt  nothwendig  mit  ihr  verbunden  ist,  und  dadurch 
auch  an  meinem  Theile  zu  der  Entfernung  auch  des  min- 
desten Schattens  von  Intoleranz,  und  der  Beförderung  der- 
jenigen Achtung  beizutragen,  welche  den  Menschen  immer 
für  die  Denkungs-  und  Empfmdungsweise  des  Menschen  er- 
füllen sollte.  Um  diese  Vorstellungsart  noch  mehr  zu  recht- 
fertigen, könnte  ich  jezt  auf  der  andern  Seite  auch  den 
nachtheiligen  Einfluss  schildern,  welches  die  religiöseste 
Stimmung,  wie  die  am  meisten  entgegengesezte,  fähig  ist. 
Allein  es  ist  gehässig,  bei  so  wenig  angenehmen  Gemählden 
zu  verweilen,  und  die  Geschichte  schon  stellt  ihrer  zur  Ge- 
nüge auf.  Vielleicht  führt  es  auch  sogar  eine  grössere  Evi- 
denz mit  sich,  auf  die  Natur  der  Moralität  selbst,  und  auf 
die  genaue  Verbindung,  nicht  bloss  der  Religiosität,  sondern 
auch  der  Religionssysteme  der  Menschen  mit  ihren  Empfin- 
dungssyslemen  einen  flüchtigen  Blik  zu  werfen. 


67 

Nun  ist  weder  dasjenige,  was  die  Moral  als  Pflicht  vor- 
schreibt, noch  dasjenige,  was  ihren  Gesezen  gleichsam  die 
Sanktion  giebt,  was  ihnen  Interesse  für  den  Willen  leiht,  von 
Religionsideen  abhängig.  Ich  führe  hier  nicht  an,  dass  eine 
solche  Abhängigkeit  sogar  der  Reinheit  des  moralischen  Wil- 
lens Abbruch  thun  würde.  Man  könnte  vielleicht  diesem 
Grundsaz  in  einem,  aus  der  Erfahrung  geschöpften,  und  auf 
die  Erfahrung  anzuwendenden  Raisonnement,  wie  das  gegen- 
wärtige, die  hinlängliche  Gültigkeit  absprechen.  Allein  die 
Beschaffenheiten  einer  Handlung,  welche  dieselbe  zur  Pflicht 
machen,  entspringen  theils  aus  der  Natur  der  menschlichen 
Seele,  theils  aus  der  näheren  Anwendung  auf  die  Verhält- 
nisse der  Menschen  gegen  einander;  und  wenn  dieselben 
auch  unläugbar  in  einem  ganz  vorzüglichen  Grade  durch 
religiöse  Gefühle  empfohlen  werden,  so  ist  diess  weder  das 
einzige,  noch  auch  bei  weitem  ein  auf  alle  Charaktere  an- 
wendbares Mittel.  Vielmehr  beruht  die  Wirksamkeit  der 
Religion  schlechterdings  auf  der  individuellen  Beschaffenheit 
der  Menschen,  und  ist  im  strengsten  Verstände  subjektiv. 
Der  kalte,  bloss  nachdenkende  Mensch,  in  dem  die  Erkennt- 
niss  nie  in  EmpGndung  übergeht,  dem  es  genug  ist,  das 
Verhältniss  der  Dinge  und  Handlungen  einzusehen,  um  sei- 
nen Willen  darnach  zu  bestimmen,  bedarf  keines  Religions- 
grundes, um  tugendhaft  zu  handeln,  und,  soviel  es  seinem 
Charakter  nach  möglich  ist,  tugendhaft  zu  sein.  Ganz  an- 
ders ist  es  hingegen,  wo  die  Fähigkeit  zu  empfinden  sehr 
stark  ist,  wo  jeder  Gedanke  leicht  Gefühl  wird.  Allein  auch 
hier  sind  die  Nuancen  unendlich  verschieden.  Wo  die  Seele 
einen  starken  Hang  fühlt,  aus  sich  hinaus  in  andre  überzu- 
gehen, an  andre  sich  anzuschliessen,  da  werden  Religions- 
ideen wirksame  Triebfedern  sein.  Dagegen  giebt  es  Cha- 
raktere, in  welchen  eine  so  innige  Konsequenz  aller  Ideen 
und  Empfindungen   herrscht,   die   eine   so   grosse  Tiefe   der 

5* 


68 

Erkenntniss  und  des  Gefühls  besizen,  dass  daraus  eine  Stärke 
und  Selbstständigkeit  hervorgeht,  welche  das  Hingeben  des 
oanzen  Seins  an  ein  fremdes  Wesen,  das  Vertrauen  auf 
fremde  Kraft,  wodurch  sich  der  Einfluss  der  Religion  so 
vorzüglich  äussert,  weder  fordert  noch  erlaubt.  Selbst  die 
Lagen,  welche  erfordert  werden,  um  auf  Religionsideen  zu- 
rükzukommen,  sind  nach  Verschiedenheit  der  Charaktere 
verschieden.  Bei  dem  einen  ist  jede  starke  Rührung  — 
Freude  oder  Kummer  —  bei  dem  andren  nur  das  frohe 
Gefühl  aus  dem  Genuss  entspringender  Dankbarkeit  dazu 
hinreichend.  Die  lezteren  Charaktere  verdienen  vielleicht 
nicht  die  wenigste  Schäzung.  Sie  sind  auf  der  einen  Seite 
stark  genug,  um  im  Unglük  nicht  fremde  Hülfe  zu  suchen, 
und  haben  auf  der  andren  zu  viel  Sinn  für  das  Gefühl  ge- 
liebt zu  werden,  um  nicht  an  die  Idee  des  Genusses  gern 
die  Idee  eines  liebevollen  Gebers  zu  knüpfen.  Oft  hat  auch 
die  Sehnsucht  nach  religiösen  Ideen  noch  einen  edleren,  rei- 
neren, wenn  ich  so  sagen  darf,  mehr  intellektuellen  Quell. 
Was  der  Mensch  irgend  um  sich  her  erblikt,  vermag  er 
allein  durch  die  Vermittlung  seiner  Organe  aufzufassen;  nir- 
gends offenbart  sich  ihm  unmittelbar  das  reine  Wesen  der 
Dinge;  gerade  das,  was  am  heftigsten  seine  Liebe  erregt, 
am  unwiderstehlichsten  sein  ganzes  Inneres  ergreift,  ist  mit 
dem  dichtesten  Schleier  umhüllt;  sein  ganzes  Leben  hindurch 
ist  seine  Thätigkeit  Bestreben,  den  Schleier  zu  durchdrin- 
gen, seine  Wollust  Ahnden  der  Wahrheit  in  dem  Räthsel 
des  Zeichens,  Hoffen  der  unvermittelten  Anschauung  in  an- 
deren Perioden  seines  Daseins.  Wo  nun,  in  wundervoller 
und  schöner  Harmonie,  nach  der  unvermittelten  Anschauung 
des  wirklichen  Daseins  der  Geist  rastlos  forscht,  und  das 
Herz  sehnsuchtsvoll  verlangt,  wo  der  Tiefe  der  Denkkraft 
nicht  die  Dürftigkeit  des  Begriffs,  und  der  Wärme  des  Ge- 
fühls nicht   das   Schattenbild   der   Sinne   und   der  Phantasie 


69 

genügt;  da  folgt  der  GJaube  unaufhaltbar  dem  eigenthüm- 
lichen  Triebe  der  Vernunft,  jeden  Begriff,  bis  zur  Hinweg- 
räumung aller  Schranken,  bis  zum  Ideal  zu  erweitern,  und 
heftet  sich  fest  an  ein  Wesen,  das  alle  andre  Wesen  um- 
schliesst,  und  rein  und  ohne  Vermittlung  existirt,  anschaut 
und  schaft.  Allein  oft  beschränkt  auch  eine  genügsamere  Be- 
scheidenheit den  Glauben  innerhalb  des  Gebiets  der  Erfah- 
rung; oft  vergnügt  sich  zwar  das  Gefühl  gern  an  dem  der 
Vernunft  so  eignen  Ideal,  findet  aber  einen  wollustvolleren 
Reiz  in  dem  Bestreben,  eingeschränkt  auf  die  Welt,  für  die 
ihm  Empfänglichkeit  gewährt  ist,  die  sinnliche  und  unsinn- 
liche Natur  enger  zu  verweben,  dem  Zeichen  einen  reiche- 
ren Sinn,  und  der  Wahrheit  ein  versländlicheres,  ideenfrucht- 
bareres Zeichen  zu  leihen  ;  und  oft  wird  so  der  Mensch  für 
das  Entbehren  jener  trunkenen  Begeisterung  hoffender  Er- 
wartung, indem  er  seinem  Blik  in  unendliche  Fernen  zu 
schweifen  verbietet,  durch  das  ihn  immer  begleitende  Be- 
wusstsein  des  Gelingens  seines  Bestrebens  entschädigt.  Sein 
minder  kühner  Gang  ist  doch  sichrer;  der  Begriff  des  Ver- 
standes, an  den  er  sich  festhält,  bei  minderem  Reichthum, 
doch  klarer;  die  sinnliche  Anschauung,  wenn  gleich  weni- 
ger der  Wahrheit  treu,  doch  für  ihn  tauglicher,  zur  Erfah- 
rung verbunden  zu  werden.  Nichts  bewundert  der  Geist 
des  Menschen  überhaupt  so  willig  und  mit  so  voller  Ein- 
stimmung seines  Gefühls,  als  weisheitsvolle  Ordnung  in  einer 
zahllosen  Menge  mannigfaltiger,  vielleicht  sogar  mit  einander 
streitender  Individuen.  Indess  ist  diese  Bewunderung  einigen 
noch  in  einem  bei  weitem  vorzüglicheren  Grade  eigen,  und 
diese  verfolgen  daher  vor  allem  gern  die  Vorstellungsart, 
nach  welcher  Ein  Wesen  die  Welt  schuf  und  ordnete,  und 
mit  sorgender  Weisheit  erhält.  Allein  andern  ist  gleichsam 
die  Kraft  des  Individuums  heiliger,  andre  fesselt  diese  mehr, 
als  die  Allgemeinheit  der  Anordnung,  und  es  stellt  sich  ihnen 


70 

daher  öfter  und  natürlicher  der,  wenn  ich  so  sagen  darf, 
entgegen °esezte  Weg  dar,  der  neinlich,  auf  welchen  das 
Wesen  der  Individuen  selbst,  indem  es  sich  in  sich  entwic- 
kelt, und  durch  Einwirkung  gegenseitig  modifient,  sich  selbst 
zu  der  Harmonie  stimmt,  in  welcher  allein  der  Geist,  wie 
das  Herz  des  Menschen,  zu  ruhen  vermag.  Ich  bin  weit 
entfernt  zu  wähnen,  mit  diesen  wenigen  Schilderungen  die 
Mannigfaltigkeit  des  Stoffs,  dessen  Reichthum  jeder  Klassi- 
fikation widerstrebt,  erschöpft  zu  haben.  Ich  habe  nur  an 
ihnen,  wie  an  Beispielen  zeigen  wollen,  dass  die  wahre  Re- 
ligiosität, so  wie  auch  jedes  wahre  Religionssystem,  im 
höchsten  Verstände  aus  dem  innersten  Zusammenhange  der 
Empfindungsweise  des  Menschen  entspringt.  Unabhängig  von 
der  Empfindung  und  der  Verschiedenheit  des  Charakters  ist 
nun  zwar  das,  was  in  den  Religionsideen  rein  Intellektuelles 
liegt,  die  Begriffe  von  Absicht,  Ordnung,  Zwekmässigkeit, 
Vollkommenheit.  Allein  einmal  ist  hier  nicht  sowohl  von 
diesen  Begriffen  an  sich,  als  von  ihrem  Einfluss  auf  die 
Menschen  die  Rede,  welcher  leztere  unstreitig  keines weges 
eine  gleiche  Unabhängigkeit  behauptet;  und  dann  sind  auch 
diese  der  Religion  nicht  abschliessend  eigen.  Die  Idee  von 
Vollkommenheit  wird  zuerst  aus  der  lebendigen  Natur  ge- 
schöpft, dann  auf  die  leblose  übergetragen,  endlich  nach  und 
nach,  bis  zu  dem  Allvollkommenen  hinauf  von  allen  Schran- 
ken enlblösst.  Nun  aber  bleiben  lebendige  und  leblose  Na- 
tur dieselben,  und  ist  es  nicht  möglich,  die  ersten  Schritte 
zu  thun,  und  doch  vordem  lezten  stehen  zu  bleiben?  Wenn 
nun  alle  Religiosität  so  gänzlich  auf  den  mnnnigfaltigen  Mo- 
difikationen des  Charakters  und  vorzüglich  des  Gefühls  be- 
ruht; so  muss  auch  ihr  Einfluss  auf  die  Sittlichkeit  ganz  und 
gar  nicht  von  der  Materie  gleichsam  des  Inhalts  der  ange- 
nommenen Säze,  sondern  von  der  Form  des  Annehmens, 
der  Ueberzeugung,  des  Glaubens  abhängig  sein.    Diese  Be- 


71 

merkung-,   die  mir  gleich  in  der  Folge  von  grossem  Nuzen 
sein  wird,  hoffe  ich  durch  das  Bisherige  hinlänglich  gerecht- 
fertigt zu  haben.    Was  ich  vielleicht  allein  hier  noch  fürch- 
o 

ten  darf,  ist  der  Vorwurf,  in  allem,  was  ich  sagte,  nur  den 
sehr  von  der  Natur  und  den  Umständen  begünstigten,  in- 
teressanten, und  eben  darum  seltenen  Menschen  vor  Augen 
gehabt  zu  haben.  Allein  die  Folge  wird,  hoffe  ich,  zeigen, 
dass  ich  den  freilich  grösseren  Haufen  keineswegs  übersehe, 
und  es  scheint  mir  unedel,  überall  da,  wo  es  der  Mensch 
ist,  welcher  die  Untersuchung  beschäftigt,  nicht  aus  den 
höchsten  Gesichtspunkten  auszugehen. 

Kehre  ich  jezt  —  nach  diesem  allgemeinen,  auf  die  Re- 
ligion und  ihren  Einfluss  im  Leben  geworfenen  Blik  —  auf 
die  Frage  zurük,  ob  der  Staat  durch  die  Religion  auf  die 
Sitten  der  Bürger  wirken  darf  oder  nicht?  so  ist  es  gewiss, 
dass  die  Mittel,  welche  der  Gesezgeber  zum  Behuf  der  mo- 
ralischen Bildung  anwendet,  immer  in  dem  Grade  nüzlich 
und  zwekmässig  sii.d,  in  welchem  sie  die  innere  Enlwikke- 
lung  der  Fähigkeiten  und  Neigungen  begünstigen.  Denn  alle 
Bildung  hat  ihren  Ursprung  allein  in  dem  Innern  der  Seele, 
und  kann  durch  äussere  Veranstaltungen  nur  veranlasst,  nie 
hervorgebracht  werden.  Dass  nun  die  Religion,  welche  ganz 
auf  Ideen,  Empfindungen  und  innrer  Ueberzeugung  beruht,  ein 
solches  Mittel  sei,  ist  unläugbar.  Wir  bilden  den  Künstler, 
indem  wir  sein  Auge  an  den  Meisterwerken  der  Kunst  üben, 
seine  Einbildungskraft  mit  den  schönen  Gestalten  der  Pro- 
dukte des  Alterthums  nähren.  Ebenso  muss  der  sittliche 
Mensch  gebildet  werden  durch  das  Anschauen  hoher  mora- 
lischer Vollkommenheit,  im  Leben  durch  Umgang,  und  durch 
zwekmässiges  Studium  der  Geschichte,  endlich  durch  das 
Anschouen  der  höchsten,  idealischen  Vollkommenheit  im  Bilde 
der  Gottheit.  Aber  diese  leztere  Ansicht  ist,  wie  ich  im 
Vorigen  gezeigt  zu  haben  glaube,  nicht  für  jedes  Auge  ge- 


72 

macht,  oder  um  ohne  Bild  zu  reden,  diese  Vorsteliungsart 
ist  nicht  jedem  Charakter  angemessen.  Wäre  sie  es  aber 
auch;  so  ist  sie  doch  nur  da  wirksam,  wo  sie  aus  dem  Zu- 
sammenhange aller  Ideen  und  Empfindungen  entspringt,  wo 
sie  mehr  von  selbst  aus  dem  Innern  der  Seele  hervorgeht, 
als  von  aussen  in  dieselbe  gelegt  wird.  Wegräumung  der 
Hindernisse,  mit  Religionsideen  vertraut  zu  werden,  und  Be- 
günstigung des  freien  Untersuchungsgeistes  sind  folglich  die 
einzigen  Mittel,  deren  der  Gesezgeber  sich  bedienen  darf; 
geht  er  weiter,  sucht  er  die  Religiosität  direkt  zu  befördern, 
oder  zu  leiten,  oder  nimmt  er  gar  gewisse  bestimmte  Ideen 
in  Schuz,  fordert  er,  statt  wahrer  Ueberzeugung,  Glauben 
auf  Autorität;  so  hindert  er  das  Aufstreben  des  Geistes,  die 
Entwiklung  der  Seelenkräfte;  so  bringt  er  vielleicht  durch 
Gewinnung  der  Einbildungskraft,  durch  augenblikliche  Rüh- 
rungen Gesezmässigkeit  der  Handlungen  seiner  Bürger,  aber 
nie  wahre  Tugend  hervor.  Denn  wahre  Tugend  ist  unab- 
hängig von  aller,  und  unverträglich  mit  befohlener,  und  auf 
Autorität  geglaubter  Religion. 

Wenn  jedoch  gewisse  Religionsgrundsäze  auch  nur  ge- 
sezmässige  Handlungen  hervorbringen,  ist  diess  nicht  genug, 
um  den  Staat  zu  berechtigen,  sie,  auch  auf  Kosten  der  all- 
gemeinen Denkfreiheit,  zu  verbreiten?  Die  Absicht  des 
Staats  wird  erreicht,  wenn  seine  Geseze  streng  befolgt  wer- 
den; und  der  Gesezgeber  hat  seiner  Pflicht  ein  Genüge  ge- 
than,  wenn  er  weise  Geseze  giebt,  und  ihre  Beobachtung 
von  seinen  Bürgern  zu  erhalten  weiss.  Ueberdiess  passt  je- 
ner aufgestellte  Begriff  von  Tugend  nur  auf  einige  wenige 
Klassen  der  Mitglieder  eines  Staats,  nur  auf  die,  welche  ihre 
äussere  Lage  in  den  Stand  sezt,  einen  grossen  Theil  ihrer 
Zeit  und  ihrer  Kräfte  dem  Geschäfte  ihrer  inneren  Bildung 
zu  weihen.     Die  Sorgfalt  des  Staats  muss  sich  auf  die  gros- 


73 

sere  Anzahl  erstrekken,  und  diese  ist  jenes  höheren  Grades 
der  Moralität  unfähig. 

Ich  erwähne  hier  nicht  mehr  die  Saze,  welche  ich  in 
dem  Anfange  dieses  Aufsazes  zu  entwikkeln  versucht  habe, 
und  die  in  der  That  den  Grund  dieser  Einwürfe  umstossen, 
die  Säze  nemlich,  dass  die  Staatseinrichtung  an  sich  nicht 
Zwek,  sondern  nur  Mittel  zur  Bildung  des  Menschen  ist, 
und  dass  es  daher  dem  Gesezgeber  nicht  genügen  kann, 
seinen  Aussprüchen  Autorität  zu  verschaffen,  wenn  nicht  zu- 
gleich die  Mittel,  wodurch  diese  Autorität  bewirkt  wird,  gut, 
oder  doch  unschädlich  sind.  Es  ist  aber  auch  unrichtig, 
dass  dem  Staate  allein  die  Handlungen  seiner  Bürger  und 
ihre  Gesezmässigkeit  wichtig  sei.  Ein  Staat  ist  eine  so 
zusammengesezte  und  verwikkelte  Maschine,  dass  Geseze, 
die  immer  nur  einfach,  allgemein,  und  von  geringer  Anzahl 
sein  müssen,  unmöglich  allein  darin  hinreichen  können.  Das 
Meiste  bleibt  immer  den  freiwilligen  einstimmigen  Bemühun- 
gen der  Bürger  zu  thun  übrig.  Man  braucht  nur  den  Wohl- 
stand kultivirter  und  aufgeklärter  Nationen  mit  der  Dürftig- 
keit roher  und  ungebildeter  Völker  zu  vergleichen,  um  von 
diesem  Saze  überzeugt  zu  werden.  Daher  sind  auch  die 
Bemühungen  aller,  die  sich  je  mit  Staatseinrichtungen  be- 
schäftigt haben,  immer  dahin  gegangen,  das  Wohl  des  Staats 
zum  eignen  Interesse  des  Bürgers  zu  machen,  und  den  Staat 
in  eine  Maschine  zu  verwandeln,  die  durch  die  innere  Kraft 
ihrer  Triebfedern  in  Gang  erhalten  würde,  und  nicht  un- 
aufhörlich neuer  äusserer  Einwirkungen  bedürfte.  Wenn  die 
neueren  Staaten  sich  eines  Vorzugs  vor  den  alten  rühmen 
dürfen  ;  so  ist  es  vorzüglich  weil  sie  diesen  Grundsaz  mehr 
realisirten.  Selbst  dass  sie  sich  der  Religion,  als  eines  Bil- 
dungsmittels bedienen,  ist  ein  Beweis  davon.  Doch  auch 
die  Religion,  insofern  nemlich  durch  gewisse  bestimmte  Säze 
nur   gute   Handlungen  hervorgebracht,    oder  durch  positive 


Leitung  überhaupt  auf  die  Sitten  gewirkt  werden  soll,  wie 
es  hier  der  Fall  ist,  ist  ein  fremdes,  von  aussen  einwirken- 
des Mittel.  Daher  muss  es  immer  des  Gesezgebers  leztes, 
aber  —  wie  ihn  wahre  Kenntniss  des  Menschen  bald  lehren 
wird  —  nur  durch  Gewährung  der  höchsten  Freiheit  erreich- 
bares Ziel  bleiben,  die  Bildung  der  Bürger  bis  dahin  zu  er- 
höhen, dass  sie  alle  Triebfedern  zur  Beförderung  des  Zweks 
des  Staats  allein  in  der  Idee  des  Nuzens  finden,  welchen 
ihnen  die  Slaatseinrichtung  zu  Erreichung  ihrer  individuellen 
Absichten  gewährt.  Zu  dieser  Einsicht  aber  ist  Aufklärung 
und  hohe  Geistesbildung  noth wendig,  welche  da  nicht  em- 
porkommen können,  wo  der  freie  Untersuchungsgeist  durch 
Geseze  beschränkt  wird. 

Nur  dass  man  sich  überzeugt  hält,  ohne  bestimmte,  ge- 
glaubte Religionssäze  oder  wenigstens  ohne  Aufsicht  des 
Staats  auf  die  Religion  der  Bürger,  können  auch  äussere 
Ruhe  und  Sittlichkeit  nicht  bestehen,  ohne  sie  sei  es  der 
bürgerlichen  Gewalt  unmöglich,  das  Ansehen  der  Geseze 
zu  erhalten,  macht,  dass  man  jenen  Betrachtungen  kein  Ge- 
hör giebt.  Und  doch  bedurfte  der  Einfluss,  den  Religions- 
säze, die  auf  diese  Weise  angenommen  werden  und  über- 
haupt jede,  durch  Veranstaltungen  des  Staats  beförderte  Re- 
ligiosität haben  soll,  wohl  erst  einer  strengeren  und  genaueren 
Prüfuno;.  Bei  dem  roheren  Theile  des  Volks  rechnet  man  von 
allen  Religionswahrheiten  am  meisten  auf  die  Ideen  künfti- 
ger Belohnungen  und  Bestrafungen.  Diese  mindern  den 
Hang  zu  unsittlichen  Handlungen  nicht,  befördern  nicht  die 
Neigung  zum  Guten,  verbessern  also  den  Charakter  nicht, 
sie  wirken  bloss  auf  die  Einbildungskraft,  haben  folglich,  wie 
Bilder  der  Phantasie  überhaupt,  Einfluss  auf  die  Art  zu 
handeln,  ihr  Einfluss  wird  aber  auch  durch  alles  das  ver- 
mindert, und  aufgehoben,  was  die  Lebhaftigkeit  der  Einbil- 
dungskraft schwächt.    Nimmt  man  nun  hinzu,  dass  diese  Er- 


75 

Wartungen  so  entfernt,  und  darum,  selbst  nach  den  Vorstel- 
lungen der  Gläubigsten,  so  ungewiss  sind,  dass  die  Ideen 
von  nachheriger  Reue,  künftiger  Besserung,  gehofter  Ver- 
zeihung, welche  durch  gewisse  Religionsbegriffe  so  sehr  be- 
günstigt werden  —  ihnen  einen  grossen  Theil  ihrer  Wirk- 
samkeit wiederum  nehmen;  so  ist  es  unbegreiflich,  wie  diese 
Ideen  mehr  wirken  sollten,  als  die  Vorstellung  bürgerlicher 
Strafen,  die  nah,  bei  guten  Polizeianstalten  gewiss,  und  we- 
der durch  Reue,  noch  nachfolgende  Besserung  abwendbar 
sind,  wenn  man  nur  von  Kindheit  an  die  Bürger  ebenso  mit 
diesen,  als  mit  jenen  Folgen  sittlicher  und  unsittlicher  Hand- 
lungen bekannt  machte.  Unläugbar  wirken  freilich  auch  we- 
niger aufgeklarte  Religionsbegriffe  bei  einem  grossen  Theile 
des  Volks  auf  eine  edlere  Art.  Der  Gedanke,  Gegenstand 
der  Fürsorge  eines  allweisen  und  vollkommenen  Wesens  zu 
sein,  giebt  ihnen  mehr  Würde,  die  Zuversicht  einer  endlosen 
Dauer  führt  sie  auf  höhere  Gesichtspunkte,  bringt  mehr  Ab- 
sicht und  Plan  in  ihre  Handlungen,  das  Gefühl  der  liebevol- 
len Güte  der  Gottheit  giebt  ihrer  Seele  eine  ähnliche  Stim- 
mung, kurz  die  Religion  flösst  ihnen  Sinn  für  die  Schönheit 
der  Tugend  ein.  Allein  wo  die  Religion  diese  Wirkungen 
haben  soll,  da  muss  sie  schon  in  den  Zusammenhang  der 
Ideen  und  Empfindungen  ganz  übergegangen  sein ,  welches 
nicht  leicht  möglich  ist ,  wenn  der  freie  Untersuchungsgeist 
gehemmt,  und  alles  auf  den  Glauben  zurükgeführt  wird; 
da  muss  auch  schon  Sinn  für  bessere  Gefühle  vorhanden 
sein;  da  entspringt  sie  mehr  aus  einem,  nur  noch  unent- 
wikkelten  Hange  zur  Sittlichkeit,  auf  den  sie  hernach  nur 
wieder  zurükwirkt.  Und  überhaupt  wird  ja  niemand  den 
Einfluss  der  Religion  auf  die  Sittlichkeit  ganz  abläugnen 
wollen;  es  fragt  sich  nur  immer,  ob  er  von  einigen  be- 
stimmten Religionssäzen  abhängt?  und  dann  ob  er  so  ent- 
schieden ist,   dass  Moralilät   und  Religion   darum  in  unzer- 


76 

trennlicher  Verbindung  mit  einander  stehen?  Beide  Fragen 
müssen,  glaube  ich,  verneint  werden.  Die  Tugend  stimmt 
so  sehr  mit  den  ursprünglichen  Neigungen  des  Menschen 
überein,  die  Gefühle  der  Liebe,  der  Verträglichkeil,  der  Ge- 
rechtigkeit haben  so  etwas  Süsses,  die  der  uneigennüzigen 
Thätigkeit,  der  Aufopferung  für  andre  so  etwas  Erhebendes, 
die  Verhältnisse,  welche  daraus  im  häuslichen  und  gesell- 
schaftlichen Leben  überhaupt  entspringen,  sind  so  beglük- 
kend,  dass  es  weit  weniger  nothwendig  ist,  neue  Triebfedern 
zu  tugendhaften  Handlungen  hervorzusuchen,  als  nur  denen, 
welche  schon  von  selbst  in  der  Seele  liegen,  freiere  und 
ungehindertere  Wirksamkeit  zu  verschaffen. 

Wollte  man  aber  auch  weiter  gehen,  wollte  man  neue 
Beförderungsmittel  hinzufügen  ;  so  dürfte  man  doch  nie  ein- 
seitig vergessen,  ihren  IN  uzen  gegen  ihren  Schaden  abzu- 
wägen. Wie  vielfach  aber  der  Schade  eingeschränkter 
Denkfreiheit  ist,  bedarf  wohl,  nachdem  es  so  oft  gesagt,  und 
wieder  gesagt  ist,  keiner  weitläufigen  Auseinandersezung 
mehr;  und  ebenso  enthält  der  Anfang  dieses  Aufsazes  schon 
alles,  was  ich  über  den  Nachtheil  jeder  positiven  Beförde- 
rung der  Religiosität  durch  den  Staat  zu  sagen  für  noth- 
wendia;  halte.  Erstrekte  sich  dieser  Schade  bloss  auf  die 
Resultate  der  Untersuchungen,  brächte  er  bloss  Unvollstän- 
digkeit  oder  Unrichtigkeit*  in  unsrer  wissenschaftlichen  Er- 
kenntniss  hervor;  so  möchte  es  vielleicht  einigen  Schein 
haben,  wenn  man  den  Nuzen,  den  man  von  dem  Charak- 
ter davon  erwartet  —  auch  erwarten  darf?  —  dagegen  ab- 
wägen  wollte.  Allein  so  ist  der  Nachtheil  bei  weitem  be- 
trächtlicher. Der  Nuzen  freier  Untersuchung  dehnt  sich  auf 
unsre  ganze  Art,  nicht  bloss  zu  denken,  sondern  zu  handien 
aus.  In  einem  Manne,  der  gewohnt  ist,  Wahrheit  und  Irr- 
thum,  ohne  Rüksicht  auf  äussere  Verhältnisse  für  sich  und 
gegen  andre  zu  beurtheilen,  und  von  andren  beurtheilt  zu 


77 

hören,  sind  alle  Principien  des  Handlens  durchdachter,  kon- 
sequenter, aus  höheren  Gesichtspunkten  hergenommen,  als 
in  dem,  dessen  Untersuchungen  unaufhörlich  von  Umständen 
geleitet  werden,  die  nicht  in  der  Untersuchung  selbst  liegen. 
Untersuchung  und  Ueberzeugung,  die  aus  der  Untersuchung 
entspringt,  ist  Selbsttätigkeit;  Glaube  Vertrauen  auf  fremde 
Kraft,  fremde  intellektuelle  oder  moralische  Vollkommenheit. 
Daher  entsteht  in  dem  untersuchenden  Denker  mehr  Selbst- 
ständigkeit, mehr  Festigkeit;  in  dem  vertrauenden  Gläubigen 
mehr  Schwäche,  mehr  Unthätigkeit.  Es  ist  wahr,  dass  der 
Glaube,  wo  er  ganz  herrscht,  und  jeden  Zweifel  erstikt, 
sogar  einen  noch  unüberwindlicheren  Muth,  eine  noch  aus- 
dauerndere Stärke  hervorbringt;  die  Geschichte  aller  Schwär- 
mer lehrt  es.  Allein  diese  Stärke  ist  nur  da  wünschens- 
werth,  wo  es  auf  einen  äussren  bestimmten  Erfolg  an- 
kommt, zu  welchem  bloss  maschinenmässiges  Wirken  erfor- 
dert wird;  nicht  da,  wo  man  eignes  Beschliessen,  durchdachte, 
auf  Gründen  der  Vernunft  beruhende  Handlungen,  oder  gar 
innere  Vollkommenheit  erwartet.  Denn  diese  Stärke  selbst 
beruht  nur  auf  der  Unterdrükkung  aller  eignen  Thätigkeit 
der  Vernunft.  Zweifel  sind  nur  dem  quälend,  welcher 
glaubt,  nie  dem,  welcher  bloss  der  eignen  Untersuchung  folgt. 
Denn  überhaupt  sind  diesem  die  Resultate  weit  weniger 
wichtig,  als  jenem.  Er  ist  sich,  während  der  Untersuchung, 
der  Thätigkeit,  der  Stärke  seiner  Seele  bewusst,  er  fühlt, 
dass  seine  wahre  Vollkommenheit,  seine  Glükseliiikeit  eioent- 
lieh  auf  dieser  Stärke  beruht;  statt  dass  Zweifel  an  den 
Säzen,  die  er  bisher  für  wahr  hielt,  ihn  drükken  sollten, 
freut  es  ihn,  dass  seine  Denkkraft  so  viel  gewonnen  hat, 
Irrthümer  einzusehen,  die  ihm  vorher  verborgen  blieben. 
Der  Glaube  hingegen  kann  nur  Interesse  an  dem  Resultat 
selbst  finden,  denn  für  ihn  liegt  in  der  erkannten  Wahrheit 
nichts  mehr.     Zweifel,   die   seine  Vernunft  erregt,   peinigen 


78 

ihn.  Denn  sie  sind  nicht,  wie  in  dem  selbstdenkenden  Kopfe, 
neue  Mittel  zur  Wahrheit  zu  gelangen;  sie  nehmen  ihm  bloss 
die  Gewissheit,  ohne  ihm  ein  Mittel  anzuzeigen,  dieselbe  auf 
eine  andre  Weise  wieder  zu  erhalten.  Diese  Betrachtung, 
weiter  verfolgt,  führt  auf  die  Bemerkung,  dass  es  überhaupt 
nicht  gut  ist,  einzelnen  Resultaten  eine  so  grosse  Wichtig- 
keit beizumessen,  zu  glauben,  dass  entweder  so  viele  andere 
Wahrheiten,  oder  so  viele  äussere  oder  innere  nüzliche 
Folgen  von  ihnen  abhiingen.  Es  wird  dadurch  zu  leicht 
ein  Stillsland  in  der  Untersuchung  hervorgebracht,  und  so 
arbeiten  manchmal  die  freiesten  und  aufgeklärtesten  Behaup- 
tungen gerade  gegen  den  Grund,  ohne  den  sie  selbst  nie 
halten  emporkommen  können.  So  wichtig  ist  Geistesfreiheit, 
so  schädlich  jede  Einschränkung  derselben.  Auf  der  andren 
Seite  hingegen  fehlt  es  dem  Staate  nicht  an  Mitteln,  die  Ge- 
seze  aufrecht  zu  erhalten,  und  Verbrechen  zu  verhüten. 
Man  verslopfe,  soviel  es  möglich  ist,  diejenigen  Quellen  un- 
sittlicher Handlungen,  welche  sich  in  der  Staatseinrichtung 
selbst  finden,  man  schärfe  die  Aufsicht  der  Polizei  auf  be- 
gangene  Verbrechen,  man  strafe  auf  eine  zwekmässige 
Weise,  und  man  wird  seines  Zweks  nicht  verfehlen.  Und 
vergisst  man  denn,  dass  die  Geistesfreiheit  selbst,  und  die 
Aufklärung,  die  nur  unter  ihrem  Schuze  gedeiht,  das  wirk- 
samste aller  Beförderungsmittel  der  Sicherheit  ist?  Wenn 
alle  übrige  nur  den  Ausbrüchen  wehren,  so  wirkt  sie  auf 
Neigungen  und  Gesinnungen;  wenn  alle  übrige  nur  eine 
Uebereinstimmung  äussrer  Handlungen  hervorbringen,  so 
schaft  sie  eine  innere  Harmonie  des  Willens  und  des  Be- 
strebens. Wann  wird  man  aber  auch  endlich  aufhören,  die 
äusseren  Folgen  der  Handlungen  höher  zu  achten,  als  die 
innere  geislige  Stimmung,  aus  welcher  sie  fliessen?  wann 
wird  der  Mann  aufslehen,  der  für  die  Gesezgebung  ist,  was 
Rousseau  der  Erziehung  war,    der  den   Gesichtspunkt  von 


79 

den  äussren  physischen  Erfolgen  hinweg  auf  die  innere  Bil- 
dung des  Menschen  zurükzieht? 

Man  glaube  auch  nicht,  dass  jene  Geistesfreiheit  und 
Aufklarung  nur  für  einige  Wenige  des  Volks  sei,  dass  für 
den  grösseren  Theil  desselben,  dessen  Geschäftigkeit  freilich 
durch  die  Sorge  für  die  physischen  Bedürfnisse  des  Lebens 
erschöpft  wird,  sie  unnüz  bleibe,  oder  gar  nachtheilig  werde, 
dass  man  auf  ihn  nur  durch  Verbreitung  bestimmter  Säze, 
durch  Einschränkung  der  Denkfreiheit  wirken  könne.  Es 
liegt  schon  an  sich  etwas  die  Menschheit  Herabwürdigendes 
in  dem  Gedanken,  irgend  einem  Menschen  das  Recht  abzu- 
sprechen, ein  Mensch  zu  sein.  Keiner  steht  auf  einer  so 
niedrigen  Stufe  der  Kultur,  dass  er  zu  Erreichung  einer 
höheren  unfähig  wäre;  und  sollten  auch  die  aufgeklärteren 
religiösen  und  philosophischen  Ideen  auf  einen  grossen  Theil 
der  Bürger  nicht  unmittelbar  übergehen  können,  sollte  man 
dieser  Klasse  von  Menschen,  um  sich  an  ihre  Ideen  anzu- 
schmiegen, die  Wahrheit  in  einem  andern  Kleide  vortragen 
müssen,  als  man  sonst  wählen  würde,  sollte  man  genöthigt 
sein,  mehr  zu  ihrer  Einbildungskraft  und  zu  ihrem  Herzen, 
als  zu  ihrer  kalten  Vernunft  zu  reden;  so  verbreitet  sich 
doch  die  Erweiterung,  welche  alle  wissenschaftliche  Erkennt- 
niss  durch  Freiheit  und  Aufklärung  erhält,  auch  bis  auf  sie 
herunter,  so  dehnen  sich  doch  die  wohlthäligen  Folgen  der 
freien,  uneingeschränkten  Untersuchung  auf  den  Geist  und 
den  Charakter  der  ganzen  Nation  bis  in  ihre  geringsten  In- 
dividua  hin  aus. 

Um  diesem  Raisonnement,  weil  es  sich  grossen llieils 
nur  auf  den  Fall  bezieht,  wenn  der  Staat  gewisse  Religions- 
säze  zu  verbreiten  bemüht  ist,  eine  grössere  Allgemeinheit 
zu  geben,  muss  ich  noch  an  den,  im  Vorigen  entwikelten 
Saz  erinnern,  dass  aller  Einlluss  der  Religion  auf  die  Sitt- 
lichkeit weit  mehr  —  wenn  nicht   allein  —  von   der  Form 


80 

abhängt,   in  welcher  gleichsam   die  Religion  im  Menschen 
existirt,  als  von  dem  Inhalte  der  Säze,  welche  sie  ihm  hei- 
lio-  macht.     Nun  aber  wirkt  jede  Veranstaltung  des  Staats, 
wie  ich   gleichfalls  im   Vorigen    zu    zeigen    versucht    habe, 
nur  mehr  oder  minder,  auf  diesen  Inhalt,  indess  der  Zugang 
zu  jener  Form   —  wenn  ich  mich    dieses  Ausdruks    ferner 
bedienen  darf  —  ihm   so  gut  als   gänzlich  verschlossen  ist. 
Wie  Religion  in   einem  Menschen  von   selbst  entstehe?  wie 
er  sie  aufnehme?  diess  hängt  gänzlich  von  seiner  ganzen  Art 
zu  sein,  zu  denken  und  zu  empfinden  ab.     Auch  nun  ange- 
nommen, der  Staat  wäre  im  Stande,  diese  auf  eine,  seinen 
Absichten  bequeme  Weise  umzuformen  —  wovon  doch  die 
Unmöglichkeit    wohl    unläugbar  ist   —    so   wäre  ich  in  der 
Rechtfertigung  der,  in  dem  ganzen  bisherigen  Vortrage  auf- 
gestellten Behauptungen    sehr   unglüklich    gewesen,    wenn 
ich  hier  noch  alle  die  Gründe  wiederholen  müsste,  welche  es 
dem  Staate  überall  verbieten,  sich  des  Menschen,  mit  Ueber- 
sehung  der  individuellen  Zwekke  desselben,  eigenmächtig  zu 
seinen  Absichten  zu  bedienen.    Dass  auch  hier  nicht  absolute 
Nolhwendigkeit  eintritt,  welche  allein  vielleicht  eine  Ausnahme 
zu  rechtfertigen  vermöchte,  zeigt  die  Unabhängigkeit  der  Mo- 
ralität  von  der  Religion,   die   ich   darzuthun   versucht  habe, 
und  werden  diejenigen  Gründe   noch  in   ein  helleres  Licht 
stellen,  durch  die  ich  bald  zu  zeigen  gedenke,  dass  die  Er- 
haltung  der    innerlichen   Sicherheit   in  einem  Staate  keines- 
wegs    es   erfordert,    den    Sitten    überhaupt   eine   eigne    be- 
stimmte Richtung  zu  geben.     Wenn   aber  irgend   etwas   in 
den  Seelen  der  Bürger  einen  fruchtbaren  Boden  für  die  Re- 
ligion zu  bereiten  vermag,  wenn  irgend  etwas  die  fest  auf- 
genommene und  in  das  Gedanken-  wie  in  das  Empfindungs- 
system übergegangene  Religion    wohl thä tig   auf  die  Sittlich- 
keit  zurükwirken   lässt;    so  ist  es  die  Freiheit,  welche  doch 
immer,  wie  wenig  es  auch  sei,  durch  eine  positive  Sorgfalt 


81 

des  Staats  leidet.  Denn  je  mannigfaltiger  und  eigentüm- 
licher der  Mensch  sich  ausbildet,  je  höher  sein  Gefühl  sich 
emporschwingt;  deslo  leichter  lichtet  sich  auch  sein  Blik 
von  dem  engen,  wechselnden  Kreise,  der  ihn  umgiebt,  auf 
das  hin,  dessen  Unendlichkeit  und  Einheit  den  Grund  jener 
Schranken  und  jenes  Wechsels  enthält,  er  mag  nun  ein  sol- 
ches Wesen  zu  finden  oder  nicht  zu  finden  vermeinen.  Je 
freier  ferner  der  Mensch  ist,  desto  selbstständiger  wird  er 
in  sich,  und  desto  wohlwollender  gegen  andere.  Nun  aber 
führt  nichts  so  der  Gottheit  zu,  als  wohlwollende  Liebe; 
und  macht  nichts  so  das  Entbehren  der  Gottheit  der  Sitt- 
lichkeit unschädlich,  als  Selbstständigkeit,  die  Kraft,  die  sich 
in  sich  genügt,  und  sich  auf  sich  beschränkt.  Je  höher 
endlich  das  Gefühl  der  Kraft  in  dem  Menschen,  je  unge- 
hemmter jede  Aeusserung  derselben;  desto  williger  sucht  er 
ein  inneres  Band,  das  ihn  leite  und  führe,  und  so  bleibt  er 
der  Sittlichkeit  hold,  es  mag  nun  diess  Band  ihm  Ehrfurcht 
und  Liebe  der  Gottheit,  oder  Belohnung  des  eignen  Selbst- 
gefühls sein.  Der  Unterschied  scheint  mir  demnach  der: 
der  in  Religionssachen  völlig  sich  selbst  gelassene  Bürger 
wird  nach  seinem  individuellen  Charakter  religiöse  Gefühle 
in  sein  Inneres  verweben,  oder  nicht;  aber  in  jedem  Fall 
wird  sein  Ideensystem  konsequenter,  seine  Empfindung  tie- 
fer, in  seinem  Wesen  mehr  Einheit  sein,  und  so  wird  ihn 
Sittlichkeit  und  Gehorsam  gegen  die  Geseze  mehr  auszeich- 
nen. Der  durch  mancherlei  Anordnungen  beschränkte  hin- 
gegen  wird  —  troz  derselben  —  eben  so  verschiedne  Reli- 
gionsideen aufnehmen,  oder  nicht;  allein  in  jedem  Fall  wird 
er  weniger  Konsequenz  der  Ideen,  weniger  Innigkeit  des 
Gefühls,  weniger  Einheit  des  Wesens  besizen,  und  so  wird 
er  die  Sittlichkeit  minder  ehren,  und  dem  Gesez  öfter  aus- 
weichen wollen. 

Ohne  also    weitere   Gründe   hinzuzufügen,    glaube    ich 
vu.  f> 


82 

demnach  den  auch  an  sich  nicht  neuen  Saz  aufstellen  zu 
dürfen,  dass  alles,  was  die  Religion  betrifl,  ausserhalb  der 
Granzcn  der  Wirksamkeit  des  Staats  liegt,  und  dass  die  Pre- 
diger, wie  der  ganze  Gottesdienst  überhaupt,  eine,  ohne  alle 
besondere  Aufsicht  des  Staats  zu  lassende  Einrichtung  der 
Gemeinen  sein  müssten. 


VIII. 
Sittenverbesserung  *). 

Das  lezte  Mittel,  dessen  sich  die  Staaten  zu  bedienen 
pflegen,  um  eine,  ihrem  Endzwek  der  Beförderung  der  Si- 
cherheit angemessene  Umformung  der  Sitten  zu  bewirken, 
sind  einzelne  Geseze  und  Verordnungen.  Da  aber  diess  ein 
Weg  ist,  auf  welchem  Sittlichkeit  und  Tugend  nicht  unmit- 
telbar befördert  werden  kann;  so  müssen  sich  einzelne  Ein- 
richtungen dieser  Art  natürlich  darauf  beschranken,  einzelne 
Handlungen  der  Bürger  zu  verbieten,  oder  zu  bestimmen, 
die  theils  an  sich,  jedoch  ohne  fremde  Rechte  zu  kränken, 
unsittlich  sind,  theils  leicht  zur  Unsittlichkeit  führen.  Dahin 
gehören  vorzüglich  alle  Luxus  einschränkende  Geseze.  Denn 
nichts  ist  unstreitig  eine  so  reiche  und  gewöhnliche  Quelle  un- 
sittlicher, selbst  gesezwidriger  Handlungen,  als  das  zu  grosse 
Uebergewicht  der  Sinnlichkeit  in  der  Seele,  oder  das  Mis- 
verhältniss  der  Neigungen  und  Begierden  überhaupt  gegen 
die  Kräfte  der  Befriedigung,  welche  die  äussere  Lage  dar- 
bietet. Wenn  Enthaltsamkeit  und  Massigkeit  die  Menschen 
mit   den   ihnen   angewiesenen  Kreisen    zufrieden   maebt;   so 


*)  Dieser  Abschnitt  war  bereits  in  der  Berliner  Monatsschrift 
Jahrg.  1792,  Stück  11.  S.  419  —  44  enthalten  und  ist  daraus  in 
diesen  „gesammelten  Werken"  Bd.  I.  S.  318  —  35  abgedrukt, 
vergl.  S.  45   Anm. 


83 

suchen  sie  minder,  dieselben  auf  eine,  die  Rechte  andrer 
beleidigende,  oder  wenigstens  ihre  eigne  Zufriedenheit  und 
Glükseligkeit  störende  Weise  zu  verlassen.  Es  scheint  da- 
her dem  wahren  Endzwek  des  Staats  angemessen,  die  Sinn- 
lichkeit —  aus  welcher  eigentlich  alle  Kollisionen  unter  den 
Menschen  entspringen,  da  das,  worin  geistige  Gefühle  über- 
wiegend sind,  immer  und  überall  harmonisch  mit  einander 
bestehen  kann  —  in  den  gehörigen  Schranken  zu  halten; 
und,  weil  diess  freilich  das  leichteste  Mittel  hierzu  scheint, 
so  viel  als  möglich  zu  unterdrükken.  Bleibe  ich  indess  den 
bisher  behaupteten  Grundsäzen  gelreu,  immer  erst  an  dem 
wahren  Interesse  des  Menschen  die  Mittel  zu  prüfen,  deren 
der  Staat  sich  bedienen  darf;  so  wird  es  no th wendig  sein, 
mehr  dem  Einfluss  der  Sinnlichkeil  auf  das  Leben,  die  Bil- 
dung, die  Thätigkeit  und  die  Glükseligkeit  des  Menschen, 
soviel  es  zu  dem  gegenwärtigen  Endzwekke  dient,  zu  un- 
tersuchen —  eine  Untersuchung,  welche,  indem  sie  den 
thätigen  und  geniessenden  Menschen  überhaupt  in  seinem 
Innern  zu  schildern  versucht,  zugleich  anschaulicher  dar- 
stellen wird,  wie  schädlich  oder  wohllhalig  demselben  über- 
haupt Einschränkung  und  Freiheit  ist.  Erst  wenn  diess  ge- 
schehen isl,  dürfte  sich  die  Befugniss  des  Staats,  auf  die  " 
Sitten  der  Bürger  positiv  zu  wirken,  in  der  höchsten  All- 
gemeinheit beuitheilen,  und  damit  dieser  Theil  der  Aullösung 
der  vorgelegten  Frage  beschliessen  lassen. 

Die  sinnlichen  Empfindungen,  Neigungen  und  Leiden- 
schaften sind  es,  welche  sich  zuerst  und  in  den  heftigsten 
AeusseRingen  im  Menschen  zeigen.  Wo  sie,  ehe  noch  Kul- 
tur sie  verfeinert,  oder  der  Energie  der  Seele  eine  andre 
Richtung  gegeben  hat,  schweigen;  da  ist  auch  alle  Kraft 
erstorben,  und  es  kann  nie  etwas  Gutes  und  Grosses  ge- 
deihen. Sie  sind  es  gleichsam,  welche  wenigstens  zuerst 
der  Seele  eine  belebende  Wärme  einhauchen,  zuerst  zu  einer 

6* 


84 

eigenen  Thätigkeit  anspornen.  Sie  bringen  Leben  und  Stre- 
bekraft in  dieselbe,  unbefriedigt  machen  sie  thätig,  zur  An- 
legung von  Planen  erfindsam,  mulhig  zur  Ausübung;  be- 
friedigt befördern  sie  ein  leichtes,  ungehindertes  Ideenspiel. 
Ueberhaupt  bringen  sie  alle  Vorstellungen  in  grössere  und 
mannigfaltigere  Bewegung,  zeigen  neue  Ansichten,  führen 
auf  neue,  vorher  unbemerkt  gebliebene  Seiten;  ungerechnet, 
wie  die  verschiedne  Art  ihrer  Befriedigung  auf  den  Körper 
und  die  Organisation,  und  diese  wieder  auf  eine  Weise,  die 
uns  freilich  nur  in  den  Resultaten  sichtbar  wird,  auf  die 
Seele  zurükwirkt. 

Indess  ist  ihr  Einfluss  in  der  Intension,  wie  in  der  Art 
des  Wirkens  verschieden.  Diess  beruht  theils  auf  ihrer 
Starke  oder  Schwache,  theils  aber  auch  —  wenn  ich  mich 
so  ausdrükken  darf  —  auf  ihrer  Verwandtschaft  mit  dem 
Unsinnlichen,  auf  der  grösseren  oder  minderen  Leichtigkeit, 
sie  von  thierischen  Genüssen  zu  menschlichen  Freuden  zu 
erheben.  So  leiht  das  Auge  der  Materie  seiner  Empfindung 
die  für  uns  so  genussreiche  und  ideenfruchtbare  Form  der 
Gestalt,  so  das  Ohr  die  der  verhältnissmassigen  Zeilfolge 
der  Töne.  Ueber  die  verschiedene  Natur  dieser  Empfindun- 
gen und  die  Art  ihrer  Wirkung  liesse  sich  vielleicht  viel 
Schönes  und  manches  Neue  sagen,  wozu  aber  schon  hier 
nicht  einmal  der  Ort  ist.  Nur  Eine  Bemerkung  über  ihren 
verschiedenen  Nuzen  zur  Bildung  der  Seele.  Das  Auge, 
wenn  ich  so  sagen  darf,  liefert  dem  Verslande  einen  mehr 
vorbereiteten  Stoff.  Das  Innere  des  Menschen  wird  uns 
gleichsam  mit  seiner,  und  der  übrigen,  immer  in  unserer 
Phantasie  auf  ihn  bezogenen  Dinge  Gestalt,  bestimmt,  und 
in  einem  einzelnen  Zustande,  gegeben.  Das  Ohr,  bloss  als 
Sinn  betrachtet,  und  insofern  es  nicht  Worte  aufnimmt,  ge- 
währt eine  bei  weitem  geringere  Bestimmtheit.  Darum 
räumt  auch  Kant  den  bildenden  Künsten  den  Vorzug  vor 


85 

der  Musik  ein.  Allein  er  bemerkt  sehr  richtig,  dass  diess 
auch  zum  Maassstabe  die  Kultur  vorausseht,  welche  die 
Künste  dem  Gemüih  verschaffen,  und  ich  möchte  hinzu- 
sezen,  welche  sie  ihm  unmittelbar  verschaffen.  Es  fragt 
sich  indess,  ob  diess  der  richtige  Maassstab  sei?  Meiner 
Idee  nach,  ist  Energie  die  erste  und  einzige  Tugend  des 
Menschen.  Was  seine  Energie  erhöht,  ist  mehr  werth,  als 
was  ihm  nur  Stoff  zur  Energie  an  die  Hand  giebt.  Wie 
nun  aber  der  Mensch  auf  Einmal  nur  Eine  Sache  empfin- 
det, so  wirkt  auch  das  am  meisten,  was  nur  Eine  Sache 
zugleich  ihm  darstellt;  und  wie  in  einer  Reihe  auf  einander 
folgenden  Empfindungen  jede  einen,  durch  alle  vorige  ge- 
wirkten, und  auf  alle  folgende  wirkenden  Grad  hat,  das,  in 
welchem  die  einzelnen  Bestandteile  in  einem  ähnlichen  Ver- 
hältnisse stehen.  Diess  alles  aber  ist  der  Eall  der  Musik. 
Ferner  ist  der  Musik  bloss  diese  Zeitfolge  eigen;  nur  diese 
ist  in  ihr  bestimmt.  Die  Reihe,  welche  sie  darstellt,  nöthigt 
sehr  wenig  zu  einer  bestimmten  Empfindung.  Es  ist  gleich- 
sam ein  Thema,  dem  man  unendlich  viele  Texte  unterlegen 
kann.  Was  ihr  also  die  Seele  des  Hörenden  —  insofern 
derselbe  nur  überhaupt  und  gleichsam  der  Gattung  nach, 
in  einer  verwandten  Stimmung  ist  —  wirklich  unterlegt, 
entspringt  völlig  frei  und  ungebunden  aus  ihrer  eignen  Fülle, 
und  so  umfasst  sie  es  unstreitig  wärmer,  als  was  ihr  gege- 
ben wird,  und  was  oft  mehr  beschäftigt,  wahrgenommen,  als 
empfunden  zu  werden.  Andre  Eigenthümlichkeiten  und  Vor- 
züge der  Musik,  z.  B.  dass  sie,  da  sie  aus  natürlichen  Ge- 
genständen Töne  hervorlokt,  der  Natur  weit  näher  bleibt,  als 
Mahlerei,  Plastik  und  Dichtkunst,  übergehe  ich  hier,  da  es 
mir  nicht  darauf  ankommt,  eigentlich  sie  und  ihre  Natur  zu 
prüfen,  sondern  ich  sie  nur  als  ein  Beispiel  brauche,  um  an 
ihr  die  verschiedene  Natur  der  sinnlichen  Empfindungen 
deutlicher  darzustellen.     Die  eben  geschilderte  Art  zu  wir- 


86 

ken,  ist  nun  nicht  der  iMusik  allein  eigen.  Kant  bemerkt 
eben  sie  als  möglich  bei  einer  wechselnden  Farbenmischung, 
und  in  noch  höherem  Grade  ist  sie  es  bei  dem,  was  wir 
durch  das  Gefühl  empfinden.  Selbst  bei  dem  Geschmak  ist 
sie  unverkennbar.  Auch  im  Geschmak  ist  ein  Steigen  des 
Wohlgefallens,  das  sich  gleichsam  nach  einer  Auflösung 
sehnt ,  und  nach  der  gefundenen  Auflösung  in  schwächeren 
Vibrationen  nach  und  nach  verschwindet.  Am  dunkelsten 
dürfte  diess  bei  dem  Geruch  sein.  Wie  nun  im  empfinden- 
den iMenschen  der  Gang  der  Empfindung,  ihr  Grad,  ihr 
wechselndes  Steigen  und  Fallen,  ihre  —  wenn  ich  mich  so 
ausdrükken  darf  —  reine  und  volle  Harmonie  eigentlich  das 
anziehendste,  und  anziehender  ist,  als  der  Stoff  selbst,  inso- 
fern man  nemlich  vergisst,  dass  die  Natur  des  Stoffes  vor- 
züglich den  Grad,  und  noch  mehr  die  Harmonie  jenes  Gan- 
ges bestimmt;  und  wie  der  empfindende  Mensch  —  gleich- 
sam das  Bild  des  blüthetreibenden  Frühlings  —  gerade  das 
interessanteste  Schauspiel  ist,  so  sucht  auch  der  Mensch 
gleichsam  diess  Bild  seiner  Empfindung,  mehr  als  irgend 
etwas  andres,  in  allen  schönen  Künsten.  So  macht  die 
Mahlerei,  selbst  die  Plastik  es  sich  eigen.  Das  Auge  der 
Guido  Konischen  Madonna  hält  sich  gleichsam  nicht  in  den 
Schranken  eines  flüchtigen  Augenbliks.  Die  angespannte 
Muskel  des  Borghesischen  Fechters  verkündet  den  Stoss, 
den  er  zu  vollführen  bereit  ist.  Lud  in  noch  höherem  Grade 
benuzt  diess  die  Dichtkunst.  Ohne  hier  eigentlich  von  dem 
Hange  der  schönen  Künste  reden  zu  wollen,  sei  es  mir  er- 
laubt, nur  noch  Folgendes  hinzuzusezen,  um  meine  Idee 
deutlich  zu  machen.  Die  schönen  Künste  bringen  eine  dop- 
pelle Wirkung  hervor,  welche  man  immer  bei  jeder  vereint, 
aber  auch  bei  jeder  in  sehr  verschiedener  Mischung  antritt; 
sie  geben  unmittelbar  Ideen,  oder  regen  die  Empfindung  auf, 
stimmen  den  Ton  der  Seele,  oder,  wenn  der  Ausdruk  nicht 


87 

zu  gekünstelt  scheint,  bereichern  oder  erhöhen  mehr  ihre 
Kraft.  Je  mehr  nun  die  eine  Wirkung-  die  andre  zu  Hülfe 
nimmt,  desto  mehr  schwächt  sie  ihren  eignen  Eindruk.  Die 
Dichtkunst  vereinigt  am  ineisten  und  vollständigsten  beide, 
und  darum  ist  dieselbe  auf  der  einen  Seile  die  vollkom- 
menste aller  schönen  Künste,  aber  auf  der  andren  Seite  auch 
die  schwächste.  Indem  sie  den  Gegenstand  weniger  lebhaft 
darstellt,  als  die  Mahlerei  und  die  Plastik,  spricht  sie  die 
Empfindung  weniger  eindringend  an,  als  der  Gesang  und 
die  Musik.  Allein  freilich  vergisst  man  diesen  Mangel  leicht, 
da  sie  —  jene  vorhin  bemerkte  Vielseitigkeit  noch  abge- 
rechnet —  dem  innren,  wahren  Menschen  gleichsam  am 
nächsten  tritt,  den  Gedanken,  wie  die  Empfindung,  mit  der 
leichtesten  Hülle  bekleidet.  —  Die  energisch  wirkenden  sinn- 
lichen Empfindungen  —  denn  nur  um  diese  zu  erläutern, 
rede  ich  hier  von  Künsten  —  wirken  wiederum  verschie- 
den, theils  je  nachdem  ihr  Gang  wirklich  das  abgemessenste 
Verhältniss  hat,  theils  je  nachdem  die  Bestandteile  selbst, 
gleichsam  die  Materie,  die  Seule  stärker  ergreifen.  So  wirkt 
die  gleich  richtige  und  schöne  Menschenstimme  mehr  als 
ein  todtes  Instrument.  Nun  aber  ist  uns  nie  etwas  näher, 
als  das  eigne  körperliche  Gefühl.  Wo  also  dieses  selbst 
mit  im  Spiele  ist,  da  ist  die  Wirkung  am  höchsten.  Aber 
wie  immer  die  unverhältnissmässige  Stärke  der  Materie 
gleichsam  die  zarte  Form  unterdrükt;  so  geschieht  es  auch 
hier  oft,  und  es  muss  also  zwischen  beiden  ein  richtiges 
Verhältniss  sein.  Das  Gleichgewicht  bei  einem  .unrichtigen 
Verhältniss  kann  hergestellt  werden  durch  Erhöhung  der 
Kraft  des  einen ,  oder  Schwächung  der  Stärke  des  andren. 
Allein  es  ist  immer  falsch,  durch  Schwächung  zu  bilden, 
oder  die  Stärke  müsste  denn  nicht  natürlich,  sondern  er- 
künstelt sein.  Wo  sie  aber  das  nicht,  da  schränke  man  sie 
nie  ein.     Es  ist  besser,  dass  sie  sich  zerstöre,    als  dass  sie 


88 

langsam  hinsterbe.  Doch  genug  hievon.  Ich  hoffe  meine 
Idee  hinlänglich  erläutert  zu  haben,  obgleich  ich  gern  die 
Verlegenheil  gestehe,  in  der  ich  mich  bei  dieser  Unter- 
suchung belinde,  da  auf  der  einen  Seite  das  Interesse  des 
Gegenstandes,  und  die  Unmöglichkeit,  nur  die  nöthigen  Re- 
sultate aus  andren  Schritten  —  da  ich  keine  kenne,  welche 
gerade  aus  meinem  gegenwärtigen  Gesichtspunkt  ausgienge  — 
zu  entlehnen,  mich  einlud,  mich  weiter  auszudehnen;  und 
auf  der  andern  Seite  die  Betrachtung,  dass  diese  Ideen  nicht 
eigentlich  für  sich,  sondern  nur  als  Lelmsäze,  hierhergehö- 
ren, mich  immer  in  die  gehörigen  Schranken  zurükwies. 
Die  gleiche  Entschuldigung  muss  ich,  auch  bei  dem  nun 
Folgenden,  nicht  zu  vergessen  bitten. 

Ich  habe  bis  jezt  —  obgleich  eine  völlige  Trennung  nie 
möglich  ist  —  von  der  sinnlichen  Empfindung  nur  als  sinn- 
licher Empfindung  zu  reden  versucht.  Aber  Sinnlichkeit 
und  Lnsinnlichkeit  verknüpft  ein  geheimnissvolles  Band,  und 
wenn  es  unsreni  x\uge  versagt  ist,  dieses  Band  zu  sehen,  so 
ahndet  es  unser  Gefühl.  Dieser  zwiefachen  Natur  der  sicht- 
baren und  unsichtbaren  Welt,  dem  angebohrnen  Sehnen  nach 
dieser,  und  dem  Gefühl  der  gleichsam  süssen  Unentbehrlich- 
keit  jener,  danken  wir  alle,  wahrhaft  aus  dem  Wesen  des 
Menschen  entsprungene,  konsequente  philosophische  Systeme, 
so  wie  eben  daraus  auch  die  sinnlosesten  Schwärmereien 
entstehen.  Ewiges  Streben,  beide  dergestalt  zu  vereinen, 
dass  jede  so  wenig  als  möglich  der  andren  raube,  schien 
mir  immer  das  wahre  Ziel  des  menschlichen  Weisen.  Un- 
verkennbar ist  überall  diess  ästhetische  Gefühl,  mit  dem  uns 
die  Sinnlichkeit  Hülle  des  Geisligen,  und  das  Geistige  be- 
lebendes Princip  der  Sinnenwell  ist.  Das  ewige  Studium 
dieser  Physiognomik  der  Natur  bildet  den  eigentlichen  Men- 
schen. Denn  nichts  ist  von  so  ausgebreiteter  Wirkung  auf 
den  ganzen  Charakter,  als  der  Ausdruk  des  Unsinnlichen  im 


89 

Sinnlichen,  des  Erhabenen,  des  Einfachen,  des  Schönen  in 
allen  Werken  der  Natur  und  Produkten  der  Kunst,  die  uns 
umgeben.  Und  hier  zeigt  sich  zugleich  wieder  der  Unter- 
schied der  energisch  wirkenden,  und  der  übrigen  sinnlichen 
Empfindungen.  Wenn  das  lezte  Streben  alles  unsres  mensch- 
lichsten Bemühens  nur  auf  das  Entdekken,  Nähren  und  Er- 
schaffen des  einzig  warhalt  Exislirenden,  obgleich  in  seiner 
Urgestalt  ewig  Unsichtbaren,  in  uns  und  andren  gerichtet 
ist,  wenn  es  allein  das  ist,  dessen  Ahndung  uns  jedes  sei- 
ner Symbole  so  theuer  und  heilig  macht  ;  so  treten  wir  ihm 
einen  Schritt  näher,  wenn  wir  das  Bild  seiner  ewig  regen 
Energie  anschauen.  Wir  reden  gleichsam  mit  ihm  in  schwe- 
rer und  oft  unverstandner,  aber  auch  oft  mit  der  gewissesten 
Wahrheitsahndung  überraschender  Sprache,  indess  die  Ge- 
stalt —  wieder,  wenn  ich  so  sagen  darf,  das  Bild  jener 
Energie  —  weiter  von  der  Wahrheit  entfernt  ist.  Auf  die- 
sem Boden,  wenn  nicht  allein,  doch  vorzüglich,  blüht  auch 
das  Schöne,  und  noch  weit  mehr  das  Erhabene  auf,  das 
die  Menschen  der  Gottheit  gleichsam  noch  näher  bringt. 
Die  Nothwendigkeit  eines  reinen,  von  allen  Zwekken  ent- 
fernten Wohlgefallens  an  einem  Gegenstände,  ohne  Begriff, 
bewährt  ihm  gleichsam  seine  Abstammung  von  dem  Un- 
sichtbaren, und  seine  Verwandtschaft  damit;  und  das  Gefühl 
seiner  Unangemessenheit  zu  dem  überschwenglichen  Gegen- 
stande verbindet,  auf  die  menschlich  göttlichste  Weise,  un- 
endliche Grösse  mit  hingebender  Demulh.  Ohne  das  Schöne, 
fehlte  dem  Menschen  die  Liebe  der  Dinge  um  ihrer  selbst 
willen;  ohne  das  Erhabene,  der  Gehorsam,  welcher  jede 
Belohnung  verschmäht,  und  niedrige  Furcht  nicht  kennt. 
Das  Studium  des  Schönen  gewährt  Geschmak,  des  Erhab- 
nen —  wenn  es  auch  hiefür  ein  Studium  giebt,  und  nicht 
Gefühl  und  Darstellung  des  Erhabenen  allein  Frucht  des 
Genies  ist   —   richtig   abgewägte   Grösse.      Der  Geschmak 


90 

allein  aber,  dein  allemal  Grösse  zum  Grunde  liegen  muss, 
weil  nur  das  Grosse  des  Maasses,  und  nur  das  Gewaltige 
der  Haltung  bedarf,  vereint  alle  Töne  des  vollgeslimmten 
Wesens  in  eine  reizende  Harmonie.  Er  bringt  in  alle  unsre 
auch  bloss  geistigen  Empfindungen  und  Neigungen,  so  et- 
was Gemässigtes,  Gehaltnes,  auf  Einen  Punkt  hin  Gerichte- 
tes. Wo  er  fehlt,  da  ist  die  sinnliche  Begierde  roh  und  un- 
çebàndigt,  da  haben  selbst  wissenschaftliche  Untersuchungen 
vielleicht  Scharfsinn  und  Tiefsinn,  aber  nicht  Feinheit,  nicht 
Politur,  nicht  Fruchtbarkeit  in  der  Anwendung.  Ueberhaupt 
sind  ohne  ihn  die  Tiefen  des  Geistes,  wie  die  Schaze  des 
Wissens  todt  und  unfruchtbar,  ohne  ihn  der  Adel  und  die 
Stärke  des  moralischen  Willens  selbst  rauh  und  ohne  er- 
wärmende Segenskraft. 

Forschen  und  Schaffen  —  darum  drehen  und  darauf 
beziehen  sich  wenigstens,  wenn  gleich  mittelbarer  oder  un- 
mittelbarer, alle  Beschäftigungen  des  Menschen.  Das  For- 
schen, wenn  es  die  Gründe  der  Dinge,  oder  die  Schranken 
der  Vernunft  erreichen  soll,  sezfc  ausser  der  Tiefe,  einen 
mannigfaltigen  Reichlhum  und  eine  innige  Erwärmung  des 
Geistes,  eine  Anstrengung  der  vereinten  menschlichen  Kräfte 
voraus.  Nur  der  bloss  analytische  Philosoph  kann  vielleicht 
durch  die  einfachen  Operationen  der,  nicht  bloss  ruhigen, 
sondern  auch  kalten  Vernunft  seinen  Endzwek  erreichen. 
Allein  um  das  Band  zu  entdekken,  welches  synthetische 
Säze  verknüpft,  ist  eigentliche  Tiefe  und  ein  Geist  erforder- 
lich, welcher  allen  seinen  Kräften  gleiche  Stärke  zu  ver- 
schaffen gewusst  hat.  So  wird  Kants  —  man  kann  wohl 
mit  Wahrheit  sagen  —  nie  übertroflener  Tiefsinn  noch  oft 
in  der  Moral  und  Acsthelik  der  Schwärmerei  beschuldigt 
werden,  wie  er  es  schon  wurde,  und  —  wenn  mir  das  Ge- 
ständniss  erlaubt  ist  —  wenn  mir  selbst  einige,  obgleich 
seltne  Stellen  (ich  führe  hier,  als  ein  Beispiel,  die  Deutung 


91 

der  Reoenboçenfarben  in  der  Kritik  der  Urtheilskrnft  an) 
darauf  hinzuführen  scheinen;  so  klage  ich  allein  den  Man- 
gel der  Tiefe  meiner  intellektuellen  Kräfte  an.  Könnte  ich 
diese  Ideen  hier  weiter  verfolgen,  so  würde  ich  auf  die  ge- 
wiss äusserst,  schwierige,  aber  auch  ebenso  interessante  Un- 
tersuchung slossen:  welcher  Unterschied  eigentlich  zwischen 
der  Geistesbildung  des  Metaphvsikers  und  des  Dichters  ist? 
und  wenn  nicht  vielleicht  eine  vollständige,  wiederholte 
Prüfung  die  Resultate  meines  bisherigen  Nachdenkens  hier- 
über  wiederum  umstiesse,  so  würde  ich  diesen  Unterschied 
bloss  darauf  einschränken,  dass  der  Philosoph  sich  allein 
mit  Perceptionen,  der  Dichter  hingegen  mit  Sensationen  be- 
schäftigt, beide  aber  übrigens  desselben  Maasses  und  der- 
selben Bildung  der  Geisteskräfte  bedürfen.  Allein  diess 
würde  mich  zu  weit  von  meinem  gegenwärtigen  Endzwek 
entfernen,  und  ich  hoffe  selbst  durch  die  wenigen,  im  Vo- 
rigen angeführten  Gründe,  hinlänglich  bescheinigt  zu  haben, 
dass,  auch  um  den  ruhigsten  Denker  zu  bilden,  Genuss  der 
Sinne  und  der  Phantasie  oft  um  die  Seele  gespielt  haben 
muss.  Gehen  wir  aber  gar  von  transcendentalen  Untersu- 
chungen zu  psychologischen  über,  wird  der  Mensch,  wie  er 
erscheint,  unser  Studium,  wie  wird  da  nicht  der  das  gestal- 
tenreiche Geschlecht  am  tiefsten  erforschen,  und  am  wahr- 
sten und  lebendigsten  darstellen,  dessen  eigner  Empfindung 
selbst  die  wenigsten  dieser  Gestalten  fremd  sind? 

Daher  erscheint  der  also  gebildete  Mensch  in  seiner 
höchsten  Schönheit,  wenn  er  ins  praktische  Leben  tritt, 
wenn  er,  was  er  in  sich  aufgenommen  hat,  zu  neuen  Schö- 
pfungen in  und  ausser  sich  fruchtbar  macht.  Die  Analogie 
zwischen  den  Gesezen  der  plastischenNalur,  und  denen  des  gei- 
sti°;en  Schaltens  ist  schon  mit  einem  warlich  unendlich  »enie- 
vollen  Blikke  beobachtet,    und  mit  treffenden  Bemerkuncen 


92 

bewährt  worden  ').  Doch  vielleicht  wäre  eine  noch  anzie- 
hendere Ausführung  möglich  gewesen;  statt  der  Untersu- 
chung unerforschbarer  Geseze  der  Bildung  des  Keims,  hätte 
die  Psychologie  vielleicht  eine  reichere  Belehrung  erhalten, 
wenn  das  geistige  Schaffen  gleichsam  als  eine  feinere  Blüthe 
des  körperlichen  Erzeugens  näher  gezeigt  worden  wäre.  Um 
auch  in  dem  moralischen  Leben  von  demjenigen  zuerst  zu 
reden,  was  am  meisten  blosses  Werk  der  kalten  Vernunft 
scheint;  so  macht  es  die  Idee  des  Erhabenen  allein  möglich, 
dem  unbedingt  gebietenden  Geseze  zwar  allerdings,  durch 
das  Medium  des  Gefühls,  auf  eine  menschliche,  und  doch, 
durch  den  völligen  Mangel  der  Rüksicht  auf  Glükseligkeit 
oder  Unglük,  auf  eine  göttlich  uneigennüzige  Weise  zu  ge- 
horchen. Das  Gefühl  der  Unangemessenheit  der  menschli- 
chen Kräfte  zum  moralischen  Gesez,  das  tiefe  Bewusstsein, 
dass  der  Tugendhafteste  nur  der  ist,  welcher  am  innigsten 
empfindet,  wie  unerreichbar  hoch  das  Gesez  über  ihn  erha- 
ben ist,  erzeugt  die  Achtung  —  eine  Empfindung,  welche 
nicht  mehr  körperliche  Hülle  zu  umgeben  scheint,  als  no- 
ting ist,  sterbliche  Augen  nicht  durch  den  reinen  Glanz  zu 
verblenden.  Wenn  nun  das  moralische  Gesez  jeden  Men- 
schen, als  einen  Zwek  in  sich  zu  betrachten  nöthigt,  so  ver- 
eint sich  mit  ihm  das  Schönheitsgefühl,  das  gern  jedem 
Staube  Leben  einhaucht,  um,  auch  in  ihm,  an  einer  eignen 
Existenz  sich  zu  freuen,  und  das  um  so  viel  voller  und 
schöner  den  Menschen  aufnimmt  und  umfasst,  als  es,  unab- 
hängig vom  Begriff,  nicht  auf  die  kleine  Anzahl  der  Merk- 
male beschränkt  ist,  welche  der  Begriff,  und  noch  dazu  nur 
abgeschnitten  und  einzeln,  allein  zu  umfassen  vermag.  Die 
Beimischung  des  Schönheitsgefühls  scheint  der  Reinheit  des 
moralischen  Willens   Abbruch   zu    llmn,   und   sie   könnte  es 


')  F.  v.  Dalbcrg  vom  Bilden  und  Erfinden. 


93 

allerdings,  und  würde  es  auch  in  der  That,  wenn  diess  Ge- 
fühl eigentlich  dem  Menschen  Antrieh  zur  Moralitüt  sein 
sollte.  Allein  es  soll  hloss  die  Pflicht  auf  sich  haben,  gleich- 
sam mannigfaltigere  Anwendungen  für  das  moralische  Gc- 
sez  aufzufinden,  welche  dem  kalten  und  darum  hier  allemal 
unfeinen  Verstände  entgehen  würden,  und  das  Recht  ge- 
messen, dem  Menschen  —  dem  es  nicht  verwehrt  ist,  die 
mit  der  Tugend  so  ens-  verschwisterte  Glükseliekeit  zu  em- 
pfangen,  sondern  nur  mit  der  Tugend  gleichsam  um  diese 
Glükseligkeit  zu  handien  —  die  süssesten  Gefühle  zu  ge- 
währen. Je  mehr  ich  überhaupt  über  diesen  Gegenstand 
nachdenken  m;ig,  desto  weniger  scheint  mir  der  Unterschied, 
den  ich  eben  bemerkte,  bloss  subtil,  und  vielleicht  schwär- 
merisch zu  sein.  Wie  strebend  der  Mensch  nach  Genuss 
ist,  wie  sehr  er  sich  Tugend  und  Glükseligkeit  ewig,  auch 
unter  den  ungünstigsten  Umständen,  vereint  denken  möchte; 
so  ist  doch  auch  seine  Seele  für  die  Grösse  des  moralischen 
Gesezes  empfänglich.  Sie  kann  sich  der  Gewalt  nicht  er- 
wehren, mit  welcher  diese  Grösse  sie  zu  handeln  nöthigt, 
und,  nur  von  diesem  Gefühle  durchdrungen,  handelt  sie 
schon  darum  ohne  Rüksicht  auf  Genuss,  weil  sie  nie  das 
volle  Bewusstsein  verliert,  dass  die  Vorstellung  jedes  Un- 
glüks  ihr  kein  andres  Betragen  abnöthigen  würde.  Aber 
diese  Stärke  gewinnt  die  Seele  freilich  nur  auf  einem,  dem 
ähnlichen  Wege,  von  welchem  ich  im  Vorigen  rede;  nur 
durch  mächtigen  inneren  Drang  und  mannigfaltigen  äussren 
Streit.  Alle  Stärke  —  gleichsam  die  Materie  —  stammt  aus 
der  Sinnlichkeit,  und,  wie  weit  entfernt  von  dem  Stamme, 
ist  sie  doch  noch  immer,  wenn  ich  so  sagen  darf,  auf  ihm 
ruhend.  Wer  nun  seine  Kräfte  unaufhörlich  zu  erhöhen, 
und  durch  häufigen  Genuss  zu  verjüngen  sucht,  wer  die 
Stärke  seines  Charakters  oft  braucht,  seine  Unabhängigkeit 
von  der  Sinnlichkeit  zu  behaupten,  wer  so  diese  Unabhän- 


94 

gigkeit  mit  der  höchsten  Reizbarkeit  zu  vereinen  bemüht  ist, 
wessen  gerader  und  liefer  Sinn  der  Wahrheit  unermüdet 
nachforscht,  wessen  richtiges  und  feines  Schünheitsgefühl 
keine  reizende  Gestalt  unbemerkt  lässt,  wessen  Drang,  das 
ausser  sich  Empfundene  in  sich  aufzunehmen  und  das  in 
sich  Aufgenommene  zu  neuen  Geburten  zu  befruchten,  jede 
Schönheit  in  seine  Individualität  zu  verwandeln,  und,  mit 
jeder  sein  ganzes  Wesen  gattend,  neue  Schönheit  zu  erzeu- 
gen strebt;  der  kann  das  befriedigende  Bewusstsein  nähren, 
auf  dem  richtigen  Wege  zu  sein,  dem  Ideale  sich  zu  nahen, 
das  selbst  die  kühnste  Phantasie  der  Menschheit  vorzuzeich- 
nen  wagt. 

Ich  habe  durch  diess,  an  und  für  sich  politischen  Un- 
tersuchungen ziemlich  fremdartige,  allein  in  der  von  mit- 
gewählten Folge  der  Ideen  nothwendige  Gemählde  zu  zei- 
gen versucht,  wie  die  Sinnlichkeit,  mit  ihren  heilsamen  Fol- 
gen, durch  das  ganze  Leben,  und  alle  Beschäftigungen  des 
Menschen  verflochten  isl.  Ihr  dadurch  Freiheit  und  Achtung 
zu  erwerben,  war  meine  Absicht.  \  ergessen  darf  ich  indess 
nicht,  dass  gerade  die  Sinnlichkeit  auch  die  Ouelle  einer 
grossen  Menge  physischer  und  moralischer  Ucbel  ist.  Selbst 
moralisch  nur  dann  heilsam,  wenn  sie  in  richtigem  Verhält- 
niss  mit  der  Uebung  der  geistigen  Kräfte  steht,  erhält  sie 
so  leicht  ein  schädliches  Uebergewicht.  Dann  wird  mensch- 
liche Freude  thierischer  Genuss,  der  Geschmak  verschwin- 
det, oder  erhält  unnatürliche  Richtungen.  Bei  diesem  lez- 
teren  Ausdruk  kann  ich  mich  jedoch  nicht  enthalten,  vor- 
züglich in  Hinsicht  auf  gewisse  einseilige  Beurlheilungen, 
noch  zu  bemerken,  dass  nicht  unnatürlich  heissen  muss,  was 
nicht  gerade  diesen  oder  jenen  Zwek  der  Natur  erfüllt, 
sondern  was  den  allgemeinen  Endzwek  derselben  mit  dem 
Menschen  vereitelt.  Dieser  aber  ist,  dass  sein  Wesen  sich 
zu  immer  höherer  Vollkommenheil  bilde,  und  daher  vorzüg- 


95 

lieh,  dass  seine  denkende  und  empiindende  Kraft,  beide  in 
verhältnissmässigen  Graden  der  Stärke,  sich  unzertrennlich 
vereine.  Es  kann  aber  ferner  ein  Misverhältniss  entstehen, 
zwischen  der  Art,  wie  der  Mensch  seine  Kriifle  ausbildet, 
und  überhaupt  in  Thätigkeit  seat,  und  zwischen  den  IMitteln 
des  Wirkens  und  Geniessens,  die  seine  Lage  ihm  darbietet, 
und  diess  Misverhältniss  ist  eine  neue  Quelle  von  Uebeln. 
Nach  den  im  Vorigen  ausgeführten  Grundsäzen  aber  ist  es 
dem  Staat  nicht  erlaubt,  mit  positiven  Endzwekken  auf  die 
Lage  der  Bürger  zu  wirken.  Diese  Lage  erhält  daher  nicht 
eine  so  bestimmte  und  erzwungene  Form,  und  ihre  grössere 
Freiheit,  wie  dass  sie  in  eben  dieser  Freiheit  selbst  gröss- 
lentheils  von  der  Denkungs-  und  Handlungsart  der  Bürger 
ihre  Richtung  erhält,  vermindert  schon  jenes  Misverhältniss. 
Dennoch  könnte  indess  die,  immer  übrig  bleibende,  warlich 
nicht  unbedeutende  Gefahr  die  Vorstellung  der  Notwendig- 
keit erregen,  der  Siltenverderbniss  durch  Geseze  und  Staats- 
einrichtungen entgegenzukommen. 

Allein,  wären  dergleichen  Geseze  und  Einrichtungen 
auch  wirksam,  so  würde  nur  mit  dem  Grade  ihrer  Wirksam- 
keit auch  ihre  Schädlichkeit  steigen.  Ein  Staat,  in  welchem 
die  Bürger  durch  solche  Mittel  genöthigf  oder  bewogen 
würden,  auch  den  besten  Gesezcn  zu  folgen,  könnte  ein  ru- 
higer, friedliebender,  wohlhabender  Staat  sein;  allein  er 
würde  mir  immer  ein  Haufe  ernährter  Sklaven,  nicht  eine 
Vereinigung  freier,  nur,  wo  sie  die  Gränze  des  Rechts  über- 
treten, gebundener  Menschen  scheinen.  Bloss  gewisse  Hand- 
lungen, Gesinnungen  hervorzubringen,  giebt  es  freilich  sehr 
viele  Wege.  Keiner  von  allen  aber  führt  zur  wahren,  mo- 
ralischen Vollkommenheit.  Sinnliche  Antriebe  zur  Begehung 
gewisser  Handlungen,  oder  Notwendigkeit  sie  zu  unterlas- 
sen, bringen  Gewohnheit  hervor;  durch  die  Gewohnheit  wird 
das  Vergnügen,   das   anfangs   nur  mit  jenen  Antrieben  ver- 


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bunden  war,  auf  die  Handlung  selbst  übergetragen,  oder 
die  Neigung,  welche  anfangs  nur  vor  der  Nothwendigkeit 
schwieg,  gänzlich  erstikt  ;  so  wird  der  Mensch  zu  tugend- 
haften Handlungen,  gewissermaassen  auch  zu  tugendhaften 
Gesinnungen  geleitet.  Allein  die  Kraft  seiner  Seele  wird 
dadurch  nicht  erhöht;  weder  seine  Ideen  über  seine  Be- 
stimmung und  seinen  YVerlh  erhalten  dadurch  mehr  Auf- 
klärung, noch  sein  Wille  mehr  Kraft,  die  herrschende  Nei- 
gung zu  besiegen;  an  wahrer,  eigentlicher  Vollkommenheil 
gewinnt  er  folglich  nichts.  Wer  also  Menschen  bilden,  nicht 
zu  äussern  Zwekken  ziehen  will,  wird  sich  dieser  Mittel 
nie  bedienen.  Denn  abgerechnet,  dass  Zwang  und  Leitung 
nie  Tugend  hervorbringen;  so  schwächen  sie  auch  noch  im- 
mer die  Kraft.  Was  sind  aber  Sitten,  ohne  moralische 
Stärke  und  Tugend?  Und  wie  gross  auch  das  Uebel  des 
Sitten verderbnisses  sein  mag,  es  crmangelt  selbst  der  heil- 
samen Folgen  nicht.  Durch  die  Extreme  müssen  die  Men- 
schen zu  der  Weisheit  und  Tugend  mittlerem  Pfad  gelan- 
gen. Extreme  müssen,  gleich  grossen,  in  die  Ferne  leuch- 
tenden Massen,  weit  wirken.  Um  den  feinsten  Adern  des 
Körpers  Blut  zu  verschaffen,  muss  eine  beträchtliche  Menge 
in  den  grossen  vorhanden  sein.  Hier  die  Ordnung  der  Na- 
tur stören  wollen,  heisst  moralisches  Uebel  anrichten,  um 
physisches  zu  verhüten. 

Es  ist  aber  auch,  meines  Erachlens,  unrichtig,  dass  die 
Gefahr  des  Sittenverderbnisscs  so  gross  und  dringend  sei; 
und  so  manches  auch  schon  zu  Bestätigung  dieser  Behaup- 
tung im  Vorigen  gesagt  worden  ist,  so  mögen  doch  noch 
folgende  Bemerkungen  dazu  dienen,  sie  ausführlicher  zu  be- 
weisen : 

1.  Der  Mensch  ist  an  sich  mehr  zu  wohlthätigen,  als 
eigcnniizigen  Handlungen  geneigt.  Diess  zeigt  sogar  die 
Geschichte  der  Wilden.     Die  häuslichen  Tugenden  haben  so 


97 

etwas  Freundliches,  'die  öffentlichen  des  Bürgers  so  etwas 
Grosses  und  Hinreissendes,  dass  auch  der  bloss  unverdorbene 
Mensch  ihrem  Reiz  selten  widersteht. 

2.  Die  Freiheit  erhöht  die  Kraft,  und  führt,  wie  immer 
die  grössere  Stärke,  allemal  eine  Art  der  Liberalität  mit 
sich.  Zwang  erstikt  die  Kraft,  und  führt  zu  allen  eigennü- 
zigen  Wünschen,  und  allen  niedrigen  Kunstgriffen  der 
Schwäche.  Zwang  hindert  vielleicht  manche  Vergehung, 
raubt  aber  selbst  den  gesezmässigen  Handlungen  von  ihrer 
Schönheit.  Freiheit  veranlasst  vielleicht  manche  Vergehung, 
«riebt  aber  selbst  dem  Laster  eine  minder  unedle  Gestalt. 

3.  Der  sich  selbst  überlassene  Mensch  kommt  schwe- 
rer auf  richtige  Grundsäze,  allein  sie  zeigen  sich  unaustilg- 
bar in  seiner  Handlungsweise.  Der  absichtlich  geleitete  em- 
pfängt sie  leichter,  aber  sie  weichen,  auch  sogar  seiner,  doch 
geschwächten  Energie. 

4.  Alle  Staatseinrichtungen,  indem  sie  ein  mannigfal- 
tiges und  sehr  verschiedenes  Interesse  in  eine  Einheit  brin- 
gen sollen,  verursachen  vielerlei  Kollisionen.  Aus  den  Kol- 
lisionen entstehen  Misverhältnisse  zwischen  dem  Verlangen 
und  dem  Vermögen  der  Menschen;  und  aus  diesen  Verge- 
hungen. Je  müssiger  also  —  wenn  ich  so  sagen  darf  — 
der  Staat,  desto  geringer  die  Anzahl  dieser.  Wäre  es,  vor- 
züglich in  gegebenen  Fällen  möglich,  genau  die  Uebel  aufzu- 
zählen, welche  Polizeieinrichtungen  veranlassen,  und  welche 
sie  verhüten,  die  Zahl  der  ersteren  würde  allemal  grösser  sein. 

5.  Wieviel  strenge  Aufsuchung  der  wirklich  begange- 
nen Verbrechen,  gerechte  und  wohl  abgemessene,  aber  un- 
erlassliche  Strafe,  folglich  seltne  Straflosigkeit  vermag,  ist 
praktisch  noch  nie  hinreichend  versucht  worden. 

Ich  glaube  nunmehr  für  meine  Absicht  hinlänglich  ce- 
zeigt  zu  haben,   wie  bedenklich  jedes  Bemühen  des  Staats 
ist,  irgend  einer  —  nur    nicht   unmittelbar  fremdes  Recht 
vu.  *  7 


98 

kränkenden  Ausschweifung  der  Sitten  entgegen,  oder  gar 
zuvorzukommen,  wie  wenig  davon  insbesondere  heilsame  Fol- 
gen auf  die  Sittlichkeit  selbst  zu  erwarten  sind,  und  wie 
ein  solches  Wirken  auf  den  Charakter  der  Nation,  selbst 
zur  Erhaltung  der  Sicherheit,  nicht  nothwendig  ist.  Nimmt 
man  nun  noch  hinzu  die  im  Anfange  dieses  Aufsazes  ent- 
wikkelten  Gründe,  welche  jede  auf  positive  Zwekke  gerich- 
tete Wirksamkeit  des  Staats  misbilligen,  und  die  hier  um 
so  mehr  gelten,  als  gerade  der  moralische  Mensch  jede  Ein- 
schränkung am  tiefsten  fühlt;  und  vergisst  man  nicht,  dass, 
wenn  irgend  eine  Art  der  Bildung  der  Freiheit  ihre  höchste 
Schönheit  dankt,  diess  gerade  die  Bildung  der  Sitten  und 
des  Charakters  ist;  so  dürfte  die  Richtigkeit  des  folgenden 
Grundsazes  keinem  weiteren  Zweifel  unterworfen  sein,  des 
Grundsazes  nemlich: 

dass  der  Staat  sich  schlechterdings  alles  Bestrebens,  di- 
rekt oder  indirekt  auf  die  Sitten  und  den  Charakter  der 
Nation  anders  zu  wirken,  als  insofern  diess  als  eine 
natürliche,  von  selbst  entstehende  Folge  seiner  übrigen 
schlechterdings  nothwendigen  Maassregeln  unvermeidlich 
ist,  gänzlich  enthalten  müsse,  und  dass  alles,  was  diese 
Absicht  befördern  kann,  vorzüglich  alle  besondre  Auf- 
sicht auf  Erziehung,  lieligionsanstalten,  Luxusgeseze 
u.  s.  f.  schlechterdings  ausserhalb  der  Schranken  seiner 
Wirksamkeit  liege. 


IX. 

Nähere,  positive  Bestimmung  der  Sorgfalt  des  Staats 

für    die    Sicherheit.      Entwikkelung    des    Begriffs    der 

Sicherheit. 

Nachdem   ich   jezt    die    wichtigsten    und  schwierigsten 

Theile  der  gegenwärtigen  Untersuchung  geendigt  habe,  und 


99 

ich  mich  nun  der  völligen  Auflösung  der  vorgelegten  Frage 
nähere,  ist  es  nothwendig,  wiederum  einmal  einen  Buk  zu- 
rük  auf  das,  bis  hieher,  entwikkelte  Ganze  zu  werfen.  Zuerst 
ist  die  Sorgfalt  des  Staats  von  allen  denjenigen  Gegenstän- 
den entfernt  worden,  welche  nicht  zur  Sicherheit  der  Bür- 
ger, der  auswärtigen  sowohl  als  der  innerlichen,  gehören. 
Dann  ist  eben  diese  Sicherheit,  als  der  eigentliche  Gegen- 
stand der  Wirksamkeit  des  Staats  dargestellt,  und  endlich  das 
Princip  festgesezt  worden,  dass,  um  dieselbe  zu  befördern  und 
zu  erhalten,  nicht  auf  die  Sitten  und  den  Charakter  der 
Nation  selbst  zu  wirken,  diesem  eine  bestimmte  Richtung 
zu  geben,  oder  zu  nehmen,  versucht  werden  dürfe.  Gewis- 
sermaassen  könnte  daher  die  Frage:  in  welchen  Schranken 
der  Staat  seine  Wirksamkeit  halten  müsse?  schon  vollstän- 
dig beantwortet  scheinen,  indem  diese  Wirksamkeit  auf  die 
Erhaltung  der  Sicherheit,  und  in  Absicht  der  Mittel  hiezu 
noch  genauer  auf  diejenigen  eingeschränkt  ist,  welche  sich 
nicht  damit  befassen,  die  Nation  zu  den  Endzwekken  des 
Staats  gleichsam  bilden,  oder  vielmehr  ziehen  zu  wollen. 
Denn  wenn  diese  Bestimmung  gleich  nur  negativ  ist;  so 
zeigt  sich  doch  das,  was,  nach  geschehener  Absonderung, 
übrig  bleibt,  von  selbst  deutlich  genug.  Der  Staat  wird 
nemlich  allein  sich  auf  Handlungen,  welche  unmittelbar  und 
geradezu  in  fremdes  Recht  eingreifen,  ausbreiten,  nur  das 
streitige  Recht  entscheiden,  das  verlezte  wieder  herstellen, 
und  die  Verlezer  bestrafen  dürfen.  Allein  der  Begriff  der 
Sicherheit,  zu  dessen  näherer  Bestimmung  bis  jezt  nichts 
andres  gesagt  ist,  als  dass  von  der  Sicherheit  vor  auswärti- 
gen  Feinden,  und  vor  Beeinträchtigungen  der  Mitbürger 
selbst  die  Rede  sei,  ist  zu  weit,  und  vielumfassend,  um  nicht 
einer  genaueren  Auseinandersezung  zu  bedürfen.  Denn  so 
verschieden  auf  der  einen  Seite  die  Nuancen  von  dem  bloss 
Ueberzeugung  beabsichtenden  Rath  zur  zudringlichen  Em- 

rt  * 


100 

pfehlung,  und  von  da  zum  nöthigenden  Zwange,  und  eben 
so  verschieden  und  vielfach  die  Grade  der  Unbilligkeit  oder 
Ungerechtigkeit  von  der,  innerhalb  der  Schranken  des  eig- 
nen Rechts  ausgeübten,  aber  dem  andren  möglicherweise 
schädlichen  Handlung,  bis  zu  der,  gleichfalls  sich  nicht  aus 
jenen  Schranken  entfernenden,  aber  den  andren  im  Genuss 
seines  Eigenthums  sehr  leicht,  oder  immer  störenden,  und 
von  da  bis  zu  einem  wirklichen  Eingriff  in  fremdes  Eigen- 
thum  sind;  ebenso  verschieden  ist  auch  der  Umfang  des 
Begriffs  der  Sicherheit,  indem  man  darunter  Sicherheit  vor 
einem  solchen,  oder  solchen  Grade  des  Zwanges,  oder  einer 
so  nah,  oder  so  fern  das  Recht  krankenden  Handlung  ver- 
stehen kann.  Gerade  aber  dieser  Umfang:  ist  von  überaus 
grosser  Wichtigkeit,  und  wird  er  zu  weit  ausgedehnt,  oder 
zu  eng  eingeschränkt;  so  sind  wiederum,  wenn  gleich  unter 
andern  Namen,  alle  Gränzen  vermischt.  Ohne  eine  genaue 
Bestimmung  jenes  Umfangs  also  ist  an  eine  Berichtigung 
dieser  Gränzen  nicht  zu  denken.  Dann  müssen  auch  die 
Mittel,  deren  sich  der  Staat  bedienen  darf,  oder  nicht,  noch 
bei  weitem  genauer  auseinandergesezt  und  geprüft  werden. 
Denn  wenn  gleich  ein  auf  die  wirkliche  Umformung  der 
Sitten  gerichtetes  Bemühen  des  Staats,  nach  dem  Vorigen, 
nicht  rathsam  scheint;  so  ist  hier  doch  noch  für  die  Wirk- 
samkeit des  Staats  ein  viel  zu  unbestimmter  Spielraum  ge- 
lassen, und  z.  B.  die  Frage  noch  sehr  wenig  erörtert,  wie 
weit  die  einschränkenden  Geseze  des  Staats  sich  von  der, 
unmittelbar  das  Recht  andrer  beleidigenden  Handlung  ent- 
fernen? inwiefern  derselbe  wirkliche  Verbrechen  durch  Ver- 
stopfung ihrer  Quellen,  nicht  in  dem  Charakter  der  Bürger, 
aber  in  den  Gelegenheiten  der  Ausübung  verhüten  darf? 
Wie  sehr  aber,  und  mit  wie  grossem  Nachtheile  hierin  zu 
weit  gegangen  werden  kann,  ist  schon  daraus  klar,  dass  ge- 
rade Sorgfalt  für  die  Freiheit  mehrere  gute  Köpfe  vermocht 


101 

hat,  den  Staat  für  das  Wohl  der  Bürger  überhaupt  verant- 
wortlich zu  machen,  indem  sie  glaubten,  dass  dieser  allge- 
meinere Gesichtspunkt  die  ungehemmte  Thäligkeit  der  Kräfte 
befördern  würde.  Diese  Betrachtungen  nöthigen  mich  da- 
lier zu  dem  Gestiindniss,  bis  hieher  mehr  grosse,  und  in  der 
That  ziemlich  sichtbar  ausserhalb  der  Schranken  der  Wirk- 
samkeit des  Staats  liegende  Stükke  abgesondert,  als  die  ge- 
naueren Grunzen,  und  gerade  da,  wo  sie  zweifelhaft  und 
streitig  scheinen  konnten,  bestimmt  zu  haben.  Diess  bleibt 
mir  jezt  zu  thun  übrig,  und  sollte  es  mir  auch  selbst  nicht 
völlig  gelingen,  so  glaube  ich  doch  wenigstens  dahin  streben 
zu  müssen,  die  Gründe  dieses  Mislingens  so  deutlich  und 
vollständig  als  möglich,  darzustellen.  Auf  jeden  Fall  aber 
hoffe  ich,  mich  nun  sehr  kurz  fassen  zu  können,  da  alle 
Grundsäze,  deren  ich  zu  dieser  Arbeit  bedarf,  schon  im  Vo- 
rigen —  wenigstens  so  viel  es  meine  Kräfte  erlaubten  — 
erörtert  und  bewiesen  worden  sind. 

Sicher  nenne  ich  die  Bürger  in  einem  Staat,  wenn  sie 
in  der  Ausübung  der  ihnen  zustehenden  Rechte,  dieselben 
mögen  nun  ihre  Person,  oder  ihr  Eigenthum  betreffen,  nicht 
durch  fremde  Eingriffe  gestört  werden;  Sicherheit  folglich  — 
wenn  der  Ausdruk  nicht  zu  kurz,  und  vielleicht  dadurch 
undeutlich  scheint,  Gewissheit  der  (fesezmässigen  Freiheit. 
Diese  Sicherheit  wird  nun  nicht  durch  alle  diejenigen  Hand- 
lungen gestört,  welche  den  Menschen  an  irgend  einer  Thä- 
tigkeit,  seiner  Kräfte,  oder  irgend  einem  Genuss  seines  Ver- 
mögens hindern,  sondern  nur  durch  solche,  welche  diess 
widerrechtlich  thun.  Diese  Bestimmung,  so  wie  die  obige 
Definition,  ist  nicht  willkührlich  von  mir  hinzugefügt,  oder 
gewählt  worden.  Beide  fliessen  unmittelbar  aus  dem  oben 
entwikkelten  Raisonnement.  Nur  wenn  man  dem  Ausdrukke 
der  Sicherheit  diese  Bedeutung  unterlegt,  kann  jenes  An- 
wendung  finden.     Denn    nur    wirkliche    Verlezungen   des 


102 

Rechts  bedürfen  einer  andern  Macht,  als  die  ist,  welche  je- 
des Individuum  besizt;  nur  was  diese  Verlezungen  verhin- 
dert, bringt  der  wahren  Menschenbildung  reinen  Gewinn, 
indess  jedes  andre  Bemühen  des  Staats  ihr  gleichsam  Hin- 
dernisse in  den  Weg  legt;  nur  das  endlich  fliesst  aus  dem 
untrüglichen  Princip  der  iSothwendigkeit,  da  alles  andre  bloss 
auf  den  unsichren  Grund  einer,  nach  täuschenden  Wahrschein- 
lichkeiten berechneten  JNüzlichkeit   gebaut    ist. 

Diejenigen,  deren  Sicherheit  erhalten  werden  muss,  sind 
auf  der  einen  Seite  alle  Bürger,  in  völliger  Gleichheit,  auf  der 
andern  der  Staat  selbst.  Die  Sicherheit  des  Staats  selbst  hat 
ein  Objekt  von  grösserem  oder  geringerem  Umfange,  je 
weiter  man  seine  Rechte  ausdehnt,  oder  je  enger  man  sie 
beschränkt,  und  daher  hängt  hier  die  Bestimmung  von  der 
Bestimmung  des  Zweks  derselben  ab.  Wie  ich  nun  diese 
hier  bis  jezt  versucht  habe,  dürfte  er  für  nichts  andres  Si- 
cherheit fordern  können,  als  für  die  Gewalt,  welche  ihm 
eingeräumt,  und  das  Vermögen,  welches  ihm  zugestanden 
worden.  Hingegen  Handlungen  in  Hinsicht  auf  diese  Si- 
cherheit einschränken,  wodurch  ein  Bürger,  ohne  eigentliches 
Recht  zu  kränken  —  und  folglich  vorausgesezt,  dass  er  nicht 
in  einem  besondern  persönlichen,  oder  temporellen  Verhält- 
nisse mit  dem  Staat  stehe,  wie  z.  B.  zur  Zeit  eines  Krie- 
ges —  sich  oder  sein  Eigenthum  ihm  entzieht,  könnte  er 
nicht.  Denn  die  Staatsvereinigung  ist  bloss  ein  untergeord- 
netes Mittel,  welchem  der  wahre  Zwek,  der  Mensch,  nicht 
aufgeopfert  werden  darf,  es  müsste  denn  der  Fall  einer  sol- 
chen Koliision  eintreten,  dass,  wenn  auch  der  Einzelne  nicht 
verbunden  wäre,  sich  zum  Opfer  zu  geben,  doch  die  Menge 
das  Recht  hätte,  ihn  als  Opfer  zu  nehmen.  Ueberdiess  aber 
darf,  den  entwikkelten  Grundsäzen  nach,  der  Staat  nicht 
für  das  Wohl  der  Bürger  sorgen,    und    um  ihre  Sicherheit 


103 

zu  erhalten,  kann  das  nicht  nothwendig  sein,  was  gerade  die 
Freiheit  und  mithin   auch   die  Sicherheit   aufhebt. 

Gestört  wird  die  Sicherheit  entweder  durch  Handlungen, 
welche  an  und  für  sich  in  fremdes  Recht  eingreifen,  oder  durch 
solche,  von  deren  Folgen  nur  diess  zu  besorgen  ist.  Beide 
Gattungen  der  Handlungen  muss  der  Staat  jedoch  mit  Modi- 
fikationen, welche  gleich  der  Gegenstand  der  Untersuchung 
sein  werden,  verbieten,  zu  verhindern  suchen;  wenn  sie  ge- 
schehen sind,  durch  rechtlich  bewirkten  Ersaz  des  angerich- 
teten Schadens,  soviel  es  möglich  ist,  unschädlich,  und, 
durch  Bestrafung,  für  die  Zukunft  seltner  zu  machen  be- 
müht sein.  Hieraus  entspringen  Polizei -Civil-  und  Krimi- 
nalgeseze,  um  den  gewöhnlichen  Ausdrükken  treu  zu  blei- 
ben. Hiezu  kommt  aber  noch  ein  andrer  Gegenstand,  wel- 
cher, seiner  eigenthümlichen  Natur  nach,  eine  völlig  eigne 
Behandlung  verdient.  Es  giebt  nemlich  eine  Klasse  der 
Bürger,  auf  welche  die  im  Vorigen  entwikkelten  Grundsaze, 
da  sie  doch  immer  den  Menschen  in  seinen  gewöhnlichen 
Kräften  voraussezen,  nur  mit  manchen  Verschiedenheiten 
passen,  ich  meine  diejenigen,  welche  noch  nicht  das  Alter 
der  Reife  erlangt  haben,  oder  welche  Verrüktheit  oder  Blöd- 
sinn des  Gebrauchs  ihrer  menschlichen  Kräfte  beraubt.  Für 
die  Sicherheit  dieser  muss  der  Staat  gleichfalls  Sorge  tra- 
gen, und  ihre  Lage  kann,  wie  sich  schon  voraussehen  lässt, 
leicht  eine  eigne  Behandlung  erfordern.  Es  muss  also  noch 
zulezt  das  Verhältniss  betrachtet  werden,  in  welchem  der 
Staat  —  wie  man  sich  auszudrükken  pflegt  —  als  Ober- 
Vormund,  zu  allen  Unmündigen  unter  den  Bürgern  steht. 
So  glaube  ich  —  da  ich  von  der  Sicherheit  gegen  auswär- 
tige Feinde  wohl,  nach  dem  im  Vorigen  Gesagten,  nichts 
mehr  hinzuzusezen  brauche  —  die  Aussenlinien  aller  Gegen- 
stände gezeichnet  zu  haben,  auf  welche  der  Staat  seine  Auf- 
merksamkeit richten  muss.     Weit  entfernt  nun  in  alle,  hier 


104 

genannte,  so  weitläuftige  und  schwierige  Materien  irgend 
tief  eindringen  zu  wollen,  werde  ich  mich  begnügen,  bei 
einer  jeden,  so  kurz  als  möglich,  die  höchsten  Grundsäze, 
insofern  sie  die  gegenwärtige  Untersuchung  angehen,  zu 
entwikkeln.  Erst  wenn  diess  geschehen  ist,  wird  auch  nur 
der  Versuch  vollendet  heissen  können,  die  vorgelegte  Frage 
gänzlich  zu  erschöpfen,  und  die  Wirksamkeit  des  Staats 
von  allen  Seiten  her  mit  den  gehörigen  Glänzen  zu  um- 
schliessen. 


X. 

Sorgfalt  des   Staats  für   die  Sicherheit   durch   Bestim- 
mung  solcher   Handlungen   der   Bürger,    welche   sich 
unmittelbar    und   geradezu    nur    auf    den   Handlenden 
selbst  beziehen.     (Polizeigeseze.) 

Um  —  wie  es  jezt  geschehen  muss  —  dem  Menschen 
durch  alle  die  mannigfaltigen  Verhältnisse  des  Lebens  zu 
folgen,  wird  es  gut  sein,  bei  demjenigen  zuerst  anzufangen, 
welches  unter  allen  das  einfachste  ist,  bei  dem  Falle  nem- 
lich,  wo  der  Mensch,  wenn  gleich  in  Verbindung  mit  an- 
dern lebend,  doch  völlig  innerhalb  der  Schranken  seines 
Eigenthums  bleibt,  und  nichts  vornimmt,  was  sich  unmittel- 
bar und  geradezu  auf  andre  bezieht.  Von  diesem  Fall  han- 
deln die  meisten  der  sogenannten  Polizeigeseze.  Denn  so 
schwankend  auch  dieser  Ausdruk  ist;  so  ist  dennoch  wohl 
die  wichtigste  und  allgemeinste  Bedeutung  die,  dass  diese 
Geseze,  ohne  selbst  Handlungen  zu  betreffen,  wodurch  frem- 
des Recht  unmittelbar  gekränkt  wird,  nur  von  Mitteln  re- 
den, dergleichen  Kränkungen  vorzubeugen;  sie  mögen  nun 
entweder    solche    Handlungen    beschränken,    deren   Folgen 


105 

selbst  dem  fremden  Rechte  leicht  gefährlich  werden  kön- 
nen, oder  solche,  welche  gewöhnlich  zu  Uebertretungen  der 
Geseze  führen,  oder  endlich  dasjenige  bestimmen,  was  zur 
Erhaltung  oder  Ausübung  der  Gewalt  des  Staats  selbst  not- 
wendig ist.  Dass  auch  diejenigen  Verordnungen,  welche 
nicht  die  Sicherheit,  sondern  das  Wohl  der  Bürger  zum 
Zwek  haben,  ganz  vorzüglich  diesen  Namen  erhalten,  über- 
gehe ich  hier,  weil  es  nicht  zu  meiner  Absicht  dient.  Den 
im  Vorigen  feslgesezten  Principien  zufolge,  darf  nun  der 
Staat  hier,  in  diesem  einfachen  Verhältnisse  des  Menschen 
nichts  weiter  verbieten,  als  was  mit  Grund  Beeinträchtigung 
seiner  eignen  Rechte,  oder  der  Rechte  der  Bürger  besorgen 
lässt.  Und  zwar  muss  in  Absicht  der  Rechte  des  Staats  hier 
dasjenige  angewandt  werden,  was  von  dem  Sinne  dieses  Aus- 
druks  so  eben  allgemein  erinnert  worden  ist.  Nirgends  also, 
wo  der  v  ortheil  oder  der  Schade  nur  den  Eigenthümer  allein 
tiifl,  darf  der  Staat  sich  Einschränkungen  durch  Prohibitiv-Ge- 
seze  erlauben.  Allein  es  ist  auch,  zur  Rechtfertigung  solcher 
Einschränkungen  nicht  genug,  dass  irgend  eine  Handlung  einem 
andren  bloss  Abbruch  thue;  sie  muss  auch  sein  Recht  schmä- 
lern. Diese  zweite  Bestimmung  erfordert  also  eine  weitere 
Erklärung.  Schmälerung  des  Rechts  nemlich  ist  nur  über- 
all da,  wo  jemandem,  ohne  seine  Einwilligung,  oder  gegen 
dieselbe,  ein  Theil  seines  Eigenthums,  oder  seiner  persön- 
lichen Freiheit  entzogen  wird.  Wo  hingegen  keine  solche 
Entziehung  geschieht,  wo  nicht  der  eine  gleichsam  in  den 
Kreis  des  Rechts  des  andren  eingreift,  da  ist,  welcher  Nach- 
theil auch  für  ihn  entstehen  möchte,  keine  Schmälerung  der 
Befugnisse.  Ebensowenig  ist  diese  da,  wo  selbst  der  Nach- 
theil  nicht  eher  entsteht,  als  bis  der,  welcher  ihn  leidet, 
auch  seinerseits  thätig  wird,  die  Handlung  —  um  mich  so 
auszudrucken  —  auffasst,  oder  wenigstens,  der  Wirkung  der- 
selben nicht  wie  er  könnte  entgegenarbeitet. 


106 

Die  Anwendungen  dieser  Bestimmungen  ist  von  selbst 
klar  ;  ich  erinnere  nur  hier  an  ein  Paar  merkwürdige  Bei- 
spiele. Es  fallt  nemlich,  diesen  Grundsäzen  nach,  schlech- 
terdings alles  weg,  was  man  von  Aergerniss  erregenden 
Handlungen  in  Absicht  auf  Religion  und  Sitten  besonders 
sagt.  Wer  Dinge  äussert,  oder  Handlungen  vornimmt, 
welche  das  Gewissen  und  die  Sittlichkeit  des  andren  belei- 
digen, mag  allerdings  unmoralisch  handeln,  allein,  so  fern 
er  sich  keine  Zudringlicbkeit  zu  Schulden  kommen  lässt, 
krankt  er  kein  Recht.  Es  bleibt  dem  andern  unbenommen, 
sich  von  ihm  zu  entfernen,  oder  macht  die  Lage  diess  un- 
möglich, so  trägt  er  die  unvermeidliche  Unbequemlichkeit 
der  Verbindung  mit  ungleichen  Charakteren,  und  darf  nicht 
vergessen,  dass  vielleicht  auch  jener  durch  den  Anblik  von 
Seiten  gestört  wird,  die  ihm  eigenthüinlich  sind,  da,  auf 
wessen  Seite  sich  das  Recht  befinde?  immer  nur  da  wich- 
tig ist,  wo  es  nicht  an  einem  Rechte  zu  entscheiden  fehlt. 
Selbst  der  doch  gewiss  weit  schlimmere  Fall,  wenn  der  An- 
blik dieser  oder  jener  Handlung,  das  Anhören  dieses  oder 
jenen  Raisonnements  die  Tugend  oder  die  Vernunft  und  den 
gesunden  Verstand  andrer  verführte,  würde  keine  Einschrän- 
kung  der  Freiheit  erlauben.  Wer  so  handelte,  oder  sprach, 
beleidigte  dadurch  an  sich  niemandes  Recht,  und  es  stand 
dem  andren  frei,  dem  üblen  Eindruk  bei  sich  selbst  Stärke 
des  Willens,  oder  Gründe  der  Vernunft  enlgegenzusezen. 
Daher  denn  auch,  wie  gross  sehr  oft  das  hieraus  entsprin- 
gende Uebel  sein  mag,  wiederum  auf  der  andren  Seite  nie 
der  gute  Erfolg  ausbleibt,  dass  in  diesem  Fall  die  Stärke 
des  Charakters,  in  dem  vorigen  die  Toleranz  und  die  \  iel- 
seitigkeit  der  Ansicht  geprüft  wird,  und  g'ewinnt.  Ich  brauche 
hier  wohl  nicht  zu  erinnern,  dass  ich  an  diesen  Fällen  hier 
nichts  weiter  betrachte,  als  ob  sie  die  Sicherheit  der  Bür- 
ger stören?    Denn  ihr  Verhältniss  zur  Sittlichkeit  der  Na- 


107 

lion,  und  was  dem  Staat  in  dieser  Hinsicht  erlaubt  sein 
kann,  oder  nicht?  habe  ich  schon  im  Vorigen  auseinander- 
zusezen  versucht. 

Da  es  indess  mehrere  Dinge  giebt,  deren  Beurtheilung 
positive,  nicht  jedem  eigne  Kenntnisse  erfordert,  und  wo 
daher  die  Sicherheit  gestört  werden  kann,  wenn  jemand 
vorsiizlicher  oder  unbesonnener  Weise  die  Unwissenheit  nn- 
drer  zu  seinem  Vortheile  benuzt;  so  muss  es  den  Bürgern 
frei  stehen,  in  diesen  Fällen  den  Staat  gleichsam  um  Rath 
zu  fragen.  Vorzüglich  auffallende  Beispiele  hievon  geben 
theils  wegen  der  Häufigkeit  des  Bedürfnisses,  theils  wegen 
der  Schwierigkeit  der  Beurtheilung  und  endlich  wegen  der 
Grösse  des  zu  besorgenden  Nachtheils,  Aerzle,  und  zum 
Dienst  der  Partheien  bestimmte  Rechtsgelehrte  ab.  Um 
nun  in  diesen  Fällen  dem  Wunsche  der  Nation  zuvorzukom- 
men, ist  es  nicht  bloss  rathsam,  sondern  sogar  nolh wendig, 
dass  der  Staat  diejenigen,  welche  sich  zu  solchen  Geschäf- 
ten bestimmen  —  insofern  sie  sich  einer  Prüfung  unterwer- 
fen wollen  —  prüfe,  und,  wenn  die  Prüfung  gut  ausfällt, 
mit  einem  Zeichen  der  Geschiklichkeit  versehe,  und  nun 
den  Bürgern  bekannt  mache,  dass  sie  ihr  Vertrauen  nur  den- 
jenigen gewiss  schenken  können,  welche  auf  diese  Weise 
bewährt  gefunden  worden  sind.  Weiter  aber  dürfte  er  auch 
nie  gehen,  nie  weder  denen,  welche  entweder  die  Prüfung 
ausgeschlagen,  oder  in  derselben  unterlegen,  die  Uebung 
ihres  Geschäfts,  noch  der  Nation  den  Gebrauch  derselben 
untersagen.  Dann  dürfte  er  dergleichen  Veranstaltungen 
auch  auf  keine  andre  Geschäfte  ausdehnen,  als  auf  solche, 
wo  einmal  nicht  auf  das  Innere,  sondern  nur  auf  das  Aeus- 
sere  des  Menschen  gewirkt  werden  soll,  wo  dieser  folglich 
nicht  selbst  mitwirkend,  sondern  nur  folgsam  und  leidend 
zu  sein  braucht,  und  wo  es  demnach  nur  auf  die  Wahrheit 
oder  Falschheit  der  Resultate  ankommt;  und  wo   zweitens 


108 

die  ßeurlheilung  Kenntnisse  voraussezt,  die  ein  ganz  abge- 
sondertes Gebiet  für  sieb  ausmachen,  nicht  durch  Uebung 
des  Verstandes,  und  der  praktischen  Urlheilskraft  erworben 
weiden,  und  deren  Seltenheit  selbst  das  Rathfragen  er- 
schwert. Handelt  der  Staat  gegen  die  leztere  Bestim- 
mung, so  geräth  er  in  Gefahr,  die  Nation  trage,  unthatig, 
immer  vertrauend  auf  fremde  Kenntniss  und  fremden  Wil- 
len zu  machen,  da  gerade  der  Mangel  sicherer,  bestimmter 
Hülfe  sowohl  zur  Bereicherung  der  eigenen  Erfahrung  und 
Kenntniss  mehr  anspornt,  als  auch  die  Bürger  unter  einan- 
der enger  und  mannigfaltiger  verbindet,  indem  sie  mehr 
einer  von  dem  Rathe  des  andren  abhängig  sind.  Bleibt  er 
der  ersteren Bestimmung  nicht  getreu;  so  entspringen,  neben 
dem  eben  erwähnten,  noch  alle,  im  Anfange  dieses  Aufsazes 
weiter  ausgeführte  Nachtheile.  Schlechterdings  müssle  daher 
eine  solche  Veranstaltung  wegfallen,  um  auch  hier  wiederum 
ein  merkwürdiges  Beispiel  zu  wählen,  bei  Religionslehrern. 
Denn  was  sollte  der  Staat  bei  ihnen  prüfen?  Bestimmte 
Saze  —  davon  hängt,  wie  oben  genauer  gezeigt  ist,  die  Re- 
ligion nicht  ab;  das  Maass  der  intellektuellen  Kräfte  über- 
haupt —  allein  bei  dem  Religionslehrer,  welcher  bestimmt 
ist,  Dinge  vorzutragen,  die  in  so  genauem  Zusammenhange 
mit  der  Individualität  seiner  Zuhörer  stehen,  kommt  es  bei- 
nah einzig  auf  das  Verhällniss  seines  Verstandes,  zu  dem 
Verstände  dieser  an,  und  so  wird  schon  dadurch  die  Beur- 
Iheilung  unmöglich;  die  Rechtschaffenheit  und  den  Charak- 
ter —  allein  dafür  giebt  es  keine  andere  Prüfung,  als  ge- 
rade eine  solche,  zu  welcher  die  Lage  des  Staats  sehr  un- 
bequem ist,  Erkundigung  nach  den  Umständen,  dem  bis- 
herigen Betragen  des  Menschen  u.  s.  f.  Endlich  müssle 
überhaupt,  auch  in  den  oben  von  mir  selbst  gebilligten  Fäl- 
len, eine  Veranstaltung  dieser  Art  doch  nur  immer  da  ge- 
macht werden,  wo  der  nicht  zweifelhafte  Wille  der  Nation 


109 

sie  forderte.  Denn  an  sich  ist  sie  unter  freien,  durch  Frei- 
heit selbst  kultivirten  Menschen,  nicht  einmal  nothwendig, 
und  immer  könnte  sie  doch  manchem  Misbrauch  unterwor- 
fen sein.  Da  es  mir  überhaupt  hier  nicht  um  Ausführung 
einzelner  Gegenstande,  sondern  nur  um  Bestimmung  der 
Grundsäze  zu  thun  ist,  so  will  ich  noch  einmal  kurz  den 
Gesichtspunkt  angeben,  aus  welchem  allein  ich  einer  solchen 
Einrichtung  erwähnte.  Der  Staat  soll  nemlich  auf  keine 
Weise  für  das  positive  Wohl  der  Bürger  sorgen,  daher  auch 
nicht  für  ihr  Leben  und  ihre  Gesundheit  —  es  müssten  denn 
Handlungen  andrer  ihnen  Gefahr  drohen  —  aber  wohl  für 
ihre  Sicherheit.  Und  nur,  insofern  die  Sicherheit  selbst  lei- 
den kann,  indem  Betrügerei  die  Unwissenheit  benuzt,  könnte 
eine  solche  Aufsicht  innerhalb  der  Griinzen  der  Wirksam- 
keit des  Staats  liegen.  Indess  muss  doch  bei  einem  Be- 
trüge dieser  Art  der  Betrogene  immer  zur  Ueberzeugung 
überredet  werden,  und  da  das  Ineinanderfliessen  der  ver- 
schiednen  Nuancen  hiebei  schon  eine  allgemeine  Regel 
beinah  unmöglich  macht,  auch  gerade  die,  durch  die  Frei- 
heit übriggelassne  Möglichkeit  des  Betrugs  die  Menschen 
zu  grösserer  Vorsicht  und  Klugheit  schärft;  so  halte  ich  es 
für  besser  und  den  Principien  gemässer,  in  der,  von  be- 
stimmten Anwendungen  fernen  Theorie,  Prohibitivgeseze  nur 
auf  diejenigen  Fälle  auszudehnen,  wo  ohne,  oder  gar  gegen 
den  Willen  des  andern  gehandelt  wird.  Das  vorige  Rai- 
sonnement wird  jedoch  immer  dazu  dienen,  zu  zeigen,  wie 
auch  andre  Fälle  —  wenn  die  Nothwendigkeit  es  erfor- 
derte —  in  Gemässheit  der  aufgestellten  Grundsäze  behan- 
delt werden  müssten  '). 


')  Es  könnte  scheinen,  als  gehörten  die  hier  angeführten  Fälle 
nicht  zu  dem  gegenwärtigen,  sondern  mehr  zu  dem  folgenden 
Abschnitt,  da  sie  Handlungen  betreffen,  welche  sich  geradezu 


110 

Wenn  bis  jezt  die  Beschaffenheit  der  Folgen  einer 
Handlung  auseinandergesezt  ist,  welche  dieselbe  der  Aufsicht 
des  Staats  unterwirft;  so  fragt  sich  noch,  ob  jede  Handlung 
eingeschränkt  werden  darf,  bei  welcher  nur  die  Möglichkeit 
einer  solchen  Folge  vorauszusehen  ist,  oder  nur  solche,  mit 
welcher  dieselbe  nothwendig  verbunden  ist?  In  dem  eiste- 
ren  Fall  geriethe  die  Freiheit,  in  dem  lezteren  die  Sicher- 
heit in  Gefahr  zu  leiden.  Es  ist  daher  freilich  soviel  er- 
sichtlich, dass  ein  Mittelweg  getroffen  werden  muss.  Diesen 
indess  allgemein  zu  zeichnen  halte  ich  für  unmöglich.  Frei- 
lich müsste  die  Berathschlagung  über  einen  Fall  dieser  Art, 
durch  die  Betrachtung  des  Schadens,  der  Wahrscheinlich- 
keit des  Erfolgs,  und  der  Einschränkung  der  Freiheit  im 
Fall  eines  gegebenen  Gesezes  zugleich  geleitet  werden. 
Allein  keins  dieser  Stükke  erlaubt  eigentlich  ein  allgemei- 
nes Maass;  vorzüglich  täuschen  immer  Wahrscheinlichkeils- 
berechnungen. Die  Theorie  kann  daher  nicht  mehr,  als 
jene  Momente  der  Ueberlegung,  angeben.  In  der  Anwen- 
dung müsste  man,  glaube  ich,  allein  auf  die  specielle  Lage 
sehen,  nicht  aber  sowohl  auf  die  allgemeine  Natur  der  Fälle, 
und  nur,  wenn  Erfahrung  der  Vergangenheit  und  Betrach- 
tung der  Gegenwart  eine  Einschränkung  nothwendig  machte, 
dieselbe  verfügen.  Das  Naturrecht,  wenn  man  es  auf  das 
Zusammenleben  mehrerer  Menschen  anwendet,  scheidet  die 
Gränzlinie  scharf  ab.  Es  misbilligt  alle  Handlungen,  bei 
welchen  der  eine   mit  setner  Schuld  in  den  Kreis  des  an- 


auf  den  andren  beziehen.  Aber  ick  sprach  auch  hier  nicht 
von  dem  Fall,  wenn  z.  B.  ein  Arzt  einen  Kranken  wirklich  be- 
handelt, ein  Rechtsgelehrter  einen  Prozess  wirklich  übernimmt, 
sondern  von  dem,  wenn  jemand  diese  Art  zu  leben  und  sich 
zu  ernähren  wählt.  Ich  fragte  mich  ob  der  Staat  eine  solche 
Wald  beschränken  darf,  und  diese  blosse  Wahl  bezieht  sich 
noch  geradezu  auf  niemand. 


Ill 

dem  eingreift,  alle  folglich,  wo  der  Schade  entweder  aus 
einem  eigentlichen  Versehen  entsteht,  oder,  wo  derselbe 
immer,  oder  doch  in  einem  solchen  Grade  der  Wahrschein- 
lichkeit mit  der  Handlung  verbunden  ist,  dass  der  Handlende 
ihn  entweder  einsieht,  oder  wenigstens  nicht,  ohne  dass  es 
ihm  zugerechnet  werden  müsste,  übersehn  kann.  Ueberall, 
wo  sonst  Schaden  entsteht,  ist  es  Zufall,  den  der  Handlende 
zu  ersezen  nicht  verbunden  ist.  Eine  weitere  Ausdehnung 
liesse  sich  nur  aus  einem  stillschweigenden  Vertrage  der 
Zusammenlebenden,  und  also  schon  wiederum  aus  etwas 
Positivem,  herleiten.  Allein  hiebei  auch  im  Staate  stehen 
zu  bleiben,  könnte  mit  Recht  bedenklich  scheinen,  vorzüg- 
lich wenn  man  die  Wichtigkeit  des  zu  besorgenden  Scha- 
dens, und  die  Möglichkeit  bedenkt,  die  Einschränkung  der 
Freiheit  der  Bürger  nur  wenig  nachtheilig  zu  machen. 
Auch  lässt  sich  das  Recht  des  Staats  hiezu  nicht  bestreiten, 
da  er  nicht  bloss  insofern  für  die  Sicherheit  sorgen  soll, 
dass  er,  bei  geschehenen  Kränkungen  des  Rechts  zur  Ent- 
schädigung zwinge,  sondern  auch  so,  dass  er  Beeinträchti- 
gungen verhindre.  Auch  kann  ein  Dritter,  der  einen  Aus- 
spruch thun  soll,  nur  nach  äussren  Kennzeichen  entscheiden. 
Unmöglich  darf  daher  der  Staat  dabei  stehen  bleiben,  ab- 
zuwarten, ob  die  Bürger  es  nicht  werden  an  der  gehörigen 
Vorsicht  bei  gefährlichen  Handlungen  mangeln  lassen,  noch 
kann  er  sich  allein  darauf  verlassen,  ob  sie  die  Wahrschein- 
lichkeit des  Schadens  voraussehen;  er  muss  vielmehr  — 
wo  wirklich  die  Lage  die  Besorgniss  dringend  macht  —  die 
an  sich  unschädliche  Handlung  selbst  einschränken. 

Vielleicht   liesse  sich   demnach  der  folgende  Grundsaz 
aufstellen: 

um  für  die  Sicherheit  der  Bürger  Sorge  zu  tragen, 
muss  der  Staat  diejenigen,  sich  unmittelbar  allein  auf 
den    Handlenden    beziehenden    Handlungen    verbieten, 


112 

oder    einschränken,   deren  Folgen    die   Rechte    andrer 
kränken,  d.  i.  ohne  oder  gegen  die  Einwilligung  dersel- 
ben ihre  Freiheit  oder  ihren  Besiz  schmälern,  oder  von 
denen  diess  wahrscheinlich  zu  besorgen  ist,  eine  Wahr- 
scheinlichkeit,  bei   welcher  allemal  auf  die  Grösse  des 
zu  besorgenden  Schadens  und  die  Wichtigkeit  der  durch 
ein  Prohibitivgesez  entstehenden  Freiheitseinschränkung 
zugleich  Rüksicht  genommen  werden  muss.     Jede  wei- 
tere,  oder  aus   andren  Gesichtspunkten   gemachte  Be- 
schränkung der  Privatfreiheit  aber,  liegt  ausserhalb  der 
Gränzen  der  Wirksamkeit  des  Staats. 
Da,   meinen  hier  entwikkelten  Ideen  nach,  der  einzige 
Grund  solcher  Einschränkungen  die  Rechte  andrer  sind;  so 
müsslen   dieselben  natürlich   sogleich   wegfallen,   als  dieser 
Grund  aufhörte,   und  sobald  also   z.  B.  da  bei  den  meisten 
Polizeiveranstaltungen  die  Gefahr  sich  nur  auf  den  Umfang 
der  Gemeinheit,   des   Dorfs,  der  Stadt  erstrekt,  eine  solche 
Gemeinheit  ihre  Aufhebung  ausdrüklich  und  einstimmig  ver- 
langte.    Der   Staat    müsste  alsdann  zurüktreten,    und    sich 
begnügen,  die,  mit  vorsäzlicher,  oder  schuldbarer  Kränkung 
der    Rechte    vorgefallenen    Beschädigungen     zu    bestrafen. 
Denn  diess  allein,  die  Hemmung  der  Uneinigkeilen  der  Bür- 
ger unter  einander,   ist  das  wahre  und  eigentliche  Interesse 
des  Staats,    an  dessen  Beförderung  ihn  nie  der  Wille  ein- 
zelner Bürger,   wären  es  auch  die  Beleidigten   selbst,   hin- 
dern darf.    Denkt  man  sich  aufgeklärte,  von  ihrem  wahren 
Vortheil  unterrichtete,  und  daher  gegenseitig  wohlwollende 
Menschen  in  enger   Verbindung   mit    einander;    so   werden 
leicht  von  selbst  freiwillige,  auf  ihre  Sicherheit  abzwekkende 
Verträge  unter  ihnen  entstehen,  Verträge  z.  ß.   dass  diess 
oder  jenes  gefahrvolle   Geschäft  nur  an  bestimmten  Orten, 
oder  zu  gewissen  Zeiten,  betrieben  werden,  oder  auch  ganz 
unterbleiben  soll.     Verträge  dieser  Art  sind  Verordnungen 


113 

des  Slaats  bei  weitem  vorzuziehen.  Denn,  da  diejenigen 
selbst  sie  schliessen,  welche  den  Vortheil  und  Schaden  da- 
von unmittelbar,  und  eben  so,  wie  das  Bedürfniss  dazu, 
selbst  fühlen,  so  entstehen  sie  erstlich  gewiss  nicht  leicht 
anders,  als  wenn  sie  wirklich  nothwendig  sind;  freiwillig 
eingegangen  werden  sie  ferner  besser  und  strenger  befolgt; 
als  Folgen  der  Selbstthätigkeit,  schaden  sie  endlich,  selbst 
bei  beträchtlicher  Einschränkung  der  Freiheit,  dennoch  dem 
Charakter  minder,  und  vielmehr,  wie  sie  nur  bei  einem  ge- 
wissen Maasse  der  Aufklärung  und  des  Wohlwollens  ent- 
stehen, so  tragen  sie  wiederum  dazu  bei,  beide  zu  erhöhen. 
Das  wahre  Bestreben  des  Staats  muss  daher  dahin  gerich- 
tet sein,  die  Menschen  durch  Freiheit  dahin  zu  führen,  dass 
leichter  Gemeinheiten  entstehen,  deren  Wirksamkeit  in  die- 
sen und  vielfältigen  ähnlichen  Fällen  an  die  Stelle  des  Staats 
treten  könne. 

Ich  habe  hier  gar  keiner  Geseze  erwähnt,  welche  den 
Bürgern  positive  Pflichten,  diess,  oder  jenes  für  den  Staat, 
oder  für  einander  aufzuopfern,  oder  zu  thun,  auflegten,  der- 
gleichen es  doch  bei  uns  überall  giebt.  Allein  die  Anwen 
dung  der  Kräfte  abgerechnet,  welche  jeder  Bürger  dem 
Staate,  wo  es  erfordert  wird,  schuldig  ist,  und  von  der  ich 
in  der  Folge  noch  Gelegenheit  haben  werde  zu  reden,  halte 
ich  es  auch  nicht  für  gut,  wenn  der  Staat  einen  Bürger 
zwingt,  zum  Besten  des  andern  irgend  etwas  gegen  seinen 
Willen  zu  thun,  möchte  er  auch  auf  die  vollständigste  Weise 
dafür  entschädigt  werden.  Denn  da  jede  Sache,  und  jedes 
Geschäft,  der  unendlichen  Verschiedenheit  der  menschlichen 
Launen  und  Neigungen  nach,  jedem  einen  so  unübersehbar 
verschiedenen  Nuzen  gewähren,  und  da  dieser  Nuzen  auf 
gleich  mannigfaltige  Weise  interessant,  wichtig,  und  unent- 
behrlich sein  kann;  so  führt  die  Entscheidung,  welches  Gut 
vu.  8 


114 

des  einen  welchem  des  andren  vorzuziehen  sei?  —  selbst 
wenn  auch  nicht  die  Schwierigkeit  gänzlich  davon  zurük- 
schrekt  —  immer  etwas  Hartes,  über  die  Empfindung  und 
Individualität  des  andren  Absprechendes  mit  sich.  Aus  eben 
diesem  Grunde  ist  auch,  da  eigentlich  nur  das  Gleichartige, 
eines  die  Stelle  des  andren  ersezen  kann,  wahre  Entschädi- 
gung oft  ganz  unmöglich,  und  fast  nie  allgemein  bestimmbar. 
Zu  diesen  Nachlheilen  auch  der  besten  Geseze  dieser  Art, 
kommt  nun  noch  die  Leichtigkeit  des  möglichen  Misbrauchs. 
Auf  der  andren  Seite  macht  die  Sicherheit  —  welche  doch 
allein  dem  Staat  die  Glänzen  richtig  vorschreibt,  innerhalb 
welcher  er  seine  Wirksamkeit  halten  muss  —  \  eranstallun- 
gen  dieser  Art  überhaupt  nicht  nothwendig,  da  freilich  jeder 
Fall,  wo  diess  sich  findet,  eine  Ausnahme  sein  muss;  auch 
werden  die  Menschen  wohlwollender  gegen  einander,  und 
zu  gegenseitiger  Hülfsleistung  bereitwilliger,  je  weniger  sich 
ihre  Eigenliebe  und  ihr  Freiheilssinn  durch  ein  eigentliches 
Zwangsrecht  des  andren  gekränkt  fühlt;  und  selbst,  wenn 
die  Laune  und  der  völlig  grundlose  Eigensinn  eines  Men- 
schen ein  gutes  Lnternehmen  hindert,  so  ist  diese  Erschei- 
nung nicht  gleich  von  der  Art,  dass  die  Macht  des  Staats 
sich  ins  Mittel  schlagen  muss.  Sprengt  sie  doch  nicht  in 
der  physischen  Natur  jeden  Fels,  der  dem  Wanderer  in 
dem  Wege  steht!  Hindernisse  beleben  die  Energie,  und 
schärfen  die  Klugheit;  nur  diejenigen,  welche  die  Ungerech- 
tigkeiten der  Menschen  hervorbringen,  hemmen  ohne  zu 
nüzen;  ein  solches  aber  ist  jener  Eigensinn  nicht,  der  zwar 
durch  Geseze  für  den  einzelnen  Fall  çebeiuït,  aber  nur  durch 
Freiheit  gebessert  werden  kann.  Diese  hier  nur  kurz  zu- 
sammengenommenen Gründe  sind,  dünkt  mich,  stark  genug, 
um  bloss  der  ehernen  NoIhtvendUfkeit  zu  weichen,  und  der 
Staat  muss  sich  daher  begnügen,  die,  schon  ausser  der  po- 
sitiven Verbindung  exislirenden  Rechte  der  Menschen,  ihrem 


115 

eignen  Untergänge   die  Freiheit    oder    das   Eigenthuni    des 
andren  aufzuopfern,  zu  schüzen. 

Endlich  entstehen  eine  nicht  unheträchtliche  Menge  von 
Polizeigesezen  aus  solchen  Handlungen,  welche  innerhalb 
der  Gränzen  des  eignen  aber  nicht  alleinigen,  sondern  ge- 
meinschaftlichen Rechts  vorgenommen  werden.  Bei  diesen 
sind  Freiheitsbeschränkungen  natürlich  bei  weitem  minder 
bedenklich,  da  in  dem  gemeinschaftlichen  Eigenthum  jeder 
Miteigentümer  ein  Recht  zu  widersprechen  hat.  Solch  ein 
gemeinschaftliches  Eigenthum  sind  z.  B.  Wege,  Flüsse,  die 
mehrere  Besizungen  berühren,  Pläze  und  Strassen  in  Städ- 
ten u.  s.  f. 


XL 

Sorgfalt   des  Staats   für   die  Sicherheit  durch  Bestim- 
mung1   solcher   Handlungen    der   Bürger,    welche    sich 
unmittelbar  und   geradezu   auf   andre   beziehen. 
(Civilgeseze.  ) 

Verwikkelter,  allein  für  die  gegenwärtige  Untersuchung 
mit  weniger  Schwierigkeit  verbunden,  ist  der  Fall  solcher 
Handlungen,  welche  sich  unmittelbar  und  geradezu  auf  andre 
beziehen.  Denn  wo  durch  dieselben  Rechte  gekränkt  wer- 
den, da  muss  der  Staat  natürlich  sie  hemmen,  und  die  Hand- 
lenden zum  Ersaze  des  zugefügten  Schadens  zwingen.  Sie 
kranken  aber,  nach  den  im  Vorigen  gerechtfertigten  Bestim- 
mungen, das  Recht  nur  dann,  wenn  sie  dem  andren  gegen, 
oder  ohne  seine  Einwilligung  etwas  von  seiner  Freiheit, 
oder  seinem  Vermögen  entziehn.  Wenn  jemand  von  dem 
andren  beleidigt  worden  ist,  hat  er  ein  Recht  auf  Ersaz, 
allein,  da  er  in  der  Gesellschaft  seine  Privalrache  dem  Staat 

8* 


116 

übertragen  hat,  auf  nichts  weiter,  als  auf  diesen.  Der  Be- 
leidiger ist  daher  dem  Beleidigten  auch  nur  zur  Erstattung 
des  Entzognen,  oder,  wo  diess  nicht  möglich  ist,  zur  Ent- 
schädigung verbunden,  und  muss  dafür  mit  seinem  Vermö- 
gen, und  seinen  Kräften,  insofern  er  durch  diese  zu  erwer- 
ben vermögend  ist,  einstehn.  Beraubung  der  Freiheit,  die 
z.  B.  bei  uns  bei  unvermögenden  Schuldnern  eintritt,  kann 
nur  als  ein  untergeordnetes  Mittel,  um  nicht  Gefahr  zu  lau- 
fen, mit  der  Person  des  Verpflichteten,  seinen  künftigen  Er- 
werb zu  verlieren,  stattfinden.  Nun  darf  der  Staat  zwar 
dem  Beleidigten  kein  rechtmässiges  Mittel  zur  Entschädigung 
versagen,  allein  er  muss  auch  verhüten,  dass  nicht  Rach- 
sucht sich  dieses  Vorwands  gegen  den  Beleidiger  bediene. 
Er  muss  diess  um  so  mehr,  als  im  aussergesellschaftlichen 
Zustande  diese  dem  Beleidigten,  wenn  derselbe  die  Glän- 
zen des  Rechts  überschritte,  Widerstand  leisten  würde,  und 
hingegen  hier  die  unwiderstehliche  Macht  des  Staats  ihn 
trift,  und  als  allgemeine  Bestimmungen,  die  immer  da  not- 
wendig sind,  wo  ein  Dritter  entscheiden  soll,  dergleichen 
Vorwände  immer  eher  begünstigen.  Die  Versicherung  der 
Person  der  Schuldner  z.  B.  dürfte  daher  leicht  noch  mehr 
Ausnahmen  erfordern,  als  die  meisten  Geseze  davon  ver- 
statten. 

Handlungen,  die  mit  gegenseitiger  Einwilligung  vor- 
genommen werden,  sind  völlig  denjenigen  gleich,  welche 
Ein  Mensch  für  sich,  ohne  unmittelbare  Beziehung  auf  andre 
ausübt,  und  ich  könnte  daher  bei  ihnen  nur  dasjenige  wie- 
derholen, was  ich  im  Vorigen  von  diesen  gesagt  habe.  In- 
dess  giebt  es  dennoch  unter  ihnen  Eine  Gattung,  welche 
völlig  eigne  Bestimmungen  nothwendig  macht,  diejenigen 
nemlich,  die  nicht  gleich  und  auf  Einmal  vollendet  werden, 
sondern  sich  auf  die  Folge  erslrekken.  Von  dieser  Art  sind 
alle  Willenserklärungen,  aus  welchen  vollkommene  Pflichten 


117 

der  Erklärenden  entspringen,  sie  mögen  einseitig  oder  gegen- 
seitig geschehen.  Sie  übertragen  einen  Theil  des  Eigen- 
thums  \on  dem  einen  auf  den  andren,  und  die  Sicherheit 
wird  gestört,  wenn  der  Uebertragende  durch  Nicht  Erfüllung 
des  Versprechens  das  Uebertragene  wiederum  zurükzuneh- 
men  sucht.  Es  ist  daher  eine  der  wichtigsten  Pflichten  des 
Staats  Willenserklärungen  aufrecht  zu  erhalten.  Allein  der 
Zwang,  welchen  jede  Willenserklärung  auflegt,  ist  nur  dann 
gerecht  und  heilsam,  wenn  einmal  bloss  der  Erklärende  da- 
durch eingeschränkt  wird,  und  zweitens  dieser,  wenigstens 
mit  gehöriger  Fähigkeit  der  Ueberlegung  —  überhaupt  und 
in  dem  Moment  der  Erklärung  —  und  mit  freier  BeSchliessung 
handelte.  Ueberall,  wo  diess  nicht  der  Fall  ist,  ist  der  Zwang 
ehen  so  ungerecht  als  schädlich.  Auch  ist  auf  der  einen 
Seite  die  Ueberlegung  für  die  Zukunft  nur  immer  auf  eine 
sehr  unvollkommene  Weise  möglich;  und  auf  der  andren 
sind  manche  Verbindlichkeilen  von  der  Art,  dass  sie  der 
Freiheit  Fesseln  anlegen,  welche  der  ganzen  Ausbildung 
des  Menschen  hinderlich  sind.  Es  entsteht  also  die  zweite 
Verbindlichkeit  des  Staats,  rechtswidrigen  Willenserklärungen 
den  Beistand  der  Geseze  zu  versagen,  und  auch  alle,  nur 
mit  der  Sicherheit  des  Eigenthums  vereinbare  Vorkehrungen 
zu  treffen,  um  zu  verhindern,  dass  nicht  die  Unüberlegtheit 
Eines  Moments  dem  Menschen  Fesseln  anlege,  welche  seine 
ganze  Ausbildung  hemmen  oder  zurükhalten.  Was  zur  Gültig- 
keit eines  Vertrags,  oder  einer  Willenserklärung  überhaupt 
erfordert  wird,  sezen  die  Theorien  des  Rechts  gehörig  aus- 
einander. Nur  in  Absicht  des  Gegenstandes  derselben,  bleibt 
mir  hier  zu  erinnern  übrig,  dass  der  Staat,  dem,  den  vorhin 
entwikkelten  Grundsäzen  gemäss,  schlechterdings  bloss  die 
Erhaltung  der  Sicherheit  obliegt,  keine  andern  Gegenstände 
ausnehmen  darf,  als  diejenigen,  welche  entweder  schon  die 
allgemeinen  Begriffe  des  Rechts  selbst  ausnehmen,  oder  deren 


118 

Ausnahme  gleichfalls  durch  die  Sorge  für  die  Sicherheit  ge- 
rechtfertigt wird.  Als  hieher  gehörig  aber  zeichnen  sich 
vorzüglich  nur  folgende  Falle  aus:  1.  wo  der  Versprechende 
kein  Zwangsrecht  übertragen  kann,  ohne  sich  selbst  bloss 
zu  einem  Mittel  der  Absichten  des  andren  herabzuwürdigen, 
wie  z.  B.  jeder  auf  Sklaverei  hinauslaufende  Vertrag  wäre; 
2.  wo  der  Versprechende  selbst  über  die  Leistung  des  Ver- 
sprochenen, der  Natur  desselben  nach,  keine  Gewalt  hat, 
wie  z.  B.  bei  Gegenständen  der  Empfindung,  und  des  Glau- 
bens der  Fall  ist;  3.  wo  das  Versprechen,  entweder  an 
sich,  oder  in  seinen  Folgen  den  Rechten  andrer  entweder 
wirklich  entgegen,  oder  doch  gefährlich  ist,  wTobei  alle,  bei 
Gelegenheit  der  Handlungen  einzelner  Menschen  enlwikkelte 
Grundsäze  eintreten.  Der  Unterschied  zwischen  diesen  Fällen 
ist  nun  der,  dass  in  dem  ersten  und  zweiten  der  Staat  bloss 
das  Zwrangsrecht  der  Geseze  versagen  muss,  übrigens  aber 
weder  Willenserklärungen  dieser  Art,  noch  auch  ihre  Aus- 
übung, insofern  diese  nur  mit  gegenseitiger  Bewilligung  ge- 
schieht, hindern  darf,  da  er  hingegen  in  dem  zulezt  aufge- 
führten auch  die  blosse  Willenserklärung  an  sich  untersagen 
kann,  und  muss. 

Wo  aber  gegen  die  Rechtmässigkeit  eines  Vertrags  oder 
einer  Willenserklärung  kein  Einwand  zu  machen  ist;  da  kann 
der  Staat  dennoch,  um  den  Zwang  zu  erleichtern,  welchen 
selbst  der  freie  Wille  der  Menschen  sich  unter  einander  auf- 
legt, indem  er  die  Trennung  der,  durch  den  Vertrag  ein- 
gegangenen Verbindung  minder  erschwert,  verhindern,  dass 
nicht  der  zu  einer  Zeit  gefasste  Entschluss  auf  einen  zu 
grossen  Theil  des  Lebens  hinaus,  die  Willkühr  beschränke. 
Wo  ein  Verting  bloss  auf  Uebertragung  von  Sachen,  ohne 
weiteres  persönliches  Verhältniss,  abzwekt,  halte  ich  eine 
solche  Veranstaltung  nicht  ralhsam.  Denn  einmal  sind  die- 
selben weit  seltener  von  der  Art,  dass  sie  auf  ein  dauerndes 


119 

Verhältniss  der  Kontrahenten  führen;  dann  stören  auch,  bei 
ihnen  vorgenommene  Einschränkungen  die  Sicherheit  der 
Geschäfte  auf  eine  hei  weitem  schädlichere  Weise;  und  endlich 
ist  es  von  manchen  Seiten,  und  vorzüglich  zur  Ausbildung 
der  Beurtheilungskraft,  und  zur  Beförderung  der  Festigkeit 
des  Charakters  gut,  dass  das  einmal  gegebene  Wort  unwider- 
ruflich binde,  so  dass  man  diesen  Zwang  nie,  ohne  eine 
wahre  Notwendigkeit,  erleichtern  muss,  welche  bei  der 
Ueb ertragung  von  Sachen,  wodurch  zwar  diese  oder  jene 
Ausübung  der  menschlichen  Thätigkeit  gehemmt,  aber  die 
Energie  selbst  nicht  leicht  geschwächt  werden  kann,  nicht 
eintritt.  Bei  Verträgen  hingegen,  welche  persönliche  Lei- 
stungen zur  Pflicht  machen,  oder  gar  eigentliche  persönliche 
Verhältnisse  hervorbringen,  ist  es  bei  weitem  anders.  Der 
Zwang  ist  bei  ihnen  den  edelsten  Kräften  des  Menschen 
nachtheilig,  und  da  das  Gelingen  der  Geschäfte  selbst,  die 
durch  sie  bewirkt  werden,  obgleich  mehr  oder  minder,  von 
der  fortdauernden  Einwilligung  der  Pariheien  abhängt;  so 
ist  auch  bei  ihnen  eine  Einschränkung  dieser  Art  minder 
schädlich.  Wo  daher  durch  den  Vertrag  ein  solches  per- 
sönliches Verhältniss  entsteht,  das  nicht  bloss  einzelne  Hand- 
lungen fordert,  sondern  im  eigentlichsten  Sinn  die  Person 
und  die  ganze  Lebensweise  betritt,  wo  dasjenige,  was  ge- 
leistet, oder  dasjenige,  dem  entsagt  wird,  in  dem  genauesten 
Zusammenhange  mit  inneren  Empfindungen  steht,  da  muss 
die  Trennung  zu  jeder  Zeit,  und  ohne  Anführung  aller  Gründe 
erlaubt  sein.  So  bei  der  Ehe.  Wo  das  Verhältniss  zwar 
weniger  eng  ist,  indess  gleichfalls  die  persönliche  Freiheit 
eng  beschränkt,  da,  glaube  ich,  müsste  der  Staat  eine  Zeit 
festsezen,  deren  Länge  auf  der  einen  Seite  nach  der  Wichtig- 
keit der  Beschränkung,  auf  der  andren  nach  der  Natur  des 
Geschäfts  zu  bestimmen  wäre,  binnen  welcher  zwar  keiner 
beider  Theile  einseitig  abgehen  dürfte,  nach  Verlauf  welcher 


120 

aber  der  Vertrag  ohne  Erneuerung,  kein  Zwangsrecht  nach 
sich  ziehen  könnte,  selbst  dann  nicht,  wenn  die  Partheien, 
bei  Eingehung  des  Vertrags,  diesem  Geseze  entsagt  hätten. 
Denn  wenn  es  gleich  scheint,  als  sei  eine  solche  Anord- 
nung eine  blosse  Wohlthat  des  Gesezes,  und  dürfte  sie, 
ebensowenig  als  irgend  eine  andre,  jemandem  aufgedrungen 
werden;  so  wird  ja  niemandem  hierdurch  die  Befugniss 
genommen  auch ,  das  ganze  Leben  hindurch  dauernde 
Verhältnisse  einzugehen,  sondern  bloss  dem  einen  das 
Recht,  den  andren  da  zu  zwingen,  wo  der  Zwang  den 
höchsten  Zwekken  desselben  hinderlich  sein  würde.  Ja 
es  ist  um  so  weniger  eine  blosse  Wohlthat,  als  die  hier 
genannten  Fälle,  und  vorzüglich  der  der  Ehe  (sobald 
nemlich  die  freie  Willkühr  nicht  mehr  das  Verhältniss 
begleitet)  nur  dem  Grade  nach  von  denjenigen  verschie- 
den sind,  worin  der  eine  sich  zu  einem  blossen  Mittel 
der  Absicht  des  andren  macht,  oder  vielmehr  von  dem  an- 
dren dazu  gemacht  wird;  und  die  Befugniss  hier  die  Gränz- 
linie  zu  bestimmen  zwischen  dem,  ungerechter,  und  gerechter 
Weise  aus  dem  Vertrag  entstehenden  Zwangsrecht,  kann 
dem  Staat,  d.  i.  dem  gemeinsamen  Willen  der  Gesellschaft, 
nicht  bestritten  werden,  da  ob  die,  aus  einem  Vertrage  ent- 
stehende Beschränkung  den,  welcher  seine  Willensmeinung 
geändert  hat,  wirklich  nur  zu  einem  Mittel  des  andren  macht? 
völlig  genau,  und  der  Wahrheit  angemessen  zu  entschei- 
den, nur  in  jeglichem  speciellen  Fall  möglich  sein  würde. 
Endlich  kann  es  auch  nicht  eine  Wohlthat  aufdringen 
heissen,  wenn  man  die  Befugniss  aufhebt,  ihr  im  Voraus  zu 
entsagen. 

Die  ersten  Grundsäze  des  Hechts  lehren  von  selbst,  und 
es  ist  auch  im  Vorigen  schon  ausdrüklich  erwähnt  worden, 
dass  niemand  gültigerweise  über  etwas  andres  einen  Ver- 
trag schliessen,  oder  überhaupt  seinen  Willen  erklären  kann, 


121 

als  über  das,  was  wirklich  sein  Eigenthum  ist,  seine  Hand- 
lungen, oder  seinen  Besiz.  Es  ist  auch  gewiss,  dass  der 
wichtigste  Theil  der  Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit 
der  Bürger,  insofern  Verträge  oder  Willenserklärungen  auf 
dieselbe  Einfluss  haben,  darin  besteht,  über  die  Ausübung 
dieses  Sazes  zu  wachen.  Dennoch  finden  sich  noch  ganze 
Gattungen  der  Geschäfte,  bei  welchen  man  seine  Anwendung 
gänzlich  vermisst.  So  alle  Dispositionen  von  Todes  wegen, 
auf  welche  Art  sie  geschehen  mögen,  ob  direkt,  oder  in- 
direkt, nur  bei  Gelegenheit  eines  andren  Vertrags,  ob  in 
einem  Vertrage,  Testamente,  oder,  irgend  einer  andren  Dis- 
position, welcher  Art  sie  sei.  Alles  Recht  kann  sich  un- 
mittelbar nur  immer  auf  die  Person  beziehn;  auf  Sachen 
ist  es  nicht  anders  denkbar,  als  insofern  die  Sachen  durch 
Handlungen  mit  der  Person  verknüpft  sind.  Mit  dem  Auf- 
hören der  Person  fällt  daher  auch  diess  Recht  weg.  Der 
Mensch  darf  daher  zwar,  bei  seinem  Leben  mit  seinen 
Sachen  nach  Gefallen  schalten,  sie  ganz  oder  zum  Theil, 
ihre  Substanz,  oder  ihre  Benuzung,  oder  ihren  Besiz  ver- 
äussern, auch  seine  Handlungen,  seine  Disposition  über  sein 
Vermögen,  wie  er  es  gut  findet,  im  Voraus  beschränken. 
Keinesweges  aber  steht  ihm  die  Befugniss  zu,  auf  eine,  für 
andre  verbindliche  Weise  zu  bestimmen,  wie  es  mit  seinem 
Vermögen  nach  seinem  Tode  gehalten  werden,  oder  wie 
der  künftige  Besizer  desselben  handien  oder  nicht  handien 
solle?  Ich  verweile  nicht  bei  den  Einwürfen,  welche  sich 
gegen  diese  Säze  erheben  lassen.  Die  Gründe  und  Gegen- 
gründe sind  schon  hinlänglich  in  der  bekannten  Streitfrage 
über  die  Gültigkeit  der  Testamente  nach  dem  Naturrecht 
auseinandergesezt  worden,  und  der  Gesichtspunkt  des  Rechts 
ist  hier  überhaupt  minder  wichtig,  da  freilich  der  ganzen 
Gesellschaft  die  Befugniss  nicht  bestritten  weiden  kann,  lezt- 
willigen  Erklärungen  die,  ihnen  sonst  mangelnde  Gültigkeit 


122 

positiv  beizulegen.  Allein  wenigstens  in  der  Ausdehnung, 
welche  ihnen  die  meisten  unsrer  Gesezgebungen  beilegen, 
nach  dem  System  unsres  gemeinen  Rechts,  in  welchem  sich 
hier  die  Spizfindigkeit  Römischer  Rechtsgelehrten,  mit  der, 
eigentlich  auf  die  Trennung  aller  Gesellschaft  hinauslaufenden 
Herrschsucht  des  Lehnwesens  vereint,  hemmen  sie  die  Frei- 
heit, deren  die  Ausbildung  des  Menschen  nothwendig  bedarf, 
und  streiten  gegen  alle,,  in  diesem  ganzen  Aufsaz  entwickelte 
Grundsäze.  Denn  sie  sind  das  vorzüglichste  Mittel,  wodurch 
eine  Generation  der  andren  Geseze  vorschreibt,  wodurch 
Misbräuche  und  Vorurtheile,  die  sonst  nicht  leicht  die  Gründe 
überleben  würden,  welche  ihr  Entstehen  unvermeidlich,  oder 
ihr  Dasein  unentbehrlich  machen,  von  Jahrhunderten  zu 
Jahrhunderlen  forterben,  wodurch  endlich,  statt  dass  die 
Menschen  den  Dingen  die  Gestalt  geben  sollten,  diese  die 
Menschen  selbst  ihrem  Joche  unterwerfen.  Auch  lenken  sie 
am  meisten  den  Gesichtspunkt  der  Menschen  von  der  wah- 
ren Kraft  und  ihrer  Ausbildung  ab,  und  auf  den  aussren 
Hcsiz,  und  das  Vermögen  hin,  da  diess  nun  einmal  das 
Einzige  ist,  wodurch  dem  Willen  noch  nach  dem  Tode  Ge- 
horsam erzwungen  werden  kann.  Endlich  dient  die  Freiheit 
leztwilliger  Verordnungen  sehr  oft  und  meistentheils  gerade 
den  unedleren  Leidenschaften  des  Menschen,  dem  Stolze, 
der  Herrschsucht,  der  Eitelkeit  u.  s.  f.  so  wie  überhaupt  viel 
häufiger  nur  die  minder  Weisen  und  minder  Guten  davon 
Gebrauch  machen,  da  der  Weisere  sich  in  Acht  nimmt, 
etwas  für  eine  Zeit  zu  verordnen,  deren  individuelle  Um- 
stände seiner  Kurzsichtigkeit  verborgen  sind,  und  der  Bessere 
sich  freut,  auf  keine  Gelegenheit  zu  slossen,  wo  er  den 
Willen  andrer  einschränken  muss,  statt  dieselben  noch  be- 
gierig hervorzusuchen.  Nicht  selten  mag  sogar  das  Ge- 
heimniss  und  die  Sicherheit  vor  dem  Urtheil  der  Mitwelt 
Dispositionen  begünstigen,  die  sonst  die  Schaam  unterdrükt 


123 

hatte.  Diese  Gründe  zeigen,  wie  es  mir  scheint  hinlänglich 
die  Notwendigkeit,  wenigstens  gegen  die  Gefahr  zu  sichern, 
welche  die  testamentarischen  Dispositionen  der  Freiheit  der 
Bürger  drohen. 

Was  soll  aber,  wenn  der  Staat  die  Befugniss  gänzlich 
aufhebt,  Verordnungen  zu  machen,  welche  sich  auf  den  Fall 
des  Todes  beziehen  —  wie  denn  die  Strenge  der  Grundsäze 
diess  allerdings  erfordert  —  an  ihre  Stelle  treten?  Da  Ruhe 
und  Ordnung  allen  erlaubte  Besiznehmung  unmöglich  machen, 
unstreitig  nichts  andres  als  eine  vom  Staat  festgesezte  In- 
testaterbfolge. Allein  dem  Staate  einen  so  mächtigen  posi- 
tiven Einfluss,  als  er  durch  diese  Erbfolge,  bei  gänzlicher 
Abschaffung  der  eignen  Willenserklärungen  der  Erblasser, 
erhielte,  einzuräumen,  verbieten  auf  der  andren  Seile  manche 
der  im  Vorigen  entwikkelten  Grundsäze.  Schon  mehr  als 
einmal  ist  der  genaue  Zusammenhang  der  Geseze  der  In- 
tcstatsuccession  mit  den  politischen  Verfassungen  der  Staa- 
ten bemerkt  worden,  und  leicht  liesse  sich  dieses  Mittel 
auch  zu  andren  Zwekken  gebrauchen.  Ueberhaupt  ist  im 
Ganzen  der  mannigfaltige  und  wechselnde  Wille  der  ein- 
zelnen Menschen  dem  einförmigen  und  unveränderlichen  des 
Staats  vorzuziehen.  Auch  scheint  es,  welcher  Nachtheile 
man  immer  mit  Recht  die  Testamente  beschuldigen  mag, 
dennoch  hart,  dem  Menschen  die  unschuldige  Freude  des 
Gedankens  zu  rauben,  diesem  oder  jenem  mit  seinem  Ver- 
mögen noch  nach  seinem  Tode  wohllhätig  zu  werden;  und 
wenn  grosse  Begünstigung  derselben  der  Sorgfalt  für  das 
Vermögen  eine  zu  grosse  Wichtigkeit  giebt,  so  führt  auch 
gänzliche  Aufhebung  vielleicht  wiederum  zu  dem  entgegen- 
gesezten  Uebel.  Dazu  entsteht  durch  die  Freiheit  der  Men- 
schen, ihr  Vermögen  willkührlich  zu  hinterlassen,  ein  neues 
Band  unter  ihnen,  das  zwar  oft  sehr  gemisbraucht,  allein 
auch  oft  heilsam  benuzt  werden  kann.    Und  die  ganze  Ab- 


124 

sieht  der  hier  vorgetragenen  Ideen  Hesse  sich  ja  vielleicht 
nicht  unrichtig  darin  sezen,  dass  sie  alle  Fesseln  in  der  Ge- 
sellschaft zu  zerbrechen,  aber  auch  dieselbe  mit  so  viel 
Banden,  als  möglich,  unter  einander  zu  verschlingen  bemüht 
sind.  Der  Isolirte  vermag  sich  eben  so  wenig  zu  bilden,  als 
der  Gefesselte.  Endlich  ist  der  Unterschied  so  klein,  ob 
jemand  in  dem  Moment  seines  Todes  sein  Vermögen  wirk- 
lich verschenkt,  oder  durch  ein  Testament  hinterlässt,  da 
er  doch  zu  dem  Ersteren  ein  unbezweifeltes  und  unentreiss- 
bares  Recht  hat, 

Der  Widerspruch,  in  welchen  die  hier  aufgeführten 
Gründe  und  Gegengründe  zu  verwikkeln  schienen,  löst  sich, 
dünkt  mich,  durch  die  Betrachtung,  dass  eine  leztwillige 
Verordnung  zweierlei  Bestimmungen  enthalten  kann,  1.  wer 
unmittelbar  der  nächste  Besizer  des  Nachlasses  sein?  2.  wie 
er  damit  schalten,  wem  er  ihn  wiederum  hinterlassen,  und 
wie  es  überhaupt  in  der  Folge  damit  gehalten  werden  soll? 
und  dass  alle  vorhin  erwähnte  Nachlheile  nur  von  den 
lezteren,  alle  Vortheile  hingegen  allein  von  den  ersteren  gel- 
ten. Denn  haben  die  Geseze  nur,  wie  sie  allerdings  müssen, 
durch  gehörige  Bestimmung  eines  Pflichttheils  Sorge  ge- 
tragen, dass  kein  Erblasser  eine  wahre  Lnbilli°keit  oder 
Ungerechtigkeit  begehen  kann,  so  scheint  mir  von  der  bloss 
wohlwollenden  Meinung,  jemanden  noch  nach  seinem  Tode 
zu  beschenken,  keine  sonderliche  Gefahr  zu  befürchten  zu 
sein.  Auch  werden  die  Giundsäze,  nach  welchen  die  Men- 
schen hierin  verfahren  werden,  zu  Einer  Zeit  gewiss  immer 
ziemlich  dieselben  sein,  und  die  grössere  Häufigkeit  oder 
Seltenheit  der  Testamente  wird  dem  Gesezgeber  selbst  zu- 
gleich zu  einem  Kennzeichen  dienen,  ob  die  von  ihm  einge- 
führte Inleslal-Erbfolge  noch  passend  ist,  oder  nicht?  Dürfte 
es  daher  vielleicht  nicht  rathsam  sein,  nach  der  zwiefachen 
Natur  dieses  Gegenstandes,  auch  die  Maassregeln  des  Staats 


125 

in  Betreff  seiner  zu  theilen?  auf  der  einen  Seile  zwar  jedem 
zu  gestatten,  die  Einschränkung  in  Absicht  des  Pflichltheils 
ausgenommen,  zu  bestimmen,  wer  sein  Vermögen  nach 
seinem  Tode  besizen  solle?  aber  ihm  auf  der  andren  zu 
verbieten,  gleichfalls  auf  irgend  eine  nur  denkbare  Weise 
zu  verordnen,  wie  derselbe  übrigens  damit  schalten,  oder 
walten  solle?  Leicht  könnte  nun  zwar  das,  was  der  Staat 
erlaubte,  als  ein  Mittel  gemisbraucht  werden,  auch  das  zu 
thun,  was  er  untersagte.  Allein  diesem  müsste  die  Gesez- 
gebung  durch  einzelne  und  genaue  Bestimmungen  zuvorzu- 
kommen bemüht  sein.  Als  solche  Bestimmungen  liessen 
sich  z.  B.  da  die  Ausführung  dieser  Materie  nicht  hieher 
gehört,  folgende  vorschlagen,  dass  der  Erbe  durch  keine 
Bedingung  bezeichnet  werden  dürfte,  die  er,  nach  dem  Tode 
des  Erblassers,  vollbringen  müsste,  um  wirklich  Erbe  zu 
sein;  dass  der  Erblasser  immer  nur  den  nächsten  Besizer 
seines  Vermögens,  nie  aber  einen  folgenden  ernennen,  und 
dadurch  die  Freiheit  des  früheren  beschränken  dürfte;  dass 
er  zwar  mehrere  Erben  ernennen  könnte,  aber  diess  geradezu 
thun  müsste;  eine  Sache  zwar  dem  Umfange,  nie  aber 
den  Rechten  nach  z.  B.  Substanz  und  Niessbrauch,  theilen 
dürfte  u.  s.  f.  Denn  hieraus,  wie  auch  aus  der  hiermit  noch 
verbundnen  Idee,  dass  der  Erbe  den  Erblasser  vorstellt  — 
die  sich,  wenn  ich  mich  nicht  sehr  irre,  wie  so  vieles  andre, 
in  der  Folge  für  uns  noch  äusserst  wichtig  Gewordene,  auf 
eine  Formalität  der  Römer,  und  also  auf  die  mangelhafte 
Einrichtung  der  Gerichtsverfassung  eines  erst  sich  bildenden 
Volkes  gründet  —  entspringen  mannigfaltige  Unbequemlich- 
keilen, und  Freiheitsbeschränkungen.  Allen  diesen  aber  wird 
es  möglich  sein  zu  entgehen,  wenn  man  den  Saz  nicht  aus 
den  Augen  verliert,  dass  dem  Erblasser  nichts  weiter  ver- 
staltet sein  darf,  als  aufs  Höchste  seinen  Erben  zu  nennen; 
dass   der  Staat,    wenn    diess  güllig   geschehen   ist,    diesen 


126 

Erben  zum  Besize  verhelfen,  aber  jeder  weitergehenden 
Willenserklärung  des  Erblassers  seine  Unterstüzung  ver- 
sagen muss. 

Für  den  Fall,  wo  keine  Eibesernennung  von  dem  Erb- 
lasser geschehen  ist,  muss  der  Staat  eine  Intestaterbfolge 
anordnen.  Allein  die  Ausführung  der  Säze,  welche  dieser, 
so  wie  der  Bestimmung  des  Pflichttheils  zum  Grunde  liegen 
müssen,  gehört  nicht  zu  meiner  gegenwärtigen  Absicht,  und 
ich  kann  mich  mit  der  Bemerkung  begnügen,  dass  der  Staat 
auch  hier  nicht  positive  Endzwekke,  z.  B.  Aufrechthaltung 
des  Glanzes  und  des  Wohlstandes  der  Familien,  oder  in 
dem  entgegengesezten  Extreme  Versplilterung  des  Vermö- 
gens durch  Vervielfachung  der  Theilnehmer,  oder  gar  reich- 
lichere Unterstüzung  des  grösseren  Bedürfnisses,  vor  Augen 
haben  darf;  sondern  allein  den  Begriffen  des  Rechts  folgen 
muss,  die  sich  hier  vielleicht  bloss  auf  den  Begriff  des  ehe- 
maligen Miteiffenthums  bei  dem  Leben  des  Erblassers  be- 
schränken,  und  so  das  erste  Recht  der  Familie,  das  fernere 
der  Gemeine  u.  s.  w.  einräumen  l). 

Sehr  nah  verwandt  mit  der  Erbschaftsmaterie  ist  die 
Frage,  inwiefern  Verträge  unter  Lebendigen  auf  die  Erben 
übergehen  müssen?  Die  Antwort  muss  sich  aus  dem  fest- 
gestellten Grundsaz  ergeben.  Dieser  aber  war  folgender: 
der  Mensch  darf  bei  seinem  Leben  seine  Handlungen  be- 
schränken und  sein  Vermögen  veräussern,  wie  er  will,  auf 
die  Zeit  seines  Todes  aber  weder  die  Handlungen  dessen 
bestimmen  wollen,  der  alsdann  sein  Vermögen  besizt,   noch 


)  Sehr  vieles  in  dem  vorigen  Raisonnement  habe  icli  ans  Mirabeans 
Rede  über  eben  diesen  Gegenstand  entlehnt;  und  ich  würde 
noch  mehr  davon  haben  bennzen  können,  wenn  nicht  Mirabeau 
einen,  der  gegenwärtigen  Absicht  völlig  fremden,  politischen  Ge- 
sichtspunkt verfolgt  hätte.  S.  Collection  complette  des  travaux 
de  Mr.  Mirabeau  Vaine  h  VAssembléc  nationale.  T.  V.  p.  498 — 524. 


127 

auch  hierüber  eine  Anordnung-  irgend  einer  Gattung  (man 
müsste  denn  die  blosse  Ernennung  eines  Erben  billigen) 
treffen.  Es  müssen  daher  alle  diejenigen  Verbindlichkeiten 
auf  den  Erben  übergehn,  und  gegen  ihn  erfüllt  werden, 
welcbe  wirklich  die  Uebertragimg  eines  Theils  des  Eigen- 
tums in  sich  schliessen,  folglich  das  Vermögen  des  Erb- 
lassers entweder  verringert  oder  vergrössert  haben;  hingegen 
keine  von  denjenigen,  welche  entweder  in  Handlungen  des 
Erblassers  bestanden,  oder  sich  nur  auf  die  Person  desselben 
bezogen.  Selbst  aber  mit  diesen  Einschränkungen  bleibt 
die  Möglichkeit,  seine  Nachkommenschaft  durch  Verträge, 
die  zur  Zeit  des  Lebens  geschlossen  sind,  in  bindende  Ver- 
hältnisse zu  verwikkeln,  noch  immer  zu  gross.  Denn  man 
kann  ebensogut  Rechte,  als  Stükke  seines  Vermögens  ver- 
äussern, eine  solche  Veräusserung  muss  nothwendig  für 
die  Erben,  die  in  keine  andre  Lage  treten  können,  als  in 
welcher  der  Erblasser  selbst  war,  verbindlich  sein,  und  nun 
führt  der  getheilte  Besiz  mehrerer  Rechte  auf  Eine  und  die 
nemliche  Sache  allemal  zwingende  persönliche  Verhältnisse 
mit  sich.  Es  dürfte  daher  wohl,  wenn  nicht  nothwendig, 
doch  aufs  mindeste  sehr  ralhsam  sein,  wenn  der  Staat  ent- 
weder untersagte,  Verträge  dieser  Art  anders  als  auf  die 
Lebenszeit  zu  machen,  oder  wenigstens  die  Mittel  erleich- 
lerte,  eine  wirkliche  Trennung  des  Eigenthums  da  zu  be- 
wirken, wo  ein  solches  Verhältniss  einmal  entstanden  wäre. 
Die  genauere  Ausführung  einer  solchen  Anordnung  gehört 
wiederum  nicht  hieher,  und  das  um  so  weniger,  als,  wie 
es  mir  scheint,  dieselbe  nicht  sowohl  durch  Feststellung 
allgemeiner  Grundsäze,  als  durch  einzelne,  auf  bestimmte 
Verträge  gerichtete  Geseze  zu  machen  sein  würde. 

Je  weniger  der  Mensch  anders  zu  handeln  vermocht 
wird,  als  sein  Wille  verlangt,  oder  seine  Kraft  ihm  erlaubt, 
desto  günstiger  ist  seine  Lage  im  Staat.    Wenn  ich  in  Bezug 


128 

auf  diese  Wahrheit  —  um  welche  allein  sich  eigentlich  alle 
in  diesem  Aufsaze  vorgetragene  Ideen  drehen,  das  Feld  «un- 
serer Civiljurisprudenz  übersehe;  so  zeigt  sich  mir  neben 
andren,  minder  erheblichen  Gegenständen,  noch  ein  äusserst 
wichtiger,  die  Gesellschaft  nemlich,  welche  man,  im  Gegen- 
saze  der  physischen  Menschen,  moralische  Personen  zu 
nennen  pflegt.  Da  sie  immer  eine,  von  der  Zahl  der  Mit- 
glieder, welche  sie  ausmachen,  unabhängige  Einheit  ent- 
halten, welche  sich,  mit  nur  unbeträchtlichen  Veränderungen, 
durch  eine  lange  Reihe  von  Jahren  hindurch  erhält;  so 
bringen  sie  aufs  mindeste  alle  die  Nachtheile  hervor,  welche 
im  Vorigen  als  Folgen  leztwilliger  Verordnungen  dargestellt 
worden  sind.  Denn  wenn  gleich  ein  sehr  grosser  Theil 
ihrer  Schädlichkeit  bei  uns,  aus  einer,  nicht  nothwendig  mit 
ihrer  Natur  verbundnen  Einrichtung  —  den  ausschliesslichen 
Privilegien  nemlich,  welche  ihnen  bald  der  Staat  ausdrük- 
lich,  bald  die  Gewohnheit  stillschweigend  ertheilt,  und  durch 
welche  sie  oft  wahre  politische  Corps  werden  —  entsteht; 
so  führen  sie  doch  auch  an  sich  noch  immer  eine  beträcht- 
liche Menge  von'  Unbequemlichkeiten  mit  sich.  Diese  aber 
entstellen  allemal  nur  dann,  wenn  die  Verfassung  derselben 
entweder  alle  Mitglieder,  gegen  ihren  Willen,  zu  dieser 
oder  jener  Anwendung  der  gemeinschaftlichen  Mittel  zwingt, 
oder  doch  dem  Willen  der  kleineren  Zahl,  durch  Not- 
wendigkeit der  Uebereinstimmung  aller,  erlaubt,  den  der 
grösseren  zu  fesseln.  Uebrigens  sind  Gesellschaften  und 
Vereinigungen,  weit  entfernt  an  sich  schädliche  Folgen  her- 
vorzubringen, gerade  eins  der  sichersten  und  zwekmässig- 
sten  Mittel,  die  Ausbildung  des  Menschen  zu  befördern  und 
zu  beschleunigen.  Das  Vorzüglichste,  was  man  hiebei  vom 
Staat  zu  erwarten  hätte,  dürfte  daher  nur  die  Anordnung 
sein,  dass  jede  moralische  Person  oder  Gesellschaft  für  nichts 
weiter,  als  für  die  Vereinigung  der  jedesmaligen  Mitglieder 


129 

anzusehen  sei,  und  daher  nichts  diese  hindern  könne,  über 
die  Verwendung  der  gemeinschaftlichen  Kräfte  und  Mittel 
durch  Stimmenmehrheit  nach  Gefallen  zu  beschliessen.  Nur 
muss  man  sich  wohl  in  Acht  nehmen  für  diese  Mitglieder 
bloss  diejenigen  anzusehen,  auf  welchen  wirklich  die  Gesell- 
schaft beruht,  nicht  aber  diejenigen,  welcher  sich  diese  nur 
etwa  als  Werkzeuge  bedienen  —  eine  Verwechslung,  welche 
nicht  selten,  und  vorzüglich,  bei  Beurtheilung  der  Rechte 
der  Geistlichkeit,  gemacht  worden  ist. 

Aus  diesem  bisherigen  Raisonnement   nun  rechtfertigen 
sich,  glaube  ich,  folgende  Grundsäze. 

Da,  wo  der  Mensch  nicht  bloss  innerhalb  des  Kreises 
seiner  Kräfte  und  seines  Eigenthums  bleibt,  sondern 
Handlungen  vornimmt,  welche  sich  unmittelbar  auf  den 
andren  beziehen,  legt  die  Sorgfalt  für  die  Sicherheit 
dem  Staat  folgende  Pflichten  auf. 

1.  Bei  denjenigen  Handlungen,  welche  ohne,  oder 
gegen  den  Willen  des  andren  vorgenommen  werden, 
muss  er  verbieten,  dass  dadurch  der  andre  in  dem  Ge- 
nuss  seiner  Kräfte,  oder  dem  Besiz  seines  Eigenthums 
gekränkt  werde;  im  Fall  der  Uebertretung,  den  Belei- 
diger zwingen,  den  angerichteten  Schaden  zu  ersezen, 
aber  den  Beleidigten  verhindern,  unter  diesem  Vor- 
wande,  oder  ausserdem  eine  Privatrache  an  demselben 
zu  üben. 

2.  Diejenigen  Handlungen,  welche  mit  freier  Bewilli- 
gung des  andern  geschehen,  muss  er  in  eben  denjeni- 
gen, aber  keinen  engern  Schranken  halten,  als  welche 
den  Handlungen  einzelner  Menschen  im  Vorigen  vor- 
geschrieben sind.     (S.  S.  111.  112). 

3.  Wenn  unter  den  eben  erwähnten  Handlungen 
solche  sind,  aus  welchen  Rechte  und  Verbindlichkeiten 
für  die  Folge  unter  den  Partheien  entstehen  (einseitige 

vu.  9 


130 

und  gegenseitige  Willenserklärungen,  Vertrüge  u.  s.  f.), 
so  muss  der  Staat  das,  aus  denselben  entspringende 
Zwangsrecht  zwar  überall  da  schüzen,  wo  dasselbe  in 
dem  Zustande  der  Fähigkeit  gehöriger  Ueberlegung,  in 
Absicht  eines,  der  Disposition  des  Uebertragenden  un- 
terworfenen Gegenstandes,  und  mit  freier  Beschliessung 
übertragen  wurde;  hingegen  niemals  da,, wo  es  entwe- 
der den  Handlenden  selbst  an  einem  dieser  Stükke  fehlt, 
oder  wo  ein  Dritter,  gegen,  oder  ohne  seine  Einwilli- 
gung widerrechtlich  beschränkt  werden  würde. 

4.  Selbst  bei  »ülticen  Verträgen  muss  er,  wenn  aus 
denselben  solche  persönliche  Verbindlichkeiten,  oder 
vielmehr  ein  solches  persönliches  Verhältniss  entspringt, 
welches  die  Freiheit  sehr  eng  beschränkt,  die  Trennung, 
auch  gegen  den  Willen  Eines  Theils  immer  in  dem 
Grade  der  Schädlichkeit  der  Beschränkung  für  die  in- 
nere Ausbildung  erleichtern;  und  daher  da,  wo  die  Lei- 
stung der,  aus  dem  Verhältniss  entspringenden  Pflich- 
ten mit  inneren  Empfindungen  genau  verschwistert  ist, 
dieselbe  unbestimmt  und  immer,  da  hingegen,  wo,  bei 
zwar  enger  Beschränkung,  doch  gerade  diess  nicht  der 
Fall  ist,  nach  einer,  zugleich  nach  der  Wichtigkeit  der 
Beschränkung  und  der  Natur  des  Geschäfts  zu  bestim- 
menden Zeit  erlauben. 

5.  Wenn  jemand  über  sein  Vermögen  auf  den  Fall 
seines  Todes  disponiren  will  ;  so  dürfte  es  zwar  rath- 
sam  sein,  die  Ernennung  des  nächsten  Erben,  ohne 
Hinzufügung  irgend  einer,  die  Fähigkeit  desselben,  mit 
dem  Vermögen  nach  Gefallen  zu  schalten,  einschrän- 
kenden Bedingung,  zu  gestatten  ;  hingegen 

6.  ist  es  nothwendig  alle  weitere  Disposition  dieser 
Art  gänzlich  zu  untersagen  ;  und  zugleich  eine  Intestat- 
Erbfolge  und  einen  bestimmten  Pflichttheil  festzusezen. 


131 

7.  Wenn  gleich  unter  Lebendigen  geschlossene  Ver- 
träge insofern  auf  die  Erben  übergehn  und  gegen  die 
Erben  erfüllt  werden  müssen,  als  sie  dem  hinterlasse- 
nen  Vermögen  eine  andre  Gestalt  geben;  so  darf  doch 
der  Staat  nicht  nur  keine  weitere  Ausdehnung  dieses 
Sazes  gestalten,  sondern  es  wäre  auch  allerdings  ralh- 
sam,  wenn  derselbe  einzelne  Vertrage,  welche  ein  en- 
ges und  beschrankendes  Verhältniss  unter  den  Partheien 
hervorbringen  (wie  z.B.  die  Theilung  der  Rechte  auf 
Eine  Sache  zwischen  Mehreren)  entweder  nur  auf  die 
Lebenszeit  zu  schliessen  erlaubte,  oder  doch  dem  Er- 
ben des  einen  oder  andren  Theils  die  Trennung  erleich- 
terte. Denn  wenn  gleich  hier  nicht  dieselben  Gründe, 
als  im  Vorigen  bei  persönlichen  Verhältnissen  eintreten  ; 
so  ist  auch  die  Einwilligung  der  Erben  minder  frei,  und 
die  Dauer  des  Verhältnisses  sogar  unbestimmt  lang. 

Wäre  mir  die  Aufstellung  dieser  Grundsäze  völlig  mei- 
ner Absicht  nach,  gelungen:  so  müssten  dieselben  allen  den- 
jenigen Fällen  die  höchste  Richtschnur  vorschreiben,  in  wel- 
chen die  Civil-Gesezgebung  für  die  Erhaltung  der  Sicherheit 
zu  sorgen  hat.  So  habe  ich  auch  z.  B.  der  moralischen 
Personen  in  denselben  nicht  erwähnt,  da,  je  nachdem  eine 
solche  Gesellschaft  durch  einen  lezten  Willen,  oder  einen 
Vertrag  entsteht,  sie  nach  den,  von  diesen  redenden  Grund- 
säzen  zu  beurtheilen  ist.  Freilich  aber  verbietet  mir  schon 
der  Reichthum  der  in  der  Civil-Gesezgebung  enthaltenen 
Fälle,  mir  mit  dem  Gelingen  dieses  Vorsazes  zu  schmeicheln. 


132 

XII. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  rechtliche 
Entscheidung  der  Streitigkeiten  der  Bürger. 

Dasjenige,  worauf  die  Sicherheit  der  Bürger  in  der  Ge- 
sellschaft vorzüglich  beruht,  ist  die  Uebertragung  aller  eigen- 
mächtigen Verfolgung  des  Rechts  an  den  Staat.  Aus  dieser 
Uebertragung  entspringt  aber  auch  für  diesen  die  Pflicht, 
den  Bürgern  nunmehr  zu  leisten,  was  sie  selbst  sich  nicht 
mehr  verschaffen  dürfen,  und  folglich  das  Recht,  wenn  es 
unter  ihnen  streitig  ist,  zu  entscheiden,  und  den,  auf  dessen 
Seite  es  sich  findet,  in  dem  Besize  desselben  zu  schüzen. 
Hiebei  tritt  der  Staat  allein,  und  ohne  alles  eigne  Interesse 
in  die  Stelle  der  Bürger.  Denn  die  Sicherheit  wird  hier 
nur  dann  wirklich  verlezt,  wenn  derjenige,  welcher  Unrecht 
leidet,  oder  zu  leiden  vermeint,  diess  nicht  geduldig  ertra- 
gen will,  nicht  aber  dann,  wenn  er  entweder  einwilligt,  oder 
doch  Gründe  hat,  sein  Recht  nicht  verfolgen  zu  wollen.  Ja 
selbst  wenn  Unwissenheit  oder  Trägheit  Vernachlässigung 
des  eignen  Rechtes  veranlasste,  dürfte  der  Staat  sich  nicht 
von  selbst  darin  mischen.  Er  hat  seinen  Pflichten  Genüge 
geleistet,  sobald  er  nur  nicht  durch  verwikkelte,  dunkle, 
oder  nicht  gehörig  bekannt  gemachte  Geseze  zu  dergleichen 
Irrthümern  Gelegenheit  giebt.  Eben  diese  Gründe  gelten 
nun  auch  von  allen  Mitteln,  deren  der  Staat  sich  zur  Aus- 
mittelung des  Rechts  da  bedient,  wo  es  wirklich  verfolgt 
wird.  Er  darf  darin  nemlich  niemals  auch  nur  einen  Schritt 
weiter  zu  gehen  wagen,  als  ihn  der  Wille  der  Partheien 
führt.  Der  erste  Grundsaz  jeder  Prozessordnung  müsste 
daher  noth wendig  der  sein,  niemals  die  Wahrheit  an  sich 
und  schlechterdings,  sondern  nur  immer  insofern  aufzusu- 
chen, als  diejenige  Parlhei  es  fordert,  welche  deren  Aufsu- 
chung überhaupt  zu  verlangen  berechtigt  ist.     Allein  auch 


133 

hier  treten  noch  neue  Schranken  ein.  Der  Staat  darf  nem- 
lich  nicht  jedem  Verlangen  der  Partheien  willfahren,  son- 
dern nur  demjenigen,  welches  zur  Aufklärung  des  streitigen 
Rechtes  dienen  kann,  und  auf  die  Anwendung  solcher  Mittel 
gerichtet  ist,  welche,  auch  ausser  der  Staatsverbindung,  der 
Mensch  gegen  den  Menschen,  und  zwar  in  dem  Falle  ge- 
brauchen kann,  in  welchem  bloss  ein  Recht  zwischen  ihnen 
streitig  ist,  in  welchem  aber  der  andre  ihm  entweder  über- 
haupt nicht,  oder  wenigstens  nicht  erwiesenermaassen  etwas 
entzogen  hat.  Die  hinzukommende  Gewalt  des  Staats  darf 
nicht  mehr  thun,  als  nur  die  Anwendung  dieser  Mittel  si- 
chern, und  ihre  Wirksamkeit  unterstüzen.  Hieraus  entsteht 
der  Unterschied  zwischen  dem  Civil  und  Kriminalverfahren, 
dass  in  jenem  das  äusserste  Mittel  zur  Erforschung  der 
Wahrheit  der  Eid  ist,  in  diesem  aber  der  Staat  einer  grös- 
seren Freiheit  geniesst.  Da  der  Richter  bei  der  Ausmitte- 
lung des  streitigen  Rechts  gleichsam  zwischen  beiden  Thei- 
len  steht,  so  ist  es  seine  Pflicht  zu  verhindern,  dass  keiner 
derselben  durch  die  Schuld  des  andern  in  der  Erreichung 
seiner  Absicht  entweder  ganz  gestört,  oder  doch  hingehalten 
werde;  und  so  entsteht  der  zweite  gleich  nothwendige  Grund- 
saz,  das  Verfahren  der  Partheien,  während  des  Prozesses, 
unter  specieller  Aufsicht  zu  haben,  und  zu  verhindern,  dass 
es,  statt  sich  dem  gemeinschaftlichen  Endzwek  zu  nähern, 
sich  vielmehr  davon  entferne.  Die  höchste  und  genaueste 
Befolgung  jedes  dieser  beiden  Grundsäze  würde,  dünkt  mich, 
die  beste  Prozessordnung  hervorbringen.  Denn  übersieht 
man  den  lezteren,  so  ist  der  Chikane  der  Partheien,  und 
der  Nachlässigkeit  und  den  eigensüchtigen  Absichten  der 
Sachwalter  zuviel  Spielraum  gelassen;  so  werden  die  Pro- 
zesse verwikkelt,  langwierig,  kostspielig;  und  die  Entschei- 
dungen dennoch  schief,  und  der  Sache,  wie  der  Meinung 
der  Pariheien,  oft  unangemessen.    Ja  diese  Nachtheile  tragen 


134 

sogar  zur  grösseren  Häufigkeit  rechtlicher  Streitigkeilen  und 
zur  Nahrung  der  Prozesssucht  bei.  Entfernt  man  sich  hin- 
gegen von  dem  ersteren  Grundsaz:  so  wird  das  Verfahren- 
inquisitorisch,  der  Richter  erhalt  eine  zu  grosse  GeAvalt,  und 
mischt  sich  in  die  geringsten  Privatangelegenheiten  der  Bür- 
ger. Von  beiden  Extremen  finden  sich  Beispiele  in  der 
Wirklichkeit,  und  die  Erfahrung  bestätigt,  dass,  wenn  das 
zulezt  geschilderte  die  Freiheit  zu  eng  und  widerrechtlich 
beschränkt,  das  zuerst  aufgestellte  der  Sicherheit  des  Eigen- 
thums  nachtheilig  ist. 

Der  Richter  braucht  zur  Untersuchung  und  Erforschung 
der  Wahrheit  Kennzeichen  derselben,  Beweismittel.     Daher 
giebt  die  Betrachtung,  dass   das  Recht  nicht  anders  wirk- 
same Gültigkeit  erhalt,   als  wenn  es,  im   Fall  es   bestritten 
würde,    eines  Beweises  vor   dem   Richter  fähig  ist,    einen 
neuen  Gesichtspunkt  für  die  Gesezgebung  an  die  Hand.    Es 
entsteht  nemlich  hieraus  die  Nothwendigkeit  neuer  einschrän- 
kender Geseze,   nemlich  solcher,   welche    den   verhandelten 
Geschäften  solche  Kennzeichen  beizugeben  gebieten,  an  wel- 
chen künftig  ihre  Wirklichkeit   oder  Gültigkeit  zu  erkennen 
sei.     Die  Nothwendigkeit  von  Gesezen  dieser  Art  fällt  alle- 
mal in   eben  dem  Grade,  in   welchem  die  Vollkommenheit 
der   Gerichtsverfassung   steigt;    ist  aber  am   grossesten   da, 
wo   diese  am  mangelhaftesten  ist,   und   daher  der  meisten 
äusseren  Zeichen  zum   Beweise   bedarf.     Daher  findet  man 
die  meisten  Formalitäten   bei   den   unkultivirtesten  Völkern. 
Stufenweise  erforderte  die  Vindikation  eines  Akkers,  bei  den 
Römern,   erst  die  Gegenwart  der  Partheien  auf  dem  Akker 
selbst,  dann  das  Bringen  einer  Erdscholle  desselben  ins  Ge- 
richt, in  der  Folge  feierliche  Worte,  und  endlich  auch  diese 
nicht  mehr.     Ueberall,   vorzüglich  aber  bei  minder  kultivir- 
len  Nationen   hat  folglich  die  Gerichtsverfassung  einen  sehr 
wichtigen   Einfluss    auf  die   Gesezgebung  gehabt,    der  sich 


135 

sehr  oft  bei  weitem  nicht  auf  blosse  Formalitäten  beschränkt. 
Ich  erinnere  hier,    statt   eines   Beispiels,    an  die  Römische 
Lehre  von  Pakten  und  Kontrakten,  die  wie  wenig  sie  auch 
bisher  noch  aufgeklart  ist,  schwerlich  aus  einem  andern  Ge- 
sichtspunkt angesehen  werden  darf.     Diesen  Einfluss  in  ver- 
schiedenen Gesezgebungen   verschiedener  Zeitalter  und  Na- 
tionen  zu    erforschen,   dürfte   nicht  bloss  aus  vielen  andren 
Gründen,  aber  auch  vorzüglich  in  der  Hinsicht  nüzlich  sein, 
um  daraus  zu  beurtheilen,  welche  solcher  Geseze  wohl  all- 
gemein  nothwendig,   welche  nur  in  Lokalverhältnissen  ge- 
gründet sein   möchten?     Denn   alle  Einschränkungen  dieser 
Art  aufzuheben,  dürfte  —  auch  die  Möglichkeit  angenommen 
—  schwerlich  rathsam   sein.     Denn  einmal   wird  die  Mög- 
lichkeit von  Betrügereien,  z.  B.  von  Unterschiebung  falscher 
Dokumente   u.  s.  f.   zu    wenig   erschwert;   dann   werden   die 
Prozesse  vervielfältigt,  oder,  da  diess  vielleicht  an  sich  noch 
kein  Uebel  scheint,  die  Gelegenheiten  durch  erregte  unnüze 
Streitigkeiten    die   Ruhe    andrer   zu    stören   zu  mannigfaltig. 
Nun  aber  ist  gerade  die  Streitsucht,  welche  sich  durch  Pro- 
zesse äussert,    diejenige,    welche  —  den  Schaden  noch  ab- 
gerechnet, den  sie  dem  Vermögen,   der  Zeit,   und  der  Ge- 
müthsruhe   der  Bürger  zufügt  —  auch   auf  den   Charakter 
den  nachtheiligsten  Einfluss  hat,  und  gerade  durch  gar  keine 
nüzliche  Folgen  für  diese  Nachtheile  entschädigt.    Der  Schade 
der  Förmlichkeiten   hingegen   ist   die   Erschwerung  der  Ge- 
schäfte,   und  die  Einschränkung  der  Freiheit,    die   in  jedem 
Verhältniss  bedenklich  ist.     Das  Gesez  muss  daher  auch  hier 
einen  Mittelweg   einschlagen,   Förmlichkeiten  nie  aus  einem 
andern  Gesichtspunkte  anordnen,   als  um  die  Gültigkeit  der 
Geschäfte  zu  sichern,  und  Betrügereien  zu  verhindern,  oder 
den  Beweis  zu  erleichtern;    selbst    in  dieser  Absicht  diesel- 
ben  nur   da   fordern,   wo   sie  den   individuellen  Umständen 
nach  nothwendig  sind,   wo   ohne   sie  jene  Betrügereien  zu 


136 

leicht  zu  besorgen,  und  dieser  Beweis  zu  schwer  zu  führen 
sein  würde;  zu  denselben  nur  solche  Regeln  vorschreiben, 
deren  Befolgung  mit  nicht  grossen  Schwierigkeiten  verbun- 
den ist;  und  dieselben  von  allen  denjenigen  Fallen  gänzlich 
entfernen,  in  welchen  die  Besorgung  der  Geschäfte  durch 
sie  nicht  bloss  schwieriger,  sondern  so  gut  als  unmöglich 
werden  würde. 

Gehörige  Rüksicht  auf  Sicherheit  und  Freiheit  zugleich, 
scheint  daher  auf  folgende  Grundsäze  zu  führen: 

1.  Eine  der  vorzüglichsten  Pflichten  des  Staats  ist 
die  Untersuchung  und  Entscheidung  der  rechtlichen 
Streitigkeiten  der  Bürger.  Derselbe  tritt  dabei  an  die 
Stelle  der  Partheien,  und  der  eigentliche  Zwek  seiner 
Dazwischenkunft  besteht  aliein  darin,  auf  der  einen  Seile 
gegen  ungerechte  Forderungen  zu  beschüzen,  auf  der 
andren  gerechten  denjenigen  Nachdruk  zu  geben,  wel- 
chen sie  von  den  Bürgern  selbst  nur  auf  eine  die  öf- 
fentliche Ruhe  störende  Weise  erhalten  könnten.  Er 
muss  daher  während  der  Untersuchung  des  streitigen 
Rechts  dem  Willen  der  Partheien,  insofern  derselbe  nur 
in  dem  Rechte  gegründet  ist,  folgen,  aber  jede,  sich 
widerrechtlicher  Mittel  gegen  die  andere  zu  bedienen, 
verhindern. 

2.  Die  Entscheidung  des  streitigen  Rechts  durch  den 
Richter  kann  nur  durch  bestimmte,  gesezlich  angeord- 
nete Kennzeichen  der  Wahrheit  geschehen.  Hieraus 
entspringt  die  Nothwendigkeit  einer  neuen  Gattung  der 
Geseze,  derjenigen  nemlich,  welche  den  rechtlichen  Ge- 
schäften gewisse  bestimmte  Charaktere  beizulegen  ver- 
ordnen. Bei  der  Abfassung  dieser  nun  muss  der  Ge- 
sezgeber  einmal  immer  allein  von  dem  Gesichtspunkt 
geleitet  werden,  die  Authenticität  der  rechtlichen  Ge- 
schäfte gehörig  zu  sichern,  und  den  Beweis  im  Prozesse 


137 

nicht  zu  sehr  zu  erschweren;  ferner  aber  unaufhörlich 
die  Vermeidung  des  entgegengesezten  Extrems,  der  zu 
grossen  Erschwerung  der  Geschäfte,  vor  Augen  haben, 
und  endlich  nie  da  eine  Anordnung  treffen  wollen,  wo 
dieselbe  den  Lauf  der  Geschäfte  so  gut,  als  gänzlich 
hemmen  würde. 


XIII. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Bestrafung 

der  Uebertretungen  der  Geseze  des  Staats. 

(Kriminalgeseze.) 

Das  lezte,  und  vielleicht  wichtigste  Mittel,    für  die  Si- 
cherheit der  Bürger  Sorge  zu  tragen,  ist  die  Bestrafung  der 
Uebertretung  der  Geseze  des  Staats.     Ich  muss  daher  noch 
auf  diesen  Gegenstand  die  im  Vorigen  entwikkelten  Grund- 
säze  anwenden.     Die  erste  Frage   nun,   welche  hiebei   ent- 
steht, ist  die:  welche  Handlungen  der  Staat  mit  Strafen  be- 
legen, gleichsam  als  Verbrechen  aufstellen  kann?    Die  Ant- 
wort   ist   nach    dem   Vorigen    leicht.     Denn    da    der    Staat 
keinen  andern  Endzwek,  als  die  Sicherheit  der  Bürger,  ver- 
folgen darf;   so   darf  er   auch  keine  andre  Handlungen  ein- 
schränken, als  welche  diesem  Endzwek  entgegenlaufen.   Diese 
aber  verdienen   auch  insgesammt  angemessene  Bestrafung. 
Denn  nicht  bloss,  dass  ihr  Schade,  da  sie  gerade  das  stören, 
was  dem  Menschen  zum  Genuss,  wie  zur  Ausbildung  seiner 
Kräfte   das   unentbehrlichste  ist,  zu  wichtig   ist,   um  ihnen 
nicht  durch  jedes  zwekmässige  und  erlaubte  Mittel  entgegen- 
zuarbeiten; so  muss  auch,   schon   den   ersten  Rechtsgrund- 
säzen  nach,  jeder  sich  gefallen  lassen,   dass  die  Strafe  eben 
so  weit  gleichsam  in  den  Kreis  seines  Rechts  eingreife,  als 
sein  Verbrechen  in  den  des  fremden  eingedrungen  ist.  Hin- 
gegen Handlungen ,    welche  sich  allein  auf  den  Handlenden 


138 

beziehen,  oder  mit  Einwilligung  dessen  geschehen,  den  sie 
treffen,  zu  bestrafen,  verbieten  eben  die  Grundsäze,  welche 
dieselben  nicht  einmal  einzuschränken  erlauben;  und  es  dürfte 
daher  nicht  nur  keins  der  sogenannten  fleischlichen  Verbre- 
chen (die  Nothzucht  ausgenommen),  sie  möchten  Aergerniss 
geben  oder  nicht,  unternommener  Selbstmord  u.  s.  f.  be- 
straft werden ,  sondern  sogar  die  Ermordung  eines  andern 
mit  Bewilligung  desselben  müsste  ungestraft  bleiben,  wenn 
nicht  in  diesem  lezteren  Falle  die  zu  leichte  Möglichkeit 
eines  gefahrlichen  Misbrauchs  ein  Strafgesez  nothwendig 
machte.  Ausser  denjenigen  Gesezen,  welche  unmittelbare 
Kränkungen  der  Rechte  anderer  untersagen,  giebt  es  noch 
andre  verschiedener  Gattung,  deren  theils  schon  im  Vorigen 
gedacht  ist,  theils  noch  erwähnt  werden  wird.  Da  jedoch, 
bei  dem,  dem  Staat  allgemein  vorgeschriebenen  Endzwek, 
auch  diese,  nur  mittelbar,  zur  Erreichung  jener  Absicht  hin- 
streben; so  kann  auch  bei  diesen  Bestrafung  des  Staats  ein- 
treten, insofern  nicht  schon  ihre  Uebertretung  allein  unmit- 
telbar eine  solche  mit  sich  führt,  wie  z.  B.  die  Uebertretung 
des  Verbots  der  Fideikommisse  die  Ungültigkeit  der  ge- 
machten Verfügung.  Es  ist  diess  auch  um  so  nothwendiger, 
als  es  sonst  hier  gänzlich  an  einem  Zwangsmittel  fehlen 
würde,  dem  Geseze  Gehorsam  zu  verschaffen. 

Von  dem  Gegenstande  der  Bestrafung  wende  ich  mich 
zu  der  Strafe  selbst.  Das  Maass  dieser  auch  nur  in  sehr 
weiten  Glänzen  vorzuschreiben,  nur  zu  bestimmen,  über 
welchen  Grad  hinaus  dieselbe  nie  steigen  dürfe,  halte  ich  in 
einem  allgemeinen,  schlechterdings  auf  gar  keine  Lokalver- 
hältnisse bezogenen  Raisonnement  für  unmöglich.  Die  Stra- 
fen müssen  Uebel  sein,  welche  die  Verbrecher  zurükschrek- 
ken.  IN  un  aber  sind  die  Grade,  wie  die  Verschiedenheilen 
des  physischen  und  moralischen  Gefühls,  nach  der  Verschie- 
denheit der  Erdstriche  und  Zeitalter,  unendlich  verschieden 


139 

und  wechselnd.  Was  daher  in  einem  gegebenen  Falle  mit 
Recht  Grausamkeit  heisst,  das  kann  in  einem  andren  die 
Notwendigkeit  selbst  erheischen.  Nur  soviel  ist  gewiss, 
dass  die  Vollkommenheit  der  Strafen  immer  —  versteht  sich 
jedoch  bei  gleicher  Wirksamkeit  —  mit  dem  Grade  ihrer 
Gelindigkeit  wachst.  Denn  nicht  bloss ,  dass  gelinde  Stra- 
fen schon  an  sich  geringere  Uebel  sind;  so  leiten  sie  auch 
den  Menschen  auf  die,  seiner  am  meisten  würdige  Weise,  von 
Verbrechen  ab.  Denn  je  minder  sie  physisch  schmerzhaft 
und  schreklich  sind,  desto  mehr  sind  sie  es  moralisch;  da 
hingegen  grosses  körperliches  Leiden  bei  dem  Leidenden 
selbst  das  Gefühl  der  Schande,  bei  dem  Zuschauer  das  der 
Mißbilligung  vermindert.  Daher  kommt  es  denn  auch,  dass 
gelinde  Strafen  in  der  That  viel  öfter  angewendet  werden 
können,  als  der  erste  Anblik  zu  erlauben  scheint;  indem  sie 
auf  der  andren  Seite  ein  ersezendes  moralisches  Gegenge- 
wicht erhalten.  Ueberhaupt  hängt  die  Wirksamkeit  der 
Strafen  ganz  und  gar  von  dem  Eindruk  ab,  welchen  diesel- 
ben auf  das  Gemüth  der  Verbrecher  machen,  und  beinah 
liesse  sich  behaupten,  dass  in  einer  Reihe  gehörig  abgestuf- 
ter Stufen  es  einerlei  sei,  bei  welcher  Stufe  man  gleichsam, 
als  bei  der  höchsten,  stehen  bleibe,  da  die  Wirkung  einer 
Strafe  in  der  That  nicht  sowohl  von  ihrer  Natur  an  sich, 
als  von  dem  Plaze  abhängt,  den  sie  in  der  Stufenleiter  der 
Strafen  überhaupt  einnimmt,  und  man  leicht  das  für  die 
höchste  Strafe  erkennt,  was  der  Staat  dafür  erklärt.  Ich 
sage  beinah,  denn  völlig  würde  die  Behauptung  nur  freilich 
dann  richtig  sein,  wenn  die  Strafen  des  Staats  die  einzigen 
Uebel  wären,  welche  dem  Bürger  drohten.  Da  diess  hin- 
gegen der  Fall  nicht  ist,  vielmehr  oft  sehr  reelle  Uebel  ihn 
gerade  zu  Verbrechen  veranlassen;  so  muss  freilich  das 
Maass  der  höchsten  Strafe,  und  so  der  Strafen  überhaupt, 
welche  diesen  Uehelü  entgegenwirken  sollen,  auch  mit  Riik- 


140 

sieht  auf  sie  bestimmt  werden.  Nun  aber  wird  der  Bürger 
da,  wo  er  einer  so  grossen  Freiheit  geniesst,  als  diese  Blat- 
ter ihm  zu  sichern  bemüht  sind,  auch  in  einem  grösseren 
Wohlstande  leben;  seine  Seele  wird  heiterer,  seine  Phanta- 
sie lieblicher  sein,  und  die  Strafe  wird,  ohne  an  Wirksam- 
keit zu  verlieren,  an  Strenge  nachlassen  können.  So  wahr 
ist  es,  dass  alles  Gute  und  Beglükkende  in  wundervoller 
Harmonie  steht,  und  dass  es  nur  nothwendig  ist,  Eins  herbei- 
zuführen, um  sich  des  Segens  alles  Uebrigen  zu  erfreuen. 
Was  sich  daher  in  dieser  Materie  allgemein  bestimmen  la'sst, 
ist,  dünkt  mich,  allein  dass  die  höchste  Strafe  die,  den  Lo- 
kalverhältnissen nach,  möglichst  gelinde  sein  muss. 

Nur  Eine  Gattung  der  Strafen  müsste,  glaube  ich,  gänz- 
lich ausgeschlossen  werden,  die  Ehrlosigkeit,  Infamie.  Denn 
die  Ehre  eines  Menschen,  die  gute  Meinung  seiner  Mitbür- 
ger von  ihm,  ist  keinesweges  etwas,  das  der  Staat  in  seiner 
Gewalt  hat.  Auf  jeden  Fall  reduzirt  sich  daher  diese  Strafe 
allein  darauf,  dass  der  Staat  dem  Verbrecher  die  Merkmale 
seiner  Achtung  und  seines  Vertrauens  entziehn,  und  andern 
gestatten  kann  diess  gleichfalls  ungestraft  zu  thun.  So  we- 
nig ihm  nun  auch  die  Befugniss  abgesprochen  werden  darf, 
sich  dieses  Rechts,  wo  er  es  für  nothwendig  hält,  zu  bedie- 
nen, und  so  sehr  sogar  seine  Pflicht  es  erfordern  kann;  so 
halte  ich  dennoch  eine  allgemeine  Erklärung,  dass  er  es 
thun  wolle,  keinesweges  für  rathsam.  Denn  einmal  sezt 
dieselbe  eine  gewisse  Konsequenz  im  Unrechthandlen  bei 
dem  Bestraften  voraus,  die  sich  doch  in  der  That  in  der 
Erfahrung  wenigstens  nur  selten  findet;  dann  ist  sie  auch, 
selbst  bei  der  gelindesten  Art  der  Abfassung,  selbst  wenn 
sie  bloss  als  eine  Erklärung  des  gerechten  Mislrauens  des 
Staats  ausgedrukt  wird,  immer  zu  unbestimmt,  um  nicht  an 
sich  manchem  Misbrauch  Kaum  zu  geben,  und  um  nicht 
wenigstens  oft,  schon  der  Konsequenz,  der  (irundsäze  wegen. 


141 

mehr  Fälle  unter  sich  zu  begreifen,  als  der  Sache  selbst 
wegen  noting  wäre.  Denn  die  Gattungen  des  Vertrauens, 
welches  man  zu  einem  Menschen  fassen  kann,  sind,  der 
Verschiedenheit  der  Fälle  nach,  so  unendlich  mannigfaltig, 
dass  ich  kaum  unter  allen  Verbrechen  ein  Einziges  weiss, 
welches  den  Verbrecher  zu  allen  auf  Einmal  unfähig;  machte. 
Dazu  führt  indess  doch  immer  ein  allgemeiner  Ausdruk,  und 
der  Mensch,  bei  dem  man  sich  sonst  nur,  bei  dahin  passen- 
den Gelegenheiten,  erinnern  würde,  dass  er  diess  oder  jenes 
Gesez  übertreten  habe,  trägt  nun  überall  ein  Zeichen  der 
Unwürdigkeit  mit  sich  herum.  Wie  hart  aber  diese  Strafe 
sei,  sagt  das,  gewiss  keinem  Menschen  fremde  Gefühl,  dass, 
ohne  das  Vertrauen  seiner  Mitmenschen,  das  Leben  selbst 
wünschenswerth  zu  sein  aufhört.  Mehrere  Schwierigkeiten 
zeigen  sich  nun  noch  bei  der  näheren  Anwendung  dieser 
Strafe.  Mistrauen  gegen  die  Rechtschaffenheit  muss  eigent- 
lich überall  da  die  Folge  sein,  wo  sich  Mangel  derselben 
gezeigt  hat.  Auf  wie  viele  Fälle  aber  alsdann  diese  Strafe 
ausgedehnt  werde,  sieht  man  von  selbst.  Nicht  minder 
gross  ist  die  Schwierigkeit  bei  der  Frage:  wie  lange  die 
Strafe  dauern  solle?  Unstreitig  wird  jeder  Billigdenkende 
sie  nur  auf  eine  gewisse  Zeit  hin  erstrekken  wollen.  Aber 
wird  der  Richter  bewirken  können,  dass  der,  so  lange  mit 
dem  Mistrauen  seiner  Mitbürger  Beladene,  nach  Verlauf  ei- 
nes bestimmten  Tages,  auf  einmal  ihr  Vertrauen  wieder  ge- 
winne? Endlich  ist  es  den,  in  diesem  ganzen  Aufsaz  vor- 
getragenen Grundsäzen  nicht  gemäss,  dass  der  Staat  der 
Meinung  der  Bürger,  auch  nur  auf  irgend  eine  Art,  eine 
gewisse  Richtung  geben  wolle.  Meines  Erachtens  wäre  es 
daher  rathsamer,  dass  der  Staat  sich  allein  in  den  Gränzen 
der  Pflicht  hielte,  welche  ihm  allerdings  obliegt,  die  Bürger 
gegen  verdächtige  Personen  zu  sichern,  und  dass  er  daher 
überall,  wo  diess  nothwendig  sein  kann,  z.  B.  bei  Besezung 


142 

von  Stellen,  Gültigkeit  der  Zeugen,  Fähigkeit  der  Vormün- 
der u.  s.  f.  durch  ausdrükkliche  Geseze  verordnete,  dass,  wer 
diess  oder  jenes  Verbrechen  begangen,  diese  oder  jene  Strafe 
erlitten  hätte,  davon  ausgeschlossen  sein  solle  ;  übrigens  aber 
sich  aller  weiteren ,  allgemeinen  Erklärung  des  Mistrauens, 
oder  gar  des  Verlustes  der  Ehre  gänzlich  enthielte.  Alsdann 
wäre  es  auch  sehr  leicht,  eine  Zeit  zu  bestimmen,  nach 
Verlauf  welcher  ein  solcher  Einwand  nicht  mehr  gültig  sein 
solle.  Dass  es  übrigens  dem  Staat  immer  erlaubt  bleibe, 
durch  beschimpfende  Strafen  auf  das  Ehrgefühl  zu  wirken, 
bedarf  von  selbst  keiner  Erinnerung.  Ebensowenig  brauche 
ich  noch  zu  wiederholen,  dass  schlechterdings  keine  Strafe 
geduldet  werden  muss,  die  sich  über  die  Person  des  Ver- 
brechers hinaus,  auf  seine  Kinder,  oder  Verwandte  erstrekt. 
Gerechtigkeit  und  Billigkeit  sprechen  mit  gleich  starken 
Stimmen  gegen  sie;  und  selbst  die  Vorsichtigkeit,  mit  wel- 
cher sich,  bei  Gelegenheit  einer  solchen  Strafe,  das,  übri- 
gens gewiss  in  jeder  Rüksicht  vortrefliche  Preussische  Ge- 
sezbuch  ausdrukt,  vermag  nicht,  die,  in  der  Sache  selbst 
allemal  liegende  Härte  zu  mindern  *). 

Wenn  das  absolute  Maass  der  Strafen  keine  allgemeine 
Bestimmung  erlaubt;  so  ist  dieselbe  hingegen  um  so  not- 
wendiger bei  dem  relativen.  Es  muss  nemlich  festgesezt 
werden,  was  es  eigentlich  ist,  wonach  sich  der  Grad  der, 
auf  verschiedne  Verbrechen  gesezten  Strafen  bestimmen 
muss?  Den  im  Vorigen  entwikkelten  Grundsäzen  nach, 
kann  diess,  dünkt  mich,  nichts  andres  sein,  als  der  Grad  der 
Nicht- Achtung  des  fremden  Rechts  in  dem  Verbrechen,  ein 
Grad,  welcher,  da  hier  nicht  von  der  Anwendung  eines 
Strafgesezes  auf  einen  einzelnen  Verbrecher,  sondern  von 
allgemeiner  Bestimmung  der  Strafe  überhaupt  die  Rede  ist, 


')  Thl.  2.  Tit.  20.  §.  05. 


143 

nach  der  Natur  des  Rechts  beurtheilt  werden  muss,  welches 
das  Verbrechen  kränkt.  Zwar  scheint  die  natürlichste  Be- 
stimmung der  Grad  der  Leichtigkeit  oder  Schwierigkeit  zu 
sein,  das  Verbrechen  zu  verhindern,  so  dass  die  Grösse  der 
Strafe  sich  nach  der  Quantität  der  Gründe  richten  müsste, 
welche  zu  dem  Verbrechen  trieben,  oder  davon  zurükhiel- 
len.  Allein  wird  dieser  Grundsaz  richtig  verstanden;  so  ist 
er  mit  dem  eben  aufgestellten  einerlei.  Denn  in  einem 
wohlgeordneten  Staate,  wo  nicht  in  der  Verfassung  selbst 
liegende  Umstände  zu  Verbrechen  veranlassen,  kann  es  kei- 
nen andern  eigentlichen  Grund  zu  Verbrechen  geben,  als 
eben  jene  Nicht-Achtung  des  fremden  Rechts,  welcher  sich 
nur  die  zu  Verbrechen  reizenden  Antriebe,  Neigungen,  Lei- 
denschaften u.  s.  f.  bedienen.  Versteht  man  aber  jenen  Saz 
anders,  meint  man,  es  müssten  den  Verbrechen  immer  in 
dem  Grade  grosse  Strafen  entgegengesezt  werden,  in  wel- 
chem gerade  Lokal-  oder  Zeitverhältnisse  sie  häufiger  ma- 
chen, oder  gar,  ihrer  Natur  nach  (wie  es  bei  so  manchen 
Polizeiverbrechen  der  Fall  ist)  moralische  Gründe  sich  ihnen 
weniger  eindringend  widersezen;  so  ist  dieser  Maassstab  un- 
gerecht und  schädlich  zugleich.  Er  ist  ungerecht.  Denn 
so  richtig  es  wenigstens  insofern  ist,  Verhinderung  der  Be- 
leidigungen für  die  Zukunft  als  den  Zwek  aller  Strafen  an- 
zunehmen, als  keine  Strafe  je  aus  einem  andern  Zweke  ver- 
fügt werden  darf;  so  entspringt  doch  die  Verbindlichkeit  des 
Beleidigten,  die  Strafe  zu  dulden,  eigentlich  daraus,  dass 
jeder  sich  gefallen  lassen  muss,  seine  Rechte  von  dem  An- 
dern in  so  weit  verlezt  zu  sehen,  als  er  selbst  die  Rechte 
desselben  gekränkt  hat.  Darauf  beruht  nicht  bloss  diese 
Verbindlichkeit  ausser  der  Staatsverbindung,  sondern  auch 
in  derselben.  Denn  die  Herleitung  derselben  aus  einem 
gegenseitigen  Vertrag  ist  nicht  nur  unnüz,  sondern  hat  auch 
die  Schwierigkeit,  dass  z.B.  die,   manchmal   und  unter  ge- 


144 

wissen  Lokalumständen  offenbar  nothwendige  Todesstrafe 
bei  derselben  schwerlich  gerechtfertigt  werden  kann,  und 
dass  jeder  Verbrecher  sich  von  der  Strafe  befreien  könnte, 
wenn  er,  bevor  er  sie  litte,  sich  von  dem  gesellschaftlichen 
Vertrage  lossagte,  wie  z.  B.  in  den  alten  Freistaaten  die 
freiwillige  Verbannung  war,  die  jedoch,  wenn  mich  mein 
Gedächtniss  nicht  trügt,  nur  bei  Staats-,  nicht  bei  Privat- 
Verbrechen  geduldet  ward.  Dem  Beleidiger  selbst  ist  daher 
gar  keine  Rüksicht  auf  die  Wirksamkeit  der  Strafe  erlaubt; 
und  wäre  es  auch  noch  so  gewiss,  dass  der  Beleidigte  keine 
zweite  Beleidigung  von  ihm  zu  fürchten  hätte,  so  müsste  er, 
dessen  ungeachtet,  die  Rechtmässigkeit  der  Strafe  anerken- 
nen. Allein  auf  der  andern  Seite  folgt  auch  aus  eben  die- 
sem Grundsaz,  dass  er  sich  auch  jeder,  die  Quantität  seines 
Verbrechens  überschreitenden  Strafe  rechtmässig  widersezen 
kann,  wie  gewiss  es  auch  sein  möchte,  dass  nur  diese  Strafe, 
und  schlechterdings  keine  gelindere  völlig  wirksam  sein 
würde.  Zwischen  dem  inneren  Gefühle  des  Rechts,  und 
dem  Genuss  des  äusseren  Glüks  ist,  wenigstens  in  der  Idee 
des  Menschen,  ein  unläugbarer  Zusammenhang,  und  es  ver- 
mag nicht  bestritten  zu  werden,  dass  er  sich  durch  das  Er- 
stere  zu  dem  Lezteren  berechtigt  glaubt.  Ob  diese  seine 
Erwartung  in  Absicht  des  Glüks  gegründet  ist,  welches  ihm 
das  Schiksal  gewährt,  oder  versagt?  —  eine  allerdings  zwei- 
felhaftere Frage  —  darf  hier  nicht  erörtert  werden.  Allein 
in  Absicht  desjenigen,  welches  andre  ihm  willkührlich  geben 
oder  entziehen  können,  muss  seine  Befugniss  zu  derselben 
nothwendig  anerkannt  werden;  da  hingegen  jener  Grundsaz 
sie,  wenigstens  der  That  nach,  abzuläugnen  scheint.  Es  ist 
aber  auch  ferner  jener  Maassstab,  sogar  für  die  Sicherheit 
selbst,  nachtheilig.  Denn  wenn  er  gleich  diesem  oder  jenem 
einzelnen  Geseze  vielleicht  Gehorsam  erzwingen  kann;  so 
verwirrt  er  gerade  das,  was  die  festeste  Stüze  der  Sicherheit 


145 

der  Bürger  in  einem  Staate  ist,  das  Gefühl  der  Moralität, 
indem  er  einen  Streit  zwischen  der  Behandlung,  welche  der 
Verbrecher  erfährt,  und  der  eignen  Empfindung  seiner  Schuld 
veranlasst.  Dem  fremden  Rechte  Achtung  zu  verschaffen, 
ist  das  einzige  sichre  und  unfehlbare  Mittel,  Verbrechen  zu 
verhüten;  und  diese  Absicht  erreicht  man  nie,  sobald  nicht 
jeder,  welcher  fremdes  Recht  angreift,  gerade  in  eben  dem 
Maasse  in  der  Ausübung  des  seinigen  gehemmt  wird,  die 
Ungleichheit  möge  nun  im  Mehr  oder  im  Weniger  bestehen. 
Denn  nur  eine  solche  Gleichheit  bewahrt  die  Harmonie  zwi- 
schen der  inneren  moralischen  Ausbildung  des  Menschen, 
und  dem  Gedeihen  der  Veranstaltungen  des  Staats,  ohne 
welche  auch  die  künstlichste  Gesezgebung  allemal  ihres 
Endzweks  verfehlen  wird.  Wie  sehr  aber  nun  die  Errei- 
chung aller  übrigen  Endzwekke  des  Menschen,  bei  Befolgung 
des  oben  erwähnten  Maassstabes,  leiden  würde,  wie  sehr 
dieselbe  gegen  alle,  in  diesem  Aufsaze  vorgetragene  Grund- 
säze  streitet;  bedarf  nicht  mehr  einer  weiteren  Ausführung. 
Die  Gleichheit  zwischen  Verbrechen  und  Strafe,  welche  die 
eben  entwikkelten  Ideen  fordern,  kann  wiederum  nicht  abso- 
lut bestimmt,  es  kann  nicht  allgemein  gesagt  werden,  dieses 
oder  jenes  Verbrechen  verdient  nur  eine  solche  oder  solche 
Strafe.  Nur  bei  einer  Reihe,  dem  Grade  nach  verschiede- 
ner Verbrechen  kann  die  Beobachtung  dieser  Gleichheit  vor- 
geschrieben werden,  indem  nun  die,  für  diese  Verbrechen 
bestimmten  Strafen  in  gleichen  Graden  abgestuft  werden 
müssen.  Wenn  daher,  nach' dem  \origen,  die  Bestimmung 
des  absoluten  Maasses  der  Strafen,  z.  B.  der  höchsten  Strafe 
sich  nach  derjenigen  Quantität  des  zugefügten  Uebels  rich- 
ten muss,  welche  erfordert  wird,  um  das  Verbrechen  für 
die  Zukunft  zu  verhüten;  so  muss  das  relative  Maass  der 
übrigen,  wenn  jene,  oder  überhaupt  Eine  einmal  festgesezt 
ist,  nach  dem  Grade  bestimmt  werden,  um  welchen  die 
vu.  10 


146 

Verbrechen,  für  die  sie  bestimmt  sind,  grösser  oder  kleiner, 
als  dasjenige  sind,  welches  jene  zuerst  verhängte  Strafe  ver- 
hüten soll.  Die  härteren  Strafen  müssten  daher  diejenigen 
Verbrechen  treffen,  welche  wirklich  in  den  Kreis  des  frem- 
den Rechts  eingreifen;  gelindere  die  Uebertretung  derjeni- 
gen Geseze,  welche  jenes  nur  zu  verhindern  bestimmt  sind, 
wie  wichtig  und  nothwendig  diese  Geseze  auch  an  sich  sein 
möchten.  Dadurch  wird  denn  zugleich  die  Idee  bei  den  Bür- 
gern vermieden,  dass  sie  \  om  Staat  eine  willkührliche,  nicht 
gehörig  motivirte  Behandlung  erführen  —  ein  Vorurtheil, 
welches  sehr  leicht  entsteht,  wenn  harte  Strafen  auf  Hand- 
lungen gesezt  sind,  die  entweder  wirklich  nur  einen  entfern- 
ten Einfluss  auf  die  Sicherheit  haben,  oder  deren  Zusam- 
menhang damit  doch  weniger  leicht  einzusehen  ist.  Unter 
jenen  erstgenannten  Verbrechen  aber  müssten  diejenigen  am 
härtesten  bestraft  werden,  welche  unmittelbar  und  geradezu 
die  Rechte  des  Staats  selbst  angreifen,  da,  wer  die  Rechte 
des  Staats  nicht  achtet,  auch  die  seiner  Mitbürger  nicht  zu 
ehren  vermag,  deren  Sicherheit  allein  von  jenen  abhängig  ist. 
Wenn  auf  diese  Weise  Verbrechen  und  Strafe  allgemein 
von  dem  Geseze  bestimmt  sind,  so  muss  nun  diess  gege- 
bene Strafgesez  auf  einzelne  Verbrechen  angewendet  werden. 
Bei  dieser  Anwendung  sagen  schon  die  Grundsäze  des  Rechts 
von  selbst,  dass  die  Strafe  nur  nach  dem  Grade  des  Vor- 
sazes  oder  der  Schuld  den  Verbrecher  treffen  kann,  mit 
welchem  er  die  Handlung  begieng.  Wenn  aber  der  oben 
aufgestellte  Grundsaz,  dass  nemlich  immer  die  Nicht  Ach- 
tung des  fremden  Rechts,  und  nur  diese  bestraft  werden 
darf,  völlig  genau  befolgt  werden  soll;  so  darf  derselbe, 
auch  bei  der  Bestrafung  einzelner  Verbrechen,  nicht  ver- 
nachlässigt werden.  Bei  jedem  verübten  Verbrechen  muss 
daher  der  Richter  bemüht  sein,  so  viel  möglich,  die  Absicht 
des  Verbrechers  genau  zu  erforschen,  und  durch  das  Gesez 


147 

in-  den  Stand  gesezt  werden,  die  allgemeine  Strafe  noch 
nach  dem  individuellen  Grade,  in  welchem  er  das  Recht, 
welches  er  beleidigte,  ausser  Augen  sezte,  zu  modificiren. 

Das  Verfahren  gegen  den  Verbrecher,  wahrend  der 
Untersuchung  findet  gleichfalls  sowohl  in  den  allgemeinen 
Grundsäzen  des  Rechts,  als  in  dem  Vorigen  seine  bestimm- 
ten Vorschriften.  Der  Richter  muss  nemlich  alle  rechtmäs- 
sige Mittel  anwenden,  die  Wahrheit  zu  erforschen,  darf  sich 
hingegen  keines  erlauben,  das  ausserhalb  der  Schranken  des 
Rechts  liegt.  Er  muss  daher  vor  allen  Dingen  den  bloss 
verdächtigen  Bürger  von  dem  überführten  Verbrecher  sorg- 
fältig unterscheiden,  und  nie  den  erstem,  wie  den  lezteren, 
behandeln;  überhaupt  aber  nie,  auch  den  überwiesenen  Ver- 
brecher in  dem  Genuss  seiner  Menschen-  und  Bürgerrechte 
kränken,  da  er  die  ersteren  erst  mit  dem  Leben,  die  lezte- 
ren erst  durch  eine  gesezmässige  richterliche  Ausschliessung 
aus  der  Staatsverbindung  verlieren  kann.  Die  Anwendung 
von  Mitteln,  welche  einen  eigentlichen  Betrug  enthalten, 
dürfte  daher  ebenso  unerlaubt  sein,  als  die  Folter,  Denn 
wenn  man  dieselbe  gleich  vielleicht  dadurch  entschuldigen 
kann,  dass  der  Verdächtige,  oder  wenigstens  der  Verbrecher 
selbst  durch  seine  eignen  Handlungen  dazu  berechtiget;  so 
sind  sie  dennoch  der  Würde  des  Staats,  welchen  der  Rich- 
ter vorstellt,  allemal  unangemessen;  und  wie  heilsame  Fol- 
gen ein  ofnes  und  gerades  Betragen,  auch  gegen  Verbre- 
cher, auf  den  Charakter  der  Nation  haben  würde,  ist  nicht 
nur  an  sich,  sondern  auch  aus  der  Erfahrung  derjenigen 
Staaten  klar,  welche  sich,  wie  z.  B.  England,  hierin  einer 
edlen  Gesezgebung  erfreuen. 

Zulezt  muss  ich,  bei  Gelegenheit  des  Kriminalrechts, 
noch  eine  Frage  zu  prüfen  versuchen,  welche  vorzüglich 
durch  die  Bemühungen  der  neueren  Gesezgebung  wichtig 
geworden  ist,  die  Frage  nemlich,  inwiefern  der  Staat  befugt, 

10* 


148 

oder  verpflichtet  ist,  Verbrechen,  noch  ehe  dieselben  began- 
gen werden,  zuvorzukommen?  Schwerlich  wird  irgend  ein 
anderes  Unternehmen  von  gleich  menschenfreundlichen  Ab- 
sichten geleitet,  und  die  Achtung,  womit  dasselbe  jeden  em- 
pfindenden Menschen  nothwendig  erfüllt,  droht  daher  der 
Unparteilichkeit  der  Untersuchung  Gefahr.  Dennoch  halte 
ich,  ich  lhugne  es  nicht,  eine  solche  Untersuchung  für  über- 
aus nothwendig,  da,  wenn  man  die  unendliche  Mannigfaltig- 
keit der  Seelenstimmungen  erwägt,  aus  welchen  derVorsaz 
zu  Verbrechen  entstehen  kann,  diesen  Vorsaz  zu  verhindern 
unmöglich,  und  nicht  allein  diess,  sondern  selbst,  nur  der 
Ausübung  zuvorzukommen,  für  die  Freiheit  bedenklich  scheint. 
Da  ich  im  Vorigen  (S.  S.  104 — 112)  das  Recht  des  Staats,  die 
Handlungen  der  einzelnen  Menschen  einzuschränken  zu  be- 
stimmen versucht  habe;  so  könnte  es  scheinen,  als  hätte 
ich  dadurch  schon  zugleich  die  gegenwärtige  Frage  beantwor- 
tet. Allein  wenn  ich  dort  festsezte,  dass  der  Staat  diejeni- 
gen Handlungen  einschränken  müsse,  deren  Folgen  den 
Rechten  andrer  leicht  gefährlich  werden  können;  so  verstand 
ich  darunter  —  wie  auch  die  Gründe  leicht  zeigen,  womit 
ich  diese  Behauptung  zu  unterstüzen  bemüht  war  —  solche 
Folgen,  die  allein  und  an  sich  aus  der  Handlung  fliessen, 
und  nur  etwa  durch  grössere  Vorsicht  des  Handlenden  hät- 
ten vermieden  werden  können.  Wenn  hingegen  von  Ver- 
hütung von  Verbrechen  die  Rede  ist;  so  spricht  man  na- 
türlich nur  von  Beschränkung  solcher  Handlungen,  aus  wel- 
chen leicht  eine  zweite,  nemlich  die  Begehung  des  Verbrechens, 
entspringt.  Der  wichtige  Unterschied  liegt  daher  hier  schon 
darin,  dass  die  Seele  des  Handlenden  hier  thätig,  durch  ei- 
nen neuen  Entschluss,  mitwirken  muss;  da  sie  hingegen  dort 
entweder  gar  keinen,  oder  doch  nur,  durch  Verabsäumung 
der  Thätigkeit,  einen  negativen  Einfluss  haben  konnte.  Diess 
allein  wird,   hoffe  ich,   hinreichen,   die  Glänzen   deutlich  zu 


149 

zeigen.  Alle  Verhütung  von  Verbrechen  nun  muss  von  den 
Ursachen  der  Verbrechen  ausgehen.  Diese  so  mannigfalti- 
gen Ursachen  aber  Hessen  sich,  in  einer  allgemeinen  Formel, 
vielleicht  durch  das,  nicht  durch  Gründe  der  Vernunft  ge- 
hörig in  Schranken  gehaltene  Gefühl  des  Misverhältnisses 
ausdrukken,  welches  zwischen  den  Neigungen  des  Handlen- 
den und  der  Quantität  der  rechtmässigen  Mittel  obwaltet, 
die  in  seiner  Gewalt  stehn.  Bei  diesem  Misverhältniss  las- 
sen sich  wenigstens  im  Allgemeinen,  obgleich  die  Bestim- 
mung im  Einzelnen  viel  Schwierigkeit  finden  würde,  zwei 
Fälle  von  einander  absondern,  einmal  wenn  dasselbe  aus 
einem  wahren  Uebermaasse  der  Neigungen,  dann  wenn  es 
aus  dem,  auch  für  ein  gewöhnliches  Maass,  zu  geringen 
Vorralh  von  Mitteln  entspringt.  Beide  Fälle  muss  noch 
ausserdem  Mangel  an  Stärke  der  Gründe  der  Vernunft  und 
des  moralischen  Gefühls,  gleichsam  als  dasjenige  begleiten, 
welches  jenes  Misverhältniss  nicht  verhindert,  in  gesezwidrige 
Handlungen  auszubrechen.  Jedes  Bemühen  des  Staats,  Ver- 
brechen durch  Unterdrükkung  ihrer  Ursachen  in  dem  Ver- 
brecher verhüten  zu  wollen,  wird  daher,  nach  der  Verschie- 
denheit der  beiden  erwähnten  Fälle,  entweder  dahin  gerichtet 
sein  müssen,  solche  Lagen  der  Bürger,  welche  leicht  zu 
Verbrechen  nöthigen  können,  zu  verändern  und  zu  verbes- 
sern, oder  solche  Neigungen,  welche  zu  Uebertretungen  der 
Geseze  zu  führen  pflegen,  zu  beschränken,  oder  endlich  den 
Gründen  der  Vernunft  und  dem  moralischen  Gefühl  eine 
wirksamere  Stärke  zu  verschaffen.  Einen  andren  Weg,  Ver- 
brechen zu  verhüten  giebt  es  endlich  noch  ausserdem  durch 
gesezliche  Verminderung  der  Gelegenheiten,  welche  die  wirk- 
liche Ausübung  derselben  erleichtern,  oder  gar  den  Ausbruch 
gesezwidriger  Neigungen  begünstigen.  Keine  dieser  ver- 
schiedenen Arten  darf  von  der  gegenwärtigen  Prüfung  aus- 
geschlossen werden. 


150 

Die  erste  derselben,  welche  allein  auf  Verbesserung  zu 
Verbrechen  nöthigender  Lagen  gerichtet  ist,  scheint  unter 
allen  die  wenigsten  Nachtheile  mit  sich  zu  führen.  Es  ist 
an  sich  so  wohlthätig,  den  Reichthum  der  Mittel  der  Kraft, 
wie  des  Genusses,  zu  erhöhen;  die  freie  Wirksamkeit  des 
Menschen  wird  dadurch  nicht  unmittelbar  beschränkt;  und 
wenn  freilich  unläugbar  auch  hier  alle  Folgen  anerkannt 
werden  müssen,  die  ich,  im  Anfange  dieses  Aufsazes,  als 
Wirkungen  der  Sorgfalt  des  Staats  für  das  physische  Wohl 
der  Bürger  darstellte,  so  treten  sie  doch  hier,  da  eine  solche 
Sorgfalt  hier  nur  auf  so  wenige  Personen  ausgedehnt  wird, 
nur  in  sehr  geringem  Grade  ein.  Allein  immer  finden  die- 
selben doch  wirklich  Statt;  gerade  der  Kampf  der  inneren 
Moralitat  mit  der  äusseren  Lage  wird  aufgehoben,  und  mit 
ihm  seine  heilsame  Wirkung  auf  die  Festigkeit  des  Charak- 
ters des  Handlenden,  und  auf  das  gegenseitig  sich  unter- 
stüzende  Wohlwollen  der  Bürger  überhaupt;  und  eben,  dass 
diese  Sorgfalt  nur  einzelne  Personen  treffen  muss,  macht 
ein  Bekümmern  des  Staats  um  die  individuelle  Lage  der 
Bürger  nothwendig  —  lauter  Nachtheile,  welche  nur  die 
Ueberzeugung  vergessen  machen  könnte,  dass  die  Sicherheit 
des  Staats,  ohne  eine  solche  Einrichtung,  leiden  würde. 
Aber  gerade  diese  Notwendigkeit  kann,  dünkt  mich,  mit 
Recht  bezweifelt  werden.  In  einem  Staate,  dessen  Verfas- 
sung den  Bürger  nicht  selbst  in  dringende  Lagen  versezt, 
welcher  denselben  vielmehr  eine  solche  Freiheit  sichert,  als 
diese  Blätter  zu  empfehlen  versuchen,  ist  es  kaum  möglich, 
dass  Lagen  der  beschriebenen  Art  überhaupt  entstehen,  und 
nicht  in  der  freiwilligen  Hülfsleistung  der  Bürger  selbst, 
ohne  Hinzukommen  des  Staats,  Heilmittel  finden  sollten; 
der  Grund  müsste  denn  in  dem  Betragen  des  Menschen 
selbst  liegen.  In  diesem  Falle  aber  ist  es  nicht  gut,  dass 
der  Staat  ins  Mittel  trete,  und  die  Reihe  der  Begebenheiten 


151 

störe,  welche  der  natürliche  Lauf  der  Dinge  aus  den  Hand- 
lungen desselben  entspringen  lässt.  Immer  werden  auch 
wenigstens  diese  Lagen  nur  so  selten  eintreffen,  dass  es 
überhaupt  einer  eignen  Dazwischenkunft  des  Staats  nicht 
bedürfen  wird,  und  dass  nicht  die  Vortheile  derselben  von 
den  Nachtheilen  überwogen  werden  sollten,  die  es,  nach 
Allem  im  Vorigen  Gesagten,  nicht  mehr  nothwendig  ist, 
einzeln  auseinanderzusezen. 

Gerade  entgegengesezt  verhalten  sich  die  Gründe,  welche 
für  und  wider  die  zweite  Art  des  Bemühens,  Verbrechen  zu 
verhindern  streiten,  wider  diejenige  nemlich,  welche  auf  die 
Neigungen  und  Leidenschaften  der  Menschen  selbst  zu  wir- 
ken strebt.  Denn  auf  der  einen  Seite  scheint  die  Notwen- 
digkeit grösser,  da,  bei  minder  gebundner  Freiheil  der  Ge- 
nuss  üppiger  ausschweift,  und  die  Begierden  sich  ein  weiteres 
Ziel  stekken,  wogegen  die,  freilich,  mit  der  grösseren  eignen 
Freiheit,  immer  wachsende  Achtung  auch  des  fremden  Rechts 
dennoch  vielleicht  nicht  hinlänglich  wirkt.  Auf  der  andern 
aber  vermehrt  sich  auch  der  Nachtheil  in  eben  dem  Grade, 
in  welchem  die  moralische  Natur  jede  Fessel  schwerer  em- 
pfindet, als  die  physische.  Die  Gründe,  aus  welchen  ein, 
auf  die  Verbesserung  der  Sitten  der  Bürger  gerichtetes  Be- 
mühen des  Staats  weder  nothwendig,  noch  rathsam  ist,  habe 
ich  im  Vorigen  zu  entwikkeln  versucht.  Eben  diese  nun 
treten  in  ihrem  ganzen  Umfange,  und  nur  mit  dem  Unter- 
schiede auch  hier  ein,  dass  der  Staat  hier  nicht  die  Sitten 
überhaupt  umformen,  sondern  nur  auf  das,  der  Befolgung 
der  Geseze  Gefahr  drohende  Betragen  Einzelner  wirken  will. 
Allein  gerade  durch  diesen  Unterschied  wachst  die  Summe 
der  Nachtheile.  Denn  dieses  Bemühen  muss  schon  eben 
darum,  weil  es  nicht  allgemein  wirkt,  seinen  Endzwek  min- 
der erreichen,  so  dass  daher  nicht  einmal  das  einseitige  Gute, 
das  es   abzwekt,   für  den  Schaden  entschädigt,   den   es  an- 


152 

richtet;  und  dann  sezt  es  nicht  bloss  ein  Bekümmern  des 
Staats  um  die  Privathandlungen  einzelner  Individuen,  son- 
dern auch  eine  Macht  voraus,  darauf  zu  wirken,  welche 
durch  die  Personen  noch  bedenklicher  wird,  denen  dieselbe 
anvertraut  werden  muss.  Es  muss  nemlich  alsdann  entwe- 
der eigen  dazu  bestellten  Leuten,  oder  den  schon  vorhan- 
denen Dienern  des  Staats  eine  Aufsicht  über  das  Betragen, 
und  die  daraus  entspringende  Lage  entweder  aller  Bürger, 
oder  der  ihnen  untergebenen,  übertragen  werden.  Dadurch 
aber  wird  eine  neue  und  drükkendere  Herrschaft  eingeführt, 
als  beinah  irgend  eine  andere  sein  könnte;  indiskreter  Neu- 
gier, einseitiger  Intoleranz,  selbst  der  Heuchelei  und  Ver- 
stellung Raum  gegeben.  Man  beschuldige  mich  hier  nicht, 
nur  Misbräuche  geschildert  zu  haben.  Die  Misbräuche  sind 
hier  mit  der  Sache  unzertrennlich  verbunden;  und  ich  wage 
es  zu  behaupten,  dass  selbst,  wenn  die  Geseze  die  besten 
und  menschenfreundlichsten  wären,  wenn  sie  den  Aufsehern 
bloss  Erkundigungen  auf  gesezmässigen  Wegen,  und  den 
Gebrauch  von  allem  Zwang  entfernter  Rathschläge  und  Er- 
mahnungen erlaubten,  und  diesen  Gesezen  die  strengste  Folge 
geleistet  würde,  dennoch  eine  solche  Einrichtung  unniiz  und 
schädlich  zugleich  wäre.  Jeder  Bürger  muss  ungestört  hand- 
ien können,  wie  er  will,  solange  er  nicht  das  Gesez  über- 
schreitet; jeder  muss  die  Befugniss  haben,  gegen  jeden  an- 
dern, und  selbst  gegen  alle  Wahrscheinlichkeit,  wie  ein 
Dritter  dieselbe  beurtheilen  kann,  zu  behaupten:  wie  sehr 
ich  mich  der  Gefahr,  die  Geseze  zu  übertreten,  auch  nähere, 
so  werde  ich  dennoch  nicht  unterliegen.  Wird  er  in  dieser 
Freiheit  gekränkt,  so  verlezt  man  sein  Recht,  und  schadet 
der  Ausbildung  seiner  Fähigkeiten,  der  Entwikkelung  seiner 
Individualität.  Denn  die  Gestalten,  deren  die  Moralität  und 
die  Gesezmässigkeit  fähig  ist,  sind  unendlich  verschieden  und 
mannigfaltig;  und  wenn  ein  Driller  entscheidel,  dieses  oder 


153 

jenes  Betragen  muss  auf  gesezwidrige  Handlungen  führen, 
so  folgt  er  seiner  Ansicht,  welche,  wie  richtig  sie  auch  in 
ihm  sein  möge,  immer  nur  Eine  ist.  Selbst  aber  angenom- 
men, er  irre  sich  nicht,  der  Erfolg  sogar  bestätige  sein  Ur- 
theil,  und  der  andre,  dem  Zwange  gehorchend,  oder  dem 
Rath,  ohne  innere  Ueberzeugung,  folgend,  übertrete  das 
Gesez  diessmal  nicht,  das  er  sonst  übertreten  haben  würde; 
so  ist  es  doch  für  den  Uebertreter  selbst  besser,  er  empfinde 
einmal  den  Schaden  der  Strafe,  und  erhalte  die  reine  Lehre 
der  Erfahrung,  als  dass  er  zwar  diesem  einen  Nachtheil 
entgehe,  aber  für  seine  Ideen  keine  Berichtigung,  für  sein 
moralisches  Gefühl  keine  Uebung  empfange;  doch  besser 
für  die  Gesellschaft,  Eine  Gesezesübertretung  mehr  störe  die 
Ruhe,  aber  die  nachfolgende  Strafe  diene  zu  Belehrung  und 
Warnung,  als  dass  zwar  die  Ruhe  diessmal  nicht  leide,  aber 
darum  das,  worauf  alle  Ruhe  und  Sicherheit  der  Bürger  sich 
gründet,  die  Achtung  des  fremden  Rechts,  weder  an  sich 
wirklich  grösser  sei,  noch  auch  jezt  vermehrt  und  befördert 
werde.  Ueberhaupt  aber  wird  eine  solche  Einrichtung  nicht 
leicht  einmal  die  erwähnte  Wirkung  haben.  Wie  alle,  nicht 
geradezu  auf  den  innern  Quell  aller  Handlungen  gehende 
Mittel,  wird  nun  durch  sie  eine  andre  Richtung  der,  den 
Gesezen  entgegenstrebenden  Begierden,  und  gerade  doppelt 
schädliche  Verheimlichung  entstehen.  Ich  habe  hierbei  immer 
vorausgesezt,  dass  die  zu  dem  Geschäft,  wovon  hier  die 
Rede  ist,  bestimmten  Personen  keine  Ueberzeugung  hervor- 
bringen, sondern  allein  durch  fremdartige  Gründe  wirken. 
Es  kann  scheinen,  als  wäre  ich  zu  dieser  Voraussezung  nicht 
berechtigt.  Allein  dass  es  heilsam  ist,  durch  wirkendes  Bei- 
spiel und  überzeugenden  Rath  auf  seine  Mitbürger  und  ihre 
Moralität  Einfluss  zu  haben,  ist  zu  sehr  in  die  Augen  leuch- 
tend, als  dass  es  erst  ausdrüklich  wiederholt  werden  dürfte. 
Gegen    keinen   der  Fälle   also ,    wo  jene   Einrichtung  diess 


154 

hervorbringt,  kann  das  vorige  Raisonnement  gerichtet  sein. 
Nur,  scheint  es  mir,  ist  eine  gesezüche  Vorschrift  hiezu 
nicht  bloss  ein  undienliches,  sondern  sogar  entgegenarbeiten- 
des Mittel.  Einmal  sind  schon  Geseze  nicht  der  Ort,  Tugen- 
den zu  empfehlen,  sondern  nur  erzvvingbare  Pflichten  vorzu- 
schreiben, und  nicht  selten  wird  nur  die  Tugend,  die  jeder 
Mensch  nur  freiwillig  auszuüben  sich  freut,  dadurch  verlie- 
ren. Dann  ist  jede  Bitte  eines  Gesezes,  und  jeder  Rath, 
den  ein  Vorgesezter  kraft  desselben  giebt,  ein  Befehl,  dem 
die  Menschen  zwar  in  der  Theorie  nicht  gehorchen  müssen, 
aber  in  der  Wirklichkeit  immer  gehorchen.  Endlich  muss 
man  hiezu  noch  soviele  »Umstände  rechnen,  welche  die 
Menschen  nöthigen,  und  soviele  Neigungen,  welche  sie  be- 
wegen können,  einem  solchen  Rathe,  auch  gänzlich  gegen 
ihre  Ueberzeugung,  zu  folgen.  Von  dieser  Art  pflegt  ge- 
wöhnlich der  Einfluss  zu  sein,  welchen  der  Staat  auf  dieje- 
nigen hat,  die  der  Verwaltung  seiner  Geschäfte  vorgesezt 
sind,  und  durch  den  er  zugleich  auf  die  übrigen  Bürger  zu 
wirken  strebt.  Da  diese  Personen  durch  besondre  Verträge 
mit  ihm  verbunden  sind;  so  ist  es  freilich  unläugbar,  dass 
er  auch  mehrere  Rechte  gegen  sie,  als  gegen  die  übrigen 
Bürger,  ausüben  kann.  Allein  wenn  er  den  Grundsäzen  der 
höchsten  gesezmässigen  Freiheit  getreu  bleibt;  so  wird  er 
nicht  mehr  von  ihnen  zu  fordern  versuchen,  als  die  Erfül- 
lung der  Bürgerpflichten  im  Allgemeinen,  und  derjenigen 
besondren,  welche  ihr  besondres  Amt  nothwendig  macht. 
Denn  offenbar  übt  er  einen  zu  mächtigen  positiven  Einfluss 
auf  die  Bürger  überhaupt  aus,  wenn  er  von  jenen,  vermöge 
ihres  besondren  Verhältnisses,  etwas  zu  erhalten  sucht,  was 
er  den  Bürgern  geradezu  nicht  aufzulegen  berechtigt  ist. 
Ohne  dass  er  wirkliche  positive  Schritte  thut,  kommen  ihm 
hierin  schon  von  selbst  nur  zuviel  die  Leidenschaften  der 
Menschen  zuvor,  und  das  Bemühen,  nur  diesen,  hieraus  von 


155 

selbst  entspringenden   Nachtheil  zu  verhüten,    wird   seinen 
Eifer  und  seinen  Scharfsinn  schon  hinlänglich  beschäftigen. 

Eine  nähere  Veranlassung  Verbrechen  durch  Unterdrü- 
kung  der  in  dem  Charakter  liegenden  Ursachen  derselben 
zu  verhüten,  hat  der  Staat  bei  denjenigen,  welche  durch 
wirkliche  Uebertretungen  der  Geseze  gerechte  Besorgniss 
für  die  Zukunft  erwekken.  Daher  haben  auch  die  denkend- 
sten neueren  Gesezgeber  versucht,  die  Strafen  zugleich  zu 
Besserungsmitteln  zu  machen.  Gewiss  ist  es  nun,  dass  nicht 
bloss  von  der  Strafe  der  Verbrecher  schlechterdings  alles 
entfernt  werden  muss,  was  irgend  der  Moralität  derselben 
nachtheilig  sein  könnte  ;  sondern  dass  ihnen  auch  jedes  Mit- 
tel, das  nur  übrigens  nicht  dem  Endzwek  der  Strafe  zuwi- 
der ist,  freistehen  muss,  ihre  Ideen  zu  berichtigen  und  ihre 
Gefühle  zu  verbessern.  Allein  auch  dem  Verbrecher  darf 
die  Belehrung  nicht  aufgedrungen  werden;  und  wenn  die- 
selbe schon  eben  dadurch  Nuzen  und  Wirksamkeit  verliert; 
so  läuft  ein  solches  Aufdringen  auch  den  Rechten  des  Ver- 
brechers entgegen,  der  nie  zu  etwas  mehr  verbunden  sein 
kann,  als  die  gesezmässige  Strafe  zu  leiden. 

Ein  völlig  specieller  Fall  ist  noch  der,  wo  der  Ange- 
schuldigte zwar  zu  viel  Gründe  gegen  sich  hat,  um  nicht 
einen  starken  Verdacht  auf  sich  zu  laden,  aber  nicht  genug, 
um  verurtheilt  zu  werden.  (Absolutio  ab  instantia.)  Ihm 
alsdann  die  völlige  Freiheit  unbescholtener  Bürger  zu  ver- 
statten, macht  die  Sorgfalt  für  die  Sicherheit  bedenklich, 
und  eine  fortdauernde  Aufsicht  auf  sein  künftiges  Betragen 
ist  daher  allerdings  notliwendig.  Indess  eben  die  Gründe, 
welche  jedes  positive  Bemühen  des  Staats  bedenklich  ma- 
chen, und  überhaupt  anrathen,  an  die  Stelle  seiner  Thätig- 
keit  lieber,  wo  es  geschehen  kann,  die  Thätigkeit  einzelner 
Bürger  zu  sezen,  geben  auch  hier  der  freiwillig  übernom- 
menen Aufsicht  der  Bürger  vor   einer  Aufsicht  des  Staats 


156 

den  Vorzug;  und  es  dürfte  daher  besser  sein,  verdächtige 
Personen  dieser  Art  sichere  Bürgen  stellen  zu  lassen,  als 
sie  einer  unmittelbaren  Aufsicht  des  Staats  zu  übergeben, 
die  nur,  in  Ermanglung  der  Bürgschaft,  eintreten  müsste. 
Beispiele  solcher  Bürgschaften  giebt  auch,  zwar  nicht  in 
diesem,  aber  in  ahnlichen  Fällen,  die  Englische  Gesezgebung. 
Die  lezte  Art,  Verbrechen  zu  verhüten,  ist  diejenige, 
welche,  ohne  auf  ihre  Ursachen  wirken  zu  wollen,  nur  ihre 
wirkliche  Begehung  zu  verhindern  bemüht  ist.  Diese  ist 
der  Freiheit  am  wenigsten  nachtheilig,  da  sie  am  wenigsten 
einen  positiven  Einfluss  auf  die  Bürger  hervorbringt.  Indess 
lässt  auch  sie  mehr  oder  minder  weite  Schranken  zu.  Der 
Staat  kann  sich  nemlich  begnügen,  die  strengste  Wachsam- 
keit auf  jedes  gesezwidrige  Vorhaben  auszuüben,  um  das- 
selbe,  vor  seiner  Ausführung  zu  verhindern;  oder  er  kann 
weiter  gehen,  und  solche,  an  sich  schädliche  Handlungen 
untersagen,  bei  welchen  leicht  Verbrechen  entweder  nur 
ausgeführt,  oder  auch  beschlossen  zu  werden  pflegen.  Diess 
Leztere  greift  abermals  in  die  Freiheit  der  Bürger  ein;  zeigt 
ein  Mistrauen  des  Staats  gegen  sie,  das  nicht  bloss  auf  ih- 
ren Charakter,  sondern  auch  für  den  Zwek  selbst,  der  be- 
absichtet  wird,  nachtheilige  Folgen  hat;  und  ist  aus  eben 
den  Gründen  nicht  rathsam,  welche  mir  die  vorhin  erwähn- 
ten Arten,  Verbrechen  zu  verhüten,  zu  misbilligen  schienen. 
Alles,  was  der  Staat  thun  darf,  und  mit  Erfolg  für  seinen 
Endzwek,  und  ohne  Nachtheil  für  die  Freiheit  der  Bürger, 
thun  kann,  beschränkt  sich  daher  auf  das  Erstere,  auf  die 
strengste  Aufsicht  auf  jede,  entweder  wirklich  schon  began- 
gene, oder  erst  beschlossene  Uebertretung  der  Geseze;  und 
da  diess  nur  uneigentlich  den  Verbrechen  zuvorkommen  ge- 
nannt werden  kann;  so  glaube  ich  behaupten  zu  dürfen, 
dass  ein  solches  Zuvorkommen  gänzlich  ausserhalb  der 
Schranken  «1er  Wirksamkeit  des  Staats  liegt.    Desto  emsiger 


157 

aber  muss  derselbe  darauf  bedacht  sein,  kein  begangenes 
Verbrechen  unentdekt,  kein  entdektes  unbestraft,  ja  nur  ge- 
linder bestraft  zu  lassen,  als  das  Gesez  es  verlangt.  Denn 
die  durch  eine  ununterbrochene  Erfahrung  bestätigte  Ueber- 
zeugung  der  Bürger,  dass  es  ihnen  nicht  möglich  ist,  in 
fremdes  Recht  einzugreifen,  ohne  eine,  gerade  verhältniss- 
mässige  Schmälerung  des  eignen  zu  erdulden,  scheint  mir 
zugleich  die  einzige  Schuzmauer  der  Sicherheit  der  Bürger, 
und  das  einzige  untrügliche  Mittel,  unverlezliche  Achtung 
des  fremden  Rechts  zu  begründen.  Zugleich  ist  dieses  Mit- 
tel die  einzige  Art,  auf  eine  des  Menschen  würdige  Weise 
auf  den  Charakter  desselben  zu  wirken,  da  man  den  Men- 
schen nicht  zu  Handlungen  unmittelbar  zwingen  oder  leiten, 
sondern  allein  durch  die  Folgen  ziehen  muss,  welche,  der 
Natur  der  Dinge  nach,  aus  seinem  Betragen  fhessen  müssen. 
Statt  aller  zusammengesezteren  und  künstlicheren  Mittel, 
Verbrechen  zu  verhüten,  würde  ich  daher  nie  etwas  andres, 
als  gute  und  durchdachte  Geseze,  in  ihrem  absoluten  Maasse 
den  Lokalumständen,  in  ihrem  relativen  dem  Grade  der  Im- 
moralität  der  Verbrechen  genau  angemessene  Strafen,  mög- 
lichst sorgfältige  Aufsuchung  jeder  vorgefallenen  Uebertre- 
tung  der  Geseze,  und  Hinwegräumung  aller  Möglichkeit  auch 
nur  der  Milderung  der  richterlich  bestimmten  Strafe  vor- 
schlagen. Wirkt  diess  freilich  sehr  einfache  Mittel,  wie  ich 
nicht  läugnen  will,  langsam;  so  wirkt  es  dagegen  auch  un- 
fehlbar, ohne  Nachtheil  für  die  Freiheit,  und  mit  heilsamem 
Einfluss  auf  den  Charakter  der  Bürger.  Ich  brauche  mich 
nun  nicht  länger  bei  den  Folgen  der  hier  aufgestellten  Säze 
zu  verweilen,  wie  z.  B.  bei  der  schon  öfter  bemerkten  Wahr- 
heit, dass  das  Begnadigungs-  selbst  das  Milderungsrecht  des 
Landesherrn  gänzlich  aufhören  müsste.  Sie  lassen  sich  von 
selbst  ohne  Mühe  daraus  herleiten.  Die  näheren  Veranstal- 
tungen, welche  der  Staat  treffen  muss,  um  begangene  Ver- 


158 

brechen  zu  entdekken,  oder  erst  beschlossenen  zuvorzukom- 
men, hängen  fast  ganz  von  individuellen  Umstanden  specia- 
ler Lagen  ab.  Allgemein  kann  hier  nur  bestimmt  werden, 
dass  derselbe  auch  hier  seine  Rechte  nicht  überschreiten, 
und  also  keine,  der  Freiheit  und  der  häuslichen  Sicherheit 
der  Bürger  überhaupt  entgegenlaufende  Maassregeln  ergrei- 
fen darf.  Hingegen  kann  er  für  öffentliche  Orte,  wo  am 
leichtesten  Frevel  verübt  werden,  eigene  Aufseher  bestellen; 
Fiskale  anordnen,  welche,  vermöge  ihres  Amts,  gegen  ver- 
dächtige Personen  verfahren;  und  endlich  alle  Bürger  durch 
Geseze  verpflichten,  ihm  in  diesem  Geschäfte  behülflich  zu 
sein,  und  nicht  bloss  beschlossene,  und  noch  nicht  began- 
gene Verbrechen,  sondern  auch  schon  verübte,  und  ihre 
Thäter  anzuzeigen.  Nur  muss  er  diess  Leztere,  um  nicht 
auf  den  Charakter  der  Bürger  nachtheilig  zu  wirken,  immer 
nur  als  Pflicht  fordern,  nicht  durch  Belohnungen,  oder  Vor- 
theile  dazu  anreizen;  und  selbst  von  dieser  Pflicht  diejeni- 
gen entbinden,  welche  derselben  kein  Genüge  leisten  könn- 
ten, ohne  die  engsten  Bande  dadurch  zu  zerreissen. 

Endlich  muss  ich  noch,  ehe  ich  diese  Materie  beschliesse, 
bemerken,  dass  alle  Kriminalgeseze,  sowohl  diejenigen,  welche 
die  Strafen,  als  diejenigen,  welche  das  Verfahren  bestimmen, 
allen  Bürgern,  ohne  Unterschied,  vollständig  bekannt  ge- 
macht werden  müssen.  Zwar  hat  man  verschiedentlich  das 
Gegentheil  behauptet,  und  sich  des  Grundes  bedient,  dass 
dem  Bürger  nicht  die  Wahl  gelassen  werden  müsse,  mit 
dem  Uebel  der  Strafe  gleichsam  den  Vortheil  der  gesez- 
widrigen  Handlung  zu  erkaufen.  Allein  —  die  Möglichkeit 
einer  fortdauernden  Verheimlichung  auch  einmal  angenom- 
men —  so  unmoralisch  auch  eine  solche  Abwägung  in  dem 
Menschen  selbst  wäre,  der  sie  vornähme;  so  darf  der  Staat, 
und  überhaupt  ein  Mensch  dem  andren,  dieselbe  doch  nicht 
verwehren.     Es  ist  im  Vorigen,  wie  ich   hoffe,  hinlänglich 


159 

gezeigt  worden,  dass  kein  Mensch  dem  andren  mehr  Uebel, 
als  Strafe,  zufügen  darf,  als  er  selbst  durch  das  Verbrechen 
gelitten  hat.  Ohne  gesezliche  Bestimmung  müsste  also  der 
Verbrecher  soviel  erwarten ,  als  er  ohngefähr  seinem  Ver- 
brechen gleichachtete;  und  da  nun  diese  Schäzung  bei  meh- 
reren Menschen  zu  verschieden  ausfallen  würde,  so  ist  sehr 
natürlich,  dass  man  ein  festes  Maass  durch  das  Gesez  be- 
stimme, und  dass  also  zwar  nicht  die  Verbindlichkeit,  Strafe 
zu  leiden,  aber  doch  die,  bei  Zufügung  der  Strafe,  nicht 
willkührlich  alle  Glänzen  zu  überschreiten,  durch  einen  Ver- 
trag begründet  sei.  Noch  ungerechter  aber  wird  eine  solche 
Verheimlichung  bei  dem  Verfahren  zur  Aufsuchung  der  Ver- 
brechen. Da  könnte  sie  unstreitig  zu  nichts  andrem  dienen, 
als  Furcht  vor  solchen  Mitteln  zu  erregen,  die  der  Staat 
selbst  nicht  anwenden  zu  dürfen  glaubt,  und  nie  muss  der 
Staat  durch  eine  Furcht  wirken  wollen,  welche  nichts 
andres  unterhalten  kann,  als  Unwissenheit  der  Bürger  über 
ihre  Rechte,  oder  Mistrauen  gegen  seine  Achtung  derselben. 
Ich  ziehe  nunmehr  aus  dem  bisher  vorgetragenen  Rai- 
sonnement folgende  höchste  Grundsäze  jedes  Kriminalrechts 
überhaupt  : 

1.  Eins  der  vorzüglichsten  Mittel  zur  Erhaltung  der 
Sicherheit  ist  die  Bestrafung  der  Uebertreter  der  Geseze 
des  Staats.  Der  Staat  darf  jede  Handlung  mit  einer 
Strafe  belegen,  welche  die  Rechte  der  Bürger  krankt, 
und  insofern  er  selbst  allein  aus  diesem  Gesichtspunkt 
Geseze  anordnet,  jede,  wodurch  eines  seiner  Geseze 
übertreten  wird. 

2.  Die  härteste  Strafe  darf  keine  andre,  als  die  nach 
den  individuellen  Zeit-  und  Ortverhältnissen  möglichst 
gelinde  sein.  Nach  dieser  müssen  alle  übrige,  gerade 
in  dem  Verhältniss  bestimmt  sein,  in  welchem  die  Ver- 
brechen, gegen  welche  sie  gerichtet  sind,  Nicht  Achtung 


160 

des  fremden  Rechts  bei  dem  Verbrecher  voraussezen. 
So  muss  daher  die  härteste  Strafe  denjenigen  treffen, 
welcher  das  wichtigste  Recht  des  Staats  selbst,  eine 
minder  harte  denjenigen,  welcher  nur  ein  gleich  wich- 
tiges Recht  eines  einzelnen  Bürgers  gekränkt,  eine  noch 
gelindere  endlich  denjenigen,  welcher  bloss  ein  Gesez 
übertreten  hatte,  dessen  Absicht  es  war,  eine  solche, 
bloss  mögliche  Kränkung  zu  verhindern. 

3.  Jedes  Strafgesez  kann  nur  auf  denjenigen  ange- 
wendet werden,  welcher  dasselbe  mit  Vorsaz,  oder  mit 
Schuld  übertrat,  und  nur  in  dem  Grade,  in  welchem  er 
dadurch  Nicht  Achtung  des  fremden  Rechts  bewies. 

4.  Bei  der  Untersuchung  begangener  Verbrechen  darf 
der  Staat  zwar  jedes  dem  Endzwek  angemessene  Mittel 
anwenden;  hingegen  keines,  das  den  bloss  verdächtigen 
Bürger  schon  als  Verbrecher  behandelte,  noch  ein  sol- 
ches, das  die  Rechte  des  Menschen  und  des  Bürgers, 
welche  der  Staat,  auch  in  dem  Verbrecher,  ehren  muss, 
verlezte,  oder  das  den  Staat  einer  unmoralischen  Hand- 
lung schuldig  machen  würde. 

5.  Eigene  Veranstaltungen,  noch  nicht  begangene 
Verbrechen  zu  verhüten,  darf  sich  der  Staat  nicht  an- 
ders erlauben,  als  insofern  dieselben  die  unmittelbare 
Begehung  derselben  verhindern.  Alle  übrige  aber,  sie 
möeren  nun  den  Ursachen  zu  Verbrechen  entgegenar- 
beiten,  oder  an  sich  unschädliche,  aber  leicht  zu  Ver- 
brechen führende  Handlungen  verhüten  wollen,  liegen 
ausserhalb  der  Glänzen  seiner  Wirksamkeit.  Wenn 
zwischen  diesem,  und  dem,  bei  Gelegenheit  der  Hand- 
lungen des  einzelnen  Menschen  S.  111.  112.  aufgestellten 
Grundsaz  ein  Widerspruch  zu  sein  scheint,  so  muss  man 
nicht  vergessen,  dass  dort  von  solchen  Handlungen  die 
Hede  war,  deren  Folgen  an  sich  fremde  Rechte  kränken 


161 

können,  hier  hingegen  von  solchen,  aus  welchen,  um 
diese  Wirkung  hervorzubringen,  erst  eine  zweite  Hand- 
lung entstehen  muss.  Verheimlichung  der  Schwanger- 
schaft also,  um  diess  an  einem  Beispiel  deutlich  zu 
machen,  dürfte  nicht  aus  dem  Grunde  verboten  werden, 
den  Kindermord  zu  verhüten  (man  müsste  denn  die- 
selbe schon  als  ein  Zeichen  des  Vorsazes  zu  demselben 
ansehen),  wohl  aber  als  eine  Handlung,  welche  an  sich, 
und  ohnediess,  dem  Leben  und  der  Gesundheit  des 
Kindes  gefährlich  sein  kann. 


XIV. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Bestim- 
mung des  Verhältnisses  derjenigen  Personen,  welche 
nicht  im  Besiz  der  natürlichen,  oder  gehörig  gereiften 
menschlichen  Kräfte  sind.  (Unmündige  und  des  Ver- 
standes Beraubte.)  Allgemeine  Anmerkung  zu  diesem 
und  den  vier  vorhergehenden  Abschnitten. 

Alle  Grundsäze,  die  ich  bis  hieher  aufzustellen  versucht 
habe,  sezen  Menschen  voraus,  die  im  völligen  Gebrauch 
ihrer  gereiften  Verstandeskräfte  sind.  Denn  alle  gründen 
sich  allein  darauf,  dass  dem  selbstdenkenden  und  selbstthä- 
tigen  Menschen  nie  die  Fähigkeit  geraubt  werden  darf,  sich, 
nach  gehöriger  Prüfung  aller  Momente  der  Ueberlegung, 
willkührlich  zu  bestimmen.  Sie  können  tlaher  auf  solche 
Personen  keine  Anwendung  finden,  welche  entweder,  wie 
Verrükte,  oder  gänzlich  Blödsinnige,  ihrer  Vernunft  so  gut, 
als  gänzlich  beraubt  sind;  oder  bei  welchen  dieselbe  noch 
nicht  einmal  diejenige  Reife  erlangt  hat,  welche  von  der 
Reife  des  Körpers  selbst  abhängt.  Denn  so  unbestimmt, 
vu.  1 1 


162 

und,  genau  gesprochen,  unrichtig  auch  dieser  lezlere  Maass- 
stab sein  mag;  so  ist  er  doch  der  einzige,  welcher  allge- 
mein und  hei  der  Beurtheilung  des  Dritten  gültig  sein  kann. 
Alle  diese  Personen  nun  bedürfen  einer  im  eigentlichsten 
Verstände  positiven  Sorgfalt  für  ihr  physisches  und  morali- 
sches Wohl,  und  die  bloss  negative  Erhaltung  der  Sicher- 
heit kann  bei  denselben  nicht  hinreichen.  Allein  diese  Sorg- 
falt ist  —  um  bei  den  Kindern,  als  der  grossesten  und 
wichtigsten  Klasse  dieser  Personen  anzufangen  —  schon 
vermöge  der  Grundsäze  des  Hechts  ein  Eigenthum  bestimm- 
ter Personen,  der  Eltern.  Ihre  Pflicht  ist  es,  die  Kinder, 
welche  sie  erzeugt  haben,  bis  zur  vollkommenen  Reife  zu 
erziehen,  und  aus  dieser  Pflicht  allein  entspringen  alle  Rechte 
derselben,  als  nothwendige  Bedingungen  der  Ausübung  von 
jener.  Die  Kinder  behalten  daher  alle  ihre  ursprünglichen 
Rechte,  auf  ihr  Leben,  ihre  Gesundheit,  ihr  Vermögen,  wenn 
sie  schon  dergleichen  besizen,  und  selbst  ihre  Freiheit  darf 
nicht  weiter  beschränkt  werden,  als  die  Eltern  diess  theils 
zu  ihrer  eignen  Bildung,  theils  zur  Erhaltung  des  nun  neu 
entstehenden  Familienverhältnisses  für  nothwendig  erachten, 
und  als  sich  diese  Einschränkung  nur  auf  die  Zeit  bezieht, 
welche  zu  ihrer  Ausbildung,  erfordert  wird.  Zwang,  zu 
Handlungen,  welche  über  diese  Zeit  hinaus,  und  vielleicht 
aufs  ganze  Leben  hin  ihre  unmittelbaren  Folgen  erstrekken, 
dürfen  sich  daher  Kinder  niemals  gefallen  lassen.  Daher 
niemals  z.  B.  Zwang  zu  Heirathen,  oder  zu  Erwählung  ei- 
ner bestimmten  Lebensart.  Mit  der  Zeit  der  Reife  muss 
die  elterliche  Gewalt  natürlich  ganz  und  gar  aufhören.  All- 
gemein bestehen  daher  die  Pflichten  der  Eltern  darin  die 
Kinder,  theils  durch  persönliche  Sorgfalt  für  ihr  physisches 
und  moralisches  Wohl,  theils  durch  Versorgung  mit  den 
nothwendigen  Mitteln  in  den  Stand  zu  sezen,  eine  eigne 
Lebensweise,  nach  ihrer,  jedoch  durch  ihre  individuelle  Lage 


163 

beschränkten  Wahl  anzufangen;  und  die  Pflichten  der  Kin- 
der dagegen  darin,  alles  dasjenige  zu  thun,  was  notwen- 
dig ist,  damit  die  Eltern  jener  Pflicht  ein  Geniige  zu  leisten 
vermögen.  Alles  nähere  Detail,  die  Aufzählung  dessen,  was 
diese  Pflichten  nun  bestimmt  in  sich  enthalten  können  und 
müssen,  übergehe  ich  hier  gänzlich.  Es  gehört  in  eine  ei- 
gentliche Theorie  der  Gesezgebung,  und  würde  auch  nicht 
einmal  ganz  in  dieser  Plaz  finden  können,  da  es  grossen- 
theils  von  individuellen  Umständen  specieller  Lagen  abhängt. 
Dem  Staat  liegt  es  nun  ob,  für  die  Sicherheit  der 
Hechte  der  Kinder  «reuen  die  Eltern  Sorge  zu  tragen,  und 
er  muss  daher  zuerst  ein  gesezmässiges  Alter  der  Reife  be- 
stimmen. Diess  muss  nun  natürlich  nicht  nur  nach  der 
Verschiedenheit  des  Klimas  und  selbst  des  Zeitalters  ver- 
schieden sein,  sondern  auch  individuelle  Lagen,  je  nachdem 
nemlich  mehr  oder  minder  Reife  der  Beurtheilimgskraft  in 
denselben  erfordert  wird,  können  mit  Recht  darauf  Einfluss 
haben.  Hiernächst  muss  er  verhindern,  dass  die  väterliche 
Gewalt  nicht  über  ihre  Glänzen  hinausschreite,  und  darf 
daher  dieselbe  mit  seiner  genauesten  Aufsicht  nicht  verlas- 
sen. Jedoch  muss  diese  Aufsicht  niemals  positiv  den  Eltern 
eine  bestimmte  Bildung  und  Erziehung  der  Kinder  vor- 
schreiben wollen,  sondern  nur  immer  negativ  dahin  gerich- 
tet sein,  Eltern  und  Kinder  gegenseitig  in  den,  ihnen  vom 
Gesez  bestimmten  Schranken  zu  erhalten.  Daher  scheint 
es  auch  weder  gerecht,  noch  rathsam,  fortdauernde  Rechen- 
schaft von  den  Eltern  zu  fordern;  man  muss  ihnen  zutrauen, 
dass  sie  eine  Pflicht  nicht  verabsäumen  werden,  welche  ih- 
rem Herzen  so  nah  liegt;  und  erst  solche  Fälle,  wo  ent- 
weder schon  wirkliche  Verlezungen  dieser  Pflicht  geschehen, 
oder  sehr  nah  bevorstehen,  können  den  Staat,  sich  in  dies*e 
Familienverhältnisse  zu  mischen  berechtigen. 

II* 


164 

Nach  dem  Tode  der  Eltern  bestimmen  die  Grundsiize 
des  natürlichen  Rechts  minder  klar,  an  wen  die  Sorgfalt  der 
noch  übrigen  Erziehung  fallen  soll.  Der  Staat  muss  daher 
genau  festsezen,  wer  von  den  Verwandten  die  Vormund- 
schaft übernehmen,  oder,  wenn  von  diesen  keiner  dazu  im 
Stande  ist,  wie  einer  der  übrigen  Bürger  dazu  gewählt  wer- 
den soll.  Ebenso  muss  er  die  notwendigen  Eigenschaften 
der  Fähigkeit  der  Vormünder  bestimmen.  Da  die  Vormün- 
der die  Pflichten  der  Eltern  übernehmen,  so  treten  sie  auch 
in  alle  Rechte  derselben;  da  sie  aber  auf  jeden  Fall  in  ei- 
nem minder  engen  Verhältniss  zu  ihren  Pflegbefohlenen 
stehen,  so  können  sie  nicht  auf  ein  gleiches  Vertrauen  An- 
spruch machen,  und  der  Staat  muss  daher  seine  Aufsicht 
auf  sie  verdoppeln.  Bei  ihnen  dürfte  daher  auch  ununter- 
brochene Rechenschaftsablegung  eintreten  müssen.  Je  we- 
niger positiven  Einfluss  der  Staat  auch  nur  mittelbar  ausübt, 
desto  mehr  bleibt  er  den,  im  Vorigen  entwikkelten  Grund- 
säzen  getreu.  Er  muss  daher  die  Wahl  eines  Vormunds 
durch  die  sterbenden  Eltern  selbst,  oder  durch  die  zurük- 
bleibenden  Verwandten,  oder  durch  die  Gemeine,  zu  welcher 
die  Pflegbefohlnen  gehören,  soviel  erleichtern,  als  nur  immer 
die  Sorgfalt  für  die  Sicherheit  dieser  erlaubt.  Ueberhaupt 
scheint  es  rathsam,  alle  eigentlich  specielle  hier  eintretende 
Aufsicht  den  Gemeinheiten  zu  übertragen;  ihre  Maassregeln 
werden  immer  nicht  nur  der  individuellen  Lage  der  Pfleg- 
befohlnen angemessener,  sondern  auch  mannigfaltiger,  min- 
der einförmig  sein,  und  für  die  Sicherheit  der  Pflegbefohl- 
nen ist  dennoch  hinlänglich  gesorgt,  sobald  die  Ober-Aufsicht 
in  den  Händen  des  Staats  selbst  bleibt. 

Ausser  diesen  Einrichtungen  muss  der  Staat  sich  nicht 
bloss  begnügen,  Unmündige,  gleich  andren  Bürgern,  gegen 
fremde  Angriffe  zu  beschüzen,  sondern  er  muss  hierin  auch 
noch  weiter  gehen.  Es  war  nemlich  oben  festgesezt  worden, 


165 

dass  jeder  über  seine  eignen  Handlungen  und  sein  Vermö- 
gen nach  Gefallen  freiwillig  beschliessen  kann.    Eine  solche 
Freiheit  könnte  Personen,  deren  Beurtheilungskraft  noch  nicht 
das   gehörige  Alter  gereift  hat,  in   mehr  als  Einer  Hinsicht 
gefährlich    werden.      Diese    Gefahren    nun    abzuwenden    ist 
zwar  das  Geschäft  der  Eltern,  oder  Vormünder,  welche  das 
Recht  haben,   die   Handlungen   derselben   zu  leiten.     Allein 
der  Staat  muss  ihnen,   und   den  Unmündigen   selbst  hierin 
zu  Hülfe  kommen,  und  diejenigen  ihrer  Handlungen  für  un- 
gültig erklären,  deren  Folgen  ihnen  schädlich  sein  würden. 
Er  muss  dadurch  verhindern,  dass  nicht  eigennüzige  Absich- 
ten andrer  sie  täuschen,  oder  ihren  Entschluss  überraschen. 
Wo   diess   geschieht,   muss   er   nicht  nur  zu  Ersezung  des 
Schadens  anhalten,  sondern  auch  die  Thäter  bestrafen;  und 
so   können   aus    diesem   Gesichtspunkt  Handlungen    strafbar 
werden,   welche  sonst   ausserhalb   des  Wirkungskreises  des 
Gesezes  liegen  würden.     Ich  führe  hier  als  ein  Beispiel  den 
unehelichen  Beischlaf  an,   den,   diesen  Grundsäzen  zufolge, 
der   Staat  an  dem   Thäter  bestrafen  müsste,   wenn   er  mit 
einer   unmündigen  Person   begangen   würde.     Da    aber  die 
menschlichen  Handlungen  einen  sehr  mannigfaltig  verschied- 
nen  Grad   der   Beurtheilungskraft  erfordern,   und   die  Reife 
der  leztern  gleichsam   nach  und   nach  zunimmt;    so   ist  es 
gut,    zum  Behuf  der  Gültigkeit  dieser  verschiedenen  Hand- 
lungen gleichfalls  verschiedene  Epochen  und  Stufen  der  Un- 
mündigkeit zu  bestimmen. 

Was  hier  von  Unmündigen  gesagt  worden  ist,  findet 
auch  auf  Verrükle  und  Blödsinnige  Anwendung.  Der  Un- 
terschied besteht  nur  darin,  dass  sie  nicht  einer  Erziehung 
und  Bildung  (man  müsste  denn  die  Bemühungen,  sie  zu 
heilen,  mit  diesem  Namen  belegen),  sondern  nur  der  Sorg- 
falt und  Aufsicht  bedürfen;  dass  bei  ihnen  noch  vorzüglich 
der  Schaden  verhütet  werden  muss,  den  sie  andren  zufügen 


166 

könnten;  und  dass  sie  gewöhnlich  in  einem  Zustande  sind, 
in  welchem  sie  weder  ihrer  persönlichen  Kräfte,  noch  ihres 
Vermögens  geniessen  können,  wobei  jedoch  nicht  vergessen 
werden  muss,  dass,  da  eine  Rükkehr  der  Vernunft  bei  ih- 
nen immer  noch  möglich  ist,  ihnen  nur  die  temporelle  Aus- 
übung ihrer  Rechte,  nicht  aber  diese  Rechte  selbst  genom- 
men werden  können.  Diess  noch  weiter  auszuführen,  erlaubt 
meine  gegenwärtige  Absicht  nicht,  und  ich  kann  daher  diese 
ganze  Materie  mit  folgenden  allgemeinen  Giundsäzen  be- 
schliessen. 

1.  Diejenigen  Personen,  welche  entweder  überhaupt 
nicht  den  Gebrauch  ihrer  Verstandeskräfte  besizen,  oder 
das  dazu  nothwendige  Alter  noch  nicht  erreicht  haben, 
bedürfen  einer  besondren  Sorgfalt  für  ihr  physisches, 
intellektuelles  und  moralisches  Wohl.  Personen  dieser 
Art  sind  Unmündige  und  des  Verstandes  Beraubte. 
Zuerst  von  jenen,  dann  von  diesen. 

2.  In  Absicht  der  Unmündigen  muss  der  Staat  die 
Dauer  der  Unmündigkeit  festsezen.  Er  muss  dieselbe, 
da  sie  ohne  sehr  wesentlichen  Nachtheil  weder  zu  kurz, 
noch  zu  lang  sein  darf,  nach  den  individuellen  Umstän- 
den der  Lage  der  Nation  bestimmen,  wobei  ihm  die 
vollendete  Ausbildung  des  Körpers  zum  ohngefähren 
Kennzeichen  dienen  kann.  Rathsam  ist  es,  mehrere 
Epochen  anzuordnen ,  und  gradweise  die  Freiheit  der 
Unmündigen  zu  erweitern,  und  die  Aufsicht  auf  sie 
zu  verringern. 

3.  Der  Staat  muss  darauf  wachen  dass  die  Ellern 
ihre  Pflichten  gegen  ihre  Kinder  —  nemlich  dieselben, 
so  gut  es  ihre  Lage  erlaubt,  in  den  Stand  zu  sezen, 
nach  erreichter  Mündigkeit,  eine  eigne  Lebensweise  zu 
wählen  und  anzufangen  —  und  die  Kinder  ihre  Pflich- 
len    iiegen   ihre   Ellern,    —  nemlich    alles    dasjenige   zu 


167 

Ihun,  was  zur  Ausübung  jener  Pflicht  von  Seiten  der 
Eltern  nothvvendig  ist  —  genau  erfüllen;  keiner  aber 
die  Rechte  überschreite,  welche  ihm  die  Erfüllung  jener 
Pflichten  einräumt.  Seine  Aufsicht  muss  jedoch  allein 
hierauf  beschränkt  sein;  und  jedes  Bemühen,  hiebei  ei- 
nen positiven  Endzwek  zu  erreichen ,  z.  B.  diese  oder 
jene  Art  der  Ausbildung  der  Kräfte  bei  den  Kindern  zu 
begünstigen,  liegt  ausserhalb  der  Schranken  seiner  Wirk- 
samkeit. 

4.  Im  Fall  des  Todes  der  Eltern  sind  Vormünder 
nothvvendig.  Der  Staat  muss  daher  die  Art  bestimmen, 
wie  diese  bestellt  werden  sollen,  so  wie  die  Eigenschaf- 
ten, welche  sie  nothwendig  besizen  müssen.  Er  wird 
aber  gut  thun,  soviel  als  möglich  die  Wahl  derselben 
durch  die  Eltern  selbst,  vor  ihrem  Tode,  oder  die  übrig- 
bleibenden Verwandten,  oder  die  Gemeine  zu  befördern. 
Das  Betragen  der  Vormünder  erfordert  eine  noch  ge- 
nauere und  doppelt  wachsame  Aufsicht. 

5.  Um  die  Sicherheit  der  Unmündigen  zu  befördern, 
und  zu  verhindern,  dass  man  sich  nicht  ihrer  Unerfah- 
renheit  oder  Unbesonnenheit  zu  ihrem  Nachtheil  be- 
diene, muss  der  Staat  diejenigen  ihrer,  allein  für  sich 
vorgenommenen  Handlungen,  deren  Folgen  ihnen  schäd- 
lich werden  könnten,  für  ungültig  erklären,  und  dieje- 
nigen, welche  sie  zu  ihrem  Vortheil  auf  diese  Weise 
benuzen,  bestrafen. 

6.  Alles  was  hier  von  Unmündigen  gesagt  worden, 
gilt  auch  von  solchen,  die  ihres  Verstandes  beraubt 
sind;  nur  mit  den  Unterschieden,  welche  die  Natur  der 
Sache  selbst  zeigt.  Auch  darf  niemand  eher  als  ein 
solcher  angesehen  werden,  ehe  er  nicht,  nach  einer, 
unter  Aufsicht  des  Richters,  durch  Aerzte  vorgenom- 
menen  Prüfung,    förmlich    dafür    erklärt    ist;     und   das 


168 

Uebel  selbst   muss  immer,  als  möglicherweise  wieder 

vorübergehend,  betrachtet  werden. 
Ich  bin  jezt  alle  Gegenstände  durchgegangen,  auf  welche 
der  Staat  seine  Geschäftigkeit  ausdehnen  muss;  ich  habe  bei 
jedem  die  höchsten  Principien  aufzustellen  versucht.  Findet 
man  diesen  Versuch  zu  mangelhaft,  sucht  man  viele,  in  der 
Gesezgebung  wichtige  Materien  vergebens  in  demselben;  so 
darf  man  nicht  vergessen,  dass  es  nicht  meine  Absicht  war, 
eine  Theorie  der  Gesezgebung  aufzustellen  —  ein  Werk, 
dem  weder  meine  Kräfte  noch  meine  Kenntnisse  gewachsen 
sind  —  sondern  allein  den  Gesichtspunkt  herauszuheben, 
inwiefern  die  Gesezgebung  in  ihren  verschiedenen  Zweigen 
die  Wirksamkeit  des  Staats  ausdehnen  dürfe,  oder  einschrän- 
ken müsse?  Denn  wie  sich  die  Gesezgebung  nach  ihren 
Gegenständen  abiheilen  lässt,  eben  so  kann  dieselbe  auch 
nach  ihren  Quellen  eingetheilt  werden,  und  vielleicht  ist 
diese  Eintheilung,  vorzüglich  für  den  Gesezgeber  selbst,  noch 
fruchtbarer.  Dergleichen  Quellen,  oder  —  um  mich  zugleich 
eigentlicher  und  richtiger  auszudrukken  —  Hauptgesichts- 
punkte, aus  welchen  sich  die  Nothwendigkeit  von  Gesezen 
zeigt,  giebt  es,  wie  mich  dünkt,  nur  drei.  Die  Gesezgebung 
im  Allgemeinen  soll  die  Handlungen  der  Bürger,  und  ihre 
nothwcndigen  Folgen  bestimmen.  Der  erste  Gesichtspunkt 
ist  daher  die  Natur  dieser  Handlungen  selbst,  und  diejeni- 
gen ihrer  Folgen,  welche  allein  aus  den  Grundsäzen  des 
Rechts  entspringen.  Der  zweite  Gesichtspunkt  ist  der  be- 
sondre Zwek  des  Staats,  die  Gränzen,  in  welchen  er  seine 
Wirksamkeit  zu  beschränken,  oder  der  Umfang,  auf  welchen 
er  dieselbe  auszudehnen  beschliesst.  Der  dritte  Gesichts- 
punkt endlich  entspringt  aus  den  Mitteln ,  welcher  er  not- 
wendig bedarf,  um  das  ganze  Staatsgebäude  selbst  zu  er- 
halten, um  es  nur  möglich  zu  machen,  seinen  Zwek  überhaupt 
zu  erreichen.     Jedes  nur  denkbare  Gesez  muss  einem  dieser 


169 

Gesichtspunkte  vorzüglich  eigen  sein;  allein  keines  dürfte, 
ohne  die  Vereinigung  aller,  gegeben  werden,  und  gerade 
diese  Einseitigkeit  der  Ansicht  macht  einen  sehr  wesentli- 
chen Fehler  mancher  Geseze  aus.  Aus  jener  dreifachen 
Ansicht  entspringen  nun  auch  drei  vorzüglich  nothwendige 
Vorarbeiten  zu  jeder  Gesezgebung:  1.  eine  vollständige  all- 
gemeine Theorie  des  Rechts.  2.  Eine  vollständige  Entwik- 
kelung  des  Zweks,  den  der  Staat  sich  vorsezen  sollte,  oder, 
welches  im  Grunde  dasselbe  ist,  eine  genaue  Bestimmung 
der  Grenzen,  in  welchen  er  seine  Wirksamkeit  halten  muss  ; 
oder  eine  Darstellung  des  besondern  Zweks,  welchen  diese 
oder  jene  Staatsgesellschaft  sich  wirklich  vorsezt.  3.  Eine 
Theorie  der,  zur  Existenz  eines  Staats  nothwendigen  Mittel, 
und  da  diese  Mittel  theils  Mittel  der  innern  Festigkeit,  theils 
Mittel  der  Möglichkeit  der  Wirksamkeit  sind,  eine  Theorie 
der  Politik  und  der  Finanzwissenschaften;  oder  wiederum 
eine  Darstellung  des  einmal  gewählten  politischen  und  Fi- 
nanzsystems. Bei  dieser  Uebersichl,  welche  mannigfaltige 
Unterabtheilungen  zulässt,  bemerke  ich  nur  noch,  dass  bloss 
das  erste  der  genannten  Stükke  ewig  und,  wie  die  Natur 
des  Menschen  im  Ganzen  selbst,  unveränderlich  ist;  die  an- 
dern aber  mannigfaltige  Modifikationen  erlauben.  Werden 
indess  diese  Modifikationen  nicht  nach  völlig  allgemeinen, 
von  allen  zugleich  hergenommenen  Rüksichten,  sondern  nach 
andren  zufälligeren  Umständen  gemacht,  ist  z.  B.  in  einem 
Staat  ein  festes  politisches  System,  sind  unabänderliche  Fi- 
nanz-Einrichtungen, so  geräth  das  zweite  der  genannten  Stükke 
in  ein  sehr  grosses  Gedränge,  und  sehr  oft  leidet  sogar  hie- 
durch  das  erste.  Den  Grund  sehr  vieler  Staatsgebrechen 
würde  man  gewiss  in  diesen  und  ähnlichen  Kollisionen  finden. 
So,  hoffe  ich,  wird  die  Absicht  hinlänglich  bestimmt 
sein,  welche  ich  mir  bei  der  versuchten  Aufstellung  der 
obigen  Principien  der  Gesezgebung   vorsezle.     Allein,   auch 


170 

unter  diesen  Einschränkungen ,  bin  ich  sehr  weit  entfernt, 
mir  irgend  mit  dem  Gelingen  dieser  Absicht  zu  schmeicheln. 
Vielleicht  leidet  die  Richtigkeit  der  aufgestellten  Grundsäze 
im  Ganzen  weniger  Einwürfe,  aber  an  der  nothwendigen 
Vollständigkeit,  an  der  genauen  Bestimmung  mangelt  es  ih- 
nen gewiss.  Auch  um  die  höchsten  Principien  festzusezen, 
und  gerade  vorzüglich  zu  diesem  Zwek,  ist  es  noth wendig 
in  das  genaueste  Detail  einzugehen.  Diess  aber  war  mir 
hier,  meiner  Absicht  nach,  nicht  erlaubt,  und  wenn  ich  gleich 
nach  allen  meinen  Kräften  strebte,  es  in  mir,  gleichsam  als 
Vorarbeit  zu  dem  Wenigen  zu  thun,  das  ich  hinschrieb;  so 
gelingt  doch  ein  solches  Bemühen  niemals  in  gleichem  Grade. 
Ich  bescheide  mich  daher  gern,  mehr  die  Fächer,  die  noch 
ausgefüllt  werden  müssten,  gezeigt,  als  das  Ganze  selbst 
hinlänglich  entwikkelt  zu  haben.  Indess  wird  doch,  hoffe 
ich,  das  Gesagte  immer  hinreichend  sein,  meine  eigentliche 
Absicht  bei  diesem  ganzen  Aufsaz  noch  deutlicher  gemacht 
zu  haben,  die  Absicht  nemlich,  dass  der  wichtigste  Gesichts- 
punkt des  Staats  immer  die  Entwikkelung  der  Kräfte  der 
einzelnen  Bürger  in  ihrer  Individualität  sein  muss,  dass  er 
daher  nie  etwas  andres  zu  einem  Gegenstand  seiner  Wirk- 
samkeit machen  darf,  als  das,  was  sie  allein  nicht  selbst  sich 
zu  verschaffen  vermögen,  die  Beförderung  der  Sicherheil, 
und  dass  diess  das  einzige  wahre  und  untrügliche  Mittel  ist, 
scheinbar  widersprechende  Dinge ,  den  Zwek  des  Staats  im 
Ganzen,  und  die  Summe  aller  Zwekke  der  einzelnen  Bürger 
durch  ein  festes,  und  dauerndes  Band  freundlich  mit  einan- 
der zu  verknüpfen. 


171 

XV. 

Verhältniss  der,  zur  Erhaltung  des  Staatsgebäudes  über- 
haupt nolhwendigen  Mittel  zur  vorgetragenen  Theorie. 
Schluss  der  theoretischen  Entwiklung. 

Da  ich  jezt  vollendet  habe,  was  mir,  bei  der  Ueber- 
sicht  meines  ganzen  Plans  im  Vorigen  (S.  S.  98 — 104.)  nur 
allein  noch  übrig  zu  bleiben  schien;  so  habe  ich  nunmehr 
die  vorliegende  Frage  in  aller  der  Vollständigkeit  und  Ge- 
nauigkeit beantwortet,  welche  mir  meine  Kräfte  erlaubten. 
Ich  könnte  daher  hier  schliessen,  wenn  ich  nicht  noch  eines 
Gegenstandes  erwähnen  miisste,  welcher  auf  das  bisher  Vor- 
getragene einen  sehr  wichtigen  Einfluss  haben  kann,  nemlich 
der  Mittel,  welche  nicht  nur  die  Wirksamkeit  des  Staats 
selbst  möglich  machen,  sondern  ihm  sogar  seine  Existenz 
sichern  müssen. 

Auch  um  den  eingeschränktesten  Zwek  zu  erfüllen, 
muss  der  Staat  hinlängliche  Einkünfte  haben.  Schon  meine 
Unwissenheit  in  allem,  was  Finanzen  heisst,  verbietet  mir 
hier  ein  langes  Raisonnement.  Auch  ist.  dasselbe,  dem  von 
mir  gewählten  Plane  nach,  nicht  nothwendig.  Denn  ich  habe 
gleich  anfangs  bemerkt,  dass  ich  hier  nicht  von  dem  Falle 
rede,  wo  der  Zwek  des  Staats  nach  der  Quantität  der  Mit- 
tel der  Wirksamkeit,  welche  derselbe  in  Händen  hat,  son- 
dern wo  diese  nach  jenem  bestimmt  wird.  (S.  S.  15.  16.) 
Nur  des  Zusammenhangs  willen  muss  ich  bemerken,  dass 
auch  bei  Finanzeinrichtungen  jene  Rüksicht  des  Zweks  der 
Menschen  im  Staate,  und  der  daher  entspringenden  Be- 
schränkung seines  Zweks  nicht  aus  den  Augen  gelassen  wer- 
den darf.  Auch  der  flüchtigste  Blik  auf  die  Verwebung  so 
vieler  Polizei-  und  Finanzeinrichtungen  lehrt  diess  hinläng- 
lich. Meines  Erachtens  giebt  es  für  den  Staat  nur  dreierlei 
Arten  der  Einkünfte:    1.   die  Einkünfte   aus   vorbehallenem, 


172 

oder  an  sich  gebrachtem  Eigenthum;  2.  aus  direkten,  und 
3.  aus  indirekten  Abgaben.  Alles  Eigenthum  des  Staats 
führt  Nachtheile  mit  sich.  Schon  oben  (S.  S.  35 — 37)  habe 
ich  von  dem  Uebergewichte  geredet,  welches  der  Staat,  als 
Staat,  allemal  hat;  und  ist  er  Eigenthümer,  so  muss  er  in 
viele  Privatverhältnisse  nothwendig  eingehen.  Da  also,  wo 
das  Bedürfniss,  um  welches  allein  man  eine  Staatseinrich- 
tung wünscht,  gar  keinen  Einfluss  hat,  wirkt  die  Macht  mit, 
welche  nur  in  Hinsicht  dieses  Bedürfnisses  eingeräumt  wurde. 
Gleichfalls  mit  Nachtheilen  verknüpft  sind  die  indirekten 
Abgaben.  Die  Erfahrung  lehrt,  wie  vielfache  Einrichtungen 
ihre  Anordnung  und  ihre  Hebung  voraussezt,  welche  das 
vorige  Raisonnement  unstreitig  nicht  billigen  kann.  Es  blei- 
ben also  nur  die  direkten  übrig.  Unter  den  möglichen  Sy- 
stemen direkter  Abgaben  ist  das  physiokratische  unstreitig 
das  einfachste.  Allein  —  ein  Einwurf,  der  auch  schon  öfter 
gemacht  worden  ist  —  eines  der  natürlichsten  Produkte  ist 
in  demselben  aufzuzählen  vergessen  worden,  die  Kraft  des 
Menschen,  welche,  da  sie  in  ihren  Wirkungen,  ihren  Arbei- 
ten, bei  unsren  Einrichtungen  mit  zur  Waare  wird,  gleich- 
falls der  Abgabe  unterworfen  sein  muss.  Wenn  man  das 
System  direkter  Abgaben,  auf  welches  ich  hier  zurükkomme, 
nicht  mit  Unrecht  das  schlechteste,  und  unschiklichste  aller 
Finanzsysteme  nennt;  so  muss  man  indess  auch  nicht  ver- 
gessen, dass  der  Staat,  welchem  so  enge  Glänzen  der  Wirk- 
samkeit gesezt  sind ,  keiner  grossen  Einkünfte  bedarf,  und 
dass  der  Staat,  der  so  gar  kein  eignes,  von  dem  der  Bür- 
ger getheiltes  Interesse  hat,  der  Hülfe  einer  freien  d.  i.  nach 
der  Erfahrung  aller  Zeitalter,  wohlhabenden  Nation  gewisser 
versichert  sein  kann. 

So  wie  die  Einrichtung  der  Finanzen  der  Befolgung  der 
im  Vorigen  aufgestellten  Grundsäze  Hindernisse  in  den  Weg 
legen  kann;  ebenso,  und  vielleicht  noch  mehr,  ist  diess  der 


173 

Fall  bei  der  inneren  politischen  Verfassung.  Es  muss  nem- 
lich  ein  Mittel  vorhanden  sein,  welches  den  beherrschenden 
und  den  beherrschten  Theil  der  Nation  mit  einander  ver- 
bindet, welches  dem  ersteren  den  Besiz  der  ihm  anvertrau- 
ten Macht  und  dem  lezteren  den  Genuss  der  ihm  übri°ee- 
lassenen  Freiheit  sichert.  Diesen  Zwek  hat  man  in  ver- 
schiedenen Staaten  auf  verschiedene  Weise  zu  erreichen 
versucht;  bald  durch  Verstärkung  der  gleichsam  physischen 
Gewalt  der  Regierung  —  welches  indess  freilich  für  die 
Freiheit  gefährlich  ist  —  bald  durch  die  Gegeneinanderstel- 
lung mehrerer  einander  entgegengesezter  Mächte,  bald  durch 
Verbreitung  eines,  der  Konstitution  günstigen,  Geistes  unter 
der  Nation.  Diess  leztere  Mittel,  wie  schöne  Gestalten  es 
auch,  vorzüglich  im  Alterthum,  hervorgebracht  hat,  wird 
der  Ausbildung  der  Bürger  in  ihrer  Individualität  leicht 
nachtheilig,  bringt  nicht  selten  Einseitigkeit  hervor,  und  ist 
daher  am  wenigsten  in  dem,  hier  aufgestellten  Systeme  rath- 
sam.  Vielmehr  müsste,  diesem  zufolge,  eine  politische  Ver- 
fassung gewählt  werden,  welche  so  wenig,  als  möglich, 
einen  positiven  speciellen  Einfluss  auf  den  Charakter  der 
Bürger  hätte,  und  nichts  andres,  als  die  höchste  Achtung 
des  fremden  Rechts,  verbunden  mit  der  enthusiastischen 
Liebe  der  eigenen  Freiheit,  in  ihnen  hervorbrächte.  Welche 
der  denkbaren  Verfassungen  diess  nun  sein  möchte?  ver- 
suche ich  hier  nicht  zu  prüfen.  Diese  Prüfung  gehört  offen- 
bar allein  in  eine  Theorie  der  eigentlichen  Politik.  Ich  be- 
gnüge mich  nur  an  folgenden  kurzen  Bemerkungen,  welche 
wenigstens  die  Möglichkeit  einer  solchen  Verfassung  deutli- 
cher zeigen.  Das  System,  das  ich  vorgetragen  habe,  ver- 
stärkt und  vervielfacht  das  Privatinteresse  der  Bürger,  und 
es  scheint  daher,  dass  eben  dadurch  das  öffentliche  ge- 
schwächt werde.  Allein  es  verbindet  auch  dieses  so  genau 
mit  jenem,  dass  dasselbe  vielmehr  nur  auf  jenes,  und  zwar, 


174 

wie  es  jeder  Bürger  —  da  doch  jeder  sicher  und  frei  sein 
will  —  anerkennt,  gegründet  ist.  So  dürfte  also  doch, 
gerade  hei  diesem  System,  die  Liebe  der  Konstitution  am 
besten  erhalten  werden,  die  man  sonst  oft  durch  sehr  künst- 
liche Mittel  vergebens  hervorzubringen  strebt.  Dann  trifl 
auch  hier  ein,  dass  der  Staat,  der  weniger  wirken  soll,  auch 
eine  geringere  Macht,  und  die  geringere  Macht  eine  gerin- 
gere Wehr  braucht.  Endlich  versteht  sich  noch  von  selbst, 
dass,  so  wie  überhaupt  manchmal  Kraft  oder  Genuss  den 
Resultaten  aufgeopfert  werden  müssen,  um  beide  vor  einem 
grösseren  Verlust  zu  bewahren,  eben  diess  auch  hier  immer 
angewendet  werden  müssle. 

So  hätte  ich  denn  jezt  die  vorgelegte  Frage,  nach  dem 
Maasse  meiner  gegenwärtigen  Kräfte,  vollständig  beantwor- 
tet, die  Wirksamkeit  des  Staats  von  allen  Seiten  her  mit 
den  Glänzen  umschlossen,  welche  mir  zugleich  erspriesslich 
und  nothwendig  schienen.  Ich  habe  indess  dabei  nur  den 
Gesichtspunkt  des  Besten  gewählt;  der  des  Rechts  könnte 
noch  neben  demselben  nicht  uninteressant  scheinen.  Allein 
wo  eine  Staatsgesellschaft  wirklich  einen  gewissen  Zwek, 
sichere  Gränzen  der  \\  irksamkeit  freiwillig  bestimmt  hat; 
da  sind  natürlich  dieser  Zwek  und  diese  Gränzen  —  sobald 
sie  nur  von  der  Art  sind,  dass  ihre  Bestimmung  in  der  Macht 
der  Bestimmenden  lag  —  rechtmässig.  Wo  eine  solche 
ausdrükliche  Bestimmung  nicht  geschehen  ist,  da  muss  der 
Staat  natürlich  seine  Wirksamkeit  auf  diejenigen  Gränzen 
zurükzubringen  suchen,  welche  die  reine  Theorie  vorschreibt, 
aber  sich  auch  von  den  Hindernissen  leiten  lassen,  deren 
Uebersehung  nur  einen  grösseren  Nachtheil  zur  Folge  haben 
würde.  Die  Nation  kann  also  mit  Recht  die  Befolgung  je- 
ner Theorie  immer  so  weit,  aber  nie  weiter  erfordern,  als 
diese  Hindernisse  dieselbe  nicht  unmöglich  machen.  Diese 
Hindernisse   nun   habe   ich   im   Vorigen  nicht   erwähnt;  ich 


175 

habe  mich  bis  hieher  begnügt,  die  reine  Theorie  zu  ent- 
wikkeln.  Ueberhaupt  habe  ich  versucht,  die  vorteilhafteste 
Lage  für  den  Menschen  im  Staat  aufzusuchen.  Diese  schien 
mir  nun  darin  zu  bestehen,  dass  die  mannigfaltigste  Indivi- 
dualität, die  originellste  Selbstständigkeit  mit  der  gleichfalls 
mannigfaltigsten  und  innigsten  Vereinigung  mehrerer  Men- 
schen neben  einander  aufgestellt  würde  —  ein  Problem, 
welches  nur  die  höchste  Freiheit  zu  lösen  vermag.  Die 
Möglichkeit  einer  Staatseinrichtung,  welche  diesem  Endzwek 
so  wenig,  als  möglich,  Schranken  sezte,  darzuthun,  war  ei- 
gentlich die  Absicht  dieser  Bogen,  und  ist  schon  seit  län- 
gerer Zeit  der  Gegenstand  alles  meines  Nachdenkens  ge- 
wesen. Ich  bin  zufrieden,  wenn  ich  bewiesen  habe,  dass 
dieser  Grundsaz  wenigstens  bei  allen  Staatseinrichtungen 
dem  Gesezgeber,  als  Ideal,  vorschweben  sollte. 

Eine  grosse  Erläuterung  könnten  diese  Ideen  durch  die 
Geschichte  und  Statistik  —  beide  auf  diesen  Endzwek  ge- 
richtet —  erhalten.  Ueberhaupt  hat  mir  oft  die  Statistik 
einer  Reform  zu  bedürfen  geschienen.  Statt  blosse  Data  der 
Grösse,  der  Zahl  der  Einwohner,  des  Reichthums,  der  In- 
dustrie eines  Staats,  aus  welchen  sein  eigentlicher  Zustand 
nie  ganz  und  mit  Sicherheit  zu  beurtheilen  ist,  an  die  Hand 
zu  geben;  sollte  sie,  von  der  natürlichen  Beschaffenheit  des 
Landes  und  seiner  Bewohner  ausgehend,  das  Maass  und  die 
Art  ihrer  thätigen,  leidenden,  und  geniessenden  Kräfte,  und 
nun  schrittweise  die  Modifikationen  zu  schildern  suchen, 
welche  diese  Kräfte  theils  durch  die  Verbindung  der  Nation 
unter  sich,  theils  durch  die  Einrichtung  des  Staats  erhalten. 
Denn  die  Staatsverfassung  und  der  Nationalverein  sollten, 
wie  eng  sie  auch  in  einander  verwebt  sein  mögen,  nie  mit 
einander  verwechselt  werden.  Wenn  die  Staatsverfassung 
den  Bürgern,  seis  durch  Uebermacht  und  Gewalt,  oder  Ge- 
wohnheit und  Gesez,   ein   bestimmtes   Verhältniss   anweist; 


176 

so  giebt  es  ausserdem  noch  ein  andres,  freiwillig  von  ihnen 
gewähltes,  unendlich  mannigfaltiges,  und  oft  wechselndes. 
Und  diess  leztere,  das  freie  Wirken  der  Nation  unter  ein- 
ander, ist  es  eigentlich,  welches  alle  Güter  bewahrt,  deren 
Sehnsucht  die  Menschen  in  eine  Gesellschaft  führt.  Die  ei- 
gentliche Staatsverfassung  ist  diesem,  als  ihrem  Zwekke, 
untergeordnet,  und  wird  immer  nur,  als  ein  nothwendiges 
Mittel,  und,  da  sie  allemal  mit  Einschränkungen  der  Freiheit 
verbunden  ist,  als  ein  nothwendiges  Uebel  gewählt.  Die 
nachtheiligen  Folgen  zu  zeigen,  welche  die  Verwechselung 
der  freien  Wirksamkeit  der  Nation  mit  der  erzwungenen  der 
Staatsverfassung  dem  Genuss,  den  Kräften,  und  dem  Cha- 
rakter der  Menschen  bringt,  ist  daher  auch  eine  Nebenabsicht 
dieser  Blätter  gewesen. 


XVI. 

Anwendung  der  vorgetragenen  Theorie  auf  die 

Wirklichkeit. 

Jede  Entwikkelung  von  Wahrheiten,  welche  sich  auf  den 
Menschen,  und  insbesondre  auf  den  handlenden  Menschen 
beziehen,  führt  auf  den  Wunsch,  dasjenige,  was  die  Theorie 
als  richtig  bewährt,  auch  in  der  Wirklichkeit  ausgeführt  zu 
sehen.  Dieser  Wunsch  ist  der  Natur  des  Menschen,  dem 
so  selten  der  still  wohlthätige  Seegen  blosser  Ideen  genügt, 
angemessen  und  seine  Lebhaftigkeit  wächst  mit  der  wohl- 
wollenden Theilnahme  an  dem  Glük  der  Gesellschaft.  Allein 
wie  natürlich  derselbe  auch  an  sich,  und  wie  edel  in  seinen 
Quellen  er  sein  mag,  so  hat  er  doch  nicht  selten  schädliche 
Folgen  hervorgebracht,  und  oft  sogar  schädlichere,  als  die 
kältere  Gleichgültigkeit  oder  —  da  auch  gerade  aus  dem 
Gegentheil  dieselbe  Wirkung  entstehn  kann  —  die  glühende 
Wärme,  welche,   minder  bekümmert  um  die   Wirklichkeit, 


177 

sich  nur  an  der  reinen  Schönheit  der  Ideen  ergözt.  Denn 
das  Wahre,  sobald  es  —  wäre  es  auch  nur  in  Einem  Men- 
schen —  tief  eindringende  Wurzeln  fasst,  verbreitet  immer, 
nur  langsamer  und  geräuschloser,  heilsame  Folgen  auf  das 
wirkliche  Leben;  da  hingegen  das,  was  unmittelbar  auf  das- 
selbe übergetragen  wird,  nicht  selten,  bei  der  Uebertragung 
selbst,  seine  Gestalt  verändert,  und  nicht  einmal  auf  die 
Ideen  zurükwirkt.  Daher  giebt  es  auch  Ideen,  welche  der 
Weise  nie  nur  auszuführen  versuchen  würde.  Ja  für  die 
schönste,  gereifteste  Frucht  des  Geistes  ist  die  Wirklichkeit 
nie,  in  keinem  Zeitalter,  reif  genug;  das  Ideal  muss  der 
Seele  des  Bildners  jeder  Art  nur  immer,  als  unerreichbares 
Muster  vorschweben.  Diese  Gründe  empfehlen  demnach 
auch  bei  der  am  mindesten  bezweifelten,  konsequentesten 
Theorie  mehr  als  gewöhnliche  Vorsicht  in  der  Anwendung 
derselben;  und  um  so  mehr  bewegen  sie  mich  noch,  ehe 
ich  diese  ganze  Arbeit  beschliesse,  so  vollständig,  aber  zu- 
gleich so  kurz,  als  mir  meine  Kräfte  erlauben,  zu  prüfen, 
inwiefern  die  im  Vorigen  theoretisch  entwikkelten  Grundsäze 
in  die  Wirklichkeit  übergetragen  werden  könnten?  Diese 
Prüfung  wird  zugleich  dazu  dienen,  mich  vor  der  Beschul- 
digung zu  bewahren,  als  wollte  ich  durch  das  Vorige  un- 
mittelbar der  Wirklichkeit  Regeln  vorschreiben,  oder  auch 
nur  dasjenige  misbilligen,  was  demselben  etwa  in  ihr  wider- 
spricht —  eine  Anmaassung,  von  der  ich  sogar  dann  entfernt 
sein  würde,  wenn  ich  auch  alles,  was  ich  vorgetragen  habe, 
als  völlig  richtig  und  gänzlich  zweifellos  anerkennte. 

Bei  jeglicher  Umformung  der  Gegenwart  muss  auf  den 
bisherigen  Zustand  ein  neuer  folgen.  Nun  aber  bringt  jede 
Lage,  in  welcher  sich  die  Menschen  befinden,  jeder  Gegen- 
stand, der  sie  umgiebt,  eine  bestimmte,  feste  Form  in  ihrem 
Innren  hervor.  Diese  Form  vermag  nicht  in  jede  andre  selbst- 
gewählte überzugehen,  und  man  verfehlt  zugleich  seines  End- 
vii.  12 


178 

zvveks  und  tödtet  die  Kraft,  wenn  man  ihr  eine  unpassende 
aufdringt.  Wenn  man  die  wichtigsten  Revolutionen  der 
Geschichte  übersieht,  so  entdekt  man,  ohne  Mühe,  dass  die 
meisten  derselben  aus  den  periodischen  Revolutionen  des 
menschlichen  Geistes  entstanden  sind.  Noch  mehr  wird  man 
in  dieser  Ansicht  bestätigt,  wenn  man  die  Kräfte  überschlägt, 
welche  eigentlich  alle  Veränderungen  auf  dem  Erdkreis  be- 
wirken, und  unter  diesen  die  menschlichen  —  da  die  der 
physischen  Natur  wegen  ihres  gleichmässigen ,  ewig  einför- 
mig wiederkehrenden  Ganges  in  dieser  Rüksicht  weniger 
wichtig,  und  die  der  vernunftlosen  Geschöpfe  in  eben  der- 
selben an  sich  unbedeutend  sind  —  in  dem  Besize  des 
Hauptantheils  erblikt.  Die  menschliche  Kraft  vermag  sich 
in  Einer  Periode  nur  auf  Eine  Weise  zu  äussern,  aber  diese 
Weise  unendlich  mannigfaltig  zu  modificiren;  sie  zeigt  daher 
in  jedem  Moment  eine  Einseitigkeit,  die  aber  in  einer  Folge 
von  Perioden  das  Bild  einer  wunderbaren  Vielseitigkeit  ge- 
währt. Jeder  vorhergehende  Zustand  derselben  ist  entweder 
die  volle  Ursach  des  folgenden,  oder  doch  wenigstens  die 
beschränkende,  dass  die  äussern,  andringenden  Umstände  nur 
gerade  diesen  hervorbringen  können.  Eben  dieser  vorher- 
gehende Zustand  und  die  Modifikation,  welche  er  erhält, 
bestimmt  daher  auch,  wie  die  neue  Lage  der  Umstände  auf 
den  Menschen  wirken  soll,  und  die  Macht  dieser  Bestim- 
mung ist  so  gross,  dass  diese  Umstände  selbst  oft  eine  ganz 
andre  Gestalt  dadurch  erhalten.  Daher^  rührt  es,  dass  alles, 
was  auf  der  Erde  geschieht,  gut  und  heilsam  genannt  wer- 
den kann,  weil  die  innere  Kraft  des  Menschen  es  ist,  welche 
sich  alles,  wie  seine  Natur  auch  sein  möge,  bemeistert,  und 
diese  innere  Kraft  in  keiner  ihrer  Aeusserungen,  da  doch 
jede  ihr  von  irgend  einer  Seite  mehr  Stärke  oder  mehr  Bil- 
dung verschaft,  je  anders  als  —  nur  in  verschiedenen  Gra- 
den —  wohlthätig  wirken  kann.    Daher  ferner,   dass  sich 


179 

« 

vielleicht  die  ganze  Geschichte  des  menschlichen  Geschlechts 
bloss  als  eine  natürliche  Folge  der  Revolutionen  der  mensch- 
lichen Kraft  darstellen  liesse;  welches  nicht  nur  überhaupt 
vielleicht  die  lehrreichste  Bearbeitung  der  Geschichte  sein 
dürfte,  sondern  auch  jeden,  auf  Menschen  zu  wirken  Be- 
mühten belehren  würde,  welchen  Weg  er  die  menschliche 
Kraft  mit  Fortgang  zu  führen  versuchen,  und  welchen  er 
niemals  derselben  zumuthen  müsste?  Wie  daher  diese 
innre  Kraft  des  Menschen  durch  ihre  Achtung  erregende 
Würde  die  vorzüglichste Rüksicht  verdient;  eben  so  nöthigt 
sie  auch  diese  Rüksicht  durch  die  Gewalt  ab,  mit  welcher 
sie  sich  alle  übrigen  Dinge  unterwirft. 

Wer  demnach  die  schwere  Arbeit  versuchen  will,  einen 
neuen  Zustand  der  Dinge  in  den  bisherigen  kunstvoll  zu 
verweben,  der  wird  vor  allem  sie  nie  aus  den  Augen  ver- 
lieren dürfen.  Zuerst  muss  er  daher  die  volle  Wirkung  der 
Gegenwart  auf  die  Gemüther  abwarten;  wollte  er  hier  zer- 
schneiden, so  könnte  er  zwar  vielleicht  die  äussere  Gestalt 
der  Dinge,  aber  nie  die  innere  Stimmung  der  Menschen 
umschaffen,  und  diese  würde  wiederum  sich  in  alles  Neue 
übertragen,  was  man  gewaltsam  ihr  aufgedrungen  hätte. 
Auch  glaube  man  nicht,  dass  je  voller  man  die  Gegenwart 
wirken  lässt,  desto  abgeneigter  der  Mensch  gegen  einen  an- 
dern folgenden  Zustand  werde.  Gerade  in  der  Geschichte 
des  Menschen  sind  die  Extreme  am  nächsten  mit  einander 
verknüpft;  und  jeder  äussre  Zustand,  wenn  man  ihn  unge- 
stört fortwirken  lässt,  arbeitet,  statt  sich  zu  befestigen,  an 
seinem  Untergange.  Diess  zeigt  nicht  nur  die  Erfahrung 
aller  Zeitalter,  sondern  es  ist  auch  der  Natur  des  Menschen 
gemäss,  sowohl  des  thätigen,  welcher  nie  länger  bei  einem 
Gegenstand  verweilt,  als  seine  Energie  Stoff  daran  findet, 
und  also  gerade  dann  am  leichtesten  übergeht,  wenn  er  sich 
am  ungestörtesten  damit  beschäftigt  hat,  als  auch  des  lei- 

12* 


180 

♦ 

denden,  in  welchem  zwar  die  Dauer  des  Druks  die  Kraft 
abstumpft,  aber  auch  den  Druk  um  so  härter  fühlen  lässt. 
Ohne  nun  aber  die  gegenwärtige  Gestalt  der  Dinge  anzu- 
tasten, ist  es  möglich,  auf  den  Geist  und  den  Charakter  der 
Menschen  zu  wirken,  möglich  diesem  eine  Richtung  zu  ge- 
ben, welche  jener  Gestalt  nicht  mehr  angemessen  ist;  und 
gerade  das  ist  es,  was  der  Weise  zu  thun  versuchen  wird. 
Nur  auf  diesem  Wege  ist  es  möglich,  den  neuen  Plan  gerade 
so  in  der  Wirklichkeit  auszuführen,  als  man  ihn  sich  in  der 
Idee  dachte;  auf  jedem  andren  wird  er,  den  Schaden  noch 
abgerechnet,  den  man  allemal  anrichtet,  wenn  man  den  na- 
türlichen Gang  der  menschlichen  Entwikklung  stört,  durch 
das,  was  noch  von  dem  vorhergehenden  in  der  Wirklichkeit, 
oder  in  den  Köpfen  der  Menschen  übrig  ist,  modifient,  ver- 
ändert, entstellt.  Ist  aber  diess  Hinderniss  aus  dem  Wege 
geräumt,  kann  der  neu  beschlossene  Zustand  der  Dinge, 
des  vorhergehenden  und  der,  durch  denselben  bewirkten 
Lage  der  Gegenwart  ungeachtet,  seine  volle  Wirkung  äus- 
sern ;  so  darf  auch  nichts  mehr  der  Ausführung  der  Reform 
im  Wege  stehn.  Die  allgemeinsten  Grundsäze  der  Theorie 
aller  Reformen  dürften  daher  vielleicht  folgende  sein: 

1.  man  trage  Grundsäze  der  reinen  Theorie  allemal 
alsdann,  aber  nie  eher  in  die  Wirklichkeit  über,  als  bis 
diese  in  ihrem  ganzen  Umfange  dieselben  nicht  mehr 
hindert,  diejenigen  Folgen  zu  äussern,  welche  sie,  ohne 
alle  fremde  Beimischung,  immer  hervorbringen  würden. 

2.  Um  den  Uebergang  von  dem  gegenwärtigen  Zu- 
stande zum  neu  beschlossenen  zu  bewirken,  lasse  man, 
soviel  möglich,  jede  Reform  von  den  Ideen  und  den 
Köpfen  der  Menschen  ausgehen. 

Bei  den,  im  Vorigen  aufgestellten,  bloss  theoretischen 
Grundsäzen  war  ich  zwar  überall  von  der  Natur  des  Men- 
schen ausgegangen,  auch  hatte  ich  in  demselben  kein  ausser- 


181 

ordentliches,  sondern  nur  das  gewöhnliche  Maass  der  Kräfte 
vorausgesezt;  allein  immer  hatte  ich  ihn  mir  doch  bloss  in 
der  ihm  nothwendig  eigenthümlichen  Gestalt,  und  noch  durch 
kein  bestimmtes  Verhältniss  auf  diese  oder  jene  Weise  ge- 
bildet, gedacht.  Nirgends  aber  existirt  der  Mensch  so,  überall 
haben  ihm  schon  die  Umstände,  in  welchen  er  lebt,  eine 
positive,  nur  mehr  oder  minder  abweichende  Form  gegeben. 
Wo  also  ein  Staat  die  Gränzen  seiner  Wirksamkeit,  nach 
den  Grundsäzen  einer  richtigen  Theorie,  auszudehnen  oder 
einzuschränken  bemüht  ist,  da  muss  er  auf  diese  Form  eine 
vorzügliche  Rüksicht  nehmen.  Das  Misverhällniss  zwischen 
der  Theorie  und  der  Wirklichkeit  in  diesem  Punkte  der 
Staatsverwaltung  wird  nun  zwar,  wie  sich  leicht  voraus- 
sehen lässt,  überall  in  einem  Mangel  an  Freiheit  bestehen, 
und  so  kann  es  scheinen,  als  wäre  die  Befreiung  von  Fes- 
seln in  jeglichem  Zeitpunkt  möglich,  und  in  jeglichem  wohl- 
thätig.  Allein  wie  wahr  auch  diese  Behauptung  an  sich  ist, 
so  darf  man  nicht  vergessen,  dass,  was  als  Fessel  von  der 
einen  Seite  die  Kraft  hemmt,  auch  von  der  andren  Stoff 
wird,  ihre  Thätigkeit  zu  beschäftigen.  Schon  in  dem  An- 
fange dieses  Aufsazes  habe  ich  bemerkt,  dass  der  Mensch 
mehr  zur  Herrschaft,  als  zur  Freiheit  geneigt  ist,  und  ein 
Gebäude  der  Herrschaft  freut  nicht  bloss  den  Herrscher,  der 
es  aufführt  und  erhält,  sondern  selbst  die  dienenden  Theile 
erhebt  der  Gedanke,  Glieder  Eines  Ganzen  zu  sein,  welches 
sich  über  die  Kräfte  und  die  Dauer  einzelner  Generationen 
hinauserstrekt.  Wo  daher  diese  Ansicht  noch  herrschend 
ist,  da  muss  die  Energie  hinschwinden,  und  Schlaffheit  und 
Unthätigkeit  entstehen,  wenn  man  den  Menschen  zwingen 
will,  nur  in  sich  und  für  sich,  nur  in  dem  Räume,  den  seine 
einzelnen  Kräfte  umspannen,  nur  für  die  Dauer,  die  er 
durchlebt,  zu  wirken.  Zwar  wirkt  er  allein  auf  diese  Weise 
auf  den  unbeschränktesten  Raum,  für  die  unvergänglichste 


182 

Dauer;  allein  er  wirkt  auch  nicht  so  unmittelbar,  er  streut 
mehr  sich  selbst  entwikkelnden  Saamen  aus,  als  er  Gebäude 
aufrichtet,  welche  geradezu  Spuren  seiner  Hand  aufweisen, 
und  es  ist  ein  höherer  Grad  von  Kultur  nothwendig,  sich 
mehr  an  der  Thätigkeit  zu  erfreuen,  welche  nur  Kräfte 
schalt,  und  ihnen  selbst  die  Erzeugung  der  Resultate  über- 
lässt,  als  an  derjenigen,  welche  unmittelbar  diese  selbst  auf- 
stellt. Dieser  Grad  der  Kultur  ist  die  wahre  Reife  der 
Freiheit.  Allein  diese  Reife  findet  sich  nirgends  in  ihrer 
Vollendung,  und  wird  in  dieser  —  meiner  Ueberzeugung 
nach  —  auch  dem  sinnlichen,  so  gern  aus  sich  herausge- 
henden Menschen  ewig  fremd  bleiben. 

Was  würde  also  der  Staatsmann  zu  thun  haben,  der 
eine  solche  Umänderung  unternehmen  wollte?  Einmal  in 
jedem  Schritt,  den  er  neu,  nicht  in  Gefolge  der  einmaligen 
Lage  der  Dinge  thäte,  der  reinen  Theorie  streng  folgen,  es 
müsste  denn  ein  Umstand  in  der  Gegenwart  liegen,  welcher, 
wenn  man  sie  ihr  aufpfropfen  wollte,  sie  verändern,  ihre 
Folgen  ganz  oder  zum  Theil  vernichten  würde.  Zweitens 
alle  Freiheitsbeschränkungen,  die  einmal  in  der  Gegenwart 
gegründet  wären,  so  lange  ruhig  bestehen  lassen,  bis  die 
Menschen  durch  untrügliche  Kennzeichen  zu  erkennen  geben, 
dass  sie  dieselben  als  einengende  Fesseln  ansehen,  dass  sie 
ihren  Druk  fühlen,  und  also  in  diesem  Slükke  zur  Freiheit 
reif  sind;  dann  aber  dieselben  ungesäumt  entfernen.  Endlich 
die  Reife  zur  Freiheit  durch  jegliches  Mittel  befördern.  Diess 
Leztere  ist  unstreitig  das  Wichtigste,  und  zugleich  in  die- 
sem System  das  Einfachste.  Denn  durch  nichts  wird  diese 
Reife  zur  Freiheit  in  gleichem  Grade  befördert,  als  durch 
Freiheit  selbst.  Diese  Behauptung  dürften  zwar  diejenigen 
nicht  anerkennen,  welche  sich  so  oft  gerade  dieses  Mangels 
der  Reife,  als  eines  Vorwandes  bedient  haben,  die  Unter- 
drükkung  fortdauern  zu  lassen.     Allein  sie  folgt,  dünkt  mich, 


183 

unvvidersprechlich  aus  der  Natur  des  Menschen  selbst.  Man- 
gel an  Reife  zur  Freiheit  kann  nur  aus  Mangel  intellektuel- 
ler und  moralischer  Kräfte  entspringen  ;  diesem  Mangel  wird 
allein  durch  Erhöhung  derselben  entgegengearbeitet;  diese 
Erhöhung  aber  fordert  Uebung,  und  die  Uebung  Selbstthä- 
tigkeit  erwekkende  Freiheit.  Nur  freilich  heisst  es  nicht  Frei- 
heit geben,  wenn  man  Fesseln  löst,  welche  der  noch  nicht, 
als  solche,  fühlt,  welcher  sie  tragt.  Von  keinem  Menschen 
der  Welt  aber,  wie  verwahrlost  er  auch  durch  die  Natur, 
wie  herabgewürdigt  durch  seine  Lage  sei,  ist  diess  mit  al- 
len Fesseln  der  Fall,  die  ihn  drükken.  Man  löse  also  nach 
und  nach  gerade  in  eben  der  Folge,  wie  das  Gefühl  der 
Freiheit  erwacht,  und  mit  jedem  neuen  Schritt  wird  man 
den  Fortschritt  beschleunigen.  Grosse  Schwierigkeiten  kön- 
nen noch  die  Kennzeichen  dieses  Erwachens  erregen.  Allein 
diese  Schwierigkeiten  liegen  nicht  sowohl  in  der  Theorie, 
als  in  der  Ausführung",  die  freilich  nie  specielle  Regeln  er- 
laubt, sondern,  wie  überall,  so  auch  hier,  allein  das  Werk 
des  Genies  ist.  In  der  Theorie  würde  ich  mir  diese  freilich 
sehr  schwierig  verwikkelte  Sache  auf  folgende  Art  deutlich 
zu  machen  suchen. 

Der  Gesezgeber  müsste  zwei  Dinge  unausbleiblich  vor 
Augen  haben:  1.  die  reine  Theorie,  bis  in  das  genauste  De- 
tail ausgesponnen;  2.  den  Zustand  der  individuellen  Wirk- 
lichkeit, die  er  umzuschaffen  bestimmt  wäre.  Die  Theorie 
müsste  er  nicht  nur  in  allen  ihren  Theilen  auf  das  genaueste 
und  vollständigste  übersehen,  sondern  er  müsste  auch  die 
nothwendigen  Folgen  jedes  einzelnen  Grundsazes  in  ihrem 
ganzen  Umfange,  in  ihrer  mannigfaltigen  Verwebung,  und 
in  ihrer  gegenseitigen  Abhängigkeit  einer  von  der  andren, 
wenn  nicht  alle  Grundsäze  auf  einmal  realisirt  werden  könn- 
ten, vor  Augen  haben.  Eben  so  müsste  er  —  und  diess 
Geschäft  wäre   freilich   unendlich  schwieriger  —  sich  von 


184 

dem  Zustande  der  Wirklichkeit  unterrichten,  von  allen  Ban- 
den, welche  der  Staat  den  Bürgern,  und  welche  sie  sich 
selbst,  gegen  die  reinen  Grundsäze  der  Theorie,  unter  dem 
Schuze  des  Staats,  auflegen,  und  von  allen  Folgen  derselben. 
Beide  Gemähide  müsste  er  nun  mit  einander  vergleichen, 
und  der  Zeitpunkt,  einen  Grundsaz  der  Theorie  in  die  Wirk- 
lichkeit überzutragen,  wäre  da,  wenn  in  der  Vergleichung 
sich  fände,  dass,  auch  nach  der  Uebertragung,  der  Grundsaz 
unverändert  bleiben,  und  noch  eben  die  Folgen  hervorbrin- 
gen würde,  welche  das  erste  Gemähide  darstellte;  oder, 
wenn  diess  nicht  ganz  der  Fall  wäre,  sich  doch  voraussehen 
liesse,  dass  diesem  Mangel  alsdann,  wenn  die  Wirklichkeit 
der  Theorie  noch  mehr  genähert  wäre,  abgeholfen  werden 
würde.  Denn  diess  lezte  Ziel,  diese  gänzliche  Näherung 
müsste  den  Blik  des  Gesezgebers  unablässig  an  sich  ziehen. 
Diese  gleichsam  bildliche  Vorstellung  kann  sonderbar, 
und  vielleicht  noch  mehr,  als  das,  scheinen,  man  kann  sa- 
gen, dass  diese  Gemähide  nicht  einmal  treu  erhalten,  viel 
weniger  noch  die  Vergleichung  genau  angestellt  werden 
könne.  Alle  diese  Einwürfe  sind  gegründet,  allein  sie  ver- 
lieren sehr  vieles  von  ihrer  Stärke,  wenn  man  bedenkt,  dass  die 
Theorie  immer  nur  Freiheit  verlangt,  die  Wirklichkeit,  inso- 
fern sie  von  ihr  abweicht,  immer  nur  Zwang  zeigt,  die  Ur- 
sach, warum  man  nicht  Freiheit  gegen  Zwang  eintauscht, 
immer  nur  Unmöglichkeit  sein,  und  diese  Unmöglichkeit  hier, 
der  Natur  der  Sache  nach,  nur  in  Einem  von  folgenden 
beiden  Stükken  liegen  kann,  entweder  dass  die  Menschen, 
oder  dass  die  Lage  noch  nicht  für  die  Freiheit  empfänglich 
ist,  dass  also  dieselbe  —  welches  aus  beiden  Gründen  ent- 
springen kann  —  Resultate  zerstört,  ohne  welche  nicht  nur 
keine  Freiheit,  sondern  auch  nicht  einmal  Existenz  gedacht 
werden  kann,  oder  dass  sie  —  eine  allein  der  ersteren  Ur- 
sach  eigenthümliche   Folge   —   die   heilsamen    Wirkungen 


185 

nicht  hervorbringt,  welche  sie  sonst  immer  begleiten.  Bei- 
des aber  lässt  sich  doch  nicht  anders  beurtheilen,  als  wenn 
man  beides,  den  gegenwärtigen  und  den  veränderten  Zu- 
stand, in  seinem  ganzen  Umfang,  sich  vorstellt,  und  seine 
Gestalt  und  Folgen  sorgfältig  mit  einander  vergleicht.  Die 
Schwierigkeit  sinkt  auch  noch  mehr,  wenn  man  erwägt,  dass 
der  Staat  selbst  nicht  eher  umzuändern  im  Stande  ist,  bis 
sich  ihm  gleichsam  die  Anzeigen  dazu  in  den  Bürgern  selbst 
darbieten,  Fesseln  nicht  eher  zu  entfernen,  bis  ihre  Last 
drükkend  wird,  dass  er  daher  überhaupt  gleichsam  nur  Zu- 
schauer zu  sein,  und  wenn  der  Fall,  eine  Freiheitsbeschrän- 
kung aufzuheben,  eintritt,  nur  die  Möglichkeit  oder  Unmög- 
lichkeit zu  berechnen,  und  sich  daher  nur  durch  die  Noth- 
wendigkeit  bestimmen  zu  lassen  braucht.  Zulezt  brauche 
ich  wohl  nicht  erst  zu  bemerken,  dass  hier  nur  von  dem 
Falle  die  Rede  war,  wo  dem  Staate  eine  Umänderung  über- 
haupt nicht  nur  physisch,  sondern  auch  moralisch  möglich 
ist',  wo  also  die  Grundsäze  des  Rechts  nicht  entgegenstehen. 
Nur  darf  bei  dieser  lezteren  Bestimmung  nicht  vergessen 
werden,  dass  das  natürliche  und  allgemeine  Recht  die  ein- 
zige Grundlage  alles  übrigen  positiven  ist,  und  dass  daher 
auf  dieses  allemal  zurükgegangen  werden  muss,  dass  folg- 
lich, um  einen  Rechtssaz  anzuführen,  welcher  gleichsam  der 
Quell  aller  übrigen  ist,  niemand,  jemals  und  auf  irgend  eine 
Weise  ein  Recht  erlangen  kann,  mit  den  Kräften,  oder  dem 
Vermögen  eines  andren,  ohne  oder  gegen  dessen  Einwilli- 
gung zu  schalten. 

Unter  dieser  Voraussezung  also  wage  ich  es,  den  fol- 
genden Grundsaz  aufzustellen: 

Der  Staat  muss,  in  Absicht  der  Gränzen  seiner  Wirk- 
samkeit, den  wirklichen  Zustand  der  Dinge  der  richti- 
gen und  wahren  Theorie  insoweit  nähern,  als  ihm  die 
Möglichkeit  diess  erlaubt,  und  ihn  nicht  Gründe  wahrer 


186 

Notwendigkeit  daran  hindern.  Die  Möglichkeit  aber 
beruht  darauf,  dass  die  Menschen  empfänglich  genug 
für  die  Freiheit  sind,  welche  die  Theorie  allemal  lehrt, 
dass  diese  die  heilsamen  Folgen  äussern  kann,  welche 
sie  an  sich,  ohne  entgegenstehende  Hindernisse,  immer 
begleiten;  die  entgegenarbeitende  Nothwendigkeit  dar- 
auf, dass  die,  auf  einmal  gewährte  Freiheit  nicht  Re- 
sultate zerstöre,  ohne  welche  nicht  nur  jeder  fernere 
Fortschritt,  sondern  die  Existenz  selbst  in  Gefahr  ge- 
räth.  Beides  muss  immer  aus  der  sorgfältig  angestell- 
ten Vergleichung  der  gegenwärtigen  und  der  veränder- 
ten Lage  und  ihrer  beiderseitigen  Folgen  beurtheilt 
werden. 

Dieser  Grundsaz  ist  ganz  und  gar  aus  der  Anwendung 
des  oben,  in  Absicht  aller  Reformen,  aufgestellten  (S.  180) 
auf  diesen  speciellen  Fall  entstanden.  Denn  sowohl,  wenn 
es  noch  an  Empfänglichkeit  für  die  Freiheit  fehlt,  als  wenn 
die  nothwendieen  erwähnten  Resultate  durch  dieselbe  leiden 

o 

würden,  hindert  die  Wirklichkeit  die  Grundsäze  der  reinen 
Theorie,  diejenigen  Folgen  zu  äussern,  welche  sie,  ohne  alle 
fremde  Beimischung,  immer  hervorbringen  würden.  Ich  seze 
auch  jezt  nichts  mehr  zur  weiteren  Ausführung  des  aufge- 
stellten Grundsazes  hinzu.  Zwar  könnte  ich  mögliche  La- 
gen der  Wirklichkeit  klassificiren,  und  an  ihnen  die  Anwen- 
dung desselben  zeigen.  Allein  ich  würde  dadurch  meinen 
eignen  Principien  zuwiderhandlen.  Ich  habe  nemlich  gesagt, 
dass  jede  solche  Anwendung  die  Uebersicht  des  Ganzen  und 
aller  seiner  Theile  im  genauesten  Zusammenhange  erfordert, 
und  ein  solches  Ganze  lässt  sich  durch  blosse  Hypothesen 
nicht  aufstellen. 

Verbinde  ich  mit  dieser  Regel  für  das  praktische  Be- 
nehmen des  Staats  die  Geseze,  welche  die,  im  Vorigen  ent- 
wikkelte  Theorie  ihm  auflegte  ;  so  darf  derselbe  seine  Thä- 


187 

tigkeit  immer  nur  durch  die  Nothwendigkeit  bestimmen  las- 
sen. Denn  die  Theorie  erlaubt  ihm  allein  Sorgfalt  für  die 
Sicherheit,  weil  die  Erreichung  dieses  Zweks  allein  dem 
einzelnen  Menschen  unmöglich,  und  daher  diese  Sorgfalt  al- 
lein nothwendig  ist;  und  die  Regel  des  praktischen  Beneh- 
mens bindet  ihn  streng  an  die  Theorie,  insofern  nicht  die 
Gegenwart  ihn  nöthigt,  davon  abzugehn.  So  ist  es  also  das 
Princip  der  Not/uvendigkeit ,  zu  welchem  alle,  in  diesem 
ganzen  Aufsaz  vorgetragene  Ideen,  wie  zu  ihrem  lezten 
Ziele,  hinstreben.  In  der  reinen  Theorie  bestimmt  allein  die 
Eigenthümlichkeit  des  natürlichen  Menschen  die  Gränzen 
dieser  Nothwendigkeit;  in  der  Ausführung  kommt  die  Indi- 
vidualitat des  wirklichen  hinzu.  Dieses  Princip  der  Noth- 
wendigkeit müsste,  wie  es  mir  scheint,  jedem  praktischen, 
auf  den  Menschen  gerichteten  Bemühen  die  höchste  Regel 
vorschreiben.  Denn  es  ist  das  Einzige,  welches  auf  sichre, 
zweifellose  Resultate  führt.  Das  Nüzliche,  was  ihm  entge- 
gengesezt  werden  kann,  erlaubt  keine  reine  und  gewisse 
Beurtheilung.  Es  erfordert  Berechnungen  der  Wahrschein- 
lichkeit, welche  noch  abgerechnet,  dass  sie,  ihrer  Natur  nach, 
nicht  fehlerfrei  sein  können,  Gefahr  laufen,  durch  die  gering- 
sten unvorhergesehenen  Umstände  vereitelt  zu  werden;  da 
hingegen  das  Nothwendige  sich  selbst  dem  Gefühl  mit  Macht 
aufdringt,  und  was  die  Nothwendigkeit  befiehlt  immer  nicht 
nur  nüzlich,  sondern  sogar  unentbehrlich  ist.  Dann  macht 
das  Nüzliche,  da  die  Grade  des  Nüzlichen  gleichsam  unend- 
lich sind,  immer  neue  und  neue  Veranstaltungen  erforder- 
lich, da  hingegen  die  Beschränkung  auf  das,  was  die  Noth- 
wendigkeit erheischt,  indem  sie  der  eigenen  Kraft  einen 
grösseren  Spielraum  lässt,  selbst  das  Bedürfniss  dieser  ver- 
ringert. Endlich  führt  Sorgfalt  für  das  Nüzliche  meisten- 
theils  zu  positiven,  für  das  Nothwendige  meistenteils  zu 
negativen  Veranstaltungen,  da  —  bei  der  Stärke  der  selbst- 


188 

thätigen  Kraft  des  Menschen  —  Nothwendigkeit  nicht  leicht 
anders,  als  zur  Befreiung  von  irgend  einer  einengenden  Fes- 
sel eintritt.  Aus  allen  diesen  Gründen  —  welchen  eine  aus- 
führlichere Analyse  noch  manchen  andern  beigesellen  könnte 
—  ist  kein  andres  Princip  mit  der  Ehrfurcht  für  die  Indivi- 
dualität selbstthätiger  Wesen,  und  der,  aus  dieser  Ehrfurcht 
entspringenden  Sorgfalt  für  die  Freiheit  so  vereinbar,  als 
eben  dieses.  Endlich  ist  es  das  einzige  untrügliche  Mittel 
den  Gesezen  Macht  und  Ansehen  zu  verschaffen,  sie  allein 
aus  diesem  Princip  entstehen  zu  lassen.  Man  hat  vielerlei 
Wege  x  orgeschlagen,  zu  diesem  Endzwek  zu  gelangen  ;  man 
hat  vorzüglich,  als  das  sicherste  Mittel,  die  Bürger  von  der 
Güte  und  der  Nüzlichkeit  der  Geseze  überzeugen  wollen. 
Allein  auch  diese  Güte  und  Nüzlichkeit  in  einem  bestimm- 
ten Falle  zugegeben;  so  überzeugt  man  sich  von  der  Nüz- 
lichkeit einer  Einrichtung  nur  immer  mit  Mühe;  verschiedene 
Ansichten  bringen  verschiedene  Meinungen  hierüber  hervor; 
und  die  Neigung  selbst  arbeitet  der  Ueberzeugung  entgegen, 
da  jeder,  wie  gern  er  auch  das  selbslerkannte  Nüzliche  er- 
greift, sich  doch  immer  gegen  das,  ihm  aufgedrungene  sträubt. 
Unter  das  Joch  der  Nothwendigkeit  hingegen  beugt  jeder  wil- 
lig den  Nakken.  Wo  nun  schon  einmal  eine  verwikkelte  Lage 
vorhanden  ist,  da  ist  die  Einsicht  selbst  des  Noth wendigen 
schwieriger;  aber  gerade  mit  der  Befolgung  dieses  Princips 
wird  die  Lage  immer  einfacher  und  diese  Einsicht  immer  leichter. 

Ich  bin  jezt  das  Feld  durchlaufen,  das  ich  mir,  bei  dem 
Anfange  dieses  Aüfsazes,  abstekte.  Ich  habe  mich  dabei  von 
der  tiefsten  Achtung  für  die  innere  Würde  des  Menschen 
und  die  Freiheit  beseelt  gefühlt,  welche  allein  dieser  Würde 
angemessen  ist.  Möchten  die  Ideen,  die  ich  vortrug,  und 
der  Ausdruk,  den  ich  ihnen  lieh,  dieser  Empfindung  nicht 
unwerth  sein! 


Inhalt. 


J.  Seite 

Einleitung 1  —  9 

Bestimmung  des  Gegenstandes  der  Untersuchung.  —  Sel- 
tene Bearbeitung  und  Wichtigkeit  desselben.  —  Histori- 
rischen  Buk  auf  die  Gränzen,  welche  die  Staaten  ihrer 
Wirksamkeit  wirklich  gesezt  haben.  —  Unterschied  der 
alten  und  neueren  Staaten.  —  Zwek  der  Staatsverbindung 
überhaupt.  —  Streitfrage,  ob  derselbe  allein  in  der  Sorg- 
falt für  die  Sicherheit,  oder  für  das  Wohl  der  Nation  über- 
haupt bestehen  soll?  —  Gesezgeber  und  Schriftsteller  be- 
haupten das  Leztere.  —  Dennoch  ist  eine  fernere  Prüfung 
dieser  Behauptung  nothwendig.  —  Diese  Prüfung  muss 
von  dem  einzelnen  Menschen  und  seinen  höchsten 
Endzwekken  ausgehen. 

IL 

Betrachtung  des    einzelnen  Menschen,    und    der 

höchsten  Endzwekke  des  Daseins  desselben.     .     10  —  15 

Der  höchste  und  lezte  Zwek  jedes  Menschen  ist  die  höchste 
und  proportionirlichste  Ausbildung  seiner  Kräfte  in  ihrer 
individuellen  Eigenthümlichkeit.  —  Die  nothwendigen  Be- 
dingungen der  Erreichung  desselben  :  Freiheit  des  Hand- 
lens,  und  Mannigfaltigkeit  der  Situationen.  —  Nähere  An- 
wendung dieser  Säze  auf  das  innere  Leben  des  Menschen. 
—  Bestätigung  derselben  aus  der  Geschichte.  —  Höch- 
ster Grundsaz  für  die  ganze  gegenwärtige  Untersuchung, 
auf  welchen  diese  Betrachtungen  führen. 


190 

III.  Seite 

Uebergang  zur  eigentlichen  Untersuchung.  Ein- 
theilung  derselben.  Sorgfalt  des  Staats  für  das 
positive,  insbesondre  physische,  Wohl  der  Bürger.      15  —  41 

Umfang  dieses  Abschnitts.  —  Die  Sorgfalt  des  Staats  für 
das  positive  Wohl  der  Bürger  ist  schädlich.  Denn  sie  — 
bringt  Einförmigkeit  hervor;  —  schwächt  die  Kraft;  — 
stört  und  verhindert  die  Rükwirkung  der  äusseren,  auch 
bloss  körperlichen  Beschäftigungen ,  und  der  äussren 
Verhältnisse  überhaupt  auf  den  Geist  und  den  Charakter 
der  Menschen  ;  —  muss  auf  eine  gemischte  Menge  ge- 
richtet werden,  und  schadet  daher  den  Einzelnen  durch 
Maassregeln,  welche  auf  einen  jeden  von  ihnen,  nur  mit 
beträchtlichen  Fehlern  passen:  —  hindert  die  Entwikke- 
lung  der  Individualität  und  Eigenthümlichkeit  des  Menschen  ; 
—  erschwert  die  Staatsverwaltung  selbst,  vervielfältigt  die 
dazu  erforderlichen  Mittel,  und  wird  dadurch  eine  QuelJe 
ueuer  mannigfaltiger  Nachtheile;  —  verrükt  endlich  die 
richtigen  und  natürlichen  Gesichtspunkte  der  Menschen, 
bei  den  wichtigsten  Gegenständen.  —  Rechtfertigung  ge- 
gen den  Einwurf  der  Uebertreibung  der  geschilderten  Nach- 
theile. —  Vortheile  des,  dem  eben  bestrittenen  entgegen- 
gesezten  Systems.  —  Höchster,  aus  diesem  Abschnitt  ge- 
zogener Grundsaz.  —  Mittel  einer  auf  das  positive  Wohl 
der  Bürger  gerichteten  Sorgfall  des  Staats.  —  Schädlich- 
keit derselben.  —  Unterschied  der  Fälle,  wenn  etwas  vom 
Staat,  als  Staat,  und  wenn  dasselbe  von  einzelnen  Bürgern 
gethan  wird.  —  Prüfung  des  Einwurfs  :  ob  eine  Sorgfalt 
des  Staats  für  das  positive  Wohl  nicht  nothwendig  ist, 
weil  es  vielleicht  nicht  möglich  ist,  ohne  sie,  dieselben 
äussren  Zwekke  zu  erreichen,  dieselben  nolhwendigen  Re- 
sultate zu  erhallen?  —  Beweis  dieser  Möglichkeit, — vor- 
züglich durch  freiwillige  gemeinschaftliche  Veranstaltungen 
der  Bürger.  —  Vorzug  dieser  Veranstaltungen  vor  den 
Veranstaltungen  des  Staats. 

IV. 

Sorgfalt  des  Staats  für  das  negative  Wohl  der 
Bürger,  für  ihre  Sicherheit 41  —  44 

Diese  Sorgfalt  ist  nothwendig,  —  macht  den  eigentlichen 
Endzwek  des  Staats  aus.   —   Höchster,   aus    diesem  Ab- 
schnitt   gezogener    Grundsaz.    —    Bestätigung    desselben 
durch  die  Geschichte. 


191 

V.  Seite 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  gegen  aus- 
wärtige Feinde 45  —  49 

Bei  dieser  Betrachtung  gewählter  Gesichtspunkt.  —  Ein- 
fluss  des  Kriegs  überhaupt  auf  den  Geist  und  den  Cha- 
rakter der  Nation.  —  Damit  angestellte  Vergleichung  des 
Zustandes  desselben,  und  aller  sich  auf  ihn  beziehenden 
Einrichtungen  bei  uns.  —  Mannigfaltige  Nachtheile  dieses 
Zustandes  für  die  innere  Bildung  des  Menschen.  —  Höch- 
ster, aus  dieser  Vergleichung  geschöpfter  Grundsaz. 

VI. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  der  Bürger 
unter  einander.  Mittel,  diesen  Endzwek  zu  er- 
reichen. Veranstaltungen,  welche  auf  die  Um- 
formung des  Geistes  und  Charakters  der  Bür- 
ger  gerichtet  sind.     Oeffentliche  Erziehung.      .      49  —  58 

Möglicher  Umfang  der  Mittel,  diese  Sicherheit  zu  befördern. 
—  Moralische  Mittel.  —  Oeffentliche  Erziehung.  —  Ist 
nachtheilig,  vorzüglich  weil  sie  die  Mannigfaltigkeit  der 
Ausbildung  hindert;  —  unniiz,  weil  es  in  einer  Nation, 
die  einer  gehörigen  Freiheit  geniesst,  an  guter  Privater- 
ziehung nicht  fehlen  wird;  —  wirkt  zu  viel,  weil  die 
Sorgfalt  für  die  Sicherheit  nicht  gänzliche  Umformung  der 
Sitten  nothwendig  macht;  —  liegt  daher  ausser  den 
Gränzen  der  Wirksamkeit  des  Staats. 

VII. 
Religion 59  —  82 

Historischer  Blik  auf  die  Art,  wie  die  Staaten  sich  der  Be- 
ligion  bedient  haben.  —  Jedes  Einmischen  des  Staats  in 
die  Beligion  führt  Begünstigung  gewisser  Meinungen,  mit 
Ausschliessung  andrer,  und  einen  Grad  der  Leitung  der 
Bürger  mit  sich.  —  Allgemeine  Betrachtungen  über  den 
Einfluss  der  Beligion  auf  den  Geist  und  den  Charakter 
des  Menschen.  —  Beligion  und  Moralität  sind  nicht  un- 
zertrennlich mit  einander  verbunden.  Denn  —  der  Ur- 
sprung aller  Beligionen  ist  gänzlich  subjektiv;  —  Beligio- 
sität  und  der  gänzliche  Mangel  derselben  können  gleich 
wohlthätige  Folgen  für  die  Moralität  hervorbringen;  —  die 
Grundsäze  der  Moral  sind  von  der  Beligion  völlig  unab- 
hängig; ■ —  und  die  Wirksamkeit  aller  Beligion  beruht  al- 
lein auf  der  individuellen  Beschaffenheit  des  Menschen  ;  — 


192 

80  dass  dasjenige,  was  allein  auf  die  Moralität  wirkt,  nicht  Seite 

der  Inhalt  gleichsam  der  Religionssysleme  ist,  sondern  die 
Form  des  inneru  Annehmens  derselben.  —  Anwendung 
dieser  Betrachtungen  auf  die  gegenwärtige  Untersuchung, 
und  Prüfung  der  Frage  :  ob  der  Staat  sich  der  Religion, 
als  eines  Wirkungsmiltels  bedienen  müsse?  —  Alle  Be- 
förderung der  Religion  durch  den  Staat  bringt  aufs  Höchste 
gesezmässige  Handlungen  hervor.  —  Dieser  Erfolg  aber 
darf  dem  Staate  nicht  genügen,  welcher  die  Bürger  dem 
Geseze  folgsam,  nicht  bloss  ihre  Handlungen  mit  demsel- 
ben übereinstimmend  machen  soll.  —  Derselbe  ist  auch 
an  sich  ungewiss,  sogar  unwahrscheinlich,  und  wenigstens 
durch  andre  Mittel  besser  erreichbar,  als  durch  jenes.  — 
Jenes  Mittel  führt  überdiess  so  überwiegende  Nachtheile 
mit  sich,  dass  schon  diese  den  Gebrauch  desselben  gänz- 
lich verbieten.  —  Gelegentliche  Beantwortung  eines  hiebei 
möglichen,  von  dem  Mangel  an  Kultur  mehrerer  Volks- 
klassen hergenommenen  Einwurfs.  —  Endlich,  was  die 
Sache  aus  den  höchsten  und  allgemeinsten  Gesichtspunk- 
ten entscheidet,  ist  dem  Staat  gerade  zu  dem  Einzigen, 
was  wahrhaft  auf  die  Moralität  wirkt,  zu  der  Form  des 
innern  Annehmens  von  Religionsbegriffen,  der  Zugang  gänz- 
lich verschlossen.  —  Daher  liegt  alles,  was  die  Religion 
betrift,  ausserhalb  der  Gränzen  der  Wirksamkeit  des  Staats. 

VIII. 
Sittenverbesserung 82  —  98 

Mögliche  Mittel  zu  derselben.  —  Sie  reducirt  sich  vor- 
züglich auf  Beschränkung  der  Sinnlichkeit.  —  Allgemeine 
Betrachtungen  über  den  Einfluss  der  Sinnlichkeit  auf  den 
Menschen.  —  Einfluss  der  sinnlichen  Empfindungen,  die- 
selben an  sich  und  allein,  als  solche,  betrachtet.  —  Ver- 
schiedenheit dieses  Einflusses,  nach  ihrer  eignen  verschied- 
uen  Natur,  vorzüglich  Verschiedenheit  des  Einflusses  der 
energiscti  wirkenden,  und  der  übrigen  sinnlichen  Empfin- 
dungen. —  Verbindung  des  Sinnlichen  mit  dem  Unsinnli- 
chen durch  das  Schöne  und  Erhabene.  —  Einfluss  der 
Sinnlichkeit  auf  die  forschenden,  intellektuellen,  —  auf 
die  schaffenden,  moralischen  Kräfte  des  Menschen.  — 
Nachtheile  und  Gefahren  der  Sinnlichkeit.  —  Anwendung 
dieser  Betrachtungen  auf  die  gegenwärtige  Untersuchung, 
und  Prüfung  der  Frage:  ob  der  Staat  positiv  auf  die  Sit- 
ten zu  wirken  versuchen  dürfe?  —  Jeder  solcher  Ver- 
such wirkt  nur  auf  die  äussren  Handlungen  —  und  bringt 
mannigfaltige  und   wichtige  Nachtheilo  hervor.  * —   Sogar 


193 

»las  Sillonverderbniss  selbst,  dein  er  entgegen  steuert,  er-  Seite 

mangelt  nicht  aller  heilsamen  Kolgen  —  und  macht  we- 
nigstens die  Anwendung  eines,  die  Sitten  überhaupt  um- 
formenden Mütels  nicht  nothwendig.  —  Ein  solches  Mittel 
liegt  daher  ausserhalb  der  Grunzen  der  Wirksamkeit  des 
Slaats.  —  Höchster  aus  diesem,  und  den  beiden  vorher- 
gehenden Abschnitten  gezogener  Gruudsaz. 

IX. 

Nähere  positive  Bestimmung  der  Sorgfalt  des  Staats 
für  die  Sicherheit.  Entwikkelung  des  Begriffs 
der  Sicherheit 98-104 

Rükblik  auf  den  Gang  der  ganzen  Untersuchung.  —  Auf- 
zahlung des  noch  Mangelnden.  —  Bestimmung  des  Be- 
griffs der  Sicherheit.  —  Definition.  —  Rechte,  für  deren 
Sieherheil  gesorgt  werden  muss.  —  Rechte  der  einzelnen 
Bürger.  —  Rechte  des  Staats.  —  Handlungen,  welche  die 
Sicherheit  stören.  —  Einlheilung  des  noch  übrigen  Theils 
der  Untersuchung. 

X. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Be- 
stimmung solcher  Handlungen  der  Bürger,  welche 
sich  unmittelbar  und  geradezu  nur  auf  den 
Handlenden  selbst  beziehen.     (Polizeigeseze.)   .     104 — 115 

Leber  den  Ausdruk  Polizeigeseze.  —  Der  einzige  Grund, 
welcher  den  Staat  lrter  zu  Beschränkungen  berechtigt,  ist, 
wenn  die  Folgen  solcher  Handlungen  die  Rechte  andrer 
schmälern.  —  Beschaffenheit  der  Folgen,  welche  eine 
solche  Schmalerung  enthalten.  —  Erläuterung  durch  das 
Beispiel  Aergerniss  erregender  Handlungen.  —  Vorsichts- 
regeln für  den  Staat  für  den  Fall  solcher  Handlungen, 
deren  Folgen  dadurch  den  Rechten  andrer  gefährlich  wer- 
den können,  weil  ein  seltner  Grad  der  Beurtheilungskraft 
und  der  Kenntnisse  erfordert  wird  ,  um  der  Gefahr  zu 
entgehen.  —  Welche  Nähe  der  Verbindung  jener  Folgen 
mit  der  Handlung  selbst  nothwendig  ist,  um  Beschränkun- 
gen zu  begründen?  —  Höchster  aus  dem  Vorigen  gezo- 
gener Grundsaz.  —  Ausnahmen  desselben.  —  Vortheile, 
wenn  die  Bürger  freiwillig  durch  Verträge  bewirken,  was 
der  Staat  sonst  durch  Geseze  bewirken  muss.  -  Prüfung 
der  Frage  :  ob  der  Staat  zu  positiven  Handlungen  zwingen 
kann?  —  Verneinung,  weil  —  ein  solcher  Zwang  schäd- 

vn.  13 


194 

lieh,    —    zur  Erhallung  der  Sicherheit   nicht    nothwendig  Seile 

ist.  —  Ausnahmen  des  Nothrechts.  —  Handlungen,  welche 

auf  gemeinschaftlichem   Figenthum  geschehen ,    oder  , 

dasselbe  beireffen. 

XI. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Be- 
stimmung solcher  Handlungen  der  Bürger,  welche 
sich  unmittelbar  und  geradezu  auf  andre  be- 
ziehen.   (Civilgeseze.) 115 — 131 

Handlungen,  welche  die  Rechte  andrer  kränken.  —  Pflicht 
des  Slaals,  —  dem  Beleidigten  zur  Entschädigung  zu  ver- 
helfen, —  und  den  Beleidiger  vor  der  Rache  jenes  zu 
schüzen.  —  Handlungen  mit  gegenseitiger  Einwilligung. — 
Willenserklärungen.  —  Doppelte  Pflicht  des  Staals  in  Rük- 
sicht  auf  sie,  —  einmal  die  gülligen  aufrecht  zu  erhallen, 
—  zweitens  den  rechtswidrigen  den  Schuz  der  Geseze  zu 
versagen,  und  zu  verhüten,  duss  die  Menschen  sich,  auch 
durch  gültige,  nicht  zu  drükkende  Fesseln  anlegen.  — 
Galligkeit  der  Willenserklärungen.  —  Erleichterung  der 
Trennung  güllig  geschlossener  Verlräge,  als  eine  Folge  der 
zweiten  eben  erwähnlen  Pflicht  des  Slaals:  —  allein  bei 
Verträgen,  welche  die  Person  betreffen  :  —  mit  verschie- 
denen Modifikationen,  nach  der  eigenlhümlichen  Natur  der 
Verlräge.  —  Disposilionen  von  Todeswegen.  —  Gültigkeit 
derselben  nach  allgemeinen  Grundsäzen  des  Rechts?  — 
Nachlheile  derselben.  • —  Gefahren  einer  blossen  Intestat- 
erbfolge, und  Vorlheile  der  Privatdispositionen.  —  Miitel- 
weg,  welcher  diese  Vorlheile  zu  erhallen,  und  jene  Nach- 
lheile zu  entfernen  versucht.  —  Intestaterbfolge.  —  Be- 
stimmung des  Pflichllheils.  —  Inwiefern  müssen  Verträge 
unter  Lebendigen  auf  die  Erben  übergehen?  —  Nur  in- 
sofern, als  das  hinlerlassene  Vermögen  dadurch  eine  andre 
Gestalt  erhatten  hat.  —  Vorsichlsregeln  für  den  Staal,  hier 
freiheitsbeschränkende  Verhältnisse  zu  verhindern.  —  Mo- 
ralische Personen.  —  Ihre  Nachlheile.  —  Grund  dersel- 
ben. —  Werden  gehoben,  wenn  man  jede  moralische  Per- 
son bloss  als  eine  Vereinigung  der  jedesmaligen  Mitglieder 
ansieht.  —  Höchste,  aus  diesem  Abschnitt  gezogene 
Grundsäze. 

XII. 
Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  recht- 

liehe  Entscheidung  der  Streitigkeiten  der  Bürger.    132*-  137 
Der  Staat  Irin  hier  bloss  an  die  Stelle  der  Partheieo.  — 


195 

Eruier,  hieraus  entspringender  Grundsaz  der  Prozessord-  Seite 

nung.  —  Der  Staat  muss  die  Rechte  beider  Partheien  gegen 
einander  beschiizen.  —  Daraus  entspringender  zweiter 
Grundsaz  der  Prozessordnung.  Nachtheile  der  Vernach- 
lässigung dieser  Grundsäze.  —  Notwendigkeit  neuer  Ge- 
seze  zum  Behuf  der  Möglichkeit  der  richterlichen  Entschei- 
dung. —  Güte  der  Gerichtsverfassung  ,  das  Moment,  von 
welchem  diese  Notwendigkeit  vorzüglich  abhängt.  —  Vor 
theile  und  Nachtheile  solcher  Geseze.  —  Aus  denselben 
entspringenden  Regeln  der  Gesezgebung.  Höchste  aus 
diesem   Abschnitt  gezogene   Grundsäze. 

XIII. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Be- 
strafung- der  Uebertrelungen  der  Geseze  des 
Staats.     (Kriminalgeseze.) 137—161 

Handlungen,  welche  der  Staat  bestrafen  muss.  —  Strafen. 
Alaass  derselben;  absolutes:  Höchste  Gelindigkeit  beider 
gehörigen  Wirksamkeit.  -  Schädlichkeit  der  Strafe  der 
Ehrlosigkeit.  Ungerechtigkeit  der  Strafen,  welche  sich, 
über  den  Verbrecher  hinaus,  auf  andre  Personen  erstrek- 
ken.  Relatives    Maass    der    Strafen.      Grad    der   Nicht 

Achtung  des  fremden  Rechts.  —  Widerlegung  des  Grund- 
sazes,  welcher  zu  diesem  Maassstab  die  Häufigkeit  der 
Verbrechen,  und  die  Menge  der,  zu  ihnen  reizenden  An- 
triebe annimmt:  Ungerechtigkeit,  Schädlichkeit  des- 
selben. -  Allgemeine  Stufenfolge  der  Verbrechen  in  Ab- 
sicht der  Harte  ihrer  Strafen»  Anwendung  der  Strafgeseze 
auf  wirkliche  Verbrechen.  Verfahren  gegen  die  Verbre- 
cher, während  der  Untersuchung.  Prüfung  der  Frage  : 
inwiefern  der  Staat  Verbrechen  verhüten  darf.'  —  Unter- 
schied zwischen  der  Beantwortung  dieser  Krage,  und  der 
Bestimmung,  sich  nur  auf  den  Handlenden  selbst  bezie- 
hende Handlungen  im  Vorigen.  Abriss  der  verschied- 
nen,  möglichen  Arten,  Verbrechen  zu  verhüten,  nach  den 
allgemeinen  Ursachen  der  Verbrechen:.  Die  erste  die- 
ser Arten,  welche  dem  Mangel  an  Mitteln  abhilft,  der  leicht 
zu  Verbrechen  führt,  ist  schädlich  und  unnüz.  —  Noch 
schädlicher  und  daher  gleichfalls  nicht  ralhsam  ist  die 
zweite,  welche  auf  Entfernung  der,  im  Charakter  liegen- 
den Ursachen  zu  Verbrechen  gerichtet  ist.  —  Anwendung 
dieser  Art  auf  wirkliche  Verbrecher.  Resserung  derselben. 
-  Behandlung  der  ab  instantia  absolvirlen.  -  Lezte  Art, 
Verbrechen  zu    verhüten;    Entfernung   der   Gelegenheiten 

13* 


196 

ihrer  Begehung.  ■ —  Einschränkung  derselben  auf  die  blosse  Seile 

Verhütung  der  Ausführung  schon  beschlossener  Verbre- 
chen. —  Was  dagegen  au  die  Stelle  jener  gemisbilligten 
Mittel  treten  muss,  um  Verbrechen  zu  verhüten?  —  Die 
strengste  Aufsicht  auf  begangene  Verbrechen,  und  Selten- 
heit der  Straflosigkeit.  —  Schädlichkeit  des  Begnadigungs- 
uml  Milderungsrechls.  —  Veranstaltungen  zur  Entdekkung 
von  Verbrechen.  —  Notwendigkeit  der  Publicist  aller 
Kriminalgeseze,  ohne  Unterschied.  —  Höchste,  aus  die- 
sem Abschnitt  gezogene  Grundsäze. 

XIV. 

Sorgfalt  des  Staats  für  die  Sicherheit  durch  Be- 
stimmung des  Verhältnisses  derjenigen  Perso- 
nen, welche  nicht  im  Besiz  der  natürlichen,  oder 
gehörig  gereiften  menschlichen  Kräfte  sind.  (Un- 
mündige und  des  Verstandes  Beraubte.)  Allge- 
meine Anmerkung  zu  diesem  und  den  vier  vor- 
hergehenden Abschnitten 161 — 170 

Unterschied  der  hier  genannten  Personen  und  der  übrigen 
Bürger.  —  Notwendigkeit  einer  Sorgfall  für  ihr  positives 
Wohl.  —  Unmündige.  —  Gegenseitige  Pflichten  der  El- 
tern und  Kinder.  —  Pllichten  des  Staats.  —  Bestimmung 
des  Alters  der  Mündigkeit;  —  Aufsicht  auf  die  Erfüllung 
jener  Pflichten.  —  Vormundschaft,  nach  dem  Tode  der 
Eltern.  —  Pflichten  des  Staats  in  Büksicht  auf  dieselbe. 
—  Vortheile,  die  speciellere  Ausübung  dieser  Pflichten, 
wo  möglich,  den  Gemeinheiten  zu  übertragen.  —  Veran- 
staltungen, die  Unmündigen  gegen  Eingriffe  in  ihre  hechle 
zu  schüzen.  —  Des  Verstandes  Beraubte.  —  Unterschiede 
zwischen  ihnen  und  den  Unmündigen.  —  Höchste,  aus 
diesem  Abschnitt  gezogene  Grundsäze.  - —  Gesichtspunkt 
bei  diesem  und  den  vier  vorhergehenden  Abschnitten.  — 
Bestimmung  des  Verhältnisses  der  gegenwartigen  Arbeit 
zur  Theorie  der  Gesezgebung  überhaupt.  —  Aufzahlung 
der  Hauptgesichlspunkte,  aus  welchen  alle  Geseze  flie.-M'ii 
müssen.  --  Hieraus  entspringende,  zu  jeder  Gesezgebung: 
nothwendige  Vorarbeiten. 

XV. 

Verhältniss  der,  zur  Erhaltung  des  Staatsgebäudes 
überhaupt  nothwendigen  Mittel  zur  vorgetrage- 


197 

neu  Theorie.     Schluss   der  theoretischen    Ent-  Seite 

wiklung 171—176 

Finanzeiarichtungen.  —  Innere  politische  Verfassung. 
Betrachtung  der  vorgetragenen  Theorie  aus  dem  Gesichts- 
punkt des  Rechts.  -  Hauptgesichtspunkt  bei  dieser  gan- 
zen Theorie.  Inwiefern  Geschichte  und  Statistik  der- 
selben zu  Hülfe  kommen  könnten?  —  Trennung  des 
Verhältnisses  der  Bürger  zum  Staat,  und  der  Verhältnisse 
derselben  unter  einander.  —  Notwendigkeit  dieser 
Trennung. 

XVI. 
Anwendung  der  vorgetragenen   Tlieorie    auf   die 

Wirklichkeit 176—188 

Verhältniss   theoretischer  Wahrheiten  überhaupt   zur  Aus- 
führung. Dabei    notiiw  endige   Votsicht.  Bai   jeder 
Beform   muss   der  neue  Zustand   mit   dem  vorhergehenden 
verknüpft  werden.  —  Diess  gelingt  am   besten,   wenn  man 
die    Reform    bei    den    Ideen    der    Mensehen    anfängt. 
.  Daraus  hertliessende   Grundsäze    aller  Reformen.  An- 
wendung   derselben    auf    die   gegenwärtige   Untersuchung. 
Vorzüglichste  Eigentümlichkeiten'  des  aufgestellten  S>- 
Mem>.   Zu   besorgende  Gefahren    bei   der  Ausführung  des- 
selben.         Hieraus  entspringende  nothwendige  successive 
Schritte  bei   derselben    —    Uöchsler  dabei  zu  befolgende! 
Grundsaz.   —  Verbindung  dieses  Grutldsaze's  mit  den  Haupt- 
grunds-äzen  der  vorgetragenen  Theorie.  —   Aus  dieser  Ver- 
bindung tliessendes  Princip   der  Notwendigkeit.  - 
Vorzüge  desselben.          Schluss. 


Denkschrift  üher  Prcussenis  ständische  Verfassung. 


An  den  Staatsminister   von  Stein. 

Prankfurt,  den  4.  Febrüefr  1819. 

JJie   mir   mitgetheilten  Papiere   enthalten  so  verschiedent- 

Jiche  Autsätze,  dass  es  gleich  schwer  seyn  würde,  sich  über 
alle  zu  verbreiten,  oder  einen  einzelnen  zu  genauerer  Prü- 
fung herauszuheben,  so  sehr  auch,  besonders  einige  durch 
ihre  innere  Trefflichkeit,  und  die  Gediegenheit  der  Gedan- 
ken einladen.  Da  es  indess  hier  doch  nur  darauf  ankommt, 
die  Uebereinstimmung  mit  den  in  den  sämmtlichen  Vor- 
schlägen enthaltenen  leitenden  Ideen  anzudeuten,  oder  die 
etwanigen  Zweifel  dagegen  auseinander  zu  setzen  ;  so  wird 
es  am  besten  seyn,  alle  Hauptpunkte,  die  bei  Einrichtung 
landständischer  Verfassungen  in  den  Preussischen  Staaten 
vorkommen  können,  kurz  durchzugehen ,  und  sich  von  der 
Art.  wie  man  sie  behandelt  zu  sehen  wünschen  Würde, 
Rechenschaft  zu  geben.  Auf  diesem  Wege  wird  man  zu- 
gleich auf  in  jenen  Papieren  nicht  berührte  Punkte  stossen, 
und  dadurch  Gelegenheit  zu  neuen  mündlichen  oder  schrill- 
liehen  Erörterungen  finden. 


199 

§.2. 
Dieser  Methode  zufolge  wird  daher  hier 

1)  von  dem  Zwecke  und  dem  Geschäftskreise  der  land- 
ständischen Behörden  (dies  Wort  in  seiner  weitesten 
Bedeutung  genommen), 

2)  von  ihrer  Bildung  und  Wirksamkeit, 

3)  von  dem  Gange,  wie  sie  stufenweise  in  Thäligkeit  ge- 
bracht werden  müssten, 

nach  einander  geredet  werden. 

I. 

Zweck  und  Geschäftskreis  der  landständischen 

Behörden  überhaupt. 

§3. 

Als  die  Hauptzwecke  der  Einrichtung  einer  landständi- 
schen V  ei Tassung  werden  in  den  anliegenden  Papieren  sehr 
richtig  folgende  angegeben: 

1)  der  objektive,  dass  die  Verwaltung  von  Seiten  der 
Regierung,  dadurch: 

a)  gediegner  —  mehr  aus  genauerer  Kenntniss  der  ei- 
genthümlichen  Lage,  als  aus  abstrakter  Theorie  her- 
vorgehend — 

b)  s  tätiger,  —  weniger  von  einem  Systeme  zu  einem 
andern  abspringend  — 

c)  einfacher  und  minder  kostspielig  —  durch  Abgeben 

mehrer  Zweiçre  an  die  Ortsbehörden  — 

o 

d)  endlich  gerechter  und  regelmässiger  gemacht  wird 
—  durch  festeres  Binden  an  verabredete  Normen 
und  Verhütung  einzelner  Eingriffe. 

2)  Der  subjektive,  dass  der  Bürger  durch  die  Theilnahme 
an  der  Gesetzgebung,  Beaufsichtigung  und  Verwal- 
tung mehr  Bürgersinn   und  mehr  Bürgergeschick  er- 


200 

halt,  dadurch  für  sich  selbst  sittlicher  wird,  und  seinem 
Gewerbe  und  individuellen  Leben,  indem  er  beide 
näher  an  das  Wohl  seiner  Mitbürger  knüpft,  eine 
höhere  Geltung  giebt. 
Man  kann  zu  diesen  beiden  Zwecken  noch  den  dritten, 
nicht  unwichtigen  hinzusetzen: 

3)  dass  der  Beschwerdeführung  jedes  Einzelnen  ein  mehr 
geeigneter  Weg,  als  jetzt  vorhanden  ist,  geöffnet,  und 
die  öffentliche  Meinung  in  den  Stand  gesetzt,  und  ge- 
nöthigt  wird,  sich  mit  mehr  Ernst  und  Wahrheit  über 
die  Interessen  des  Landes,  und  die  Schritte  der  Re- 
gierung auszusprechen. 

ad  1. 

Wenn  man  sich  die  landständische  \  erfassung  als  einen 
Antagonismus,  und  die  Landslände  als  eine  Opposition  denkt, 
was  wenigstens  eine  sehr  natürliche  Vorstellungsart  ist,  so 
kann  sie  bei  uns,  als  keine  gegen  Eingriffe  der  Krone  gel- 
ten, die,  wie  lange  Erfahrung  zeigt,  so  wenig  zu  befürchten 
sind,  dass  darum  keine  solche  Verfassung  nothwendig  wäre, 
allein  gar  sehr  gegen 

a)  unstäte  und  unzweckmiissige  Organisation,  und  dem 
ähnliches  Verfahren  der  obersten  \  erwaltungsbehör- 
den,  und 

b)  gegen  das  Ansichreissen  und  Umsichgreifen  der  Staats- 
behörden überhaupt,  was  unter  andern  auch  den  Nach- 
theil  hat,  dass,  besonders  bei  dem  gesunkenen  An- 
sehen des  Adels,  nur  der  Beamte  etwas  zu  gelten 
scheint,  und  daher  jeder  sich  dieser  Klasse  zudrängl. 

§.5. 
Da  eine  inkonsequente  Verwaltung   sich   einer   Stände- 
versammhmg  gegenüber  nicht  halten   kann,    so    werden   die 
obersten  Verwaltungsbehörden  durch  dieselbe  genölhigt  und 


201 

gewöhnt,  nach  festen  und  beim  Wechsel  der  Personen  doch 
bleibenden,  und  nur  mit  vieler  Vorsicht  zu  ändernden  Prin- 
zipien zu  handeln,  und  dies  ist  die  einzige  innere,  so  wie 
strenge  Verantwortlichkeit  die  einzige  äussere  Bürgschaft 
für  die  Güte  eines  Ministeriums,  Die  Verantwortlichkeil 
aber  wächst  auf  eine  doppelte  Weise,  einmal  gegen  die 
Landstände,  und  dann  gegen  den  König,  der  in  den  Land- 
ständen, zu  seiner  eignen  Hülfe  und  Leitung,  einen  strengen 
und  sachkundigen  Beurtheiler  seiner  Minister  erhält.  End- 
lich legen  die  zögernden  Formen  der  Verfassung;  der  Lust 
zu  neuen  Gesetzen  und  Einrichtungen,  die,  ohne  eine  solche, 
leicht  in  blosse  Einfälle  ausarten,  wohl thä tige  Fesseln  an; 
und  so  gewinnt  auf  mehr  als  eine  Weise  durch  landstän- 
dische Einrichtungen  die  Stätigkeit,  die  ein  Haupterforderniss 
edles  Regierens  ist,  und  auf  die  es  dabei  weit  mehr,  als  auf 
Scharfsinn  und  Genialität  ankommt. 

Es  kann  aber  auch  die  Ständeversammlung  selbst  ein 
Element  unberufener  Neuerungen  werden,  und  es  folgt  da- 
her aus  dem  Gesagten,  dass  es  ein  Hauptaugenmerk  sein 
muss,  dies  zu  verhindern.  Dies  geschieht,  wie  die  Folge 
zeigen  wird,  indem  man  den  Wirkungskreis  dieser  Versamm- 
lung genau  abgrenzt,  und  indem  man  sie  nicht,  wie  es  in 
Frankreich  üblich  ist,  unmittelbar  auf  die  Basis  der  ganzen 
Volksmasse  gründet,  sondern  sich  von  der  Verwaltung  der 
einfachsten  Bürgervereine  durch  Mittelglieder  zur  Berathung 
über  das  Ganze  erheben  lässt. 

§.7. 

Die  Sicherung,  welche  das  Volk  durch  eine  Verfassung 
erhält,  ist  eine  doppelte,  die  aus  der  Existenz  und  der  Wirk- 
samkeit der  Landstände  mittelbar  hervorgehende,  und  die- 
jenige, welche  als  Theil  der  Constitution,  unmittelbar  mit 
ihr  ausgesprochen  wird. 


202 

§.S. 
Die  letzte  muss  nothwendig  umfassen  : 

1)  die  individuelle,   persönliche   .Sicherheit,    nur    nach 
dem  Gesetze  behandelt  zu  werden; 

2)  die  des  Eigenthums; 

3)  die  Freiheit  des  Gewissens; 
1)  der  Presse. 

Man  kann  behaupten,  dass,  mit  wenigen,  seltenen,  und 
vielleicht  in  sich  noch  gewissennassen  zu  entschuldigenden 
Ausnahmen,  die  drei  ersten  im  Preussischen  Staat,  der  That 
nach,  wirklich  vorhanden  sind.  Allein  sie  sind  nicht  ausge- 
sprochen, und  dies,  die  Form,  ist  hier  gleich  wesentlich,  als 
die  Sache,  nicht  blos  für  den  unmittelbaren  Zweck,  sondern 
auch,  und  hauptsachlich  für  die  Rüekwürkung  auf  den  Cha- 
rakter des  Volks,  welchem  man,  damit  es  dem  Gesetz  un- 
verbrüchlich, und  aus  Grundsalz  gehorche,  auch  das  aus 
dem  Gesetz  entspringende  Recht  als  unverbrüchlichen  Grund- 
satz darstellen  muss. 

Von  der  Pressfreiheil  wird  im  dritten  Abschnitt  näher 
die  Hede  sein. 

§l  9. 

\  iele  Verfassungen  setzen  noch  .Sicherung  der  Maats- 
diener, ihre  .Stellen  nur  durch  Urtheil  und  Recht  zu  verlie- 
ren, hinzu.  Diese  müssle  aber  wohl  nur  auf  Justizbeamte 
beschränkt  sein,  und  so  gehört  sie  zur  Sicherung  der  Per- 
son und  des  Eigenthums.  Die  Ausdehnung  auf  alle  Stellen 
hat  schon  den  Nachtheil ,  dass  sie  dieselben  als  Pfründen 
anzusehen  gewöhnt,  ist  auch  bei  einigen  vorzügliches  Ta- 
lent erfordernden,  wobei  der  Staat  sich  jedoch  manchmal  in 
Personen  irren  kann,  durchaus  ananwendbar.  Indess  ver- 
dient es  Untersuchung,  ob  nicht  diese  sichernde  Bestimmung 
noch  auf  einige  andere  Stellen,  als  die  der  Gerechtigkeits- 
pflege ausgedehnt   werden   müsste?     Die  Englische  Verlas- 


203 

sung  kennt  schlechterdings  nichts  dem  Aehnliches.  Vielmehr 
wechseln  die  meisten  angesehenen  Stellen  gewöhnlich  mit 
dem  Ministerium  zugleich,  was  aber  dort  wieder  auf  Ver- 
hältnisse gegründet  ist,  die  hei  uns  nicht  statt  finden. 

§•  10. 

Die  Vereinfachung  des  Regierens  ist  ein  Hauptzweck. 
Sie  besteht  aber  gar  nicht  blos  in  dem  eigentlichen  Abge- 
ben von  bestimmten  Verwaltungszweigen.  Denn  sobald  es 
andere,  als  Staatsbehörden  in  wirklich  lebendiger  Thätigkeit 
giebt,  so  sind  sie  (wenn  man  sie  auch  nicht  anordnend 
machte)  von  selbst  beaufsichtigend  und  vorschlagend,  und 
ersparen  daher  der  Staatsbehörde  einen  Theil  dieser  Wirk- 
samkeit. Allein,  wenn  dies  der  Fall  sein  soll,  müssen  sie 
nicht  blos  nach  oben  hin,  und  im  Gegensatz,  sondern  vor- 
züglich um  sich  her,  und  nach  unten  hin,  und  in  Verbin- 
dung mit  der  Staatsbehörde  beaufsichtigen  und  vorschlagen; 
und  wenn  nicht  einige  unter  ihnen  zugleich  verwallend  sind, 
wird  ihr  Beaufsichtigen  und  Vorschlagen  nie  recht  praktisch 
aus  dem  Bedürfniss  und  der  würklichen  Lage  der  Dinge 
hervorgehen,  und  der  sich  so  natürlich  einstellende  Kitzel 
zu  beaufsichtigen  und  vorzuschlafen,  nie  gehörig;  sein  Gegen- 
gewicht  in  genauer  Sachkenntniss,  und  richtigem  Gefühl  der 
Schwierigkeiten  des  Regierens  linden.  Alles  das  führt  aber 
auch  wieder  dahin,  dass  die  allgemeine  Standeversammlung 
auf  sich  immer   von    unten   an  verengenden  Stufen  anderer 

o 

ähnlicher  Institute  aufsteigen,  und  dass  ihr  belebendes  Prin- 
zip nicht  Lust  zum  Mitregieren  des  Ganzen,  sondern  achter, 
auf  Entbehrlichmachung  vielen  Regierens  durch  zweckmäs- 
siges Ordnen  der  einzelnen  Verhältnisse  gerichteter  Gemein- 
sinn sein  muss  —  die  einzige  wahre  Grundlage  des  innern 
Wohls  jedes  Staats. 


204 

ad  1. 
SV  11. 

Bei  diesem  Zweck  muss  man  gleich  einen  jetzt  sehr 
gewöhnlichen  Missverstand  aus  dem  Wege  räumen.  Man 
hört,  und  liest  noch  mein-,  jetzt  sehr  oft  Klagen  darüber, 
dass  das  \  olk  nicht  genug  Anlheil  an  Gegenständen  äusse- 
rer und  innerer  Politik  nimmt,  und  Wünsche,  dass  dies  In- 
teresse niöüe  geweckt,  befeuert  und  erhalten  werden.  Man 
kann  aber  dreist  behaupten,  dass,  wenn  dies  Interesse,  wie 
es  leider  gewöhnlich  vorhanden  ist  oder  gewünscht  wird, 
so  allgemein  und  ohne  feste  praktische  Grundlage,  gleich- 
sam in  der  Luft  schwebt,  sehr  wenig  an  demselben  gelegen 
ist,  ja  es  noch  auf  die  Umstände  ankommt,  ob  es  nicht 
geradezu  schädlich  genannt  werden  muss?  Denn  es  führt 
nur  zu  oft  von  gelingender,  mehr  beschränkter  Thätigkeil  zu 
unglücklichen  Versuchen  in  höheren  .Sphären.  Wie  dieser 
Antheil  gewöhnlich  ausgedrückt  wird,  fehlt  ihm  die  not- 
wendigste Bedingung,  die  nemlich,  dass  er  beim  Nächsten, 
dass  er  da  anfange,  wo  unmittelbares  Berühren  der  \  er- 
hältnisse  wirkliche  Einsicht  und  gelingendes  Einwirken  mög- 
lich macht;  ein  Punkt,  von  dem  an  er  sich  hernach,  solern 
er  nur  nicht  nothwendige  Stufen  überspringen  will,  zum 
Höchsten  und  Allgemeinsten  erheben  kann. 

s\  12. 

Das  Leben  im  Staat  hat  drei  Gattungen,  oder  wenn 
man  will,  Stufen,  der  Thätigkeit  und  Theilnahme  am  Gan- 
zen: das  passive  Fügen  in  die  eingeführte  Ordnung,  was 
jeder  Bewohner,  selbst  Schutzverwandter  oder  Fremder  thun 
muss;  die  Theilnahme  an  der  Gründung  und  Erhaltung  der 
Ordnung  aus  dem  allgemeinen  Beruf,  als  thäliges  Mitglied 
der  Slaatsgemeinschall,  was  das  eigentliche  Geschäft  des 
Staatsbürgers  ist;  die  Theilnahme  aus  besonderm  Beruf,  als 
Staatsdiener. 


205 

t  I-- 

Gerade  die  mittlere  Stufe  ist  seit  einer  langen  Reihe 
von  Jahren,  namentlich  recht  in  dem  Preußischen  Staat, 
obgleich  nicht  vielleicht  in  der  Mehrzahl  seiner  Provinzen, 
verlassen  worden;  aus  Ehrgeiz  und  Eitelkeit  hat  man  sich 
zur  höhern  gedrängt,  aus  Trägheit,  Sinnlichkeit  und  Egois- 
mus ist  man  zur  niedrigem  zurückgegangen.  Es  war  da- 
durch eine  hüchst  verderbliche  Gleich°ültiokeit  £,e°en  die 
Art  und  das  Verfahren  der  Regierung,  und  mit  ihr,  da  doch 
gewisse  Regierungsmassregeln  für  Person  und  Eigenthum 
nicht  gleichgültig  waren,  zugleich  Streben,  sich  durch  unge- 
setzmässige  Mittel  von  der  Folge  der  Gesetze  auszunehmen, 
entstanden;  und  jene,  wenn  auch  oft  missverstandene  Klage 
ist  an  sich  so  gegründet,  dass  jeder  vaterlandsliebende  Mann 
sie  nothwendig  theilen  muss.  Zugleich  —  und  dies  ist  na- 
türliche Folge,  zum  Theil  aber,  indem  es  aus  andern  Ursa- 
chen entstand,  auch,  wieder  Grund  jener  Gleichgültigkeit  — 
waren  die  Bande  lockerer  geworden,  durch  welche  der  Bür- 
ger, ausser  dem  allgemeinen  \  erbande,  Mitglied  kleinerer 
Genossenschaften  ist. 

Als  nun  durch  die  Französische  Revolution,  und  die 
sieb  aus  ihr  entwickelnden  Begebenheiten  die  Gemüther 
plötzlich,  aus  mehr  oder  minder  lauteren  Beweggründen  zur 
politischen  Thätigkeit  aufgeschüttelt  wurden,  so  flogen  sie, 
mit  L'ebcrspringung  alier  Mittelglieder,  der  unmittelbaren 
Theilnahme  an  den  höchsten  und  allgemeinsten  Reaierimos- 
massregeln  zu,  und  daraus  entstand  und  entstehet  noch, 
was  man  laut  missbiiligen,  von  sich  abwenden,  und,  wo 
man  kann,  niederdrücken  muss. 

§•  14. 
Es  ist  daher  nichts  gleich  nothwendig.  als  das  Interesse 
stufenweise  an  die  im  Staate  vorhandenen  einzelnen  kleinen 
Bürgergemeinheiten  zu  knüpfen,  es  dafür  zu  erwecken,  und 


206 

0 

dem   schon  überhaupt  an  Staatsbegebenheilen   vorhandenen 
diese  Richtung  zu  geben. 


§•  15. 

Dass  Sinn  und  Wesen  der  bei  uns  einzuführenden  Ver- 
fassung die  hier  geschilderten,  und  keine  andere  seyn  müs- 
sen, wird  auch  durch  die  Erwägung  der  Gründe  klar,  die 
zur  Einführung  selbst  veranlassen  und  bewegen.  Niemand 
kann  leugnen,  dass  dieselbe,  wie  gelinde  und  allmählig  sie 
auch  vorgenommen  werden  möge,  doch  eine  fast  gänzliche 
Umänderung  der  jetzt  bestehenden  Verwaltung  der  Monar- 
chie hervorbringt.  Zu  einer  solchen  Umänderung  muss  nicht 
blos  ein  wichtiger  Grund  vorhanden  sein,  sondern  man  kann 
mit  Recht  dazu  einen  solchen  fordern,  der  Notwendigkeit 
einschliessl,  die  überhaupt  ein  weil  sicherer  Leiter  bei  Staats- 
operationen ist,  als  das  blos  nützlich  Erachtete.  Dass  mit 
jeder  Einführung  einer  ständischen  Verfassung  eine  Entäus- 
serung  eines  Theils  der  Königlichen  Rechte  verbunden  ist, 
lässt  sich  nicht  ableugnen  ;  es  lässt  sich  auch  nicht  behaup- 
ten, dass  dies  nur  durch  Unterdrückung  der  ehemaligen 
Stände  unrechtmässig  erworbne  Rechte  seyen;  denn  einige 
Provinzen  befinden  sich  offenbar  gegenwärtig  in  gar  keinem 
Rechtsbesilz  von  Ständen,  und  es  ist  einleuchtend,  dass  alle 
jetzt,  dem  Wort  und  der  Thal  nach,  einen  consequenteren 
und  vollständigeren  Einfluss  auf  die  Angelegenheiten  der 
Nation  bekommen  werden,  als  sie  ehemals  besassen.  Eine 
solche  Entänsserung  kann  man  nun  nicht  ansehen,  als  der 
Regierung  durch  das  Volk  abgedrungen,  was  eine  faktisch 
unrichtige  und  in  sich  ungeziemende  Idee  seyn  würde; 
noch  als  durch  den  Zeitgeist  unabweisbar  gefordert,  was 
eine  verderbliche  und  im  Grunde  sinnlose  Phrase  ist,  da 
man   doch   nur   dem   vernünftigen   Zeilgeiste   folgen    könnte 


207 

und  man  alsdann  lieber  die  ihn  selbst  leitenden  Vernunft- 
gründe an  die  Stelle  dieses  unbestimmten  Wortes  setzt; 
noch  als  ein  der  Nation  zum  Lohn  ihrer  vaterländischen 
Anstrengungen  gemachtes  Geschenk,  da  eine  dergestalt  mo- 
tivirle  Verwilligung  dieser  Art  den  Pflichten  des  Königs 
entgegenliefe,  und  die  Nation  Recht  haben  könnte,  ein  so 
gefährliches  Geschenk  abzulehnen;  noch  als  eine  Erklärung, 
dass  die  Nation  nun  zur  Vertretung  ihrer  eignen  Rechte 
mündig  geworden  sey,  da  die  Mündigkeit  zu  ständischen 
Verfassungen  leicht  ehemals  grösser  als  jetzt  gewesen  seyn 
möchte,  weil  wenigstens  gewiss  in  vielen  Orten  ein  kräfti- 
gerer und  thätijrerer  Gemeinsinn  herrschte;  noch  endlich  ein 
gemachtes  Versprechen,  wenn  sich  dies  nicht  auf  noch  jetzt 
fortdauernde,  und  also  für  sich  selbst  redende  Gründe  stützte. 
Durch  nichts  von  Allem  diesem  kann  weder  von  dem  Kö- 
nig, noch  seinen  Ministern,  noch  selbst  von  dem  Volke  die 
Einführung  einer  ständischen  Verfassung  motivirt  werden, 
sondern  bloss  durch  die  innere  Ueberzeugung,  dass  eine 
solche  dahin  führen  wird,  dem  Staate  in  der  erhöhten  sitt- 
lichen Kraft  der  Nation,  und  ihrem  belebten  und  zweck- 
mässig geleiteten  Antheil  an  ihren  Angelegenheiten,  eine 
grössere  Stütze  und  dadurch  eine  sichrere  Bürgschaft  seiner 
Erhaltung  nach  aussen  und  seiner  innern  fortschreitenden 
Entwicklung  zu  verschaffen.  Dieses  Motiv  wird  entschei- 
dend, wenn  sich  zeigen  lässt,  dass  ständische  Einrichtungen 
zu  diesem  Zweck  unumgänglich  nothwendig  sind,  wie  denn 
dieses  in  der  That  hervorgeht  aus  der  Notwendigkeit,  un- 
ter den  verschiedenen  Provinzen,  ohne  Vernichtung  ihrer 
Eigentümlichkeiten,  Einheit  und  festen  Zusammenhang  zu 
schaffen,  aus  der  Gefahr,  den  Staat  bei  Unglücksfällen,  die 
immer  wiederkehren  können,  gewissermassen  blos  der  Ver- 
teidigung durch  physische  Mittel  zu  überlassen,  ohne  auf 
die    moralischen,    auf   schon    an   regelmässiges  Zusammen- 


208 

wirken  mit  der  Regierung  gewöhnte  Kraft  des  Volks,  die 
von  dem  blossen  guten  Willen  noch  sehr  wesentlich  ver- 
schieden ist,  rechnen  zu  können,  endlich  nus  der  immer  an- 
schaulicher werdenden  Gewissheit,  dass  das  blosse  Regieren 
durch  den  Staat,  da  es  Geschulte  aus  Geschälten  erzeugt, 
sich  mit  der  Zeit  in  sich  selbst  zerstören,  in  den  Mitteln 
immer  unbestreitbarer,  in  seinen  Formen  immer  hohler,  in 
seiner  Beziehung  auf  die  Wirklichkeit,  die  eigentlichen  Be- 
dürfnisse und  Gesinnungen  des  Volkes,  minder  entsprechend 
werden  muss. 

§.  IG. 
Hiernach  ist  nun  aber  auch  die  Einrichtung  selbst  zu 
machen.  Es  muss  nicht  einseitig  bezweckt  werden,  Stünde, 
als  Gegengewicht  gegen  die  Regierung,  und  diese  letztere 
wieder,  als  den  Einfluss  jener  beschränkend  zu  bilden,  und 
so  ein  Gleichgewicht  von  Gewalten  herauszubringen,  was 
oft  vielmehr  in  ein  unsichres  und  schädliches  Schwanken 
ausartet;  sondern  die  gesetzgebende,  beaufsichtigende,  und 
gewissermassen  auch  die  verwallende  Thäligkeit  der  Regie- 
rung muss  dergestalt  zwischen  Behörden  des  Staats  und 
Behörden  des  Volks,  von  ihnen  selbst,  in  seinen  verschie- 
denen politischen  Abtheilungen  und  aus  seiner  Mitte  gewählt, 
vertheilt  sevn,  dass  beide,  immer  unter  der  Oberaufsicht  der 
Regierung,  aber  mit  fest  gesonderten  Rechten,  sich  in  allen 
Abstufungen  ihres  Ansehens  zusammenwirkend  begegnen, 
dass  von  jeder  Seite  zum  höchsten  Punkt  der  Berathung 
über  die  allgemeinen  Angelegenheiten  des  Staats  nur  also 
gesichtete,  einander  schon  näher  getretene,  aus  dem  Leben 
der  Nation  selbst  gewonnene,  und  mithin  wahrhaft  praktische 
Vorschläge  gebracht  werden.  Es  kommt  nicht  blos  auf  die 
Einrichtung  von  Wahlversammlungen  und  bcrathenden  Kam- 
mern, es  kommt  auf  die  ganze  politische  Organisation  des 
Volks  selbst  an. 


209 

§.17. 
Dem  natürlichen  Gange  der  Dinge  nach,  wird  bei  Stän- 
den das  Prinzip  der  Erhaltung,  bei  der  Regierung  das  Be- 
streben der  Verbesserung  vorwaltend  sein,  da  es  immer 
schwer  hält,  dass  das  sich  kreuzende  Interesse  der  Einzelnen 
über  eine  Veränderung  zum  Schluss  komme,  und  rein  theo- 
retische Grundsätze  bei  Staatsbeamten  mehr  Eingang  finden. 
Wenn  sich  in  neueren  Zeiten  oft  das  Gegentheil  gezeigt  hat, 
und  die  gewaltsamsten  Neuerungen  gerade  von  der  Volks- 
behörde ausgegangen  sind,  so  hat  dies  nur  daran  gelegen, 
dass  entweder  sehr  grosse  Missbräuche,  die  laut  um  Abhülfe 
schrien,  vorhanden  waren,  oder  dass  die  Volksbehörden  nicht 
so  gewählt  und  so  gestellt  waren,  dass  das  eigentliche  bür- 
gerliche Interesse  der  verschiedenen  Gemeinheiten  der  Staats- 
bewohner in  ihnen  ihr  wahrhaftes  Organ  fand.  Stände,  auf 
die  oben  gezeigte  Weise  eingerichtet,  können  nicht  anders, 
als  erhaltend  wirken,  es  müsste  denn  die  nothwendige  Hin- 
wegräumung wahrer  Missbräuche  anfangs  einiges  Schwan- 
ken verursachen.  Erhaltung  aber  muss  immer  der  erste  und 
hauptsächlichste  Zweck  aller  politischen  Massregeln  bleiben. 


§•  18- 

Es  ist  eine  alte  und  weise  Maxime,  dass  neue  Massre- 
geln und  Einrichtungen  im  Staate  an  schon  vorhandene  ge- 
knüpft werden  müssen  damit  sie,  als  heimisch  und  vaterlän- 
disch, im  Boden  Wurzel  fassen  können. 

§.19. 

Nun  zeigt  sich  zwischen  den  vor  der  Französischen  Re- 
volution in  den  meisten  Europäischen  Staaten  bestandenen 
Verfassungen,  und  den  neuerlich  gebildeten  ein  merkwürdi- 
ger Unterschied.  Die  ersten,  die  man  mit  grösserer  oder 
geringerer  Beimischung  von  Lehnsinstituten,  ständische  nen- 
nen kann,  waren  aus  mehreren,  ehemals  fast  selbstsländig 
vu.  14 


210 

gewesenen  kleinen  politischen  Ganzen  zusammengesetzt,  die 
sich  bald  mit  Aufopferung  gewisser  Rechte,  an  grössere 
Ganze  freiwillig  angeschlossen  hatten,  theils  mit  Beibehal- 
tung gewisser  Rechte,  zusammengegossen  worden  waren. 
Die  neuesten  hatten  im  Grunde  (ausser  der  äussern  Form 
der  Englischen,  da  das  innere  Wesen  derselben  nachzuahmen 
unmöglich  ist)  die  Amerikanische,  die  gar  nichts  Altes  vor- 
fand, und  die  Französische,  die  alles  Alte  zertrümmerte, 
zum  Muster. 

§.  20. 

Dieser  Typus  darf,  wenn  man  den  Bürgersinn  wahrhaft 
beleben  und  erwecken  will,  nicht  angewendet  werden,  und 
er  ist  in  Deutschland  nicht  erforderlich,  da  noch  viel  Altes 
erhalten  ist,  was  nicht  umgestossen  zu  werden  braucht, 
selbst  nicht  ohne  zugleich  viel  tüchtigen,  sittlichen  Sinn  zu 
vernichten,  umgestossen  werden  kann.  Was  gerade  davon 
beibehalten  werden  soll,  muss  in  jedem  einzelnen  Falle  be- 
stimmt werden.  Allein  so  viel  lässt  sich  überhaupt  mit  Si- 
cherheit angeben,  dass  der  Sinn  jener  Verfassungen  im  All- 
gemeinen nicht  bloss  erhalten,  sondern  recht  eigentlich 
wiederhergestellt  werden  muss,  nemlich  dass  das  Ganze  der 
politischen  Organisation  aus  gleichmassig  organisirten  Thei- 
len  zusammengesetzt  werde,  indem  man  nur  dabei  die  alten 
Missbräuche  vermindert,  und  verhindert,  dass  diese  Theile 
sich  unrechtmässiger  Weise  Gewalt  anthun ,  dass  sie  mit 
einander  in  Widerstreit  stehen,  oder  wenigstens  zu  scharf 
abgegrenzt  sind  um  in  ein  Ganzes  zusammen  zu  schmelzen, 
der  persönlichen  Kraft  freie  Entwickelung  zu  gewähren  und 
die  Verfügung  über  das  Eigenthum  nicht  zu  sehr  zu  er- 
schweren. 

Mit  einem  solchen  Anschliessen  an  das  Alte  nun  stimmt 
die  im  Vorigen  von  der  zu  errichtenden  Verfassung  aufge- 
stellte Idee  überein. 


211 

§.21. 
Der  Geschäftskreis  der  ständischen  Behörden  im  Allge- 
meinen (denn  der  jeder  einzelnen  richtet  sich  natürlich  nach 
der  Ausdehnung  ihrer  hesondern  Thätigkeit)   begreift,   dem 
ausgeführten  allgemeinen  Zwecke  nach,  Folgendes  unter  sich: 

1)  Die  Uebernehmung  solcher  Geschäfte,   die,  als  Ange- 
.  legenheiten   der  einzelnen  politischen  Theile   der  Na- 
tion, nicht  eigentlich   zum  Ressort  der  Regierung  ge- 
hören,   sondern    nur    unter  ihrer   Oberaufsicht   stehen 
müssen. 

Welche  Grenzen  diese  verwaltende  Thätigkeit  haben 
muss,  kommt  weiter  unten  vor. 

2)  Die  Verbindlichkeit,  der  Regierung,  wo  sie  dazu  auf- 
gefordert werden,  Rath  zu  ertheilen,  und  die  Befug- 
niss  auch  unaufgefordert  Vorschläge  zu  machen. 

Ueber  die  Schranken   der  letzteren   wird  auch  erst 
in  der  Folge  geredet  werden  können. 

3)  Die  Erlheilung  oder  Verweigerung  ihrer  Zustimmung. 

4)  Das  Recht  der  Beschwerdeführung. 

§.  22. 
Der  dritte  Punkt  erfordert  offenbar  die  sorgfältigste  Er- 
wägung und  Bestimmung,  da  es  bei  ihm  eigentlich  darauf 
ankommt,  wie  viel  der  Landesherr  von  seinem,  sonst  allein 
ausgeübten  Rechte  nachgeben,  oder  mit  andern  Worten,  um 
wieviel    weniger  die  Verfassung  rein  monarchisch  sein  soll. 

Verweigerung  der  ständischen  Zustimmung. 

§.23. 
Eine  verfassungsmässige  Monarchie  kann  man  nur  die- 
jenige nennen,  welche  geschriebene  Verfassungsgesetze  hat. 
Ohne  solche  ist  es  überhaupt  sehr  schwer,  nur  den  Begriff 
einer  Monarchie  festzuhalten. 

14* 


212 

§.  24. 
Der  erste  Schritt  weiter  ist  es,  wenn  es  ausser  dem 
König  und  seinen  Behörden,  Behörden  der  Nation  giebt, 
welche  das  Recht  haben,  nach  gesetzmässiger  Berathschla- 
gung,  auszusprechen,  dass  eine  Massregel  der  Verfassung 
widerspricht.  Die  Beobachtung  der  Verfassung  unterliegt 
alsdann  dem  Urtheil  der  Nation;  es  sei  nun,  dass  der  Aus- 
spruch ihrer  Behörde  die  verfassungswidrige  Massregel,  auch 
wenn  der  Landesherr  darauf  bestände,  unverbindlich  für  die 
Nation  mache,  und  mithin  der  Landesherr  nicht  einseitig  die 
Verfassung  abändern  und  aufheben  könne;  oder  nicht. 

In  beiden  Fällen  aber  ist  alsdann  die  Autorität  der  Na- 
tionalbehörde nur  auf  Verletzungen  der  Verfassung  beschränkt. 
Was  innerhalb  der  Verfassung  geschehen  kann,  liegt  ausser- 
halb ihres  Wirkungskreises. 

§25. 
Der  zweite  Schritt  ist,  dass  die  ständischen  Behörden 
auch  solche  Massregeln,  welche  innerhalb  der  verfassungs~ 
massigen  Befugniss  liegen,  vorher  zu  beurtheilen  haben, 
ohne  dass  jedoch  der  Landesherr  an  ihre  Bestimmung  ge- 
bunden ist.  In  diesem  Falle  stehen  die  Landstände,  als 
blosse  Räthe,  den  Ministern  zur  Seite. 

§.26. 
Der  dritte  Schritt  weiter  ist,  dass  die  volksvertretenden 
Behörden  solche  Massregeln  durch  ihre  Missbilligung  kraft- 
los machen  können,  der  Regent  an  ihre  Zustimmung  ge- 
bunden ist,  und  ihm  dagegen  nur  das  Recht  ihrer  Auflösung, 
mit  Verbindlichkeit,  in  gewisser  Zeit  neue  zusammen  zu  be- 
rufen, zusteht. 

§.27. 
Dies  Recht   der  Entscheidung  lässt  in  sich  wiederum 
viele  Grade  der  Ausdehnung  zu,  je  nachdem  es  auf  alle  oder 
einige,  und  in  diesem  Fall  auf  mehr,   oder  weniger  Regie- 


213 

rungsmassregeln  beschränkt  ist,  und  je  nachdem  die  Erklä- 
rung der  Missbilligung  mehr  oder  weniger  Förmlichkeiten 
unterliegt. 

Wie  sehr  sich  aber  hierin  auch  der  Regent  beschränken 
möchte,  so  bleibt  die  Verfassung  immer  noch  wirklich  mo- 
narchisch; sie  geht  erst  in  eigentliche  Republik  über,  wenn 
dem  Regenten  das  Recht  der  Auflösung  genommen  ist,  und 
ihm  mithin,  auch  in  ihren  Personen,  von  ihm  unabhängige 
politische  Körper  gegenüberstehen. 

§.28. 

Im  Preussischen  Staate  bestehet,  in  Absicht  einzelner 
Provinzen,  sogar  der  dritte  Grad  verfassungsmässiger  Mo- 
narchie; in  Absicht  des  ganzen  Staats  kein  einziger. 

§.29. 

Der  erste  Grad  enthält  ein  blosses  Minimum  des  stän- 
dischen Rechts,  und  es  würde  höchst  unpolitisch  seyn,  Stände 
zu  berufen,  um  ihnen  so  wenig  einzuräumen. 

§.30. 

Es  wird  also  nur  auf  die  Beurtheilung  des  zweiten  und 
dritten  und  auf  die  Frage  ankommen,  ob  die  Stände  (hier 
dies  Wort  ganz  allgemein,  ohne  Unterscheidung  der  provin- 
ziellen oder  allgemeinen  genommen)  sollen  eine  blosse  be- 
rathende,  oder  eine  entscheidende  Stimme  haben?  und  ob 
sie  im  letzten  Fall  diese  sollen  bloss  durch  die  Erklärung, 
dass  die  vorgelegte  Massregel  verfassungswidrig  ist,  motivi- 
ren  dürfen,  oder  nicht? 

§.31. 

Die  Stände  bloss  zu  berathenden  Behörden  zu  machen, 
nimmt  dem  Institute  zu  viel  von  seiner  Würde  und  seinem 
Ernst.  Es  lässt  sich  zwar  dafür  sagen,  dass  die  Regierung, 
ohne  sich  die  Hände  ganz  zu  binden,  doch  die  Gründe  der 
Stände  hören,  aber  hernach  diese  Gründe  selbst  wieder  ih- 
rer  Beurtheilung    unterwerfen     will.      Allein    sie    erscheint 


214 

ängstlich,  indem  sie  dies"  ausspricht,  und  gewinnt  eigentlich 
sehr  wenig,  da  sie  immer  sehr  grosses  Bedenken  tragen 
wird,  eine  offenkundiger  Weise  gemissbilligte  Massregel 
dennoch  vorzunehmen.  Die  Fälle,  in  denen  sie  sich  hierzu 
bewogen  fühlte,  und  nicht  irgend  ein  andres,  weniger  auf- 
fallendes Mittel  zu  finden  wüsste,  werden  so  selten  seyn, 
dass  sie  wohl  eben  so  gut  und  ohne  gleich  grossen  Nach- 
theil, zur  Auflösung  der  dermaligen  Versammlung  schreiten 
könnte. 

§.  32. 
Das  Recht  der  Entscheidung  bloss  auf  verfassungswi- 
drige Massregeln  zu  beschränken,  liesse  sich  allerdings  wohl 
denken,  obgleich  die  Regierung  nicht  die  Möglichkeit  zuge- 
stehen kann,  dass  sie  je  solche  vorschlagen  werde.  Man 
könnte  der  Bestimmung  aber  immer  die  Form  einer  Ver- 
wahrung von  Seiten  der  Stände  geben.  Es  würde  dann 
vorzüglich  darauf  ankommen,  welche  Ausdehnung  die  zur 
Verfassung  gehörenden  Gesetze  erhielten?  Von  Steuern 
liesse  sich  in  diesem  Falle  höchstens  auf  die  Grundsteuer 
ein  ständischer  Einfluss  denken.  Denn  ausser  diesen  dürfte 
sich  schwerlich  weder  ein  Steuersatz,  noch  eine  Besteue- 
rungsart finden,  die  eine  gesetzliche,  für  alle  mögliche  Fälle 
auf  alle  Zeiten  hin  gültige  Festsetzung  erlaubte.  Die  be- 
sondre Natur  der  Grundsteuer  macht  es  aber  in  der  That 
möglich,  und  vielleicht  sogar  ralhsam,  ein  für  alle  Mal  über 
gewisse  Punkte  in  Rücksicht  auf  dieselbe  übereinzukommen, 
z.  B.  dass  sie  nur  nach  einer  gewissen  Reihe  von  Jahren, 
und  unter  gewissen  Modalitäten  umgeändert,  oder  einen  ge- 
wissen Satz  nicht  übersteigen  solle.  Diese  Beschränkung 
des  ständischen  Rechts  würde  aber  einen  Nachtheil  haben, 
der  höchst  verderblich  auf  den  Geist  der  ganzen  Berathung, 
und  des  Instituts  selbst  zurückwirken  könnte.  Die  Stünde 
würden  nehmlich  durch  diese  Einrichtung  veranlasst  weiden 


215 

wenn  nicht  durch  sophistische,  wenigstens  doch  durch  spitz- 
findige Gründe,  sehr  entfernt  liegende  Beziehungen  der  ge- 
machten Vorschlüge  mit  Verfassungsgesetzen  aufzusuchen, 
um  Verletzungen  derselben  darin  anzutreffen,  und  dadurch 
den  schlimmsten  Geist,  den  Stände  haben  können,  einen 
Sachwaltergeist  annehmen. 

§.33. 

Das  Natürlichste,  Einfachste  und  Zweckmässigste  scheint 
daher  immer,  den  Ständen  ein  wirkliches,  auf  die  Angemes- 
senheit der  ihnen  gemachten  Vorschläge  selbst  gegründetes 
Entscheidungsrecht  zuzugestehen,  und  dieses  auch  auf  alle 
eigentlichen  und  allgemeinen  Gesetze,  so  wie  auf  jede  Ver- 
änderung in  der  allgemeinen  Besteurung  auszudehnen;  zu- 
gleich aber,  um  der  Regierung  gehörige  Freiheit  und  Si- 
cherheit für  die  Ausführung  ihrer  Zwecke  zu  lassen,  den 
Begriff  der  Gesetze  und  die  Art  der  Steuerbewilligung  genau 
zu  bestimmen,  und  die  Form  der  auszusprechenden  Miss- 
billigung zu  erschweren. 

§.34. 

Der  Berathung  der  Stände  müssen  alle  Gesetze  vorge- 
legt werden,  welche  den  Rechtszustand  aller  Bürger,  oder 
einzelner  Classen  derselben  wesentlich  und  dauernd  be- 
zwecken. Dagegen  sind  nicht  als  Gesetze,  welche  der  Be- 
rathung der  Stände  unterliegen,  zu  betrachten,  alle,  wenn 
auch  allgemeine  Vorschriften,  welche  unmittelbar  zur  Aus- 
übung der  Verwaltungspflichten  der  Regierung  gehören,  wie 
z.  B.  die  Vorschrift,  dass  jeder,  der  eine  Erziehungsanstalt 
anlegen  will,  sich  einer  Prüfung  unterwerfen  muss,  dass 
Blatterkranke  von  der  Gemeinschaft  mit  Andern  abgesondert 
gehalten  werden  müssen,  und  noch  weniger  solche,  welche 
sich  auf  Personen,  die  freiwillig  mit  der  Regierung  einen 
Vertrag  eingegangen  sind,  wie  Staatsbeamte  in  ihren  Dienst- 
verhältnissen, beziehen. 


216 

§.  35. 

Immer  aber  bleibt  in  den  Bestimmungen  der  Grenze 
zwischen  demjenigen,  was  blosser  Befehl  der  Regierung  ist, 
in  dem  sie,  um  gehörig  verwalten  zu  können,  unabhängig 
seyn  muss,  und  dem  eigentlichen,  die  Zustimmung  der  Stande 
erfordernden  Gesetze  etwas  Schwieriges,  vorzüglich  in  der 
Anwendung  auf  einzelne  Falle,  das  sich  durch  eine  allge- 
meine Definition  kaum  wird  heben  lassen.  So  z.  B.  war  es 
ehemals  Katholiken  verboten,  sich  unmittelbar  mit  Gesuchen 
nach  Rom  zu  wenden.  Hütte  dieser  Fall  ständische  Zu- 
stimmung erfordert?  Auf  der  einen  Seite  fliesst  aus  dem 
unleugbaren  Rechte  der  Regierung,  die  \  erhältnisse  ihrer 
Unterthanen  zu  fremden  Autoritäten  zu  beaufsichtigen,  die 
Befugniss  die  Form  dieser  Aufsicht  festzustellen.  Auf  der 
andern  ist  es  ein,  die  Gewissensrechte  wesentlich  verändern- 
der Umstand,  wenn  jedes  solches  Gesuch  erst  der  weltli- 
chen, nicht  katholischen  Behörde  vorgelegt  werden  soll. 
Demnach  scheint  hier  das  Recht  der  Regierung,  allein  zu 
entscheiden,  stärker. 

§.36. 

Da  die  Vorschläge  bei  der  ständischen  Berathung  von 
der  Regierung  kommen  müssen,  so  fällt  die  Unterlassung 
der  Vorlegung  eines  Gesetzentwurfs  von  selbst  in  die  Ka- 
tegorie der  Beschwerden  der  Stände,  und  die  einseitig  ent- 
schiedene Angelegenheit  kommt  daher  auf  diese  Weise  doch 
zur  Berathung  in  der  Versammlung,  und  zur  Verantwor- 
tung der  Regierung. 

Steuer -Be  willigung. 

§.37. 
In  Absicht  der  Steuern   dürfte   die   Methode,   dass   die- 
selben   von   einer  Epoche    zur  andern   immer  neu  bewilligt 
werden  müssen,  nicht  einzuführen  seyn.     Fs  macht   die  Re- 


217 

gierung  zu  abhängig,  kann  gefahrliche  Stockungen  hervor- 
bringen, und  giebt  den  Standen  ein  Mittel  in  die  Hand,  die 
Regierung  unter  dem  Vorwande  der  Finanzen,  allein  in  der 
That  aus  ganz  andern  Gründen,  aufzuhalten  und  zu  necken. 
Diese  Taktik  aber,  und  die  Art  des  Krieges,  in  welchem, 
statt  offen  und  ernstlich  gemeinschaftlich  des  Landes  Wohl- 
farth  zu  berathen,  Regierung  und  Stände  sich  wechselseitig 
etwas  abzugewinnen  suchen,  muss  man  möglichst  verhüten. 

§.38. 
Es  scheint  vollkommen  genug,  wenn 

1)  jede  Massregel,  welche  den  jedesmaligen  Zustand  der 
Steuern,  oder  des  Aktiv-  oder  Passiv -Vermögens  des 
Staats  (wie  Veräusserungen  und  Darlehen)  verändert, 
den  Ständen  zur  Abgebung  ihrer  entscheidenden  Stimme 
vorgelegt  wird; 

2)  bei  der  ersten  Zusammenberufung,  die  Regierung  die 
Einnahmen  und  Ausgaben  des  Staats,  und  den  Zu- 
stand seiner  Schulden  den  Ständen  bekannt  macht, 
damit  sie,  sowohl  hierüber,  als  über  die  Natur  und 
Vertheilung  der  Abgaben  ihre  Bemerkungen  machen, 
und  die  Regierung  hierauf  ihre  Erklärung  abgeben,  oder 
Vorschläge  zu  Veränderungen  darauf  gründen  kann; 

3)  dasselbe  bei  jeder  neuen  Zusammenkunft  der  Stände 
wiederholt  wird,  damit  dieselben  sich  überzeugen,  dass 
die  Staatshaushaltung  nach  den  von  ihnen  genehmig- 
ten oder  doch  gehörig  vor  ihnen  gerechtfertigten  Grund- 
sätzen fortgeführt  worden  sei. 

§.39. 
In  Absicht  der  Form  der  auszusprechenden  Missbilli- 
gung eines  Gesetzvorschlages  könnte  bestimmt  werden,  dass, 
um  die  Zustimmung  zu  demselben  zu  bewirken,  die  abso- 
lute Mehrheit  der  Stimmen  genügen  sollte,  dahingegen,  um 
die  Nichtannahme  zu  begründen,  2/3  der  Stimmen  sich  gegen 


216 

den  Vorschlag  vereinigen  müssen.  In  der  That  ist  die  ab- 
solute Mehrheit  von  zu  vielen  zufälligen  Umstünden  abhan- 
gig, als  dass  sie  bei  einer  so  wichtigen  Angelegenheit,  wie 
die  erklärte  Missbilligung  eines  Gesetzvorschlages  von  Sei- 
ten der  Stände  ist,  für  entscheidend  angesehen  werden  könnte. 
Bei  der  Zustimmung  ist  es  hingegen  offenbar  anders,  indem 
ein  Gesetz,  über  welches  die  Regierung  mit  der  Mehrheit 
der  Deputirten  übereinkommt,  schon  ohne  darauf  zu  sehen, 
wie  gross  oder  wie  klein  diese  Mehrheit  ist,  ein  grösseres 
Gewicht  bei  der  öffentlichen  Meinung  haben  muss. 

§.40. 
Wollte  man  den  Ständen  ganz  und  gar  keine  andre, 
als  eine  berathende  Stimme  beilegen,  so  würde  es  besser 
seyn,  nur  bei  Provinzialständen  stehen  zu  bleiben  und  nie- 
mals allgemeine  zu  versammeln.  Zwar  würde  auch  dies  in 
ein  Labyrinth  von  Schwierigkeiten  führen;  allein  über  Ent- 
schlüsse, die  man  doch  auszuführen  e;esonnen  ist,  alleemein 
auszusprechende  Missbilligung  gleichsam  hervorrufen  zu  wol- 
len, kann  unmöglich  zweckmässig  genannt  werden.  Dass 
dagegen  Provinzialstände  über  allgemeine  Gesetze  keine  ent- 
scheidenden Stimmen  abgeben  können,  rührt  unmittelbar  aus 
ihrer  Natur  und  ihrer  Stellung  her. 

Recht  der  Beschwerdeführung. 

§.41. 
Auch    dies    Recht   lässt    verschiedne    Grade    zu.      1  >ie 
Stände  können: 

1)  bloss  die  Mängel  der  Verwaltung  anzeigen,  und  auf 
deren  Abhülfe  antragen; 

2)  oder  den  Landesherrn  ersuchen,  diejenigen  Minister  zu 
entfernen,  welchen  die  Fehler  der  Verwaltung  zur  Last 
gelegt  werden; 

-Î)  oder  endlich  die  Minister  in  Anklagestand  setzen 


219 

§.  42. 

Der  erste  Grad  ist  unbedenklicli  und  versteht  sich  von 
selbst.  Der  zweite  wäre  in  jeder  Art  gefährlich  und  ver- 
derblich. Das  Ministerium  kann  nur  collecliv,  und  als  ein 
unzertrennlicher  Körper  den  Ständen  gegenüberstehen,  und 
es  muss  strenge  darauf  gehalten  werden.,  dass  die  Stände 
nie  aus  diesem  Standpunkte  hinausgehen.  Ob  die  Stände 
das  Recht  der  Anklage  ausüben,  und  die  Minister  daher  ganz 
eigentlich  in  Verantwortlichkeit  gegen  sie  gesetzt  werden 
sollen,  ist  eine  Frage,  die  der  Landesherr  selbst  allein  ent- 
scheiden muss.  Gegen  die  Sache  ist  nichts  zu  sagen,  sie 
ist  vielmehr  unläugbar  heilsam.  Allein  diese  Befugniss  stellt 
die  Stände,  die  auch  einen  vom  Regenten  beschützten  Mi- 
nister angreifen  können,  in  eine  gewissermassen  imponirende 
Lage  gegen  ihn.  Auf  alle  Fälle  kann  ihnen  das  Recht  nicht 
bestritten  werden,  da,  wo  sie  solchen  Dienstvergehungen 
einzelner  Staatsbeamten  auf  die  Spur  kommen,  welche  ein 
peinliches  Verfahren  zulassen,  dieselben  namentlich  der  Re- 
gierung anzuzeigen,  und  nach  einem  durch  die  Mehrheit  ge- 
nommenen Beschluss,  auf  ordnungsmässige  Untersuchung  der 
Vergehungen  anzutragen. 

Dies  Letztere  würde  das  Einzige  sein,  was  unter  allen 
Umständen  die  Provinzialstände  thun  könnten.  Das  Recht 
in  Anklagestand  zu  versetzen,  könnten  sie  nie  üben,  da  es 
nur  gegen  den  geübt  werden  kann,  der  unter  einem  unver- 
letzlichen Obern  steht,  welcher  nie  zur  Verantwortung  ge- 
zogen werden  kann.  Jede  andre  untergeordnete  Behörde 
kann,  da  sie  ja  auf  Befehl  gehandelt  haben  könnte,  nur  bei 
ihrem  Obern  belangt  werden. 


220 

IL 

Bildung  und  Wirksamkeit  der  landständischen 
Behörden. 

§43. 
Drei  Arten  vom  Volke  bestellte  Behörden  scheinen,  ih- 
rer Wirksamkeit,  und  der  Art  ihrer  Einsetzung  nach,  noth- 
wendig  genau  unterschieden  werden  zu  müssen: 

1)  Vorsteher  von  Landgemeinen,  Städten  und  Kreisen, 

2)  Provinzial- 

3)  Allgemeine  Stände. 

§44. 

Die  Vorsteher  ländlicher  und  städtischer  Gemeinen  kön- 
nen bloss  verwalten,  was  im  Wesentlichen  in  der  Besorgung 
der  Privatangelegenheiten  ihrer  Gemeine  besteht. 

Die  allgemeinen  Stände  können  mit  der  Verwaltung 
gar  nichts,  sondern  allein  mit  der  Berathung  über  Gesetz- 
und  Geldvorschläge  zu  thun  haben. 

Die  Provinzialstände  verbinden  die  beiden  Attributionen, 
indem  sie  einestheils  die  Privatangelegenheiten  ihrer  Provinz 
besorgen,  anderntheils  in  Berathung  über  Provinzial-  und 
allgemeine  Gesetze  eingehen. 

§.45. 

Die  Wahl  der  Mitglieder  dieser  dreifachen  Behörden 
muss  vom  Volke,  nicht  die  der  einen  von  der  andern  aus- 
gehen. Hiervon  wird  weiter  unten  ausführlich  gehandelt 
werden. 

§46. 

Eigene  Amtsbehörden,  welche  der  Grundzüge  betitelte 
Aufsatz  verlangt,  würden  wohl  überflüssig  seyn,  allein  Kreis- 
Vorsteher  sind  nothwcndig,  weil  sonst  die  Kluft  zwischen 
den  Gemeinen  und  den  Provinzial-Ständcn  zu  gross  ist. 


221 

Kreisstände  scheinen  die  Verhältnisse  unnützer  Weise 
zu  vervielfältigen.  An  der  Berathung  über  Gesetze  könnten 
sie,  als  solche,  dennoch  keinen  Antheil  nehmen,  sondern 
müssten  sich  bloss  auf  die  Besorgung  der  Kreisangelegen- 
heiten beschränken.  Sie  würden  daher  immer  nur  zur  er- 
sten Art  der  Behörden  gehören.  Kommen  gemeinschaftliche 
Angelegenheiten  eines  Kreises  vor,  die  zu  partikular  sind, 
um  vor  die  Pro vinzialstände  gebracht  zu  werden;  so  hindert 
nichts,  dass  die  Vorsteher  der  Kreisgemeinen  durch  Dele- 
girte  aus  ihrer  Mitte  zu  einer  solchen  Berathung  zusammen- 
treten. Man  könnte  zwar  auch  Kreisstände  wählen  und  diese 
sich  hernach  zu  Provinzial-Ständen  vereinigen  lassen.  Allein 
dabei  wäre  immer  zu  getheiltes  Interesse,  und  zu  partikuläre 
Ansicht  zu  besorgen. 

§.47. 

Wenn  die  Provinzial-Stände  die  Besorgung  der  Ange- 
legenheiten ihrer  Provinz  mit  dem  eigentlich  ständischen 
Geschäft,  Beaufsichtigung  und  Berathung,  verbinden  sollen, 
so  müssen  sie  zu  jener  einen  beständigen  und  von  ihnen 
sichtbar  getrennten  Ausschuss  haben,  zu  welchem  sie  in  ih- 
rer Gesammtheit  sich  wieder,  wie  die  berathende  und  be- 
aufsichtigende Behörde  zur  bloss  verwaltenden  verhalten. 
Sie  müssen  beschliessen,  er  ausführen.  Der  Ausschuss  ge- 
hört alsdann,  als  solcher,  zur  ersten  Gattung  ständischer 
Behörden,  und  es  fällt  nun  die  von  Hr.  von  Vincke  gegen 
das  Verwalten  ständischer  Behörden  überhaupt  gemachte 
Einwendung  weg,  dass  die  von  den  Staatsbehörden  unab- 
hängigen Stände,  so  wie  sie  verwalten,  von  diesen  Staats- 
behörden beaufsichtigt  werden  müssen.  Denn  diese  aller- 
dings nothwendige  Aufsicht  würde  nunmehr  nur  über  den 
Ausschuss,  nicht  über  die  Versammlung  selbst  ausgeübt. 
Es  kann  auch  nur  so  Vermischung  der  Geschäfte  vermieden 
werden. 


222 

§.48. 
Dass  die  allgemeinen  Stünde  nicht  verwalten  können, 
ist  natürlich,  weil  es  keine  Privatangelegenheiten  des  gan- 
zen Staats  geben  kann,  wohl  aber  Angelegenheiten  eines 
Theils,  die  gegen  die  des  Ganzen,  besondre  sind.  Die  Ver- 
waltung der  Angelegenheiten  des  Ganzen  kann,  wenn  nicht 
alle  Begriffe  vermischt  werden  sollen,  nur  in  den  Händen 
der  Regierung  ruhen.  Selbst  wo  diese  einzelne  Zweige  da- 
von delegiren  wollte,  müsste  es  immer  bei  ihr  stehen,  sie 
wieder  zu  jeder  Zeit  zurückzunehmen.  Dagegen  können 
die  allgemeinen  Stände  wohl  bei  der  Verwaltung  da,  wo  es 
die  Natur  des  Gegenstandes  erlaubt,  verwahrend  eintreten, 
und  so  scheint  es  gut,  Delegirte  der  Stände  den  für  das 
Schuldenwesen  des  Staats  eingesetzten  Behörden  beizuordnen. 

Untergeordnete  ständische  Verwaltungs- 
Behörden. 

§.49. 
Die  Gegenstände,  welche  der  Verwaltung  ständischer 
Behörden  übergeben  werden  können,  sind  in  einem  der  an- 
liegenden Aufsätze  schon  sehr  vollständig  angegeben.  Der 
allgemeinen  Natur  der  Gegenstände  nach  lassen  sich  haupt- 
sächlich folgende  drei  unterscheiden: 

1)  Angelegenheiten,  welche  ganz  eigentlich  Privatsache 
der  Gemeine,  Stadt  oder  Provinz  sind,  und  wobei  der  Staat 
nur  Oberaufsicht  oder  Obervormundschaft  ausübt,  wie 

die  Verwaltung  des  Vermögens,   und  alles   was   dahin 

einschlägt; 
einen  grossen  Theil  derjenigen  Polizei,  die  Schaden  ab- 
zuwenden bestimmt  ist; 
einige  der  möglicherweise  vorkommenden,  gemeinnützi- 
gen Einrichtungen,  wie  Anlegung  von  Chausseen  auf 
Kosten  der  Provinz  u.  s.  f. 


223 

Bei  dieser  Klasse  von  Geschäften  muss  der  Staat  den 
Behörden  die  Besorgung  ganz  überlassen,  und  sich  begnü- 
gen, bloss,  wo  es  nöthig  ist,  negativ  mitzuwirken. 

2)  Angelegenheiten,  die  einen  Charakter  an  sich  tragen, 
der  sie  mehr  zur  Sache  des  ganzen  Staats  macht,  wie  Kir- 
chen und  Schulen,  Armen-,  Straf-,  Kranken-Anstalten. 

Hier  muss  der  Staat  auch  positiv  hinzutreten;  es  muss 
gänzlich  von  ihm  abhängen,  wie  viel  oder  wenig  er  die  Be- 
sorgung hier  aus  den  Händen  geben  will;  und  es  muss  nur 
nach  der  Ortsbeschaffenheit  modifizirte  Verwaltungsmaxime 
seyn,  die  ständischen  Behörden  hierfür  so  viel,  als  nur  im- 
mer möglich,  zu  interessiren. 

3)  Angelegenheiten,  welche  die  Regierung,  ohne  dass 
sie  an  sich  diese  oder  jene  Provinz  besonders  angehen,  den 
Ständen  mit  ihrer  Bewilligung  aufträgt,  wie  z.  B.  die  Anle- 
gung grosser  Communications- Chausseen  gegen  Gestattung 
der  darauf  zu  legenden  Abgabe,  oder  gegen  Herschiessung 
der  Kosten  selbst  aus  den  Staatseinkünften. 

§.50. 

Insofern  die  Provinzialversammlung,  worunter  hier  im- 
mer die  eines  Ober-Präsidial-Bezirks  verstanden  wird,  ihre 
eigene  Verwaltung  beaufsichtigend,  nicht  Gesetzvorschläge 
berathend  wirkt,  können  Gegenstände  vorkommen,  welche 
nicht  alle  in  ihr  vereinigte  Präsidialbezirke,  sondern  nur  Ei- 
nen betreffen.  Alsdann  können  die  Deputirten  von  diesem 
allein  zusammentreten,  und  dies  kann  gleichfalls  geschehen, 
ohne  dass  gerade  die  ganze  Versammlung  zur  nemlichen 
Zeit  vereinigt  ist  Dies  setzt  aber  voraus,  dass  der  Aus- 
schluss dieser  letztern,  zu  verhältnissmässiger  Anzahl,  von 
Mitgliedern  der  einzelnen  Präsidialbezirke  zusammengesetzt 
sei,  damit  sich  dieser  Ausschuss  eben  so,  wie  die  Versamm- 
lung selbst  theilen,  und  auch  eben  so  allein  handeln  könne. 


224 

§.51. 

Auf  diese  Weise  scheint  es  am  besten  möglich,  den 
Widerspruch  zu  vereinigen,  dass  für  die  Verwaltung  Präsi- 
dialbezirks-Versammlungen,  für  den  Antheil  an  der  Gesetz- 
gebung Ober-Präsidialbezirks- Versammlungen  angemessener 
scheinen.  Wird  die  Einrichtung  so  getroffen,  so  kann  man 
sagen,  entweder,  dass  die  Präsidialbezirksversammlungen 
sich  zu  einer  Ober-Präsidialbezirksversammlung  vereinigen, 
oder  diese  sich  in  jene  theilt,  und  die  Unterscheidung  bei- 
der Fälle  ist  keine  theoretische  Spitzfindigkeit,  da  es  allemal 
praktische  Folgen  hat,  ob  man  die  Sache  von  unten  herauf, 
oder  von  oben  hinunter  anfängt.  Das  Erstere  scheint  zweck- 
mässiger. 

§.52. 

Bei  den  ad  2  und  3  genannten  Gegenständen  wird  bis- 
weilen von  der  Regierung  beabsichtigt,  Ausgaben  von  sich 
ab,  auf  die  Gemeinen  und  Provinzen  zu  wälzen.  Dies  hat 
aber  nur  alsdann  Nutzen,  wenn  die  Ausgabe  auf  diese  Weise 
in  sich  verringert  wird,  weil  Gemeine,  oder  Provinz  wohl- 
feiler zum  Ziele  kommen.  Sonst  ist  es  ein,  bloss  die  Üeber- 
sicht  der  Abgaben  und  Volkslasten  erschwerendes  Blendwerk. 

§.  53. 

Alle  Verwaltung  der  ständischen  Behörden  muss  unter 
Aufsicht  des  Staats  geschehen.  Allein  diese  muss  nicht  in 
Bevormundung  bei  jedem  Schritte  des  Geschäfts,  sondern 
in  Einführung  strenger  Verantwortlichkeit  bestehen.  Sind 
diese  Behörden  dem  beständigen  Berichterfordern,  Vor- 
schreiben und  Verweisen  der  Regierung  ausgesetzt,  so  will 
niemand,  der  sich  ein  wenig  fühlt,  mit  dem  Geschäfte  zu 
thun  haben,  und  der  Geist  und  Sinn  der  Einrichtung  geht 
verloren.  Da  es  minder  untergeordnete  Stufen  solcher  Be- 
hörden giebt,  so  kann  die  Regierung  sich  an  die  höchste 
halten,  und  ihr  Geschäft  dadurch  sehr  vereinfachen.    Da  es 


225 

auch  jedem  Einwohner  freisteht,  bei  der  höhern  Behörde 
über  die  untere  Beschwerde  anzubringen,  und  diese  Be- 
schwerden immer  mehr  werden  angebracht  werden,  je  mehr 
der  Gemeinsinn  erwachen  wird,  da  jetzt  viele  lieber  Unrecht 
geschehen  lassen,  als  sich  die  Mühe  geben,  es  zu  rügen,  so 
wird  die  Controlle,  wie  die  Verwaltung,  mehr  von  dem 
Bürger  selbst  geübt,  und  das  Geschäft  der  Regierung  ent- 
behrlicher werden. 

§.54. 

Die  Aufsicht  des  Staats  auf  jede  dieser  Iandstiindischen 
Behörden  wird  natürlich,  nach  ihren  verschiedenen  Abstu- 
fungen, durch  die  ihr  gegenüberstehende  Abstufung  der  Re- 
gierungsbehörden ausgeübt.  Der  Landralh  berücksichtigt 
die  Kreisbezirke,  die  Regierung  den  Ausschuss  der  Provin- 
zialversaminlung,  insofern  er  ihrem  Präsidialbezirk  angehört, 
das  Oberpräsidium  diesen  Ausschuss  in  seinem  Ganzen. 

§.  55. 

Die  Landräthe  wurden  ehemals  in  den  östlichen  Preus- 
sischen  Provinzen  mehr  als  Behörden  angesehen,  welche 
ihren  Kreis,  der  sie  selbst  wählte,  bei  der  Regierung  ver- 
treten sollten,  als  wie  solche,  die  ganz  und  ausschliessend 
ihre  Beamten  waren.  Sie  hatten  daher  fast  keine  Besol- 
dung, und  mussten  im  Kreise  angesessen  seyn.  Das  letz- 
tere hat  in  den  westlichen  Provinzen  ganz  aufgehört,  und 
alle  Landräthe  werden  jetzt  bloss  als  Delegirte  der  Regie- 
rungen angesehen,  mit  Arbeiten  überhäuft  u.  s.  f.  Es  ver- 
dient Ueberlegung,  ob  nicht  die  landständische  und  Rcgie- 
rungskreisbehörde,  zu  meiner  Vereinfachung,  dergestalt  in 
der  Person  des  Landralhs  vereinigt  werden  könnte,  dass 
derselbe  hauptsächlich  von  dem  Kreis,  wenn  auch  unter 
Mitwirkung  der  Regierung  durch  Auswahl  aus  mehreren 
Vorgeschlagenen,  gewählt  würde,  zugleich  aber  die  Ge 
schäfte  der  Regierung  besorgte.  Der  Nachtheil  dabei  aber 
vir.  15 


226 

dürfte  vermuthlich  der  seyn,  dass  beide,  Regierung  und 
Land,  darin  zu  wenig  eine  ihnen  angehörige  Behörde  fän- 
den. Da  aber,  wo  die  Landrälhe  noch  mehr  in  ihrer  ehe- 
maligen Kategorie  fortdauern,  liesse  sich,  um  das  Neue  dem 
Alten  anzupassen,  hierüber  doch  vielleicht  wegsehen.  Sonst 
müsste,  nach  dem  neuen  Plan,  der  Landrath  bloss  eine 
Staatsbehörde  seyn,  und  ihm  die  ständische  des  Kreises 
respektive  zu-  und  untergeordnet  werden.  In  diesem  Falle 
würde  es  weniger  eine  nothwendige  Bedingung,  als  eine 
nützliche  Regierungsmaxime  seyn,  dass  er  allemal  auch  in 
dem  Kreise  angesessen  seyn  müsste. 

§.56. 

Die  erste  und  nothwendige  Grundlage  der  ganzen  land- 
sländischen  Verfassung  ist  daher  die  Einrichtung  der  Ge- 
meinen, der  ländlichen  und  städtischen.  Ueber  diese  enthält, 
vorzüglich  im  Aligemeinen,  und  ohne  auf  die  speziellen  Un- 
terschiede beider  einzugehen,  der  Aufsatz,  welcher  von  Nas- 
sau, den  10.  October  1S15  dalirt  ist,  alle  Hauptgrundsätze. 
Vorzüglich  ist  die  dort  allgemein  aufgestellte  Formel  richtig, 
erschöpfend,  und  klar  und  bestimmt  gefasst.  Eben  so  ist 
auch  das  über  die  Gemeincglieder,  ihre  Vorsteher,  die  Ein- 
setzung und  den  Geschäftskreis  derselben  Gesagte. 

§.57. 

Wenn  es  jedoch  heisst,  dass  die  Gemeineglieder  nicht 
bloss  Eingesessene,  sondern  auch  Angesessene  seyn  müssen; 
so  scheint  dies  in  Absicht  der  städtischen  Gemeinen  doch 
eine  Modifikation  erleiden  zu  müssen,  wenn  man  nicht  dem 
Besitz  eines  Grundstücks  einen,  der  Natur  des  städtischen 
Gewerbes  unangemessenen  Werth  beilegen  will.  Es  scheint 
hier  zuerst  auf  das  Gewerbe  anzukommen.  Ist  es  im  eigent- 
lichsten Verstände  eine  Ackerstadt,  oder  ist  sie  es  wenig- 
stens zugleich,  so  ist  für  diejenigen,  welche  nichts  anderes, 
als  Ackerbau,  treiben,  auch  nolhwendig,  dass  sie  angesessen 


227 

sind,  da  hier  das  Gewerbe  unmittelbar  an  der  Scholle  klebt. 
Allein  bei  den  übrigen,  nicht  auf  so  fixen  Verhältnissen  be- 
ruhenden Gewerben,  müssen  andere  Normen  eintreten. 

§:  58. 

Es  ist  in  den  Randanmerkungen  zu  den  Gruiitfzügen 
sehr  richtig  bemerkt,  dass  es  überhaupt  gut,  und  tief  ein- 
wirkend auf  alle  städtische  Verfassungen  seyn  wird,  diesel- 
ben nicht  nach  dem  blossen  Wohnen  in  diesem  oder  jenem 
Quartier,  sondern  nach  Corporationen  zu  bestimmen.  Glie- 
der der  Gemeinde  wären  nur  die  Glieder  von  Corporatio- 
nen, und  keine  andere.  Diese  Corporationen  müssen  eine 
vernünftige  Gewerbefreiheit  nicht  aufheben,  sie  dürften  über- 
haupt nicht  mit  den  Zünften  verwechselt  werden.  Dies 
Letztere  würde  auf  jede  Weise  unstatthaft  seyn.  Die  Cor- 
porationen sollen  ein  politisches  Mittel  seyn,  die  städtische 
Gemeine  in  Classen  von  Individuen  abzutheilen,  welche  sich 
in  ihrer  Handthierung  und  den  Resultaten  derselben  in  ähn- 
lichen Verhältnissen  befinden.  Diese  Abtheihmg  soll  zum 
Behuf  der  Besorgung  des  städtischen  Interesses  und  nach 
dem  Grundsatz  geschehen,  dass  Theilnahme  an  einem  klei- 
nen, bestimmt  ahgeschiednen  Körper  den  Bürgersinn  und 
die  Moralität  mehr,  als  einzelnes  Handeln  in  einer  grossem 
Masse  vermehrt.  Die  Zünlte  sollen  die  Güte  und  Ehrlich- 
keit des  Gewerbes  sichern  und  bekunden.  Aus  diesem  ganz 
verschiednen  Zweck  folgen  natürlich  auch  verschiedne  Grund- 
sätze über  die  Regeln  der  Zusammensetzung  dieser  beiden 
Arten  von  Genossenschaften,  und  die  Zulassung  zu  densel- 
ben. In  die  Zünfte  muss  man,  wenn  man  nicht  die  Freiheit 
der  Gewerbe  vernichten  will,  jeden,  der  hinreichende  Ge- 
schicklichkeit, den  nölhigen  Vorschüsse  und  einen  nicht  of- 
fenbar anstössigen  Charakter  besitzt,  aufnehmen;  zur  Zulas- 
sung zu  den  Bürger-Corporationen  kann  dies  natürlich  nicht 
genügen.     Eben   so    müssen   die  Zünfte   sich  in    sehr  viele 

15* 


228 

Zweige  theilen,  weil  der  Eintheilungsgrund  die  Verschie- 
denheit der  Gewerbe  ist;  bei  den  Bürger- Corporationen 
wiire  dagegen  die  einfachste  Eintheilung  die  beste. 

§.59. 

Die  natürlichste  scheint  die  in  diejenigen,  welche  Land- 
bau, Handwerke  und  Handel  treiben.  In  grossen  Städten 
dürfte  es  zweckmässig  seyn,  die  letztern  wieder  nach  dem 
Unterschied  des  Details-  und  Grosshandels  abzusondern.  Ob 
Fabrikanten  in  so  hinreichender  Anzahl  vorhanden  sind,  dass 
sie  eine  eigene  Corporation  bilden  müssen,  oder  ob  man  sie 
den  Kaufleuten  anschliessen  kann?  lässt  sich  nur  nach  den 
Ortsverhältnissen  beurtheilen.  In  Einer  Corporation  ausser 
jener,  müsste  man  alle  übrigen  Bürger  vereinigen. 

Der  Grundzüge  betitelte  Aufsatz  fügt  den  obengenann- 
ten Classen  nur  noch  Gelehrte  und  Künstler  hinzu,  und  über- 
geht  also  viele  Individuen,  die  nichts  von  dem  allem  sind. 
Ueberhaupt  aber  hüte  man  sich  ja,  die  Gelehrten  unmittel- 
bar, als  solche,  als  politische  Classe  handeln  zu  lassen. 

§.60. 

Der  Adel,  wie  zahlreich  er  auch  in  einer  Stadt  seyn 
möchte,  müsste  darin  keine  besondere  Classe  bilden  wollen. 
Wo  er  etwas  ihm  Eigenthümliches  geltend  machen  will, 
muss  er,  als  Landbesitzer  und  Landbewohner,  erscheinen. 
In  der  Stadt  gehört  er  in  die  allgemeine  gemischte  Klasse. 

§.61. 

Die  Genossenschaft  in  der  Corporation  müsste  abhän- 
gen von  dem  Vermögen  oder  erweislichen  Erwerb ,  dem 
unbescholtenen  Ruf,  der  Herkunft  aus  dem  Orte,  oder  einem 
von  dem  Zeitpunkte  der  gemachten  Erklärung,  dass  man  zu 
ihr  gehören  wolle,  an,  ununterbrochenen  fortgesetzten  Aufent- 
halte. In  wiefern  Erwerbung  eines  Grundstücks  die  letzte 
Bedingung  erleichtern  könnte,  wäre  eine  besonders  zu  er- 
wägende Frage. 


229 

§.62. 

Eine  solche  Unterscheidung  der  Corporationen  lässt  sich 
nur  in  Städten  von  beträchtlicher  Grösse  denken.  In  den 
meisten  würde  der  Fall  eintreten,  dass  eine  oder  die  andere 
zu  wenig  zahlreiche  Classe  der  andern  beitreten  müsste. 
Allein  die  Bedingungen  der  vollen  Bürgerrechte  würden  im- 
mer, wenn  auch,  wie  in  blossen  Ackerstädten,  nur  Eine 
Klasse  vorhanden  wäre,  dieselben  seyn,  welche  den  Beitritt 
des  Individuums  zu  der  ihm  eigenen  Corporation  erfordern 
würde.  In  dem  von  Vinckeschen  Aufsatz  ist  als  eine  be- 
deutende Schwierigkeit  erwähnt,  dass  bei  dem  jetzigen  Ver- 
fall der  Städte,  viele  sich  nicht  mehr  von  ländlichen  Ge- 
meinen unterscheiden.  Sollte  indess  hierin  ein  grosses  Hin- 
derniss  liegen?  Die  Gemeineordnung  lässt  sich  leicht  so 
einrichten,  dass  sie  in  diesen  Fällen  auf  beide  passt,  und 
einige  Eigenthümlichkeit  bewahren  auch  die  kleinsten  Städte 
schon  dadurch,  dass  sie  gewöhnlich  andere  Rechte  und  an- 
dere Gattungen  des  Gemeineeigenthums,  auch  in  der  Regel 
mehr  desselben,  als  das  platte  Land  haben,  woraus  denn 
natürlich  auch  Unterschiede  in  der  Verwaltung  nöthig  werden. 

§.63. 

Im  Preussischen  ist  in  der  Städteordnung  eine  Gemeine- 
einrichlung  vorhanden,  die  jetzt  nur  isolirt  dasteht. 

§.64. 

So  richtig  auch  die  in  dem  oben  erwähnten  Aufsatze 
aufgestellte  Formel  über  die  Gemeineeinrichtungen  ist,  so 
wird  ihre  Anwendung  doch  in  mehreren  alt  Preussischen 
Provinzen  grosse  Schwierigkeit  finden,  in  welchen  die  Ritter- 
gutsbesitzer jetzt  allein  die  Obrigkeit  ausmachen,  und  die 
Gemeine  bloss  gehorcht,  und  wo  auch  das  Rittergut  ungleich 
mehr  Acker,  und  mit  ganz  andern  Rechten,  als  irgend  ein 
andres  Mitglied  der  Gemeine  besitzt.  Den  Rittergutsbe- 
sitzern   diese    obrigkeitliche  Befugniss  zu   nehmen,    scheint 


230 

weder  billig  noch  zweckmässig.    Dagegen  die  Gemeine  ganz 
davon  auszuschliessen,  eben  so  wenig  rathsam. 

§•  65. 
Vielleicht  liesse  sich  hierin  dadurch  ein  Mittelweg;  ein- 
schlagen,  dass 

1)  für  alles  dasjenige,  was  besonderes  und  abgeschlos- 
senes Interesse  und  Eigenthum  der  Gemeine,  ausser  dem 
Rittergutsbesitzer  ist,  diese  einem  aus  ihrer  Mitte  die  Be- 
sorgung und  Verwaltung  übertrüge.  In  sehr  vielen  und  den 
meisten  Fällen  dürfte  aber  sehr  wenig  oder  nichts  von  die- 
ser Art  vorhanden  seyn. 

2)  die  Gemeine  bei  Ernennung  eines  Schulzen  durch 
den  Hiltergutsbesitzer  ein  Widerspruchsrecht  ausüben  könnte, 
über  das,  wenn  man  sich  in  einem  Falle  nicht  einigen 
könnte,  der  Landrath  entschiede. 

3)  dass,  wo  es  das  Verhältniss  nur  immer  erlaubte,  der 
Rittergutsbesitzer  mehr  als  die  beaufsichtigende  Behörde  be- 
handelt würde,  und  als  in  einem  ähnlichen  Falle  zur  Ge- 
meine stehend,  wie  der  Landrath  zu  dem  Kreise. 

§.  (30. 
Noch  schwieriger  wird  die  Entscheidung  da,  wo  das 
gutsherrliche  Verhältniss  ehemals  bestand,  aber  durch  da- 
zwischen getretene  fremde  Herrschaft  aufgehoben  worden 
ist.  Soll  man  es  wieder  herstellen,  oder  nicht?  In  einigen 
Orten  ernennt  jetzt  der  Landrath  den  Schulzen,  in  andern 
die  Gutsherrschaft,  in  andern  ist  das  Verhältniss  schwan- 
kend. Doch  nennt  ihn  (von  Berlin  aus)  diesseits  der  We- 
ser, die  Gemeine  nirgends.  Im  Allgemeinen  lässt  sich  wohl 
sagen,  dass  die  Ernennung  durch  den  Landrath  immer  un- 
statthaft scheint.  Sie  hat  zwar  jetzt  zum  Grunde,  dass  der 
Landrath  den  Schulzen  als  die  Unterbehörde  ansieht,  deren 
er  sich  bedienen  muss.  Allein  in  der  neuen  Verfassung" 
würde  ein  grosser  Theil  der  Wirksamkeit  des  Landraths  an 


231 

die  Kreisbehörde  übergehen,  und  dann  würde  es  vielleicht 
rathsam  seyn,  dieser  zwar  kein  Ernennungs-  aber  ein  Be- 
stätigungsrecht der  Schulzen  zu  ertheilen.  Der  Landrath, 
als  die  beaufsichtigende  Behörde,  dürfte  nur  dasjenige  haben, 
die  Entfernung  eines  untüchtig  Befundenen  zu  verlangen. 

§.67. 

Wo  sich  aber  das  Verhällniss  dergestalt  verändert  hätte, 
dass  die  Ackervertheilung  gar  nicht  mehr  wesentlich  die- 
selbe wäre,  auch  die  Einwohner,  ausser  dem  Rittergutsbe- 
sitzer, nicht  mehr  bloss  aus  selbst  ihren  Acker  bauenden 
Personen  bestände,  da  ist  Ernennung  durch  die  Gemeinde 
der  Herstellung  der  alten  gutsherrlichen  Rechte  bei  weitem 
vorzuziehen.  Denn  sie  ist  immer  die  vollkommenere  und 
bessere  Form,  die  nur  nicht  da  eingeführt  werden  muss,  wo, 
weil  seit  lange  die  entgegengesetzte  besteht,  sie  ungerecht 
und  selbst  kaum  natürlich  seyn  würde. 

§.68. 

Hierher  gehört  auch  die  ganze  Frage  von  den  gesetz- 
lichen Schranken,  die  der  Veräusserung,  Vererbung  und 
Vertheilung  bäuerlicher  Grundstücke  zu  setzen  sind.  Die 
Aufhebung,  da,  wo  sie  bestehen,  wäre  auf  jeden  Fall  un- 
zweckmässig. Ihre  Herstellung,  wenn  sie  aufgehoben  wären, 
würde  im  eigentlichen  Verstände  der  Gegenstand  der  Bera- 
thung  der  Provinzialversammlungen  da  seyn,  wo  der  Fall 
vorkäme.  Der  Staat  hat  offenbar  bei  der  Wiederherstellung 
Interesse,  und  erhält  sich  von  allem  Vorwurf  gewaltsamer 
Rückwirkung  frei,  wenn  er  der  Meinung  der  Mehrheit  in 
der  Provinz  selbst  folgt. 

§.  69. 

Ein  wichtiger  Punkt  ist  noch  der,  dass  alle  Verwaltung 
des  Communalinteresses,  so  viel  es  nur  immer  möglich  ist, 
unentgeldlich  geschehen  muss.  Dies  ist  nicht  allein  noth- 
wendig,  um  Aufwand  zu  vermeiden,   sondern  ganz  Vorzug- 


232 

lieh,  um  den  Geist  der  Einrichtung  in  seiner  Reinheit  zu 
erhalten.  Nur  die  allerniedrigsten  Bedienten,  wie  Boten  u. 
s.  w.  müssen  für  ihre  Zeit  entschädigt  werden.  Sonst  würde 
sich  die  unentgeltiche  Verwaltung  wohl  durch  gehörig  ein- 
geleiteten Wechsel  der  Last  durchführen  lassen.  Bloss  bei 
verwickelten  Verwaltungszweigen  sehr  grosser  Communen 
könnte  und  müsste  vielleicht  eine  Ausnahme  stattfinden. 

Provinzialstände. 

§.  70. 
Bei  den  Provinzialständen  kommt  ihre  Zusammensez- 
zung  und  ihr  Wirkungskreis  (in  so  fern  derselbe,  wovon 
schon  im  Vorigen  geredet  worden,  nicht  verwaltend  ist)  in 
Betrachtung.  Die  erste  kann  und  muss  in  verschiedenen 
Provinzen  verschieden  seyn;  der  letztere  in  allen  derselbe, 
da  sonst  eine  Provinz  Vorrechte  vor  der  andern  hätte. 

§.71. 
Der  letzte  Punkt  wird,  bis  es  allgemeine  Stände  giebt, 
in  Absicht  Sachsens  und  Schwedisch-Pommerns  Schwierig- 
keiten haben.  Beide  Distrikte  haben  das  Recht,  keine  an- 
dern Steuern,  als  mit  ihrer  Zustimmung,  anzuerkennen,  und 
die  Regierung  kann  es,  vorzüglich  bei  Pommern  nicht  zu- 
rückweisen. Bewilligung  allgemeiner  Steuern  aber  ist  mit 
der  Existenz  blosser  Provinzialversammlungen  nicht  verträg- 
lich. Es  würde  daher  nichts  übrig  bleiben,  als  den  Ein- 
spruch dieser  Distrikte  in  der  Zwischenzeit  möglichst  gut 
zu  beseitigen. 

§.72. 
Bei  der  Zusammensetzung  kommen  hauptsächlich,  wenn 
man  das  Detail  übergeht,  folgende  Fragen  vor: 

1)  soll  die  Bildung  dieser  Versammlungen  bloss  nach  der 
Zahl  der  Einwohner,  oder  nach  den  Ständen  dersel- 
ben geschehen? 


233 

2)  soll  im  letztern  Falle  der  Adel  einen  eigenen  Stand 
ausmachen,  und  -wie? 

3)  soll  in  demselben  Fall  die  Versammlung  nur  eine,  oder 
soll  sie  in  zwei  oder  mehr  Kammern  getheilt  seyn, 
und  auf  welche  Weise? 

Ad  i. 

§•  73. 

Dass  die  Bildung  nach  Standen  geschehe,  ist  eine  noth- 
wendige  Folge  des  ganzen  hier  aufgestellten  Systems.  Wenn 
der  Zweck  standischer  Einrichtungen  seyn  soll:  Erweckung 
und  Erhaltung  richtig  geleiteten  Interesses  an  den  Angele- 
genheiten des  Ganzen,  vermittelst  gehörig  bestimmten  Zu- 
sammenwirkens mit  der  Regierung  und  Begränzens  ihrer 
Gewalt,  so  muss  die  Bildung  der  Stande  derselben  Richtung 
folgen,  welche  dies  Interesse  von  unten  auf  nimmt.  Diese 
ist  aber  offenbar  die  nach  Gemeinheiten,  Genossenschaften 
und  Ständen.  Die  Gründung  volkvertretender  Versamm- 
lungen nach  blos  numerischen  Verhaltnissen  setzt  offenbar 
eine  völlige  Vernichtung  alles  Unterschieds  der  einzelnen 
Genossenschaften  voraus,  und  würde,  wo  ein  solcher  noch 
vorhanden  wäre,  ihn  nach  und  nach  zerstören. 

§■  74. 

Dem  allgemeinen  Begriffe  des  Volks  nach,  giebt  es  aber 
in  einer  Nation  sehr  viele  Stände  und  fast  eben  so  viele  als 
Beschäftigungen.  Es  fragt  sich  daher,  nach  was  für  Krite- 
rien zu  bestimmen  ist,  welche  unter  diesen  Ständen  poli- 
tische Stände  ausmachen  sollen?  Bei  Beantwortung  von 
Fragen  dieser  Art  würde  es  ganz  unzweckmässig  seyn,  weit 
in  theoretischen  Betrachtungen  herum  zu  schweifen.  Sieht 
man  sich  aber  in  der  Wirklichkeit  um,  und  blickt  man  auf 
dasjenige  zurück,  was  Provinzialständen  zur  Basis  dienen 
soll,  so  giebt  es  unläugbar  zwei  abgesonderte  Stände,   die 


234 

man  nicht  übergehen  und  nicht  vermischen  kann  :  den  Land- 
bauer und  den  Städter. 

§■  75. 

Forscht  man  alsdann  hierbei  mehr  nach  allgemeinen 
Gründen,  so  findet  man,  dass  zwischen  diesen  beiden  Klas- 
sen der  wahrhaft  politische  wichtige  Unterschied  die  Art  ist, 
wie  der  Boden  des  Staats  bewohnt  wird,  und  dass  Alles  auf 
diesem  physischen  Unterschiede  beruht,  aus  welchem  nach- 
her die  moralischen,  rechtlichen  und  politischen  herfliessen. 
In  der  That  würde ,  wenn  es  einen  selbstständigen  Distrikt 
gäbe,  in  welchem  Landbauer,  Handwerker  und  Kaufleute 
alle  nur  in  Dörfern  zerstreut  wohnten,  man  Unrecht  haben, 
nach  Verschiedenheit  dieser  Gewerbe,  diejenigen,  weiche 
sonst  gewöhnlich  städtisch  genannte  treiben,  von  den  übri- 
gen abzusondern.  Man  würde  vielmehr  nur  Eine  Art  der 
Stände,  Eine  Art  der  Gemeinheiten  annehmen  müssen. 
Nur  so  wie  die  Bürger  eines  Staates  zusammenwohnen,  wie 
sie,  als  Nachbarn  einen  von  andern  abgesonderten  Bezirk 
ausmachen,  wie  sie  als  Theilhaber  an  diesem  Eigenthum, 
Rechte  und  Pflichten  besitzen,  nur  nach  diesen  festen,  un- 
veränderlichen, räumlichen  Verhältnissen  können  sie  das  un- 
mittelbare partielle  Interesse  in  ein  allgemeines  vereinigen; 
denn  nur  nach  denselben  Verhältnissen  ist  gemeinschaftliche 
Verteidigung,  Zusammentreten  in  einen  grossen  Staat,  Zer- 
spaltung  in  kleinere  möglich,  in  welchem  Allem  das  wahre 
und  eigentliche  Wesen  der  bürgerlichen  Gesellschaft  besteht. 

§.76. 

Sieht  man  ferner  auf  den  Unterschied  zwischen  dem 
platten  Lande  und  den  Städten,  so  kommt  er  gewissermas- 
sen  auf  die  grosse  allgemeine  Eintheilung  in  Sache  und  Per- 
son zurück.  Der  Landbau  vereinzelt  und  heftet  an  die  Erd- 
scholle; alles  übrige  Gewerbe,  weil  es  der  nahen  Berührung 
der  Menschen  bedarf,  drängt  zusammen  und  vereinigt.    Zu- 


235 

gleich  hat  auf  den  Unterschied  die  Leichtigkeit  und  Schwie- 
rigkeit der  Verteidigung  gewirkt.  So  lange  die  Städte 
noch  ihre  eigentliche  Bedeutung  hatten,  waren  sie  hei  allen 
Nationen  und  durch  alle  Perioden  der  Geschichte  hindurch, 
Orte  des  Verkehrs  und  Orte  der  Wehr;,  der  Unterschied  in 
verschiedenen  Zeiten  und  Ländern  war  bloss  immer  der, 
dass  sie  bald  das  Letzte  aus  dem  Eisten  und  bald  das  Erste 
aus  dem  Letzten  wurden. 

§.77. 
Es  ist  daher  schon  an  sich,  auch  noch  ausser  den  je- 
doch auch  sehr  wahr  geschilderten  moralischen  Nachtheilen, 
richtig  in  einem  der  anliegenden  Aufsätze  bemerkt,  dass 
Pfarrer  keinen  besondern  politischen  Stand  ausmachen  soll- 
ten. Ueberhaupt  nur  die  Geistlichkeit  so  anzusehen,  hat 
schon  sein  eigenes  Bedenken.  Von  dem  doppelten  Gesichts- 
punkte, den  die  ehemaligen  Verfassungen  dabei  hatten,  ist 
bei  uns  nur  noch  der  eine  übrig  geblieben,  dass  man  eine 
so  wichtige  Sache,  als  ständische  Versammlungen  sind,  nicht 
von  dem  Ansehen  und  dem  Ehrwürdigen  der  Religion  ent- 
blösst  lassen  will.  Deswegen,  und  damit  es  nicht  dem  Zu- 
fall überlassen  bleibt,  ob  die  Häupter  der  Geistlichkeit,  die 
einen  so  grossen  Einfluss  auf  eine  der  wichtigsten  Klassen 
der  Gesellschaft  ausüben,  durch  Wahl  in  die  ständische  Ver- 
sammlung treten,  ist  es  immer  nothwendig,  diese  als  ge- 
setzlich darin  einzuführen;  allein  dies  ist  auch  hinlänglich. 
Der  andere  Grund,  welcher  ehemals  vorhanden,  und  poli- 
tisch wichtig  war,  ist  mit  der  veränderten  Verfassung  der 
Geistlichkeit  mehr  oder  weniger  verschwunden.  Ehemals 
nemlich  erschien  die  Geistlichkeit  auf  Landlagen,  als  Be- 
sitzerin einer  eignen  Art  des  Grundeiffenlhums,  das  eewis- 
sermassen  ewig,  wohl  des  Zuwachses,  aber  nicht  der  Ver- 
minderung fähig  war.  Sie  schlössen  sich  insofern  an  den 
Erbadel  an,  und  beide  stellten  sich,  als  wegen  der  forllau- 


236 

fenden  Dauer  ihrer  eigentümlichen  Verhältnisse  verwandte 
Klassen  den  Städten  und  dem  platten  Lande  gegenüber. 

§.  78. 

Jetzt  kann  die  Berufung  von  Pfarrgeistlichen  in  land- 
stiindische  Versammlungen  kaum  einen  andern  Zweck  ha- 
ben, als  eine  Anzahl  von  Abgeordneten  zu  erhalten,  von 
denen  die  Regierung  geringeren  Widerspruch  zu  erwarten 
hat,  die  sie  gewissermassen  als  ihre  Beamten  ansehen  kann, 
ohne  sich  den  Schein  zu  geben,  von  diesen  ausdrücklich 
eine  gewisse  Anzahl  in  die  Versammlung  aufzunehmen. 

In  protestantischen  Staaten  mit  gemischter  Geistlichkeit 
dürfte  indess  dieses  Mittel  weniger  zuverlässig  seyn. 

§.  79. 

Wollte  man  die  Einwendung  machen,  dass  auf  diese 
Weise  die  Rechte  der  Geistlichkeit  nicht  gehörig  vertreten 
wären,  so  beriefe  man  sich  auf  einen  offenbar  falschen  Grund- 
salz. Denn  nach  eben  diesem  Räsonnement  müssten  auch 
die  Rechte  der  Handwerksvereinigungen,  der  Kaufmannschaft 
nicht  als  Theile  einzelner  Städte,  wie  oben  gesagt  ist,  son- 
dern als  Stände  durch  den  ganzen  Staat,  der  Gelehrten  be- 
sonders vertreten  werden,  wie  denn  in  den  ephemeren 
Versuchen  von  Verfassungen  in  den  letzten  Jahrzehnden 
alle  diese  Erscheinungen  da  gewesen  sind,  und  sich  selbst 
gerichtet  haben. 

§.80. 

Von  den  Universitäten,  die  keine  bedeutenden  liegenden 
Gründe  haben,  kann  nur  gelten,  was  von  den  Häuptern  der 
Geistlichkeit  gesagt  worden  ist,  und  ihre  Theilnahme  ist 
offenbar  noch  weniger  wichtig,  da  sie  keinen  gleich  grossen 
unmittelbaren  politischen  Einfluss  besitzen.  Es  ist  aber  eine 
Huldigung  die  man  der  Wissenschaft,  und  dem  wohllhäligen 
Einfluss  stehender,  für  sie  gebildeter  Körper  bezeugt,  und 
in  sofern    gewiss   beizubehalten.     Denn  die  Wissenschaften 


237 

und  die  Nationalbildung  würden  offenbar  verlieren,  wenn 
die  Universitäten  aufhörten,  wirkliche  und  gewissermassen 
selbstständige  bürgerliche  Institute  auszumachen. 

§.81. 
Mit  liegenden  Gütern  versehene  Universitäten,  wie  Greifs- 
walde, und  eben  solche  katholische  oder  protestantische  Stif- 
ter und  Kapitel  treten  noch  in  ein  andres  Verhältnisse  Es 
ist  kein  Grund  abzusehen,  warum  sie  nicht  eben  so  gut  zu 
den  Ständen  gehören  sollten,  als  es  der  Fall  der  Individuen 
seyn  würde,  die  ihre  Güter  käuflich  an  sich  brächten. 

ad  2. 

§.  S2. 

Dass  der  Adel  fortbestehen,  und,  als  Grundeigenthü- 
mer,  an  den  Landständen  Theil  nehmen  muss,  bedarf  nicht 
erst  bemerkt  zu  werden. 

Dass  er  nur  als  Grundeigentümer  unter  denselben  er- 
scheinen kann,  ist  sehr  richtig  in  den  anliegenden  Papieren 
aufgestellt. 

Es  kommt  also  nur  darauf  an,  ob  und  wie  er  politisch 
einen  eigenen  abgesonderten  Stand  (noch  ohne  die  Frage 
der  zwei  Kammern)  ausmachen  soll? 

*  S3. 

Der  eigene  Aufsatz  über  den  Adel  unter  den  anliefen- 
den  Papieren  lässt,  so  geistvoll  er  ist,  und  so  viel  Treffli- 
ches er  enthält,  dennoch  zu  wünschen  übrig,  dass  er  zu 
einem  bestimmteren  und  deutlicher  ausgesprochnen  Resul- 
tate führen  möchte.  Es  erregt  auch  eine  Ungewissheit  über 
die  eigentlich  darin  aufgestellte  Meinung,  dass  immer  nur 
in  dem  Aufsatz  von  erblichem  Landstandsrecht  gesprochen 
wird,  da  es,  wie  es  in  der  Baierischen  Verfassung  der  Fall 
ist,  und  des  Beifalls  werth  scheint,  auch  auf  Wahl  beruhende 
adliche  Landstandschaft  geben  kann. 


238 

§.84. 

Den  Adel  bloss  in  Rücksicht  auf  den  Beirag  der  Ein- 
künfte seiner  liegenden  Gründe  mit  allen  übrigen  Landei- 
genthümern  in  den  Wahlen  zu  den  ständischen  Versamm- 
lungen zu  vermischen,  hiesse  in  der  That  ihn  seines  ganzen 
politischen  Charakters  entblössen,  es  wäre  eben  so  viel,  als 
ihn  aufzuheben,  oder  wie  es  sehr  gut  in  dem  Aufsatze  heisst, 
zu  einem  Gaukelspiele  der  Eitelkeit  herabwürdigen.  Er 
muss  also  allerdings  eine  Corporation  bilden,  aber  diese 
Corporation  darf  auch  keine  andere  Beziehung  auf  politische 
Rechte,  als  in  Hinsicht  der  Landstandschaft  haben.  Dabei 
bleibt  ihr  indessen  allerdings  unbenommen,  für  sich,  als  eine 
moralische  Person,  Stiftungen  und  ähnliche  Einrichtungen 
zu  machen. 

§.85. 

Diese  Corporation  hat  das  Recht,  zu  den  ständischen 
Versammlungen  zu  wählen,  und  gewählt  zu  werden.  Allein 
dies  Recht  ist  bedingt  durch  die  Forderung,  dass,  um  das 
eine  oder  andere  auszuüben,  der  Adliche  mit  liegenden 
Gründen  in  der  Provinz  angesessen  seyn  muss.  In  denje- 
nigen Provinzen,  wo  mit  den  Rittergütern  noch  Patrimonial- 
gerichte,  oder  andere  besondere  Rechte  verbunden  sind, 
müsste  man  auch  fordern,  dass  er  ein  solches  Gut  besässe, 
und  in  den  übrigen  müsste  die  Grösse  des  Guts  nach  dem 
Steuerquanlum,  oder  sonst  bestimmt  seyn,  damit  nicht  ein 
winziger  Besitz,  bloss  um  Landstandschaft  zu  erlangen,  er- 
worben werde. 

§.86. 

Von  denjenigen  Adlichen,  die  nicht  durch  Wahl,  sondern 
erblich  in  den  ständischen  Versammlungen  erscheinen  wol- 
len, muss  nothwendig  gefordert  werden,  dass  sie  ein  Fidei- 
kommiss  von  einer  gewissen  Höhe  errichten,  damit  die  Dauer 
des  Besitzes  bei  der  Dauer  des  Geschlechts  gesichert  wird. 


239 

§.87. 
Auf  diese  Weise  ist  die  adliche  Landstandschaft  zugleich 
persönlich  und  dinglich.  Kein  Unadlicher,  wenn  er  auch 
ein  adliches  Gut  kaufte,  könnte  sie  mit,  und  vermöge  der 
Corporation  des  Adels  erlangen,  und  der  nicht  begüterte 
Adel  sie  eben  so  wenig  ausüben. 

§.,88. 

Darum  müssle  aber  dem  Ankaufe  adlicher  Güter  durch 
Bürgerliche  kein  Hinderniss  in  den  Weg  gelegt  werden. 
Die  adliche  Corporation  könnte  allerdings  in  einer  Provinz 
zu  Zeiten  sehr  abnehmen.  Allein  theils  wäre  dies  doch 
wohl  nur  vorübergehend,  theils  ist  der  Adel  gerade  ein  In- 
stitut, das  nicht  gleichsam  mit  Gewalt,  sondern  nur  in  sofern 
unterhalten  und  gestützt  werden  muss,  als  die  Sitte  und  sein 
eieenes  Wesen  es  hält.  Hat  der  Gesetzoeber  richtio-  ee- 
fühlt,  dass  es  dem  Zustande  und  der  Stimmung  der  Nation 
angemessen  sey,  den  Adel  als  eine  politische  Corporation 
beizubehalten,  so  wird  der  Adel  selbst  sich  nicht  schwächen 
wollen,  und  seine  Güter  zusammen  zu  halten  streben.  Der 
Einzelne  wird  sich  schämen,  der  Ehre,  den  angestammten 
Sitz  zu  bewahren,  einen  Geldvortheil  vorzuziehen,  und  wo 
ein  Nothfall  eintritt,  wird  der  übrige  Adel  des  Kreises  hin- 
zuzutreten geneigt  seyn  und  die  Erhaltung  des  Guts,  oder 
den  Uebergang  an  eine  andre  adliche  Familie  befördern. 
Geschieht  dies  nicht,  oder  vielmehr  geschieht  das  Gegen- 
theil  häufig,  so  ist  es  ein  sicheres  Zeichen,  dass  der  Adel 
den  Sinn  seines  Instituts  verloren  hat,  und  dann  würde  man 
sich  vergebens  schmeicheln,  ihn  durch  Zwangsmittel,  die 
ausserdem  schädlich  sind,  festbannen  zu  wollen.  Der  Staat 
thut  genug,  ihm  durch  die  hergestellte  politische  Bedeutung 
einen  neuen  Antrieb  zu  verleihen. 


240 

§.89. 
Man  kann  zwar  hiergegen  noch  einwenden,  dass  in  kei- 
ner Verfassung  man  eine  so  wichtige  Sache,  als  das  Ver- 
hältniss  des  Adels  zu  den  übrigen  Landeigentümern  ist, 
dem  Zufall  überlassen  darf.  Allein  man  muss  bedenken, 
dass,  da  auch  nach  jenem  Aufsatze,  der  Adel  doch  kein  von 
den  übrigen  Ständen  geschiednes  Interesse  haben,  und  keine 
nutzbaren  Vorzüge  gemessen  soll,  der  ihn  belebende  eigen- 
tümliche Geist  nur  auf  festem  Halten  am  Lande  durch 
mehr  dauernden  Grundbesitz,  und  auf  dem  edlen  Ehrgeiz, 
sich  durch  Consequent  und  Gediegenheit  seiner  Meinung 
auszuzeichnen,  beruhen  kann.  Dieses  rein  sittliche  Resultat 
steigt  und  fällt  aber  mit  dem  den  Adel  an  sich  beseelenden 
Sinn,  von  dem  eben  bemerkt  worden  ist,  dass  Gesetze  ihn 
nicht  festhalten  können,  wenn  ihn  die  Sitte  fahren  lässt. 

§.90. 
Der  Eintritt  in  die  Corporation  wird  doch  am  Ende 
nur  von  dem  durch  den  Staat  ertheilten  Adel,  verbunden 
mit  dem  Besitze  oder  Erwerbe  eines  solchen  Guts,  als  die 
Corporation  fordert,  abhängen  können.  Was  jener  Aufsatz 
darüber  sagt,  dass  Adeln  eigentlich  nur  die  Ailclsfäliicfhcli 
ertheilen  heisst,  ist  zwar  an  sich  sehr  scharfsinnig,  und  stellt 
in  historischer  Beziehung  einen  brauchbaren  Unterschied  auf, 
allein  es  würde  nur  dann  vollkommen  wahr  genannt  wer- 
den können,  wenn  der  Eintritt  in  die  Corporation,  als  das 
wahre  Critérium  des  Adels,  entweder  von  Ahnenprobe  oder 
von  der  Einwilligung  der  Mitglieder  abhinge.  Allein  das 
letztere  verwirft  der  Aufsatz  mit  Recht,  obgleich  ein  ande- 
rer d.  d.  Frankfurt,  27.  März  1818  es  zulässt,  und  die  er- 
stere  fordert  er  nicht  unbedingt.  Er  legt  am  Ende  auch  den 
Eintritt  wieder  in  die  Hände  des  Landesherrn,  indem  er  sagt: 

„thäliges  Glied  der  adlichen  Genossenschaft  ist  also, 

wer  erblicher  Provinzial-Landstand." 


241 

Allein  dies  bestimmt  erstlich  nur,  wie  man  ihäiiges,  nicht 
wie  man  Glied  überhaupt  seyn  soll,  und  dann  spricht  es 
nur  von  der  Herrenbank.  Wo  der  Adel  in  einer  ständischen 
Versammlung  durch  Wahl  sitzt,  hat  der  Landesherr  nichts 
zu  bestimmen.  Die  Corporation  wählt,  und  nur  ein  zu  ihr 
Gehörender  kann  gewählt  werden. 

§.91. 
Adeln  wird  also  immer  heissen  müssen:  dem  Neuge- 
adelten und  seinen  Abkömmlingen  das  Recht  verleihen,  zu 
der  adlichen  Corporation  sogleich  zu  gehören,  als  er  oder 
einer  von  ihnen  die  gesetzlich  zur  Ausübung  adlich  ständi- 
scher Rechte  vorgeschriebenen  Bedingungen  erfüllt. 

§.92. 
Dies  nemlich,  insofern  die  Corporation  eine  politische 
ist.  Wo  sie  Privatverträge  unter  sich  macht,  können  blos 
die  allgemeinen  gesetzlichen  Bestimmungen  eintreten,  und 
da  muss  sie  in  so  weit,  aber  auch  nicht  weiter,  gesetzge- 
bend seyn  können,  als  dies  Corporationen  überhaupt  ver- 
stattet ist.  Da  aber  die  erste  Bedeutung  der  Corporation 
immer  die  politische  ist,  so  wird  dieselbe,  wenn  sie  Privat- 
Bestimmungen  machen  will,  nicht  eigentlich,  als  Corporation, 
sondern  nur  als  Verbindung  dieser  und  dieser  Geschlechter 
für  sich  und  ihre  Nachkommen  handeln  können.  Wenn 
z.  B.  sechs  Geschlechter  den  Adel  eines  Kreises  ausmachen, 
so  würden  zwar  diese  unter  ihrem  Namen  eine  Stiftung 
errichten  können,  welche  nur  Personen  mit  so  und  so  viel 
Ahnen  zuliesse;  sie  würden  aber  diese  Stiftung  nicht  errich- 
ten können ,  als  die  adliche  Corporation  des  bestimmten 
Kreises,  weil  ihnen  der  Staat  nicht  erlauben  kann,  den  Wil- 
len der  zu  dieser  politischen  Corporation  neu  Hinzutreten- 
den durch  ihren  Willen  zu  binden.  Es  würde  hierdurch 
unleugbar  aus  der  Corporation  eine  Kaste  werden,  was  auch 
der  Aufsatz  nicht  will.  Der  Neuhinzutretende  würde  die 
vu.  16 


242 

von  ihr  vorgeschriebenen  Bedingungen  eingehen  müssen, 
oder  sie  würde,  wenn  sie  ihn  auch  nicht  von  der  Ausübung 
der  landständischen  Rechte  verdrängen  könnte,  doch  den 
Namen  der  Corporation,  der  ihr  nur,  mit  Einschluss  seiner, 
zukäme,  für  sich  allein,  ohne  ihn,  an  sich  reissen. 

§.93. 

Ahnenprobe  kann  der  Staat  nur  erlaubend  zulassen,  und 
nur  bei  Privatinstituten.  Verbot  der  Vermischung  durch 
Ehe  ist  eines  der  ersten  Kriterien  einer  Kaste,  und  man 
rettet  sich  nur  durch  Worte,  wenn  man  sagt,  dass  es  kein 
Verbot  ist,  dass  derjenige,  der  eine  die  Ahnenprobe  vernich- 
tende Ehe  macht,  nur  seine  Kinder  von  einer  Corporation 
in  eine  andere,  sogar  mit  der  Möglichkeit  zu  jener  zurück- 
zukehren, versetzt.  Es  ist  auch  nicht  mit  den  wahren  Be- 
griffen der  Sittlichkeit,  und  dem  Begriffe  der  Ehe  zu  ver- 
einigen, dass  Ehen  andere  Hindernisse  finden  sollen,  als  die 
in  den  Willen  der  sich  verheirathenden  Personen,  und  de- 
rer, von  welchen  sie  unmittelbar  abhängen,  liegen,  noch 
andere  Reizmittel,  als  die  gegenseitige  Neigung  und  indivi- 
duelle Convenienz. 

§.94. 

In  den  einzelnen  Resultaten  stimmt  das  hier  über  den 
Adel  Gesagte  meistenlheils  mit  dem  Aufsatze  überein.  Allein 
im  Ganzen  bleibt  eine  nicht  unwichtige  Nuance  des  Unter- 
schiedes. Der  Aufsatz  will  eigentlich,  dass  der  Staat  posi- 
tiv dem  Adel  zu  Hülfe  komme,  ihn  gewissermassen,  als 
einen  Halberstorbenen,  ins  Leben  zurückführe.  Hier  dage- 
gen ist  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  der  Staat  ihm  nur 
Freiheit,  und  gesetzlichen  Antrieb  geben  soll,  durch  seine 
eigene  Krall  ins  Leben  zurückzukehren.  Von  jenem  Stand- 
punkte ausgehend,  würde  man  z.B.  den  Adel,  wo  er  an 
Zahl  zu  sehr  abgenommen  hätte,  durch  neue  Ertheilungen 
zu  vermehren  suchen  müssen;  wie  es  auch  in  dem  Aufsatz 


243 

dd.  Frankfurt  27.  März  1818  vorgeschlagen  ist;  von  diesem 
aus  würde  so  etwas  nicht  Statt  finden  dürfen,  sondern  der 
Staat  müsste  bei  Erhebungen  in  den  Adelstand  nur  Beloh- 
nung des  Verdienstes,  oder  solche  Fälle  im  Auge  haben, 
wo,  bei  Uebertragung  eines  Amts,  oder  erworbnem  grossen 
Güterbesitz,  verbunden  mit  persönlichen  Vorzügen,  der  Man- 
gel des  Adels  ein  gewisses  Missverhältniss  in  die  Lage  des 
Individuums  bringt. 

§.95. 
Die  hier  aufgestellte  Ansicht  gründet  sich  darauf,  dass 
man  ein  Institut,  was  nur  historisch,  nicht  nach  Begriffen, 
erklärt  und  hergeleitet  werden  kann,  nur  so  lange  und  nur 
in  so  lern  erhalten  muss,  als  es  selbst  Lebenskraft  besitzt. 
Dass  es  sich  aber  mit  dem  Adel  wirklich  so  verhält,  ist 
offenbar.  Es  ist  unmöglich,  ohne  Rückblick  auf  die  Ge- 
schichte, eine  Definition  von  ihm  zu  geben.  Der  Aufsatz 
nennt  als  seine  Grundlagen: 

1)  bedeutenden  erblich  zusammengehaltnen  Grundbesitz 
—  dies  gilt  aber  nur  von  dem  hohen,  und  in  dem  Majorate 
vorhanden  sind; 

2)  Erhaltung  und  Sicherung  der  Geschlechter  —  allein 
diese  für  sich  genommen,  bestand  namentlich  bei  den  Bauern 
in  gewisser  Art,  da  sie  ihre  Besitzungen  und  ihren  Wohnort 
nicht  verändern  konnten,  oder  nicht  veranlasst  waren,  es  zu 
thun;  es  bestand  bei  den  städtischen  Patriziern,  endlich  bei 
mehreren  bürgerlichen  Familien,  die  eben  so  gut  ihr  Ge- 
schlecht aus  alter  Zeit  herzählen  können; 

3)  sittliche  Würde,  Berechtigung  des  Bestehenden  im 
Leben  und  Verfassung  —  ob  dies  wirklich  Kriterium  des 
Adels  sey  (seit  den  letzten  50  Jahren  lässt  es  sich  wohl 
schwerlich  beweisen)  hängt  aber  davon  ab,  ob  der  Geist  und 
Sinn  des  Instituts  noch  lebendig  sind,  was  kein  Gesetz  be- 
wirken kann. 

16* 


244 

Der  Begriff  des  Adels  ist  allein  ein  politischer  Begriff, 
und  lässt  sich  nur  an  dem  politischen  Charakter  festhalten. 
Nun  ist  aber  der  politische  Charakter  des  deutschen  Adels 
—  vorzügliche  Theilnahme  an  der  Landesvertheidigung,  und 
Bildung  des  Herrenstandes  gegen  den  mehr  oder  weniger 
hörigen  Landmann  —  grösstenteils  untergegangen.  Der 
Gesetzgeber,  der  dem  Adel  eine  neue  politische  Haltung 
geben  soll,  kann  ihn  daher  nur  nach  demjenigen  nehmen 
und  festhallen,  was  er  von  dem  ehemaligen  politischen  Cha- 
rakter moralisch  wirklich  in  sich  erhalten  hat. 

§.96. 

Ausser  der  Landstandschaft  scheint  es  besser,  alle  sonst 
in  einigen  Provinzen  noch  mit  dem  Besitze  der  Rittergüter 
verknüpfte  Rechte,  wie  z.  B.  Patrimonialgerichtsbarkeit,  an 
dem  Gute  selbst  kleben,  und  mit  ihm  auf  jeden,  auch  nicht 
adlichen  Besitzer  übergehen  zu  lassen. 

§.97. 

In  Baiern  ist  dies  anders.  Der  Erwerb  durch  einen 
Nichtadlichen  suspendirt  nicht  blos  die  Ausübung  dieser 
Rechte,  sondern  dieselben  erlöschen  dadurch  gänzlich.  Diese 
Rechte  werden  daher  nur,  als  solche,  behandelt,  die  man 
nach  und  nach  vernichten  will.  Diese  Einrichtung  hat  doch 
aber  unlaugbar  die  doppelte  Unbequemlichkeit,  dass  sie  diese 
Vorzüge  (die  bei  uns  bisher  Nichladliche  eben  so  gut  aus- 
geübt haben)  zu  wirklich  persönlichen,  und  dadurch  unbil- 
ligeren des  Adels  macht,  und  dass  das  einzelne  und  allmäh- 
lige  Aufhören  derselben  sogar  in  der  Ausführung  viele 
Schwierigkeiten  hervorbringen  muss.  Sie  führt,  wie  auch 
der  Fall  seyn  soll,  fast  natürlich  dahin,  dass  solche  bürger- 
liche Erwerber  von  adlichen  Gütern  wieder  geadelt  werden, 
was  der  Ertheilung  des  Adels  eine  ganz  schiefe  Richtung 
giebt.  Wenn  gar  auch  das  auf  solchen  Gütern  ruhende 
Recht  der  adlichen  Landstandschaft  nicht  wieder  erwacht, 


245 

wenn  das  Gut  abermals  in  Besitz  eines  Adlichen  kommt, 
so  würde  damit  auch  die  adliche  Landstandschaft  selbst 
einem  allmähligen  Aussterben  ausgesetzt  seyn. 

§.  98. 

Ein  sehr  schwieriger  und  schlimmer  Punkt  ist  die,  in 
einigen  unsrer  Provinzen  noch  bestehende  Steuerfreiheit  des 
Adels.  Ihre  Fortdauer  scheint  unmöglich.  Dagegen  ist  die 
Auflegung  einer  Grundsteuer  Verringerung  des  Werths  des 
Guts,  und  gewiss  ist  es  höchst  nachtheilig,  im  Augenblicke 
der  Einführung  der  Verfassung  eine  Klasse  der  Einwohner 
zu  erbittern,  oder  nieder  zu  schlagen. 

§.  99.  " 

Vielleicht  wäre  es  ein  Ausgleichungsmittel,  wenn  man, 
indem  man  den  Adel  unverzüglich  besteuerte,  ihm  von  Sei- 
ten des  Staats  ein  dem  Steuerbetrag  gleichkommendes  Ca- 
pital (allenfalls  durch  Domänenhypothek)  versicherte,  welches 
aber  erst  in  so  viel  Jahren,  und  zinslos,  bezahlt  würde,  als 
nöthig  wäre,  aus  der  jährlichen  Steuer  das  Capital  zu  bil- 
den. Im  Grunde  bliebe  der  Adel  dadurch  auf  so  lanee 
steuerfrei,  und  der  Staat  sammelte  die  von  ihm  bezahlte 
Steuer  für  ihn  zu  einem  Capital,  das  ihn  wegen  des  Grund- 
verlustes  entschädigte.  Er  aber  gewöhnte  sich,  von  dem 
jetzigen  Augenblicke  an,  an  die  Zahlung  einer  Steuer,  und 
erschiene,  was  sehr  wichtig  ist,  auf  einem  gleichen  Fuss 
mit  allen  übrigen  Staatsbürgern. 

§.  100. 

Herr  von  Wangenheim  will  den  Adel  besteuern,  allein 
als  eine  nothwendige  Mittelklasse  zwischen  Landesherrn  und 
Volk,  nach  einer  geringeren  Quote,  als  die  andern  Grund- 
eigenthümer.  Dies  aber  würde  keinen  Theil  befriedigen, 
und  der  politische  Grund  der  geringeren  Besteuerung  ist  zu 
theoretisch  und  allgemein,  um  die  Gemülher  versöhnen  zu 
können. 


246 

§.  101. 

Wer  es  mit  dem  Adel  wohlmeint,  kann  nicht  rathen, 
ihm  irgend  ein  nutzbares,  Geld  bringendes  Vorrecht  zn  las- 
sen. Dagegen  hat  der  Staat  allerdings  die  dringendsten 
Gründe,  der  Verringerung  des  Werthes  seiner  Güter,  aus 
welcher  sein  Ruin  entstehen  kann,  vorzubeugen.  Ein  ande- 
res Mittel,  diese  Verringerung  wenigstens  sanfter  zu  machen, 
wäre,  die  Steuerquote,  die  er  zur  allgemeinen  Gleichstellung 
tragen  müsste,  ihm  stufenweise  von  etwa  5  zu  5  Jahren, 
so  dass  die  Gleichheit  erst  nach  20  erreicht  würde,  aufzulegen. 

§.  102. 

Bei  dem  Antheile  aller  übrigen  Grundeigenthümer  (aus- 
ser dem  Adel,  und  den  Städtern)  an  den  ständischen  Ein- 
richtungen würde  man  wohl  schwerlich  dieselbe  Organisation 
in  allen  Provinzen  machen  können.  Wenigstens  wenn  bloss 
der  Steuersatz  denselben  bestimmen  sollte,  könnte  dieser 
nicht  derselbe  seyn.  Wenn  man  die  verschiednen  Fälle  des 
Grundbesitzers  im  Allgemeinen  durchgeht,  so  findet  man: 

1)  adliche  Besitzer  von  Rittergütern,  in  den  Provinzen 
nemlich,  wo  noch  jetzt  ein  gesetzlicher  Begriff  mit  diesem 
Worte  verbunden  werden  kann,  was  eigentlich  nur  von 
Berlin  aus  diesseits  der  Elbe  der  Fall  ist;  vielleicht  auch 
im  Herzogthume  Westphalen; 

2)  nicht  adliche  Besitzer  von  Rittergütern; 

3)  Besitzer  von  Grundstücken,  die  nicht  Rittergüter 
sind,  allein  eine  solche  Ausdehnung  und  solche  Verhältnisse 
haben,  dass  sie  nicht  hauptsächlich  vom  Eigenthümer  selbst 
bearbeitet  werden; 

4)  eigentliche  Bauern,  das  sind  solche,  die  ihren  Acker 
in  der  Regel  und  hauptsächlich  selbst  bestellen,  und  seit 
kürzerer  oder  längerer  Zeit  aus  einem  Verbände  wirklicher 
Hörigkeit  herausgetreten  sind. 


247 

*  103. 

In  Absicht  der  dritten  Classe  herrscht  zwischen  den 
Preussischen  Provinzen  wohl  der  bedeutendste  Unterschied, 
der  daher,  da  er  unstreitig  auch  die  Cultumüancen  unter 
den  verschiedenen  Classen  angiebt,  sorgfältig  beachtet  wer- 
den müsste. 

§.  104. 

Wo  diese  Classe  ansehnlich  ist  und  den  Rittergutsbe- 
sitzern näher  steht,  als  den  Bauern,  wird  es  keine  Schwie- 
rigkeiten haben,  die  Individuen  ad  2.  (denn  man  kann  dies 
nicht  eigentlich  eine  Classe  nennen)  mit  ihr  zu  vereinigen. 

Sonst  wird  es  nothwendig  seyn,  diese  dennoch  mit  der 
adlichen  Corporation  für  das  landständische  Geschält  zu  ver- 
binden, versteht  sich  immer  nur  da,  wo  von  Wahl,  nicht 
wo  von  Erbrecht  in  der  Heirenbank  die  Rede  ist.  Denn 
es  würde  nicht  gerecht  seyn,  diese  Individuen,  bloss  wegen 
des  mangelnden  Adels,  von  aller  Theilnahme  an  der  Ver- 
fassung auszuschliessen,  und  nicht  rathsam,  sie  mit  den 
Bauern  zusammen  zu  werfen,  wo  sie  einen,  ihnen  gar  nicht 
gebührenden  unverhältnissmässigen  Einfluss  gewönnen.  Es 
versteht  sich  aber  immer,  dass  diese  Individuen  nicht  zu- 
gleich ein  städtisches  Gewerbe  treiben  dürften,  ohne  von 
dem  Anlheil  an  der  Verfassung  (den  sie  alsdann  auf  dem 
Lande  hatten)  ausgeschlossen  zu  werden. 

§.  105. 

Sehr  nachtheilig  würde  es  seyn,  es  der  vierten  Classe 
gewissermassen  unmöglich  zu  machen,  zu  der  Verfassung 
mitzuwirken.  Wenn  sie  nicht  die  aufgeklärtere  ist,  ist  sie 
eine  schlicht  vernünftige,  am  Lande  und  dem  Bestehenden 
hängende,  und  gutgesinnte.  Sie  von  der  dritten  bestimmt 
abzusondern,  könnte  nur  da  angehen,  wo  diese,  wie  vielleicht 
in  einigen  Provinzen  der  Fall  ist,  sich  durch  eigene  gesetz- 
liche Bestimmungen,  die  mit  ihnen  verbunden  sind,  in  einen 


248 

bestimmten  Begriff  fassen  lassen.  Sonst  kann  man  nur  die 
beiden,  oder  drei  letzten  Classen  verbinden,  und  nach  dem 
Steuersatze  den  Antheil  an  der  Verfassung  festsetzen.  Allein 
alsdann  dürfte  der  Steuersatz  ja  nicht  zu  hoch  seyn.  Das 
Nachtheilige  eines  zu  hohen  zeigt  sich  bei  der  Baierischen 
Verfassung.  Statt  der  vielen  Postmeister  wäre  es  wohl  bes- 
ser, wahre,  wenn  auch  etwas  weniger  bemittelte  Bauern  zu 
haben.  Bei  der  Baierischen  Verfassung  scheint  freilich  die 
Absicht  hierbei,  wie  bei  der  Geistlichkeit,  dahin  zu  gehen, 
viele  Mitglieder  in  der  Versammlung  zu  finden,  die  wahr- 
scheinlich mit  der  Regierung  stimmen. 

ad  3. 
§.  106. 

Der  Punkt  der  Vereinigung  der  Provinzial- Stande  in 
Einer  Versammlung,  oder  ihre  Theilung  in  mehrere  Kam- 
mern scheint  noch  eine  genauere  Erörterung  zu  erfordern, 
als  er  in  den  anliegenden  Aufsätzen  gefunden  hat. 

Zuerst  entsteht  die  Frage:  nach  welchem  Grundsatz? 
und  zu  welchem  Zweck  soll  die  Theilung  angenommen 
werden? 

§.  107. 

Man  kann  entweder  bloss  die  Absicht  haben,  die  Be- 
rathung  ruhiger,  einfacher,  besonnener  zu  machen,  und  darum 
diejenigen  zusammenbringen,  welche  ein  am  meisten  gleiches 
Interesse  haben,  und  die  auch  ihr  tägliches  Leben  sich 
näher  bringt;  und  dann  ist  nichts  dagegen  zu  sagen,  dass 
der  Adel,  die  nicht  adlichen  Grundeigenthümer  und  die 
Städte  drei  verschiedne  Kammern  bilden.  In  diesem  Sinne 
scheint  die  Sache  in  dem  Aufsatz  vom  27.  März  genommen, 
aber  dann  wird  es  schwer  seyn,  eine  Art  zu  bestimmen, 
wie  die  Verschiedenheit  der  Meinungen  unter  diesen  drei 
Kammern  wird  vereinigt  oder  entschieden  werden  können. 
Städte  und  plattes  Land  dann  aber  zusammenzuziehen,  imd 


249 

nur  zwei  Kammern  zu  haben,  würde  alsdann  unpassend 
seyn,  und  die  natürliche  Lage  der  Dinge  verändern.  Diese 
Theilung  wäre  nur  eine  der  verschiedenen  möglichen  Arten 
gemeinschaftlicher  Berathung. 

§.  108. 

Ganz  anders  ist  es,  wenn  eine  Ständeversammlung  in 
dem  Sinne  in  zwei  Kammern  getheilt  ist,  in  dem  die  eine 
als  Ober-  die  andere  als  Unterhaus  der  andern  zur  Seite 
steht,  jede  das  Verwerfungsrecht  eines  Vorschlages  besitzt, 
und  nur  beide  zusammen  die  Zustimmung  geben  können. 

Auf  diese  Weise  kann  es  nur  zwei,  nicht  drei  Kammern 
geben,  und  die  beiden  müssen  durch  einen  wahren  und  we- 
sentlichen Eintheilungsgrund  geschieden  seyn,  der  darin  liegt, 
dass  die  Landstandschaft  in  der  einen  erblich,  in  der  andern 
auf  Wahl  beruhend  ist,  dass  zu  jener  bloss  Grundeigenthum, 
und  wieder  nur  bedeutend  ausgedehntes,  und  wenigstens 
zum  Theil  nothwendig  erbliches,  das  ist  fideicommissarisches 
Eigenthum  den  Zutritt  giebt. 

§.  109. 

Eine  solche  Theilung  der  Kammern  ist,  strenge  genom- 
men, in  den  Provinzial- Ständen  nicht  leicht,  oder  nicht 
überall  möglich.  Denn  es  ist  kaum  vorauszusetzen,  dass  in 
einer  Provinz  sich  so  viel  Erbstände  befinden,  dass  sie  allein 
eine  hinlänglich  zahlreiche  Kammer  bilden  könnten.  Wäre 
dies  indess  der  Fall,  so  würde  auch  kein  Grund  seyn,  die 
adlichen  Wahldeputirten  dieser  Kammer  zuzugesellen,  son- 
dern sie  fänden,  wie  in  den  allgemeinen  Ständen,  natürlich 
ihren  Platz  in  der  zweiten  Kammer  mit  den  übrigen  Grund- 
eigenthümern  und  Ständen. 

§.110. 

Auf  gewisse  Weise  bedarf  der  Staat  bei  Provinzial- 
Ständen,  eben  sowohl  als  bei  allgemeinen,  einer  doppelten 
Kammer.    Denn  für  Provinzialgesetze  sind  Provinzial-Stände 


250 

gerade  dasselbe,  als  allgemeine,  und  er  kann  das  Schicksal 
seiner  Vorschläge  nicht  der  Berathung  in  Einer  Kammer, 
die  überdies  leicht  tumultuarisch  ist,  anvertrauen.  Bedenkt 
man  aber  wieder,  dass  eigentliche  Provinzialgesetze,  wie  in 
der  Folge  gezeigt  werden  wird,  an  sich  ziemlich  bedenklich 
sind,  und  nicht  häufig  vorkommen  werden,  so  verliert  die- 
ser Grund  viel  an  seinem  Gewicht,  und  es  scheint  keine  so 
wesentliche  Sache,  ob  die  Provinzial-Stände  eine  oder  zwei 
Kammern  bilden,  wenn  man  auch  nicht  mit  Herrn  v.  Vincke 
ganz  gegen  das  Letztere  seyn  will.  Das  hier  zunächst  Fol- 
gende ist  daher  mehr  zur  Beurtheilung  der  anliegenden 
Aufsätze  und  für  den  Fall  gesagt,  dass  man  doch  die  an- 
scheinende Weitläufigkeit  zweier  Kammern  nicht  scheute. 

§.111. 

In  dem  mehrerwähnten  Aufsatz  werden  den  Erbständen 
in  der  höheren  Kammer  alle  und  nur  adliche  Wahldeputirte 
beigeordnet.  Allein  diese  Bildung  einer  Kammer,  welche 
das  Verwerfungsrecht  gegen  die  andere  hat,  aus  blossen 
Adlichen,  die  doch  nur  zum  kleinsten  Theil  Erbstände  sind, 
scheint  den  Adel  zu  sehr  von  den  andern  Staatsbürgern  ab- 
zusondern, bietet  keinen  wahren  Eintheilungsgrund  der  bei- 
den Kammern  dar,  da  dieser  unmöglich  in  der  adlichen  Qua- 
lität allein  liegen  kann,  und  ist  der  Analogie  der  allgemeinen 
Stände,  wo  die  YVahldeputirten  des  Adels  nicht  in  der  obe- 
ren Kammer  sitzen,  zuwider. 

§.  112. 

Die  Herrenbank  der  Provinzialstände  muss  daher,  wenn 
sie  einmal  nicht  bloss  aus  wahren  Erbständen  (erblich  und 
persönlich  Berechtigten)  bestehen  kann,  auf  eine  andere 
Weise  zusammengesetzt  werden.  Um  dies  den  Grundsätzen, 
auf  welche  die  Theilung  der  Kammern  in  den  allgemeinen 
Ständen  beruht,  so  nahe  kommend,  als  möglich,  zu  machen, 
muss  daraus  zuerst  aller  Geldreichthum  ausgeschlossen  und 


251 

nur  Grundeigenthum  aufgenommen  werden,  vom  Grund- 
eigentum aber  auch  nur  dasjenige,  was  sich  entweder  durch 
nothwendige  Erblichkeit  oder  durch  seine  Grösse  auszeich- 
net.    Sonach  würde  die  Herrenbank  bestehen: 

1)  aus  den  eigentlichen  Erbstünden  und  der  hohen  Geist- 
lichkeit, 

2)  aus  denjenigen  Grundbesitzern,  welche  fideicommissa- 
rische  Güter  von  einer  zu  bestimmenden  Grösse  hatten, 

3)  aus  denjenigen,  die  einen  Steuersatz  bezahlen,  welcher, 
nach  Verschiedenheit  der  Provinz,  da  die  obere  Kam- 
mer nicht  zahlreich  seyn  muss,  den  doppelten  oder 
dreifachen  der  Abgeordneten  in  der  untern  Kammer 
ausmacht. 

Bei  den  beiden  letzten  Classen  wäre  die  Qualität  des 
Adels  gleichgültig,  und  die  adlichen  Wahldeputirlen  von  ge- 
ringerem Steuersatz  nähmen  in  der  untern  Kammer  ihren  Platz. 

Der  Adel  verliert  nicht  das  Mindeste  hierbei,  sondern 
gewinnt  vielmehr.  Denn  sobald  er  nur  das  Vorrecht  be- 
hält, eine  eigne  Wahlcorporation  zu  bilden,  und  daher  sicher 
ist,  eine  bestimmte  Anzahl  Glieder  aus  seiner  Mitte  unter 
den  Ständen  zu  haben,  und  in  der  Person  und  der  Abstim- 
mung dieser  sich  als  einen  politisch  wohlthätigen  Körper 
erweisen  zu  können,  ist  es  vielmehr  sein  Vortheil,  wenn 
seine  Abgeordneten  bei  allen  Theilen  der  gemeinschaftlichen 
Berathung  gegenwärtig  sind. 

§.  113. 

Es  ist  in  der  Badenschen  Verfassung  nicht  zu  loben, 
dass  der  Adel  von  der  zweiten  Kammer  ganz  ausgeschlos- 
sen ist.  War  die  erste  zahlreich  genug,  ohne  die  Abgeord- 
neten des  Adels,  so  hätte  man  besser  gethan,  diese  in  die 
zweite  Kammer  zu  setzen.  War  dies  nicht,  so  konnte  man 
sie  nach  dem  Vermögen  vertheilen. 


252 

§•  114. 
Nach  Herrn  von  Vincke  sollen  alle  adliche  Gutsbesitzer 
für  geborne  Mitglieder  der  Landstande  erklärt  werden.  Den- 
noch fordert  er  zugleich  auch  ein  zu  bestimmendes  Grund- 
einkommen, obschon  ein  geringes.  Dies  giebt  dem  Adel, 
scheint  es,  was  er  eigentlich  nicht  besitzen  soll,  und  nimmt 
ihm  wieder,  was  ihm  zukommt.  Bloss  darum,  weil  man 
adlich  und  nicht  ganz  arm  ist  (ohne  andre  Kriterien  wahrer 
Erbstande),  geborner  Landstand,  und  über  alle  Wahl  hinweg- 
gesetzt zu  seyn,  ist  ein  wahres  und  zu  grosses  Vorrecht. 
Dagegen  wenn  man  auch  adlich,  auch  angesessen,  allein 
nicht  dem  eigentlich  adlichen  Steuersatz  gemäss  begütert 
ist,  auch  gar  kein  adliches  Corporationsrecht,  weder  als 
Wählender,  noch  Gewählter  auszuüben,  sondern  mit  den 
Nichtadlichen  zu  wählen,  und  wenn  es  sonst  angeht,  ge- 
wählt zu  werden,  nimmt  dem  Adel  zu  viel,  und  räumt  dem 
blossen  Reichthum  unter  dem  Adel  zu  viel  ein.  Nach  dem 
hier  aufgestellten  System  kann  jeder  angesessene  Adliche 
unter  seines  Gleichen  zur  Wahl  mitwirken,  und  übt  also 
ein  volles  Corporationsrecht  aus.  Erst  ob  er  gewählt  wer- 
den kann?  hängt  von  der  Grösse  des  Grundbesitzes  ab. 
Hält  man  es  in  den  allgemeinen  Ständen  für  gut,  dass  der 
Adel  auch  in  der  zweiten  Kammer  Sitz  hat,  so  ist  nicht  ab- 
zusehen, warum  dasselbe  nicht  bei  den  Provinzial-Ständen 
gut  seyn  soll.  Auf  jene  Stände-Versammlung  aber  hat  Hr. 
v.  Vincke  gar  keine  Rücksicht  genommen.  Denn  es  ist 
offenbar,  dass  in  keiner  beider  Kammern  der  allgemeinen 
Stände  alle  adliche  Gutsbesitzer  von  so  kleinem  Einkommen 
Platz  finden  können.  Nun  bleibt  nichts  übrig,  als  hier  das 
Einkommen  zu  vergrössern,  und  alle  übrige  Adlichen  ganz 
von  der  allgemeinen  Versammlung  auszuschliessen.  Dadurch 
verliert  aber  der  Adel  sehr  bedeutend,  da  eine  grosse  Menge 


253 

Adlicher  alsdann  weder  passiv  noch  activ  an  der  allgemei- 
nen Versammlung  Theil  nehmen. 

§.  115. 

Diese  Abtheiluns:  in  zwei  Kammern  müsste  überall  da 
stattfinden,  wo  die  Provinzial-Stände  der  Regierung  gegen- 
übertreten; daher  bei  Berathung  über  Gesetzentwürfe,  bei 
Vorschlagen  eigener,  und  bei  Beschwerdeführung.  Nur  was 
beide  Kammern  billigten,  könnte  als  Beschluss  der  Provin- 
zial-Stände angesehen  werden. 

§.116. 

Wo  die  Provinzial-Stände  verwaltend  und  über  ihre 
Verwaltung  berathend  handeln,  und  also  nur  im  Verhältniss 
zu  sich  selbst  sind,  wäre  die  Deliberation  in  einer  Versamm- 
lung viel  besser,  und  da  doch  nur  ein  Ausschuss  hierzu 
seyn  kann,  fast  nothwendig.  Auch  werden  dies  meist  nur 
Versammlungen  der  Präsidialbezirke,  also  minder  zahlreiche, 
seyn.  Dieses  Wirken  der  Provinzial-Stände,  bald  in  verei- 
nigter, bald  in  getrennter  Form,  hätte  auch  das  Gute,  dass 
es  die  Mitglieder  nahe  brächte,  ohne  sie  mit  einander  zu 
vermischen.  Es  bedarf  indess  kaum  bemerkt  zu  werden, 
dass,  sobald  besondere  Angelegenheiten  einer  Corporation, 
wie  z.  B.  der  städtischen  vorkommen,  die  Versammlung  sich 
auch  nach  Corporationen  trennen  könnte. 

§•  117. 
Man  muss  sich  darauf  gefasst  machen,  dass  es  von  man- 
chen Seiten  her  Widerspruch  erregen  wird,  wenn  man  dem 
Adel  jenseits  des  Rheines  wieder  politische  Geltung  giebt. 
Baiern  hat  es,  wenn  es  auch  in  seinen  überrheinischen  Di- 
strikten noch  Adel  geben  sollte,  in  denselben  schon  dadurch 
nicht  gethan,  dass  wo  der  Adel  politisch  auftreten  soll,  er 
allemal  grundherrliche  Rechte  besitzen  muss,  die  dort  nicht 
sind,  und  die  man  sich  auch  sehr  hüthen  müsste,  wieder 
einzuführen.     Wenn,  wie  es  scheint,  in  Absicht  der  Anzahl 


und  der  Besitzungen  des  Adels  ein  grosser  Unterschied 
zwischen  den  ehemaligen  Provinzen  Cleve,  Jülich,  Berg  und 
Marck  und  den  übrigen  ist,  so  könnte  man  wohl  darauf 
kommen,  diese  lieber  mit  Westphalen  in  landständischer  Ver- 
fassung zu  verbinden,  als  mit  dem  Herzogthum  Niederrhein, 
oder  in  diesem  Präsidialbezirksversammlungen  vorzuziehen. 
Allein  es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  dass  die  Stimmung  so 
allgemein  gegen  den  Adel  in  jenen  Provinzen  sey.  Wenn 
sie  es  aber  seyn  sollte,  so  muss  man  dieselbe  auf  eine  sanfte 
Weise  zurückzuführen  suchen.  So  lange  der  Rhein  auf  der 
einen  Seite  ehemalige  deutsche  Institute  von  bloss  neufran- 
zösischen auf  der  andern  scheidet,  ist  an  ein  volles  Aneig- 
nen der  jenseitigen  Provinzen  nie  zu  denken.  Sie  werden 
sich,  da  nichts  so  grosse  Macht,  als  politische  Institutionen, 
hat,  nothwendig  zu  dem  hinneigen,  was  ihnen  mehr  ähnlich 
ist.  Auf  die  hier  angegebene  Weise  kann  die  Wiederbele- 
bung des  Adels  keine  gegründete  Beschwerden  erregen.  Er 
hat  schlechterdings  keine  Vorrechte,  er  nimmt  seinen  Platz 
überall  bei  den  andern  Grundeigenthümern.  Weiter  aber 
dürfte  man  auch,  wenigstens  in  den  obern  Rheinprovinzen, 
gewiss  nicht  gehen,  und  ja  nicht  durch  absichtliches  Adeln 
das  Ansehen  haben,  geflissentlich  den  Adel  wiederherstellen 
zu  wollen.  Zeit  und  Gewohnheit  haben  dort  mächtig  ge- 
wirkt; man  würde  wirklich  die  Gemüther  entfernen,  und  die 
Regierung  würde  den  Schein  gewinnen,  ihnen  gewaltsam 
entgegen  wirken  zu  wollen.  Die  bürgerlichen  Vorrechte 
des  Adels  müssen  auch  diesseits  des  Rheins  nach  und  nach 
aufhören,  den  Adel  selbst  aber,  als  politische  Corporation, 
muss  man  jenseits  mit  Vorsicht  wieder  erwecken.  Nur  so 
kann  sich  Alles  ausgleichen  und  der  Begriff  organisch  ge- 
bildeler Stände  an  die  Stelle  einer,  nach  vorhergegangner 
allgemeiner  Nivellirung,  auf  blossen  Zahl-  und  Vermögens- 
verhältnissen   beruhender    Volksrepräsentalion    treten.     Bei 


255 

dem  Allem  aber  scheint  es  immer  viel  ausgemachter,  dass 
man  in  den  Rheinprovinzen  mit  dem  Adel  nicht  weiter,  als 
dass  man  nur  so  weit  gehen  könne,  und  es  kommt  dabei 
immer  noch  auf  genaue  Kenntniss  aller  Distrikte  an.  Dass 
aber  der  Nieder-  und  Oberrhein  in  den  Stünden  nicht  ge- 
trennt würde,  dürfte,  wenn  jener  noch  mehr  den  ehemaligen 
Verhältnissen  treu  geblieben  seyn  sollte,  gerade  zu  gehöri- 
ger Mischung  der  Meinungen  und  Gesinnungen  erspriess- 
lich  seyn. 

§.  us. 

Der  Geschiiftskreis  der  Provinzial- Stände,    insofern  sie 
nicht  verwalteten,  würde  sich  ausdehnen 

1)  auf  Zustimmung  zu  Provinzialgesetzen  und  Bewilligung 
provinzieller  Steuern; 

2)  auf  Berathung  über  allgemeine  Gesetze  und  Steuern 
aus  dem  Standpunkte  der  besondern  Verhältnisse  der 
Provinz; 

3)  auf  eigene  Vorschläge  zu  Gesetzen  und  Einrichtungen; 

4)  auf  Beschwerdeführungen. 

§.119. 
Der  erste  Punkt  ist  zwar  durch  sich  selbst  klar.  Allein 
er  macht  doch  eine  eigene  verwahrende  Bemerkung  noth- 
wendig.  Da  es  allen  Grundsätzen  zuwider  laufen  würde,  dass 
die  Regierung  allein  mit  Einer  Provinz  ein  Gesetz  zu  Stande 
brächte,  welches  auf  irgend  eine  Weise  auch  auf  eine  an- 
dere, oder  den  ganzen  Staat  einen  hemmenden,  oder  bela- 
stenden Einlluss  haben  könnte,  so  muss  der  Begriff  des 
provinziellen  Gesetzes  im  allerengsten  Sinne  in  diesem  Falle 
genommen,  oder  wenn  der  direkte  Einlluss  eines  solchen 
Vorschlages  sich  auf  eine  andere  Provinz  mit  erstreckte, 
auch  diese  um  ihre  Zustimmung  befragt  werden.  Da  aber 
in  dem  jetzigen  Zustande  der  bürgerlichen  Gesellschaft  ei- 
gentlich kein  Gesetz,   welches  eine  ganze  Provinz  betrifft, 


256 

für  den  Staat  und  die  allgemeine  Gesetzgebung  gleichgültig 
seyn  kann,  so  dürfte  es  wohl  nothwendig  seyn,  bei  jeder 
allgemeinen  Ständeversammlung  die  in  der  Zwischenzeit 
ihrer  Zusammenkünfte  beliebten  Provinzialgesetze  vorzutra- 
gen, und  bestätigen  zu  lassen,  ohne  dass  die  Nothwendig- 
keit  dieser  Bestätigung  jedoch  hindern  dürfte,  solche  Gesetze 
schon  vorher  provisorisch  in  Ausübung  zu  bringen.  Erhö- 
ben sich  Stimmen  gegen  eines,  oder  das  andre,  so  müsste 
erst  durch  beide  Kammern  die  Frage  entschieden  werden, 
ob  der  ganze  Staat  wirklich  ein  so  nahes  Interesse  bei  der 
Massregel  habe,  um  einen  Einspruch  zu  begründen.  Würde 
dies  bejaht,  so  müsste  das  Provinzialgesetz,  Avie  jedes  andere 
allgemeine,  einer  neuen  Berathung  unterworfen  werden. 

§.  120. 

Bei  dem  zweiten  Punkte  muss  die  Beurtheilung,  ob  die 
Provinzial- Stände,  und  welche  befragt  werden  sollen?  der 
Reffierune;  anheim°estellt  bleiben.  Hierbei  kann  die  Stimme 
der  Provinzial-Stände  nur  berathend  seyn,  und  es  muss  je- 
des Abschweifen  von  dem  schlicht  provinziellen  Standpunkt 
sorgfältig  vermieden  werden.  Versäumt  die  Regierung  da, 
wo  sie  es  hätte  thun  sollen,  die  Provinzial-Stände  zu  Rathe 
zu  ziehen,  so  steht  es  immer  in  der  allgemeinen  Versamm- 
lung, wo  jeder  Gesetzentwurf  vorkommen  muss,  den  Ab- 
geordneten der  betreffenden  Provinz  frei,  selbst  ihre,  auf 
ihren  Standpunkt  berechneten  Erinnerungen  zu  machen,  auch 
in  Anregung  zu  bringen,  den  ganzen  Entwurf  erst  an  die 
Provinzialversammlung  zurück  zu  verweisen. 

§.  121. 

In  Absicht  des  dritten  Punkts  muss  immer  der  Grund- 
satz festgehalten  werden,  dass  die  Provinzial-Stände  so  we- 
nig, als  die  allgemeinen,  jemals  die  Initiative  der  Berathung 
nehmen  können.  Sie  können  daher  nie  die  Regierung  ge- 
wissermassen  nöthigen,  über  einen  Vorschlag  in  Diskussion 


257 

einzugehen,  und  ihre  Vorschläge  seihst  müssen  nur  im  All- 
gemeinen, mehr  um  den  Gegenstand  anzuzeigen,  als  um  ihn 
auszuführen,  gemacht  werden.  Die  anzubringenden  Vor- 
schläge werden  am  Ende  der  Sitzung  mit  den  Beschwerden 
in  einen  und  denselben  Beschluss  gel'asst,  und  es  hängt  von 
der  Regierung  ab,  ob  sie  auf  dieselben  in  der  nächsten 
Sitzung  eingehen  will,  oder  nicht.  Dagegen  müssen  die  Be- 
schwerden allemal  und  einzeln  erledigt  werden. 

§  122. 

Es  ist  in  den  anliegenden  Aufsätzen  eines  landesherrli- 
chen Commissarii  hei  der  Versammlung  erwähnt.  Wenn  es 
einen  solchen  geben  soll,  so  würde  es  nicht  gut  seyn,  dass 
er  zwar  bei  der  Berathung,  nicht  aber  der  Abstimmung  zu- 
gegen seyn  könnte.  Es  verräth  dies  schon  einiges  Miss- 
trauen, und  sobald  es  eine  Zeit  gäbe,  wo  der  Commissarius 
nicht  zugegen  seyn  dürfte,  so  würde  es  nicht  fehlen,  dass, 
unter  dem  Vorwand  der  blossen  Abstimmung,  auch  gespro- 
chen würde,  und  dies  würde  kleinliche  Neckereien  und  Hän- 
del herbeiführen. 

§,  123. 

Sollte,  und  kann  es  aber  füglich  einen  landesherrlichen 
Commissarius,  insofern  dies  Eine  bei  allen  Sitzungen  immer 
gegenwärtige  Person  seyn  soll,  bei  den  Versammlungen 
geben?  Ihn  den  Vorsitz  führen,  oder  die  Polizei  in  der 
Versammlung  machen  zu  lassen,  dürfte  dieser,  die  ihren 
Präsidenten  in  der  untern  Kammer  selbst  wählen  und  ihn 
die  Ordnung  erhalten  lassen  muss,  zu  viel  vergeben. 

Es  scheint  daher  besser,  den  obersten  Personen  der 
Provinzialbehörde,  den  Oberpräsidenten,  Präsidenten  und  den 
Direktoren  das  Recht  zu  ertheilen,  wenn  und  so  oft  sie 
wollen,  in  den  Versammlungen  zu  seyn,  nicht  aber  um  sich, 
wo  sie  nicht  Gesetzentwürfe  vorschlagen,  oder  vertheidigen, 
in  die  Beratschlagungen  zu  mischen,  sondern  nur  um  voll- 
vii.  17 


258 

ständige  Kenntniss  von  denselben  zu  nehmen.  Es  würde 
ihnen  natürlich  verstallet  seyn,  wo  sie,  wenn  von  Vorschlä- 
gen oder  Beschwerdefühl ungen  die  Rede  wäre,  faclische 
Aufklärungen  geben  könnten,  dies  unaufgefordert  zu  thun; 
allein  auf  keine  Weise  müsslen  sie  die  Berathung  lenken 
oder  gar  zurecht  weisen  wollen.  Dagegen  müsste  der  Ober- 
präsident, oder  wenn  man  es  für  gut  hielte,  einem  eignen 
Commissarius  dies  Geschält  zu  übertragen,  alles  dasjenige 
bei  den  Provinzial- Ständen  thun,  was  bei  der  allgemeinen 
Sache  des  Landesherrn  ist,  öffnen  und  schliessen,  und  auch 
mit  dem  Rechte  die  Versammlung  zu  suspendiren  versehen 
seyn,  wenn  er  den  Fall  eingetreten  glaubte,  dass  der  Lan- 
desherr sie  auflösen  müsste.  Auf  diese  Weise  wäre  ihm 
der  Präsident  der  Versammlung  indirekt  für  die  Erhaltung 
der  Ordnung  und  des  Auslandes  verantwortlich. 

§•  121. 
Die  Zusammenberufung  der  Provinzial-Stände  kann  na- 
türlich nicht  anders,  als  vom  Landesherrn  ausgehen,  allein 
es  würde  nothwendig  seyn,    zu  bestimmen,    dass  sie  alle 
zwei  Jahre  versammelt  werden  müssten. 

Allgemeine  Stände  ver  Sammlung. 

§.  125. 

Ueber  die  allgemeine  Ständeversammlung  wird  hier, 
wo  nur  die  höchsten  Grundsätze  berührt  werden  sollen, 
kaum  noch  etwas  zu  sagen  seyn,  was  nicht  schon  bei  den 
Provinzial-Ständen  erwähnt  worden  wäre. 

§.  126. 

Die  obere  Kammer  kann  bei  den  allgemeinen  Ständen 
allein  aus  persönlich  zur  Landstandschaft  berechtigten  Per- 
sonen bestehen,  nicht  aus  gewählten.  Es  treten  in  sie  na- 
türlich die  Königlichen  Prinzen,  nach  diesen  die  Mediatisir- 
ten,  die  Schlesischen  Standesherrn,  und   von  dem  übrigen 


259 

Adel  diejenigen,  weiche  das  bedeutendste  Grundeigenthum 
besitzen,  wozu  es  wohl  nöthig  seyn  würde,  einen  gewissen 
Satz  zu  bestimmen;  nach  diesen  die  Häupter  der  katholi- 
schen und  protestantischen  Geistlichkeit.  Ob  der  Landes- 
herr nach  seinem  Gutfinden,  auch  Personen,  die  gar  kein 
oder  kein  grosses  Grundvermögen  besitzen,  zu  Erbständen 
für  ihr  ganzes  Geschlecht,  oder  zu  Mitgliedern  der  obern 
Kammer  für  ihre  Lebenszeit  soll  ernennen  können,  ist  eine 
nicht  unwichtige  Frag'e.  Eigentlich  wird  das  wahre  Wesen 
der  obern  Kammer  dadurch  unzweckmässig  alterirt,  es  würde 
aber  dem  Landesherrn  zu  sehr  die  Hände  binden,  nicht  das 
Recht  dazu  zu  besitzen.  Es  wird  also  gut  seyn,  es  in  die 
Verfassung  aufzunehmen,  aliein  Staatsmaxime  bleiben  müs- 
sen, nicht  häufig  von  diesem  Rechte  Gebrauch  zu  machen. 
Ist  dies  Recht  bei  den  allgemeinen  Ständen  vorhanden,  muss 
es  auch  bei  den  Provinzialständen  seine  Anwendung  finden 
können.  Mit  der  eigentlichen  Erbstandschaft  müsste  wohl, 
wie  schon  oben  bemerkt  worden,  nothwendig  die  Verbind- 
lichkeit verknüpft  werden,  einen  Theil  des  Grundvermögens, 
dessen  Maximum  und  Minimum  bestimmt  werden  müsste, 
als  Majorat  zu  vineuliren.  Wer  sich  dazu  nicht  verstehen 
wollte,  könnte  nicht  Erbstand  seyn. 

§,  127. 
Die  zweite  Kammer  würde  zusammengesetzt,  wie  die- 
selbe in  den  Provinzialversammlungen,  und  sie  bestände 
daher  aus  Adiichen,  Abgeordneten  der  übrigen  Landeigen- 
thümer,  und  der  Städte.  Es  dürfte  aber  wohl  rathsam  seyn, 
zur  Wahl  zu  Abgeordneten  in  den  allgemeinen  Ständen  ei- 
nen höheren  Steuersalz  zu  bestimmen,  als  zur  Wahl  zu  den 
Provinzialständen.  Denn  sonst  würde  dieser  Satz  entweder 
für  die  allgemeine  zu  niedrig,  oder  für  die  andere  zu  hoch 
werden.     Es  ist   auch   eher  möglich    aus    dem  Kreise    be- 

17* 


260 

schränktet'  Verhältnisse    die    Angelegenheiten    der    Provinz, 
als  die  des  ganzen  Landes  mit  Richtigkeit  zu  beurtheilen. 

§.  128. 

Die  Abgeordneten  der  Universitäten  könnten  nur  in  die 
zweite  Kammer  eintreten,  schon  aus  dem  Grunde,  weil  es 
natürlich  ist,  diese  Abgeordneten  durch  Wahl  bestimmen  zu 
lassen,  und  Wahlstände  in  der  obern  Kammer  nicht  Platz 
linden  können. 

§.  129. 

Es  ist  im  Vorigen  die  periodische  Bewilligung  der 
Steuern  für  nicht  rathsam  erklärt  worden.  Dagegen  müsste 
den  allgemeinen  Ständen,  bei  ihrer  jedesmaligen  Zusammen- 
berul'ung,  die  Lage  des  Staatshaushalts,  und  des  Schulden- 
wesens genau  vorgelegt  werden.  Den  Ständen  müsste  frei 
stehen,  Bemerkungen  über  mögliche  Ersparungen  zu  ma- 
chen, und  wie  sich  von  selbst  versteht,  Beschwerden  über 
vorkommende  Unregelmässigkeiten  zu  führen,  und  die  Mi- 
nister müssten  gehalten  seyn,  hierauf  augenblicklich  zu  ant- 
worten. So  lange  indess  von  keiner  neuen  Steuer  und  kei- 
ner Veräusserung  und  Anleihen  die  Rede  wäre,  müsste  es 
immer  bei  der  Regierung  stehen,  die  vorgeschlagene  Anord- 
nung zu  machen  oder  nicht,  da  den  Ständen  keine  Einmi- 
schung in  die  Verwaltung  gestattet  werden  kann. 

§.  130. 

Die  Minister  müssen  das  Recht  haben,  in  beiden  Kam- 
mern jedesmal  zu  erscheinen,  und  allen  Verhandlungen  bei- 
zuwohnen. Zur  Vertheidigung  von  Gesetzentwürfen  können 
ihnen  Rälhe  zugeordnet  werden. 

§.  131. 

Die  allgemeinen  Stände  müssten  wenigstens  alle  vier 
Jabre  zusammenberufen  werden,  und  es  würde  gut  seyn, 
um  den  Zusammenhang  zwischen  ihnen  und  den  Provinzial- 
ständen  zu  erhalten,   die  letzteren   allemal   unmittelbar   vor, 


261 

oft  auch  unmittelbar  nach  jenen  zu  versammeln,  je  nachdem 
die  Vorbereitung  der  Berathungen  der  allgemeinen  Ver- 
sammlung, oder  die  Ausführung  ihrer  Beschlüsse  es  er- 
forderte. 

§.  132. 
Die  Zulassung  von  Zuhörern  in  den  standischen  Ver- 
sammlungen hat  allerdings  Unbequemlichkeiten,  und  es  muss 
in  jeder  Art  vermieden  werden,  dass  sie  dieselben  nicht  in 
eine  Art  von  .Schauspiel  verwandelt.  Auf  der  andern  Seite 
ertödtet  die  ausdrückliche  Versagung  dieser  Art  der  Oeffent- 
lichkeit  den  Geist,  und  es  ist  auch  unleugbar,  dass  es,  vor- 
züglich für  junge  Männer,  die  sich  selbst  dein  Geschäftsleben 
widmen,  überaus  nützlich  ist,  ein  anschauliches  Bild  ordent- 
lich und  gründlich  geführter  ständischer  Berathungen  vor 
sich  zu  haben.  Es  würde  daher,  um  den  Missbrauch  zu 
verhüten,  hinlänglich  seyn,  die  Zahl  der  Zuhörer  zu  be- 
schränken, Frauen  ganz  auszuschliessen,  und  durch  die  Ab- 
geordneten selbst  dahin  wirken  zu  lassen,  dass  der  Zutritt 
zur  Versammlung  nicht  aus  Neugierde ,  oder  Parteisucht, 
sondern  nur  aus  wahrem  Anlheil  am  öffentlichen  Geschäfts- 
leben gesucht  würde. 

Wähle  n. 

§.  133. 

Es  ist  schon  im  Vorigen  als  Grundsatz  aufgestellt  wor- 
den, dass  die  Wahlen  zu  den  drei  verschiedenen  Stufen 
ständischer  Autoritäten,  den  Verwaltungsbehörden,  den  Pro- 
vinzial-  und  den  allgemeinen  Standen,  sämmtlich  unmittelbar 
vom  Volke  ausgehen  müssen. 

Herr  von  Vincke  lässt  die  Behörden  und  Provinzial- 
stände  vom  Volke  wählen,  allein  die  Abgeordneten  zu  den 
allgemeinen  Ständen  sollen  durch  die  Provinzialstände  (ohne 
dass  gesagt  ist,  ob  auch  aus  ihrer  Mitte  oder  nicht)  gewählt 


262 

werden.  Einer  der  übrigen  Aufsätze  bestimmt,  dass  die 
Volkswahlen  gleich  angeben  sollen,  welche  unter  den  Ab- 
geordneten zu  den  Provinzialständen  es  auch  für  die  allge- 
meinen seyn  sollen.  Beide  Meinungen  gehen  von  der  hier 
vorgetragenen  ab,  haben  aber  eine  sehr  merkwürdige  Nuance. 
Herr  von  Vincke  kann  so  verslanden  werden,  dass  die  Pro- 
vinzialstande  nur  die  Wahlenden  sind;  nach  dem  andern 
Aufsatze  sind  sie  die  Gewählten.  Die  hier  aufgestellte  Mei- 
nung  erfordert  daher  eine  ausführlichere  Rechtfertigung,  und 
es  wird  nur  vorläufig  bemerkt,  dass  Herrn  von  Vincke's 
Meinung  die  annehmbarere  scheint,  obgleich  sie,  eigentlich 
ganz  gegen  sein  sonstiges  System,  eine  Wahl  durch  Zwi- 
schenstufen aufstellt.  Denn  was  wären  die  Provinzialslände 
anders,  als  ein  Collegium  von  Wahlen?  Gewiss  nicht  zu 
billigen  wäre  es,  wenn  die  Provinzialslände  gar  aus  ihrer 
Mille  wählen  sollten,  und  also  Wähler  und  Gewählte  zu- 
gleich wären.  Die  Majorität  in  ihnen  und  somit  ihr  ganzer 
individueller  Amtsgeist  und  Amtscharakter  gingen  alsdann 
unmittelbar  in  die  allgemeine  Versammlung  über.  Aufs 
Höchste  dürfte  man  nicht  zu  untersagen  brauchen,  dass  die 
\\  ahler  in  der  Nation  auch  Mitglieder  der  Provinzialstände 
m  allgemeinen  Abgeordneten  machten. 

§•  134. 
Die  drei  genannten  Körper  einen  aus  dem  anderen  her- 
vorgehen zu  lassen,  würde  Einseitigkeit  zur  Folge  haben, 
und  die  Geschiedenheit  des  Corporationsgeistes  hervorbrin- 
gen, der  um  so  schädlicher  seyn  müsste,  als  hier  nicht  von 
Volkscorporationen,  sondern  von  Aintscorporationen  die  Rede 
wäre.  Deputirte,  die  zugleich  Mitglieder  der  Provinzialver- 
sammlungen  sind,  werden  zu  leicht  bloss  Organe  dieser  Ver- 
sammlungen, anstatt  rein  ihre  eigene  Meinung,  oder  die  öf- 
fentliche ihrer  Provinz  auszusprechen,  da  es  nicht  fehlen 
kann,  dass  eine  Versammlung  nach   einiger  Zeit  einen  ge- 


263 

wissen  Charakter  und  gewisse  Maximen  annimmt.  Dieser 
Nachtheil  scheint  den  Vortheil  aufzuwiegen,  den  es  sonst 
allerdings  hätte,  in  der  allgemeinen  Versammlung  bloss  Män- 
ner zu  finden,  die  schon  an  den  ßerathungen  in  ihrer  Pro= 
vinz  thätigen  Antheil  genommen  haben. 

Die  Regierung  würde  sich  auch  umsonst  einbilden,  vor 
Widerspruch  oder  neuernden  Vorschlügen  dadurch  sichrer 
zu  seyn.  Amtskörper  widerstehen,  wie  man  an  den  Parla- 
menten in  Frankreich  gesehen  hat,  mit  dem  Eigensinn  von 
Individuen,  nur  verstärkt  durch  die  Mehrzahl.  Der  Munizi- 
palgeist  würde  in  die  Provinzialstände,  der  dieser  in  die  all- 
gemeinen übergehen,  und  da  er  in  den  verschiedenen  Pro- 
vinzen nicht  derselbe  seyn  kann,  so  würden  in  den  allge- 
meinen Ständen  schroff  geschiedene  Massen  starr  neben 
einander  dastehen.  Dagegen  wird  die  vernünftige  Stimme 
der  Nation  viel  deutlicher  zu  erkennen  seyn,  wenn  in  der 
allgemeinen  Versammlung  Männer  zusammentreten,  die  zwar 
mit  Allem,  was  in  der  Provinzialversammlung  vorgenommen 
worden  ist,  vertraut  sind,  aber  nicht  selbst  Theil  daran  ge- 
nommen haben,  und  wenn  nur  an  die  allgemeine  Versamm- 
lung zugleich,  wie  in  vielen  Gelegenheiten  der  Fall  seyn 
muss,  das  amtliche  Gutachten  der  Provinzialversammlung 
gelangt.  Wenn  diese,  wie  sich  voraussehen  lässt,  sich  mehr 
hinneigt,  der  Advokat  der  Provinz  zu  seyn,  so  werden  die 
unmittelbar  aus  dieser  in  die  allgemeine  Versammlung  tre- 
tenden Mitglieder  sich  um  so  freier  glauben,  als  die  amt- 
liche Verwahrung  der  Provinzialrechte  vorhanden  ist.  Auch 
halten  Individuen  nie  so  einseitig  zusammen,  wenn  sie  bloss 
aus  derselben  Landschaft  gewählt,  als  wenn  sie  schon  als 
Collegen  in  demselben  Geschäfte  verbunden  gewesen  sind. 
Auf  diese  Weise  wird  die  allgemeine  Berathung  ein  Cor- 
rectiv  für  die  Provinzialstände,  und  für  die  Provinzialabge- 
ordneten  in  jener  seyn,  wenn  einer  dieser  beiden  Theile  das 


264 

Provinzialinteresse  zu  warm  oder  zu  nachlassig  vevtheidigen 
sollte.  Das  Volk  in  den  Provinzen  wird  selbst  ihm  lästig 
fallende  Gesetze  mit  versöhnterem  Gemüth  aufnehmen,  da 
der  Fall  doch  selten  seyn  wird,  dass  der  allgemeine  ße- 
schluss  zugleich  ganz  gegen  das  Gutachten  der  Provinzial- 
versammlung,  und  gegen  die  Abstimmung  der  Mehrheit  der 
î'rovinzialabgeordneten  ausgefallen  wäre.  In  den  Provinzial- 
ständen  selbst  endlich  könnte  die  Möglichkeit,  welche  die 
Minorität  für  sich  hätte,  doch,  indem  sie  wieder  die  Bera- 
thung  in  der  allgemeinen  Versammlung  theilte,  noch  den 
■Sieg  davon  zu  tragen,  einen  sehr  schädlichen  Partheigeist, 
Rechthaberei  und  Eifersucht  bewirken. 

§.  135. 

.Man  muss  sich  überhaupt  nicht  verhehlen,  dass  der 
grosseste  und  gegründetste  Vorwurf,  welcher  dem  hier  auf- 
gestellten Systeme  gemacht  werden  kann,  der  ist,  dass  er 
die  Nation  zu  sehr  in  verschiedene  '1  heile  spaltet.  Man 
muss  daher  kein  Mittel  versäumen,  um  diese  Spaltung,  so 
wie  sie  von  gewissen,  und  den  wichtigsten  Seiten  offenbar 
heilsam  und  wohlthätig  ist,  nicht  von  andern  nachtheilig 
werden  zu  lassen. 

§.  136. 

Die  ganze  Frage,  ob  es  überhaupt  Provinzialslände  ge- 
ben soll?  ist  in  diesen  Blättern  mehr  als  schon  entschieden 
betrachtet,  dann  erst  erörtert  worden.  Dies  hat  den  natür- 
lichen Grund  gehabt,  dass  hierüber  der  Wille  der  Regierung 
ausgesprochen,  und  vielmehr  die  Existenz  der  allgemeinen 
Versammlung  problematisch  scheint. 

Es  ist  nicht  zu  läugnen ,  dass,  wenn  man  schon  die 
grosse  Verschiedenheit  der  einzelnen  Provinzen  der  Preussi- 
schen  Monarchie  als  eine  Schwierigkeit  für  die  ständische 
Verlassung  ansieht,  die  wahre  und  geflissentliche  Ausbildung 
dieser  Verschiedenheil  in  jeder  Provinz    diesen  Uebelstand 


265 

zu  vermehren  scheint.  Allein  die  Einheit  eines  Staats  be- 
ruht nicht  gerade  auf  der  Einerleiheit  der  bürgerlichen  und 
politischen  Verhältnisse  in  allen  seinen  Theilen,  sondern  nur 
auf  der  Gleichheit  des  Antheils  aller  an  der  Verfassung,  und 
auf  der  festbegründeten  Ueberzeugung,  dass  die  eigenthüm- 
lichen,  und  daher  jedem  gewohnten  und  werthen  Einrich- 
tungen nur  in  so  ferne  sicheren  und  gefahrlosen  Bestand 
linden,  als  man  zusammen  unverbrüchlich  am  Ganzen  hängt. 
Zerschlagen  eines  grossen  Landes  in  lauter  winzige  Theile, 
deren  jeder  mit  gar  keiner  Art  von  Selbstständigkeit  auftre- 
ten kann,  erleichtert  offenbar  den  Despotismus;  es  bleibt 
aber  dem  Zufall  und  der  Stärke  der  Parteien  überlassen, 
ob  derselbe  wird  von  der  Regierung,  oder  von  der  Volks- 
vertretung ausgeübt  werden.  Es  ist  nicht  zu  läugnen,  dass 
Sieyes,  der  Urheber  dieser  Maassregel  in  Frankreich,  da- 
durch mit  sehr  richtigem  Blicke,  die  Revolution  organisirt, 
und  auf  gewisse  Weise  perpetuirlich  gemacht  hat.  In  Eng- 
land haben  die  einzelnen  Grafschaften  einen  ganz  anderen 
inneren  bürgerlichen  Verband,  als  die  Französischen  Depar- 
tements, und  ein  ganz  anderes  Gebietsverhältniss  zum  Gan- 
zen. Die  Eintheilungen  der  ständischen  Verfassung  müssen 
auch  nothwendig  den  Eintheilungen  der  Verwaltung  folgen. 
Daher  würde  auch  die  in  dem  Schlosser'schen  Aufsatze  über 
die  Grmidzüge  angedeutete  Maassregel  nicht  zweckmässig 
seyn,  nemlich  die,  die  ständischen  Verfassungen  nach  der 
Einheit  und  Verschiedenheit  zu  theilen,  welche  zwischen 
den  Landesgebieten  in  Rechts-  und  Sittenverhältnissen  ist, 
so  viel  es  sonst  für  sich  hätte,  und  mit  diesen  Verfassungen 
die  Eintheilungen  der  Verwaltung  zu  zerschneiden.  Macht 
eine  Provinz  ein  Mal  einen  Verwaltungsbezirk,  so  besitzt 
dieser  Bezirk  auch  ein  gemeinsames  landschaftliches  Inter- 
esse, gemeinsame  Angelegenheiten,  hat  gemeinsame  Be- 
schwerden gegen  die  Regierung  zu  führen.     Es  muss  also 


266 

auch  eine  landständische  Behörde  der  Provinz  geben.  Nun 
könnte  man  zwar  diese  abschliessend  auf  die  Besorgung 
ihrer  inneren  Angelegenheiten,  und  übrigens  nur  auf  Be- 
schwerdefiihrung  gegen  die  Regierung  beschränken.  Aber 
diese  Beschränkung  würde  nie  verhindern,  dass  sie  nicht, 
bei  Gelegenheit  und  unter  dem  Vorwande  der  Beschwerde 
wenigstens,  weiter  ginge;  es  würde  grosse  Missstimmung 
erregen,  dass  sie  sich  in  so  engen  Schranken  gehalten  fühlte, 
und  die  Regierung  würde  selbst  weiter  gehen  müssen,  oder 
sich  ihres  Raths  bei  rein  provinziellen  Einrichtungen  berau- 
ben. Zugleich  ginge  der  ungeheure  Nachtheil  hervor,  dass 
dann  die  allgemeine  Versammlung  auch  ganz  provinzielle 
Gesetze  beständig  in  ihre  Beralhung  ziehen  müsste,  ohne 
die  nothwendige  Kenntniss  der  besonderen  Verhältnisse  zu 
besitzen.  Nichts  aber  befördert  (die  Ungerechtigkeit  für  die- 
jenigen abgerechnet,  welche  ein  solcher  Beschluss  trifft)  so 
sehr  die  Ausartung  einer  vernünftigen  und  gründlichen  Dis- 
kussion in  leeres  Geschwäz  und  hohle  Theorie. 

§.  137. 

Provinzialstände  sind  daher,  wenn  man  auch  ihr  jetziges 
Bestehen,  wie  man  doch  nicht  kann,  gänzlich  hintansetzen 
wollte,  in  der  Preussischen  Monarchie  durchaus  nothwendig. 
verhindern  die  Gefahr,  nicht  einer,  ohnehin  nicht  zu  besor- 
genden Revolution,  aber  eines  abgeschmakten  Hin-  und  Her- 
schwatzens  von  Seilen  der  allgemeinen,  und  werden  die 
Berathungen  dieser  erst  recht  heilsam  und  wohlthätig  machen. 

§.  138. 

Der  zweite  Grundsatz  bei  den  Wahlen  wäre,  dass  jeder 
Stand  nur  Personen  aus  seiner  Mitte,  und  jede  Distrikte- 
Wahlversammlung  nur  in  dem  Kreise  zu  dem  sie  gehörte, 
eingesessene  Personen  wählen  könnte.  Es  ist  ein  notwen- 
diges Erforderniss,  dass  der  Wählende  den  zu  Wählenden 
aus   der   Nähe,    und   nicht  bloss   durch   den   Ruf   und   von 


267 

Hörensagen  kenne.  Es  ist  auch  heilsam,  dass  die  Provin- 
zialversammlung  sowohl,  als  die  allgemeine,  so  viel  als  mög- 
lich, aus  allen  Theilen  der  Monarchie  Mitglieder  erhalte,  und 
endlich  sind  als  standische  Deputirte  vorzüglich  solche  Per- 
sonen wichtig  und  wohlthätig,  welche  genau  mit  allen  prak- 
tischen Verhältnissen  bekannt  sind. 

Herr  von  Vincke  ist  dagegen,  dass  die  Wahlen  nach 
Standen  geschehen.  Er  will  die  Wahlversammlungen  üherall, 
wie  es  scheint,  aus  der  ganzen  qualilizirlen  Bevölkerung 
zusammensetzen.  Ich  sehe  aber  den  Grund  nicht  ein.  Jeder 
wird  lieber  und  besser  wählen,  wenn  er  in  seinem  gewöhn- 
ten  Kreise  bleibt,  als  sich  in  der  Menge  verliert.  Verwicke- 
lung ist  nicht  zu  fürchten.  Sie  wäre  es  nur  dann,  wenn 
man  die  Stande  und  Korporationen  vervielfältigte.  Allein 
hier  hat  man  bloss  Adel,  Grundeigentlüimer  und  Städter 
aufgestellt,  und  nur  in  wenigen  grossen  Städten  theilten  sich 
die  einzelnen  Korporationen,  und  dort  auch  sie  nur  in  sehr 
einfache  Massen.  Diese  städtischen  Korporationen  müssen 
auch  nicht  in  ihrer  Wahl  auf  sich  selbst  beschränkt  seyn, 
sondern  eine  qualifizirle,  aber  sonst  beliebige,  Person  aus 
der  Stadt  oder  bei  kleinen  aus  dem  Distrikt  überhaupt  wüh- 
len können.  Insofern  hier  die  Wähl  auf  den  Stand  beschränkt 
ist,  werden  unter  Ständen  nur  die  drei  grossen  Abtheilun- 
gen: Landmann,  Städter  und  Adel  verstanden.  Wo  die  Ein- 
wohner einer  Stadt  zu  wenig  zahlreich  sind,  um  eine  eigene 
Wahlversammlung  auszumachen,  versteht  es  sich  ohnehin, 
dass  sie,  selbst  auch  als  Wählende,  sich  mit  dem  platten 
Lande  des  Distrikts  vereinigen  müssen. 

§.  139. 

Der  dritte  Grundsatz  endlich  ist,  dass  die  Wahlen,  ohne 
Mittelstufen  geschehen  müssen.  Dies  ist  in  Herrn  von  Vincke's 
Aufsätze  sehr  gut  auseinander  gesetzt.  In  der  That  liegt 
etwas    durchaus    Unnatürliches   darin,    die  Wählenden    erst 


268 

wieder  Wähler  wählen  zu  lassen.  Das  Erste  ist  doch,  wenn 
man  gute  Wahlen  fordert,  dass  man  sich  in  den  Sinn  der 
Wählenden  versetzt,  und  sich  fragt,  was  diese  sich  hei  der 
Wahl  denken  sollen?  Nun  kann  auch  ein  beschränkter  Kopf 
gewissermassen  beurtheilen,  ob  Cajus  oder  Titius  vernünftig 
handeln  und  sprechen  wird.  Er  hat  ihn  doch  im  Privat- 
leben und  in  den  örtlichen  Verhältnissen  handeln  sehen  und 
sprechen  hören,  er  kennt  seinen  Charakter,  seine  Verbindun- 
gen, sein  persönliches  Interesse.  Dagegen  zu  beurtheilen, 
ob  Cajus  oder  Titius  eine  vernünftige  oder  unvernünftige 
Wahl  machen  wird?  ist  genau  genommen,  auch  dem  Klüg- 
sten und  Umsichtigsten  unmöglich,  und  auf  alle  Fälle  un- 
gleich schwieriger.  Denn  es  setzt,  wenn  es  nur  mit  einiger 
Vernunft  gemacht  werden  soll,  die  2fache  Ueberlegung  vor- 
aus, einmal  auf  welche  Person  wohl  die  Wahl  von  Cajus 
und  Titius,  nach  der  Art  ihrer  Verbindungen,  Meinungen, 
Interessen  fallen  wird?  und  zweitens  ob  diese  Personen 
nützliche  Deputirte  seyn  werden? 

§.  140. 
Dies  muss  jedem  auf  den  ersten  Anblick  einleuchten. 
Die  Vertheidiger  der  Zwischenstufen  bei  Wahlen  haben  da- 
her auch  nur  gewöhnlich  zwei  Gründe:  zu  zahlreiche  Wahl- 
\  ersammlungen  zu  vermeiden,  und  von  Seiten  der  Regierung 
zu  versuchen,  die  Wahlen  nach  ihren  Absichten  zu  leiten, 
was  bei  einer  kleinen  Anzahl  von  Wählern  leichter  erscheint. 
Das  Leiten  der  Wahlen  durch  die  Regierung,  wenn  es  einen 
andern  Zweck  hat,  als  wahre  Intriguen  der  Beamten  zu  ver- 
hindern, durch  welche  die  Wählenden  irregeführt  werden, 
ist  überhaupt  eine  missliche  Sache,  deren  sich  eine  starke 
und  billige  Regierung  besser  enthält.  Auch  mit  der  grosse- 
sten Vorsicht  unternommen,  bringt  es  leicht  ganz  andere, 
als  die  beabsichtigten  Resultate  hervor,  und  so  wie  es  ein 
nothwendiges  Uebel  da   seyn  mag,  wo   einmal   Parteigeist 


269 

entschieden  herrscht,  so  befördert  es  denselben  unausbleib- 
lich.    Dass    die  Wahlversammlungen    allzu    zahlreich    seyn 
sollten,  wird  nicht  überall  eintreten,   da   es  vom  Steuersatz 
und   mithin  vom  Wohlstande   der  Provinzen  abhängt.     Wo 
die  Zahl  der  zu  wählenden  Abgeordneten   für  die  Zahl  der 
Wähler,  um  sie  noch  füglich  in  Eine  und  dieselbe  Versamm- 
lung zu  vereinigen,  zu  klein  wäre,  was  bei  den  Abgeordne- 
ten für  die  allgemeinen  Stände  leicht  der  Fall  seyn  dürfte, 
da  könnte  man   eine   doppelte  Anzahl  wählen  und  hernach 
das  Loos  entscheiden  lassen,   wer  von  den  Gewählten  Ab- 
geordneter oder   Suppléant  seyn    sollte.     Auf   diese  Weise 
könnte  zwar  der  Zufall  die  Ausübung  des  Wahlrechts  eines 
Distrikts  fruchtlos  machen,    aber    die  Bewohner    desselben 
selbst  würden  vermuthlich  dies  einem  so  mittelbaren  Wahl- 
recht, als  das  Volk   beim  System  der  Zwischenstufen  aus- 
übt, vorziehen.     Dass  Suppléants  gewählt  werden,  ist,  um 
die  Wahlen  nicht  zu  unregelmässigen  Zeiten  nöthig  zu  ma- 
chen, an  sich  rathsam.     Wenn  es  ihrer  aber  geben  soll,  so 
hätte  die  erwähnte  Einrichtung  auch  den  Vorzug,   dass,  da 
man  nicht  vorher  wüsste,  wer  Suppléant,  wer  Abgeordneter 
seyn  würde?  die  Wahl  beider  mit  grösserem  Ernst  geschähe, 
was,  so  wie  bestimmt  zum  Suppleiren  gewählt  wird,  leicht 
mangeln  kann.  Die  Unbequemlichkeiten  bei  selbst  sehr  zahl- 
reichen Versammlungen  zu  vermeiden,  giebt  es  übrigens  ein 
sehr  einfaches  Mittel.     Man  eröffne  Register,  man  lade  jeden 
Wähler  ein,  seine  Stimme  einzuschreiben,  so  ist  keine  Ver- 
sammlung, kein  Tumult,  die  Wähler  kommen  nach  einander, 
ihre  grosse  Anzahl  macht  nur  das  Geschäft  länger.     So  ist 
es  eigentlich  in  England.     Die  wahren  Wähler  kommen  und 
gehen;  die  bleibenden,  die  Redner,   die  bei  uns  billig  weg- 
fallen, Zuhörenden  sind  ganz  andere  und  nicht  mitwählende 
Personen.  Alle  tumultuarische  Auftritte  kommen  grösstentheils 
von  diesen,  welche  von  den  Bewerbern  angehetzt  werden,  her. 


270 

§1  141. 

Da  die  Wähler,  als  Zwischenstufe,  aus  einer  Klasse  mit 
höherem  Steuersätze  genommen  zu  werden  pflegen,  so  wird 
dies  noch  gewöhnlich,  als  ein  Vorzug  dieses  Systems  ange- 
führt. A  her  es  wäre  dann  viel  besser,  die  Scheinwahl  des 
in  erster  Stufe  wählenden  Volkes  aufzuheben,  und  den 
Steuersatz  der  \\  ähler  zweiter  Stufe  zum  Wahlerforderniss 
überhaupt  zu  machen.  Da  aber  dieser  wieder  zu  hoch  seyn 
dürfte,  so  wird  es  am  besten  seyn,  ihn  zwischen  demjenigen 
zu  nehmen,  den  man  beiden  Stufen  anweisen  würde. 

§.  142. 

Der  Aufsatz  des  Herrn  von  Vincke  fordert  eine  höhere 
Slimmqualifikation  zur  Wahl  der  Abgeordneten  zu  den  Land- 
ständen, als  zur  Wahl  der  Gemeinevertreter;  und  gewiss 
mit  Recht.  Nicht  jeder  Bauer,  welcher  seinen  Schulzen 
mitzuwählen  das  Recht  hat,  kann  an  Wahlen  zu  Landstän- 
den Theil  nehmen.  Ob  man  einen  solchen  Unterschied  aber 
auch  in  den  Wahlen  zu  Provinzial-  und  zu  allgemeinen 
Ständen  zulassen  könnte?  ist  zweifelhaft.  An  sich  wäre  es 
nicht  unnatürlich.  Es  gehört  eine  Lage  dazu,  die  weitern 
Umblick  gestattet,  um  diejenigen  aufzufinden,  welche  das 
Wohl  des  Staats,  als  die,  welche  das  Wohl  der  Provinz  be- 
rathen  sollen.  In  der  Provinz  kennt  ziemlich  jeder  jedes 
genauer.  Indess  könnte  ein  solcher  Unterschied  doch  eine 
Eifersucht  und  einen  Neid  zwischen  den  beiden  Klassen  der 
Landstände  erregen,  die  vermieden  werden  müssen. 

§.  1 1;}. 

Die  Erneuerung  der  ständischen  Versammlung  auf  ein- 
mal scheint  der  theil  weisen  Erneuerung  vorzuziehen.  Jede 
Amiskorporation  nimmt  leicht  mit  der  Zeit  die  Wendung, 
einseitige  Maximen  und  ihre  Gemächlichkeit  den  Rücksich- 
ten des  allgemeinen  Wohls  beizumischen.  Bei  der  theilwei- 
sen  Erneuerung  kann  nun  die  kleinere  hinzutretende  Masse 


271 

nicht  leicht  die  grössere  aus  ihrem  Schwerpunkte  wirklich 
verrücken.  Sie  folgt  ihr  daher,  oder  schüttelt  und  rüttelt 
sie  bloss,  woraus  unnützes  Spalten  und  Streiten  entsteht. 

§.  111. 

Ob  aber  die  Wahlen  für  die  Provinzial-  und  allgemei- 
nen Stande  auf  ein  Mal  oder  zu  verschiedenen  Epochen  ge- 
schehen sollen?  ist  eine  andre  Frage.  Das  erste  Mal  ware 
das  Erstere  kaum  möglich.  Denn  man  wird  die  Provinzial- 
Stände  vor  den  allgemeinen  in  Thätigkeit  setzen,  und  es 
würde  unzweckmässig  seyn,  Abgeordnete  lange  vor  der  Zeit 
zu  wählen,  wo  sie  sich  zu  versammeln  bestimmt  sind.  Ueber- 
haupt  aber  scheinen  verschiedene  Epochen  besser.  Wenn 
die  Wahlen  nur  alle  7  bis  8  Jahre  vorkommen,  so  erschei- 
nen sie  wie  ausserordentliche  Energie  des  Volks,  wie  man 
sie  denn  mit  wiederkehrenden  Fiebern  verglichen  hat.  Es 
ist  daher  besser,  ihnen  durch  öftere  Wiederholung  den  Cha- 
rakter gewöhnlicher,  bürgerlicher  Akte  zu  geben.  Darum 
dürfte  aber  die  Dauer  der  Funktion  der  Abgeordneten  nicht 
abgekürzt  werden,  sondern  würde  sehr  angemessen  auf  7 
bis  8  Jahre  gestellt.  Denn  dies  hat  nicht  die  Absicht,  die 
Wahlen  seltener  zu  machen,  sondern  nur  die,  dass  die  Ab- 
geordneten sich  besser  in  ihr  Geschäft  hinein  arbeiten  und 
dasselbe  nicht  eben  verlassen  sollen,  wenn  sie  anfangen, 
dessen  am  meisten  mächtig  zu  seyn. 

§.  145. 

Dass  die  ehemaligen  Abgeordneten,  ohne  alle  Beschrän- 
kung, aufs  Neue  wählbar  sind,  versteht  sich  von  selbst. 

§.  146. 

Den  Wahlen  dürfte  keine  Oeffentlichkeit  gegeben  wer- 
den. Das  Wahlgeschäft  hängt  zu  nahe  mit  Persönlichkeiten 
zusammen,  als  dass  es  eine  andere  ertragen  könnte,  als  die, 
dass  die  Bewerber  natürlich  vorher  bekannt  wären,  und  dass 
ihre  Brauchbarkeit  oder  Untüchtigkeit,  da  sie  sich  selbst  auf 


272 

die  Bühne  stellen,  natürlich  dem  öffentlichen  Urtheil  ausge- 
setzt blieben.  In  England  würde  zwar  allerdings  die  Unab- 
hängigkeit der  Wahlen,  ohne  die  Gegenwart  des  nicht  wäh- 
lenden Volks,  sehr  grosse  Gefahr  laufen.  Allein  dies  leidet 
auf  uns  gar  keine  Anwendung.  Es  entspringt  nur  daher, 
dass  dort  einmal  zwei  bestimmte  Parteien,  die  ministerielle 
und  die  Opposition,  gegen  einander  überstehen,  und  sich  um 
so  dreister  bekämpfen,  weil  sie  wissen,  dass  sie  weder  die 
Absicht,  noch  die  Macht  haben,  einander  eigentlich  zu  ver- 
nichten. Da  nun  das  Ministerium  doch  über  sehr  grosse 
Streitmittel  gebieten  kann,  so  muss,  um  das  Gleichgewicht 
herzustellen,  Alles  aufgeboten  werden,  was  die  öffentliche 
Meinung  repräsentiren  und  ihr  Stärke  verleihen  kann. 


III. 

Stufen  weiser  Gang,    die  landständische  Verfassung 

in  Thätigkeit  zu  bringen. 

%  147. 
Es  ist  hier  von  einem  doppelten  Gange  die  Rede,  von 
dem  der  wirklichen  aber   allmähligen  Einführung,  und   von 
dem  der  diese  Einführung  einleitenden  obersten  Behörde. 

1. 
§.  148. 
Den  Gang  der  Einführung  bestimmt  alles   bisher  Ent- 
wickelte von  selbst. 

Eine  Städteordnung  ist  vorhanden. 

Nun  müsste  eine  Gemeineordnung   für  das  platte  Land 

folgen  ; 
dann  müssten  die  Kreisbehörden  gebildet  werden; 
darauf  die  Provinzial-Stände  zusammentreten; 
endlich  den  Schlussstein  die  allgemeinen  ausmachen. 


273 

§.  149. 
Es  wäre  durchaus  nichl  nolhwendig  die  Provinzial- 
Stände  durch  die  ganze  Monarchie  auf  einmal  in  Wirksam- 
keit zu  setzen.  Man  müsste  nach  überall  hin  zugleich  ein- 
leitend arbeilen,  allein  wenn  das  Gebäude  an  einer  Stelle 
eher  zu  Stande  kommt,  als  an  einer  andern,  brauchte  man 
auf  diese  nicht  zu  warten.  Die  Rheinprovinzen  und  West- 
phalen  würden  am  meisten  für  die  Beschleunigung  zu  be- 
rücksichtigen seyn,  weil  jetzt  keine  Stände  dort  vorhanden 
sind,  und  doch  in  einem  Theile  die  Erinnerung  an  ehema- 
lige, und  in  einem  andern  ein  unbestimmtes  Stieben  darnach 
lebhaft  ist. 

'i  150. 

Dass  man  bei  Provinzial- Ständen  stehen  bleiben,  oder 
die  allgemeinen  auch  nur  sehr  langsam  auf  sie  könne  folgen 
lassen,  dürfte  schwer  durchzuführen  seyn.  Man  kann  nicht 
sagen,  dass  eine  Monarchie  eine  ständische  Verfassung  hat, 
wenn  es  nur  in  den  Provinzen  Stände  giebt.  Die  unaus- 
bleibliche Folge  davon  ist  alsdann,  dass  die  allgemeinen 
Slaatsmassregeln  ohne  allen  Einfluss  ständischer  Verfassung 
fortgehen,  oder,  was  noch  schlimmer  ist,  durch  blosse  Pro- 
vinzialverfassungen  eine  schiefe  und  schädliche  erhalten.  Zu- 
gleich würde,  da  es  an  einem  Mittelpunkt  fehlte ,  eine  ent- 
schiedene Trennung  der  Provinzen  erfolgen.  \  ermuthlich 
würde  aber  noch  eine  ganz  andere  und  noch  weit  verderb- 
lichere Erscheinung  hervortreten,  wenn  man  auch  in  den 
Provinzen  nur  ahndete,  dass  die  Regierung  es  mit  einer  all- 
gemeinen Versammlung  nicht  ernsthaft  meinte.  Die  Pro- 
vinzial- Versammlungen  würden  nemlich  versuchen,  sich  an 
die  Stelle  der  Centralversammlung  zu  setzen.  Unter  dem 
Vor  wände  der  Beurtheilung  eines  Gesetzentwurfes  aus  dem 
vu.  18 


274 

Standpunkte  des  provinziellen  Interesses,  und  bei  Gelegen- 
heit der  Beschwerden  würden  sie  ganz  allgemeine  Einwen- 
dungen und  Vorschlüge  an  die  Stellen  solcher  setzen,  die 
nur  ihre  besondere  Verhältnisse  betrafen;  sie  würden  ferner 
öffentlich .  oder  geheim  mit  einander  in  Verbindung  treten  ; 
und  die  Regierung  würde  in  Neckereien  hierüber,  in  poli- 
zeiliche Massregeln  und  in  Entgegenwirken,  das  alles  oute 
Streben  vereitelte,  verwickelt  werden.  Nur  wenn  beide  in 
Beziehung  auf  einander  gebildet  werden,  und  in  dem  glei- 
chen Geiste  in  Wirksamkeit  treten ,  ist  von  ihnen  Heil  zu 
erwarten.  Im  entgegengesetzten  Falle  hat  die  Regierung 
nur  Ein  und  höchst  trauriges,  bei  uns  selbst  kaum  mögli- 
ches Mittel,  nemlich  das,  die  verschiedenen  Provinzen  als 
eben  so  viel  verschiedene  Staaten  zu  behandeln,  wie  Oester- 
reich  thut.  Höchstens  liesse  sich  von  Preussischer  Seite 
dies  mit  den  westlichen  und  östlichen  Provinzen  versuchen, 
hiesse  aber  immer  die  Kraft  und  Einheit  der  Monarchie  un- 
wiederbringlich schwächen  und  stören. 

§.  151. 

Dagegen  ist  es  selbst  nothwendig,  dass  die  Provinzial- 
verfassungen  um  einige  Zeit  der  allgemeinen  vorangehen. 
Die  Nation  muss  sich  erst  einen  anschaulichen  Begriff  von 
einem  so  geeigneten  Geschäft  erwerben,  und  viele  Dinge 
müssen  erst  in  den  Provinzen  vorbereitet  werden,  um  als 
allgemeine  Gesetz-Entwürfe  an  die  allgemeine  Versammlung 
gebracht  werden  zu  können.  Inzwischen  gewinnt  auch  die 
Verwaltung  Zeit  in  einer  festeren  Lage  den  Ständen  gegen- 
überzustehen. 

§.  152. 
Innerhalb  zwei  Jahren,  nach  Vollendung  der  Provinzial- 


275 

Verfassung,  aber  müsste  die  allgemeine  Versammlung  aufs 
Höchste  auf  jeden  Fall  zusammenberufen  werden,  und  indess 
müsste  Alles  den  festen  Willen  beurkunden,  sie  in  Wirksam- 
keit zu  setzen.  Gewännen  die  ständischen  Einrichtungen 
einen  glücklichen  Gang,  so  müssten  im  Jahre  1820,  höch- 
stens 1821,  die  ständischen  Versammlungen  in  allen  Pro- 
vinzen gebildet  seyn,  und  im  Jahre  1822,  höchstens  1823, 
die  allgemeine  Zusammenberufung  auf  sie  folgen.  Kann  man 
noch  mehr  beschleunigen,  so  ist  es  gewiss  besser,  aber  die- 
ser Zeitraum  scheint,  wenn  er  gut  angewendet  wird,  voll- 
kommen hinlänglich,  jede  Art  von  Uebereilung  zu  verhindern. 

§.  153. 

Zugleich  mit  der  Einrichtung  der  Provinzial- Stände 
würde  es  no  Inwendig  seyn,  alle  zur  Verfassung  gehörende 
organische  Gesetze,  besonders  in  so  fern  sie  die  Person,  das 
Eigenthum,  und  den  ungestörten  Lauf  der  Gerechtigkeit 
sichern,  zu  ertheilen,  so  dass  an  der  ganzen  Verfassung  nur 
die  Zusammenberufung  der  allgemeinen  Ständeversammlung 
fehlte.  Auch  die  Pressfreiheit  müsste  alsdann  ihre  Bestim- 
mung erhalten.  Vorher,  und  ehe  in  den  ständischen  Ver- 
sammlungen der  öffentlichen  Meinung  ein  geeigneter  Weg 
sich  zu  äussern  gegeben  ist,  so  dass  die  Stimme  des  angrei- 
fenden Schriftstellers  nicht  die  allein  hörbare  bleibt,  liegt  in 
dem  Bemühen,  Pressfreiheit  zu  gründen,  immer  etwas  Stei- 
fes und  Unzusammenhängendes.  Allein  auch  bis  dahin  muss 
man  vernünftige  Oeffenllichkeit  auf  jede  Weise  befördern  ;  auch 
dürfte  es  in  dieser  Zwischenzeit  wohl  ralhsani  seyn,  einzel- 
nen Schriftstellern  völlige  Censurlosigkeit  zu  gestatten,  um 
sie  nach  und  nach  zu  gewöhnen,  sich  von  selbst  in  gehörige 
Schranken  zu  halten. 

18* 


276 


§.  154. 

Bei  dem  Gange  der  leitenden  Behörde  hat  man  vor- 
züglich drei  Regeln  streng  zu  beobachten: 

1)  nicht  mit  ganzen  Entwürfen,  sondern  mit  Aufstellung 
von  Grundsätzen,  und  Vorzeichnung  des  Plans  im  Ganzen 
anzufangen,  und  so  vom  Allgemeinen  zum  ßesondern  durch 
allmählige  Weiterbestimmung  des  vorher  unbestimmt  Ge- 
lassenen vorzuschreiten. 

Auf  diese  Weise  kann  selbst  über  die  wichtigsten  Fra- 
gen Unschlüssigkeit  und  Ungewissheit  vermindert  werden, 
indem  der  einmal  festgestellte  Grundsatz  von  selbst  die  Dis- 
kussion in  das  gehörige  Geleis  einleitet,  aus  dem  sie  nicht 
ferner  weichen  kann; 

2)  ja  die  Einmischung  individueller  Meinungen,  Vorlie- 
ben und  Systeme  dadurch  zu  verhindern,  dass  man  nicht 
Einem  oder  mehreren  einzelnen  Köpfen  einen  zu  grossen 
Einfluss  auf  die  Arbeit  verstattet,  sondern  sie  mehr  aus  den 
Ansichten  vieler  Einsichtsvollen  hervorgehen  lässt. 

Dabei  muss  aber  natürlich  Ein  Individuum  den  Gang 
der  Diskussion  in  seinen  Händen  haben,  bei  jedem  Schritte 
die  Richtung  und  Länge  des  Weges  zum  Ziel  überschlagen, 
und  dafür  einstehen,  dass  man  sich  nicht  auf  fruchtlosen 
Umwegen  verirre  oder  Inconsequenzen  und  Widersprüche 
begehe; 

3)  nichts  von  allem  demjenigen,  was  örtlich  faktische 
Verhältnisse  betrifft,  definitiv  festzusetzen,  ohne  diejenigen 
darüber  gehört  zu  haben,  die  von  diesen  Verhältnissen  einen 
nicht  bloss  aus  Büchern  und  Acten,  sondern  aus  dem  Leben 
geschöpften  Begriff  besitzen. 


277 

Es  ist  nichts  so  furchtbar,  als  das  Niederschlagen  des 
örtlich  vielleicht  sehr  heilsam,  oder  wenigstens  sehr  harm- 
los, und  dadurch  die  Gemüther  in  der  nöthigen  Ruhe  erhal- 
tend Bestehenden  durch  Aussprüche  aus  dem  Mittelpunkt. 
Nichts  bringt  die  Provinzen  mit  Recht  so  sehr  auf,  nichts 
macht  alle  Einrichtungen  so  hohl  und  leer,  und  vervielfacht 
zugleich  so  das  Uebel,  das  es  stiftet,  weil  nichts  so  leicht 
ist,  als  ohne  Sachkenntniss  nach  allgemeinen  Ideen  zu  regieren. 

§.  155. 

Hiernach  wäre  nun  der  natürliche  Gang  folgender: 
commissarische  Berathung  nach  Vorschlagen  der  für 
dies  Geschäft  gesetzten  Behörde; 

Prüfung  der  Resultate  derselben ,   wo   sie    einzelne 
Provinzen  betreffen,  durch  die  Provinzialbehörden  mit 
Zuziehung  sachkundiger,  und  mit  den  einzelnen  Ver- 
hältnissen bekannter  Männer; 
darauf  Berathung  im  Staatsrath. 

§.  156. 

Da  aber  die  gesammte  Verfassung  aus  vielen  einzelnen 
Stücken  besteht,  so  müsste  auch,  nur  immer  mit  gehöriger 
Nachweisung  des  Zusammenhanges,  die  Berathung  getrennt 
seyn,  und  selbst  die  Einführung  einzeln  und  nach  und  nach 
geschehen,  wodurch  Zeit  gewonnen  würde,  ohne  dass  man, 
wenn  der  Plan  ordentlich  angelegt  wäre,  Gefahr  liefe,  das 
schon  in  die  Wirklichkeit  Uebergegangene  wieder  verändern 
zu  müssen. 

§.  157. 

Um  der  Erfahrung  ihr  Recht  und  der  fortschreitenden 
Entwickelung  der  Institute  aus  sich  selbst  Spielraum  zu  las- 


278 

sen,  miisste  man  nicht  bei  den  einzelnen  Bestimmungen  in 
grosses  Detail  eingehen,  auch  manches  gewissermassen  Gleich- 
gültige nicht  fest,  als  Gesetz,  sondern  nur  als  einen  der  Ab- 
änderung unterworfenen  reglementarischen  Theil  hinstellen. 
Dies  ist  in  Herrn  v.  Vinckes  Aufsatz  sehr  richtig  bemerkt, 
obgleich  die  Fassung;  dieser  Stelle  auf  der  andern  Seite  be- 
sorgen  lässt,  dass  dort  der  ersten  Organisation  zu  wenig 
Bestimmtheit  und  Festigkeit  gelassen  ist.  Dies  könnte  noch 
schädlicher,  als  der  entgegengesetzte  Fehler  wirken.  Das 
Wesentliche   und  Charakteristische   an  der  Form  muss  fest 

und  unwiederruflich  dastehen. 

Humboldt. 


Mémoire  devant  servir  de  réfutation  à  celui  du 
Comte  de  Capo  d'Istria.*) 


Mémoire  confidentiel. 

JLia  situation  des  Puissances  alliées  vis-à-vis  de  la  France, 
ou  du  gouvernement  français,  est  trop  compliquée  pour  qu'il 
ne  soit  pas  très  essentiel  de  la  déiinir  avec  une  grande  pré- 
cision; d'un  côté,  elle  a  été  évidemment  différente  aux  diffé- 
rentes époques,  qu'on  ne  saurait  se  dispenser  de  distinguer  dans  le 
cours  des  événemens  depuis  l'évasion  de  Napoléon  de  l'ile  d'Elbe; 
d'un  autre  côté,  nous  ne  sommes  point  encore  parvenus  au 
point  où  la  France  et  le  Goacerncmenf  français  pourraient 
être  regardés  comme  des  termes  synonymes. 

Lorsque  les  Puissances  publièrent  leur  déclaration  du 
13  Mars,  le  Gouvernement  légitime  subsistait  encore  en  France, 
et  n'était  attaqué  que  par  une  poignée  d'hommes  ou  sem- 
blait du  moins  ne  l'être  qu'ainsi.  Car  la  vérité  est  que  cette 
poignée  d'hommes  n'eût  jamais  renversé  le  trône  sans  l'in- 
différence avec  laquelle  au  moins  une  très  grande  partie  de 


*)  Memoire  de  M.  le  Comte  de  Capo  d'Istria.  Etat  des  négociations 
actuelles  entre  les  Puissances  alliées  et  la  France.  Le  28  juillet 
1815.  Abgedruckt  in  A.  F.  H.  Schaumann  Geschichte  des  zwei- 
ten Pariser  Friedens  für  Deutschland.  Göttingen  1844.  TheilII. 
Actenstücke  S.  Ill  —  XII. 


280 

la  nation  attendait,  les  uns  avec  satisfaction,  les  autres  sans 
neine,  ni  regret,  Tissue  de  la  révolution  qui  se  préparait 
C'est  alors  que  les  Puissances  furent  vraiment  les  alliés  de 
Louis  XVIII.  La  déclaration  promet  au  Roi  de  France  et 
à  la  nation  française  (qu'on  croyait  réunie  à  lui)  des  secours 
et  cela  seulement  dans  le  cas  que  les  secours  seraient  de- 
mandés. Elle  suppose  un  gouvernement  indépendant  en  France 
et  en  respecte  l'autorité. 

Le  traité  du  25  Mars  est  encore  conçu  dans  le  même 
sens.  L'article  8.  exprime  le  but  de  soutenir  la  France  contre 
Napoléon,  et  il  y  est  question  de  la  réquisition  des  forces 
des  Puissances  par  Louis  XVIII.  Mais  en  même  tems,  il  y 
est  aussi  parlé  des  secours  que  le  Roi  apportera  à  l'objet 
du  traité,  ce  qui  détermine  suffisamment  ce  que  suppose 
l'application  de  cette  stipulation.  Du  reste  ce  traité  porte 
évidemment  le  caractère  de  former  une  ligue  Européenne 
pour  la  sûreté  de  l'Europe  contre  un  état  de  choses  en 
France  qui  pourrait  la  menacer.  C'est  là  son  but  essentiel; 
Fart.  1.  ne  parle  que  de  celui-là  et  ce  traité  se  distingue 
déjà  par  là  très-fort  de  la  déclaration  du  13  Mais.  S.  M.  T. 
Chr.  n'est  point  accedée  à  cette  alliance,  en  signant  un  traité 
formel;  on  s'est  borné  à  demander  et  à  accepter  une  note 
d'adhésion  de  la  part  de  son  ministre. 

Au  moment  de  la  ratification  de  ce  traité,  les  circon- 
stances étaient  devenues  différentes.  Le  Gouvernement  bri- 
tannique déclara  positivement,  et  toutes  les  autres  Puissances 
accédèrent  à  cette  déclaration,  qu'il  ne  prenait  pas  l'enga- 
gement de  poursuivre  la  guerre  dans  l'intention  d'imposer 
un  Gouvernement  à  la  France.  Les  malheurs  si  glorieuse- 
ment réparés  à  présent,  avaient  éloigné  le  Roi  légitime  de 
son  Royaume;  on  distingua  officiellement  le  Gouvernement 
et  la  France;  on  regarda,  comme  possible,  que  le  Gouver- 
nement ne  rentrât  pas  dans  ses  droits.    L'alliance  prit  alors 


281 

le  caractère  bien  prononce';  et  entièrement  décidé,  d'une  ligue 
dirigée  contre  I'd  France  pour  la  propre  sûreté  des  Puis- 
sances. 

Les  armées  se  mirent  en  marche,  Napoléon  commença 
la  guerre,  la  journée  du  IS  Juin  la  termina,  et  les  Alliés 
entrèrent  à  Paris.  11  faudrait  renverser  toutes  les  idées  et 
changer  arbitrairement  la  valeur  des  termes  pour  nier  que 
la  France  n'était  alors  l'ennemie  des  Alliés,  et  que  la  partie 
subjuguée  devint  leur  conquête. 

Le  Roi  Louis  XVIII.  ne  s'y  trouvait  point,  il  avait  con- 
servé certainement  tous  ses  droits,  toujours  inproscriptibles; 
les  droits  étaient  reconnus  par  les  Puissances,  mais  de  fait, 
il  n'exerçait  aucune  autorité  et  n'avait  en  rien  contribue  au 
succès.  Les  engagemens  des  Alliés  envers  lui,  étaient,  ainsi 
que  le  prouvent  la  teneur  et  la  ratification  du  traité  du 
25  Mars,  pour  le  moins  coordonnées  à  d'autres  considéra- 
tions, et  ne  leur  imposaient  pas  des  obligations  absolues. 
La  France  d'un  autre  côté  aurait  en  vain  voulu  rejeter  tous 
les  torts  sur  Napoléon,  elle  les  avait,  ce  qui  est  le  seul  point 
de  vue  pratique,  tellement  partagés,  qu'elle  avait  rendu  im- 
possible aux  Alliés  de  séparer  la  nation  de  l'Usurpateur.  Ce- 
lui-ci ne  s'était  point  replacé  sur  le  trône,  seulement  entouré 
de  baïonnettes  et  inspirant  la  terreur,  mais  avait  constitué 
un  Gouvernement,  assemblé  des  Chambres,  introduit  des  formes 
qu'il  aurait  été  impossible  d'introduire,  si  la  volonté  d'une 
très-grande  partie  de  la  nation  n'y  avait  concouru  directe- 
ment ou  indirectement.  Quoiqu'on  dise,  le  parti  opposé,  ce 
qui  se  fit  dans  les  trois  mois  de  son  usurpation,  ne  fut  pas 
seulement  l'ouvrage  de  la  force.  On  ne  peut  pas  même  dire 
qu'il  exerça  beaucoup  d'actes  de  rigueur.  Il  opposa  aux 
Alliés,  non  pas  une  poignée  de  partisans  de  sa  cause,  mais 
une  armée  de  près  de  200,000  hommes  pris  à  peu  près  sur 
toute  la  surface  de  la  France  et  cette  armée  se  battit  avec 


282 

courage  et  perseverance.  Il  n'y  a  guères  de  Français  qui 
doutent  que  si  la  bataille  du  IS  Juin  lui  avait  été  favorable, 
il  n'eut  pu  attirer  possiblement  de  nouveaux  renforts  à  son 
armée,  prolonger  la  guerre,  faire,  si  les  Alliés  le  lui  avaient 
permis,  une  paix  et  régner,  comme  il  régna  avant  1813. 

Immédiatement  après  la  prise  de  Paris  par  les  Alliés, 
le  Roi  revint,  se  replaça  sur  son  trône  et  les  Puissances  al- 
liées commencèrent  à  négocier.  C'est  alors  que  l'état  des 
choses,  tel  qu'il  avait  été  avant  la  crise,  commença  à  se 
rétablir,  mais  néanmoins  avec  deux  immenses  différences. 

1.  Les  Puissances  alliées  ont  fait  une  terrible  ex- 
périence et  de  grands  sacrifices;  elles  ont  vu  que  le 
Gouvernement  Royal  en  France  a  pu  succomber  à  l'en- 
treprise la  plus  téméraire  et  la  plus  avanturée;  que  ni 
l'idée  de  sa  légitimité,  ni  la  conviction  de  sa  modéra- 
tion et  de  sa  douceur,  ni  l'influence  qu'il  a  exercée 
sur  la  France  pendant  près  d'une  année,  n'ont  pu 
empêcher  la  nation  de  s'armer  sous  les  ordres  de  Na- 
poléon contre  l'Europe  ;  et  que,  sans  une  bravoure  aussi 
signalée  des  armées  et  des  lalens  aussi  rares  des  Géné- 
raux, contre  qui  le  premier  choc  était  dirigé,  l'Europe 
aurait  facilement  été  plongée  dans  une  guerre  aussi  longue 
que  désastreuse.  Elles  sont  autorisées,  par  conséquent, 
et  même  obligées  envers  leurs  sujets,  d'user  de  toutes 
les  précautions  nécessaires  pour  éviter  qu'un  pareil 
désastre  ne  se  renouvelle,  et  leurs  relations  avec  le 
Gouvernement  replacé  sur  le  trône  doivent  évidemment 
être  modifiées  par  ce  premier  et  plus  important  de  tous 
leurs  devoirs.  Leur  alliance  ayant  été  dès  son  principe, 
et  étant  devenue  ensuite  une  ligue  défensive  de  l'Europe 
contre  l'attitude  menaçante  des  affaires  en  France,  elle 
doit  conserver  ce  caractère,  et  elles  doivent  subordon- 
ner à  ce  but  toute  autre  considération.  Si  ces  réflexions 


283 

engagent  à  penser  à  des  garanties,  les  sacrifices  exigent 
des  garanties. 

2.     Quoique  le  roi  soit  revenu  et  que  toute  la  France, 
à  peu  d'exception  près,  ait  arboré  le  signe  extérieur  de 
la  soumission  à  son  pouvoir,  il  n'est  encore  guère  pos- 
sible de  regarder  le  Roi  et  la  France  comme  un  et  le 
même  pouvoir.   L'autorité  Royale  n'est  encore  ni  assurée 
ni  consolidée  et  l'on  se  met  dans  une  contradiction  évi- 
dente,  si  pour  l'affermir,   on  veut  épargner  des  condi- 
tions pénibles  à  la  France  et  qu'on  affaiblit  par  là,   ce 
qui,    dans  le  moment  actuel   est  encore   son  véritable 
soutien,  la  supériorité  des  armées  étrangères.  La  nation 
s'étant  mise  dans  une  attitude  entièrement  hostile  envers 
les  Puissances  alliées,  elles  ne  peuv  ent  la  regarder  comme 
étant  devenue,  tout-à-coup,  entièrement  amie. 
Elles  ne  peuvent  se  dispenser  de  la  crainte,  qu'ainsi  que 
les  ménagemens  dont  on  a  usé  à  la  paix  de  Paris,  auraient 
sans  un  concours  heureux  de  circonstances  et  ont,  en  effet, 
servi  Bonaparte,  ceux  dont  on  userait  maintenant,  ne  retour- 
nent au  profit  d'une  partie  de  la  nation   qui  s'opposerait  de 
nouveau  aux  Bourbons.  Les  relations  des  Alliés  avec  le  Roi 
sont  donc  encore  modifiées  par  la  considération  que  la  durée 
de  l'autorité  Royale  et  la  soumission  de  la  nation,  dépendent 
elles-mêmes  des  mesures  qu'ils  vont  prendre. 

Si,  d'après  cet  aperçu,  purement  historique,  l'on  demande 
ce  que  les  Alliés  ont  le  droit  de  faire  vis-à-vis  de  la  France 
et  de  son  Gouvernement  et  ce  qu'ils  auraient  tort  de  se  per- 
mettre, la  question  détient  facile  à  résoudre  dès  qu'elle 
est  platée  d'une  manière  convenable. 

La  sûreté  de  l'Europe  ayant  été  la  cause  de  la  guerre 
et  le  but  de  l'alliance,  elle  doit  aussi  être  la  base  de  la  pa- 
cification et  les  Alliés  ont  le  droit  incontestable  de  tout  exi- 
ger de  la  France  et  de  son  Gouvernement  ce  qu'ils  jugent 


284 

nécessaire  pour  cette  sûreté.  Ni  le  Roi,  ni  Ja  nation  ne  sau- 
raient contester  ce  droit.  La  nation  n'en  a  aucun  à  réclamer 
sans  le  roi;  elle  a  souffert  de  paraître  identifiée  avec  Napo- 
léon et  a  été  vaincue  avec  lui;  le  Roi  a  été  placé  par  les 
malheurs  qui  l'ont  frappé  hors  de  la  ligue  où  il  n'avait  de- 
mandé rjue  l'assistance  des  Alliés,  et  ceux-ci  .avant  du  com- 
mencer et  terminer  à  eux  seuls  ce  qu'ils  avaient  entrepris, 
il  leur  appartient  aussi  à  eux  seuls  de  juger  ce  qui  sera 
nécessaire  pour  leur  épargner  à  la  suite  les  mêmes  sacrifices. 

On  prétend  que  le  droit  des  Puissances  alliées  ne  s'étend 
pas  jusqu'à  porter  atteinte  à  l'intégrité  de  la  France,  puisque 
les  Puissances  alliées,  n'ayant  pas  considéré,  en  prenant  les 
armes  contre  Napoléon  et  ses  adherens,  la  France  comme 
pays  ennemi,  elles  ne  peuvent  point  maintenant  y  exercer 
un  droit  de  conquête.  Mais  ce  raisonnement  qui  semble  déjà 
pécher  par  là  qu'il  n'a  nullement  égard  aux  (lifférens  ca- 
ractères que  l'alliance  des  Puissances  a  dû  prendre,  ne  pa- 
rait vrai  que  d'un  côté  tout  au  plus. 

Il  est  très  certain  que  la  guerre  actuelle  n'a  point  du, 
et  ne  doit  jamais  être  une  guerre  de  conquête;  les  Puissances 
agiraient  entièrement  contre  leurs  intentions  et  contre  leurs 
principes,  si  elles  voulaient  s'aggrandir  aux  dépens  de  la 
France,  uniquement  pour  profiter  de  ses  malheurs.  Mais 
malgré  cela,  la  conquête  existe  de  fait ,  et  si  la  mesure 
de  resserrer  les  limites  de  la  France,  était  reconnue  comme 
la  plus  convenable  pour  atteindre  le  but  principal  de  leur 
alliance,  il  est  incontestable  qu'elles  ont  le  plein  droit  de 
l'exécution. 

Ni  le  traité  du  25  Mars,  ni  la  note  d'adhésion  remise 
par  le  Plénipotentiaire  de  France,  ni  les  déclarations  du  13 Mars 
et  du  12  Mai,  ne  renferment  une  promesse  directe  et  expli- 
cite des  Puissances  de  ne  pas  toucher  à  l'intégrité  de  la 
France.  On  s'est  borné  uniquement  à  proclamer  le  maintien 


285 

de  la  paix  de  Paris,  et  si  l'on  examine  bien  attentivement 
les  termes  de  l'art.  1.  du  traité  qui  est  le  fond  de  toutes  les 
déclarations  postérieures,  on  verra,  qu'il  renferme  beaucoup 
plus  un  engagement  mutuel  des  Alliés  de  ne  point  soulïrii 
que  la  paix  de  Paris  soit  altérée  contre  eux,  qu'un  engage- 
ment de  leur  part,  vis-à-vis  de  la  France  de  n'v  rien  chan- 
ger. Si  l'article  avait  eu  ce  dernier  sens,  la  restriction  ajou- 
tée à  sa  ralilication  en  aurait  entièrement  changé  la  nature. 
Mais  quand  même  on  voudrait  l'interpréter  ainsi,  il  est  tou- 
jours indubitable  que  la  conduite  de  la  France  qui,  au  lieu 
de  se  servir  de  l'assistance  des  Puissances  pour  se  débar- 
rasser de  Napoléon,  prit  les  armes  contre  elles,  leur  a  donné 
le  plein  droit  de  ne  plus  penser  qu'à  leur  propre  sûreté. 

Rien  n'est,  en  générai,  aussi  singulier  que  le  raisonne- 
ment que,  puisque  Napoléon  est  pris,  la  guerre  est  terminée, 
et  que  les  Alliés  n'ont  plus  rien  à  demander  à  la  France. 
La  guerre  ne  sera  terminée,  que  lorsque  les  Puissances  alliées 
auront  obtenu  les  garanties  et  les  indemnités  qu'elles  ont 
droit  de  réclamer;  et  les  Puissances  demandent  aussi,  après 
l'éloignement  de  Napoléon,  avec  raison  à  la  France  des  gages 
qu'une  nouvelle  tentative  ne  les  force  à  prendre  de  nouveau 
les  armes.  Si  les  Puissances,  en  disant  quelles  ne  faisaient 
la  guerre  que  contre  Bonaparte  et  ses  adherens,  ont  séparé 
la  nation  de  lui,  la  nation  pour  réclamer  cette  déclaration 
en  sa  faveur,  aurait  dû  s'en  séparer  réellement,  ne  pas  rester 
passive  et  même  combattre  pour  l'usurpateur,  mais,  au  con- 
traire, contribuer  à  s'en  débarrasser. 

Le  mémoire  qui  a  fait  naître  ces  réflexions  établit  une 
grande  différence  entre  une  cession  territoriale  et  l'impo- 
sition d'une  contribution,  même  suivie  d'une  occupation  de 
Provinces.  Mais  cette  différence  subsiste-t-elle  bien  sous  le 
rapport  du  droit?  N'est-ce  pas  aussi  user  d'un  droit  de  con- 
quête que  d'imposer  de  pareilles  contributions?     Tout  droit 


286 

de  conquête  n'est-il  pas,  d'après  une  saine  théorie  du  droit 
des  gens,  limité  par  la  nécessite  de  garanties  et  d'indemnités? 

Si  Ton  peut  exiger  une  indemnité,  ne  peut-on  pas  la 
fixer,  ou  en  territoire,  ou  en  argent?  Et  peut-on  dire  qu'une 
contribution  considérable  pourrait  être  légitimement  fournie 
par  la  France,  comme  moyen  de  concilier  la  conservation 
de  son  intégrité  territoriale  avec  ce  qu'elle  doit  à  la  sûreté 
générale ,  lorsque  l'on  soutient  que  les  Alliés  n'ont  aucun 
droit  à  porter  atteinte  à  cette  intégrité?  Comment  la  France 
doit-elle  faire  des  sacrifices  pour  conserver  ce  qu'on  n'a  pas 
le  droit  d'attaquer?  # 

La  question  du  droit  étant  établie,  il  s'agit  de  détermi- 
ner quelles  sont  les  garanties  et  les  indemnités  qu'on  devra 
exiger  de  la  France?  et  quelles  mesures  il  convient  de  prendre 
pour  ne  pas  s'exposer  à  de  nouveaux  dangers  de  sa  part? 

Tout  le  monde  est  d'accord  qu'il  y  a  deux  moyens  pour 
atteindre  ce  but,  l'un  de  rétablir  et  d'amener  la  tranquillité  en 
France,  enfinissant,  comme  l'on  s'exprime,  la  révolution,  l'autre, 
de  faire,  par  diff'érens  modes  d'une  manière  temporaire  ou  per- 
manente, une  autre  répartition  de  forces  entre  la  France  et 
les  Etats  ses  voisins,  pour  empêcher  qu'elle  ne  puisse  em- 
piéter sur  leurs  droits. 

Rien  n'est  certainement  aussi  salutaire  et  aussi  néces- 
saire que  de  tacher  de  tranquilliser  la  France,  d'y  neutrali- 
ser les  passions,  et  de  rattacher  tous  les  intérêts  à  la  con- 
servation de  l'autorité  légitime.  Mais  comme  une  saine  po- 
litique doit  toujours  s'en  tenir  de  préférence  à  ce  qu'il  est 
entièrement  dans  son  pouvoir  de  faire,  cette  tâche  doit  être 
subordonnée  à  l'autre  de  l'établissement  d'une  proportion  re- 
lative de  forces  adoptées  aux  circonstances  et  rien  de  ce  qui 
est  vraiment  essentiel  sous  ce  dernier  point  de  vue  ne  doit 
être  abandonné  dans  le  premier.  L'esprit  public  et  la  vo- 
lonté nationale,  là  où  il  en  existe  une,  se  composent  de  tant 


287 

d'élémens  divers  qu'il  est  extrêmement  difficile  d'éviter  même 
des  erreurs  assez  grossières  en  les  jugeant  en  détail,  et  plus 
encore  en  voulant  y  exercer  une  influence  directe:  celle  des 
Puissances  étrangères  blesse  naturellement  la  fierté  nationale 
et  le  droit  même  de  s'y  immiscer  est  bien  plus  douteux  que 
celui  de  pourvoir  entièrement  à  leur  propre  sûreté.  Les  Al- 
liés ont  rendu  au  Gouvernement  toute  l'assistance  qui  dépen- 
dait d'eux,  en  faisant  disparaître  son  plus  cruel  ennemi,  et 
en  dissipant  et  désarmant  les  autres;  il  doit  le  maintenir  à 
présent  par  lui-même;  mais  il  est  toujours  beaucoup  trop 
douteux,  s'il  pourra  conserver  son  autorité  et  son  indépen- 
dance pour  qu'il  puisse  encore  de  longtems  offrir  à  l'Europe 
une  garantie  suffisante  pour  qu'on  puisse  se  relâcher  sur 
d'autres  mesures  de  précaution  et  de  sûreté.  La  révolution 
française  a  été  la  suite  de  la  faiblesse  du  Gouvernement; 
elle  ne  pourra  être  terminée  que  par  un  Gouvernement  fort, 
mais  à  la  fois  juste  et  légitime.  Il  sera  difficile  par  consé- 
quence de  la  voir  finir,  tandis  que  des  Puissances  étrangères 
exercent  la  tutèle  sur  la  France.  Cette  tutèle  pourra  tout 
au  plus  empêcher  les  crises,  autant  qu'elle  dure.  Les  tenta- 
tives de  rendre  le  Gouvernement  agréable  à  la  nation,  de  le 
mettre  à  même  de  se  faire  des  mérites  auprès  d'elle  ne  se- 
ront jamais  d'un  grand  effet.  La  partie  de  la  nation  qui  sait 
apprécier  ce  mérite,  n'est  pas  celle  qui  s'agite,  et  celle  qui 
est  habituée  à  ne  pas  rester  tranquille,  ne  peut  être  com- 
primée que  par  la  force  de  l'autorité.  Le  maintien  du  Gou- 
vernement dans  sa  véritable  indépendance  sera  donc  long- 
tems un  sujet  de  doute  très-fondé  et  tout  système  de  paci- 
fication actuelle  dans  lequel  la  sûreté  générale  sera  rendue 
dépendante  de  là,  ou  qui  exigera  seulement  qu'on  porte  là- 
dessus  un  jugement  sûr  et  précis  entraînera  de  grands  in- 
convéniens  après  lui  et  pourra  être  nommé  erroné.  Mais,  il 
n'en  est  pas  moins  vrai  que,  tout  en  réglant  ce  qu'exige 


288 

leur  sûreté,  Ja  conservation  du  Gouvernement  Royal  doit  être 
constamment  une  des  premières  sollicitudes  des  Puissances 
alliées. 

Une  autre  répartition  des  forces  respectives,  reste,  en 
conséquence,  le  seul  moyen  qui  puisse  vraiment  mettre  l'Eu- 
rope à  l'abri  de  nouveaux  dangers,  et  parmi  les  différentes 
méthodes  qu'on  pourrait  adapter,  soit  pour  affaiblir  la  France, 
soit  pour  renforcer  ses  voisins,  la  plus  simple,  la  plus  con- 
séquente et  la  plus  conforme  au  système  général  des  Puis- 
sances alliées,  paraîtrait  celle  de  procurer  aux  Etats  voisins 
de  la  France  une  frontière  assurée,  en  leur  donnant,  comme 
moyens  de  défense,  les  places  fortes  dont  la  France  depuis 
quelle  les  possède,  s'est  servie  comme  point  d'aggression. 

L'aggrandissement  qui  résulterait  de  là  pour  les  Etats, 
serait  trop  peu  considérable  pour  exiger  un  nouveau  travail 
sur  rétablissement  de  l'équilibre  en  Europe,  et  un  change- 
ment essentiel  du  recès  du  congrès  de  Vienne.  Il  est  donc 
l'esprit  de  cet  acte  que  l'indépendance  des  Pays-bas  et  de 
l'Allemagne  ne  puissent  éprouver  d'atteinte  et  c'est  là  ce 
qui  résulterait  de  cette  mesure.  La  Belgique  acquerrait  plu- 
sieurs points  importants,  l'Allemagne  s'étendrait  du  côté  du 
haut  Rhin,  ce  qui  serait  d'autant  moins  nuisible  que  les  trai- 
tés conclus  à  Vienne  laissent  toujours  ouvert  un  arrange- 
ment entre  l'Autriche  et  la  Bavière  qui  ne  peut  se  réaliser 
qu'aux  dépens  de  quelques  uns  des  petits  Princes  de  l'Alle- 
magne, et  qui  serait  prodigieusement  facilité  par  quelque 
acquisition  de  ce  coté.  La  Prusse  gagnerait  assez  en  voyant 
ses  voisins  ainsi  renforcés,  pour  pouvoir  se  borner  à  quelque 
peu  d'objets  tendant  uniquement  au  but  de  compléter  son 
propre  système  de  défense. 

Ce  n'est  pas  depuis  Napoléon  ou  depuis  la  révolution 
seulement  que  la  France  a  fait  des  tentatives  pour  envahir 
l'Allemagne  et  la  Belgique.  Elles  les  a  toujours  renouvelées 


289 

de  tems  en  tems,  et  les  places  qu'on  lui  ôterait  à  présent 
ont  servi  de  bases  à  ses  opérations  militaires.  L'Allemagne, 
de  son  côté,  est  un  état  essentiellement  pacifique.  La  tran- 
quillité de  l'Europe  ne  peut,  en  conséquence,  que  gagner 
par  le  changement  de  frontière.  —  Les  cours  d'Allemagne 
doivent,  d'ailleurs,  attacher  un  intérêt  particulier  à  revendi- 
quer au  moins  une  partie  de  ce  qui  lui  a  été  injustement 
arraché. 

Tous  les  autres  moyens  d'affaiblir  la  France  que  le 
mémoire  en  question  comprend  sous  le  nom  générai  de 
garanties  réelles,  quoique  ce  mot  (pour  observer  ceci  en 
passant)  ne  soit  pas  proprement  l'opposé  des  garanties  mo- 
rales qui  sans  doute,  peuvent  être  très-réelles  aussi,  sont  ou 
impossibles  ou  même  injustes,  comme  celui  de  priver  la 
France  de  tout  le  matériel  de  son  état  militaire,  et  d'en  dé- 
truire les  sources,  ou  tellement  compliqués,  que  leur  emploi 
même  ferait  naître  de  nouveaux  inconvéniens.  Ce  reproche 
semble  pouvoir  être  fait  surtout  à  celui  dont  l'exécution  est 
proposée  définitivement  dans  le  mémoire. 

Après  avoir  exclu  par  une  loi  de  l'Europe  Napoléon 
Bonaparte  et  sa  famille  du  trône  de  France,  ce  qui  semble- 
rait donner  trop  d'importance  à  un  homme  qu'on  envoit  à 
St.  Hélène  et  à  des  individus  qui  n'ont  jamais  occupé  au- 
cun rang  que  par  lui,  et  après  avoir  remis  en  vigueur  la 
partie  défensive  du  traité  de  Chaumont,  les  Puissances  al- 
liées doivent  prendre  et  conserver  une  position  militaire  en 
France  dans  le  double  but  de  faire  acquitter  une  forte  con- 
tribution et  de  voir  si  l'état  intérieur  de  la  France  se  con- 
solide; et  cette  contribution  doit  être  employée  par  les  Puis- 
sances voisines  de  la  France  à  renforcer  leurs  frontières  par 
de  nouvelles  places  qu'elles  devront  construire. 

La  première  objection  qu'on  peut  faire  à  ce  plan,  est, 
qu'au  lieu  qu'on  pourrait  tranquillement  abandonner  le^soin 
vu.  19 


290 

de  leur  propre  défense  et  celui  du  maintien  du  repos  de 
celle  partie  de  l'Europe  aux  Etats  voisins  de  la  France,  si 
l'on  renforçait  leurs  frontières  par  les  points  aggressifs  de 
ce  Royaume,  il  établit  une  surveillance  prolongée  des  Puis- 
sances alliées  sur  le  repos  extérieur  et  intérieur  de  la  France, 
occasionne  des  cahtonnemens  et  des  marches  des  troupes  et 
remet  le  retour  d'un  véritable  étal  de  paix  à  un  nombre 
presque  indéterminé  d'années.  Car  comment  l'échéance  des 
termes  fixés  pour  le  payement  des  conlributions  coincidera- 
t-il  précisément  avec  le  terme  où  l'état  intérieur  de  la  France 
pourra  se  passer  d'une  pareille  surveillance?  Et  à  quels 
symptômes  assez  certains  ce  dernier  pourra-t-il  être  reconnu? 
Car  la  supposition  que  le  Roi  de  France  parvienne  à  refor- 
mer la  monarchie  française,  de  manière  à  ce  que  les  intérêts 
de  toutes  les  parties  se  confondent  en  un  seul  intérêt,  et 
qu'il  en  résulte  une  garantie  morale  de  la  fin  de  toute  ré- 
volution en  France,  dont  parle  le  mémoire,  ne  se  réalisera 
guères,  et  il  faudra,  comme  dans  toutes  les  choses  humaines 
se  contenter  d'un  état   tout  au  plus  approchant  de  celui-ci. 

En  exigeant  que  la  contribution  soit  employée  à  la  con- 
struction des  places  fortes,  on  confond  les  idées  de  garan- 
ties et  d'indemnité  et  établit  une  inégalité  évidente  entre  les 
Alliés,  puisque  les  états  voisins  de  la  France  sont  seuls 
grevés  de  cette  charge.  Serait-ce  en  général  le  moyen  de 
conserver  la  paix  que  d'opposer  des  forteresses  à  des  for- 
teresses et  ne  serait-il  pas  plus  simple,  de  donner  celles  qui 
forment,  d'après  l'aveu  du  mémoire  même,  une  immense  et 
menaçante  ligne,  à  ceux  qui  en  sont  menacés,  et  dont  les 
dispositions  paisibles  ne  laissent  pas  de  doute,  en  abandon- 
nant plutôt  à  la  France  le  soin  d'en  construire  de  nouvelles? 
Elle  garderait,  d'ailleurs,  toujours  ces  places  davantage  vers 
l'intérieur  du  Royaume. 

La  seconde  considération  est  pour  la  France  et  l'auto- 


291 

rilé  Royale,  elle  même.  La  cession  de  places  et  de  terri- 
toire est  un  sort  auquel  tous  les  états  sont  sujets,  c'est  une 
plaie  douloureuse,  mais  qui  se  cicatrise  et  s'oublie.  Mais  il 
n'y  a  rien  de  si  humiliant,  surtout  pour  une  nation  que  le 
mémoire  en  question  nomme,  non  sans  fondement,  ivre  d'or- 
gueil et  d'amour  propre,  que  la  présence  prolongée  de  troupes 
étrangères  dans  les  provinces.  Quelque  précis  que  soient  les 
réglemens  et  quelque  stricte  que  soit  leur  execution,  il  naît 
toujours,  dans  ces  cas,  des  différences  qui  ne  laisseraient  au 
Gouvernement  que  le  choix  entre  une  condescendance  qui 
blesserait  la  fierté  nationale  ou  le  danger  de  se  brouiller  avec 
les  Puissances  alliées.  Il  est  inévitable  aussi  que  la  province 
occupée  souffre  considérablement  et  que  cela  mécontente 
extrêmement  les  habitans.  Ces  plaintes  se  renouvellent  chaque 
jour,  elles  tourneront  infailliblement  toutes  contre  le  Gou- 
vernement; on  lui  imputera  non  seulement  d'avoir  acheté, 
par  cet  arrangement,  son  retour  en  France,  mais  encore  d'être 
l'aine  de  la  prolongation  de  cet  état  pour  se  servir  des  forces 
étrangères  pour  son  maintien  et  il  deviendra  infiniment  plus 
impopulaire  par  celte  mesure,  que  par  celle  d'une  cession, 
qui  étant  la  suite  immédiate  de  la  guerre,  pourrait  encore 
être  imputée  à  Bonaparte. 

Une  troisième  objection,  et  peut-être  la  plus  importante 
de  toutes,  est  que  le  remède  proposé  n'offre  aucunement  une 
véritable  garantie.  Il  a,  au  contraire,  le  défaut  de  ne  point 
assez  renforcer  les  états  voisins  de  la  France,  de  ne  point 
ôter  à  la  nation  française  les  principaux  moyens  d'aggres- 
sion  et  de  l'inciter  et  de  l'exaspérer  au  dernier  point.  On 
objecterait  en  vain  que  la  France  après  avoir  dû  payer  de 
fortes  sommes  ne  pourrait  se  procurer  le  matériel  nécessaire 
pour  faire  la  guerre.  La  Prusse  a  montré  à  quoi  porte  au 
contraire  un  pareil  traitement  et  ce  que  peut  un  état,  même 
lorsqu'il  semble  dénué  de  tous  les  moyens.  Priver  la  France 

19* 


292 

de  celles  de  ses  forteresses  qui  menacent  ses  voisins  est  la 
seule  garantie  solide  qu'on  puisse  obtenir.  Sans  elle,  ni  le 
Gouvernement  ni  l'Europe,  ne  serait  à  l'abri  d'une  nouvelle 
explosion,  lorsque  le  moment  de  l'évacuation  arrivera,  qui 
pourra,  devra  arriver  un  jour,  puisqu'une  occupation  perma- 
nente de  troupes  étrangères,  quoique  le  mémoire  la  nomme 
aussi  parmi  les  garanties  réelles,  offre  à  peine  une  idée  pra- 
tique et  les  états  voisins  de  la  France  n'auront  pour  lors 
d'autre  avantage  que  leurs  places  fortes  nouvellement  con- 
struites, tandis  que  la  France  aura  conservé  les  siennes  et 
fera  la  guerre  avec  toute  l'énergie  que  donne  la  fierté  na- 
tionale humiliée  et  la  pauvreté  causée  par  le  payement  des 
contributions. 

Le  passage  du  mémoire  relatif  à  la  garantie  à  offrir  à 
la  France  dans  le  cas  de  l'occupation  n'est  pas  assez  clair 
pour  qu'on  puisse  entièrement  en  juger.  Mais  il  est  très-dou- 
teux, si  la  circonstance  seule  que  ce  ne  seraient  pas  les 
troupes  qui  pourraient  le  plus  convenablement  occuper  une 
position  militaire  en  France,  qui  en  occuperaient  une  partie, 
rassurerait  entièrement  la  nation  sur  la  restitution  du  terri- 
toire occupé.  11  serait  difficile,  d'ailleurs,  que  les  Puissances 
alliées  habituées  à  suivre  constamment  un  système  d'égalité 
parfaite,  voulussent  y  renoncer  dans  un  cas  aussi  important. 

Conformément  à  ces  considérations,  une  cession  territo- 
riale qui,  en  se  portant  surtout  sur  les  places  fortes,  ne  ten- 
drait qu'à  renforcer  les  frontières  des  Pays-bas,  de  l'Alle- 
magne et  de  la  Suisse,  comme  garantie,  et  une  contribution, 
comme  indemnité  paraferaient  mieux  remplir  les  vues  des 
Puissances  alliées  et  le  but  de  leur  alliance  ;  placer  plus  con- 
venablement le  Roi  dans  l'attitude  de  pouvoir  reprendre  d'une 
manière  indépendante  les  rênes  du  Gouvernement,  éviter 
davantage  l'irritation  de  la  nation  qui  naîtra  nécessairement 
de  la  présence  prolongée  des  troupes  étrangères  et  de  foui 


293 

contact  trop  rapproché  avec  les  Alliés  dans  les  premières 
années  et  mettre,  si,  malgré  cela,  on  en  venait  à  une  nou- 
velle guerre  avec  la  France,  les  Etats  qui  l'a  voisinent,  en 
état  de  faire  une  résistance  suffisante,  sans  s'épuiser  par  des 
efforts  excessifs. 

Quant  à  la  marche  à  tenir  actuellement,   il  est  incon- 
testable que  celle  que  prescrit  le  mémoire: 

De  se  concerter  sans  délai  sur  les  garanties  et  in- 
demnités, de  négocier  avec  le  Gouvernement  fran- 
çais et 

de  faire  un  traité  avec  la  France  et  les  Alliés, 
est  d'une  extrême  urgence,  et  qu'elle  est  en  même  tems  la 
seule  qu'il  soit  possible  de  suivre. 


Lettre  à  M.  Abel-Rémusat,  sur  la  nature  des  formes 

grammaticales  en  général,  et  sur  le  génie  de  la 

langue  chinoise  en  particulier. 


Avertissement. 

.Lia  lettre  que  nous  publions  doit  sa  naissance  à  une  discussion 
qui  s'est  élevée  entre  M.  G.  de  Humboldt  et  un  Professeur  de  Paris. 
La  question  souvent  agitée,  de  la  nature  et  de  l'importance  réelle 
des  formes  grammaticales,  s'est  renouvelée  depuis  que  deux  langues 
célèbres  de  l'Asie,  remarquables,  l'une  par  la  perfection  de  son 
système,  l'autre  par  la  pauvreté  apparente  qui  la  caractérise,  ont 
commencé  à  être  étudiées  avec  plus  de  soin  et  de  succès.  Le 
samscrit  et  le  chinois  offraient  des  faits  nouveaux  qu'il  devenait 
indispensable  d'examiner,  et  les  progrès  de  la  philologie  Orientale 
devaient  tourner  au  profit  de  la  grammaire  générale  et  de  la  mé- 
taphysique du  langage.  Divers  mémoires  lus  par  M.  G.  de  Hum- 
boldt à  l'Académie  de  Berlin,  annonçaient  par  leur  titre  seul  que 
ce  savant  célèbre  avait  abordé  un  sujet  éminemment  philosophique, 
et  la  communication  qu'il  en  fit  obligeamment  à  quelques  hommes 
de  lettres  français,  leur  en  donna  l'idée  la  plus  avantageuse.  Cepen- 
dant, le  chinois  semblait,  sous  quelques  rapports,  faire  exception 
aux  principes  de  l'auteur,  et  on  appela  son  attention  sur  ce  sin- 
gulier phénomène  d'un  peuple  qui,  depuis  quatre  mille  ans,  pos- 
sède une  littérature  florissante,  sans  formes  grammaticales. 

Comparée  sous  ce  rapport  au  samscrit,  au  grec,  à  l'allemand, 
et  aux  autres  idiomes  pour  lesquels  M.  G.  de  Humboldt  annonçait 


295 

uue  juste  prédilection,  la  langue  chinoise  offrait  des  particularités 
qu'il  n'était  plus  permis  de  négliger.  Accoutumé  à  surmonter  des 
difficultés  bien  autrement  graves,  cette  étude  n'a  été  qu'un  jeu 
pour  le  savant  académicien,  et  il  y  a  bientôt  acquis  assez  d'habi- 
leté pour  y  porter  une  nouvelle  lumière.  Ainsi  qu'on  l'avait  prévu, 
plusieurs  questions  curieuses  acquirent  à  ses  yeux  plus  d'impor- 
tance, et  comme  il  continuait  de  communiquer  ses  idées  à  la  per- 
sonne qui  en  suivait  le  progrès  avec  le  plus  d'intérêt,  il  a  été 
conduit  à  les  résumer,  en  leur  donnant  à  la  fois  un  meilleur  ordre 
et  île  plus  grands  développemens,  dans  une  lettre  plus  étendue 
que  toutes  celles  qui  avaient  précédé.  C'est  cette  lettre  que  nous 
livrons  à  l'impression,  persuadés  que  notre  savant  correspondant 
ne  nous  saura  pas  mauvais  gré  de  faire  jouir  le  public  d'un  écrit 
qu'il  ne  lui  avait  pas  destiné,  mais  qui  contient  trop  d'idées  neuves 
et  de  réflexions  profondes,  pour  ne  pas  mériter  de  voir  le  jour. 

Les  théories  de  l'auteur  touchent  aux  parties  les  plus  sub- 
tiles de  la  grammaire  générale,  et  les  applications  qu'il  en  fait 
tombent  sur  un  idiome  dont  la  connaissance  est  encore  trop  peu 
répandue  en  Europe:  c'est  annoncer  assez  qu'il  peut  y  rester 
quelques  points  à  discuter  et  à  éclaircir.  Plusieurs  sujets  de  doutes 
avaient  été  proposés  dans  la  correspondance  dont  on  a  parlé,  et 
l'on  a  cru  utile  d'indiquer  ici  ceux  qui  ne  paraissaient  pas  avoir 
été  levés  complètement.  C'est  l'objet  des  notes  ou  observations 
qu'on  a  placées  à  la  fin  de  la  lettre  de  M.  G.  de  Humboldt.  Une 
personne  moins  dévouée  que  ce  savant  aux  intérêts  de  la  vérité 
aurait  pu  désapprouver  ce  genre  d'additions.  Pour  lui,  nous  avons 
la  confiance  qu'il  y  verra  un  hommage  rendu  à  son  caractère,  et 
une  preuve  de  gratitude  pour  l'honneur  qu'il  a  fait  à  l'éditeur  en 
lui  adressant  le  résultat  de  ses  réflexions.  Si  les  faits  nouveaux 
qu'on  lui  propose  et  les  considérations  qu'on  se  plaît  à  lui  sou- 
mettre provoquaient  de  sa  part  quelque  travail  ultérieur,  ce  serait 
au  public  instruit  à  nous  savoir  gré  des  éclaircfeseniens  qui  auraient 
encore  été  obtenus  sur  un  sujet  si  digne  d'occuper  les  hommes 
qui  ont  consacré  leurs  méditations  à  l'histoire  du  développement 
et  des  progrès  de  l'intelligence. 

A.-R. 


296 


Lettre  sur  la  nature  des  formes  grammaticales  en  géné- 
ral, et  sur  le  génie  de  la  langue  chinoise  en  particulier. 


Monsieur! 

Je  me  suis  occupé  du  chinois,  ainsi  que  vous  avez  bien 
voulu  nie  le  conseiller,  et  la  facilite  admirable  que  vous  avez 
portée  dans  cette  étude  par  votre  Grammaire  et  par  l'édi- 
tion du  Tc/ioùng-yoûny ,  a  secondé  mes  efforts.  J'ai  com- 
paré attentivement  les  textes  chinois  renfermés  dans  ces  deux 
ouvrages,  avec  la  traduction  que  vous  en  donnez,  et  j'ai 
tâché  de  me  rendre  compte,  par  ce  moyen,  de  la  nature 
particulière  de  la  langue  chinoise.  Etant  parvenu  à  fixer  jus- 
qu'à un  certain  point  mes  idées  à  ce  sujet,  je  vais  vous*  les 
soumettre,  monsieur,  et  je  prends  la  liberté  de  vous  prier 
de  vouloir  bien  les  examiner  et  les  rectifier.  Je  ne  puis  avoir 
qu'une  connaissance  bien  imparfaite  encore  de  la  langue  chi- 
noise, et  il  est  dangereux  de  hasarder  un  jugement  sur  le 
génie  et  le  caractère  d'une  langue  sans  en  avoir  fait  une 
étude  approfondie.  J'ai  donc  grand  besoin  d'être  guidé  par 
vos  bontés  dans  une  carrière  neuve  et  difficile. 

La  première  impression  que  laisse  la  lecture  d'une  phrase 
chinoise,  tend  à  persuader  que  cette  langue  s'éloigne  de 
presque  toutes  celles  que  l'on  connaît;  mais,  en  fait  de 
langues,  il  faut  se  garder  d'assertions  générales.  Il  serait  dif- 
ficile de  dire  que  la  langue  chinoise  différât  entièrement  de 
toutes  les  autres.  Je  m'arrêterai  d'abord,  pour  avoir  un  point 
fixe  de  comparaison,  surtout  aux  langues  classiques;  j'aurai 
principalement  en  vue  ces  dernières,  lorsque  je  parlerai  du 
chinois  en  opposition  avec  les  autres  langues.  J'examinerai 
plus  tard  s'il  y  en  a  réellement  qui  se  rapprochent  plus  ou 
moins  de  cet  idiome. 


297 

Je  crois  pouvoir  réduire  la  différence  qui  existe  entre 
la  langue  chinoise  et  les  autres  langues  au  seul  point  fon- 
damental que,  pour  indiquer  la  liaison  des  mots  dans  ses 
phrases,  elle  ne  fait  point  usage  des  catégories  grammati- 
cales, et  ne  fonde  point  sa  grammaire  sur  la  classification 
des  mots  (1),  mais  fixe  d'une  autre  manière  les  rapports  des 
élémens  du  langage  dans  l'enchaînement  de  la  pensée.  Les 
grammaires  des  autres  langues  ont  une  partie  étymologique 
et  une  partie  syntactique;  la  grammaire  chinoise  ne  connaît 
que  cette  dernière. 

De  là  découlent  les  lois  et  les  particularités  de  la  phra- 
séologie chinoise,  et  dès  qu'on  se  place  sur  le  terrain  des 
catégories  grammaticales,  on  altère  le  caractère  original  des 
phrases  chinoises. 

Vous  trouverez  peut-être,  monsieur,  ces  assertions  trop 
étendues  et  trop  positives,  ou  vous  supposerez  que  j'ai  voulu 
dire  simplement  que  la  langue  chinoise  néglige  d'attacher 
aux  mots  les  marques  des  catégories  grammaticales,  et  ne 
poursuit  pas  cette  classification  jusqu'à  ses  dernières  rami- 
fications. J'avoue  cependant  que  la  langue  chinoise  me  semble 
moins  négliger  que  dédaigner  de  marquer  les  catégories  gram- 
maticales, et  se  placer,  autant  que  la  nature  du  langage  le 
comporte,  sur  un  terrain  entièrement  différent.  Mais  je  sens 
que  ceci  exige  des  développemens  d'idées  et  des  preuves  de 
fait;  et  je  vais  vous  soumettre,  monsieur,  ce  qui,  dans  mes 
réflexions  générales  sur  les  langues,  et  dans  mes  études  chi- 
noises, m'a  conduit  à  ce  que  je  viens  d'avancer. 

Je  nomme  catégories  grammaticales  les  formes  assignées 
aux  mots  par  la  grammaire,  c'est-à-dire  les  parties  d'oraison 
et  les  autres  formes  qui  s'y  rapportent.  Ce  sont  des  classes 
de  mots  qui  emportent  avec  elles  certaines  qualifications 
grammaticales,  que  l'on  reconnaît,  soit  par  des  marques  inhé- 
rentes aux  mots  mêmes,  soit  par  la  place  que  les  mots  oc- 


298  ' 

cupent,  soit  enOn  par  la  liaison  de  la  phrase.  Aucune  langue 
peut-être  ne  distingue,  ni  ne  marque  toutes  ces  formes  ;  mais 
on  peut  dire  qu'une  langue  les  emploie  pour  indiquer  la  liai- 
son des  mots,  si  elle  fait  de  cette  classification  la  base  de 
sa  grammaire,  si  du  moins  les  formes  ou  catégories  princi- 
pales sont  reconnaissables,  indépendamment  du  sens  du  con- 
texte, et  si  la  nature  de  la  langue  porte  l'esprit  de  ceux  qui 
la  parlent,  à  assigner  chaque  mot  à  une  de  ces  classes,  même 
là,  où  ce  mot  n'en  porte  point  les  marques  distinclives. 

La  classification  des  mots,  d'après  les  catégories  gram- 
maticales, tire  son  origine  d'une  double  source:  de  la  nature 
de  l'expression  affectée  à  la  pensée  par  le  langage,  et  de 
l'analogie  qui  règne  entre  ce  dernier  et  le  monde  réel. 

Comme  on  exprime,  en  parlant,  les  idées  par  des  mots 
qui  se  succèdent,  il  doit  exister  un  ordre  déterminé  dans  la 
combinaison  de  ces  élémens,  pour  qu'ils  puissent  former  l'en- 
semble de  l'idée  exprimée,  et  cet  ordre  doit  être  le  même 
dans  l'esprit  de  celui  qui  parle  et  de  celui  qui  écoute,  pour 
que  l'intelligence  soit  mutuelle  entr'eux.  C'est  là  la  base  de 
toute  grammaire.  Cet  ordre  établit  nécessairement  des  rap- 
ports entre  les  mots  d'une  phrase,  d'une  part,  et  de  l'autre, 
entre  ces  mots  et  l'ensemble  de  l'idée;  ces  rapports,  consi- 
dères dans  leur  généralité,  et  abstraction  faite  des  idées  par- 
ticulières auxquelles  ils  s'attachent,  nous  donnent  les  catégories 
grammaticales.  C'est  donc  par  l'analyse  de  la  pensée  convertie 
en  paroles,  qu'on  parvient  à  déduire  les  formes  grammaticales 
des  mots.  Riais  cette  analyse  ne  fait  que  développer  ce  qui  se 
trouve  déjà  originairement  dans  l'esprit  de  l'homme  doué  de 
la  faculté  du  langage;  parler  d'après  ces  formes,  et  s'élever 
à  leur  connaissance  par  la  réflexion  sont  deux  choses  en- 
tièrement différentes,  car  l'homme  ne  comprendrait  ni  lui- 
même,   m  les  autres,  si  ces  formes  ne  se  trouvaient  comme 


299 

archétypes  dans  son  esprit,  ou,  pour  me  servir  d'une  expres- 
sion plus  rigoureusement  exacte,  si  sa  faculté  de  parler  n'était 
soumise,  comme  par  une  espèce  d'instinct  naturel,  aux  lois 
que  ces  formes  imposent. 

Les  catégories  grammaticales  se  trouvent  en  relation 
intime  avec  l'unité  de  la  proposition,  car  elles  sont  les  ex- 
posans  des  rapports  des  mots  à  celte  unité,  et  si  elles  sont 
conçues  avec  précision  et  clarté,  elles  en  marquent  mieux 
cette  unité  et  la  rendent  plus  sensible.  Les  rapports  des 
mots  doivent  se  multiplier,  et  varier  à  proportion  de  la  lon- 
gueur et  de  la  complication  des  phrases,  et  il  en  résulte 
naturellement  que  le  besoin  de  poursuivre  la  distinction  des 
catégories  ou  formes  grammaticales,  jusque  dans  leurs  der- 
nières ramifications,  naît  surtout  de  la  tendance  à  former  des 
périodes  longues  et  compliquées.  Là  où  des  phrases  entre- 
coupées dépassent  rarement  les  limites  de  la  proposition  simple, 
l'intelligence  n'exige  pas  qu'on  se  représente  exactement  les 
formes  grammaticales  des  mots,  ou  qu'on  en  porte  la  di- 
stinction jusqu'au  point  où  chacune  de  ces  formes  paraît 
dans  toute  son  individualité.  Il  suffît  pour  lors  très-souvent 
de  savoir  que  tel  mot  est  le  sujet  de  la  proposition,  sans 
qu'on  ait  besoin  de  se  rendre  compte  exactement  s'il  est 
substantif  ou  infinitif,  qu'un  autre  mot  en  détermine  un  troi- 
sième, sans  qu'on  doive  se  décider  à  le  considérer  comme 
participe  ou  comme  adjectif. 

On  voit  par  là  qu'il  est  possible  de  parler  et  d'être  com- 
pris, sans  s'assujétir  à  marquer  ou  même  à  distinguer  exacte- 
ment les  formes  grammaticales  des  mots.  Ces  formes  ne  s'en 
trouvent  pas  moins  dans  l'esprit  de  celui  qui  en  use  ainsi; 
il  n'en  suit  pas  moins  les  lois,  mais  il  exprime  sa  pensée, 
en  se  bornant  à  une  application  générale  de  ces  lois.  Il  ne 
sent  pas  le  besoin  de  les  spécifier,  et  les  formes  grammati- 
cales des  mots  n'étant  point  spécifiées  par  tout  ce  qui  distingue 


300 

chacune  d'elles,  ne  peuvent  pas  proprement  agir  sur  son 
esprit,  ni  diriger  principalement  son  langage.  Mais  avant  que 
de  poursuivre  ce  point  extrêmement  important  pour  toute 
recherche  sur  la  langue  chinoise,  je  vais  passer  à  l'analogie 
qui  existe  entre  le  langage  et  le  monde  réel,  analogie  qui 
donne  également  lieu  à  classer  les  mots  sous  diverses  caté- 
gories purement  grammaticales. 

Les  mots  se  placent  naturellement  dans  les  catégories 
auxquelles  appartiennent  les  objets  qu'ils  représentent.  C'est 
ainsi  qu'il  existe  dans  toute  langue  des  mots  de  signification 
substantive,  adjective  et  verbale,  et  les  idées  de  ces  trois 
formes  grammaticales  naissent  très-naturellement  de  ces  mêmes 
mots.  Mais  ceux-ci  peuvent  aussi  être  adaptés  à  une  autre 
catégorie:  celui  dont  l'idée  est  substantive,  peut  être  trans- 
formé en  verbe,  ou  vice  versa.  Il  y  a  en  outre  des  mots 
dont  la  signification  idéale  ne  trouve  point  la  même  analo- 
gie dans  le  monde  réel,  et  ces  mots  peuvent  aussi  être  clas- 
sifies à  l'instar  des  autres.  Il  existe  donc  dans  chaque  langue 
deux  espèces  de  mots  :  l'une  se  compose  de  mots  à  qui  leur 
signification,  l'objet  qu'ils  représentent  (substance,  action  ou 
qualité)  assigne  une  catégorie  grammaticale;  l'autre  est  for- 
mée de  mois  qui,  n'étant  point  dans  le  même  cas,  peuvent 
être  pris  dans  plus  d'une  catégorie,  selon  le  point  de  vue 
sous  lequel  on  les  envisage.  La  manière  dont  une  langue 
traite  ces  derniers,  est  une  chose  de  la  plus  grande  impor- 
tance. Si  elle  les  place  également  dans  ces  catégories  et  leur 
en  donne  la  forme,  ces  mots  acquièrent  véritablement  une 
valeur  grammaticale;  ils  deviennent  réellement  des  substan- 
tifs ou  des  verbes;  car  ces  rapports  entr'eux  n'existent  qu'en 
idée;  ils  n'ont  été  aperçus  que  par  une  manière  particulière 
de  considérer  le  langage,  et  c'est  par  cette  même  raison 
qu'ils  seront  à  son  usage.  Si  au  contraire  les  catégories  de 
res  mots  restent  vagues  et  indéterminées,  ceux  même  dont 


301 

la  signification  annoncerait  la  catégorie,  n'ont  plus  de  valeur 
grammaticale  ;  ce  ne  sont  pas  des  verbes  ou  des  substantifs, 
mais  simplement  des  expressions  d'idées  verbales  ou  sub- 
stantives. Car  les  rapports  de  verbes  et  de  substantifs  ne 
leur  ont  point  été  assignés  ni  par  le  langage,  ni  pour  le  lan- 
gage, dans  lequel  on  peut  former  beaucoup  de  phrases  sans 
leur  secours.  Dans  les  phrases  même  où  ils  entrent,  ils  n'a- 
gissent pas  toujours  grammaticalement  dans  la  qualité  qu'an- 
nonce leur  signification.  L'expression  d'une  idée  verbale  ne 
forme  pas  nécessairement,  ainsi  que  c'est  le  caractère  distinctif 
du  verbe,  la  liaison  entre  le  sujet  et  l'attribut  de  là  propo- 
sition. L'expression  d'une  idée  substantive  peut  s'attacher  au 
régime,  de  la  même  manière  que  le  ferait  grammaticalement 
le  verbe,  quoique  le  substantif  passe  à  l'infinitif,  dès  que, 
sans  l'intermédiaire  d'une  préposition,  il  prend  un  complé- 
ment direct. 

On  ne  peut  donc  parvenir,  par  cette  voie,  aux  catégo- 
ries grammaticales,  que  lorsqu'une  nation  possède  une  ten- 
dance à  regarder  la  langue  qu'elle  parle,  comme  un  monde 
à  part,  mais  analogue  au  monde  réel;  à  voir  dans  chaque 
mot  un  individu,  et  à  ne  pas  souffrir  qu'il  y  en  ait  un  seul 
qu'on  ne  puisse  assigner  à  une  classe  quelconque.  Cette 
tendance  naîtra  surtout  du  travail  de  l'imagination,  appliquée 
au  langage,  et,  dans  les  langues  qui  se  distinguent  par  une 
grammaire  riche  et  variée,  ce  travail  paraît  avoir  développé 
l'instinct  intellectuel  dont  j'ai  parlé  plus  haut. 

Dans  les  langues  qui  ne  distinguent  qu'imparfaitement 
les  catégories  grammaticales,  ou  dans  lesquelles  cette  di- 
stinction semble  disparaître  entièrement,  il  faut  néanmoins 
que  les  mots  enchaînés  dans  la  phrase  aient  une  valeur  gram- 
maticale, outre  leur  valeur  matérielle  ou  lexicologique;  mais 
celte  valeur  n'est  pas  reconnaissable  dans  le  mot  pris  isolé- 
ment, ou  du  moins,  ne  l'est  pas  indépendamment  de  sa  signi- 


302 

lication:  elle  résulte  ou  de  cette  dernière,  si  l'objet  que  le 
mot  représente  ne  peut  appartenir  qu'à  une  catégorie  seule- 
ment, ou  de  l'habitude  d'assigner  à  une  catégorie,  un  mot 
qui,  selon  sa  signification,  pourrait  appartenir  à  plusieurs,  ou 
de  l'emploi  qui  y  est  affecté  dans  la  phrase,  et  dans  ce  cas, 
elle  dépend  de  l'arrangement  des  mots,  fixé  comme  règle 
grammaticale,  ou,  enfin,  du  sens  du  contexte;  car  ce  sont  là, 
il  me  semble,  les  différentes  manières  dont  la  valeur  gram- 
maticale peut  s'annoncer  dans  les  langues. 

Dans  une  même  langue,  les  mêmes  idées  grammaticales 
occupent  celui  qui  parle  et  celui  qui  écoute;  ou  plutôt,  les 
mêmes  lois  grammaticales  les  dirigent  l'un  et  l'autre.  Si  ce 
dernier  est  étranger,  et  qu'il  parle  une  langue  d'une  structure 
différente  et  y  porte  ses  propres  idées,  si  la  grammaire  qui 
lui  est  habituelle  est  plus  parfaite,  il  exige,  à  chaque  mot 
de  la  langue  étrangère,  une  précision  égale  dans  l'expression 
de  la  valeur  grammaticale,  et  il  n'y  a  aucun  doute  que, 
dans  chaque  phrase  d'une  langue  quelconque,  chaque  mot 
(si  on  lui  applique  ce  système)  ne  puisse  être  ramené  à  une 
catégorie  grammaticale,  la  seule  à  laquelle  il  puisse  appar- 
tenir, si  l'on  pèse  exactement  le  sens  et  la  liaison  des  idées 
exprimées.  Car  la  grammaire,  bien  plus  que  toute  autre  par- 
tie de  la  langue,  existe  essentiellement  dans  l'esprit,  auquel 
elle  offre  la  manière  de  lier  les  mots  pour  exprimer  et  con- 
cevoir des  idées,  et  tous  ceux  qui  s'occupent  d'une  langue 
étrangère  y  arrivent,  s'il  m'est  permis  de  me  servir  de  cette 
image,  avec  des  cases  toutes  préparées  pour  y  ranger  les 
élémens  qu'elle  leur  présente.  La  grammaire  qu'on  trouve 
dans  une  langue  par  ce  genre  d'interprétation,  n'est  donc 
pas  toujours  celle  qui  y  existe  réellement.  La  véritable  gram- 
maire d'une  langue  s'y  présente  d'une  manière  reconnais- 
sable  à  des  marques  inhérentes  aux  mets,  ou  à  des  termes 
grammaticaux,   ou  à  la  position  fixée   d'après  des  lois  con- 


303 

stantes,  ou  enfin  elle  existe,  sous-entendue,  dans  l'esprit  de 
ceux  qui  la  parlent,  mais  se  manifestant  par  la  coupe  et  la 
tournure  des  phrases. 

En  parlant  ici  des  diverses  manières  d'exprimer  la  va- 
leur grammaticale  des  mots,  j'ai  surtout  eu  en  vue  les  de- 
grés de  précision  que  les  nations  portent  dans  cette  expres- 
sion. Le  degré  le  plus  élevé  se  trouve  dans  la  distinction 
des  catégories  grammaticales,  qu'on  poursuit  jusqu'à  leurs 
dernières  ramifications;  et  comme  l'homme  parvient  à  cette 
distinction,  d'un  côté  en  analysant  la  pensée  énoncée  en  pa- 
roles, et  de  l'autre,  en  traitant  et  en  maniant,  pour  ainsi  dire, 
d'une  manière  particulière  la  langue  qui  en  est  l'organe; 
nous  touchons  ici  à  ce  qu'il  y  a  de  plus  intime  et  de  plus 
profond  dans  la  nature  des  langues,  au  rapport  primitif  qui 
existe  entre  la  pensée  et  le  langage. 

Tout  jugement  de  l'esprit  est  une  comparaison  de  deux 
idées  dont  on  prononce  la  convenance  ou  la  disconvenance. 
Tout  jugement  peut  en  conséquence  être  réduit  à  une  équa- 
tion mathématique.  C'est  cette  forme  première  de  la  pensée 
que  les  langues  revêtent  de  celle  qui  leur  appartient,  en 
unissant  les  deux  idées  d'une  manière  synthétique,  c'est-à- 
dire  en  y  ajoutant  l'idée  de  l'existence.  Elles  se  servent  pour 
cet  effet  du  verbe  fléchi,  qui  est  la  réalisation  de  l'idée  ver- 
bale, et  qui  ne  se  trouve  que  dans  la  pensée  parvenue  au 
comble  de  la  précision  et  de  la  clarté  que  comporte  le  lan- 
gage. C'est  par  là  que  le  verbe  devient  le  centre  de  la 
grammaire  de  toutes  les  langues. 

Si  l'on  examine  l'opération  que  l'homme,  souvent  sans 
s'en  apercevoir,  fait  en  parlant,  on  y  voit  une  prosopopéc 
continuelle.  Dans  chaque  phrase  un  être  idéal  (le  mot  qui 
constitue  le  sujet  de  la  proposition)  est  mis  en  action  ou 
représenté  en  état  de  passivité.  L'action  intérieure  par  la- 
quelle on  forme   un  jugement,   est  rapportée   à  l'objet  sur 


304 

lequel  on  prononce.  Au  lieu  de  dire:  Je  trouve  les  idées 
de  l'être  suprême  et  de  Véternité  identiques,  l'homme  pose 
ce  jugement  au  dehors  de  lui  et  dit:  L'être  suprême  est 
éternel.  C'est  là,  si  j'ose  me  servir  de  cette  expression,  la 
partie  imaginative  des  langues.  Elle  doit  nécessairement 
exister  dans  chacune  d'elles,  puisqu'elle  tient  à  l'organisation 
intellectuelle  de  l'homme  et  à  la  nature  du  langage;  mais 
les  développemens  qu'elle  reçoit,  le  point  qu'atteint  sa  cul- 
ture, dépendent  du  génie  particulier  des  nations.  Elle  est  à  son 
comble  dans  les  langues  classiques:  la  langue  chinoise  n'en 
adopte  que  ce  qui  est  absolument  indispensable  pour  parler 
et  être  compris. 

Les  nations  peuvent  ainsi,  en  formant  les  langues,  suivre 
deux  routes  absolument  différentes:  s'attacher  strictement  aux 
rapports  des  idées,  en  tant  qu'idées;  s'en  tenir  avec  sobriété  à  ce 
qu'exige  indispensablement  renonciation  claire  et  précise  de  ces 
mêmes  idées;  prendre  aussi  peu  que  possible  de  ce  qui  ap- 
partient à  la  nature  particulière  de  la  langue,  comme  organe 
et  instrument  de  la  pensée;  ou  cultiver  surtout  la  langue, 
comme  instrument,  s'attacher  à  sa  manière  de  représenter 
la  pensée,  l'assimiler,  comme  un  monde  idéal,  au  monde  réel 
sous  tous  les  rapports  qui  peuvent  y  être  appliqués. 

La  distinction  des  genres  des  mots,  propre  aux  langues 
classiques,  mais  négligée  par  un  grand  nombre  d'autres  idiomes, 
offre  un  exemple  frappant  de  ce  que  je  viens  d'avancer. 
Elle  appartient  entièrement  à  la  partie  imaginative  des  langues. 
L'examen  de  la  pensée  et  de  ses  rapports  intellectuels  ne 
saurait  y  conduire  ;  regardée  de  ce  point  de  vue,  elle  serait 
même  rangée  facilement  parmi  les  imperfections  des  langues, 
comme  peu  philosophique,  superflue  et  déplacée.  Mais  dès 
que  l'imagination  jeune  et  active  d'une  nation  vivifie  tous 
les  mots,  assimile  entièrement  la  langue  au  monde  réel,  en 
achève  la  prosopopée,  en  faisant  de  chaque  période  un  tableau 


305 

où  l'arrangement  des  parties  et  les  nuances  appartiennent 
plus  à  l'expression  de  la  pensée  qu'à  la  pensée  même,  alors 
les  mots  doivent  avoir  des  genres ,  comme  les  êtres  vivans 
appartiennent  à  un  sexe.  Il  en  résulte  ensuite  des  avantages 
techniques,  dans  l'arrangement  des  phrases;  mais  pour  les 
apprécier  et  en  sentir  le  hesoin ,  il  faut  qu'une  nation  soit 
frappée  surtout  de  ce  que  la  langue  ajoute  à  la  pensée,  en 
la  transformant  en  parole. 

Je  crois  avoir  suffisamment  développé  jusqu'ici  l'origine 
de  la  distinction  des  formes  grammaticales  dans  les  langues. 
Je  ne  les  regarde  point  comme  le  fruit  des  progrès  qu'une 
nation  fait  dans  l'analyse  de  la  pensée,  mais  plutôt  comme 
un  résultat  de  la  manière  dont  une  nation  considère  et  traite 
sa  langue.  J'ajouterai  seulement  une  observation:  dès  qu'une 
nation  poursuit  cette  route,  le  système  se  complète,  puisque 
l'idée  d'une  de  ces  catégories  conduit  naturellement  à  l'autre; 
et  il  faut  avouer  que  tant  que  le  système  est  défectueux, 
l'idée  même  d'une  seule  de  ces  catégories  n'a  jamais  toute 
la  précision  dont  elle  est  susceptible. 

Il  serait  impossible  de  parler  sans  être  dirigé  par  un 
sentiment  vague  des  formes  grammaticales  des  mots.  Mais 
je  crois  avoir  démontré  aussi  qu'il  est  possible,  en  ne  faisant 
entrer  qu'un  nombre  bien  limité  de  rapports  dans  une  phrase, 
de  s'arrêter  au  point  où  la  distinction  exacte  des  catégories 
grammaticales  n'est  point  nécessaire;  qu'on  peut  renoncer 
entièrement  au  système  de  classer  chaque  mot  dans  une  de 
ces  catégories,  et  de  lui  en  attacher  la  marque;  qu'on  peut 
s'éloigner  dans  la  formation  des  phrases,  aussi  peu  que  pos- 
sible, de  la  forme  des  équations  mathématiques.  Il  suit  éga- 
lement de  ce  qui  a  été  dit  plus  haut,  qu'aucune  des  caté- 
gories grammaticales  ne  peut  être  conçue  dans  toute  sa 
précision  par  celui  qui  n'est  pas  habitué  à  en  former,  et  à 
en  appliquer  le  système  complet, 
vu.  20 


306 

Les  Chinois,  qui  sont  dans  ce  cas,  s'énoncent  souvent 
cîe  manière  à  laisser  indéterminée  la  catégorie  grammaticale 
à  laquelle  il  faut  assigner  un  mot  employé  ;  mais  ils  ne  sont 
pas  forcés  non  plus  d'ajouter  à  la  pensée,  là  où  elle  n'en  a 
que  faire,  l'idée  précise  que  telle  ou  telle  forme  grammati- 
cale entraîne  après  elle.  On  peut,  en  Chinois,  employer  le 
verbe  sans  y  exprimer  le  tems  qui,  dans  renonciation  des 
idées  générales,  est  toujours  un  accessoire  déplacé;  on  n'a 
pas  besoin  de  mettre  le  verbe  ou  à  l'actif  ou  au  passif,  on 
peut  comprendre  les  d<eux  modifications  dans  un  même  mot. 
Les  langues  classiques  ne  pouvant  que  très-rarement  s'énon- 
cer ainsi  dune  manière  indéfinie,  doivent  avoir  recours  à 
d'autres  moyens  pour  rendre  à  l'idée  la  généralité  qu'elles 
ont  été  obligées  de  circonscrire  en  employant  une  forme  précise. 

Il  est  digne  de  remarque  que  deux  langues  américaines, 
les  langues  maya  et  bvioi,  ont  deux  manières  d'exprimer  le 
verbe:  l'une  marque  le  tems  auquel  l'action  est  assignée, 
l'autre  énonce  purement  et  simplement  la  liaison  de  l'attri- 
but avec  le  sujet.  Cela  est  d'autant  plus  frappant,  que  ces 
deux  langues  attachent  aussi,  au  présent,  dans  leur  véritable 
conjugaison,  un  affixe  particulier.  Ces  rapprochemens  peuvent, 
ce  me  semble,  servir  à  prouver  que,  lorsqu'on  trouve  de 
pareilles  particularités  dans  les  langues,  il  ne  faut  point  les 
attribuer  à  un  esprit  éminemment  philosophique  dans  leurs 
inventeurs.  Toutes  les  nations  dont  les  langues  n'ont  pas 
adopté  la  fixité  des  formes  grammaticales,  ajoutent,  là  où 
le  sens  l'exige,  des  adverbes  de  tems  au  verbe,  et  négligent 
de  le  faire  dans  d'autres  cas;  et  ce  n'est  que  cette  méthode 
qui  se  régularise  dans  diverses  langues  de  différentes  ma- 
nières. Mais  il  n'en  reste  pas  moins  vrai,  que  l'esprit  philo- 
sophique, lorsqu'il  s'est  développé  dans  la  suite  des  tems, 
peut  tirer  un  parti  fort  utile  de  ces  particularités  en  appa- 
rence insignifiantes. 


307 

En  n'adoptant  point  le  système  de  la  distinction  des 
catégories  grammaticales  des  mots,  on  est  dans  la  nécessité 
de  se  servir  d'une  autre  méthode  pour  taire  connaître  la 
liaison  grammaticale  des  idées:  c'est  ce  que  j'ai  indiqué  au 
commencement  de  cette  lettre,  et  ce  que  je  tenterai  de  dé- 
velopper à  présent.  J'arriverai  plus  facilement  au  but  que 
je  me  propose,  en  appliquant  directement,  dès  à  présent, 
mon  raisonnement  à  la  langue  chinoise,  et  en  passant  ainsi 
à  ces  preuves  de  fait  dont  j'ai  parlé  plus  haut. 

J'ai  pris  la  liberté,  monsieur,  de  fixer  votre  attention 
sur  la  liaison  étroite  qui  existe  entre  l'unité  de  la  proposi- 
tion énoncée  et  les  formes  grammaticales.  Dans  nos  langues, 
nous  reconnaissons  cette  unité  au  verbe  fléchi,  quelquefois 
sous-entendu,  mais  le  plus  souvent  exprimé  grammaticale- 
ment. Autant  il  y  a  de  verbes  fléchis,  autant  il  y  a  de  pro- 
positions. 

La  langue  chinoise  emploie  tous  les  mots  dans  l'état 
où  ils  indiquent  l'idée  qu'ils  expriment,  abstraction  faite  de 
tout  rapport  grammatical.  Tous  les  mots  chinois,  quoique 
enchaînés  dans  une  phrase,  sont  in  statu  absolut o,  et  res- 
semblent par-là  aux  radicaux  de  la  langue  samscrite. 

La  langue  chinoise  ne  connaît  donc,  à  parler  gramma- 
ticalement, point  de  verbe  fléchi;  elle  n'a  pas  proprement 
de  verbes,  mais  seulement  des  expressions  d'idées  verbales, 
et  ces  dernières  paraissent  sous  la  forme  d'infinitifs,  c'est-à- 
dire,  sous  la  plus  vague  de  celles  que  nous  connaissons.  On 
peut  dire,  à  la  vérité,  que  l'expression  d'une  idée  verbale, 
précédée  d'un  substantif  ou  d'un  pronom,  équivaut  en  chi- 
nois au  verbe  fléchi ,  aussi  bien  que  les  mots  they  like  en 
anglais.  Il  n'y  a  aucun  doute  qu'on  ne  puisse,  dans  quelques- 
unes  de  nos  langues  modernes,  surtout  en  anglais,  former 
des  phrases  même  assez  longues,  lesquelles  seraient  entière- 
ment chinoises,   puisqu'aucun  mot  n'y  porterait  l'exposant 

20* 


308 

d'un  rapport  grammatical;  mais  la  différence  est  néanmoins 
grande  et  sensible.  Le  mot  likè  est  placé,  aussi  grammati- 
calement, à  l'actif  et  au  présent,  puisqu'il  manque  des  marques 
du  passif  et  des  autres  teins:  il  s'annonce  donc  comme  verbe; 
celui  qui  le  prononce  sait  que  dans  d'autres  cas  ce  verbe 
marque  aussi  la  personne  dont  il  est  question.  Un  Anglais 
est  habitué,  en  général,  à  combiner  les  élémens  de  la  phrase 
d'après  leurs  formes  grammaticales,  puisqu'il  existe,  dans  sa 
langue,  des  marques  distinctives  de  ces  formes,  de  véritables 
exposans  des  rapports  grammaticaux,  et  c'est  là  le  point 
important.  Dans  un  idiome  où  l'absence  de  ces  exposans 
forme  la  règle,  l'esprit  ne  saurait  être  porté  à  y  suppléer, 
comme  dans  celui  où  cette  absence  est  comptée  parmi  les 
exceptions. 

Ce  qu'on  nomme  verbe,  en  Chinois,  n'est  pas  ce  qui 
est  désigné  par  le  terme  grammatical  de  verbe  fléchi  et  c'est 
en  quoi  la  matière  des  mots  diffère  de  leur  forme,  s'il  est 
permis  de  parler  ainsi.  Prononcer  un  verbe  comme  liaison 
de  la  proposition,  et  comme  devant  indiquer  un  rapport  gram- 
matical, c'est  appliquer  réellement  l'attribut  au  sujet,  c'est 
poser  (par  l'acte  intellectuel  qui  constitue  le  langage)  le  sujet 
comme  existant  ou  agissant  d'une  manière  déterminée.  Or, 
si  une  nation  est  frappée  de  ce  rapport  grammatical  au  point 
de  vouloir  l'exprimer,  elle  attachera  à  l'idée  verbale  quelque 
chose  qui  la  désignera  comme  existence  ou  action  réelle; 
elle  exprimera,  avec  l'idée  matérielle,  au  moins  quelques- 
unes  des  circonstances  qui  accompagnent  toute  existence  ou 
action,  le  tems,  le  sujet,  l'objet,  l'activité  ou  la  passivité. 
C'est  ainsi  que,  dans  un  grand  nombre  de  langues  sans 
flexions,  par  exemple  dans  la  langue  copte,  dans  la  plupart 
des  langues  américaines,  et  dans  d'autres  encore,  le  verbe 
fléchi  porte  avec  lui  un  pronom  abrégé  en  guise  d'affixe, 
soit  constamment,  soit  du  moins   dans  le  cas   où  le  sujet 


309 

n'est  pas  exprimé;  c'est  ainsi  qu'en  mexicain  le  verbe  est 
même  accompagné  du  pronom  qui  représente  son  complé- 
ment, ou  de  ce  complément  lui-même,  qui  lui  est  incorporé. 
On  voit  de  cette  manière,  à  la  forme  même  du  verbe,  s'il 
est  neutre  ou  transitif.  Le  verbe,  dans  toutes  ces  langues, 
s'annonce  comme  une  véritable  partie  d'oraison,  comme  une 
forme  grammaticale;  il  désigne,  outre  la  valeur  qu'il  a  dans 
le  lexique,  ce  qui  caractérise  l'existence  et  l'action  réelle, 
il  prouve  par  là  qu'il  n'a  pas  été  regardé  comme  l'idée 
vague  d'une  manière  d'exister  ou  d'agir,  mais  comme  posé 
réellement  dans  la  phrase  en  un  état  déterminé  d'existence 
ou  d'action.  En  chinois,  toutes  ces  modifications  lui  manquent, 
il  n'exprime  que  l'idée;  son  sujet,  son  complément,  s'il  en  a, 
forment  des  mots  séparés;  le  tems,  pour  la  plupart,  n'est 
pas  marqué  ou  l'est,  non  comme  un  accessoire  indispensable 
du  verbe,  mais  comme  appartenant  à  l'expression  de  l'idée 
de  la  phrase.  Le  prétendu  verbe  chinois,  si  l'on  veut  lui 
assigner  une  forme  grammaticale,  sans  lui  prêter  ce  qu'il 
n'annonce  ni  ne  possède,  est  à  l'infinitif,  c'est-à-dire  dans  un 
état  mitoyen  entre  le  verbe  et  le  substantif.  Le  lecteur  reste 
entièrement  en  doute,  si  ce  verbe  forme,  comme  verbe  fléchi, 
la  liaison  entre  le  sujet  et  l'attribut,  ou  s'il  faut  le  regarder 
comme  l'attribut,  et  sous-entendre  le  verbe  substantif.  Plus  on 
se  pénètre  du  caractère  des  phrases  chinoises,  plus  on  incline  à 
cette  dernière  opinion.  A  peine  même  a-t-on  besoin  de  sous-en- 
tendre ce  verbe;  on  peut  regarder  souvent  la  proposition,  à 
l'instar  d'une  équation  mathématique,  simplement  comme 
renonciation  de  la  convenance  on  de  la  disconvenance  du 
sujet  avec  l'attribut. 

Il  es  vrai  qu'il  existe  une  autre  circonstance  qui  fait 
aussi  reconnaître  le  verbe  dans  la  construction  chinoise.  Le 
chinois  range  les  mots  des  phrases  dans  un  ordre  déterminé, 
et  la  distinction  fondamentale  sur  laquelle  repose  cet  ordre,  con- 


310 

siste  en  ce  que  les  mots  qui  en  déterminent  d'autres,  précèdent 
ces  derniers,  tandis  que  les  mots  sur  lesquels  d'autres  se  dirigent 
comme  sur  leur  objet,  suivent  ceux  dont  ils  dépendent.  Or, 
il  est  dans  la  nature  des  verbes ,  en  tant  qu'ils  expriment 
l'idée  d'une  action,  d'avoir  un  objet  sur  lequel  ils  se  dirigent, 
tandis  qu'il  est  de  la  nature  des  noms,  comme  désignant  des 
choses  (qualités  ou  substances),  d'être  déterminés,  dans  l'éten- 
due qu'on  veut  leur  assigner.  On  reconnaît  donc  en  chinois 
les  noms  à  cette  circonstance,  qu'ils  sont  précédés  par  leurs 
determinatus,  et  les  verbes,  à  cette  autre,  qu'ils  sont  suivis 
par  leur  régime;  et  dans  un  grand  nombre  de  phrases  chi- 
noises on  passe  du  mot  déterminant  au  mot  déterminé,  jus- 
qu'au point  où  cet  ordre  devient  inverse  en  conduisant  du 
mot  qui  régit  à  celui  qui  est  régi,  ou,  ce  qui  revient  au 
même,  du  mot  déterminant  au  mot  déterminé.  Le  mot  qui 
occupe  cette  place,  l'ait  les  fonctions  du  verbe  en  chinois, 
et  constitue  l'unité  de  la  proposition.  C'est  ainsi  que  toéï  l) 
et  isai 2)  peuvent  grammaticalement  être  regardés  comme 
les  liens  de  l'attribut  au  sujet. 

Mais  on  chercherait  en  vain  dans  cette  méthode  d'in- 
diquer la  liaison  des  mots,  la  véritable  idée  du  verbe  fléchi. 
La  circonstance  qui  consiste  à  placer  le  complément  après 
l'idée  verbale,  est  aussi  commune  à  l'infinitif  et  au  participe. 
Le  substantif  même  pourrait  être  construit  ainsi,  si  la  plu- 
part des  langues  n'avaient  la  coutume  d'employer  dans  ces 
cas  l'intermédiaire  d'une  préposition.  D'un  autre  côté,  le 
verbe  chinois  est  bien  souvent  aussi  déterminé  par  des  mots 
qui  le  précèdent.  Il  n'y  a  rien  là  qui  caractérise  rigoureu- 
sement sa  qualité  grammaticale. 

L'unité  même  de  la  phrase  n'est  pas  complètement  con- 
stituée par  ces  différens  arrangemens  des  mots,  et  l'on  reste 
souvent  en  doute    si   l'on   doit    regarder   une  série  de  mots 
')  Tchoûng  yoùng,  i>.  3'i,  I,   1.  )  lb.  p,  67,  XX,  '2. 


311 

comme  formant  une  ou  deux  propositions.  Dans  Ja  phrase 
que  je  viens  de  citer  ') ,  ne  pourrait-on  pas  regarder  aussi 
pou  comme  terminant  une  proposition,  et  traduire  regimen 
ordinanan  est,  ess t at  hi,  etc.?  Dans  la  phrase  ta  ko  tao 
rien  indique-t-il  qu'il  faille  la  traduire  en  deux  propositions, 
calde  ploravit,  dixit,  ou  dans  une,  calde  jdorando  dixit  (2)? 
Le  simple  sujet  d'une  proposition  semble  même  quelquefois 
être  énoncé  isolément,  et  non  lié  immédiatement  à  ce  qu'on 
nomme  verbe;  il  est  placé  là  comme  pour  être  pris  lui  seul 
en  considération.  On  le  trouve  souvent  séparé  du  reste  de 
la  phrase  par  un  signe  de  ponctuation,  et  même  le  verbe 
auquel  il  se  l'apporte  peut  encore  être  accompagné  d'un  pro- 
nom qui  le  représente.  Tout  cela  me  semble  prouver  que 
les  Chinois  ne  rangent  pas  leurs  mots  d'après  des  formes 
grammaticales  qui  assigneraient  des  limites  fixes  aux  diffé- 
rentes propositions,  mais  qu'ils  profèrent  chaque  mot,  comme 
pour  le  livrer  d'abord  isolément  à  la  réflexion,  en  entrecou- 
pant continuellement  leurs  phrases,  et  en  ne  liant  les  mots 
que  là  où  l'idée  l'exige  absolument.  Ils  indiquent  des  pauses 
movennant  certaines  particules  finales;  mais  ces  particules 
manquent  souvent  là  où  il  y  a  des  pauses  très-marquées. 
Si  je  ne  me  trompe  dans  cette  manière  d'envisager  la  con- 
struction chinoise,  ce  doute  que  j'exprimais,  si  les  phrases 
ci-dessus  citées  forment  une  ou  deux  propositions,  ne  doit 
pas  s'élever  dans  l'esprit  d'un  Chinois. 

Ne  croiriez-vous  pas  aussi,  monsieur,  que  notre  méthode 
de  ranger  toujours  les  mots  rigoureusement  sous  les  caté- 
gories grammaticales,  nous  force  souvent  à  regarder  comme 
une  même  proposition,  des  phrases  chinoises  qui  en  renfer- 
ment deux  ou  plusieurs?  Ne  devrait-on  pas  traduire,  par 
exemple,  la  phrase  citée  dans  votre  Grammaire 2)  d'après  le 

')  Tchoung-yoùng,  XX,  %. 
)  §.  159,  p.  67,  no  159. 


312 

génie  de  la  langue  chinoise.  Il  dispose  de  l'empire  {utitur, 
par  l'analogie  de  l'exemple  du  no  252);  il  en  pourvoit 
V homme?  La  particule  }  peut  presque  toujours  se  traduire 
ainsi;  et  sô  l3  que,  d'après  nos  idées,  nous  regardons  comme 
une  conjonction,  forme,  à  ce  qu'il  me  semble,  une  proposi- 
tion incidente,  qui  se  place  souvent  immédiatement  après  le 
sujet l). 

Les  prépositions  qui  marquent  le  terme  d'une  action 
dont  vous  parlez,  monsieur,  aux  Nos  84—91  de  votre  Gram- 
maire) renferment,  presque  sans  aucune  exception,  originai- 
rement, une  idée  verbale.  Cela  n'indiquerait-il  pas  clairement 
la  marche  de  la  construction  chinoise?  On  exprime  une  idée 
verbale,  et  la  proposition,  d'après  nos  idées,  est  terminée  là; 
on  ajoute,  immédiatement  après,  une  autre  idée  verbale  (ex- 
primant généralement  un  mouvement,  une  direction,  et  pas- 
sant insensiblement  en  préposition),  et  on  la  fait  suivre  de 
son  complément,  c'est-ù-dire  qu'on  commence  une  seconde 
proposition  après  avoir  terminé  la  première.  Quelquefois  cet 
ordre  est  renversé.  Le  verbe  qui  tient  lieu  de  préposition, 
précède  avec  son  complément,  et  est  suivi  de  celui  dont, 
comme  préposition,  il  est  le  régime2).  Mais  la  construction 
reste  toujours,  même  dans  ce  cas,  grammaticalement  la 
même  (3). 

Les  idées  de  substantif  et  de  verbe  se  mêlent  et  se  con- 
fondent nécessairement  dans  les  phrases  chinoises;  la  même 
particule  sert  à  séparer,  comme  signe  du  génitif,  un  sub- 
stantif d'un  autre,  et  comme  particule  relative,  le  sujet  du 
verbe.  On  voit  par  cette  circonstance  seule  que  la  langue 
n'adopte  pas  la  méthode  de  nos  formes  grammaticales.  Dès 
qu'on  abandonne  la  rigueur  des  idées  grammaticales,  le  verbe, 


')  Tchoùng-yoûng,  p.  Ci,  XIX,  4. 
•)  Gr.  299. 


313 

surtout  à  l'infinitif,  peut  être  pris  comme  substantif,  et  il  y 
a  des  langues  qui,  pour  indiquer  les  personnes,  y  attachent 
les  pronoms  possessifs,  comme  les  pronoms  substantifs;  notre 
manger  est  à  peu  près  la  même  idée  que  nous  mangeons. 
En  chinois,  des  adjectifs  et  même  des  substantifs  ')  changent 
d'accent,  lorsqu'ils  passent  au  sens  verbal,  et  d'après  M.  Mor- 
rison (vol.  I,  Part.  I,  p.  6),  les  mots  usités  à  la  fois  comme 
noms  et  verbes,  ont,  lorsqu'ils  servent  de  verbes,  ordinaire- 
ment l'accent  appelé  lihiu  (4).  La  prononciation  anglaise2) 
établit  une  distinction  semblable  pour  les  mots  de  deux  syl- 
labes, employés  à  la  fois  comme  substantifs  et  comme  verbes. 
Mais  en  chinois  ce  changement  de  prononciation  ne  décide 
rien  sur  le  sens  grammatical.  Le  mot  ne  devient  pas  propre- 
ment un  verbe,  mais  prend  seulement  la  signification  ver- 
bale (5). 

Je  ne  puis,  à  cette  occasion,  me  dispenser  de  vous  adres- 
ser, monsieur,  une  question  sur  les  mots  tchoùng-goùng. 
Vous  le  traduisez  par  milieu  invariable,  medium  const  ans. 
Mais  regardez-vous  le  rapport  grammatical  de  ces  deux  mots 
comme  étant  le  même  que,  par  exemple,  celui  de  lai  /i/6? 
J'avoue  qu'il  me  paraît  différent.  Comme  adjectif,  yoùng 
devrait  précéder  tc/ioung.  Il  me  semble  qu'en  appliquant  nos 
idées,  goùng  est  un  infinitif  qui  est  précédé  en  guise  d'adverbe 
par  le  mot  qui  le  détermine,  medio  constare.  Vous  le  tra- 
duisez aussi  comme  verbe,  t.  p.  35,  II,  2:  parvi  homines 
medio  constant  (6). 

Cet  exemple  ne  prouverait-il  pas  de  nouveau  qu'il  ne 
faut  guère,  en  chinois,  élever  la  question  des  formes  gram- 
maticales? Ce  que  les  mots  tchoûng-yoùng  expriment  avec 
précision  et  clarté,   c'est  l'idée  de  perse cerer  (d'avoir  pour 


')  Gr.  55. 

J)  Walker's  Pronouncing  dictionary,  16  éd.,  j>.  71,  §.  492. 


314 

coutume)  dans  ce  qui  est  appelé  le  milieu.  Mais  s'il  faut 
attribuer  à  cette  idée  la  forme  du  verbe  fléchi,  ou  de  l'inii- 
nitif,  ou  d'un  substantif  verbal,  ou  d'un  autre  substantif-,  s'il 
faut  traduire  persévérant ,  perseverare _,  persévérât io  ou 
persévérant  ia:  c'est  là  ce  qui  reste  indécis,  et  ce  que  le 
génie  et  le  caractère  de  la  langue  chinoise  n'engagent  point 
à  demander.  Tout  ce  qu'on  peut  dire  grammaticalement, 
c'est  que  l'idée  plus  étendue  de  yoâng  est  circonscrite  par 
l'idée  de  tchoûng.  La  phrase  siaô  jin  tclii  tchoûng- young 
renferme  simplement  les  idées  vulgaire  et  persévérer  dans 
le  milieu;  elle  indique,  par  la  particule  tchî,  que  ce  sont 
deux  idées  qu'on  a  séparées  l'une  de  l'autre,  pour  pouvoir 
les  comparer  dans  leurs  différens  rapports.  Leur  convenance, 
la  qualité  affirmative  de  la  proposition,  résultent  de  l'absence 
dune  négation.  Voilà  à  quoi  la  langue  se  borne;  elle  ne 
détermine  rien  sur  la  forme  précise  de  l'expression  de  la 
phrase,  si  l'on  doit  regarder  yoùng,  ainsi  que  vous  l'avez 
fait,  comme  verbe  fléchi,  ou  s'il  faut  suppléer  après  tchi  le 
verbe  substantif,  ou  enfin  un  autre  verbe,  ainsi  que  vous 
l'observez,  monsieur,  dans  votre  note  sur  la  même  phrase, 
dans  un  autre  passage. 

Les  mots  ia  Id  tao }  ci -dessus  cités,  fournissent  une 
autre  preuve  bien  frappante  que  la  langue  chinoise,  en  in- 
diquant la  liaison  des  idées,  ne  précise  pas  pour  cela  la 
forme  de  l'expression,  qui  pourtant  rejaillit  nécessairement 
sur  l'idée  même.  Ces  mots  désignent  les  trois  idées  magnum, 
plorare,  diccre,  et  annoncent  que  de  grandes  lamentations 
ont  accompagné  ou  précédé  le  parler  de  quelqu'un.  Mais 
ils  laissent  indécis,  autant  que  je  puis  voir,  si  le  deuxième 
mot  doit  être  pris  comme  substantif,  ou  comme  verbe;  si 
les  deux  premiers  forment  une  proposition  à  eux  seuls,  ou 
se  rattachent  au  troisième;  si,  dans  ce  cas,  ils  renferment, 
comme    participe    accompagné    d'un    adverbe,    le    sujet    du 


315 

troisième,  ou  si,  en  forme  de  gérondif,  ils  en  expriment 
seulement  une  modification  de  manière  que  le  sujet  du  verbe 
reste  sous-entendu  (/)?  Il  faut  avouer  que  toutes  ces  nuances 
sont  assez  indifférentes,  et  qu'il  suffit  pour  le  sens  du  pas- 
sage que  l'individu  dont  il  y  est  question,  ait  pleuré  et  parlé, 
et  qu'il  ne  soit  pas  expressément  marqué  d'intervalle  entre 
ces  deux  actions.  En  traduisant  cette  phrase  en  latin,  on 
peut  la  rendre  de  quatre  différentes  manières: 
Valde  ploravit,  dixit; 

-  -     plorans      -  - 

-  -    plorando    -  - 
cum  magno  ploraUi    - 

Chacune  de  ces  quatre  phrases  représente  l'objet  d'une  ma- 
nière différente,  et  attache  une  nuance  particulière  à  l'idée; 
un  bon  écrivain  ne  les  emploierait  pas  indifféremment  (S). 
Il  faut,  en  traduisant,  en  choisir  une,  et  nuancer  l'expression 
plus  qu'elle  ne  l'est  dans  le  texte  chinois,  et  plus  que  l'idée 
seule  ne  l'exigerait. 

On  pourrait  faire  ici  l'objection  que  de  semblables  phrases 
ne  se  présentent  à  l'esprit  d'un  Chinois  que  sous  une  des 
tonnes  possibles  qu'elles  semblent  admettre,  et  que  l'usage 
de  la  langue  donne  le  tact  nécessaire  pour  saisir  cette  forme 
précise.  Mais  il  est  toujours  de  fait  que  les  mots  chinois  ne 
renferment  aucune  marque  qui  force  ou  qui  autorise  à  les 
prendre  plutôt  sous  cette  forme  que  sous  une  des  autres 
formes  indiquées,  et  l'on  peut  poser  en  principe  que,  dès 
qu'un  rapport  grammatical  frappe  vivement  l'esprit  d'une  na- 
tion, ce  rapport  trouve  une  expression  quelconque  dans  la 
langue  que  parle  cette  même  nation.  Ce  que  l'homme  con- 
çoit avec  vivacité  et  clarté  dans  la  pensée,  il  l'exprime  in- 
failliblement dans  son  langage.  On  peut  également  retourner 
ce  principe,  et  dire:  si  un  rapport  grammatical  ne  trouve  pas 
d'expression  dans  une  langue,  il  ne  frappe  pas  vivement  la 


316 

nation  qui  la  parle,  et  n'en  est  pas  senti  avec  clarté  et  pré- 
cision. Car  toute  l'opération  da  langage  consiste  à  donner 
du  corps  à  la  pensée;  à  en  arrêter  le  vague  par  l'impres- 
sion fixe  que  laissent  les  sons  articulés;  à  forcer  l'esprit  de 
dérouler  l'ensemble  de  la  pensée  dans  des  paroles  qui  se 
succèdent.  Tout  ce  que,  dans  l'esprit,  on  veut  élever  à  la 
clarté  et  la  précision  que  les  langues  répandent  sur  les  idées, 
doit,  par  cette  raison,  y  être  marqué,  ou  y  trouver  au  moins 
en  quelque  façon,  un  signe  qui  le  représente. 

Les  deux  moyens  ({lie  la  langue  chinoise  emploie  pour 
indiquer  la  liaison  des  mots,  ses  particules  et  la  position  des 
mots,  ne  me  semblent  pas  non  plus  avoir  pour  but  de  mar- 
quer les  formes  grammaticales,  mais  de  guider  d'une  autre 
manière  dans  l'intelligence  de  la  tournure  des  phrases. 

Je  commence,  pour  prouver  la  première  partie  de  cette 
assertion,  par  l'examen  de  la  particule  qui  semble  s'appro- 
cher le  plus  de  ce  que,  dans  nos  langues,  nous  nommons 
suffixe  ou  flexion.  La  particule  tc/ii  paraît,  dans  un  grand 
nombre  de  phrases,  être  un  simple  exposant  du  génitif,  et 
équivaloir  par  là  aux  prépositions  de,  of,  von,  des  langues 
française,  anglaise  et  allemande.  Mais  lorsqu'on  considère 
que  cette  même  particule,  là  où  elle  fait  les  fonctions  de 
particule  relative  (en  unissant,  par  exemple,  le  sujet  de  la 
proposition  au  verbe),  devient  l'exposant  du  nominatif,  et 
que  là  où  elle  suit  le  verbe  l)  comme  son  complément,  elle 
se  trouve  à  l'accusatif  (9);  on  voit  bien  que  ce  n'est  pas 
dans  le  sens  adopté  dans  d'autres  langues  qu'on  lui  donne 
Je  nom  d'exposant  du  génitif,  et  qu'elle  ne  peut  point  être 
mise  sur  la  même  ligne  avec  les  prépositions  ci-dessus  citées. 
C'est  aussi  là  précisément  l'idée  que  vous  en  donnez,  mon- 
sieur, au  No  82  de  votre  Grammaire. 

')  Gr.  no  134. 


317 

Le  génitif  peut  se  passer  de  cette  particule,  même  lors- 
que deux  génitifs,  dépendant  l'un  de  lautre,  pourraient  faci- 
lement prêter  à  l'amphibologie1),  et  la  particule  s'emploie 
dans  beaucoup  de  cas  où  il  n'est  pas  question  de  génitif. 
Elle  unit  le  sujet  de  la  proposition  au  verbe,  le  verbe  sub- 
stantif2) et  d'autres  neutres  ou  passifs  à  l'attribut 3)  'ivei  ichl 
ichoung  (10),  ce  qui  est  l'inverse  de  la  phrase  ordinaire 
tchi  'ivei;  le  substantif  à  l'adjectif,  en  prenant  la  place  du 
verbe  substantif4);  ou  l'adjectif5),  ou  le  substantif  la  pré- 
cède; elle  forme  des  adjectifs6);  fait  les  fonctions  d'article 
déterminatif  ou  partitif7);  devient  synonyme  du  pronom  re- 
latif8); mais  ne  peut  jamais  être  nommée  purement  exple- 
tive y). 

Je  la  trouve  aussi  entre  la  négation  mou  et  le  verbe, 
et  désirerais  bien  apprendre,  monsieur,  si  la  même  chose 
peut  avoir  lieu  avec  d'autres  particules  négatives,  ou  si  mon 
fait  exception,  puisqu'il  faut  le  regarder10)  comme  un  sub- 
stantif sujet  du  verbe  (11)? 

J'ai  déjà  remarqué  que  le  nominatif,  sujet  du  verbe,  et 
le  génitif,  quelque  singulier  que  cela  paraisse,  ne  diffèrent 
pas  tellement  dans  leurs  fonctions,  qu'ils  ne  puissent  quel- 
quefois se  confondre.  Cela  peut  arriver  en  chinois,  lorsque 
la  construction  et  la  signification  du  mot  qui  suit  la  parti- 
cule le/il  permet  de  le  prendre  comme  verbe  ou  comme 
substantif.  Je  citerais  comme  exemples  de  tels  passages, 
ceux  qui  sont  allégués  au  no  119  et  87  de  votre  grammaire, 
monsieur.  On  pourrait  traduire  le  premier  non  cupio  homi- 
num  adf/ere  (additionem)  ad  me,  et  dans  le  second,   on 


')  Gr.  346,  ex.  2.  ')  Ib.  no  137,  ex.  2.  3)  Tchoûng-yoûng, 

p.  32,  I,  4.       *)  Gr.  no  315.       •'■)  Tchoimg-yoùng,  p.  47,  XII,  2. 
6)  Gr.  no  19j.  ')  Ib.  no  190.  8)  Ib.  no  192. 

')  Ib.  p.  80,  no  I.  in)  Ib.  no  271. 


318 

pourrait  regarder  la  phrase  du  commencement  comme  pla- 
cée au  génitif,  et  changer  vocal ur  en  nomen.  En  grec,  où 
l'infinitif  se  transforme  sans  difficulté  en  substantif,  ces  deux 
traductions  ne  rencontreraient  guère  d'obstacle.  La  même 
chose  est  encore  plus  évidente,  lorsque  tchi  sert  à  lier  le 
substantif  avec  l'adjectif;  si  ce  dernier  précède,  il  peut  être 
pris  comme  placé  au  génitif  du  pluriel1).  (Studio  nains 
deb'tlium  marcidorum  sum,  id  est  homo.)  Si  le  substantif 
commence  la  phrase,  l'adjectif  doit  être  pris  dans  le  sens 
substantif,  et  th'tan  il  tchi  ta,  pris  en  lui-même,  se  traduit 
tout  aussi  coelam  terraque  magna2),  que  coell  ferraequc 
magtùiado.  Le  contexte  du  passage  entier  décide  seul  entre 
ces  deux  manières  de  rendre  la  phrase. 

La  raison  de  ce  que  j'avance  ici  est  claire:  les  deux 
cas  où  le  génitif  est  placé  avant  le  mot  duquel  il  dépend, 
et  où  le  nominatif  précède  le  verbe,  ont  cela  de  commun, 
que  le  premier  des  deux  mots  détermine  l'idée  du  second; 
leur  différence  ne  consiste  que  dans  la  forme  grammaticale 
qu'on  donne  à  ce  dernier.  Une  langue  qui,  ainsi  que  la  chi- 
noise, n'a  point  égard  aux  formes  grammaticales,  mais  qui 
borne  sa  grammaire  à  bien  distinguer  l'idée  déterminante  de 
l'idée  déterminée,  peut  donc  facilement  traiter  ces  deux  cas 
de  la  même  manière. 

La  véritable  fonction  de  la  particule  tchi  est  celle  que 
vous  lui  attribuez,  monsieur3),  d'éviter  une  amphibologie,  en 
marquant  mieux  le  rapport  qui  existe  entre  les  mots  qu'elle 
réunit. 

Si  la  définition  de  cette  particule  devait  encore  être 
rendue  plus  précise,  j'y  ajouterais  qu'elle  doit  fixer  l'atten- 
tion de  celui  qui  écoule,  sur  les  mots  qui  la  précèdent,  en 


')  Gr.  3)5.  ')  Tchoung-yoùng,  ]>.  47,  XII,  '2. 

')  Gr.  p.  80,  no  1. 


319 

signe  que  ces  mots,  pris  à  part,  doivent  être  mis  en  rapport 
avec  ce  qui  suit.  En  moine  lems  que  la  particule  tclû  réu- 
nit, elle  sépare  aussi,  à  ce  qu'il  me  semble,  et  pourrait  en- 
core nommée  separative.  Car,  si  je  ne  me  trompe,  son  effet, 
lorsqu'elle  marque  le  génitif,  est  aussi  d'empêcher  qu'on  ne 
regarde  les  substantifs  qui  se  suivent,  comme  placés  dans  le 
même  cas  en  opposition,  et  lorsqu'elle  désigne  le  sujet  du 
verbe,  d'empêcher  qu'on  ne  prenne  ce  sujet  pour  une  ex- 
pression purement  modificative  ou  un  adverbe.  L'idée  prend 
là  où  tchi  est  employé,  une  direction  différente,  mais  inti- 
mement liée  à  celle  qu'on  a  suivie  jusque  là. 

Si  l'on  remonte  à  l'origine  de  ichi,  je  vois  par  ce  que 
vous  en  dites,  monsieur,  que  ce  mot  signifie  bourgeon,  qu'il 
a  le  sens  verbal  de  passer  d'un  lieu  dans  un  attire,  et 
qu'il  est  employé  comme  adjectif  ou  pronom  démonstratif1). 

Le  premier  de  ces  trois  emplois  répond  entièrement  à 
l'idée  du  génitif;  le  deuxième  donne  à  la  particule  un  sens 
plus  étendu;  mais  il  n'y  a,  ce  me  semble,  que  le  troisième 
au  moyen  duquel  on  puisse  expliquer  toutes  les  différentes 
manières  de  s'en  servir. 

Lorsque  tchi  sert  de  complément  au  verbe,  son  sens 
pronominal  est  évident  -).  Dans  le  premier  exemple  du 
No  223  de  votre  Grammaire  ,  monsieur,  ce  complément 
semble  se  trouver  devant  le  verbe.  Mais  il  me  semble  que 
Ichi,  dans  ce  passage,  doit  être  pris  au  contraire  comme 
sujet  de  la  proposition.  Trois  determinant's  se  suivent  immé- 
diatement, et  le  complément  du  verbe  doit  être  sous-entendu. 
Cela,  ceci,  cela  même,  je  le  disais.  Tchi  est  encore  pronom 
dans  cette  phrase,  où  il  forme  à  lui  seul  le  sujet  du  verbe3). 
Dans  les  cas  où  il  unit,  comme  génitif,  le  terme  antécédent 
et  le  terme  conséquent,  où  il  se  place  entre  le  verbe  et  son 

')  Gr.  189.  *)  Ib.  no.  134.  3)  Ib.  491 1 


320 

sujet,  el  surtout  où  il  fait  les  fonctions  d'article,  je  l'explique 
de  la  même  manière.  On  énonce  un  objet;  pour  y  fixer 
davantage  l'attention,  on  y  ajoule  cela!  et  ayant  placé  ce 
mot  comme  une  pierre  d'attente,  on  continue  à  exprimer 
l'idée  qui  doit  s'y  lier.  La  particule  indique  ainsi  quels  sont 
les  mots  qui,  ayant  été  séparés  sous  un  certain  rapport, 
doivent  être  liés  ensemble  sous  un  autre;  Mais  elle  ne  dé- 
termine point  le  genre  de  cette  liaison,  ou  ne  la  détermine 
pas,  au  moins,  d'après  les  idées  que  nous  avons  des  formes 
grammaticales. 

Si  Ichi  n'était  pas  proprement  un  pronom;  il  serait  dif- 
ficile de  concevoir  comment  il  pourrait  se  prendre  pour  Ichc 
qui  en  est  évidemment  un  ').  En  comparant  ces  deux  déter- 
minatifs  ensemble,  la  nature  démonstrative  du  premier,  et  la 
nature  conjonctive  ou  relative  du  second  devient  évidente. 
Là  où  le  but  du  pronom  est  simplement  de  rappeler  un 
objet  déjà  énoncé,  on  peut  également  bien  employer  le  dé- 
monstratif {vet  er  es,  ht)  et  le  relatif,  en  y  sous-entendant  le 
verbe  substantif  {veteres  qui  sunt).  Mais  lorsque  le  pronom 
est  le  complément  d'un  verbe,  sans  être  suivi  d'une  autre 
idée  qui  en  dépende,  le  démonstratif  seul  est  à  sa  place,  et 
c'est  là  précisément  que  Ichi  est  employé  exclusivement. 
Par  celte  même  raison  Ichi  a  un  sens  restrictif2).  Tchè  em- 
brasse tout  Tétendiie  de  l'idée,  ichi  la  détermine  davantage. 

Dans  le  style  moderne  La  liaison  grammaticale  des  idées 
paraît  être  la  même,  quoiqu'exprimée  avec  un  mot  différent. 
Celui  qui  y  désigne  le  génitif,  1i,  se  prend  aussi  pour  le 
pronom  relatif,  mais  il  ne  sert  pas  de  complément  au  verbe, 
et  porte  par  là  moins  évidemment  le  caractère  pronominal. 
Vous  ne  dites  pas  précisément,  monsieur,  dans  votre  gram- 
maire, si  ti  se  place  aussi,  ainsi  que  tchi,  entre  Je  sujet  de 


')  Gr.  no*  192,  145.  3)  Gr.  J  93,  195. 


321 

la  proposition  et  le  verbe  (12).  Mais  dans  la  phrase  ngô  eu 
Iny  lày  ti  tching  hào,  mon  enfant,  ion  arrivée  est  à  pro- 
pos, et  agréable,  je  le  trouve  employé  exactement  comme 
tchî,  dans  l'exemple  (pie  vous  citez  au  No  315  de  votre 
grammaire. 

Si  j'ai  réussi  à  me  rendre  compte  exactement  des  dif- 
férentes acceptions  de  tclil,  on  pourrait  les  réduire  aux  trois 
suivantes: 

1.  Le  sens  verbal  de  passer.  C'est  peut-être  à  cause 
de  cette  acception  que  tchî  signifie  pour,  à  l'égard  de1). 
Dans  deux  autres  exemples 2)  ce  sens  paraît  résulter  du 
contexte,  et  la  particule  semble  conserver  son  emploi  gram- 
matical ordinaire. 

2.  Le  sens  d'un  pronom  démonstratif,  lorsque  tchî  est 
complément,  ou  bien  seul  sujet  du  verbe. 

3.  Cette  même  signification  pronominale,  mais  employée 
de  manière  que  tchî  devient  vraiment  une  particule,  un  mot 
vide,  ou  grammatical. 

Si  ensuite,  et  c'est  là  pourquoi  j'ai  cru  devoir  entrer 
dans  cet  examen  détaillé,  on  se  demande  à  quelle  classe  de 
mots  grammaticaux  appartient  tchî,  il  ne  faut  point,  selon 
mon  opinion,  le  ranger  parmi  ceux  qui  sont  les  exposans 
des  catégories  grammaticales  des  mots,  mais  parmi  ceux  qui 
marquent,  dans  la  construction,  le  passage  d'une  idée  à  une 
autre.  On  pourrait  peut-être  distinguer  ces  deux  classes  par 
les  noms  de  mots  grammaticaux  étymologiques  et  syn- 
tactiques. 

La  particule  yè  est  de  la  même  classe  que  tchî;  elle 
marque  également  la  suspension,  tient  lieu  du  verbe  sub- 
stantif, ou  peut  être  regardée,  ainsi  que  vous  l'avez  repré- 
senté, monsieur,  dans  votre  dissertation  sur  la  nature  mono- 


')  Ib.  187.  *)  Ih.  123,  162. 

vu.  21 


322 

syllabique  du  chinois1),  comme  un  affixe  du  nominatif,  qui 
renforce  le  pronom  relatif. 

J'oserais  dire,  monsieur,  que  dans  le  mémoire  que  je 
viens  de  citer,  vous  semblez  assimiler  la  grammaire  chinoise 
beaucoup  plus  à  celle  des  autres  langues  que  vous  ne  le 
faites,  à  ce  qu'il  me  semble  au  moins,  dans  vos  Elémens  (13). 
Dans  ces  derniers,  vous  ne  suivez  cette  méthode  qu'autant 
que  le  but  d'enseigner  le  chinois  et  de  le  mettre,  pour  cet 
effet,  en  rapport  avec  les  idées  grammaticales  des  lecteurs, 
le  rend  absolument  nécessaire.  Votre  Grammaire  est  réelle- 
ment, ainsi  que  la  nature  de  la  langue  l'exige,  plutôt  un  traité 
de  syntaxe  chinoise,  soumis  à  la  division  que  nous  suppo- 
sons dans  toute  grammaire  d'une  langue  quelconque,  et 
l'excellent  résumé  de  la  phraséologie,  comparé  au  corps  de 
l'ouvrage,  met  tout  lecteur  un  peu  exercé  à  juger  du  génie 
particulier  des  langues  parfaitement  sur  la  voie  et  en  état 
de  ne  pas  pouvoir  se  méprendre  sur  celui  de  la  langue  chi- 
noise. Je  crois  avoir  puisé  l'idée  de  l'absence  des  formes 
grammaticales  en  chinois,  dans  l'étude  approfondie  de  vos 
Elémens,  et  pour  cela  même,  je  ne  crains  presque  pas,  mon- 
sieur, de  rencontrer  en  vous  un  adversaire  de  cette  opinion. 

Les  particules  finales,  pour  revenir  à  mon  sujet,  appar- 
tiennent entièrement  à  la  partie  de  la  grammaire  qui  déter- 
mine la  forme  des  phrases. 

Les  prépositions  ne  peuvent  pas,  comme  dans  d'autres 
langues,  être  prises  pour  des  exposans  des  cas  des  mots, 
puisque  les  mots  qui  dépendent  d'elles  ne  souffrent  aucune 
altération,  qu'elles  gardent  elles-mêmes  la  construction  que 
leur  assigne  leur  signification  primitive,  et  que  le  seul  chan- 
gement qu'elles  éprouvent  en  passant  à  l'état  de  préposi- 
tions, est  la  généralisation  de  l'idée  primitive. 


')  Fundgruben  des  Orients,  III,  283. 


323 

On  peut  dire  la  même  chose  des  marques  des  tems 
dans  les  verbes.  Elles  désignent  beaucoup  plutôt  des  idées, 
à  l'instar  de  tout  autre  mot  plein,  qu'elles  n'indiquent  gram- 
maticalement le  rapport  du  tems.  Elles  ont  tellement  loin 
de  faire  partie  du  verbe,  que  vous  observez,  monsieur,  que, 
même  dans  le  style  moderne,  leur  emploi  est  peu  fréquent  *). 
On  n'y  découvre  pas  même  une  tendance  à  s'amalgamer  avec 
le  verbe  (14),  car  il  y  en  a  qui  peuvent  à  volonté  le  précé- 
der ou  le  suivre,  et  d'autres  qui  peuvent  en  être  séparées 
par  d'autres  mots.  Elles  accompagnent  le  verbe  également, 
et  sans  altérer  le  moins  du  monde  leur  forme,  là  où  il  est 
verbe  fléchi,  et  là  où  il  se  trouve  à  l'infinitif.  Le  passage 
cité  No  370  de  votre  grammaire  en  fournit  un  exemple  frap- 
pant, qui  prouve  aussi  en  général  que  les  phrases  chinoises 
ont  un  sens  clairement  et  précisément  exprimé,  dès  qu'on 
se  borne  à  examiner  de  quelle  manière  une  idée  est  déter- 
minée par  l'autre,  mais  qu'on  est  livré  à  l'incertitude  sur  la 
forme  de  l'expression,  dès  qu'on  veut  ranger  les  mots  selon 
les  idées  des  catégories  grammaticales.  La  seconde  propo- 
sition de  ce  passage  est  déterminée  par  le  mot  cht  qui  ter- 
mine la  première,  et  celui-ci  l'est  à  son  tour  par  ceux  qui 
le  précèdent  et  qui  expriment  une  action.  Rien  ne  saurait 
être  plus  clair  et  plus  précis.  Mais  faut-il  regarder  l'expres- 
sion de  cette  action  comme  celle  d'un  fait;  femme  tu  as 
préparé,  y  joindre,  après  une  pause,  l'idée  du  tems  rappor- 
tée à  ce  fait?  ou  faut-il  prendre  cht  pour  une  conjonction, 
et  en  faire  régir  le  verbe,  comme  verbe  fléchi?  ou  ce  verbe 
est-il  à  l'infinitif,  et  précède-t-il  comme  le  génitif  du  géron- 
dif le  substantif  cht,  de  manière  que  le  pronom  personnel 
devienne  possessif?  Voilà  les  questions  auxquelles  on  cherche 
en  vain  la  réponse  dans  la  phrase,  et  qu'un  Chinois,  selon 

')  Gr.  no  351. 

21* 


324 

mon  opinion,  ne  serait  pas  même  porté  à  élever.  Ce  qui  est 
encore  remarquable,  c'est  qu'il  y  est  question  du  prétérit 
d'une  action  future,  mais  que  le  futur  n'y  est  nullement  ex- 
primé. Si  celui  qui  parle  avait  voulu  dire  que,  lorsque  la 
dame  dont  il  y  est  question,  eut  achevé  de  tout  préparer, 
il  lui  eût  renouvelé  ses  remercimens,  il  me  semble  qu'il 
aurait  pu  lui  adresser  les  mêmes  paroles  (15). 

Il  me  parait  résulter  de  ce  que  je  viens  de  dire,  que, 
sous  le  rapport  des  mots  vides,  la  langue  chinoise  diffère 
aussi  des  autres  langues.  Ces  dernières  suppléent  par  ces 
mots  au  manque  de  flexions;  dans  plusieurs,  les  mots  vides 
tendent  visiblement  à  faire  partie  des  mots  pleins  auxquels 
ils  appartiennent,  à  s'amalgamer  avec  eux,  à  devenir  flexions. 
Il  y  a  même  bien  peu  de  ces  langues  qui  n'offrissent  un  ou 
plusieurs  exemples  de  flexions  véritables  ou  apparentes.  Les 
mots  vides  des  Chinois  n'ont  point  pour  but  d'indiquer  les 
catégories  grammaticales,  mais  ils  indiquent  le  passage  d'une 
partie  de  la  pensée  à  l'autre,  et  s'adaptent,  si  l'on  veut  ab- 
solument les  regarder  du  point  de  vue  de  ces  catégories,  à 
plusieurs  d'entr'elles.  Au  reste,  beaucoup  de  ces  mots  vides 
conservent  encore  si  évidemment  leur  acception  primitive, 
qu'on  les  comprend  souvent  mieux  en  les  regardant  comme 
des  mots  pleins,  ainsi  que  j'ai  taché  de  le  faire  voir  de  h 
Vous  traduisez,  monsieur,  l  et  yeou l)  par  adhibere  et  pro- 
venire,  dans  un  passage  où  ces  deux  particules  sont  précé- 
dées de  so,  qui  forme  leur  complément.  Une  construction 
semblable,  mais  plus  remarquable  encore,  à  ce  qu'il  me  pa- 
raît, se  trouve  dans  le  Tchoûny-yoûng2);  i  est  précédé, 
dans  ce  passage ,  de  so  ,  et  suivi  de  sieoà  chin.  Il  a  donc 
deux  complémens,  l'un  dans  son  sens  verbal,  l'autre  dans 
son  emploi  comme  particule.  On  peut  cependant  le  regarder 

*)  Gr.  no  146.  ')  P.  72;  XX,  11. 


325 

aussi  comme  verbe  par  rapport  à  ce  dernier;  car  on  pour- 
rait traduire  coynoscit  (seit  id)  quo  (per  quod)  Iraelamus 
to  instaurare  vel  colère  corpus. 

Ce  que  je  viens  de  dire  des  mots  grammaticaux  de  la 
langue  chinoise,  qu'ils  n'indiquent  pas  proprement  les  formes 
grammaticales  des  mots,  peut  également,  à  ce  qu'il  me  semble, 
se  dire  de  l'emploi  que  cette  langue  fait  de  la  position  des 
mots.  En  fixant  par  les  lois  grammaticales  l'ordre  des  mots, 
on  marque  les  parties  constitutives  de  la  pensée;  mais  dé- 
nuée d'autres  secours,  la  position  seule  est  hors  d'état  de 
les  marquer  toutes.  Elle  laisse  du  vague  là  où  des  mots  de 
différentes  catégories  grammaticales  pourraient  former  une 
de  ces  parties.  Aussi  les  langues  joignent-elles  pour  la  plu- 
part l'emploi  de  la  position  à  celui  des  flexions  ou  de  mots 
grammaticaux.  Cela  arrive  même  dans  des  idiomes  qui  n'ont 
point  atteint  un  haut  degré  de  perfection,  comme  dans  le 
péruvien,  qui  assujétit  la  position  des  mots  à  des  lois  très- 
rigoureuses.  Vous  observez,  monsieur,  la  même  chose  de  la 
langue  des  Tartares  Mandchous,  qui  possède  aussi  des  formes 
grammaticales.  Le  chinois  manquant  de  flexions,  et  usant 
très -imparfaitement  de  mots  grammaticaux,  s'en  remet  le 
plus  souvent  à  la  position  seule  pour  l'intelligence  de  ses 
phrases. 

Sans  flexions,  ou  sans  quelque  chose  qui  en  tienne  lieu, 
on  manque  souvent  du  point  fixe  qu'il  faut  avoir  pour  ap- 
pliquer les  règles  de  la  position.  On  peut  dire  avec  certi- 
tude que  le  sujet  précède  le  verbe,  et  que  le  complément 
le  suit  ;  mais  la  position  seule  ne  fournit  aucun  moyen  pour 
reconnaître  le  verbe,  ce  premier  chaînon  auquel  on  doit  rat- 
tacher les  autres.  Les  règles  grammaticales  ne  suffisant  pas 
dans  ce  cas,  il  ne  reste  d'autre  moyen  que  de  recourir  à  la 
signification  des  mots  et  au  sens  du  contexte. 

Sans  ce  moyen  la  position  seule  des  mots  est  rarement 


326 

un  guide  sur  pour  l'intelligence  des  livres  chinois.  Le  verbe, 
par  exemple,  est  précédé  du  mot  qui  en  forme  le  sujet,  mais 
il  peut  aussi  l'être  d'un  adverbe  et  d'expressions  modifica- 
tives.  Dans  le  deuxième  exemple  du  No  177  de  votre  Gram- 
maire, monsieur,  on  ignore,  avant  que  de  connaître  la  signi- 
fication du  mot,  si  hou  appartient  encore  au  sujet  du  verbe, 
ou  s'il  accompagne  ce  dernier  comme  adverbe.  Les  phrases 

thsin  thsin  (Tchoùng-yoûny,  p.  68,  XX,  5.) 

hhl  'we'i  (Tchoûny-yoùny3  p.  75,  XX,  14.) 

ihkm-hia  houe  hià  (Tchoûny-yoûny,  72,  XX,  11.) 

ta  tchhin  (Tchoûny-yoâny,  ibid,  12.) 

jeoà  youàn  jin  (ibid.) 
sont  toutes  ou  sujets  ou  complémens  d'un  verbe.  Mais  elles 
diffèrent  toutes  dans  leurs  rapports  grammaticaux,  et  quoi- 
que ces  rapports  y  fixent  l'ordre  des  mots,  ils  n'y  sont  re- 
connaissables  qu'à  la  signification  et  au  sens  du  contexte. 
Les  mots  placés  à  la  tête  de  ces  phrases  appartiennent  à 
des  catégories  grammaticales  différentes,  que  les  règles  de 
la  position,  qui  les  traitent  toutes  de  la  même  manière,  n'ont 
pas  le  moyen  dïndiquer. 

Si  l'on  considère  attentivement  la  phraséologie  chinoise 
dont  vous  avez  donné,  monsieur,  dans  votre  Grammaire,  un 
résumé  à  la  fois  lumineux  et  concis,  la  position  des  mots 
ne  marque  point  proprement  les  formes  grammaticales  des 
mots,  mais  se  borne  à  indiquer  quel  est  le  mot  de  la  phrase 
qui  en  détermine  un  autre.  Cette  détermination  est  consi- 
dérée sous  deux  points  de  vue,  sous  celui  de  la  restriction 
de  l'idée  d'une  plus  grande  étendue  à  une  plus  petite,  et 
sous  celui  de  la  direction  d'une  idée  sur  une  autre,  comme 
sur  son  objet.  De  là  dérivent  les  deux  grandes  lois  de  la 
construction  chinoise  auxquelles,  à  parler  rigoureusement,  se 
réduit  toute  la  grammaire  de  la  langue. 

Dans  toutes  les  langues,  une  partie  de  la  grammaire  est 


327 

explicite,  marquée  par  des  signes  ou  par  des  règles  gram 
maticales,  et  une  autre  sous-entendue,  est  supposée  conçue 
sans  ce  secours. 

Dans  la  langue  chinoise,  la  grammaire  explicite  est  dans 
un  rapport  infiniment  petit,  comparativement  à  la  grammaire 
sous-entendue. 

Dans  toutes  les  langues,  le  sens  du  contexte  doit  plus 
ou  moins  venir  à  l'appui  de  la  grammaire. 

Dans  la  langue  chinoise,  Je  sens  du  contexte  est  la  base 
de  l'intelligence,  et  la  construction  grammaticale  doit  sou- 
vent en  être  déduite.  Le  verbe  même  n'est  reconnaissable 
qu'à  son  sens  verbal.  La  méthode  usitée  dans  les  langues 
classiques,  de  faire  précéder  du  travail  grammatical  et  de 
l'examen  de  la  construction,  la  recherche  des  mots  dans  le 
dictionnaire,  n'est  jamais  applicable  à  la  langue  chinoise. 
C'est  toujours  par  la  signification  des  mots  qu'il  faut  y  com- 
mencer. 

Mais  dès  que  cette  signification  est  bien  établie,  les 
phrases  chinoises  ne  prêtent  plus  à  l'amphibologie.  Même, 
d'après  le  peu  d'étude  que  j'ai  fait  jusqu'ici  du  chinois,  je 
vois  avec  combien  de  justesse  vous  avez  rectifié,  monsieur, 
dans  votre  analyse  beaucoup  trop  flatteuse  d'un  de  mes  mé- 
moires académiques,  un  jugement  précipité  que  j'y  avais 
porté  sur  cette  langue;  mais  il  est  sûr  que,  plus  que  dans 
tout  autre,  le  secours  le  plus  essentiel  pour  l'intelligence  se 
trouve  dans  J es  dictionnaires,  tant  pour  fixer  l'usage  des  mois 
qui  peuvent  avoir  une  acception  verbale  et  substantive  à  la 
fois,  que,  surtout,  pour  les  phrases  habituelles  sur  lesquelles 
je  reviendrai  bientôt. 

La  grammaire  chinoise  a  pu  adopter  cette  forme,  puis- 
que la  coupe  des  phrases  chinoises  n'en  exige  pas  une  plus 
rigoureuse  ni  plus  variée,  et  la  coupe  des  phrases  est  restée 
telle,  parce  qu'une  grammaire,  aussi  simple  en  admettrait 


328 

difficilement  une  différente.  Ces  deux  choses  se  trouvent 
toujours  dans  les  langues  en  un  rapport  réciproque. 

Presque  toutes  les  phrases  chinoises  sont  très-courtes, 
et  même  celles  qui,  à  en  juger  par  les  traductions,  paraissent 
longues  et  compliquées,  se  coupent  facilement  en  plusieurs 
phrases  très-courtes  et  très-simples,  et  cette  manière  de  les 
envisager  paraît  la  plus  conforme  au  génie  de  la  langue. 

On  peut  rarement  se  borner  à  prendre  les  mots  des 
phrases  chinoises  dans  le  sens  seulement  où  on  les  emploie 
isolément;  il  faut  le  plus  souvent  y  rattacher  en  même  tems 
les  modifications  qui  naissent  de  la  combinaison  de  ce  sens 
avec  l'idée  qui  a  précédé. 

C'est  là  surtout  ce  qui  arrive  dans  l'emploie  des  parti- 
cules. ECU,  par  exemple,  n'est  presque  jamais  une  particule 
purement  copulative;  mais  pour  savoir  si  elle  veut  dire  et 
tarnen  *)  ou  et  ideo 2),  il  faut  consulter  la  phrase  qui  la  pré- 
cède. Le  rapport,  ou  opposé,  ou  conforme,  dans  lequel  se 
trouvent  les  deux  idées  que  eûl  lie  ensemble,  se  rattache 
à  la  signification  de  la  particule.  C'est  d'après  ce  même 
principe  que  dans  deux  propositions,  dépendantes  l'une  de 
l'autre,  les  conjonctions  qui  indiquent  leur  dépendance  sont 
les  plus  souvent  supprimées3).  La  phrase  chinoise  perd  de 
son  originalité,  si  on  essaie  de  les  rétablir.  Toutes  les  fois 
que  l'on  comparera  des  traductions  de  passage  chinois  au 
texte,  on  trouvera  qu'on  a  toujours  eu  soin  d'y  lier  les  idées 
et  les  propositions  que  la  langue  chinoise  se  contente  de 
placer  isolément.  Les  termes  chinois  reçoivent  précisément 
un  plus  grand  poids  par  cet  isolement,  et  on  est  forcé  de 
s'y  arrêter  davantage   pour  en  saisir  tous  les  rapports.     La 


0  Gr.  no  224.  J)  lb.  178,  226;  Tchoîmg-yofing,  p.  35,  II.  2, 

p.  60,  XVIII,  2,  p.  107,  XXXI,  2.  3)  lb.  167,  Tchoûng- 

yoûng,  v.  63,  XVIII,  3. 


329 

langue  chinoise  abandonne  au  lecteur  le  soin  de  suppléer 
un  grand  nombre  d'idées  intermédiaires,  et  impose  par  là 
un  travail  plus  considérable  à  l'esprit.  Chaque  mot  paraît, 
dans  une  phrase  chinoise,  placé  là  pour  qu'on  le  pèse,  et 
qu'on  le  considère  sous  tous  ses  différens  rapports  avant  que 
de  passer  au  suivant.  Comme  la  liaison  des  idées  naît  de 
ces  rapports,  ce  travail  purement  méditatif  supplée  à  une 
partie  de  la  grammaire.  On  peut  supposer  que,  dans  le  lan- 
gage vulgaire,  l'habitude  et  l'emploi  de  phrases  une  fois  usi- 
tées, rendent  le  même  service.  Vous  dites,  monsieur,  dans 
vos  Recherches  sur  les  langues  tari  ares  ')  qu'il  y  a  en 
chinois  une  foule  prodigieuse  de  phrases  tellement  consa- 
crées par  l'usage,  et  si  bien  restreintes  dans  leur  significa- 
tion, qu'on  doit  les  entendre  et  qu'on  les  prend  en  effet  tou- 
jours dans  le  sens  qui  leur  a  été  affecté  par  convention,  et 
non  dans  celui  qu'elles  auraient  si  on  les  traduisait  littéra- 
lement. Il  ne  faut  en  général  pas  oublier  que  notre  manière 
d'examiner  et  de  traiter  les  langues  est  en  quelque  façon 
l'inverse  de  celle  dont  on  les  forme  et  même  dont  on  les 
parle.  Quelqu'imparfait  que  puisse  être  le  commencement 
des  langues,  l'homme  parle  dès  le  principe.  Lorsque  la  langue 
est  formée,  il  aurait  souvent  encore  bien  de  la  peine  à  ana- 
lyser ses  phrases,  et  il  les  prend  le  plus  souvent  dans  leur 
ensemble,  et  moins  ceux  qui  parlent,  même  chez  nous,  ont 
l'esprit  cultivé,  plus  ils  possèdent  de  ces  phrases  toutes  faites, 
moins  ils  osent  les  briser  et  en  transposer  les  élémens. 

Les  indications  de  la  liaison  des  idées  sont  quelquefois 
négligées  en  chinois,  au  point  qu'un  mot  est  avancé  tout 
seul  uniquement  pour  en  tirer  une  induction  dans  une  phrase 
suivante.  Dans  le  passage  du  Tchoûng-yoûng2)  hiun  Iseu 
chi  tchouny,  sapiens,  et  semper  medio,  l'idée  du  sage  est 

')  Pag.  124.  2)  Pag.  35,  II,  2. 


330 

placée  isolément,  puisqu'elle  renferme  en  elle  toute  la  phrase 
suivante  comme  une  suite  nécessaire. 

La  langue  chinoise  n'offre  jamais  de  ces  phrases  longues 
et  compliquées,  régies  par  des  mots  placés  à  une  grande 
distance  de  ceux  qui  en  dépendent  (16);  elle  présente  au 
contraire  toujours  un  objet  isolé  et  indépendant;  elle  n'at- 
tache à  cet  objet  aucune  marque  qui  autorise  à  l'attente  de 
ce  qui  va  suivre:  elle  place,  après  cet  objet,  d'une  manière 
également  isolée,  ou  une  pareille  marque,  ou  un  deuxième 
objet,  et  compose  insensiblement,  de  cette  manière,  des 
phrases  entières. 

Si  j'ai  réussi  à  me  former  une  idée  juste  de  la  langue 
chinoise,  on  peut,  pour  juger  de  cette  langue,  partir  des 
faits  suivans: 

1.  La  langue  chinoise  ne  marque  jamais  ni  la  catégorie 
grammaticale  à  laquelle  les  mots  appartiennent,  ni  leur  va- 
leur grammaticale  en  général.  Les  signes  des  idées,  dans  la 
prononciation  et  dans  l'écriture,  restent  les  mêmes,  quelle 
que  soit  cette  valeur. 

Le  changement  d'accent  des  noms  qui  peuvent  passer 
à  l'état  de  verbe,  et  quelques  composés,  nommément  ceux 
que  la  terminaison  tseà  fait  reconnaître  au  premier  coup- 
d'oeil  comme  substantifs,  font  seuls  exception  à  cette  règle 
générale  (17). 

2.  La  langue  chinoise  n'attache  point  les  mots  vides 
aux  mots  ple'ms,  de  manière  qu'on  puisse,  en  enlevant  de 
la  phrase  un  mot  plein  avec  son  mot  vide,  reconnaître  tou- 
jours avec  précision,  à  l'aide  du  dernier,  la  catégorie  gram- 
maticale du  premier. 

Thian  tchl  peut  être  nominatif  et  génitif  (18). 

3.  La  valeur  grammaticale  n'est  donc  reconnaissable 
qu'à  la  composition  même  de  la  phrase. 


331 

4.  Elle  ne  l'est  même  alors  que  lorsqu'on  connaît  la 
signification  d'un  ou  de  plusieurs  mots  de  la  proposition. 

5.  La  langue  chinoise,  dans  sa  manière  d'indiquer  la 
valeur  grammaticale,  n'adopte  point  le  système  des  catégo- 
ries grammaticales,  ne  les  spécifie  point  dans  leurs  nuances 
les  plus  fines,  et  ne  les  détermine  même  qu'autant  que  le 
langage  le  rend  absolument  nécessaire. 

On  pourrait,  d'après  cette  description,  confondre  la  langue 
chinoise  avec  ces  langues  imparfaites  de  nations  qui  n'ont 
jamais  atteint  un  grand  développement  dans  leurs  facultés 
intellectuelles,  ou  chez  lesquelles  ce  développement  n'a  pas 
agi,  puissamment  sur  la  langue;  mais  ce  serait,  selon  mon 
opinion  une  erreur  extrêmement  grave. 

La  langue  chinoise  diffère  de  toutes  ces  langues  impar- 
faites, par  la  conséquence  et  la  régularité  avec  lesquelles 
elle  fait  valoir  le  système  qu'elle  a  adopté,  tandis  que  les 
langues  des  peuples  barbares  dont  je  viens  de  parler  ou 
s'arrêtent  à  moitié  chemin,  ou  manquent  le  but  qu'elles  se 
proposent.  Toutes  ces  langues  pèchent  à  la  fois  par  l'ab- 
sence et  par  la  redondance  inutile  des  formes  grammaticales. 
C'est,  au  contraire,  par  la  netteté  et  la  pureté  qu'elle  met 
dans  l'application  de  son  système  grammatical,  que  la  langue 
chinoise  se  place  absolument  à  l'égal  et  au  rang  des  langues 
classiques,  c'est-à-dire,  des  plus  parfaites  parmi  celles  que 
nous  connaissons,  mais  avec  un  système  non  pas  seulement 
différent,  mais  opposé,  autant  que  la  nature  générale  des 
langues  le  permet. 

Si  l'on  regarde  ces  langues  du  point  de  vue  d'où  nous 
partons  ici,  on  en  trouvera  de  trois  genres  différens. 

La  langue  chinoise  renonce  à  la  distinction  précise  et 
minutieuse  des  catégories  grammaticales,  range  les  mots  des 
phrases  d'après  l'ordre  moins  restreint  de  la  détermination 


332 

des  idées,  et  donne  aux  périodes  une  structure  à  laquelle 
ce  système  est  applicable. 

La  langue  samscrite,  les  langues  qui  ont  une  affinité 
évidente  avec  elle,  et  peut-être  d'autres  encore  sur  lesquelles 
je  ne  voudrais  rien  préjuger  ici,  établissent  la  distinction  des 
catégories  grammaticales  comme  base  unique  de  leur  gram- 
maire, poursuivent  cette  distinction  jusque  dans  leurs  der- 
nières ramifications,  et  s'abandonnent,  dans  la  formation  de 
leurs  phrases,  à  tout  l'essor  que  ce  guide  sûr  et  fidèle  leur 
permet  de  prendre. 

La  langue  grecque,  surtout,  jouit  de  cet  avantage;  car 
je  crois  en  effet  que  le  latin  même  et  le  samscrit  lui  sont 
inférieurs  dans  celte  phraséologie  exacte,  riche  et  belle  à  la 
fois,  qui  s'insinue  dans  tous  les  replis  de  la  pensée,  et  en 
exprime  toutes  les  nuances. 

Il  reste  après  cela  un  certain  nombre  de  langues  qui 
tendent,  pour  ainsi  dire,  à  avoir  de  véritables  formes  gram- 
maticales, et  n'atteignent  pas  ce  but;  qui  distinguent  les  ca- 
tégories grammaticales,  mais  n'en  marquent  qu'imparfaitement 
les  rapports;  dont  par  conséquent  la  structure  grammaticale 
est  défectueuse,  sous  ce  point  de  vue,  ou  vicieuse,  ou  l'un 
et  l'autre  à  la  fois.  Il  existe  cependant,  entre  ces  langues 
elles-mêmes,  une  différence  très-marquée,  puisqu'elles  se  rap- 
prochent plus  ou  moins  de  celles  qui  ont  des  formes  gram- 
maticales accomplies.  Ces  dernières  admettent  également  des 
différences,  de  sorte  qu'il  serait  impossible  de  tirer  une  ligne 
de  démarcation  fixe  et  stable  entre  elles  et  les  langues  dont 
je  parle  à  présent.  Ce  n'est  souvent  que  ce  plus  ou  ce  moins 
qui  peut  décider  du  jugement  qu'on  doit  en  porter.  Vos  sa- 
vantes recherches  sur  les  langues  tartares,  monsieur,  ren- 
ferment les  observations  les  plus  judicieuses  sur  la  compa- 
raison des  langues  mandchoue,  mongole,  turque,  ouigoure, 
avec  le  chinois  :  vous  énoncez  même  l'opinion  que  ces  langues 


333 

sont  inférieures  au  chinois.  Je  partage  entièrement  cette 
opinion;  j'avoue  néanmoins  que  les  points  de  vue  desquels 
on  peut  regarder  ce  qu'on  nomme  perfection  et  imperfection, 
supériorité  et  infériorité  d'une  langue,  sont  si  différens,  que 
si  l'on  n'énonce  précisément  celui  qu'on  saisit,  cesjugemens 
sont  bien  incertains.  Vous  fixez,  monsieur,  votre  attention 
dans  vos  recherches,  principalement  sur  la  clarté  et  la  pré- 
cision de  l'expression;  mon  raisonnement  m'a  conduit  ici  à 
examiner  jusqu'à  quel  point  la  distinction  des  catégories 
grammaticales  a  été  adoptée  et  perfectionnée. 

Si  l'on  essaie  de  remonter  à  l'origine  de  ces  différences 
des  langues,  il  est  bien  difficile  de  s'en  faire  une  idée  juste 
et  précise. 

Les  rapports  grammaticaux  existent  dans  l'esprit  des 
hommes,  quelle  que  soit  la  mesure  de  leurs  facultés  intel- 
lectuelles, ou,  ce  qui  est  plus  exact,  l'homme  en  parlant  suit, 
par  son  instinct  intellectuel,  les  lois  générales  de  l'expres- 
sion de  la  pensée  par  la  parole.  Mais  est-ce  de  là  seul  qu'on 
peut  dériver  l'expression  de  ces  rapports  dans  la  langue 
parlée?  La  supposition  d'une  convention  expresse  serait  sans 
doute  chimérique.  Mais  l'origine  du  langage  en  général  est 
si  mystérieuse,  il  est  d'une  telle  impossibilité  d'expliquer  d'une 
manière  mécanique  ce  fait,  que  les  hommes  parlent  et  se 
comprennent  mutuellement;  il  existe  dans  chaque  peuplade 
une  correspondance  si  naturelle  dans  la  méthode  suivie  pour 
assigner  des  paroles  aux  idées,  que  je  n'oserais  regarder 
comme  une  chose  impossible  que  les  rapports  grammaticaux 
aient  aussi  été  marqués  d'emblée  dans  le  langage  primitif. 

Il  est  très-important  de  fonder  les  recherches  de  ce  genre, 
autant  que  possible,  sur  des  faits  positifs,  et  l'examen  de 
plusieurs  langues  conduit  à  une  observation  qui  peut  servir 
à  expliquer  l'origine  des  formes  qui  expriment  les  rapports 
grammaticaux. 


334 

On  remarque  qu'il  est  naturel  à  l'homme,  et  surtout  à 
l'homme  dont  l'esprit  est  encore  peu  développé,  d'ajouter 
en  parlant,  à  l'idée  principale,  une  foule  d'idées  accessoires, 
exprimant  des  rapports  de  tems,  de  lieux,  de  personnes,  de 
circonstances,  sans  faire  attention  si  ces  idées  sont  précisé- 
ment nécessaires  là  où  on  les  place.  Il  l'est  encore  de  ne 
pas  être  avare  de  paroles,  mais  de  répéter  ce  qui  a  déjà 
été  dit,  et  d'interposer  des  sons  qui  expriment  moins  une 
idée  qu'ils  ne  marquent  un  mouvement  de  l'ame.  Or  c'est 
de  ces  idées  accessoires,  devenues  compagnes  habituelles 
des  idées  principales,  et  généralisées  par  l'instinct  intellectuel 
et  le  développement  progressif  de  l'esprit,  et  des  sons  qui 
y  répondent,  que  les  exposans  des  rapports  grammaticaux 
semblent  être  provenus  dans  beaucoup  de  langues.  En  exa- 
minant les  langues  américaines,  nous  observons  que  certains 
rapports  (par  exemple,  ceux  du  nombre  et  du  genre)  ne  sont 
exprimés  que  là  où  le  sens  l'exige,  mais  qu'un  grand  nombre 
d'autres  rapports  sont  reproduits  là  où  on  s'en  passerait  fa- 
cilement. La  structure  infiniment  artificielle  des  verbes  de 
la  langue  Delaware  vient  principalement  de  cette  dernière 
circonstance.  Il  faut  encore  attribuer  à  cette  habitude  celle 
de  plusieurs  langues  américaines,  de  ne  jamais  séparer  les 
substantifs  d'un  pronom  possessif,  dût-il  même  être  indéfini. 
De  cette  cause  et  d'une  autre  habitude,  plus  naturelle  cepen- 
dant, de  lier  toujours  des  pronoms  au  verbe  comme  sujets 
et  comme  objets,  dérive  la  transformation  des  pronoms  iso- 
lés en  affixes,  et  cette  grande  classification  des  derniers  en 
affixes  nominaux  et  verbaux,  classification  qui  forme  si  bien 
la  grammaire  de  plusieurs  langues  que  le  même  mot  devient 
substantif  ou  verbe  selon  l'affixe  qui  l'accompagne.  Ce  même 
passage  de  mots  exprimant  des  idées  accessoires,  à  l'état 
d'exposans  de  rapports  grammaticaux,  se  retrouve  plus  ou 
moins  clairement,  dans  les  langues  basque  et  copte,  dans 


335 

celles  des  îles  de  la  mer  du  Sud  et  des  peuplades  tartares, 
comme  vos  recherches  me  le  semblent  prouver,  et  indubi- 
tablement dans  toutes  les  langues  qui  manquent  entièrement 
de  flexions,  ou  dans  lesquelles  au  moins  le  système  des 
flexions  est  incomplet  ou  vicieux. 

Ce  que  je  viens  d'exposer  pourrait  être  l'histoire  de  la 
formation  de  toutes  les  langues,  et  toutes  pourraient  suivre 
la  même  méthode  pour  marquer  les  rapports  grammaticaux. 
Voyons  donc  d'où  peuvent  venir  les  deux  exceptions  que 
nous  rencontrons  dans  la  langue  chinoise,  et  dans  les  langues 
qui  possèdent  un  système  complet  d'exposans  pour  les  rap- 
ports grammaticaux. 

Ces  dernières  peuvent,  d'après  ce  que  je  viens  de  dire 
sur  l'origine  du  langage  en  général,  être  redevables  de  leur 
structure  à  leur  formation  primitive.  Mais  si  l'on  n'embrasse 
point  ce  système  (et  je  suis  persuadé  qu'une  analyse  per- 
fectionnée de  leurs  formes  grammaticales,  surtout  du  chan- 
gement qu'y  subissent  les  voyelles  et  l'intérieur  des  mots, 
jettera  du  jour  sur  ce  point  important),  il  n'est  pas  impos- 
sible d'expliquer,  jusqu'à  un  certain  point,  l'origine  de  leur 
grammaire,  en  leur  assignant  la  même  marche  qu'aux  langues 
moins  avantageusement  organisées.  Car  s'il  existe  un  con- 
cours heureux  du  penchant  des  nations  avec  l'instinct  qui 
forme  les  langues,  si  à  cette  disposition  favorable  se  joint 
le  genre  d'imagination  d'ont  j'ai  parlé  plus  haut,  et  qui  as- 
simile les  élémens  du  langage  aux  objets  du  monde  réel, 
l'opération  à  laquelle  leur  grammaire  doit  son  origine,  aura 
un  succès  complet.  La  généralisation  des  rapports  de  cir- 
constances particulières  ne  laissera  rien  h  désirer;  tous  ceux 
que  distingue  une  analyse  complète  de  la  paroie,  trouveront 
leurs  exposans;  on  n'en  marquera  point  de  superflus,  et  ces 
exposans  seront  tellement  inhérens  aux  mots  qu'aucun  mot, 
enchaîné  dans  une  phrase,  ne  frappera  l'esprit  que  dans  une 


336 

valeur  grammaticale  donnée.  Car  on  doit  toujours,  en  com- 
parant les  langues  sous  le  point  de  vue  des  formes  gram- 
maticales, avoir  égard  à  la  double  question  de  savoir  si  une 
langue  est  parvenue  à  ce  qu'on  peut  qualifier  de  véritable 
forme  grammaticale  (question  que  j'ai  tâché  de  traiter  dans 
un  mémoire  particulier),  et  quel  est  le  système  que  ces 
formes  présentent  sous  le  rapport  de  leur  nombre,  de  l'exacti- 
tude de  leur  classification  et  de  leur  régularité,  Cette  der- 
nière question  peut  s'agiter  aussi  à  l'égard  des  langues  qui 
ne  sont  point  parvenues  à  créer  de  véritables  formes  gram- 
maticales: c'est  celle  qui  m'occupe  de  préférence  dans  cet 
exposé. 

Qu'une  nation  atteigne  un  haut  degré  de  perfection  dans 
sa  langue,  cela  dépend  du  don  de  la  parole  dont  elle  est 
douée.  De  même  que  les  talens  pour  différens  objets  sont 
diversement  dévolus  aux  individus,  le  génie  des  langues  me 
paraît  aussi  partagé  entre  les  nations.  La  force  de  l'instinct 
intellectuel  qui  pousse  l'homme  à  parler,  l'esprit  et  l'imagi- 
nation portés  vers  la  forme  et  la  couleur  que  la  parole  donne 
à  la  pensée,  une  ouie  délicate,  un  organe  heureux  et  peut- 
être  bien  d'autres  circonstances  encore,  forment  ces  prodiges 
de  langues,  qui,  pour  une  longue  série  de  siècles,  deviennent 
les  types  des  idées  les  plus  déliées  et  les  plus  sublimes.  En 
combinant  le  génie  inné  à  l'homme  pour  les  langues,  avec 
les  circonstances  qui  entourent  naturellement  l'état  primitif 
de  la  société,  on  peut,  je  ne  dis  pas  expliquer  en  détail, 
mais  entrevoir  l'origine  des  langues  les  plus  parfaites;  c'est 
là,  monsieur,  le  terrain  sur  lequel  je  voudrais  me  tenir.  Je 
ne  crois  pas  qu'il  faille  supposer  chez  les  nations  auxquelles 
on  est  redevable  de  ces  langues  admirables,  des  facultés  plus 
qu'humaines,  ou  admettre  qu'elles  n'ont  point  suivi  la  marche 
progressive  à  laquelle  les  nations  sont  assujéties;  mais  je  suis 
pénétré  de  la  conviction  qu'il  ne  faut  pas  méconnaître  cette 


337 

force  vraiment  divine  que  recèlent  les  facultés  humaines,  ce 
génie  créateur  des  nations,  surtout  dans  l'état  primitif  où 
toutes  les  idées  et  même  les  facultés  de  Tame  empruntent 
une  force  plus  vive  de  la  nouveauté  des  impressions,  où 
l'homme  peut  pressentir  des  combinaisons  auxquelles  il  ne 
serait  jamais  arrivé  par  la  marche  lente  et  progressive  de 
l'expérience.  Ce  génie  créateur  peut  franchir  les  limites  qui 
semblent  prescrites  au  reste  des  mortels,  et  s'il  est  impos- 
sible de  retracer  sa  marche,  sa  présence  vivifiante  n'en  est 
pas  moins  manifeste.  Plutôt  que  de  renoncer,  dans  l'expli- 
cation de  l'origine  des  langues,  à  l'influence  de  cette  cause 
puissante  et  première,  et  de  leur  assigner  à  toutes  une  marche 
uniforme  et  mécanique  qui  les  traînerait  pas  à  pas  depuis 
le  commencement  le  plus  grossier  jusqu'à  leur  perfectionne- 
ment, j'embrasserais  l'opinion  de  ceux  qui  rapportent  l'ori- 
gine des  langues  à  une  révélation  immédiate  de  la  divinité. 
Us  reconnaissent  au  moins  l'étincelle  divine  qui  luit  à  travers 
tous  les  idiomes,  même  les  plus  imparfaits  et  les  moins 
cultivés. 

En  posant  ainsi  comme  premier  principe  dans  les  re- 
cherches sur  les  langues,  qu'il  faut  renoncer  à  vouloir  tout 
expliquer,  et  qu'il  faut  se  borner  souvent  à  n'indiquer  que 
les  faits,  je  ne  partage  nullement  l'opinion  que  toutes  les 
flexions  aient  été  dans  leur  origine  des  affixes  détachés.  Je 
conviens  qu'il  est,  ainsi  que  vous  l'avez  énoncé,  monsieur, 
assez  naturel  de  supposer  cette  transformation  ;  je  crois  même 
qu'elle  a  eu  lieu  dans  un  très-grand  nombre  de  cas  ;  mais 
il  est  bien  certainement  arrivé  aussi  que  l'homme  a  senti 
qu'un  rapport  grammatical  s'exprimerait  d'une  manière  plus 
décisive  par  un  changement  du  mot  même.  Il  serait  plus 
que  hasardé  de  poser  ainsi  des  bornes  au  génie  créateur  des 
langues.  Ce  qui  fait  qu'on  méconnaît  quelquefois  la  vérité 
dans  ces  matières,  c'est  qu'on  apprécie  rarement  la  force 
vu.  22 


338 

qu'exerce  le  plus  simple  sou  articulé  sur  l'esprit  par  la  seule 
circonstance  qu'il  s'annonce  comme  le  signe  d'une  idée. 
Comment,  sans  cela,  se  ferait-il  que  les  différences  les  plus 
fines  de  voyelles  se  conservassent,  sans  altération,  durant  des 
siècles  entiers  ?  Dans  un  passage  de  mon  ouvrage  sur  les 
peuples  ibériens,  j'ai  dirigé  l'attention  sur  cette  ténacité  avec 
laquelle  les  nations  s'attachent  aux  plus  légères  nuances  de 
prononciation.  Comment,  sans  cela,  des  différences  très-es- 
sentielles d'idées  se  lieraient-elles  au  seul  changement  d'une 
voyelle,  ainsi  que  vous  en  citez,  monsieur,  un  exemple  infi- 
niment remarquable  dans  la  langue  Manchoue  ')? 

Avant  que  de  tenter  une  explication  du  système  de  la  langue 
chinoise,  je  dois  encore  développer  davantage  l'idée  que  je  me 
forme  de  sa  véritable  nature.  J'ai  parlé  presque  exclusivement 
jusqu'ici  des  qualités  qu'elle  ne  possède  pas;  mais  cette  langue 
étonne  par  le  phénomène  singulier  qui  consiste  en  ce  que, 
simplement  en  renonçant  à  un  avantage  commun  à  toutes 
les  autres,  par  cette  privation  seule,  elle  en  acquiert  un  qui 
ne  se  trouve  dans  aucune.  En  dédaignant,  autant  que  la  na- 
ture du  langage  le  permet  (car  je  crois  pouvoir  insister  sur 
la  justesse  de  cette  expression),  les  couleurs  et  les  nuances 
que  l'expression  ajoute  à  la  pensée,  elle  fait  ressortir  les 
idées,  et  son  art  consiste  à  les  ranger  immédiatement  l'une 
à  côté  de  l'autre,  de  manière  que  leurs  conformités  et  leurs 
oppositions  ne  sont  pas  seulement  senties  et  aperçues,  comme 
dans  toutes  les  autres  langues,  mais  qu'elles  frappent  l'esprit 
avec  une  force  nouvelle,  et  le  poussent  à  poursuivre  et  à 
se  rendre  présens  leurs  rapports  mutuels.  Il  naît  de  là  un 
plaisir  évidemment  indépendant  du  fond  même  du  raisonne- 
ment, et  qu'on  peut  nommer  purement  intellectuel,  puisqu'il 
ne  tient  qu'à   la   forme   et   à   l'ordonnance  des  idées;   et   si 


')  Rech.  Tart.,  j>.  Ill  et  lia. 


339 

l'on  analyse  les  causes  tie  ce  sentiment,  il  provient  surtout 
de  la  manière  rapide  et  isolée  dont  les  mots,  tous  expressifs 
d'une  idée  entière,  sont  rapprochés  l'un  de  l'autre,  et  de  la 
hardiesse  avec  laquelle  tout  ce  qui  ne  leur  sert  que  de  liai- 
son, en  a  été  enlevé. 

Voilà  du  moins  ce  que  j'éprouve  en  me  pénétrant  d'un 
texte  chinois.  Etant  parvenu  à  en  saisir  l'originalité,  j'ai  cru 
voir  que,  dans  aucune  autre  langue  peut-être,  les  traductions 
ne  rendent  si  peu  la  force  et  la  tournure  particulière  de  l'ori- 
ginal. Et  partant,  n'est-ce  pas  principalement  ce  que  l'indi- 
vidualité de  l'homme  ajoute  à  la  pensée,  c'est-à-dire,  le  style 
dans  les  langues  et  dans  les  ouvrages,  qui  nous  fait  éprou- 
ver cette  satisfaction  que  procure  la  lecture  des  auteurs  an- 
ciens et  modernes?  L'idée  nue,  dépourvue  de  tout  ce  qu'elle 
lient  de  l'expression,  offre  tout  au  plus  une  instruction  aride. 
Les  ouvrages  les  plus  remarquables,  analysés  de  cette  ma- 
nière, donneraient  un  résultat  bien  peu  satisfaisant.  C'est  la 
manière  de  rendre  et  de  présenter  les  idées,  d'exciter  l'esprit 
à  la  méditation,  de  remuer  Tarne,  de  lui  faire  découvrir  des 
routes  nouvelles  pour  la  pensée  et  le  sentiment,  qui  trans- 
met, non  pas  seulement  les  doctrines,  mais  la  force  intel- 
lectuelle même  qui  les  a  produites,  d'âge  en  age,  et  jusqu'à 
une  postérité  reculée.  Ce  que,  dans  l'art  d'écrire  (intimement 
lié  à  la  nature  de  la  langue  dans  laquelle  il  s'exerce),  l'ex- 
pression prête  à  l'idée,  ne  peut  point  en  être  détaché  sans 
qu'on  l'altère  sensiblement;  la  pensée  n'est  la  même  que  dans 
la  forme  sous  laquelle  elle  a  été  conçue  par  son  auteur. 
C'est  par  là  que  l'étude  de  différentes  langues  devient  pré- 
cieuse, et  c'est  lorsqu'on  se  place  dans  ce  point  de  vue,  que 
les  langues  cessent  d'être  regardées  comme  une  variété  em- 
barrassante de  sons  et  de  formes. 

Je  ne  me  dissimule  guère  ce  qu'on  a  coutume  d'attri- 
buer au  plaisir   de  la    difficulté  vaincue;   mais   la  difficulté 

22* 


340 

qu'offrent  les  textes  chinois  dont  je  parle  ici,  entourés  de 
nombreux  secours,  n'est  pas  bien  grande;  ceux  qui  ne  se 
refusent  point  à  d'autres  études  dans  lesquelles  la  difficulté 
vaincue  n'offre  que  des  épines,  ne  peuvent  guère  se  mé- 
prendre ainsi. 

Comme  la  langue  chinoise  renonce  à  tant  de  moyens 
par  lesquels  les  autres  langues  varient  et  enrichissent  l'ex- 
pression, on  pourrait  croire  que  ce  qu'on  nomme  style  dans 
ces  dernières,  lui  devrait  manquer  entièrement.  Mais  le  style 
très-marqué,  qui  dans  les  ouvrages  chinois  doit  être  attribué 
à  la  langue  elle  même,  vient,  à  ce  qu'il  me  semble,  du  con- 
tact immédiat  des  idées,  du  rapport  tout-à-fait  nouveau  qui 
naît  entre  l'idée  et  l'expression  par  l'absence  presque  totale 
de  signes  grammaticaux,  et  de  l'art  facilité  par  la  phraséo- 
logie chinoise,  de  ranger  les  mots  de  manière  à  faire  res- 
sortir de  la  construction  même  les  relations  réciproques  des 
idées.  C'est  dans  ce  dernier  point  que  la  force  et  la  justesse 
de  l'impression  sur  le  lecteur,  dépend  du  talent  et  du  goût 
de  l'auteur  qui  peut  aussi,  comme  les  styles  antique  et  mo- 
derne le  prouvent,  renforcer  l'impression  qui  naît  de  l'absence 
des  signes  grammaticaux,  en  usant  plus  ou  moins  sobrement 
de  ces  signes. 

Je  distingue  la  langue  chinoise  des  langues  vulgairement 
appelées  imparfaites,  par  l'esprit  conséquent  et  la  régularité, 
et  des  langues  classiques,  par  la  nature  opposée  de  son  sy- 
stème grammatical.  Les  langues  classiques  assimilent  leurs 
mots  aux  objets  réels,  les  douent  des  qualités  de  ces  der- 
niers, font  entrer  dans  l'expression  des  idées,  toutes  les  re- 
lations qui  naissent  de  ces  rapports  des  mots  dans  la  phrase, 
et  ajoutent  à  l'idée  par  ce  moyen  des  modifications  qui  ne 
sont  pas  toujours  absolument  requises  par  le  fond  essentiel 
de  la  pensée  qui  doit  être  énoncée.  La  langue  chinoise  n'entre 
pas  dans  cette  méthode   de  faire,  des  mots,  des   êtres  dont 


341 

la  nature  particulière  réagit  sur  ces  idées;  elle  s'en  tient 
purement  et  nettement  au  fond  essentiel  de  la  pensée,  et 
prend,  pour  la  revêtir  de  paroles,  aussi  peu  que  possible  de 
la  nature  particulière  du  langage. 

11  faudra  donc,  pour  approfondir  pleinement  la  matière 
que  nous  traitons  ici,  déterminer  ce  qui  dans  l'ame  répond 
à  cette  opération  par  laquelle  les  langues,  en  liant  les  mots 
d'après  les  rapports  qu'elles  leur  ont  assignés,  ajoutent  à  la 
pensée  des  nuances  qui  naissent  uniquement  de  leur  forme 
grammaticale. 

Je  répondrais  à  cette  question,  que  la  faculté  de  Tarne 
à  laquelle  cette  opération  appartient,  est  précisément  celle 
qui  inspire  ce  travail  aux  créateurs  des  langues;  c'est  l'ima- 
gination, non  pas  l'imagination  en  général,  mais  l'espèce  par- 
ticulière de  cette  faculté  qui  revêt  les  idées  de  sons  pour 
les  placer  au  dehors  de  l'homme,  pour  les  faire  revenir  à 
son  oreille  proférées  comme  paroles,  par  la  bouche  d'êtres 
organisés  ainsi  que  lui,  et  pour  les  faire  agir  ensuite  de  nou- 
veau en  lui-même  comme  des  idées  fixées  par  le  langage. 
Les  langues  à  formes  grammaticales  complètes,  ainsi  qu'elles 
doivent  leur  origine  à  l'action  vive  et  puissante  de  cette 
faculté,  réagissent  fortement  sur  elle,  tandis  que  la  langue 
chinoise  se  trouve  pour  l'un  et  l'autre  de  ces  procèdes,  dans 
un  cas  diamétralement  opposé. 

Mais  l'influence  que  les  langues  exercent  sur  l'esprit  par 
une  structure  grammaticale  riche  et  variée,  s'étend  bien  au- 
delà  de  ce  que  je  viens  d'exposer.  Ces  formes  grammati- 
cales, si  insignifiantes  en  apparence,  en  fournissant  le  moyen 
d'étendre  et  d'entrelacer  les  phrases  selon  le  besoin  de  la 
pensée,  livrent  cette  dernière  à  un  plus  grand  essor,  lui  per- 
mettent et  la  sollicitent  d'exprimer  jusqu'aux  moindres  nuances, 
et  jusqu'aux  liaisons  les  plus  subtiles.  Comme  les  idées  forment 
dans   la  tête   de   chaque   individu   un  tissu  non  interrompu, 


342 

elles  trouvent  dans  l'heureuse  organisation  de  ces  langues 
le  même  ensemble,  la  même  continuité,  l'expression  de  ces 
passages  presque  insensibles  qu'elles  rencontrent  en  elles- 
mêmes.  La  perfection  grammaticale  qu'offrent  les  langues 
classiques,  est  à  la  fois  un  moyen  de  donner  à  la  pensée 
plus  d'étendue,  plus  de  finesse  et  plus  de  couleur,  et  une 
manière  de  la  rendre  avec  plus  d'exactitude  et  de  fidélité, 
par  des  traits  plus  prononcés  et  plus  délicatement  expressifs, 
en  y  ajoutant  une  symétrie  de  formes  et  une  harmonie  de 
sons  analogues  aux  idées  énoncées  et  aux  mouvemens  de 
l'âme  qui  les  accompagnent.  Sous  tous  ces  rapports,  une 
grammaire  imparfaite  et  qui  ne  met  pas  pleinement  à  profit 
toutes  les  ressources  des  langues,  seconde  moins  bien  ou 
entrave  l'activité  et  l'essor  libre  de  la  pensée. 

D'un  autre  côté,  l'homme  peut,  en  combinant  et  en  énon- 
çant ses  idées,  se  livrer  avec  plus  d'abandon  ou  avec  plus 
de  réserve  à  l'imagination  qui  forme  les  langues.  Quoiqu'il 
ne  puisse  penser  sans  le  secours  de  la  parole ,  il  discerne 
cependant  très-bien  la  pensée  détachée  des  liens,  et  libre 
des  prestiges  du  langage,  de  celle  qui  y  est  assujétie.  Il  n'a 
de  la  première  qu'une  sensation  vague,  mais  qui  en  prouve 
néanmoins  l'existence;  comment  d'ailleurs  se  plaindrait-il  si 
souvent  de  l'insuffisance  du  langage,  si  les  idées  et  les  sen- 
timens  ne  dépassaient  pas,  pour  ainsi  dire,  la  parole?  Com- 
ment nous  verrions-nous,  parfois  même  en  écrivant  dans 
notre  propre  langue,  dans  l'embarras  de  trouver  des  expres- 
sions qui  n'altèrent  en  rien  le  sens  que  nous  voulons  leur 
donner?  Il  n'y  a  aucun  doute:  la  pensée,  libre  des  liens  de 
la  parole,  nous  paraît  plus  entière  et  plus  pure.  Aussi,  dès 
qu'il  s'agit  d'idées  plus  profondes  ou  de  sentimens  plus  in- 
times, donnons-nous  toujours  aux  paroles  une  signification 
qui  déborde,  pour  ainsi  dire,  leur  acception  commune,  un 
sens  ou  plus  étendu   ou  autrement  tourné,    et   le   talent   de 


343 

parler  et  d'écrire  consiste  alors  à  l'aire  sentir  ce  qui  ne  se 
trouve  pas  immédiatement  dans  les  mots.  C'est  un  point 
essentiel  dans  l'explication  philosophique  de  la  formation  des 
langues  et  de  leur  action  sur  l'esprit  des  nations,  que  la  pa- 
role dans  l'intérieur  de  la  pensée  est  toujours  soumise  à  un 
nouveau  travail,  et  dépouillée  de  ce  qu'une  fois  isolée  de 
l'homme,  elle  a  de  roide  et  de  circonscrit. 

Je  ne  me  suis  point  arrêté  ici  sur  cette  divergence  de 
la  pensée  et  de  la  parole,  pour  en  faire  une  application  im- 
médiate au  chinois,  et  pour  attribuer  chimériquement  la 
structure  particulière  de  cette  langue  à  une  tendance  de  cette 
nation,  à  s'affranchir  des  liens  et  des  prestiges  du  langage. 
Mon  but  a  été  uniquement  de  montrer  que  l'homme  ne  cesse 
jamais  de  faire  une  distinction  entre  la  pensée  et  la  parole, 
et  que,  si  la  double  activité  qui  le  porte  vers  l'une  et  vers 
l'autre  n'est  point  égale,  l'une  se  ramine  à  mesure  que  l'autre 
se  rallentit. 

Ce  qui  manque  à  la  langue  chinoise  se  trouve  tout  en- 
tier  du  côté  de   l'imagination   formative  des  langues,  mais 
réagit  ensuite   sur  l'action   de  la  pensée  elle  même;  en  re- 
vanche   la  langue  chinoise    gagne    par   sa  manière   simple, 
hardie  et  concise  de  présenter  les  idées.  L'effet  qu'elle  pro- 
duit ne  vient  pas   des  idées  seules,   ainsi  présentées,    mais 
surtout  de  la  manière  dont  elle  agit  sur  l'esprit  par  son  sy- 
stème grammatical.     En  lui  imposant  un    travail    méditatif 
beaucoup  plus  grand  qu'aucune  autre  langue  n'en  exige  de 
lui,  en  l'isolant  sur  les   rapports  des  idées,   en  le    privant 
presque  de  tout  secours  à  peu  près  machinal,  en  fondant  la 
construction  presqu'exclusivement  sur  la  suite  des  idées  ran- 
gées selon  leur  qualité  determinative,  elle  réveille  et  entre- 
tient en  lui  l'activité   qui   se  porte  vers  la  pensée  isolée,  et 
l'éloigné    de   tout   ce    qui   pourrait   en  varier  et  en  embellir 
l'expression.  Cet  avantage  ne  s'étend  cependant  pas  unique- 


344 

ment  sur  le  maniement  des  idées  philosophiques  ;  le  style 
hardi  et  laconique  du  chinois  anime  aussi  singulièrement  les 
récits  et  les  descriptions,  et  donne  de  la  force  à  l'expression 
du  sentiment.  Quel  beau  morceau,  par  exemple,  que  celui 
qu'exprime  le  livre  de  Vers,  à  l'occasion  de  la  lour  de 
P'tnlcUigence1). 

Je  conviens  que  ces  passages  nous  étonnent  et  nous 
frappent  davantage  par  le  contraste  qu'ils  forment  avec  nos 
langues  et  nos  constructions;  mais  il  n'en  reste  pas  moins 
vrai  qu'en  se  livrant  à  l'impression  qu'ils  produisent,  on  peut 
se  faire  une  idée  de  la  direction  que  cette  langue  étonnante 
donne  à  l'esprit,  et  dont  elle  a  du  nécessairement  tirer  elle- 
même  son  origine. 

C'est  donc  par  le  contraste  qu'il  y  a  entr'elle  et  les 
langues  classiques,  que  la  langue  chinoise  acquiert  un  avan- 
tage étranger  à  ces  langues  à  formes  grammaticales  com- 
plètes. Elles  peuvent  à  la  vérité,  et  l'allemand  me  semble 
surtout  avoir  cette  facilité,  y  atteindre  dans  quelques  locu- 
tions et  jusqu'à  un  certain  degré  (19),  mais  les  idées  ne  se 
présentent  jamais  dans  un  tel  isolement,  leurs  rapports  lo- 
giques ne  s'aperçoivent  pas  d'une  manière  aussi  tranchée, 
aussi  pure  et  aussi  nette  à  travers  une  construction  dont  le 
principe  est  de  tout  lier,  et  dans  une  phraséologie  où  les 
mots,  purement  comme  tels,  jouent  un  rôle  considérable. 

Malgré  cet  avantage,  la  langue  chinoise  me  semble,  sans 
aucun  doute  très-inférieure,  comme  organe  de  la  pensée, 
aux  langues  qui  sont  parvenues  à  donner  un  certain  degré 
de  perfection  à  un  système  qui  est  opposé  au  sien. 

Ceci  résulte  déjà  de  ce  qui  vient  d'être  indiqué.  S'il  est 
impossible  de  nier  que  ce  ne  soit  que  de  la  parole  que  la 
pensée  tient  sa  précision  et  sa  clarté,  il  faut  aussi  convenir 


')   Voyez  Tcho&iig-yoûng,  p. '.M. 


345 

que  eel  effet  n'esl  complet  qu'autant  (pie  tout  ce  qui  mo- 
difie l'idée,  trouve  une  expression  analogue  dans  la  langue 
parlée.  C'est  là  une  vérité  évidente,  et  un  principe  fonda- 
mental (20). 

On  dira  que  la  langue  chinoise  ne  s'oppose  pas  à  ce 
principe  ;  que  tout  y  est  exprimé,  même  tout  ce  qui  regarde 
les  rapports  grammaticaux,  et  je  suis  loin  de  le  nier.  La 
langue  chinoise  a  certainement  une  grammaire  fixe  et  régu- 
lière, et  les  règles  de  cette  grammaire  déterminent,  à  ne 
pas  pouvoir  s'y  méprendre,  la  liaison  des  mots  dans  l'en- 
chaînement des  phrases. 

Mais  la  différence  est  qu'à  bien  peu  d'exceptions  près, 
elle  n'attache  pas,  aux  modifications  grammaticales,  des  sons, 
en  guise  de  signe,  mais  qu'elle  abandonne  au  lecteur  le  soin 
de  les  déduire  de  la  position  des  mots,  de  leur  signification 
et  même  du  sens  du  contexte,  et  qu'elle  ne  façonne  pas  les 
mots  pour  l'emploi  qu'ils  ont  dans  la  phrase.  Cela  est  im- 
portant en  soi-même,  mais  plus  encore  par  la  raison  que 
cela  rétrécit  la  phraséologie  chinoise,  la  force  à  entrecouper 
ses  périodes,  et  empêche  l'essor  libre  de  la  pensée  dans  ces 
longs  enchainemens  de  propositions  à  travers  lesquelles  les 
formes  grammaticales  seules  peuvent  servir  de  guides. 

Plus  l'idée  est  rendue  individuelle,  et  plus  elle  se  pré- 
sente sous  des  faces  différentes  à  toutes  les  facultés  de  l'homme, 
plus  elle  remue,  agite  et  inspire  l'ame;  de  même  plus  il 
existe  de  vie  et  d'agitation  dans  l'ame,  et  plus  le  concours 
de  toutes  les  facultés  se  réunit  dans  son  activité,  plus  elle 
tend  à  rendre  l'idée  individuelle.  Or  l'avantage  à  cet  égard 
est  entièrement  du  côté  des  langues  qui  regardent  l'expres- 
sion comme  un  tableau  de  la  pensée  dans  lequel  tout  est 
continu  et  fermement  lié  ensemble,  et  où  cette  continuité 
est  imprimée  aux  mots  mêmes,  qui  répandent  la  vie  sur  ces 
derniers   en   les    diversifiant    dans    leurs   formes   selon  leurs 


346 

fonctions;  et  qui  permettent  à  celui  qui  écoute,  de  suivie, 
toujours  à  l'aide  des  sons  prononcés,  l'enchaînement  des 
pensées,  sans  l'obliger  à  interrompre  ce  travail  pour  remplir 
les  lacunes  que  laissent  les  paroles.  Il  se  répand  par  là  plus 
de  vie  et  d'activité  dans  Fame;  toutes  les  facultés  agissent 
avec  plus  de  concert,  et  si  le  style  chinois  nous  en  impose 
par  des  effets  qui  frappent,  les  langues  d'un  système  gram- 
matical opposé  nous  étonnent  par  une  perfection  que  nous 
reconnaissons  comme  étant  celle  à  laquelle  le  langage  doit 
réellement  viser. 

J'ai  observé  plus  haut  que  la  forme  particulière  dans  la- 
quelle la  langue  chinoise  circonscrit  ses  phrases,  est  la  seule 
compatible  avec  une  absence  presque  totale  de  formes  gram- 
maticales. C'est  sur  cette  liaison  étroite  entre  la  phraséolo- 
gie et  le  système  grammatical  qu'il  est  indispensable,  selon 
moi,  de  fixer  l'attention  pour  ne  pas  donner  contre  un  des 
deux  écueils,  qui  consisteraient  ou  à  prêter,  par  manière 
d'interprétation,  à  la  langue  chinoise  des  formes  grammati- 
cales qu'elle  n'a  point,  ou  à  supposer  ce  qui  est  impossible 
par  la  nature  même  du  langage.  Ce  n'est  qu'en  se  bornant 
à  des  phrases  toutes  simples  et  courtes,  en  s'arrêtant  à  tout 
moment,  comme  pour  prendre  haleine,  en  n'avançant  jamais 
un  mot  duquel  d'autres  très-éloignés  doivent  dépendre,  qu'on 
peut  se  passer  à  ce  point  de  formes  grammaticales  dans  une 
langue  (21).  Dès  qu'on  tenterait  d'étendre  et  de  compliquer 
les  phrases,  on  serait  forcé  à  déterminer  par  des  signes  quel- 
conques les  différentes  fonctions  des  mots,  et  l'on  ne  pour- 
rait plus  abandonner  l'emploi  de  ces  signes,  ainsi  que  le  fait 
le  chinois,  au  tact  et  au  goût  des  auteurs.  J'ai  taché  de 
prouver  plus  haut  que  les  formes  grammaticales  tiennent 
surtout  à  la  coupe  et  à  l'unité  des  propositions.  Or  il  existe 
un  point  où  la  simple  distinction  du  sujet,  de  l'attribut  et  de 
leur  liaison,    ne  suffit  plus    pour    se  rendre  compte  de  l'en- 


347 

chaînement  des  mots,  où  il  faut  spécifier  ces  catégories,  en- 
core purement  logiques,  par  des  catégories  proprement  gram- 
maticales, c'est-à-dire  puisées  dans  la  nature  de  la  langue, 
et  c'est,  si  j'ose  le  dire,  sur  cette  limite  étroite  où  se  tient 
la  langue  chinoise.  Elle  la  dépasse  à  la  vérité  et  l'art  de  sa 
grammaire  consiste  à  lui  en  fournir  les  moyens  sans  sortir 
de  son  système,  mais  l'étendue  et  la  tournure  qu'elle  donne 
aux  périodes  est  toujours  renfermée  dans  la  mesure  de  ses 
moyens.  Il  est  clair  d'après  cela  qu'elle  s'arrête  à  un  point 
où  il  est  donné  aux  langues  de  continuer  leur  marche  pro- 
gressive, et  c'est  par  là  ainsi  qu'elle  reste,  selon  ma  con- 
viction la  plus  intime,  au-dessous  des  langues  à  formes  gram- 
maticales complètes. 

11  faut  ajouter  à  ce  que  je  viens  de  développer  som- 
mairement, que  la  langue  chinoise  est  dans  une  impossibilité 
absolue  d'atteindre  aux  avantages  particuliers  des  langues  à 
formes  grammaticales  plus  parfaites,  tandis  que  celles-ci  qui 
dirigent  la  construction  par  des  formes  grammaticales,  peuvent, 
si  le  sujet  l'exige,  en  user  plus  sobrement,  supprimer  sou- 
vent les  liaisons  des  idées,  employer  les  formes  les  plus 
vagues,  et  non  pas  égaler,  mais  au  moins  suivre  à  une  cer- 
taine dislance  le  laconisme  et  la  hardiesse  de  la  diction  chi- 
noise. II  dépend  toujours  d'un  emploi  sage  et  judicieux  des 
moyens  d'expression  dont  ces  langues  sont  abondamment 
pourvues,  de  faire  en  sorte  que  la  diction  ne  diminue  point 
la  force,  ni  n'altère  la  pureté  des  idées.  Sous  ce  point  de 
vue,  il  est  vrai,  l'avantage  reste  entièrement  du  côté  du  chi- 
nois. Dans  les  autres  langues,  c'est  la  simplicité  et  la  har- 
diesse de  telle  expression,  de  tel  tour  de  phrase;  dans  les 
ouvrages  chinois,  c'est  la  simplicité  et  la  hardiesse  de  la 
langue  elle-même  qui  agit  sur  l'esprit.  Mais  cet  avantage 
est  acheté  aux  dépens  d'autres  avantages  plus  imporlans  et 
plus  essentiels. 


348 

L'absence  des  formes  grammaticales  rappelle  le  parler 
des  enfans,  qui  placent  ordinairement  les  paroles  sans  les 
lier  suffisamment  entr'elles.  On  suppose  une  enfance  aux 
nations,  comme  aux  individus  et  rien  ne  serait  d'abord  plus 
naturel  que  de  dire  que  la  langue  chinoise  s'est  arrêtée  à 
cette  époque  du  développement  général  des  langues. 

Il  y  a  certainement  un  fond  de  vérité  dans  cette  asser- 
tion, mais  à  d'autres  égards  je  la  crois  fausse,  et  peu  propre 
à  expliquer  le  phénomène  singulier  de  la  langue  chinoise. 

Je  dois  observer  en  premier  lieu  que  l'enfance  des  na- 
tions, queiqu'usage  qu'on  fasse  de  cette  expression,  est,  à 
mon  avis,  toujours  un  terme  impropre.  L'idée  de  l'enfance 
renferme  celle  de  la  relation  à  un  point  fixe,  donné  par  l'or- 
ganisation même  de  l'être  à  qui  on  l'attribue,  au  point  de 
sa  maturité.  Or  il  existe  peut-être,  et  pour  mon  particulier 
j'en  suis  entièrement  persuadé,  dans  les  développemens  pro- 
gressifs des  nations,  un  point  qu'elles  ne  dépassent  pas,  et 
à  compter  duquel  leur  marche  devient  plutôt  rétrograde,  mais 
ce  point  ne  peut  pas  être  nommé  un  point  de  maturité.  Une 
nation  ne  peut  pas  être  regardée  comme  adulte ,  et  par  la 
même  raison  elle  ne  peut  être  considérée  comme  enfant; 
car  la  maturité  suppose  nécessairement  un  individu,  et  ne 
peut  s'appliquer  à  un  être  collectif,  quelque  grande  que  soit 
l'influence  réciproque  que  les  individus  appartenant  à  cet 
être  collectif,  exercent  l'un  sur  l'autre.  La  maturité  tient 
aussi  toujours  au  physique,  et  l'on  peut  dire  qu'une  nation, 
quoique  des  causes  physiques  influent  sur  l'affinité  de  ceux 
qui  la  composent,  ne  forme  un  ensemble  que  dans  un  sens 
moral  et  intellectuel.  Le  développement  de  la  faculté  de 
parler  est  entièrement  lié  au  physique  de  l'homme,  et  tous 
les  enfans,  à  moins  qu'une  organisation  anomale  ne  s'y  op- 
pose, apprennent  à  parler  à  peu  près  au  même  âge,  et  avec 
le  même  degré  de  perfection.     Cette   faculté   s'augmente  et 


349 

s'étend  sans  doute  dans  l'homme  adulte  avec  le  cercle  de 
ses  idées  et  suivant  les  circonstances;  mais  cet  accroisse- 
ment, dépendant  sous  beaucoup  de  rapports  du  hasard,  est 
entièrement  différent  du  premier  développement  de  la  parole, 
qui  arrive  nécessairement  et  par  la  nature  même  des  forces 
intellectuelles.  Les  nations  peuvent  se  trouver  à  différentes 
époques  des  progrès  de  leurs  langues  par  rapport  à  cet  ac- 
croissement, mais  jamais  par  rapport  au  développement  pri- 
mitif. Une  nation  ne  peut  jamais,  pas  même  pendant  Tage 
d'une  seule  génération,  conserver  ce  qu'on  nomme  le  parler 
enfantin*  Or  ce  qu'on  veut  appliquer  à  la  langue  chinoise 
tient  précisément  à  ce  parler,  et  au  premier  développement 
du  langage. 

Je  crois  donc  pouvoir  inférer  de  là  que  les  inductions 
tirées  de  la  manière  de  parler  des  enfans  ne  sont  d'aucune 
force  dans  un  raisonnement  quelconque  sur  la  nature  et  le 
caractère  particulier  des  langues. 

Il  serait  peut-être  plus  naturel  de  parler  d'une  enfance 
des  langues  mêmes,  quoique  l'emploi  de  ce  terme  exigeât 
aussi  beaucoup  de  circonspection.  On  trouve  (et  ce  résultat 
m'a  frappé  dans  le  cours  de  mes  recherches  appliquées  aux 
changemens  d'une  même  langue,  pendant  un  certain  nombre 
de  siècles),  que,  quelque  grands  que  soient  ces  changemens 
sous  beaucoup  de  rapports,  le  véritable  système  grammati- 
cal et  lexicographique  de  la  langue,  sa  structure  en  grand, 
restent  les  mêmes,  et  que  là  où  ce  système  devient  diffé- 
rent, comme  au  passage  de  la  langue  latine  aux  langues 
romanes,  on  doit  placer  l'origine  d'une  nouvelle  langue.  Il 
paraît  donc  y  avoir  dans  les  langues  une  époque  à  laquelle 
elles  arrivent  à  une  forme  qu'elles  ne  changent  plus  essen- 
tiellement. Ce  serait  là  leur  véritable  point  de  maturité; 
mais  pour  parler  de  leur  enfance,  il  faudrait  encore  savoir 
si   elles   atteignent  cette    forme   insensiblement,    ou   si   leur 


350 

premier  jet  n'est  pas  plutôt  cette  forme  même?  Voilà  sur 
quoi,  d'après  l'état  actuel  «le  nos  connaissances,  j'hésiterais 
à  me  prononcer.  Mais,  supposez  aussi  qu'on  pût  attribuer 
aux  langues  un  état  d'enfance,  il  faudrait  toujours  examiner 
par  des  moyens  autres  que  des  inductions  tirées  du  parler 
réel  des  enfans  parmi  nous,  ce  qui  caractérise  les  langues 
dans  cet  état  primitif. 

Ce  qui  rend  tous  les  raisonnemens  de  ce  genre  si  peu 
concluans  et  ce  qui  m'en  détourne  entièrement,  c'est  que 
ni  l'histoire  des  nations  ni  celle  des  langues,  ne  nous  con- 
duit jamais  à  cet  état  du  genre  humain;  il  reste  hypothé- 
tique, et  la  seule  méthode  saine,  dans  toute  recherche  sur 
les  langues,  me  semble  être  celle  qui  s'éloigne,  aussi  peu 
que  possible,  des  faits.  Je  vais  tacher  de  l'appliquer  à  l'exa- 
men de  l'origine  du  chinois;  mais  je  vous  avoue  ingénue- 
ment,  monsieur,  que  tout  ce  qu'on  a  dit  jusqu'ici  à  ce  sujet, 
et  ce  que  j'en  dirai  moi-même  ici,  ne  me  satisfait  nullement 
encore.  Bien  loin  de  m'imaginer  que  je  puisse  retracer  l'ori- 
gine de  celte  langue  extraordinaire,  je  devrai  me  borner  à 
1'énumération  de  quelques-unes  des  causes  qui  peuvent  avoir 
contribué  à  la  former  telle  que  nous  la  trouvons. 

Vous  avez  établi,  monsieur,  dans  votre  dissertation  sur 
la  nature  monosyllabique  du  chinois,  deux  faits  que  je  re- 
garde comme  fondamentaux  dans  cette  matière,  1.  que  la 
langue  chinoise  doit  son  origine  à  une  peuplade  à  laquelle 
rien  n'autorise  à  supposer  un  degré  de  culture  plus  per- 
fectionné que  l'état  primitif  de  la  société  ne  le  présente  or- 
dinairement; 2.  que  des  langues,  regardées  comme  très-an- 
ciennes et  même  des  langues  de  peuples  de  moeurs  grossières 
et  incultes,  loin  de  ressembler  au  chinois  dans  leur  gram- 
maire, sont  au  contraire  hérissées  de  difficultés  et  de  distinctions 
grammaticales. 

Vous   faites  celte   dernière   observation,    monsieur,    au 


351 

sujet  de  la  langue  laponne.  J'ai  trouvé  la  même  chose  dans 
la  langue  basque,  dans  les  langues  américaines  et  dans  celles 
de  la  mer  Pacifique. 

11  faut  cependant  convenir  que,  sous  quelques  rapports, 
toutes  ces  langues  o firent  aussi  de  grands  points  de  ressem- 
blance avec  le  chinois.  Le  genre  des  mots  n'est  ordinairement 
pas  marqué;  le  pluriel  Test  souvent  de  la  même  manière 
qu'en  chinois.  La  coutume  singulière  d'ajouter,  aux  nombres, 
des  mots  différens  suivant  l'espèce  des  choses  nombrées,  y 
est  à  peu  près  générale;  les  exposans  grammaticaux  sont 
souvent  supprimés  de  manière  que  les  mots  se  trouvent 
placés  sans  liaison  grammaticale,  tout  comme  en  chinois.  Il 
ne  faut  pas  oublier  non  plus  que  nous  ne  connaissons  toutes 
ces  langues  que  par  l'intermédiaire  d'ouvrages  faits  par  des 
hommes  accoutumés  à  un  système  grammat  cal  très -rigou- 
reux, et  qu'il  se  peut  très-bien  qu'ils  représentent  l'emploi 
de  ces  moyens  grammaticaux  comme  constant  et  indispen- 
sable, tandis  que  les  nationaux  n'en  font  peut-être  usage, 
comme  les  Chinois,  que  là  où  l'intelligence  le  rend  absolu- 
ment nécessaire.  Il  faut  enfin  se  tenir  en  garde  contre  l'ap- 
parence grammaticale  qu'une  langue  peut  prendre  quelque- 
fois sous  la  main  de  celui  qui  en  compose  la  grammaire; 
car  il  est  bien  aisé  de  représenter  comme  affixe  et  comme 
flexion,  ce  qui,  considéré  dans  son  véritable  jour,  se  réduit 
en  effet  à  toute  autre  chose. 

Je  craindrais  donc  d'avancer  trop,  en  disant  positivement 
que,  même  parmi  les  langues  que  je  viens  de  nommer,  il 
n'en  existe  aucune  qui  n'offre  un  système  grammatical  très- 
analogue  à  celui  de  la  grammaire  chinoise.  Tout  ce  que  je 
puis  assurer,  c'est  que  je  n'en  ai  pas  trouvé  jusqu'ici.  Les 
analogies  qu'on  rencontre  réellement  entre  ces  langues  et  le 
chinois,  et  j'en  ai  indiqué  quelques-unes,  appartiennent  à  peu 
près  à  toutes  les  langues  primitives  en  général,  et  ont  laissé 


352 

des  traces  même  dans  les  langues  à  formes  grammaticales 
parfaites.  Ne  forme-t-on  pas,  dans  la  langue  samscrite,  un 
prétérit  par  le  moyen  du  mot  sma,  qui  n'est  pas  même  de- 
venu un  affîxe,  et  en  grec  un  conjonctif  par  l'indicatif  du 
verbe  et  la  particule  av2  Les  langues  que  j'ai  désignées  sous 
le  nom  d'imparfaites,  se  trouvant  placés  entre  le  chinois  et 
les  autres  langues,  elles  doivent  nécessairement  conserver 
une  certaine  analogie  avec  ces  deux  classes;  mais  ce  qui 
décide  la  question  de  la  différence  du  chinois  et  de  ces 
langues,  c'est  que  la  structure  et  l'organisation  du  chinois 
en  diffère  généralement,  et  jusque  dans  son  principe  même. 
J'ai  parlé  plus  haut  de  l'habitude  des  nations  d'attacher,  sou- 
vent en  se  répétant,  des  idées  accessoires  à  l'idée  principale, 
et  j'ai  émis  l'opinion  que  c'est  de  cette  habitude  surtout  que 
dérivent  un  grand  nombre  de  formes  grammaticales.  Or,  la 
langue  chinoise   offre  bien  peu  de  traces  de  cette  habitude. 

J'ai  lu,  il  y  a  quelques  années,  à  1  académie  de  Berlin, 
un  mémoire  qui  n'a  pas  été  imprimé,  dans  lequel  j'ai  com- 
paré la  plupart  des  langues  américaines  entre  elles,  sous 
l'unique  rapport  de  la  manière  dont  elles  expriment  le  verbe, 
comme  liaison  du  sujet  avec  l'attribut  dans  la  proposition, 
et  je  les  ai  rangées,  sous  ce  point  de  vue,  en  différentes 
classes.  Comme  cette  circonstance  prouve  jusqu'il  quel  point 
une  langue  possède  des  formes  grammaticales,  ou  du  moins 
est  près  d'en  posséder,  elle  décide  de  la  grammaire  entière 
d'une  langue.  Or,  parmi  toutes  celles  que  j'ai  examinées 
dans  ce  travail,  il  n'y  en  a  aucune  qui  soit  semblable  à  la 
langue  chinoise. 

Presque  toutes  ces  langues,  pour  alléguer  une  autre 
circonstance  également  importante,  ont  des  pronoms  affixes 
à  côté  de  pronoms  isolés.  Cette  distinction  prouve  que  les 
premiers  accompagnent  habituellement  les  noms  et  le  verbe; 
car  si  ces  affixes    ne    sont   que  les  pronoms  abrégés,   cela 


353 

même  montre  qu'on  en  fait  un  usage  extrêmement  fréquent, 
et  si  ce  sont  des  pronoms  différens,  on  voit  par  là  que  ceux 
qui  parlent,  regardent  l'idée  pronominale  d'un  autre  point 
de  vue,  lorsqu'elle  est  placée  isolément,  et  lorsqu'elle  est 
jointe  au  verbe  ou  au  substantif.  Le  chinois  n'offre  que  le 
pronom  isolé,  qui  ne  change  ni  de  son  ni  de  caractère  en 
se  joignant  à  d'autres  mots.  La  langue  chinoise  possède,  à 
la  vérité,  aussi  des  mots  grammaticaux  qu'elle  qualifie  de 
mots  vides,  mais  qui  n'ont  pas  pour  but  de  déterminer  pré- 
cisément la  nature  du  mot  qu'ils  accompagnent,  et  qui  peuvent 
si  souvent  être  omis,  qu'il  est  évident  que  dans  la  pensée  même, 
ils  ne  se  joignent  pas  régulièrement  à  ceux  avant  ou  après 
lesquels  on  les  trouve,  et  c'est  seulement  sur  un  emploi 
constant  et  régulier  que  peut  se  fonder  la  dénomination  de 
forme  grammaticale.  J'avoue  que  par  cette  raison  et  par 
d'autres  encore,  je  ne  crois  pas  qu'on  doive  donner  aux  par- 
ticules chinoises  le  nom  d'affîxes,  quoique  j'énonce  avec  une 
grande  hésitation,  une  opinion  qui  est  contraire  à  celle  que 
vous  avez  émise  à  ce  sujet,  monsieur,  dans  votre  disserta- 
tion latine. 

Il  y  a,  à  la  vérité,  encore  une  réflexion  à  faire  sur  la 
comparaison  du  chinois  avec  les  langues  américaines  en  par- 
ticulier. Bien  des  raisons  portent  à  croire  que  les  nations 
sauvages  des  deux  Amériques  ne  sont  que  des  races  dégra- 
dées, ou  d'après  une  expression  heureuse  de  mon  frère,  des 
débris  échappés  à  un  naufrage  commun.  La  Relation  hi- 
storique du  voyage  de  mon  frère,  si  riche  en  notices  sur 
les  langues  américaines  et  en  idées  profondes  sur  les  langues 
en  général,  renferme  une  foule  d'indices  qui  conduisent  tous 
à  cette  supposition.  Si  donc  ces  langues  se  sont  éloignées 
par  un  grand  nombre  de  changemens  de  leur  premier  état, 
s'il  faut  les  regarder  comme  des  idiomes  corrompus,  estro- 
piés, mélangés  et  altérés  de  toutes  les  manières,  la  différence 
vu.  23 


354 

qui  les  sépare  des  Chinois  ne  prouverait  rien  contre  l'opi- 
nion qui  ferait  de  la  grammaire  chinoise,  pour  ainsi  dire» 
la  grammaire  primitive  du  genre  humain.  J'avoue,  néan- 
moins, que  ce  raisonnement  même  ne  me  semble  guère  con- 
cluant. Celles  des  langues  américaines  que  nous  connaissons 
le  plus  parfaitement,  possèdent  une  grande  régularité  et  bien 
peu  d'anomalies  dans  leur  structure;  leur  grammaire,  au 
moins,  n'offre  pas  de  traces  visibles  de  mélange,  ce  qui  peut 
très-bien  s'expliquer,  malgré  les  vicissitudes  auxquelles  les 
peuplades  paraissent  avoir  été  exposées.  Le  chinois  diffère 
tout  autant  des  autres  langues  peu  cultivées,  que  de  celles 
de  la  mer  du  sud  et  de  tout  l'hémisphère  occidental.  Or, 
les  nations  qui  parlent  ces  langues  auraient-elles  toutes  été 
sous  l'empire  des  mêmes  circonstances  que  les  Américains? 
et  par  quel  accident  bizarre  la  nation  chinoise  aurait- elle 
conservé  à  elle  seule  une  prétendue  pureté  primitive?  J'a- 
voue que,  bien  loin  de  croire  que  la  grammaire  chinoise 
forme,  pour  ainsi  dire,  le  type  du  langage  humain,  déve- 
loppé dans  le  sein  d'une  nation  abandonnée  à  elle-même, 
je  Ja  range  au  contraire  parmi  les  exceptions.  Je  suis,  néan- 
moins, bien  loin  de  nier  que  la  circonstance  qui  fait  que  les 
Chinois,  depuis  que  nous  les  connaissons,  n'ont  pas  subi  de 
grandes  révolutions  par  des  migrations  de  peuples  avec  les- 
quels ils  auraient  été  forcés  de  s'amalgamer,  puisse  et  doive 
avoir  influé  sur  la  structure  de  leur  langage. 

La  langue  chinoise  manquant  de  flexions,  doit  avoir 
commencé  comme  toutes  les  autres  langues  qui  se  trouvent 
dans  le  même  cas,  et  dans  lesquelles  des  mots,  exprimant 
originairement  des  idées  accessoires,  sont  devenus  les  expo- 
sans  de  formes  grammaticales.  Cela  est  même  prouvé,  en 
quelque  sorte,  par  les  analogies  qui  se  trouvent  entre  elles 
et  les  langues  qu'on  nomme  barbares;  mais  pourquoi,  en 
ayant  les  moyens  comme  les  autres,  n'a-t-elle  pas  poursuivi 


355 

de  même?  Pourquoi  n'a-t-elle  pas  changé  insensiblement  ses 
mois  grammaticaux  en  affixes,  pour  faire  enfin  de  ces  af- 
fixes des  flexions?  Si  Ton  considère  d'un  côté  l'analogie  du 
chinois  avec  des  langues  grossières,  de  l'autre  sa  nature  en- 
tièrement différente  et  à  plusieurs  égards  égale  à  celle  des 
langues  les  plus  parfaites,  on  croit  voir  qu'il  y  a  eu  une 
cause  quelconque  qui  l'a  détourné  de  la  marche  routinière 
des  langues,  pour  s'en  former  une  nouvelle.  Quelle  a  été 
cette  cause?  comment  un  pareil  changement  a-t-il  pu  avoir 
lieu?  Voilà  ce  qui  est  difficile,  sinon  impossible,  à  expliquer. 

L'écriture  chinoise  exprime,  par  un  seul  signe,  chaque 
mot  simple  et  chaque  partie  intégrante  des  mots  composés; 
elle  convient  parfaitement,  par-là  même,  au  système  gram- 
matical de  la  langue.  Cette  dernière  présente,  en  conséquence 
avec  son  principe,  un  triple  isolement,  celui  des  idées,  des 
mots,  et  des  caractères.  Je  suis  entièrement  de  votre  opi- 
nion, monsieur,  et  je  pense  que  les  savans  qui  se  sont  presque 
laissé  entraîner  à  oublier  que  le  chinois  est  une  langue  par- 
lée, ont  tellement  exagéré  l'influence  de  l'écriture  chinoise, 
qu'ils  ont,  pour  ainsi  dire,  mis  l'écriture  à  la  place  de  la 
langue.  Le  Chinois  a  certainement  existé  avant  qu'on  ne  l'ait 
écrit,  et  on  n'a  écrit  que  comme  on  a  parlé.  L'écriture  chi- 
noise n'aurait  d'ailleurs  présenté  aucune  difficulté  à  l'emploi 
de  préfixes  et  de  suffixes,  elle  serait  devenue,  par  cet  em- 
ploi, syllabique,  dans  un  plus  grand  nombre  de  cas  qu'elle 
ne  l'est  à  présent.  Des  changemens,  même  dans  l'intérieur 
d'une  syllabe,  auraient  pu  s'indiquer  par  le  moyen  de  signes 
analogues  à  ceux  qu'on  emploie  pour  marquer  les  change- 
mens de  tons. 

Mais  il  n'en  est  pas  moins  vrai,  pourtant,  que  cette  écri- 
ture a  dû  influer  considérablement,  et  doit  influer  encore  sur 
l'esprit,  et  par-là  également  sur  la  langue  des  Chinois.  L'i- 
magination  jouant  un  si  grand  rôle   dans   tout   ce  qui  tient 

23* 


356 

au  langage,  le  genre  d'écriture  qu'adopte  une  nation,  n'est 
jamais  indifférent.  Les  caractères  forment  une  image  de  plus, 
de  laquelle  se  revêtent  les  idées,  et  cette  image  s'amalgame 
avec  l'idée  même,  chez  ceux  qui  font  un  usage  fréquent  de 
ces  caractères.  Dans  récriture  alphabétique,  cette  influence 
est  plutôt  négative.  L'image  de  signes  qui  ne  disent  rien 
par  eux-mêmes,  ou  ne  se  présente  guère,  ou  ramène  au  son, 
qui  est  la  véritable  langue.  Mais  les  caractères  chinois  doivent 
souvent  et  puissamment  contribuer  à  faire  sentir  les  rapports 
des  idées  et  à  affaiblir  l'impression  des  sons  La  multiplicité 
des  sons  homophones  invite  nécessairement  les  personnes 
lettrées  à  se  représenter  toujours  en  même  tems  la  langue 
écrite,  libre  des  embarras  qu'ils  doivent  causer.  L'étymolo- 
gie  qui  fait  découvrir  l'affinité  des  idées  dans  les  langues, 
est  naturellement  double  en  chinois,  et  repose  en  même  tems 
sur  les  caractères  et  sur  les  mots;  mais  elle  n'est  bien  évi- 
dente et  manifeste  que  dans  les  premiers.  Il  me  semble 
qu'on  s'est  encore  bien  peu  occupé  de  celle  des  mots;  mais 
je  conçois  que  les  recherches  à  faire  dans  ce  but,  doivent 
être  infiniment  difficiles ,  à  cause'  de  la  simplicité  des  mots 
qui  se  refusent  à  l'analyse.  Les  caractères,  au  contraire,  sont 
presque  tous  composés;  les  parties  qui  les  constituent  sautent 
aux  yeux,  et  leur  composition  a  été  faite  suivant  les  idées 
de  leurs  inventeurs,  idées  dont  on  a  eu  soin,  dans  un  grand 
nombre  de  cas,  de  conserver  la  mémoire.  Cette  composition 
des  caractères  entre  même  dans  les  beautés  du  style,  ainsi 
que  vous  l'observez,  monsieur,  dans  vos  Elémens  ').  Je  crois 
pouvoir  supposer,  d'après  ces  données,  qu'en  parlant  et  même 
en  pensant,  les  caractères  de  l'écriture  sont  très-souvent  pré- 
sens à  ceux  qui,  parmi  les  Chinois,  savent  lire  et  écrire;  et 
s'il  en  est  ainsi,   on  refuserait   en   vain    à  l'écriture  chinoise 

')  Pag.  81. 


357 

une  très-grande  influence,  même  sur  la  langue  parlée.  Cette 
influence  doit  consister,  en  général,  à  détourner  l'attention 
des  sons  et  des  rapports  qui  existent  entre  eux  et  les  idées; 
et  comme  Ton  ne  met  point  à  la  place  du  son  l'image  d'un 
objet  réel  (comme  dans  les  hiéroglyphes),  mais  un  signe 
conventionnel,  choisi  à  cause  de  sa  relation  avec  l'idée 
l'esprit  doit  se  tourner  entièrement  vers  l'idée.  Or,  c'est  là 
précisément  ce  que  fait  la  grammaire  chinoise  en  diminuant, 
par  l'absence  des  affixes  et  des  flexions,  le  nombre  des  sons 
dans  le  discours,  et  en  faisant  trouver  à  l'esprit,  presque 
dans  chaque  mot,  une  idée  capable  de  l'occuper  à  elle  seule. 
Ceux  qui  s'étonnent  que  les  Chinois  n'adoptent  point  récri- 
ture alphabétique,  ne  font  attention  qu'aux  inconvéniens  et 
aux  embarras  auxquels  l'écriture  chinoise  expose;  mais  ils 
semblent  ignorer  que  l'écriture  en  Chine  est  réellement  une 
partie  de  la  langue,  et  qu'elle  est  intimement  liée  à  la  ma- 
nière dont  les  Chinois,  en  partant  de  leur  point  de  vue, 
doivent  regarder  le  langage  en  général.  Il  est,  selon  l'idée 
que  je  m'en  forme,  à  peu  près  impossible  que  cette  révolu- 
lion  s'opère  jamais. 

Si  la  littérature  d'une  nation  ne  devance  pas  l'adoption 
de  l'écriture,  elle  l'accompagne  d'ordinaire  immédiatement, 
et  il  est  plus  probable  encore  que  tel  a  été  le  cas  en  Chine, 
puisque  le  genre  d'écriture  qu'on  y  a  adopté,  prouve  par 
lui-même  un  travail  qu'on  peut  nommer,  en  quelque  façon, 
philosophique.  Cette  circonstance,  jointe  aux  rapports  que 
les  caractères  chinois  invitent  à  chercher  entre  leur  compo- 
sition et  les  idées  qu'ils  expriment,  et  à  la  conformité  de 
cette  écriture  avec  le  système  grammatical  de  la  langue, 
semblerait  expliquer  comment  la  langue  chinoise  aurait  pu, 
sans  qu'on  y  trouve  des  traces  d'un  état  intermédiaire,  pas- 
ser du  point  où  elle  a  du  contracter  les  analogies  qu'elle 
offre  avec  des  langues  très-imparfaites,  à  une  forme  qui  se 


358 

prête  au  plus  haut  développement  des  facultés  intellectuelles- 
Car  le  phénomène  quelle  présente  consiste,  en  effet,  à  avoir 
changé  une  imperfection  en  vertu. 

Mais  je  douterais  néanmoins  qu'on  pût  trouver  la  cause 
du  système  particulier  de  la  langue  chinoise  dans  cette  in- 
fluence de  son  écriture  sur  la  langue.  Quoique  l'art  d'écrire 
remonte  en  Chine,  ainsi  que  vous  le  dites,  monsieur,  dans 
votre  analyse  de  l'ouvrage  de  M.  Klaproth  sur  l'inscription 
de  Yu,  à  plus  de  quarante  siècles,  il  doit  cependant  néces- 
sairement s'être  écoulé  un  certain  espace  de  tems  où  le 
chinois  était  parlé  sans  être  écrit.  Même  lorsqu'il  le  fut,  la 
première  écriture  paraît  avoir  été  hiéroglyphique,  et  en  con- 
séquence d'une  nature  différente  de  celle  d'aujourd'hui.  11 
faut  donc  nécessairement  que  dès  lors  le  caractère  de  la 
langue  ait  pris  une  certaine  forme.  Si  cette  forme  était  ana- 
logue à  celle  de  la  plupart  des  langues,  si  les  Chinois  étaient 
portés  à  entremêler  leurs  phrases  de  signes  uniquement  de- 
stinés à  marquer  les  rapports  des  idées,  si,  sans  leur  écri- 
ture, leur  langue  avait  du  se  développer  à  l'instar  des  autres 
langues,  je  ne  crois  pas  que  ses  caractères,  formant  des 
groupes  d'idées,  l'eussent  arrêtée  dans  cette  marche.  C'est 
au  contraire  l'écriture  qui  aurait  été  adaptée  à  cette  direction 
de  l'esprit  national,  et  nous  avons  vu  qu'elle  en  possède  les 
moyens.  Mais  si,  comme  je  le  crois  très-positivement,  la 
langue  avait  déjà  cette  forme  avant  l'écriture;  et  si  la  na- 
tion, dès  lors  avare  de  sons,  en  faisait  le  plus  sobre  usage 
possible,  en  plaçant  les  mots,  signes  des  idées,  sans  liaison, 
l'un  à  côté  de  l'autre,  le  phénomène  qui  nous  occupe  exis- 
tait déjà  avant  l'écriture,  et  demande  une  autre  explication. 
Tout  ce  que  l'écriture  a  pu  faire  est,  à  mon  avis,  de  con- 
firmer l'esprit  national  dans  la  pente  vers  ce  genre  d'expres- 
sion des  idées,  et  voilà  ce  qu'elle  me  parait  avoir  fait,  et 
faire  encore  à  un  très-haut  degré. 


359 

Je  serais  plutôt  porté  à  chercher  une  des  causes  prin- 
cipales  de  la    structure   particulière    de   la   langue  chinoise 
dans  sa  partie  phonétique.  Vous  avez,  on  ne  peut  pas  mieux, 
prouvé,  monsieur,  que  c'est  entièrement  à  tort  qu'on  nomme 
cette  langue  monosyllabique.  J'avoue  que  cette  division  des 
langues   d'après  le  nombre   des   syllabes   de  leurs  mots,  ne 
m'a  jamais  paru  ni  juste,  ni  conforme  à  une  saine  philoso- 
phie.   Toutes  les  langues   ont   probablement  été  monosylla- 
biques  dans  leur   principe,   puisqu'il   n'y   a  guère   de   motif 
pour  désigner,  tant  que  les  mots  simples  suffisent  au  besoin, 
un   seul   objet   par  plus    d'une   syllabe;   mais   il   paraît  plus 
certain  encore  qu'aucune  langue    ne   se    trouve   plus  à  pré- 
sent dans  ce  cas,  et  s'il  y  en  avait  une  réellement,  cela  ne 
serait  qu'accidentel,    et  ne  prouverait  rien  pour   sa   nature 
particulière.     Il  est  néanmoins  de  fait   que  la  qualité  mono- 
syllabique des  mots  forme  la  règle  dans  la  langue  chinoise, 
et  je  ne  me  souviens  pas   d'avoir   trouvé  nulle  part,    si   les 
Chinois  en  prononçant  un  mot  polysyllabique    comprennent 
ses  différentes  syllabes   sous   un  même  accent   ou   non;   car 
l'unité  du  mot  est  constituée  par  l'accent.    Sans  cette  règle 
constante  la  répartition  de  plusieurs  syllabes  dans  un  même 
ou   dans  différens   mots  serait  arbitraire;    ce  ne  serait  plus 
qu'une  affaire  d'orthographe  que  de  compter  un  substantif  et 
son  affixe  pour  deux  mots,    ou   de  le  comprendre    sous  un 
seul.  Mais  quoique  l'accent  réunisse  indubitablement  les  syl- 
labes pour  en  former  le  mot,  l'utilité  de  cette  règle  devient 
à  peu  près   nulle  dans  les   langues   dont   l'accentuation    est 
entièrement  ignorée  comme  celle  du  samscrit,  ou  du  moins 
imparfaitement  connue.     Il  est  quelquefois  difficile  aussi   de 
juger  de  l'accent,    puisque  le  même  mot  peut  avoir  un  ac- 
cent   secondaire   à    coté   de   l'accent  principal,   et  qu'il   faut 
distinguer  exactement  ces  différens  accens.    Il  n'en  est  cepen- 
dant pas  moins  indispensable  detacher  de  fixer  ce  qui,  dans 


360 

une  langue,  est  compris  dans  un  même  mot,  ou  séparé  en 
plusieurs,  et  souvent  cette  recherche  est  au  moins  facilitée 
par  d'autres  circonstances  qu'il  serait  trop  long  d'énumérer 
ici.  Mais  ce  qui,  dans  le  système  phonétique  chinois,  me 
paraît  plus  remarquable  que  l'abondance  des  monosyllabes, 
c'est  le  nombre  restreint  des  mots  en  général.  Ce  n'est  pas 
que  les  autres  langues  eussent  peut-être  un  plus  grand 
nombre  de  syllabes  vraiment  primitives,  mais  c'est  que  les 
Chinois  n'ont  pas  diversifié,  mêlé  et  composé  ces  syllabes 
suffisamment  pour  se  mettre  par  là  en  possession  d'une  grande 
richesse  ou  variété  de  sons  (22). 

C'est  en   quoi  les  nations   me  semblent  différer  essen- 
tiellement,  et  cette  disposition  naturelle  à   des  sons  mono- 
tones ou  variés,   pauvres  ou  riches,    plus  ou  moins  harmo- 
nieux,   est   de  la    plus   grande  influence   sur  la  nature  des 
langues.  Elle  tient  à  l'organisation  physique  et  aux  facultés 
sensitives;  elle  décide  des  propriétés  des  langues,  conjointe- 
ment avec  ce  qui,    dans   les    facultés    supérieures   de  Fame, 
répond  à  la  partie  du  langage  liée  aux  idées.    La  pauvreté 
des  Chinois,  en  fait  de  sons,  jointe  à  l'aridité  et  à  la  séche- 
resse qu'on  leur  reproche,   peuvent   avoir  produit  dans  leur 
langue,   comme  imperfection,    ce  qu'un    talent  heureux  de 
manier  méthodiquement  les  idées,    peut  avoir  changé  après 
en  avantage.  Mais  une  telle  pauvreté  de  sons  une  fois  sup- 
posée,  le  système  presque   monosyllabique   une  fois  arrêté, 
l'esprit  chinois  a  du  être  affermi   dans  l'une  et  dans  l'autre, 
par   la   nature   particulière    de   l'écriture,    qui,    à    ce   que  je 
crois  avoir  prouvé,  est  devenue  inhérente  à  la  langue  même. 
Comme  elle  offre  un  moyen  d'en  multiplier    les  signes  sans 
multiplier  les  sons,   elle   doit  dans  l'état  actuel  de  la  civili- 
sation chinoise,  et  depuis  le  tems  où  elle  est  devenue  très- 
généralement  répandue,  entrer  pour  beaucoup  dans  l'expres- 
sion des  idées. 


361 

La  richesse  et  la  variété  des  sons  dans  les  langues, 
tient  très-certainement  à  l'organisation  physique  et  aux  dis- 
positions intellectuelles  des  nations,  mais  elle  résulte  peut- 
être  encore  davantage  du  contact  et  de  l'amalgame  de  di- 
verses peuplades  entr'elles.  L'affluence  de  cette  matière 
première  des  langues  s'explique  beaucoup  plus  naturellement 
par  un  concours  de  causes  accidentelles,  parmi  lesquelles 
les  migrations  et  les  réunions  de  différentes  peuplades  sont 
les  plus  efficaces,  que  par  les  progrès  de  l'esprit  inventeur 
des  nations.  L'exemple  des  Chinois  eux-mêmes  prouve  qu'un 
peuple  accommode  plutôt,  par  toute  sorte  d'artifices  ingénieux, 
un  petit  nombre  de  mots  à  ses  besoins,  qu'il  ne  pense  à 
l'augmenter  et  à  l'étendre.  L'isolement  des  nations  n'est  donc 
jamais  salutaire  aux  langues.  Il  empêche  évidemment  la  ré- 
union d'une  grande  masse*  de  mots,  de  locutions  et  de  formes, 
qui  est  absolument  nécessaire  pour  que  l'heureuse  disposi- 
tion d'une  des  peuplades  qui  la  possèdent,  puisse  insensible- 
ment en  former  une  langue  vaste,  riche  et  variée.  L'ordre 
systématique,  l'expression  significative  et  heureuse  des  idées, 
la  convenance  des  formes  grammaticales  avec  le  besoin  du 
discours,  et  tout  ce  qui  est  organisation  et  structure,  vient 
sans  doute  des  dispositions  intellectuelles  des  nations  ;  mais 
la  matière,  la  masse  des  sons  et  des  mots,  soumise  à  leur 
travail,  est  due  au  concours  de  ces  causes,  qui  unissent  et 
séparent,  mêlent  et  isolent  les  nations,  causes  qui  certaine- 
ment sont  dirigées  par  des  lois  générales,  mais  que  nous 
nommons  fortuites,  pareeque  nous  en  ignorons  l'ordre  et  l'en- 
chaînement. Comme  aussi  l'état  de  nos  connaissances  ne 
nous  permet  jamais  de  remonter  à  l'origine  première  des 
langues,  nous  ne  parvenons  tout  au  plus  qu'à  l'époque  où 
les  langues  se  transforment  et  se  recomposent  d'idiomes  et 
de  dialectes,  qui  ont  existé  long-lems  avant  elles. 


362 

La  langue  chinoise  n'est  pas  exempte  de  mots  étran- 
gers, elle  en  renferme  même,  d'après  vos  recherches,  mon- 
sieur, un  nombre  assez  considérable  ').  Mais  l'histoire  de  la 
Chine  prouve  que  le  développement  social  de  la  nation, 
depuis  que  nous  la  connaissons,  n'a  guère  été  altéré  par 
de  grandes  révolutions  extérieures,  par  des  incursions  d'au- 
tres nations,  venues  pour  s'établir  dans  son  sein,  ou  par  un 
mélange  quelconque,  qui  eut  pu  avoir  une  influence  marquée 
sur  sa  langue.  Il  n'est  guère  probable  non  plus  qu'une  pa- 
reille influence  ait  pu  venir  des  nations  barbares  qui  habi- 
taient le  pays  du  tems  de  l'arrivée  des  premières  colonies 
chinoises.  Si  ces  colonies,  ainsi  qu'on  l'avance,  ne  se  com- 
posaient guère  que  d'environ  cent  familles  '),  si  elles  se  sont 
conservées  pendant  une  longue  suite  de  siècles  sans  altéra- 
tion notable  de  leurs  moeurs,  de  leurs  usages  et  de  leur 
idiome,  si  enfin  l'écriture  date  de  l'origine  même  de  la  mo- 
narchie, dont  ces  colons  furent  les  fondateurs,  ces  faits  histo- 
riques réunis  serviraient  sans  doute  à  expliquer  le  nombre 
limité  des  signes  de  la  langue  parlée  de  la  Chine,  et  même 
l'absence  de  ces  sons  accessoires,  qui  forment  les  affixes  et 
les  flexions  des  autres  langues. 

Mais  si  l'on  parvient  ainsi  à  jeter  quelque  jour  sur  l'o- 
rigine de  ce  qu'on  peut  nommer  les  imperfections  de  la 
langue  chinoise,  on  n'en  reste  pas  moins  embarrassé  de 
rendre  compte  de  l'empreinte  philosophique,  de  l'esprit  mé- 
ditatif, qui  se  manifeste  évidemment  dans  la  structure  en- 
tière de  cette  langue  extraordinaire.  On  comprend  en  quelque 
façon  par  quelles  raisons  elle  n'a  pas  atteint  les  avantages 
que  nous  rencontrons,  plus  ou  moins,  dans  presque  toutes 
les  autres  langues;   mais    on   conçoit  beaucoup  moins  com- 


')  Fundgruben  des  Orients.     Th.  3.  S.  285,  no  6. 
)  Tableaux  bist,  de  l'Asie,  par  M.  Klaprotli,  p.  30. 


363 

ment  elle  a  réussi  à  gagner  des  perfections,  qui  n'appar- 
tiennent qu'à  elle  seule.  Il  est  vrai,  cependant,  que  l'anti- 
quité de  l'écriture,  et  même  de  la  littérature,  en  Chine, 
éclaircit  en  quelque  façon  cette  question.  Car  quoique  la 
structure  grammaticale  de  la  langue  ait  très-certainement 
devancé  de  beaucoup  et  la  littérature  et  l'écriture,  ce  qui 
forme  le  fond  essentiel  de  cette  structure  aurait  pu  appar- 
tenir à  une  nation  grossière  et  peu  civilisée,  et  la  teinte 
philosophique  que  nous  y  voyons  maintenant,  a  pu  y  être 
ajoutée  par  des  hommes  supérieurs.  Cet  avantage  ne  re- 
pose pas  sur  de  nouvelles  formes  d'expression,  dont  on  eût 
enrichi  la  langue  (ce  qui  aurait  exigé  le  concours  de  la 
nation  entière),  mais  consiste  beaucoup  plus  dans  un  usage 
à  la  fois  judicieux  et  hardi  des  moyens  quelle  possédait 
déjà,  ce  qui  s'explique  facilement,  si  l'on  se  rappelle  que 
la  plus  grande  partie  de  la  grammaire  chinoise  est  sous- 
entendue. 

Vous  vous  serez  aperçu,  monsieur,  que  j'ai  fondé  tout 
ce  que  j'ai  osé  avancer  sur  la  langue  chinoise,  uniquement 
sur  le  style  antique,  sans  faire  une  mention  particulière  du 
style  moderne.  11  ne  me  paraît  pas  non  plus  que  ce  der- 
nier diffère  du  premier  de  manière  à  pouvoir  altérer  un  rai- 
sonnement fondé  sur  l'analyse  du  langage  et  de  la  littéra- 
ture vraiment  classiques  de  la  Chine. 

Il  est  vrai  qu'un  passage l)  de  vos  Recherches  sur  les 
langues  t  art  ares,  monsieur,  pourrait  au  premier  abord  en 
donner  une  idée  différente.  Mais  en  l'examinant  avec  plus 
d'attention,  et  en  étudiant  vos  Elemens,  on  s'aperçoit  qu'on 
comprendrait  bien  mal  le  sens  de  ce  passage,  si  l'on  pre- 
nait le  style  moderne,  pour  ainsi  dire,  pour  une  autre  langue, 
ou    même   pour   une    transformation    très-essentielle    de    la 

')  Pag.  11  y. 


364 

langue  primitive.  En  commentant  à  parler  du  style  mo- 
derne dans  votre  grammaire,  vous  posez  pour  base  que  le 
caractère  propre  de  la  langue  chinoise  est  le  même  dans 
les  deux  styles,  et  si  je  compare,  chapitre  par  chapitre,  ce 
que  vous  dites  des  deux  styles,  je  trouve  que  la  structure 
grammaticale  est  la  même  dans  l'un  et  dans  l'autre.  Le 
style  moderne  ne  désigne  pas  plus  clairement  que  l'antique, 
la  véritable  forme  du  verbe  lléchi  ;  il  n'a  pas  non  plus  d'af- 
iixes,  ni  de  flexions;  il  fait  usage  de  la  même  particule  1i, 
pour  la  construction  du  verbe  et  du  substantif;  il  fait  rare- 
ment usage  des  exposans  des  tems  et  des  modes  des  ver- 
bes; il  supprime  moins  fréquemment,  mais  très-souvent  en- 
core, les  autres  liaisons  grammaticales;  et  la  plus  grande 
différence  qu'il  offre  avec  le  style  antique,  consiste  dans  le 
grand  nombre  de  mots  composés,  qui  pourtant  ne  sont 
pas  entièrement  étrangers  non  plus  à  ce  dernier.  Il  se 
distingue,  ainsi  que  vous  le  dites,  monsieur,  par  une  grande 
clarté  et  facilité,  et  c'est  là  proprement  en  quoi  il  a  ap- 
porté un  changement  utile  à  l'ancienne  langue;  mais  il 
atteint  cet  avantage  en  se  tenant  dans  les  mêmes  limites 
qu'elle.  Aussi  dans  le  style  moderne,  la  langue  chinoise 
possède  pas  proprement  des  formes  grammaticales,  ou  du 
moins  ne  fonde  point  sa  grammaire  sur  ces  distinctions; 
elle  n'attribue  point  aux  mots  les  signes  des  catégories  aux- 
quelles ils  appartiennent  dans  l'enchaînement  du  discours, 
mais  dans  tous  ces  points,  et  sous  tous  ces  rapports,  elle 
s'éloigne  des  autres  langues  que  nous  connaissons.  Voilà 
au  moins  l'idée  que  j'ai  pu  m'en  former,  d'après  les  phrases 
citées  dans  vos  Element,  monsieur,  et  d'après  quelques  pa- 
ges d'un  roman,  dont  je  liens  la  copie  et  la  traduction  de 
la  bonté  de  M.  Schulz. 

Je  termine  ici  ma  lettre  monsieur,  dans  la  juste  crainte 
de    vous   avoir   fatigué   par    la    longueur   de    mes  réflexions. 


365 

Mais  le  phénomène  que  présente  la  langue  chinoise  est  trop 
remarquable,  il  est  trop  important  pour  l'étude  de  la  gram- 
maire comparative  des  langues  de  l'examiner  avec  soin,  pour 
que  je  n'aie  pas  dû  désirer  de  donner  à  mes  idées  tous  les 
développemens  dont  je  les  ai  crues  susceptibles.  Je  regar- 
derais non  seulement  comme  une  marque  infiniment  pré- 
cieuse de  votre  bienveillance  amicale,  monsieur,  mais  comme 
un  véritable  service  rendu  à  la  science,  que  vous  voulussiez 
bien  me  dire,  si  l'idée  que  je  me  suis  formée  de  la  langue 
chinoise  est  juste,  ou  si  une  étude  approfondie  de  cette 
langue  fournit  des  données  qui  conduisent  à  d'autres  résul- 
tats. J'ose  appeler  également  votre  attention  sur  les  idées 
générales  dans  lesquelles  j'ai  dû  entrer.  Le  jugement  que 
vous  en  porterez  sera  du  plus  grand  poids  pour  moi,  et  je 
ne  vous  dissimule  point  que  je  vous  les  soumets  avec  d'au- 
tant plus  d'hésitation  que  dans  la  marche  que  je  me  suis 
proposé  de  tenir,  en  appuyant  mon  raisonnement  toujours 
sur  des  faits,  il  est  facile  de  se  laisser  entraîner  à  modeler 
ses  idées  générales  d'après  la  langue  qu'on  vient  d'analyser, 
et  de  s'exposer  au  danger  de  former  un  nouveau  système, 
si  l'on  en  venait  à  l'examen  d'une  nouvelle  langue. 

Veuillez,  monsieur,   agréer  l'assurance  de  ma  considé- 
ration la  plus  sentie  et  la  plus  distinguée. 


A  Berlin,  ce  7  mars  1826. 


Guillaume  de  Humboldt. 

t 


366 


Observations  sur  quelques  passages  de  la  lettre 
précédente.      Par  M.  A.-R. 


Page  297. 


(1)  Cette  première  assertion  est  incontestable,  si  l'on  veut 
bien  admettre  qu'un  terme  chinois  est  toujours  susceptible  du  sens 
substantif,  déterminatif  (adjectif)  et  verbal,  et  peut  même  quelque- 
fois devenir  un  simple  exposant  de  rapport:  voilà  l'observation 
dans  toute  sa  généralité.  Cela  n'empêche  pas  qu'il  n'y  ait  un  très- 
grand  nombre  de  mots  dont  l'usage  a  fixé  invariablement  la  signi- 
fication grammaticale,  et  qui  ne  peuvent  en  être  tirés  que  par  une 
opération  particulière.  Cela  seul  prouverait  que  les  Chinois  ont 
dans  l'esprit  une  idée  juste  des  catégories  grammaticales;  mais 
ce  fait  sera,  à  ce  qu'on  espère,  mis  hors  de  doute  un  peu  plus  loin. 

Page  311. 

(2)  Ce  serait  peut-être  un  peu  trop  presser  les  choses  que 
de  vouloir  ainsi  considérer  isolément  les  membres  de  phrases  dont 
la  succession  et  l'apposition  marquent  suffisamment,  selon  le  génie 
de  la  langue,  la  liaison  et  la  dépendance.  On  ne  saurait  opposer 
en  ce  moment  à  l'auteur  ni  la  ponctuation,  ni  les  explications  tra- 
ditionnelles des  commentateurs  qui  se  sont  constamment  attachés 
à  marquer  la  distinction  et  l'enchaînement  des  périodes.  Il  est  en 
droit  de  ne  compter  pour  rien,  dans  la  question  qui  l'occupe  ici, 
ces  moyens  accessoires.  Son  objet  n'est  pas  de  traiter  des  causes 
qui  peuvent  jeter  accidentellement  de  l'obscurité  dans  les  livres, 
mais  de  celles  qui  rendraient  l'obscurité  inhérente  à  la  langue 
même.  Or,  ce  qui  la  prévient  dans  les  exemples  qu'il  cite,  c'est 
l'unité  évidente  des  propositions,  où  un  nombre  indéfini  de  verbes 
peuvent  s'accumuler  sans  autre  effet  que  de  devenir  modificatifs 
les  uns  des  autres,  tant  qu'aucun  sujet  nouveau  ne  se  trouve  in- 
terposé, et  qu'aucun  des  procédés  convenus  ne  vient  marquer  une 
coupe  ou  une  déviation  du  sens  direct.  On  doit  donc,  de  toute 
nécessité,  traduire:  Regimen  ord'inatim  (per  ordinem)  exstul,  etc. 
Valait  plorando  dixit,  etc.  Il  faudrait  faire  violence  à  la  phrase 
pour  la  subdiviser  autrement. 


367 

Page  312. 

(3)  On  pent  répéter  ici  ce  qui  a  déjà  été  énoncé  plus  haut. 
L'apposition  produit  sur  les  phrases  l'effet  qu'elle  produirait  sur 
les  mots.  Celle  qui  se  trouve  placée  dans  la  dépendance  d'une 
autre  phrase,  perd,  par  cela  seul,  sa  qualité  de  proposition  isolée. 
Le  verhe  qu'elle  renferme,  cesse  d'exprimer  une  idée  verbale  pro- 
prement dite,  et  devient  une  expression  modificative  du  verbe  de 
la  proposition  principale.  S'il  est  suivi  d'un  complément,  il  peut 
le  conserver  sans  marquer  autre  chose  qu'un  mode  particulier  de 
l'action  du  verbe  principal  exercée  sur  ce  complément.  Si  cette 
opération  se  répète  fréquemment  sur  le  même  verbe,  l'esprit  s'ac- 
coutume à  ses  résultats,  et  peut  en  venir  à  dépouiller  habituelle- 
ment ce  verbe  de  son  sens  primitif,  pour  n'y  plus  voir  qu'un  terme 
accessoire,  un  véritable  exposant  de  rapports.  C'est  par  ce  pro- 
cédé que  se  sont  formées  certaines  prépositions  chinoises,  comme 
yi  (ci-dessus,  p.  311.  12.),  qui  dans  la  phrase  citée  ne  signifie  vrai- 
ment pas,  il  se  sert,  il  dispose,  mais  doit  être  traduit  par  les  pré- 
positions per  ou  ex,  comme  annonçant  le  moyen,  l'instrument,  et 
ayant  pour  complément  la  chose  employée,  le  nom  même  de  ce 
moyen  ou  de  cet  instrument. 

Page  313. 

(4)  Cette  règle  a  été  donnée  pour  la  première  fois  dans 
l'Essai  sur  la  langue  et  la  littérature  chinoises.  (Paris  1811,  p.  44). 
Mais  il  serait  peu  exact  de  dire,  avec  M.  Morrison,  que  le  ton 
hhin  marque  de  préférence  le  sens  verbal.  Le  changement  de  ton 
indique  une  modification  quelconque  du  sens  primitif,  au  passage 
du  sens  substantif  au  sens  verbal,  ou  vice  versa.  On  peut  s'en 
assurer  en  comparant  les  exemples  qui  eu  ont  été  cités  dans  l'ou- 
vrage en  question,  pag.  46,  106  et  pi.  IVe. 

Ibid. 

(5)  S'il  faut  admettre,  comme  distinction  fondamentale,  la 
nuance  délicate  qui  est  marquée  en  cet  endroit,  entre  un  verbe 
et  un  mot  ayant  une  signification  verbale,  il  paraîtrait  superflu  d'en 
presser  les  conséquences,  et  de  les  appliquer  à  un  idiome  où  les 
verbes  les  mieux  caractérisés  par  leur  sens,  peuvent  toujours,  au 
moyen  d'un  simple  artifice  de  construction  et  sans  aucune  modi- 
fication intrinsèque,  passer  à  l'état  de  nom  d'action.     Sans  doute 


368 

le  mot  wâng,  roi,  une  l'ois  doué,  par  un  changement  d'accent 
(wâng)  du  sens  verbal  de  gouverner,  peut  encore  être  construit  à 
la  manière  des  substantifs,  dans  le  sens  de  gouvernement,  et  pris 
comme  sujet  d'un  autre  verbe,  ou  comme  complément.  Mais  il  se 
passe  alors  quelque  chose  de  tout-à-fait  semblable  à  ce  qui  a  lieu 
dans  nos  langues,  et  même  dans  les  langues  classiques,  quand  nous 
disons  le  boire,  le  manger,  mentiri,    To,  zov,  T<î>  Ityeii',  tivui,  etc. 

Ibid. 

(6)  La  traduction  des  deux  mots  Tchoung-young,  par  immu- 
tabile  medium,  est  véritablement  fautive  et  contraire  aux  iègles 
de  l'analogie  grammaticale.  La  meilleure  manière  de  les  rendre 
serait  de  mettre:  In  medio  constantia,  ou  m  medio  constare.  Mais 
on  n'a  pas  osé  transporter  une  pareille  phrase  sur  le  titre  d'un 
livre  célèbre,  et  l'on  a  cru  devoir  adopter  celle  que  les  mission- 
naires avaient  introduite  depuis  deux  cents  ans.  L'observation  de 
l'auteur  n'en  est  pas  moins  judicieuse  et  tout-à-fait  fondée. 

Page  315. 

(7)  Toutes  ces  incertitudes  peuvent  effectivement  se  présen- 
ter au  sujet  d'une  phrase  que  l'on  considère  isolément,  et  ab- 
straction faite  de  tout  rapport  avec  ce  qui  précède,  et  ce  qui  suit, 
si  cette  phrase  est  incomplète,  s'il  y  manque  quelqu'un  des  termes 
qui  doivent  former  une  proposition  simple  ou  complexe.  Mais 
quelle  est  la  langue  où  cet  inconvénient  ne  se  présente  jamais? 
J'avoue  qu'il  peut  se  rencontrer  en  Chinois,  plus  fréquemment 
qu'en  tout  autre  idiome,  et  la  seule  chose  que  je  puis  assurer, 
c'est  que  dans  toute  phrase  régulière,  on  trouvera,  dans  l'ordre 
où  on  les  énonce  ici,  le  sujet  précédé  de  son  attribut,  le  verbe 
précédé  de  son  terme  modificateur  (adverbe)  le  complément  pré- 
cédé de  son  attribut,  etc. 

Ibid. 

(8)  Sans  doute  un  bon  écrivain,  maître  de  disposer  d'une 
langue  où  de  pareilles  nuances  peuvent  être  observées,  ne  les 
emploiera  pas  indifféremment;  mais  la  question  est  si  ces  nuances 
sont  nécessaires,  et  si  ce  qu'elles  ajoutent  à  l'expression  est  vé- 
ritablement inhérent  à  la  pensée.  L'auteur  avoue  qu'elles  lui 
semblent  assez  indifférentes,  et   que,  dans  l'exemple  cite,  il  suffit 


369 

de  savoir  que  l'individu  dont  il  est  question  a  pleuré  et  parle, 
sans  qu'il  y  ait  d'intervalle  expressément  marqué  entre  ces  deux 
actions.  Je  crois  qu'une  des  meilleures  manières  d'apprécier  le 
degré  d'utilité  de  ces  sortes  de  distinctions  est  d'examiner  ce  qui 
arrive  quand  on  fait  passer  un  texte  écrit  avec  soin  d'une  langue 
qui  les  possède  dans  un  idiome  qui  en  est  privé.  Le  traducteur 
le  plus  consciencieux,  répondrait-il  de  s'astreindre  à  rendre  con- 
stamment un  gérondif  par  une  forme  impersonnelle,  uu  participe 
par  un  adjectif  verbal,  un  adverbe  par  une  expression  modifica- 
tive;  et  s'il  réussissait  à  se  renfermer  scrupuleusement  dans  un 
cercle  si  étroit,  résulterait-il  de  ce  tour  de  force  quelque  avan- 
tage réel  pour  la  fidélité  de  sa  version?  Serait-il  impossible  d'en 
rédiger  une  qui  fût  exacte  dans  une  langue  où  ces  sortes  de  mo- 
difications se  confondent;  en  anglais,  par  exemple,  où  la  même 
forme  du  verbe  désigne  le  nom  d'agent  et  le  nom  d'action?  Si 
ces  observations  ont  quelque  fondement,  il  est  permis  d'en  induire 
que  le  chinois  qui  n'a  guère  qu'un  moyen  unique  de  marquer  la 
dépendance  où  sont  certaines  actions  l'une  à  l'égard  de  l'autre, 
peut,  à  quelques  égards,  paraître  inférieur  aux  idiomes  qui  offrent 
plusieurs  procédés  pour  exprimer  cette  dépendance,  mais  que  la 
supériorité  de  ceux-ci  se  réduit  peut-être  en  réalité  à  une  variété 
plus  grande  de  tours  qui  permet  d'éviter  la  monotonie  et  la  lan- 
gueur résultant  de  la  répétition  indéfinie  des  mêmes  constructions. 
Je  serais,  je  l'avoue,  un  peu  tenté  d'étendre  le  même  jugement  à 
d'autres  propriétés  qui  contribuent  à  former  la  richesse  des  langues 
classiques  ;  mais  une  proposition  aussi  hardi  exigerait  des  déve- 
loppeinens  que  je  dois  m'abstenir  de  présenter  ici. 

Page  316. 

(9)  Nous  aurons  occasion  de  remarquer  plus  tard  (Voy. 
note  18),  que  les  divers  emplois  qu'on  peut  faire  d'une  même 
particule  ou  d'une  même  terminaison,  pour  indiquer  des  rapports 
différens,  ne  prouvent  pas  nécessairement  que  cette  particule  ou 
cette  terminaison  soit  prise  en  un  sens  vague  ou  indéterminé  dans 
chacun  de  ces  emplois.  On  pourrait  supposer  que  des  mots,  of- 
frant entre  eux  quelque  analogie,  avaient  été  primitivement  assi- 
gnés à  ces  rapports,  et  qu'on  les  aurait  ensuite  pris  les  uns  pour 
les  autres,  en  les  rendant  par  des  lettres.  La  confusion  dont  on 
vu.  24 


370 

se  plaint  serait,  dans  ce  cas,  un  effet  de  l'écriture,  et,  pour  ainsi 
dire,  une  affaire  d'orthographe.  Et  pour  éclaircirceci  par  un  exemple 
tiré  du  sujet  même  qui  nous  occupe,  on  a  dû,  dans  un  ouvrage 
élémentaire,  présenter  comme  autant  de  valeurs  du  signe  écrit  que 
uous  examinons,  les  sens  de  rejeton,  passer  d'un  lieu  dans  m 
autre,  et  les  qualités  d'exposans  des  rapports  du  génitif  et  de  l'ac- 
cusatif. Tel  est  l'état  des  choses  depuis  qu'on  écrit  le  chinois  en 
caractères  chinois.  Mais  ainsi  que  l'observe  fort  judicieusement 
l'auteur,  le  langage  doit  être  plus  ancien  que  l'écriture,  et  qui 
nous  répond  qu'antérieurement  à  l'invention  de  celle-ci,  il  n'y  eut 
pas,  pour  ces  quatre  valeurs,  quatre  mots  aussi  différens  entre 
eux  que  le  seraient  ceux-ci:  tchi,  dji,  tchii,  tshi,  lesquels  n'au- 
raient trouvé  dans  l'écriture  figurative  qu'une  seule  représentation 
appartenant  par  sa  figure  même  à  l'idée  de  rejeton.  On  ne  sau- 
rait assurer  que  les  choses  se  soient  réellement  passées  de  cette 
manière,  à  l'égard  des  particules  chinoises,  quoiqu'il  soit  certain 
qu'en  d'autres  cas,  des  mots  différens  ont  été  rendus  par  un 
même  signe,  ou  des  caractères  variés,  affectés  à  une  seule  pro- 
nonciation. Ce  dernier  fait  paraît  évident,  lorsqu'on  compare  les 
formes  diversifiées  de  l'adjectif  démonstratif  tseu,  thseu,  sse,  ou 
de  la  particule  négative  mo,  mou,  pou,  fe,  feou,  etc. 

Page  317. 

(10)  La  phrase  'weï  tchi  tchoung  offre  la  construction  primi- 
tive, et  tchi  s'y  prend  pour  représenter  le  complément  du  verbe 
actif,  vocant  illud  medium.  Quant  à  tcfti  weï,  on  ne  saurait  dire 
que  ce  soit  la  forme  ordinaire;  mais  ainsi  que  cela  a  été  indiqué 
dans  la  grammaire,  tchi  y  tient  la  place  de  tche,  et  sert  à  définir 
ou  à  arrêter  le  sujet  de  la  proposition,  ou  bien  il  est  déplacé  et 
mis  avant  son  complément  tchi  'weï  pour  'weï  tchi.  Pour  abréger, 
dans  un  ouvrage  purement  pratique,  on  a  appelé  ce  mot  explétif, 
tout  en  reconnaissant  que  rien  n'est  plus  rare  dans  les  langues 
que  les  mots  purement  explétifs.  Il  y  aurait  encore  une  autre  ma- 
nière d'analyser  cette  construction,  et  ce  serait  de  dire:  pou  pian 
tchi,  non  deflcxi,  'weï,  uppellatio  (est),  tchoung,  medium;  thian 
ming  tchi,  coeli  mandati,  'wèi,  uppellatio  (est)  sing,  natura.  Cette 
analyse  est  bien  simple  et  ramène  tchi  à  la  fonction  d'exposant 
de  rapport  entre  deux  substantifs:  je  la  crois  conforme  à  la  con- 
struction primitive  de  ces  sortes  de  phrases;   mais  je   me  trompe 


371 

fort  si  c'est  celle  qui  se  présente  actuellement  à  l'esprit  d'un  Chi- 
nois qui  réfléchit  sur  sa  langue. 

Ibid. 

(11)  Tchi  ne  prend  place  à  la  suite  de  mou  qu'à  raison  de 
la  qualité  de  substantif  sujet,  attribuée  à  ce  dernier  mot:  nullus, 
non  ullus ,  et  il  doit  alors  se  rapporter  à  l'une  des  analyses  qui 
ont  été  proposées  ci -dessus  et  dans  la  Grammaire  chinoise, 
§  190,  191. 

Page  321. 

(12)  Il  y  a  une  différence  assez  marquée  entre  la  phrase 
moderne  ni  lai  ti,  etc.,  et  la  phrase  du  style  littéraire:  hio  seng 
sài  hieou  tchi  fou;  et  cette  différence  consiste  surtout  dans  la 
présence  du  verbe  lai  qui  aura  nécessité  l'emploi  de  ti  dans  la 
première;  lai  ti  est  un  participe,  venu,  ou  un  abstrait,  être  venu; 
ni  lai  ti,  ton  être  venu,  ou  ta  venue.  Il  est  douteux  que  ti  pût 
trouver  place  entre  le  verbe  et  le  sujet,  si  celui-ci  n'était  pas 
susceptible  d'une  interpretation  analogue,  et  ne  renfermait  aucun 
verbe. 

Page  322. 

(13)  Je  me  suis,  dans  les  deux  ouvrages  qu'indique  ici  l'au- 
teur, proposé  des  objets  absolument  différens.  Je  voulais,  par  mes 
Elémens,  rendre  l'étude  pratique  de  la  langue  et  de  l'écriture 
chinoise  aussi  facile  que  cela  était  possible,  et  je  me  suis  attaché 
à  y  présenter  un  tableau  fidèle  de  ce  que  l'une  et  l'autre  offrent 
de  particulier.  Dans  la  dissertation,  je  cherchais  à  établir  qu'une 
partie  des  différences  qu'on  observe  entre  les  phrases  chinoises 
et  celles  des  autres  idiomes,  tient  à  l'emploi  d'une  écriture  d'une 
nature  toute  spéciale,  et  je  m'attachais  à  considérer  la  langue  chi- 
noise comme  si  elle  n'eût  jamais  été  écrite,  ou  qu'elle  l'eût  été 
alphabétiquement.  Je  pensais  (et  je  suis  disposé  à  conserver  cette 
opinion)  que  les  particules  et  les  désinences  ou  affixes,  ne  sont, 
au  fond  et  dans  leur  nature  intime,  qu'une  seule  et  même  chose, 
et  que  si  les  erases  qui  ont  permis  de  rapprocher  en  latin  ou  en 
grec  les  terminaisons  du  thème  des  noms  et  des  verbes,  n'avaient 
pas  été  impossibles  en  chinois,  on  y  verrait  des  mots  déclinés  et 

24* 


372 

conjugués  comme  partout  ailleurs.  Je  faisais  voir,  enfin,  que  la 
prétendue  nature  monosyllabique,  communément  attribuée  à  la 
langue  chinoise,  tenait  à  l'usage  d'affecter  un  caractère  particulier 
à  chaque  syllabe,  usage  qui  n'avait  pas  permis  de  ramener  à  l'u- 
nité les  parties  d'un  même  mot  qui  concouraient  à  l'expression 
d'un  sens  unique;  de  sorte  qu'on  écrivait  et  on  prononçait  en  chi- 
nois jin-kiaï-tchi,  et  en  latin  hominum,  quoique  ce  fût  essentiel- 
lement et  radicalement  la  même  chose,  et  qu'il  eût  été  possible 
d'écrire  d'un  côté  jinkiaïtchi ,  et  de  l'autre  hom-in-um,  sans  rien 
changer  à  la  nature  des  idées.  Je  montrais  l'état  des  choses  dans 
un  de  mes  ouvrages,  et  je  combattais  dans  l'autre  un  préjugé,  ou 
une  notion  qui  ne  me  paraissait  pas  exacte.  Voilà  la  cause  de 
la  divergence  observée  par  le  savant  auteur.  Les  personnes  qui 
considéreraient  le  langage  indépendamment  de  l'écriture  qui  y  a 
été  attachée,  seraient  naturellement  conduites  à  le  rapprocher  des 
nôtres,  et  c'est  une  des  causes  de  la  facilité  qu'ont  trouvée  quel- 
ques auteurs,  comme  le  P.  Varo  et  M.  Morrison,  à  faire  cadrer 
l'exposition  des  règles  de  la  langue  chinoise  avec  les  formes  et 
les  divisions  d'un  rudiment  latin  ou  d'une  grammaire  anglaise.  Le 
point  de  vue  où  ils  s'étaient  placés  n'est  pas,  je  crois,  le  plus  con- 
venable pour  apprécier  les  propriétés  de  l'idiome  qu'ils  enseignaient, 
mais  il  peut  avoir  son  avantage  quand  il  est  question  de  consta- 
ter la  ressemblance  que  ce  même  idiome  doit  infailliblement  offrir 
sous  d'autres  rapports,  avec  les  divers  moyens  de  communication 
que  les  hommes  se  sont  créés  dans  le  reste  de  l'univers. 

Page  323. 
(14)  Je  crois  avoir  suffisamment  fait  voir  (note  13)  la  véri- 
table cause  qui  a  maintenu  l'isolement  du  thème  et  des  particules 
dans  les  noms  et  les  verbes.  Supposez  qu'il  y  eût  eu ,  dans  la 
langue  parlée,  quelque  tendance  à  confondre  le  radical  tchang 
(chanter)  avec  le  signe  du  prétérit  \iao ,  et  à  faire  de  ces  deux 
mots  par  contraction  tchangUao,  tchangyao,  tchanniao,  ou  tout 
autre  composé,  le  pinceau  du  lettré  serait  toujours  venu  désunir 
ce  que  la  prononciation  du  paysan  aurait  rapproché,  en  écrivant 
séparément  tchang,  liao.  Qu'on  fasse  bien  attention  à  cette  cir- 
constance; elle  donne  la  clef  de  la  plupart  des  singularités  qu'on 
observe  dans  la  construction  des  phrases  chinoises. 


373 

Pagk  324. 

(15)  Il  s'agit  ici  d'un  idiotisme  ou  d'une  construction  parti- 
culière, dont  l'analyse  ne  saurait  donner  une  explication  tout-à- 
fait  satisfaisante.  C'est  par  une  convention  particulière  que  chi 
(teins),  ainsi  placé  à  la  fin  d'un  membre  de  phrase,  signifie  au 
tems  où,  quùm,  avec  la  notion  du  futur,  plutôt  que  depuis  le  teins 
oh,  ex  quo,  avec  l'idée  du  prétérit.  Il  y  aurait  pour  ce  dernier 
sens  une  autre  construction  dont  l'absence  suffit  pour  indiquer  le 
tems  auquel  doit  se  rapporter  l'action  du  verbe  principal.  Cela 
convenu,  le  futur  relatif  est  aussi  bien  exprimé  que  possible,  puis- 
que le  verbe  de  la  proposition  secondaire  est  affecté  du  signe  du 
passé:  Au  tems  (futur)  où  vous  avez  eu  fini  de  préparer,  pour 
dire  au  tems  où  (lorsque)  vous  aurez  préparé. 

Page  330. 

(16)  Le  style  antique  comporte  peu  de  complication  dans  le 
système  pliraséologique:  cela  peut  tenir  en  partie  aux  causes  que 
l'on  indique  ici,  en  partie  à  d'autres  circonstances  qu'il  serait  trop 
long  de  rechercher.  Mais  il  y  a  des  périodes  très-longues  dans 
le  style  littéraire  et  dans  celui  de  la  conversation.  A  la  vérité, 
c'est  ordinairement  par  la  division,  l'énumération,  la  gradation  ou 
d'autres  formes  semblables  que  le  sens  y  est  soutenu  jusqu'à  la 
fin.  Toutefois,  il  serait  aisé  d'en  citer  aussi  où  des  membres  de 
phrase  assez  étendus  sont  placés  dans  la  dépendance  d'un  seul 
mot.  Aux  exemples  qu'on  peut  voir  dans  la  grammaire,  §370,346 
et  ailleurs,  je  joindrai  celui-ci  où  l'on  trouve  un  participe  ou  une 
phrase  conjonctive  de  dix-huit  mots  tous  caractérisés  par  la  finale 
ti,  ainsi  qu'on  le  voit  par  la  transcription  suivante: 

Houng  li  khio,  naï  (lao-ye  kian  meng  thsao  hian  houng  li  ching 
Midi,  yi  chi  hao  hing  yao  Tchang  lang  tso)  ti. 

„Cette  chanson  sur  les  poiriers  à  fleurs  rouges  est  celle  que 
mon  Seigneur,  ayant  vu  dans  le  pavillon  des  songes  de  verdure 
des  poiriers  rouges  en  pleine  fleur,  a,  dans  son  admiration,  fait 
faire  au  moment  même  par  le  jeune  M.  Tchang." 

Les  mots  entre  parenthèses  sont  dans  la  dépendance  de  ti 
eu  chinois,  comme  ceux  qui  sont  soulignés  en  français,  dans  la 
dépendance  de  que. 


374 

Ibid. 

(17)  Cette  dernière  classe  renferme  seule  la  presque  totalité 
des  substantifs  de  la  langue  parlée  ou  du  style  familier.  Je  ne 
sais  d'ailleurs  pourquoi  on  voudrait  en  séparer  cette  autre  classe 
si  nombreuse  dans  les  deux  styles,  des  substantifs  qui,  sans  por- 
ter avec  eux  aucune  forme  qui  les  caractérise,  n'en  ont  pas  pour 
cela  un  sens  substantif  moins  arrêté,  et  n'en  éveillent  pas  moins 
dans  l'esprit  des  idées  de  substances.  Jin,  mou,  chouï,  chan,  linf 
sont  des  substantifs  en  chinois,  au  même  titre  que  leurs  équiva- 
lens  français,  homme,  arbre,  eau,  montagne,  forêt. 

Ibid. 

(18)  Une  équivoque  du  même  genre  se  trouve  dans  les  langues 
classiques:  il  suffit  de  citer  Rosae,  Domini,  Templum,  Fructus, 
Dies,  etc.  Voy.  ci-dessus  la  note  9. 

Page  344. 

(19)  Le  grec,  le  samscrit,  l'allemand,  l'anglais  offrent  des 
constructions  tout-à-fait  analogues  à  celles  qui  abondent  en  chi- 
nois, c'est-à-dire  où  les  mots  sont  rapprochés  l'un  de  l'autre  sans 
aucune  marque  de  rapport,  et  où  le  sens  jaillit  de  ce  rapproche- 
ment et  se  détermine  d'après  la  place  que  les  termes  occupent: 
c'est  ce  que,  dans  toutes  les  langues,  on  nomme  mots  composés. 
Le  caractère  de  ces  mots  exige  même  que  les  élémens  qui  les 
constituent  perdent  les  signes  grammaticaux  qu'ils  pourraient  avoir, 
et  viennent,  à  l'état  de  radical,  se  grouper  entre  eux.  On  ne  voit 
pas  que  la  netteté  du  sens  souffre  de  cette  suppression,  et  les 
expressions  qui  en  résultent  sont,  de  toutes,  celles  qui  ont  le  plus 
d'énergie  et  de  vivacité.  Horseman,  Pferdeknecht,  mnaç^oç, 
Asouamedha  signifient  d'une  manière  aussi  positive  que  les  phrases 
les  plus  explicatives  le  pourraient  faire,  un  homme  qui  monte  un 
cheval,  un  valet  qui  soigne  des  chevaux,  un  officier  qui  commande 
des  chevaux  (des  cavaliers),  un  sacrifice  où  Von  immole  un  cheval. 
Les  rapports  varient  à  l'infini,  et  l'esprit  les  supplée  sans  diffi- 
culté, sans  embarras,  sans  hésitation.  Que  Ton  généralise  ce  prin- 
cipe ,  et  l'on  aura  assuré  aux  langues  classiques  un  des  princi- 
paux avantages  du  système  chinois. 


375 

Page  345. 
(20)  Si  cette  propositiou  était  admise  sans  distinction  comme 
une    vérité    évidente    et    un    principe    fondamental,    il  semble  que 
toute  discussion  ultérieure  deviendrait  superflue;  car  il  u'y  a  pas, 
il  faut  bien  l'avouer,  d'idiome  où  il  arrive  plus  fréquemment  qu'en 
chinois,    que    ce    qui    modifie    l'idée  manque  d'expression  dans  la 
langue  parlée.     Si  c'est  de  la  prononciation  seule    que  la  pensée 
tient  sa  précision  et  sa  clarté,  le  langage  chinois  doit  le  plus  sou- 
vent  produire    d'une    manière    incomplète    l'effet    qu'on  en  attend, 
et   par   conséquent    cet   idiome    devra    être  placé   fort   au-dessous 
des  autres,  non  pas  seulement  sous  le  rapport  de  cette  perfection 
qu'on  admire  dans  les  autres  langues,  considérées  comme  produits 
de    l'intelligence    humaine,    mais    sous    le    rapport   bien  autrement 
important  du  degré  d'exactitude  auquel  on  peut  parvenir  en  s'en 
servant:  ce  sera  un  instrument  grossier  dont  on  ne  pourra  attendre 
qu'une  action  imparfaite.    Mais  comme  il  me  paraît  démontré  par 
les  faits  que  les  Chinois  s'entendent,    non  pas  seulement  en  gros 
et   d'une   manière   générale,  .sur   les    objets   ordinaires    de  la  vie, 
mais    sur   les    nuances    les   plus    délicates   et   les  modifications  les 
plus  subtiles  de  la  pensée,  je  pense  que  la  perfection  de  l'instru- 
ment  peut    se    déduire    de    l'usage   même    auquel    on    l'applique; 
seulement   il    faut  chercher    cette  perfection    dans    des   propriétés 
un    peu    différentes    de   celles    où    nous    sommes    accoutumés    à  la 
placer.  Je  crois  en  effet  qu'il  y  a  deux  manières  de  concevoir  les 
conditions  qui  la  déterminent.  Ceux  qui  ont  été  plus  frappés  des 
ressources  que  les  langues  classiques  ouvrent  a  l'intelligence,  posent, 
avec  l'auteur,    le  problème    dont   on    cherche   la   solution  dans  un 
système   grammatical,   en   ces   termes:   Exprimer  complètement   la 
pensée  avec  toutes  ses  particularités,  en  assignant,   dans   le   lan- 
gage et  dans  l'écriture,  des  formes  spéciales  aux  différentes  circon- 
stances de  tems,  de  lieu,  de  personne,  ainsi  qu'aux  rapports  vuriés 
qui  peuvent  exister  entre  les  élémens  divers  qui  constituent  la  phrase. 
Une    personne    habituée    aux   procédés    rapides   et   expéditifs  des 
Chinois,   serait   peut-être  tentée   d'y   substituer   l'énoncé   suivant: 
Éveiller,  dans  Vesprit  de  celui  qui  écoute  ou  qui  lit,   Vidée  corn- 
plète,   telle   qu'elle  a  été  conçue  par  celui  qui  parle  ou  qui  écrit, 
avec   tout   ce  que   Vun   et  Vautre  ont  besoin  de  connaître  des  cir- 
constances de  tems,  ifo  lieu  et  de  personne.  Que  le  problème  réduit 
à  ces  termes  trouve  sa  solution  dans  le  système  chinois,    c'est  je 


376 

crois,  ce  qui  ne  saurait  être  mis  en  doute,  et  les  développemeus 
dans  lesquels  l'auteur  entre  immédiatement  prouvent  que  personne 
n'a,  mieux  que  lui,  saisi  les  distinctions  que  je  viens  de  rappeler. 

Page  346. 

(21)  On  a  déjà  vu  (note  16)  que  les  auteurs  de  la  moyenne 
antiquité  avaient  dérogé  aux  formes  éminemment  simples  et  re- 
streintes de  la  phraséologie  primitive,  et  qu'on  pouvait  trouver 
chez  les  écrivains  postérieurs  des  périodes  très-étendues,  formées 
de  membres  de  phrases  bien  enchaînés  entre  eux,  soit  par  des 
conjonctions,  soit  par  ces  marques  d'induction  auxquelles  l'usage 
a  donné  une  valeur  analogue,  soit  enfin  par  la  simple  apposition 
qui  est  le  moyen  le  plus  ordinairement  employé  pour  suppléer 
aux  unes  et  aux  autres.  Je  tombe  par  hasard  sur  ces  deux  phrases 
au  commencement  d'une  préface  des  Quatre  livres  Moraux: 

Tai  hio  tchi  chou,  kou  tchi,  taï  hio  so  yi  kiao  jin  tchi  fa  ye; 
Kaï  tseu  thian  hiang  seng  min, 
Tse  ht  mon  pou  i»  tchi 
Yi  jin  yi  li  tchi  tchi  sing  yi. 
Jan  khi  khi  tchi  tchi  pin, 
Hoe  pou  neng  tsi; 

Chi  yi  pou  neng  kiaï  yeou  yi  tchi  khi  sing  tchi,   so  yeou   eu\ 
thsiouan  tchi  ye. 

Yi  yeou  thsoung  min  g  joui  tchi  neng  thsin  khi  sing  tche, 
Tchhou  iu  khi  kian, 

Tse  thian  pi  ming  tchi,  yi  'weï  yi  tchao  tchi  kiun  sse, 
Sse  tchi  tchi  eul  kiuo  tchi  yi  fou  khi  sing. 
„Le  livre  de  la  grande  science    est   la  règle  par  laquelle  les 
anciens  enseignaient    aux   hommes    cette    science    (véritablement) 
grande; 

Car    depuis    que    le    ciel   a   donné    l'existence    aux    peuples 
d'ici  bas, 

De  ce  tems  même,  il  ne  leur  avait  pas  refusé  le  naturel    qui 
comporte  la  charité,  la  justice,  la  politesse  et  la  prudence; 

Or,  comme  cette  force  imprimée  à  la  substance  de  leurs  esprits, 
Quelques-uns  ne  pouvaient  en  tirer  avantage, 
C'est  pour  cela  que  tous  n'ont  pas  été  en  état  de  savoir  par 
quel  moyen  ils  pouvaient  compléter  ce  qui  était  dans  leur  propre 
nature. 


377 

Il  y  en  a  eu  aussi  d'autres,  intelligens,  éclairés,  habiles,  pleins 
de  perspicacité,  capables  d'atteindre  au  fond  de  leur  naturel, 

Que,  étant  sortis  des  rangs  (du  vulgaire), 

Le  ciel  n'a  pas  manqué  de  les  désigner  pour,  en  étant  les 
maîtres  et  les  princes  de  la  multitude, 

Faire  en  sorte  qu'ils  la  gouvernassent  et  lui  enseignassent  à 
recouvrer  sa  nature." 

Ce  ne  sont  pas  des  phrases  françaises  que  j'ai  prétendu  écrire; 
j'ai  voulu,  au  contraire,  faire  sentir,  par  une  traduction  toute  lit- 
térale, quels  étaient,  dans  l'original,  l'ordre  et  l'enchaînement  des 
propositions.  Ces  sortes  de  phrases  sont  très-communes  dans  le 
style  littéraire,  qui  est  essentiellement  soutenu,  périodique  et  sy- 
métrique. Il  y  en  a  de  beaucoup  plus  longues  encore  dans  les 
livres  de  philosophie;  mais  à  la  Chine,  comme  chez  nous,  c'est 
dans  les  ouvrages  de  discussion,  qu'on  trouve  plus  habituellement 
employées  les  formes  de  dialectique  et  d'argumentation,  que  le 
goût  littéraire,  plutôt  que  la  nature  de  la  langue,  repousse  dans 
les  sujets  ordinaires. 

J'ai  mis  en  romain,  dans  la  transcription  précédente,  ceux 
des  mots  chinois  qui  servent  à  marquer  la  succession  et  les  rap- 
ports des  idées.  Le  nombre  en  pourra  paraître  peu  considérable; 
mais  il  serait  encore  plus  borné,  que  la  dépendance  des  diverses 
parties  de  la  phrase,  les  unes  à  l'égard  des  autres,  n'en  serait 
pas  moins  réelle,  moins  facilement  sentie  des  lecteurs.  Ceci  ré- 
clame encore  une  courte  explication. 

Deux  propositions  peuvent  être  placées  à  la  suite  l'une  de 
l'autre  sans  conjonction;  on  s'attache,  en  les  traduisant,  à  en  faire 
sentir  la  liaison,  à  montrer  la  dépendance  de  la  première  à  l'égard 
de  la  seconde.  En  faisant  cette  opération,  s'écarte-t-on ,  se  rap- 
proche-t-on  du  sens  de  l'écrivain  qu'on  interprète?  Si,  comme 
paraît  l'avoir  pensé  le  savant  auteur  auquel  nous  soumettons  nos 
doutes,  l'unité  de  la  phrase  n'est  pas  complètement  constituée  par 
l'arrangement  des  membres  qui  la  composent;  si  une  proposition 
complète  n'est  au  fond  qu'une  succession  de  propositions  vérita- 
blement isolées  dans  l'esprit  de  l'écrivain  chinois  ;  si,  enfin,  celui- 
ci  n'a  pas,  dans  son  idiome,  le  moyen  de  déterminer  le  sens  gram- 
matical dans  lequel  il  en  emploie  les  mots,  nous  commettons,  sous 
le  rapport  de  la  grammaire,  une  véritable  infidélité,  toutes  les 
fois  que  nous  exprimons  des  liaisons    qu'il  a  sous-entendues,  que 


378 

nous  ajoutons  des  conjonctions  qu'il  a  supprimées,  que  nous  rat- 
tachons les  diverses  parties  du  raisonnement  par  la  marque  de 
rapports  auxquels  peut-être  il  n'a  jamais  pensé.  Je  ne  crois  pas 
qu'il  en  soit  ainsi,  et  voici  quelques-unes  des  raisons  qui  fondent 
mon  opinion  à  cet  égard. 

Les  Chinois  n'ont  pas  une  idée  bien  précise  et  bien  complète 
de  ce  que  nous  nommons  parties  de  l'oraison,  catégories  gramma- 
ticales; toutefois,  on  ne  doit  pas  porter  trop  loin  l'idée  qu'on  se 
forme  de  leur  ignorance  ou  de  leur  indifférence  dans  cette  ma- 
tière. Il  est  impossible,  ainsi  que  l'a  très-bien  remarqué  M.  G. 
de  Humboldt,  de  parler  ou  d'écrire  sans  être  dirigé  par  un  sen- 
timent vague  des  formes  grammaticales  des  mots,  mais  il  est  tout 
aussi  difficile  d'écrire  sur  un  sujet  quelconque  sans  arrêter  sa 
pensée  sur  la  valeur  grammaticale  des  mots  qu'on  emploie.  11  est 
surtout  impossible  de  traiter  certains  sujets,  de  philosopher,  de 
discourir  sur  la  morale,  la  métaphysique,  l'ontologie,  sans  avoir 
des  notions  assez  bien  définies  des  termes  abstraits,  des  qualifi- 
catifs, des  noms  d'agent,  d'action,  etc.  Bien  plus:  nous  nous  cro- 
yons quelquefois  libres  d'analyser  de  deux  ou  trois  manières  dif- 
férentes une  même  phrase,  de  déplacer  l'idée  verbale,  de  suppo- 
ser telle  ou  telle  ellipse,  d'imaginer  tel  ou  tel  rapport:  or,  je  suis 
persuadé  que,  dans  tous  ces  cas,  la  liberté  que  nous  prenons 
tient  à  notre  ignorance,  et  que  le  plus  souvent  un  Chinois  instruit 
ne  verrait  qu'une  seule  bonne  manière  d'analyser  ces  phrases  qui 
nous  paraissent  si  indéterminées.  Ils  poussent  la  précision  tout 
aussi  loin  que  nous,  quoiqu'ils  aient  moins  d'occasions  de  s'ex- 
pliquer à  ce  sujet.  Ils  ont  cultivé  la  pratique  et  non  la  théorie, 
l'art  et  non  pas  la  science.  Ils  ont  une  grammaire,  mais  non  pas 
de  grammairiens.  Voilà,  je  crois,  toute  la  différence. 

Ces  mots,  auxquels  ils  se  plaisent  à  laisser  une  si  grande  la- 
titude de  signification  grammaticale,  ont  quelquefois  besoin  d'être 
définis.  Dans  ce  cas,  les  commentateurs,  leurs  lexicographes  ne 
manquent  pas  de  les  définir.  Ils  savent  bien  dire  alors  si  le  mot 
reste  mort,  ou  devient  vivant,  selon  la  dénomination  ingénieuse 
qu'ils  ont  affectée  au  verbe.  Ta  signifie  verberure,  verberatio.  S'ils 
veulent  determiner  ce  mot  comme  verbe,  ils  y  ajouteront  un  pro- 
nom pour  complément:  ta  tchi,  verbcrare  eum.  S'il  est  nécessaire 
de  reformer  le  nom  d'action  dans  son  acception  bien  déterminée, 
une  nouvelle  particule  remplit  cet  office:  ta  tchi  ich«,  littéralement 


379 

le  frapper.  Hab  ne  signifie  que  bon;  hdo  ne  veut  dire  que  aimer. 
L'un  est  un  adjectif,  l'autre  ne  saurait  s'entendre  que  comme 
verbe.  Beaucoup  de  mots  changent  ainsi  d'intonation  en  passant 
d'une  catégorie  grammaticale  à  une  autre;  ceux  qui  leur  font 
éprouver  ces  changemens  ont  sans  doute  la  conscience  de  la  mo- 
dification qu'ils  apportent  à  l'idée. 

Il  y  a  des  occasions  où  il  est  tout-à-fait  nécessaire  d'appuyer 
sur  ces  distinctions:  c'est  quand  on  explique  le  texte  d'un  auteur 
classique,  le  sens  de  ces  livres  où  tout,  pour  les  philosophes  de 
la  Chine,  est  doctrinal  et,  pour  ainsi  dire,  sacramentel.  Depuis 
vingt  siècles,  des  milliers  de  commentateurs  se  sont  occupés  de 
ce  genre  d'exégèse.  Pour  y  réussir,  il  ne  saurait  leur  être  indif- 
férent de  prendre  un  mot  comme  verbe  ou  comme  substantif,  dans 
un  sens  indéfini  ou  individuel,  ni  de  lire  deux  ou  trois  proposi- 
tions isolément,  ou  dans  le  sens  qui  résulte  de  leur  rapproche- 
ment; ils  ont  besoin  d'une  grande  précision  sur  tous  ces  points, 
et  ils  y  arrivent  par  des  définitions  toutes  grammaticales,  et  qui 
montrent  plus  de  sagacité  dans  ces  matières  qu'on  n'est  tenté  de 
leur  en  accorder.  Il  est  même  bien  remarquable  qu'ayant  à  discu- 
ter tant  de  passages  susceptibles  d'interprétations  différentes,  leurs 
dissentimens  ne  portent  presque  jamais  sur  des  points  de  gram- 
maire, qui  seraient  pourtant  si  propres  à  exercer  leur  subtilité, 
si  les  phrases  chinoises  avaient,  sous  ce  rapport,  le  degré  de 
vague  que  nous  croyons  y  apercevoir. 

On  a  eu  à  plusieurs  époques  la  preuve  de  la  constance  des 
commentateurs  chinois  dans  leurs  traditions  grammaticales,  et  tout 
récemment  l'expérience  a  été  répétée  à  l'occasion  de  l'entreprise 
qui  a  consisté  à  rédiger  en  mandchou  des  versions  littérales  des 
classiques  et  des  historiens  chinois.  Les  écrivains  qui  ont  com- 
posé ces  traductions  savaient  également  bien  le  chinois  et  le 
mandchou;  ils  connaissaient  toutes  les  finesses  des  deux  langues, 
et,  comme  la  dernière  a  des  tems  et  des  modes  pour  les  verbes, 
de  nombreux  signes  de  rapports  pour  les  noms,  des  conjonctions 
et  des  prépositions  dont  il  ne  leur  était  pas  permis  de  négliger 
l'emploi,  il  leur  a  fallu,  à  chaque  phrase  chinoise,  prendre  parti 
sur  la  valeur  grammaticale  des  mots,  sur  le  rapport  et  l'enchaî- 
nement des  idées.  Cette  partie  de  leur  travail  s'est  exécutée  avec 
méthode  et  régularité,  et  les  décisions  qu'ils  ont  rendues  implici- 
tement sur  tous  ces  points,  généralement  conformes  aux  traditions 


380 

des  meilleurs  commentateurs,  portent  un  caractère  de  maturité  et 
de  précision  très-remarquable.  On  voit  que  l'emploi  des  formes 
grammaticales  dans  ces  versions  n'a  rien  changé  au  sens  des  ori- 
ginaux, et  que  par  conséquent  la  manière  d'entendre  ceux-ci  était 
précédemment  bien  arrêtée  et  fondée  sur  l'emploi  méthodique  et 
régulier  de  procédés,  qui  suppléaient  aux  formes  proprement  dites, 
et  qui  ne  les  laissaient  nullement  regretter. 

J'ai  tracé  ces  considérations  à  la  hâte,  et  je  sens  qu'elles 
auraient  besoin  d'être  traitées  d'une  manière  moins  superficielle. 
Telles  qu'elles  sont,  elles  pourront  jeter  quelque  jour  sur  une 
question  d'un  haut  intérêt.  Le  savant  illustre  auquel  nous  aimons 
à  les  soumettre  y  trouvera  peut-être  matière  à  de  nouvelles  ré- 
flexions; car  c'est  un  fait  curieux  que  la  conservation  d'un  système 
entier  d'interprétations  grammaticales  chez  un  peuple  qui  n'aurait 
aucune  notion  de  grammaire.  Mon  principal  objet,  en  le  rappe- 
lant, a  été  de  faire  voir  qu'il  n'y  avait  rien  d'arbitraire  dans  la 
manière  dont  on  supplée,  en  traduisant  du  chinois,  à  l'omission 
des  signes  de  rapports,  ou  dont  on  lie  ensemble  les  différentes 
parties  des  phrases.  Cette  démonstration  peut  aussi  être  néces- 
saire pour  constater  l'authenticité  de  certaines  règles  que  j'ai  dé- 
duites de  l'étude  des  auteurs,  et  notamment  de  celle  qui  est  l'objet 
des  §§  166  et  167  de  mes  Élémens. 

Page  360. 

(22)  L'auteur  touche  ici  à  l'un  des  effets  les  plus  curieux  de 
l'influence  que  la  nature  particulière  des  caractères  chinois  a  exer- 
cée sur  la  constitution  de  la  langue.  Il  n'y  a  presque  pas  lieu  de 
douter  que,  si  les  efforts  des  écrivains  de  la  Chine  pour  enrichir 
et  perfectionner  leur  idiome  eussent  été  secondés  par  l'emploi 
d'une  écriture  alphabétique,  le  nombre  des  mots  ne  se  fût  accru 
dans  la  même  proportion  que  les  signes  écrits.  Mais  l'impossibi- 
lité d'exprimer  de  nouvelles  combinaisons  de  sons,  et  la  nécessité 
de  chercher  toujours  dans  le  même  cercle  de  syllabes  déjà  usitées, 
les  noms  qu'on  voulait  donner  à  des  objets  nouveaux,  ont  à  ja- 
mais fixé  le  langage  dans  l'état  où  il  était  parvenu  lors  de  l'in- 
vention des  caractères.  Il  est  probable  même  qu'au  lieu  d'acqué- 
rir des  sous,  la  langue  parlée  en  a  plutôt  perdu;  car  beaucoup 
de  nuances  délicates  ont  dû  s'effacer,  une  lois  qu'elles  ont  été 
réduites,  dans  la  langue  écrite,  à  une  expression  commune  approxi- 


381 

uiative.  On  pourrait  penser  que  les  mots  toile,  cent,  prince  et  cypres, 
offraient  primitivement  quelque  différence  propre  à  les  faire  discer- 
ner dans  la  prononciation;  mais  une  fois  que  ces  mots  ont  été 
écrits  avec  un  même  signe  de  son  (pe),  associé  à  des  images  va- 
riées, le  souvenir  de  ces  différences  a  dû  s'altérer  et  finir  par  se 
perdre.  Je  regarde  l'invention  des  caractères  hing-ching  (figuratifs 
du  son)  comme  une  des  causes  qui  ont  maintenu  le  langage  dans 
un  état  de  véritable  pauvreté,  en  même  teins  qu'elle  a  enrichi 
l'écriture  de  tant  de  signes  remarquables  par  leur  construction  ré- 
gulière et  méthodique.  Le  chinois  a  acquis  par  là,  au  prix  de 
l'harmonie  et  de  la  variété  des  sons,  l'avantage  d'une  écriture 
admirablement  appropriée  à  l'expression  des  idées  et  à  la  classi- 
fication des  êtres  naturels. 

Au  reste,  les  vues  proposées  par  M.  G.  de  Humboldt  au  sujet 
de  l'influence  de  l'écriture  chinoise  su*  le  système  grammatical, 
montrent  assez  quelles  lumières  il  aurait  infailliblement  jetées  sur 
une  question  importante,  proposée  au  concours  pour  le  prix  fondé 
par  M.  de  Volney,  s'il  lui  eût  été  possible  de  s'en  occuper.  Les 
effets  de  l'écriture  alphabétique  peuvent  être  étudiés  dans  un 
grand  nombre  d'idiomes;  mais  peu  de  personnes  possèdent  des 
matériaux  assez  nombreux  pour  la  recherche  de  ceux  qui  s'ob- 
servent dans  les  langues  sans  écriture,  et  quant  aux  modifications 
produites  par  l'usage  des  caractères  représentatifs,  l'importance 
en  sera  surtout  appréciée  par  les  personnes  qui  apporteront  à 
l'étude  du  chinois  et  du  japonais,  la  sagacité  persévérante  et  la 
judicieuse  subtilité  qui  distinguent  la  lettre  qu'on  vient  de  lire. 


Notice  sur  la  Grammaire  Japonaise  du  P.  Oyanguren. 


Aie  P.  Oyanguren,  Biscay  en  de  nation,  ainsi  que  l'indique 
son  nom,  est  l'auteur  de  cette  grammaire  imprimée  à  Mexico 
l'an  1738.  Il  paraît  s'être  retiré  au  Mexique,  après  avoir  été 
missionnaire  apostolique  dans  le  royaume  de  Cochinchine, 
gardien  de  deux  couvens  aux  îles  Philippines,  et  professeur 
de  langue  tagala  *).  Sa  grammaire,  écrite  en  espagnol,  porte 
le  titre  suivant: 

Arte  de  la  lenyua  Japona,  dividido  en  quatro  libros 
segun  el  arte  de  Nebr'uca,  con  algunas  voces  proprias 
de  la  escritura,  y  otras  de  los  Unguages  de  Ximo  y 
del  Cami,  y  con  algunas  perif rases  y  figuras:  a  mayor 
honra  y  gloria  de  Dios  y  de  la  immaculada  concepcion 
de  Nra.  Sra.  Patrona  con  este  titulo  del  Japon,  y 
para  con  mayor  facilidad  divulgar  Nra,  Sta.  Fè  Ca- 


')  Le  P.  Oyanguren,  qui  prend,  en  tête  de  cet  ouvrage,  le  titre 
de  Ministro  en  el  idioma  Tagahxj,  a  encore  composé  une  gram- 
maire de  cette  langue;  c'est  du  moins  ce  qu'indiquent  plusieurs 
passages  de  sa  grammaire  japonaise,  entr'autres  celui  où,  en 
faisant  observer  l'analogie  qui  existe  entre  le  tagalais  et  le  ja- 
ponais, quant  aux  locutions  ligurées,  il  dit,  qu'il  a  parlé  des 
ligures  en  usage  dans  la  langue  tagala,  en  el  tagalismo  eluci- 
dado,  et  il  y  renvoie  le  lecteur.  Nous  ignorons  si  cet  ouvrage 
a  été  imprimé.  (C.  L.) 


383 

Iholica  en  aquellos  Reynos  dilatados,  compuesfo  por 
el  Hermano  Pr.  Fr.  Melchor  Oyanguren  de  Santa  Ines, 
Religioso  descalzo  de  Nro.  S.  P.  San  Francisco,  ex 
tnissionero,  etc.,  etc*   Impresso  en  Mexico  por  Joseph 
Bernardo  de  Hogal.  Anno  de  1738.    (200  pages  in  4°.) 
Quoique  les  grammaires  des  PP.  Alvarez,  Rodriguez 
et  Collado  aient  été   publiées  long-tems  avant  celle  du  P. 
Oyanguren,  il  paraît  qu'elles  étaient  déjà  très  rares  au  com- 
mencement du  dernier  siècle;  car  les  approbations  qui  pré- 
cèdent la  grammaire  du  P.  Oyanguren,   parlent   de  la  diffi- 
culté de  trouver  des  livres  propres  à  donner  une  connaissance 
suffisante  de  la  langue   du  Japon.     Le  P.  Oyanguren,  lui- 
même,  dit  dans  sa  courte  préface,  qu'il  a  composé  sa  gram- 
maire d'après   les  écrits   d'auteurs  japonais,  et  l'on  ne  voit 
pas  même  qu'il  ait  consulté  le  travail  du  P.  Rodriguez,  dont 
il  s'éloigne  en  plusieurs  points  importans. 

Je  dois  l'exemplaire  que  je  possède  de  la  grammaire 
du  P.  Oyanguren  à  la  bonté  de  mon  frère,  qui  l'a  rapporté 
du  Mexique,  ainsi  que  les  grammaires  et  les  dictionnaires 
d'un  grand  nombre  de  langues  américaines.  Comme  M.  Lan- 
dresse,  dans  la  traduction  de  celle  du  P.  Rodriguez,  dont  il 
a  enrichi  la  littérature  orientale,  ne  fait  aucune  mention  de 
cette  grammaire  du  P.  Oyanguren,  il  m'a  paru  utile  d'en 
donner  une  courte  notice,  en  m'étendant  seulement  sur  ce 
qui  pourrait  servir  à  faire  connoître  Ja  méthode  de  l'auteur, 
et  conduire  à  quelques  observations  générales  sur  la  langue 
japonaise. 

Le  P.  Oyanguren  se  dispense  entièrement  d'expliquer 
le  système  de  l'écriture  japonaise  qu'il  qualifie  d'artifice  du 
démon,  ayant  pour  objet  d'augmenter  les  peines  des  ministres 
du  saint  Evangile.  Il  suit,  comme  le  titre  l'indique,  un  sy- 
stème conforme  à  celui  de  la  grammaire  latine.  Ce  défaut 
est  commun  à  tous  les  auteurs  espagnols  et  portugais   qui 


384 

ont  composé  des  grammaires  d'idiomes  asiatiques  et  améri- 
cains. Il  faut  toujours  distinguer  soigneusement  les  formes 
grammaticales,  telles  qu'elles  se  trouvent  réellement  dans  la 
langue,  de  l'expression  qui  leur  est  donnée  par  l'auteur.  Tout 
cet  étalage  de  modes,  de  gérondifs,  de  supins  et  de  parti- 
cipes, que  l'on  trouve  dans  les  grammaires  des  PP.  Rodri- 
guez et  Oyanguren,  disparaîtrait  devant  une  méthode  adaptée 
au  vrai  génie  de  la  langue. 

En  comparant  attentivement  ces  deux  ouvrages  ensemble, 
il  est  évident  que  celui  de  l'auteur  portugais  est  plus  com- 
plet et  plus  exact,  mais  l'autre  fournit  des  éclaircissemens 
utiles,  lorsqu'on  a  fait  l'étude  du  premier.  Il  y  a  aussi  plu- 
sieurs cas  où  ces  deux  grammaires  diffèrent  l'une  de  l'autre, 
et  où  une  connaissance  plus  intime  de  la  langue  pourrait 
seule  mettre  en  état  de  décider  de  quel  côté  se  trouve  l'erreur. 

L'usage  de  rattacher  l'adjectif  au  verbe  a  surtout  fixé 
mon  attention  dans  la  grammaire  japonaise  (§  11,  55,  71,  etc.). 
Il  y  a  des  langues  américaines  où  l'on  considère  également 
l'adjectif  comme  lié  d'une  manière  indissoluble  au  verbe  élre, 
et  cette  manière  de  voir  semble  naturelle  à  des  nations  en- 
core peu  accoutumées  aux  idées  abstraites.  L'abstraction 
pouvant  seule  conduire  l'esprit  à  se  représenter  l'adjectif 
comme  existant  par  lui-même,  il  est  naturel  de  se  le  figurer 
toujours  comme  étant  attaché  à  tel  ou  tel  objet.  Il  n'est 
réellement  rien  en  lui-même,  il  n'est  que  l'objet  constitué 
de  telle  ou  telle  manière.  Le  P.  Rodriguez  explique  très- 
bien,  sous  ce  rapport,  les  verbes  adjectifs  et  les  différentes 
manières  de  s'en  servir;  le  P.  Oyanguren  n'a  point  aussi 
bien  pénétré  l'esprit  et  la  nature  de  la  langue.  Il  regarde  la 
forme  du  présent  de  ces  verbes  comme  leur  forme  primi- 
tive, et  leurs  radicaux  comme  des  adverbes;  et  lorsqu'il  parle 
de  leur  conjugaison,  il  dit  que  le  présent  de  l'indicatif  est 
leur  forme  primitive  même,  à  laquelle  il  faut  ajouter,  par  la 


385 

pensée,  le  verbe  substantif.  Il  méconnaît  par  Jà  Ja  nature 
vraiment  verbale  de  leurs  désinences.  D'un  autre  côté,  il 
établit,  ce  que  le  P.  Rodriguez  ne  fait  guère  (§71  bis),  la 
place  différente  que  peuvent  occuper  ces  verbes  adjectifs, 
après  ou  avant  le  substantif.  Ce  dernier  cas  n'admet  que  le 
présent  de  l'indicatif,  et  le  reste  de  la  conjugaison  ne  peut 
servir  que  pour  former  une  phrase  où  le  substantif  est  placé 
le  premier.  C'est  ainsi  que  ces  deux  auteurs  se  suppléent 
l'un  l'autre  sur  ce  point  essentiel  de  la  grammaire  japonaise: 
car  si  Ton  considère  attentivement  ces  verbes  adjectifs,  on 
les  trouvera  produits  sous  quatre  formes  différentes:  1°  comme 
radicaux;  2°  dans  le  présent  de  l'indicatif;  3°  dans  ee  même 
présent,  mais  privés  de  leur  voyelle  finale,  c'est-à-dire  en 
état  de  contraction,  ou  altérés  par  une  permutation  de  lettres; 
4°  conjugués  par  tous  les  tems  et  modes  du  verbe  japonais. 

Les  radicaux  des  verbes  adjectifs  sont  de  véritables 
adjectifs,  tels  que  nous  les  trouvons  dans  d'autres  langues. 
Tako,  si.ro,  fonko  veulent  véritablement  dire  haut,  blanc, 
profond:  car,  joint  au  verbe  substantif  aron,  fouko  signifie: 
il  est  blanc;  et  ainsi  des  autres. 

La  définition  que  le  P.  Rodriguez  (§28  bis)  donne  des 
radicaux  en  général,  manque,  à  ce  qu'il  me  parait,  de  clarté 
et  de  précision.  Cet  auteur  dit  qu'ils  ne  signifient  rien  par 
eux-mêmes;  ce  qu'il  a  probablement  voulu  dire,  c'est  seule- 
ment que,  puisqu'ils  n'indiquent  ni  mode,  ni  tems,  ni  per- 
sonne, il  est  impossible  de  leur  assigner  une  signification 
précise  dans  la  phrase:  car  si  on  les  considère  comme  des 
mots  isolés,  ils  ont  incontestablement  une  signification  réelle 
et  constante.  Au  lieu  d'être,  comme  le  dit  le  P.  Rodriguez, 
des  verbes  simples,  ils  ne  sont  pas  du  tout  des  verbes,  mais 
le  thème  ou  radical  dont  on  les  forme. 

Le  P.  Oyangurcn  ne  s'étend  pas  assez  sur  les  radicaux 
des  verbes,  mais  il  paraît  en  avoir  mieux  saisi  la  nature. 
vu.  2ô 


386 

Les  mots  primitifs  (  las  vocès  primeras)  de  beaucoup  de 
verbes  sout,  dit-il,  comme  des  racines  et  des  noms  (son 
como  ratées  u  nombres)  y  et  cette  définition  me  semble  par- 
faitement juste.  Les  radicaux  japonais  ne  ressemblent  point 
aux  radicaux  samskrits;  ce- sont  les  mots  pris  isolément,  lel 
que  le  dictionnaire  pourrait  les  donner,  et  renfermant  l'idée 
entière  du  verbe,  mais  manquant  des  inflexions  de  la  con- 
jugaison. Il  serait  intéressant  de  savoir  si  ces  radicaux  sont 
aussi  dénués  de  toute  autre  forme  grammaticale,  ou  si  leurs 
désinences  indiquent  leur  destination  verbale,  et  s'il  est  per- 
mis d'appliquer  les  inflexions  de  la  conjugaison  à  tout  sub- 
stantif qui  en  est  susceptible,  pour  en  former  des  verbes,  à 
l'instar  des  verbes  nominaux  du  samskrit.  Le  P.  Rodriguez 
donne  bien  les  désinences  des  radicaux,  mais  plusieurs  de 
ces  désinences  appartiennent  également  à  des  noms  substan- 
tifs, tels  que  ame,  lami,  fito  midzou  et  beaucoup  d'autres. 
Ce  qui  cependant  paraît  sûr,  c'est  qu'aucun  radical  ne  se 
termine  par  une  consonne,  et  qu'il  y  a  des  substantifs  qui 
ont  cette  désinence,  quoique  le  nombre  en  soit  très-limité. 

Pour  en  revenir  aux  radicaux  des  verbes  adjectifs,  ce 
qui  constitue  leur  nature  vraiment  verbale,  c'est  que  (§58 
n°l),  placés  dans  des  phrases  qui  se  suivent,  ils  prennent 
le  tems  et  le  mode  du  verbe  suivant,  ainsi^que  le  font  tous 
les  autres  radicaux. 

11  y  a  deux  manières  différentes  de  se  servir  de  l'ad- 
jectif. On  l'attache,  par  l'entremise  d'un  verbe  à  son  sub- 
stantif, et  il  devient  alors  le  dernier  membre  d'une  proposi- 
tion simple  (praedicatitw);  la  montagne  esi  haute;  ou  bien 
on  le  considère  comme  étant  déjà  lié  au  substantif,  et  ne 
formant  avec  lui  qu'une  seule  et  même  partie  de  la  propo- 
sition, une  haute  montagne  s'aperçoit  de  loin.  Les  verbes 
adjectifs  s'emploient  très-naturellement  dans  le  premier  de 
ces  cas.  Ils  abrègent  la  phrase  et  permettent  de  faire  habi- 


387 

tuellement  ce  qui,  dans  d'autres  langues,  n'a  lieu  qu'à  l'égard 
de  certains  mots,  savoir:  d'exprimer  l'adjectif  et  le  verbe 
substantif  (praedicalnm  et  copula)  par  un  seul  mot.  Toutes 
les  langues  possèdent  de  ces  verbes  adjectifs,  comme  briller 
pour  être  brillant.  Il  est  naturel  que,  dans  ce  cas,  le  verbe 
adjectif  puisse  être  conjugué  par  tous  les  modes  et  tous 
les  tems. 

Mais  lorsque  1  idée  de  l'adjectif  est  intimement  liée  au 
substantif,  l'intervention  du  verbe  est  contre  l'ordre  naturel 
des  idées,  et  fait  deux  propositions  d'une  seule.  C'est  pour- 
quoi le  P.  Rodriguez  nomme  (§  11)  ces  phrases  des  phrases 
relatives.  Mais  cette  explication  me  semble  être  prise  de  nos 
idées  grammaticales,  et  non  pas  de  celles  des  nations  qui 
les  premières  ont  formé  les  langues.  Talcai  gama,  elle  est 
élevée  la  montagne1),  nous  paraît  une  expression  incohé- 
rente et  peu  naturelle;  mais  pour  un  peuple  nouveau  et  pour 
ainsi  dire  naissant,  c'est  au  contraire  la  plus  naturelle  de 
toutes.  L'homme  est  d'abord  frappé  de  la  qualité  de  l'objet 
qu'il  voit,  et  il  s'écrie:  c'est  haut!  et  il  ajoute  après,  pour 
s'expliquer,  la  montagne.  On  voit  par-là  pourquoi,  dans  ce 
cas,  le  verbe  adjectif  est  toujours  au  présent  de  l'indicatif 
(§71  bis).  Il  est  même  certain  que  toutes  les  phrases  de 
cette  nature  en  renferment  proprement  deux  réunies  en  une 
seule,  puisque  la  réflexion  que  la  montagne  est  haute  a  du 
précéder  l'expression:  la  haute  montagne. 

Etant  une  fois  accoutumé  à  faire  précéder  l'adjectif  sous 
la  forme  de  verbe,  on  fait  naturellement  la  même  chose  en 


')  Voyez  une  construction  analogue  dans  le  chinois,  Élêmens  de 
la  Grammaire  chinoise,  §302-303,  p.  113.  La  clé  tie  beaucoup 
d'anomalies  qui  s'observent  dans  le  système  de  la  grammaire 
japonaise,  se  trouve  dans  la  manière  dont  on  a  ajouté  des  signes 
grammaticaux  aux  vocables  indéterminés  de  la  langue  chinoise. 

(A-R.) 


388 

liant  l'adjectif  et  le  substantif  dans  un  même  mol.  Takayama 
est  évidemment  la  même  chose  que  taliai  y  am  a,  et  ce  chan- 
gement est  purement  euphonique.  Nous  ne  voyons  dans  ce 
mot  que  l'idée  de  haute  montagne,  et  nous  le  regardons 
comme  appartenant  à  la  classe  des  mots  composés  qu'on 
nomme  en  samskrit,  harmadharaya.  Mais  les  Japonais  y 
attachent  encore  l'idée  d'être,  ou  du  moins  il  faut  qu'ils  l'y 
aient  attachée   au  tems   de   la  formation  de   leur  langue. 

Il  aurait  été  sans  doute  plus  conséquent  d'employer,  dans 
ces  deux  cas,  le  radical  taho ,  qui  exprime  purement  l'idée  de 
hauteur;  mais  la  manière  de  se  représenter  l'adjectil  comme 
étant  attaché  au  substantif,  dont  j'ai  parlé  plus  haut,  a  sans 
doute  fait  préférer  la  forme  du  verbe.  Ces  diverses  manières 
de  se  figurer  les  formes  grammaticales  constituent  une  des 
principales  différences  des  langues  entr'elles. 

Le  radical  s'emploie,  au  contraire,  d'une  manière  très- 
naturelle,  lorsque  l'adjectif  se  rapporte,  comme  adverbe,  à 
un  verbe.  La  répétition  des  inflexions  verbales  serait,  dans 
ce  cas,  d'autant  plus  inutile  que,  lorsque  deux  verbes  se 
suivent,  le  premier  semble  toujours  rester  à  la  forme  radicale. 

Le  verbe  japonais  parait  être,  en  grande  partie,  la  com- 
binaison du  radical  avec  le  verbe  substantif,  ou  avec  un 
verbe  auxiliaire  qui  en  tient  lieu;  car  outre  que  les  radicaux 
(§28)  peuvent  être  conjugués  avec  le  verbe  substantif  arou, 
les  inflexions  verbales  onrou,  ronron,  ri,  rebu,  ha,  ri,  keri 
et  d'autres,  renferment  évidemment  un  verbe  auxiliaire.  0 
même  est,  selon  le  P.  Rodriguez  (p.  65),  une  contraction 
à'orou.  Je  n'oserais  cependant  porter  un  jugement  décisif 
sur  d'autres  inflexions,  nommément  sur  celles  de  la  seconde 
conjugaison  et  sur  celles  des  verbes  adjectifs. 

Mais  très-souvent  le  verbe  substantif  et  l'idée  verbale, 
en  tant  qu'elle  dépend  de  la  forme  grammaticale,  sont  simple- 
ment sous  entendus.   Motome-ta  est  un  véritable  nom,  celui 


389 

qui  a  acquis;  et  il  ne  semble  meine  pas  différer  essentielle- 
ment de  moiomeie ,  qui  n'est  jamais  employé  que  comme 
nom,  c'est  donc  seulement  le  sens  que  lui  attache  celui  qui 
parle,  qui  fait  voir  s'il  doit  être  pris  comme  nom  verbal  ou 
comme  une  des  personnes  du  parfait.  Le  parfait  du  verbe 
substantif  joint  au  participe  ne  supplée  pas  même  à  ce  dé- 
faut; car  il  n'est  lui-même  autre  chose  qu'un  nom,  at -1a 
pour  ar-ta  d'arou.  Moiomeie -ut  ta  avec  le  pronom  de  la 
première  personne  signifie  donc,  traduit  littéralement,  je  ce- 
lui qui  a  acquis  celui  qui  a  été,  et  pour  savoir  que  l'on 
doit  dire  j'acquis,  il  faut  ajouter  en  pensée  ce  qui  constitue 
proprement  l'idée  verbale,  en  changeant  les  participes  ou 
noms  verbaux  en  leur  verbe  fléchi.  11  en  est  de  même  de 
mot  orne -y  o,  motome-yo-liasi ,  motomc-ba,  motome-nou, 
motome-nan-da,  mot  otne-nan-de-atta  et  d'autres  inflexions 
qui,  littéralement,  veulent  dire,  acquérir -très,  acquérir-très 
plût  à  Dieu,  acquérir -si,  acquérir-non,  celui  qui  a  acquis- 
non-celui  qui  a  été,  et  non  pas  proprement  acquiers,  plût 
à  Dieu  que  j'acquière,  si  j'acquiers,  je  n'acquiers  pas,  je 
n'acquis  point,  je  n'avais  point  acquis. 

Les  verbes  japonais  portent  moins  que  ceux  des  autres 
langues  le  caractère  verbal,  par  la  circonstance  que  leurs 
inflexions  ne  varient  jamais,  quant  aux  personnes  (gram,  de 
Rodr.,  §26);  car  ce  qui  caractérise  surtout  le  verbe,  c'est 
qu'il  doit  toujours  y  avoir  une  personne  qui  y  soit  affectée, 
tandis  que  les  noms  ne  se  rapportent  aux  personnes  que 
dans  certains  cas,  ou  sous  certaines  suppositions.  La  langue 
copte  et  plusieurs  langues  américaines  font  entrer  le  pronom 
dans  la  composition  des  noms  et  du  verbe,  et  il  devient 
ainsi  l'ame  et  le  centre  de  la  construction  grammaticale  de 
ces  langues.  Il  n'en  est  pas  de  même  en  japonais;  le  pronom 
reste  isolé,  et  s'ajoute  simplement  aux  noms  et  aux  verbes, 
ce  qui  le  rend  étranger  à  la  formation  de  ces  derniers. 


390 

La  place  que  les  pronoms  doivent  occuper  devant  les 
personnes  du  verbe  mérite  encore  une  attention  particulière. 
Le  P.Rodriguez  n'en  parle  point,  et  les  exclut  de  ses  thèmes 
de  conjugaison.  Le  P.  Oyanguren  (p.  59,  77)  en  donne  des 
exemples  '),  et  il  ajoute  à  la  plupart  de  ces  pronoms  la  par- 
ticule no.  Les  pronoms  du  pluriel  ivagaraica,  sonata  do- 
tnoiva  et  nan  dut  si  en  sont  seuls  privés,  et  soregasi  prend 
après  lui  la  particule  ga.  Or,  no  et  ga  sont  les  particules 
du  génitif,  et  servent  à  former  les  pronoms  possessifs:  so- 
nata-no  motomourou,  soregasi- ga  moiomourou  veulent 
donc  littéralement  dire  ton,  mon  acquérir  èlre,  et  le  verbe 
est  ainsi  entièrement  traité  comme  un  nom  substantif.  Le 
japonais  n'est  pas  la  première  langue  dans  laquelle  j'ai  cru 
trouver  ce  singulier  phénomène. 

Je  n'oserais  cependant  encore  rien  affirmer  à  cet  égard  ; 
car,  d'après  le  P.  Oyanguren  (p.  13),  no  est  aussi  une  des 
particules  du  nominatif,  el  no  el  ga  se  rapportent  également 
aux  distinctions  de  rangs   qui  jouent  un  si  grand  rôle  dans 


')  Indicatif.   —  présent. 

Singulier.  Pluriel. 

Wagano  a  gourou,  Wagurawa  agourou , 

J'offre.  Nous  offrons. 

Sonatano  agourou,  Sonata  dumowa  agourou, 

Tu  offres.  Vous  offrez. 

Arcno  agourou,  Arerano  agourou, 

Il  offre.  Ils  offrent. 

INDICATIF    PRÉSENT    POUR    LA    SECONDE    CONJUGAISON. 

Sorcgasiga  yomou,  je  lis. 
Soresamano  yomou,  votre  seigneurie  lit. 
Nandalsi  yomou,  vous  (pluriel)  lisez. 
prétérit.     Wagano  goda  atta,  j'eus  lu. 

Sonata  domowo  goda  atta,  vous  lûtes  (pluriel): 
Arcno  yoda  gozatta,  il  eût  Lu. 
fi  TUR.    Sonatano  yomo,  tu   liras. 

11'agurawa  yomozou,  nous  lirons. 

Arerano  yomozourou,  ils  liront.  (C.  L.) 


391 

la  langue  du  Japon.  Il  laut  avouer  que  nos  deux  grammai- 
riens donnent  des  idées  bien  peu  claires  et  bien  peu  pré- 
cises sur  ce  point  important. 

Les  verbes  qui  servent  d'auxiliaires  à  la  conjugaison 
(iron,  haro,  soro  sont  évidemment  les  mêmes  mots  que  les 
pronoms  démonstratifs  arou,  sore,  hare.  Doit-on  les  prendre 
pour  des  pronoms  qui  sont  devenus  verbes  substantifs.,  ou 
pour  des  verbes  dont  on  a  formé  des  pronoms?  Je  penche- 
rais pour  cette  dernière  opinion.  Le  P.  Oyanguren  dit  po- 
sitivement ({lie  arott  (dont  gozarou  est  sans  doute  un  com- 
posé) signilie  aller,  venir,  cire,  tenir  (p.  80).  11  est  donc 
probable  que  le  pronom  arou  (quidam 3  Rodriguez,  p.  82) 
est  un  nom  verbal,  ou  plutôt  que  la  langue  emploie  ce  mot 
tantôt  comme  verbe  (être),  tantôt  comme  un  pronom  (celui 
qui  est,  un  être  existant). 

On  doit  regretter  que  ce  chapitre,  dans  lequel  nos  deux 
grammairiens  traitent  du  pronom,  soit  précisément  un  des 
plus  imparfaits  et  des  plus  embrouillés1).  Ware  est  assigné« 
à  la  première  personne  par  Rodriguez,  et  à  la  deuxième 
par  Oyanguren;  luaya  à  la  deuxième  par  Rodriguez,  étala 
première  par  Oyanguren;  konata  à  la  deuxième  parles  deux 
grammairiens,  et  en  même  lems  à  la  troisième  par  Rodri- 
guez, et  à  la  première  par  Oyanguren. 

J'ai  peine  à  croire  qu'une  pareille  confusion  puisse  réelle- 
ment exister  dans  une  langue  quelconque.     *Si  malgré  cela, 


')  Suivant  K  od  ri  g  liez,  Oyanguren  et  Collado,  ivttre  s'emploie  à  la 
première  comme  à  la  seconde  personne;  Collado  ne  lait  aucune 
mention  de  waga;  mais  il  s'accorde  avec  les  deux  autres  au- 
teurs, en  admettant  Isonaia  comme  pronom  de  la  première,  de 
la  seconde  et  de  la  troisième  personne;  seulement  le  sens  de 
ce  mot  comme  pronom  de  la  première  personne,  est,  dit-il,  en 
quelque  soite  distributif;  pour  ma  part,  quant  h  moi,  pour  ce 
qiti  me  regarde:  sonafà  est  le  mot  qui  lui  correspond,  à  la 
deuxième  personne,  pour  toi,  pour  <c  qui  te  regarde.      (C.JL.Il. 


392 

les  deux  auteurs  avaient  raison,  la  cause  de  celte  confusion 
apparente  pourrait  se  trouver  dans  les  distinctions  que  l'éti- 
quette établit  entre  les  pronoms  japonais.  Il  semble  positif 
que  la  plupart  marquent  une  certaine  nuance  de  rang  ;  or, 
cela  supposé,  il  peut  très-bien  se  faire  qu'un  pronom  qui, 
sous  le  rapport  d'inférieur  à  supérieur,  sert  à  la  première 
personne,  devienne,  sous  le  rapport  de  supérieur  à  inférieur, 
pronom  de  la  deuxième. 

En  examinant  avec  soin  cette  singularité  de  la  langue, 
il  m'est  venu  une  idée  dont  j'abandonne  le  jugement  à  ceux 
qui  pourront  acquérir  une  connaissance  plus  étendue  du  ja- 
ponais. 

Il  se  pourrait  que  tous  les  pronoms  japonais,  quand 
même  ils  seraient  assignés  d'une  manière  fixe  et  stable  a 
une  des  trois  personnes,  fussent  proprement  des  pronoms  de 
la  troisième,  et  que  l'usage  seul  eut  introduit,  d'après  leur 
signification  matérielle,  leur  emploi  à  la  première  et  à  la 
deuxième,  tel  que  b/iavan,  en  samskrit,  qui  sert  à  la  deuxième 
personne,  quoiqu'il  soit  proprement  un  pronom  de  la  troisième, 
ou  plutôt,  dans  son  origine,  un  adjectif  formé  par  l'alfixe 
vatou  (Bibliotbèque  indienne  de  M.  de  Schlegel,  vol.  II,  p.  11, 
12),  et  tel  que  vous  en  français,  qui  s'emploie  au  singulier, 
quoiqu'il  soit  proprement  un  pronom  du  pluriel.  De  même 
qu'on  adresse  a  un  autre  le  titre  de  votre  grandeur,  on 
peut  se  qualifier  soi-même  de  mon  humilité;  de  même  qu'on 
dit  ego  indignus  feci,  on  peut,  en  voulant  se  désigner  soi- 
même,  dire  indignus  fecit.  Si  ces  qualifications  sont  une 
fois  établies  parmi  les  personnes  d'un  rang  différent,  ces  idées 
s'amalgameront  et  se  confondront  tellement  avec  les  idées 
primitives  des  pronoms,  que  ce  qui  était  originairement  un 
substantif  ou  un  adjectif,  par  lequel  on  désignait  un  inférieur 
ou  un  supérieur,  deviendra  un  pronom  de  la  première  ou 
de  la  deuxième  personne. 


393 

II  faudrait,  pour  se  convaincre  de  la  justesse  de  cette 
assertion,  connaître  l'étymologie  des  pronoms  japonais,  et  les 
sources  dans  lescpjelles  seules  il  m'est  permis  de  puiser,  sont 
insuffisantes  pour  un  pareil  examen.  Mais  gouso,  pronom  de 
la  première  personne  pour  les  bonzes  (ego  indignus,  Rodri- 
guez, p.  81),  paraît  être  le  même  mot  que  gou,  ignorant, 
(Rodriguez,  Index,  verbo,  g  ou  nin).  Sonata,  qui  est  regardé 
comme  un  des  pronoms  de  la  deuxième  personne,  et  konala, 
dont  j'ai  parlé  plus  haut,  sont  aussi  des  adverbes  de  lieu 
(Rodriguez  p.  79,  §72;  Oyanguren,  p.  22,  23)  qui  répondent 
à  Tinterrogatif  donata.  Ils  veulent  donc  dire,  comme  pronoms, 
celui  qui  est  ici  ou  là,  et  pourraient  servir  pour  toutes  les 
trois  personnes,  selon  le  rapport  dans  lequel  se  trouve  celui 
qui  les  emploie  ').  Ce  fait  m'a  paru  très-précieux,  puisqu'il 
semble  prouver  que  cette  confusion  des  deux  premières  per- 
sonnes avec  la  troisième  vient  d'une  source  plus  générale 
que  des  idées  conventionnelles  de  rang  et  d'étiquette,  et 
qu'il  tient  à  la  nature  même  de  l'intelligence  humaine. 

L'habitude  des  enfans  de  parler  d'eux  -  mêmes  à  la 
troisième  personne  prouve  que  l'idée  du  moi  est  difficile  à 
saisir.  Celle  du  toi  semble  plus  facile,  quoiqu'elle  ne  le  soit 
guère;  car,  prise  dans  son  sens  rigoureux,  elle  sépare  un 
être  de  tous  les  autres,  pour  le  mettre  en  opposition  avec 
celui  qui  parle;  elle  renferme  ainsi  l'idée  du  moi.  L'idée 
abstraite  du  pronom,  c'est-à-dire  de  la  personne  dénuée  de 
toute  autre  qualité,  a  dû,  en  général,  exiger  une  réflexion 
plus  profonde.  C'est  pourquoi  on  a  voulu  soutenir  que  parmi 
les  parties  du  discours,  le  pronom  a  été  le  dernier  à  se  dé- 
velopper. Mais  si  on  exprime  la  chose  de  cette  manière,  les 
faits  lui  sont  contraires.  Un  grand  nombre  de  langues  de 
véritables  sauvages  donnent  aux  pronoms  des  développemens 


')    Voyez  la  note  page  391, 


394 

même  étrangers  aux  langues  civilisées,   et   toute  leur  orga- 
nisation grammaticale  repose  sur  le  pronom. 

Il  semble  prouvé  par  la  que  l'homme  place,  par  un  in- 
stinct naturel,  les  idées  du  moi  et  du  toi  là  où  1  expression 
de  la  pensée  l'exige,  sans  s'élever  encore  pour  cela  à  leur 
sens  rigoureux  et  abstrait.  Mais  il  se  pourrait  que  dans  beau- 
coup de  langues,  même  peut-être  dans  toutes,  les  pronoms 
de  la  première  et  de  la  deuxième  personne  aient  été,  dans 
leur  origine,  des  pronoms  de  la  troisième,  ou  plutôt  des  sub- 
stantifs ou  des  adjectifs,  désignant  d'une  manière  quelconque 
la  personne  qui  parle,  mais  n'exprimant  point  directement  le 
rapport  opposé  de  celui  qui  parle  et  de  celui  à  qui  on 
adresse  la  parole;  c'est  ce  qui  constitue  proprement  la  dif- 
férence du  moi  et  du  loi. 

Dans  la  langue  malaise,  tous  les  pronoms  de  la  pre- 
mière personne,  à  l'exception  du  seul  ahou ,  dont  la  signi- 
fication paraît  s'être  perdue,  sont  des  substantifs  désignant 
différens  degrés  d'humilité.  Marsden,  dans  sa  Grammaire  ma- 
laise, observe  (p.  44)  que  ces  pronoms  devraient  proprement 
être  considérés  comme  étant  de  la  troisième  personne,  et  il 
ajoute  fort  judicieusement:  „C'est  ainsi  que  les  parties  du 
discours  prennent  la  place  lune  de  l'autre,  et  de  même  que 
les  pronoms  sont  qualifiés  de  substituts  de  noms,  des  noms 
deviennent,  dans  ce  cas,  des  substituts  de  pronoms."  Le  ma- 
lais', comme  le  japonais,  ne  connaît  qu'une  seule  inflexion 
du  verbe  pour  toutes  les  personnes  du  singulier  et  du  pluriel. 
Si  je  saisis  bien  le  sens  du  §  5,  et  surtout  du  n°  122 
de  l'excellente  Grammaire  chinoise  de  M.  Abel-Rémusal,  les 
pronoms  simples  de  la  première  personne,  usités  ancienne- 
ment en  Chine,  ont  l'ail  place  insensiblement  aux  formules 
d'humilité  établies  par  l'étiquette.  Les  véritables  pronoms 
auraient  donc  été  les  premiers,  et  la  fausseté  de  L'assertion 
du  développement  tardif  des  pronoms  serait  encore  prouvée 


395 

par  ce  fail.  Mais  il  se  pourrait  également  aussi  que  ces  pre- 
miers pronoms  eussent  été  de  véritables  substantifs1),  et 
que  leur  signification  primitive  s'étant  perdue  avec  le  tems, 
on  s'en  fut  servi  comme  de  pronoms,  qu'on  eût  trouvé  bon 
plus  tard  de  remplacer  par  des  formules  d'humilité.  Les 
mêmes  phénomènes  se  reproduisent  dans  toutes  les  langues, 
et  tandis  que  les  mots  et  les  formes  grammaticales  restent 
matériellement  les  mêmes,   l'esprit  humain   avance,    et  leur 


')  C'est  en  chinois  plus  que  dans  tout  autre  idiome,  c'est  dans 
une  écriture  où  se  sont  conservés  tant  de  vestiges  des  notions 
qui  ont  été  attachées  aux  mots,  qu'on  devait  espérer  de  trou- 
ver quelque  idée  précise  de  la  valeur  primitive  des  pronoms. 
Les  recherches  étymologiques  qu'on  a  faites  à  ce  sujet  sont 
loin  d'avoir  en  un  résultat  positif.  Sous  le  rapport  de  la  pro- 
nonciation, il  paraît  qu'il  y  eut  d'abord,  dans  cet  idiome,  moins 
de  variétés  qu'on  n'en  observe  aujourd'hui;  plusieurs  termes 
qui  ont  à  différentes  époques  reçu,  dans  l'écriture,  des  signes 
variés,  rentrent  évidemment  les  uns  dans  les  autres;  tels  sont 
'o,  'oî«,  iu,  iu,  pour  la  première  personne,  ni,  îii,  cul,  jou,  pour 
la  seconde.  Il  faudrait  savoir  quel  est  le  caractère  dont  on  s'est 
servi  d'abord  pour  peindre  l'idée  attachée  à  ces  mots;  mais 
c'est  de  quoi  les  livres  ne  nous  instruisent  pas.  Un  des  plus 
curieux  est  le  caractère  fseii  (soi-même);  il  représente  l'haleine 
qui  s'échappe  à-la-fois  du  nez  et  de  la  bouche.  On  s'est  servi 
de  ce  signe  primitif,  en  y  répétant  encore  une  fois  l'image  de 
bouche,  pour  indiquer  qu'on  parle  de  soi-même:  mais  c'est  un 
signe  moderne  et  dépourvu  d'autorité.  On  explique  quelques- 
uns  des  caractères  assignés  aux  pronoms,  en  y  faisant  remar- 
quer une  louche,  des  vapeurs,  une  main.  L'un  des  signes  de  la 
seconde  personne  représente,  dit-on,  du  souffle  qui  s\!carle, 
apparemment  en  se  dirigeant  vers  celui  à  qui  l'on  parle.  Le 
caractère  le  plus  usité  pour  le  pronom  de  la  première  est,  dit- 
on,  formé  d'une  main  qui  tient  une  lance.  Mais  sans  parler  de 
l'incertitude  et  de  l'insufiisance  de  ces  explications,  il  faut 
avouer  que  la  plupart  des  signes  de  cette  espèce,  même  les  plus 
anciens  et  ceux  qui  se  trouvent  dans  le  Chou-King,  sont  abso- 
lument rebelles  à  l'analyse,  ou  n'offrent  que  des  indicateurs  de 
sons,  et  par  conséquent  la  peinture  des  mots  de  la  langue  par- 
lée, dès-Iora  adoptés  pour  rappeler  les  idées  de  personnalité. 

(A.-K.) 


396 

attribue,  par  un  effet  de  ses  progrès,  un  sens  plus  général, 
plus  exact  et  plus  abstrait;  ils  prennent  une  nature  diffé- 
rente, en  semblant  rester  les  mêmes. 

Si,  en  effet,  tous  les  pronoms  japonais  étaient  de  la 
troisième  personne,  le  verbe  n'aurait  besoin  que  d'une  seule 
personne,  et  motomourou,  par  exemple,  serait,  dans  le  sens 
rigoureux  de  la  grammaire,  l'inflexion  de  la  troisième  per- 
sonne, dans  laquelle  l'usage  aurait  établi  de  comprendre 
aussi  la  première  et  la  deuxième,  d'après  la  signification  des 
adjectifs  ou  des  substantifs  servant  de  pronoms.  Cela  s'ac- 
corderait parfaitement  avec  ce  que  j'ai  avancé  plus  haut, 
que  les  inflexions  du  verbe  japonais  ne  sont  que  le  radical 
modifié  suivant  les  tems  et  les  modes,  et  joint  à  un  pronom 
possessif. 

Le  verbe  prendrait  dans  celte  supposition  la  nature  du 
nom,  ou  plutôt  le  nom  servirait  de  verbe.  Cette  facilité  d'as- 
signer à  une  partie  du  discours  les  fonctions  d'une  autre 
fait  naître  bien  des  réflexions  sur  la  grammaire  en  général. 
Elle  prouve,  ce  me  semble,  que  les  notions  grammaticales 
résident  bien  plutôt  dans  l'esprit  de  celui  qui  parle,  que  dans 
ce  qu'on  peut  appeler  le  matériel  du  langage;  or,  pour  ap- 
prendre à  connaître  le  mécanisme  des  langues,  il  faut  bien 
se  pénétrer  de  l'importance  de  cette  distinction. 


Lettre  h  Mr.  Jaquet  sur  les  alphabets  de  la  Polynésie 
Asiatique*). 


«J  e  commence,  Monsieur,  par  vous  envoyer  une  copie  exacte 
des  paragraphes  où  les  PP.  Gaspar  de  S.  Augustin  et  Do- 
mingo Ezguerra,  dans  leurs  grammaires  tagala  et  bîsuya, 
parlent  des  alphabets  de  ces  langues.  Vous  verrez  par-là  que 
vous  avez  eu  parfaitement  raison  de  supposer  que  ces  deux 
dialectes  et  Vylog  se  servent  du  même  alphabet  ')  ;  car  quoi- 
que l'alphabet  bisay  offre  quelques  variétés  plus  considéra- 
bles que  les  deux  autres,  l'identité  n'en  est  pas  moins  évi- 
dente. Vous  trouverez  aussi,  Monsieur,  dans  les  deux  al- 
phabets que  j'ai  l'honneur  de  vous  transmettre,  le  v  de 
corazon  de  Totanes  et  toutes  les  dix-sept  lettres  dont  se 
compose  l'alphabet  des  Philippines. 

Vous   attribuez  l'expression   de  bay  bay  In   aux  gram- 


*)  Mr.  Jacquet  hat  die  Güte  gehabt,  diesen  Brief  im  neunten  Bande 
des  Nouveau  Journal  Asiatique  abdrucken  zulassen.  Er  erscheint 
hier  durch  einige  spätere  Zusätze  vermehrt,  und  durch  Stellen 
des  Aufsalzes  des  Hrn.  Jacquet  erläutert,  welcher  die  Veran- 
lassung zu  demselben  gab. 

')  Jacquet.  Notice  sur  l'alphabet  Yloc  ou  Ylog  mm  Nouv.  Journ. 
Asiat.  T.  8.  p.  3— lit. 


398 

mairiens  espagnols  '),  et  cela  m'a  paru  Irès-probable.  Je  vois 
cependant  par  le  dictionnaire  du  P.  Domingo  de  los  Santos, 
que  ces  grammairiens  ne  reconnaissent  pas  ce  mot  pour  le 
leur;  il  paraît  appartenir  aux  indigènes,  et  l'étymologie  qu'on 
en  donne  est  assez  curieuse.  Bay  bay  in  est  un  substantif 
formé  du  verbe  baybay  (épeler,  nommer  une  lettre  après 
l'autre).  Le  même  verbe  signifie  aussi,  marcher  sur  la  côte 
de  la  mer  et  naviguer  près  de  la  côte  sans  vouloir  s'expo- 
ser aux  dangers  de  la  haute  mer;  c'est  de  cette  métaphore 
que  de  los  Santos  dérive  le  mot,  dans  le  sens  d'épeler.  J'ose 
aussi  croire  que  la  lettre  b  serait  plutôt  nommée  b  a  que 
bay.  De  los  Santos  dit  expressément  que  les  indigènes 
nomment  les  consonnes  ainsi:  baba,  caca,  dara, 
y  a  y  a,  etc. 

Je  suis  entièrement  d'accord  avec  vous,  Monsieur,  sur 
l'alphabet  des  Bugis2).  Les  consonnes  sont  à  peu  près  les 
mêmes  que  dans  l'alphabet  tagala;  mais  la  manière  d'écrire 
les   voyelles   en   diffère   beaucoup,    non    pas   pour  la    forme 


')  La  réunion  de  ces  dix-sept  lettres  est  nommée  dans  les  diction- 
naires Tagala,  baybayin  (et  A.B.  C.  Tayitlo).  Il  est  facile  de 
s'apercevoir  que  ce  mot  est  de  nouvelle  formation  et  qu'il  a 
été  imaginé  par  les  Espagnols,  quand  ils  se  sont  occupés  de 
donner  des  formes  régulières  à  la  grammaire  et  à  la  lexico- 
graphie de  cette  langue.  Le  mot  baybay  in  est  composé  d'une 
formative  finale  et  de  baybay  qui  me  paraît  être  le  vocable 
de  la  lettre  B  (ainsi  que  les  langues  de  l'Inde,  le  Tayala  pos- 
sède une  formule  pour  citer  chaque  lettre  grammaticalejnent  ; 
cette  formule  est  le  redoublement  de  la  lettre  même:  caca, 
h  aha,  nana,  (.',  H,  N).  La  consonne  B,  les  voyelles  mises  en 
dehors  comme  dans  Tordre  alphabétique  des  langues  indiennes, 
se  trouve  être  la  première  de  Tordre  alphabétique  européen 
introduit  par  les  Espagnols  et  combiné  avec  les  restes  du 
^  —  ^|"  sanskrit:  c'est  du  nom  de  cette  première  lettre  qu'on 
a  nommé  l'ensemble  de  toutes  les  autres:  baybayin  signifie 
donc  proprement  alphabet  (Jacquet.  /.  c.  ;>.  7.  K.) 
)    Jacquet.  /.  c.  p.  10  —  12. 


399 

seulement,  mais  pour  le  principe  même  de  la  méthode.  C'est 
précisément  ce  point  principal  dont  il  est  impossible  de  se 
former  une  idée  juste  d'aptes  Raffles.  L'alphabet  bugis  manque 
de  signes  pour  les  voyelles  initiales  à  l'exception  de  l'a: 
mais  le  fait  est  que  cet  a,  outre  sa  fonction  de  voyelle,  est 
en  même  temps  un  fulcrum  pour  toutes  les  autres  voyelles, 
un  signe  qui,  de  même  que  toute  autre  consonne,  leur  sert 
pour  ainsi  dire  de  corps.  Vous  aurez  peut-être  déjà  observé, 
Monsieur,  en  consultant  la  grammaire  de  Low,  que  la  même 
chose  a  lieu  dans  le  thai.  Dans  la  dernière  série  des  con- 
sonnes thaï,  se  trouve  un  a  dont  Low  donne  l'explication 
suivante:  a,  which  is  rather  a  vowel  than  a  consonant, 
and  is  placed  frequently  in  a  word  as  a  sort  of  pivot, 
on  which  llie  vowel  points  arc  arranged.  It  forms,  as  it 
were,  the  body  of  each  of  the  simple  vowels.  C'est  ainsi 
qu'on  place  en  javanais  un  h  devant  chaque  voyelle  ini- 
tiale, mais  sans  le  prononcer;  et  c'est  encore  ainsi  que  les 
mots  malais  commençant  par  i  et  u  sont  précédés  tantôt 
d'un  i,  tantôt  d'un  ». 

M.  Thomsen,  missionnaire  danois,  a  commencé  à  im- 
primer à  Sincapore,  en  types  fort  élégans,  un  vocabulaire 
anglais-bugis,  où  l'écriture  indigène  est  placée  à  côté  de  la 
transcription  anglaise.  Le  manque  de  fonds  nécessaires  a  fait 
abandonner  l'entreprise;  mais  je  tiens  de  l'obligeance  de  M. 
Neumann  la  première  feuille  de  ce  vocabulaire,  qu'il  a  rap- 
portée de  son  interessant  voyage  à  Canton  '):  l'analyse  de 
deux  cents  mots,  qu'elle  renferme,  m'a  fourni  ce  que  je 
viens  de  dire  sur  l'emploi  de  l'a  bugis:  noouvae  (low  iva- 


')  Ich  habe  später  dieses  Wörterbuch  vollständig  erhalten;  es  führt  den 
Titel:  A  vocabulary  of  the  English,  Bugis,  and  Malay  languages, 
containing  about  2000  words.  Singapore.  1833.  Sn.  Es  sind  ihm 
ein  Alphabet  und  einige  Bemerkungen  über  die  Aussprache  vor- 
ausgeschickt, und  der  erste  Bogen  erscheint  verändert. 


400 

1er)  y  est  écrit  tia-o  pur  -a  avec  le  point  de  Yott  -va-e-a  ; 
makounr aï  (femme),  ma-ha  avec  ou-ra-a  avec  le  point 
de  1%  Vous  voyez  par  ces  exemples,  Monsieur,  que  la  dif- 
ficulté que  ces  alphabets  (qui  considèrent  les  voyelles  me- 
diales comme  de  simples  appendices  de  consonnes)  éprouvent 
d'écrire  deux  voyelles  de  suite,  est  levée  par  le  moyen  de 
cet  «.  Le  dévanagari ,  qui ,  parce  que  la  langue  sanscrite  ne 
permet  jamais  à  deux  voyelles  de  se  suivre,  immédiatement 
dans  le  même  mot,  a  destiné  les  voyelles  indépendantes  à 
être  exclusivement  employées  au  commencement  des  mots, 
s'est  mis  par-là  dans  l'impossibilité  d'écrire  le  mot  bugis 
ouvae  (eau).  Je  trouve  dans  un  seul  mot  le  redoublement 
d'une  voyelle  mediale,  lele)ia3  écrit  c-e-la-na:  ce  n'est  là 
qu'une  abréviation;  on  répète  la  voyelle,  on  néglige  d'en 
faire  autant  pour  la  consonne,  et  le  lecteur  ne  peut  pas  être 
induit  en  erreur;  comme  une  consonne  ne  peut  être  accom- 
pagnée que  d'une  seule  voyelle,  il  reconnaît  de  suite  qu'il 
faut  en  reproduire  le  son. 

Ce  qui  m'a  frappé  dans  ce  vocabulaire,  c'est  de  trou- 
ver transcrit  en  anglais  par  o,  le  signe  que  Raffles  rend  par 
eng  i).  Cet  o,  que  je  nommerai  nasal,  diffère  à  la  vérité  dans 
l'impression  anglaise,  de  l'autre  qui  répond  à  Yo  bugis  placé 
à  la  droite  de  la  consonne,  en  ce  que  ce  dernier  est  plus 
grêle  et  que  l'autre  est  plus  arrondi;  mais  cette  différence 
typographique,  très-peu  sensible  en  elle  même,  ne  nous  ap- 
prend rien  sur  la  différence  du  son  ou  de  l'emploi  des  deux 


')  Mars  de  n  giebt  in  seinen  miscellaneous  works  {Plattet. nach  S.  16.) 
auch  eine  Abbildung  des  Bugis- Alphabets $  er  nennt  das  Zeichen 
rTg  und  spricht  es  in  der  Verbindung  mit  einem  C'onsonauten  arfg 
aus.  Das  vollständige  Kugis-Itörterbuch  giebt  ihm  ilie  Aussprache 
des  ö  in  Königsberg,  und  setzt  hinzu:  it  is  6,  ön  and  brig, 
according  to  its  place  in  the  word,  or  the  letter  which  follows  it. 
li'.s  wird  darin   auch  immer  0  bezeichnet. 


4Ü1 

signes  bugis.  Je  crois  m'ètre  assuré  que  Yo  noté  au-dessus 
de  la  consonne  a  en  effet  un  son  nasal,  tandis  que  le  signe 
placé  à  la  droite  de  la  consonne  ne  s'emploie  que  là  où  le 
son  de  l'o  est  pur  et  clair.  C'est  le  mot  sopoulo,  dix,  qui 
m'a  mis  sur  la  voie  de  cette  distinction:  il  s'écrit  sa  avec 
l'o  nasal  -pa  avec  ou-la-o  pur;  il  renferme  donc  les  deux  o. 
Or,  sopoulo  est  \e  s  a  n  pùuo  tagala  (Totanes,  n°.  359),  et  Yo 
nasal  bugis  répond  ainsi  exactement  au  son  nasal  du  mot 
tagala.  L'o  nasal  est  souvent  suivi,  dans  la  prononciation, 
du  son  nasal  ft  g;  mais  ce  son  n'en  forme  pas  une  partie 
nécessaire.  Il  se  détache  dans  la  prononciation,  et  Yo  reste 
nasal  dans  l'écriture  :  oulong,  lune,  a  avec  ou-la  avec  l'o 
nasal;  oulo  te  pou ,  pleine  lune,  a  avec  ou-  la  avec  Yo  nasal 
-e-ia-pa  avec  ou.  L'o  nasal  se  trouve  aussi  dans  des  mots 
qui  ne  se  terminent  pas  par  le  son  hg;  oloe,  air,  a  avec 
l'o  nasal-/«  avec  l'o  nasal -e-a:  il  est  même  suivi  de  con- 
sonnes autres  que  ft  g  ;  aloft,  bois,  a-la  avec  l'o  nasal;  tan- 
dis que  cette  consonne  nasale  peut  être  précédée  par  un  o 
pur,  1  andjofig  „  ia-dja-o  pur.  Il  résulte  de  tout  cela  que 
l'o  nasal  est  un  anousvar  a ,  qui  peut  encore  être  renforcé 
par  la  consonne  nasale. 

L'uniformité  avec  laquelle  les  différens  alphabets  dont 
j'ai  parlé  placent  IV  et  Vi  à  la  gauche  de  sa  consonne  et 
en  sens  contraire  de  la  direction  de  l'écriture,  est  très-sin- 
gulière: l'alphabet  javanais  assigne  la  même  place  à  Ye. 

Les  quatre  lettres  composées  ng  k  aß  mp  a  ,nr  a  ,  nicha , 
manquent  dans  mon  vocabulaire1);    et   ce   qui   est  plus  sin- 


')  Hr.  Jacquet  hat  schon  (Nouv.  Journ.  Asiat.  T.  8.  p.  11.  Anm.  J.) 
bemerkt,  dafs  diese  zusammengesetzten  Buchstaben  auch  in  einer 
andren  von  Raffles  gegebenen  Abbildung  eines  Bugis-Alphabets 
fehlen,  welches,  nach  Raffles,  sich  in  einer  alten  Handschrift  fin- 
det. Auffallend  bleibt  es,  dass ,  obgleich  das  Rugis -Wörterbuch 
nie  sich  eines  dieser  zusammengesetzten  Ruchstaben  bedient  ,    sie 

vu.  26 


402 

gulier  encore,  c'est  qu'au  cas  échéant,  la  première  des  deux 
consonnes  réunies  n'est  pas  exprimée  dans  l'écriture  bugis: 
elle  n'est  donc  point  regardée,  ainsi  qu'on  devait  le  croire 
d'après  Raffles,  comme  initiale,  mais  comme  terminant  la 
syllabe  précédente;  exemple:  lempok  (inondation),  e -la- 
pa avec  l'o  nasal;  onromalino  (endroit  retiré),  a-o  pur 
-ra-o  pur  -ma-la  avec  i-na-o  pur.  Je  ne  trouve  pas 
d'exemple  des  syllabes  ngha  et  nicha  1). 


dennoch  in  dem  vor  demselben  gegebenen  Alphabete  aufgeführt 
sind,  merkwürdigerweise  nher  in  der  Aussprache  der  Nasal  fehlt; 
denn  für  ifgkak  (das  Wörterbuch  fügt  allen  diesen  zusammen- 
gesetzten Buchstaben  in  der  Benennung  ak,  den  einfachen  aber 
nur  a  bei)  wird  die  Aussprache  k,  für  mpak  nur  |>,  für  nrak 
mmt  r,  für  nchak  nur  ch  angegeben.  Ma  rs  de  ns  oben  erwähn- 
tes Alphabet  enthält  ebenfalls  die  vier  zusammen gesetzt en  Buch- 
staben. 
')  In  den  ferneren  Bogen  des  Bugis-if'örterbuches  finde  ich  nun  al- 
lerdings dafür  Beispiele:  gara  ifgkatfg,  Spinne,  geschrieben 
ga-ra  ka,  gonching,  Scheere,  geschrieben  g  a-  reines  o-ch  a 
ni  if  i  {ich  schreibe  hier  c  h ,  was  ich  im  Französischen  Texte  tch 
bezeichne).  —  Ja  ich  fimle  auch  noch  andre  zusammengesetzte 
C'onsonantenlaute,  als  die  vier  oben  era  ahnten:  rfgga,  S,  B.  in 
gerfggo  tedoifg,  Käfer,  geschrieben  e-ga-ga-  reines  o-e- 
ta-da-  reines  o;  mba,  in  gu  in  bang,  Wasserkrug,  geschrie- 
ben g  &  mit  u-ba,  sumbu,  Docht,  geschrieben  saniif  u-ba  mit 
u  ;  nta,  in  lantera,  Laterne,  geschrieben  la-e-ta-ra;  nda, 
in  Iandak,  Igel,  geschrieben  La- da;  tandak,  Sieh,  ta -da; 
nja  (ich  verstehe  unter  j  den  Englischen  Laut  dieses  Buchsta- 
ben), in  injili,  Evangelium,  geschrieben  a  mit  i-ja  mit  i-la 
mit  i,  junjuifgi,  auf  dem  Kopfe  tragen,  ja  mit  u-ja  mit  u- 
nga  mit  i.  Hierdurch  erweitert  sich  auf  einmal  der  Gesichts- 
kreis, und  wird  man  in  den  Stand  gesetzt,  diese  Eigenthümlich- 
keit  des  Bugis- Alphabets  klar  zu  übersehen.  Es  wird  nämlich 
deutlich,  dass  die  Bugis-Sprache,  wie  die  ihr  verwandten  Malayi- 
schen  Sprachen,  die  eigentlich  Malagische,  die  Javanische  u.  «., 
alle  Zusammensetzungen  des  Nasallauts  mit  don  dumpfen  und 
tönenden  Consonanten  der  vier  ersten  Classen  (von  einer  Zu- 
sammensetzung des  Nasals  mit  s  finde  ich  kein  Beispiel,  und 
scheint  das  Bugis  diese  Verbindung  mit  den  verwandten  Sprachen 
nicht  zu  thcilen),  wozu  woefi   die   Verknüpfung  desselben  mit  dem 


403 

Vous  supposez,  Monsieur,  que  le  r  initial  est  remplacé 
Hans  la  langue  tagala  par  Y  y  ');   vous   m'excuserez  si  je  ne 

Halb  vocal  ra  kommt  {cine  Verbindung  mit  la  finde  ich  nicht,  und 
die  mit  dem  y  a  wird  durch  einen  eignen,  einfachen  Consonanten, 
ivie  in  den  verwandten  Sprachen,  ausgedrückt) ,  in  ihrem  Laut- 
systeme hesitzt,  dass  sie  aber  den  Nasal  nicht  schreibt,  sondern 
es  dem  Leser  überlässt,  ihn,  wo  er  in  der  Aussprache  vorkommt, 
vor  dem  geschriebenen  zweiten  Consonanten,  nach  Maassgabe 
seines  Organs  (n ,  n~g  oder  in),  zu  ergänzen.  Dennoch  hat  die 
Schrift,  idkI,  wie  ich  glaube  in  spaterer  Zeit,  für  die  Verbindung 
des  Nasals  mit  den  dumpfen  Consonanten ,  merkwürdigerweise 
aber  nicht  mit  dem  dentalen,  und  mit  dem  Ilalbvocal  ra  ei- 
gene Zeichen  gebildet,  welche  aber  nicht  viel  im  Gebrauche  zu 
sein  scheinen.  Für  die  spätere  Einführung  dieser  vier  Consonan- 
tenzeichen  spricht  auch  in  der  That  ihre  complicirtere  Gestalt; 
und  man  kann  wohl  sicher  behaupten,  dass  das  Zeichen  für  ngka 
(durch  blosse  Umkehrung)  von  dem  für  n~ga,  und  durch  blossen 
Zusatz  einer  Linie  das  für  mpa  von  pa,  das  für  nra  von  ra 
abgeleitet  sind,  wogegen  nur  das  Zeichen  für  nclia  keine  Analo- 
gie darbietet.  Daraus,  dass  man  für  die  Verbindung  des  Nasen- 
lauts mit  dem  dumpfen  dentalen  und  mit  allen  vier  tönenden 
Consonanten  lein  Zeichen  besass,  geht  deutlich  genug  hervor,  wie 
man  sich  nun  auch  der  wirklich  vorhandenen  vier  Zeichen  beim 
Schreiben  entschlagen  konnte. 
')  Le  tagala  est  comme  plusieurs  dialectes  de  la  Tartarie  septen- 
trionale, privé  de  IV  initial:  mais  il  paraît  le  remplacer  parle 
y,  que  ne  possède  pas  YUgi,  ces  deux  lettres  se  permutent 
souvent  dans  les  langues  de  l'Inde  ultérieure.  (Jacquet.  Notice 
sur  l'alphabet  Yloc.  Nouv.  Journ.  Asiat.  T.  8.  p.  11.  Anm.  2.)  — 
Es  sei  mir  erlaubt,  hier  noch  zu  bemerken,  dass  dem  Bugis-Al- 
phabel  das  y  nicht  fehlt  ;  es  findet  sich  in  dem  zweiten  von  Raffles 
gegebenen  Alphabete,  in  dem  in  Marsdens  miscellaneous  works 
und  dem  des  Bugis-lVbrterbuches,  und  kommt  auch  in  dem  letz- 
ten öfter  vor,   z.B.  apeyan~gi,    werfen,  geschrieben  a-e-pa- 

ya-nga  mit  \,  ekayah,  Geschichte  (das  Arabische  âùl  £-" T>), 

e-a-ka-ya,  yatu,  er,  sie,  es,  ya-ta  mit  u.  Im  Anfange  des 
IVortes  spricht  es  das  Wörterbuch  auch  ïya  aus,  z.B.  in  dem 
letztgenannten  Pronomen  mit  puna,  ïyatu  puna,  sein,  ihr, 
und  bezeichnet  diese  Aussprache  manchmal  durch  den  Vocal  i 
über  dem  ya,  z.B.  in  ïyak,  ich,  welches  einfach  durch  diese 
Verbindung  dargestellt  wird,  ïyapega,  welcher,  geschrieben  y  a 
mit  i-e-pa-ga. 

26* 


404       , 

puis  partager  celte  opinion.  Les  deux:  lettres  y  et  r,  il  est 
vrai,  se  permutent  souvent  dans  ces  dialectes;  le  pronom 
tagala  sii/a,  il,  est  indubitablement  le  s'ira  javanais  ou  plu- 
tôt kawi:  mais  le  r  initial  est  remplacé  par  le  d;  on  dit 
raton  et  daton,  roi,  had  aie  an  et  ha  rat  on,  palais. 
Les  indigènes  des  Philippines  confondent  sans  cesse  le  d  et 
le  r;  mais  de  los  Santos  donne  pour  règle  que  le  d  doit 
être  placé  au  commencement  et  le  r  dans  le  milieu  des 
mots.  Cette  règle  paraît  constante  pour  le  tagala;  mais  elle 
est  aussi  observée  dans  d'autres  dialectes:  le  dan  a  a  (lac) 
malais  est  le  ran  on  (eau)  de  Madagascar  et  le  da  no  ou 
lano  de  l'île  de  Magindanaô.  L'y  entre  aussi  dans  ces  per- 
mutations, mais  moins  régulièrement,  et  dans  la  langue  ta- 
gala, autant  que  je  sache,  jamais  comme  initiale.  Un  des 
exemples  les  plus  frappans  est  le  suivant.  Ouir:  dinyiy 
en  tagala,  rinyue  Madagascar,  ronyo  Nouvelle-Zélande, 
roo  Tahiti,  ongo  tonga;  oreille:  tayiny  a  tagala,  tdinya 
malais,  talinhe,  tadigny  Madagascar,  tarinya  Nou- 
velle-Zélande, taria  Tahiti. 

Vous  avez  expliqué  d'une  manière  fort  ingénieuse,  Mon- 
sieur, comment  on  a  pu  se  méprendre  sur  la  direction  des 
signes  de  l'écriture  tagala,  et  vous  avez  réfuté  en  même 
temps  l'opinion  de  quelques  missionnaires  espagnols  sur  l'o- 
rigine de  cet  alphabet.  Cette  opinion  est  certainement  erro- 
née: je  ne  voudrais  cependant  pas  nier  toute  influence  de 
l'écriture  arabe  sur  les  alphabets  de  l'archipel  indien.  Vous 
observerez,  Monsieur,  que,  dans  le  §11,  page  152,  le  P. 
Gaspar  de  S.  Augustin  écrit  les  mots  y  ab  y  et  yabe  en 
caractères  tagalas,  de  droite  à  gauche.  Ce  n'est  là  peut-être 
qu'une  méprise  du  P.  Gaspar.  Mais  ne  pourrait-on  pas  sup- 
poser aussi  que  les  indigènes,  ou  pour  flatter  leurs  nouveaux 
maîtres,  ou  pour  leur  faciliter  la  lecture  de  leur  écriture, 
l'ont  en  certaines  occasions  assimilée  en  ce  point  à  l'arabe? 


405 

Je  soumettrai  même  à  votre  décision,  Monsieur,  une  autre 
conjecture  plus  hasardée,   mais  plus  importante.     Vous  té- 
moignez avec  raison  votre  étonnement  de  ce  que  l'alphabet 
bugis  n'ait  adopté  que  la  première  des  voyelles  initiales  de 
l'alphabet  tagala,  et  de  ce  que  ces  deux  alphabets,  d'ailleurs 
si  conformes,   diffèrent  l'un  de  l'autre    dans  un   point  aussi 
essentiel.     J'avoue  ingénuement  que  cette  différence  ne  me 
parait  pas  avoir  dû  toujours  exister.     11    est  très-naturel  de 
supposer  que  les  Bugis  ont  eu,  de  même  que  les  Tagalas, 
les  trois  voyelles  initiales,  mais  que,  voyant  l'écriture  malaie 
faire  souvent  servir  ïa   de  signe  introductif   de   voyelle  ini- 
tiale (Gramm,  mal.  de  Marsden,  page  19),  ils  ont  inventé  une 
méthode  analogue    et  ont  laissé  tomber  en  désuétude  leurs 
deux  autres  voyelles  initiales.    Je  conviens  que  le  cas  n'est 
pas  tout-à-fait   le  même ,   puisque   le  3  et  le  c?  arabes  font 
en  même  temps  les  fonctions   de  voyelles   et  de  consonnes, 
et  que  leur  qualité  de  voyelles  longues  entre  aussi  en  con- 
sidération;   mais  ces  nuances  ont  pu  être  négligées.     Il  est 
très-remarquable  encore   que  des  trois  alphabets  sumatrans, 
le  bai  la  ait  les  trois  voyelles  initiales,  tandis  que  le  red- 
jang  et  le  lampoumj  ont  ïa  seulement.     Cette  diversité 
est  explicable  dans  mon  hypothèse,  puisque  le  hasard  a  pu 
faire  que  L'écriture  arabe  ait  exercé  une  plus  grande  influence 
sur  différens  points  de  l'archipel.    Mais  hors  de  cette  hypo- 
thèse,   elle    reste   inconcevable    dans   les   alphabets    dont  le 
principe  est  évidemment  le  même.    Marsden  ne  dit  pas,  au 
reste,   de   quelle    manière    les   Redjangs   et  les    Lampoungs 
écrivent  ïi  et  ïo  initiaux;   mais  j'aime  à  croire  qu'ils  usent 
de  la  même  méthode  que  les  Bugis. 

J'ai  cru  ne  devoir  pas  m'éloigner  de  la  supposition  que 
le  signe  en  question  est  vraiment  un  a,  un  signe  de  voyelle. 
S'il  était  permis  de  1  -évoquer  ce  fait  en  doute,  contre  le  té- 
moignage   des   auteurs,    toute   difliculté  serait  levée  par-là: 


406 

le  prétendu  a  n'aurait  rien  de  commun  avec  les  voyelles 
sanscrites  et  tagalas;  il  serait  le  signe  d'une  aspiration  mu- 
niment faible,  un  k,  un  v  ou  un  y,  et  pourrait,  comme  une 
consonne,  s'unir  à  toutes  les  voyelles. 

L'erreur  dans  laquelle  seraient  tombés  les  auteurs  à 
qui  nous  devons  ces  alphabets,  serait  facile  à  expliquer. 
Comme,  dans  ces  langues,  toute  consonne,  lorsqu'elle  est 
indépendante,  se  prononce  liée  à  un  a,  ceux  qui  entendaient 
proférer  un  a  avec  une  aspiration  très-faible,  pouvaient  re- 
garder ce  son  comme  celui  d'une  voyelle.  Ce  qui  me  con- 
firme dans  cette  opinion,  c'est  que  mon  vocabulaire  bugis 
ne  fournit  aucun  signe  pour  le  h  '),  et  que  l'a  thaï  est  rangé 
parmi  les  consonnes.  Le  prétendu  a  bugis  ressemble  moins 
à  l'a  qu'au  h  tagala,  et  l'a  redjang  n'a  aucune  ressemblance 
avec  le  véritable  a  batta,  tandis  qu'à  la  position  près,  il  a 
la  même  forme  que  le  pseudo-a  lampoung.  Mais  ce  qui  me 
paraît  presque  décider  la  question,  c'est  que  les  signes  de 
l'a  et  du  v  bugis  sont  absolument  les  mêmes,  à  l'exception 
d'un  point  ajouté  au  premier:  les  lettres  h,  v,  y  de  ces  al- 
phabets peuvent  êtres  des  consonnes  plus  prononcées2).  Si 
donc,  Monsieur,  vous  ne  trouvez  pas  trop  hardi  de  nommer 
h  le  signe  que  Low,  Marsden  et  Raffles,  d'après  le  té- 
moignages des  indigènes,  nomment  a,  j'abandonne  l'hypothèse 
de  l'influence  arabe  sur  ce  point,  en  m'en  tenant  simplement 
à  la  supposition  que  ces  peuplades,  d'après  leur  prononcia- 


')  Auch  in  ihn  späteren  Bogen  kommt  es  nicht  vor,  und  dennoch  er- 
scheint ein  besonderer  Buchstabe  ha  in  dem  Alphabete ,  welches 
dem  Wörterbuche  beigegehen  ist,  sowie  in  Ruffles  erstem  und  in 
Marsden's  Alphabete;  in  einem  Falle,  wo  man  am  ersten  ein 
ivirkliches  ha  cm  finden  vermuthen  soUtc ,   dem  oben  an  ye  führten 

Arabischen  Worte  Kjl*-~t.J>?  fehlt   es. 

')  Auch  das  Zeichen  für  y  ist  von  dem  für  \\  abgeleitet,  indem  zwei 
Punkte,  wie  bei  a  einer,  durtuiter  gesetzt  sind. 


407 

lion,  ont  admis  dans  leurs  alphabets  les  signes  des  voyelles 
initiales,  ou  adopté  à  leur  place  un  signe  d'aspiration  infini- 
ment faible,  (jui,  sans  presque  rien  ajouter  au  son  des  voyelles 
dans  la  prononciation,  peut  néanmoins  leur  servir  de  con- 
sonne dans  l'écriture.  La  consone  h  qui  précède  toute  voyelle 
initiale  des  mots  javanais,  est  entièrement  dans  ce  cas,  et 
ressemble  en  cela  au  spirit  us  lents  que  nous  ne  faisons  pas 
entendre  non  plus  en  prononçant  les  mots  grecs. 

Je  ne   puis    cependant   pas   quitter   cette  question  sans 
faire  encore  mention  de  l'alphabet  barman.  Il  possède  dix 
voyelles  initiales  et  autant  de  mediales;  et  cependant  il  use 
de   cette  même  méthode   de  lier   à  la  première  les  signes 
médiaux  de  tousles  autres,  en  écrivant  aou  pour  ou.    Ca- 
rey (Gramm,  barm,  page  17,  n°.  72.)   prescrit  cette  manière 
d'exprimer   les   voyelles  initiales    en  les  liant  à  un  a  muet, 
comme  règle  générale  pour  la  formation   des  monosyllabes. 
Judson,  dans  la  préface  de  son  dictionnaire  barman  (page  12), 
s'exprime  plus  généralement.   The  symbol  (la  forme  mediale) 
of  any  vowel,   dit-il,   may   be  combined  with  a  (initial)  in 
which   case   the  compound  has   ihe  power  of  the    vowel 
which    the   symbol  represents y  thus  ai  is  equivalent  to  i. 
Aucun  de  ces  grammairiens  ne  dit  à  quel  usage  sont  réser- 
vés les  signes  des  autres  voyelles  initiales.  Il  faut  cependant 
que  l'usage  en  ait  réglé  l'emploi.    Mais  le  nombre  de  mots 
où  on  les  conserve  est  si  peu  considérable,  que  l'article  de 
l'rt  occupe   12  pages  dans  le  dictionnaire,   tandis   que  ceux 
des  autres  neuf  voyelles  en  remplissent  huit;  encore  y  a-t-il 
beaucoup  de  mots  palis  dans  ces  derniers.    Lorsqu'on  réflé- 
chit sur   cette   circonstance   et  qu'on  y   ajoute  cette  autre, 
que  la  méthode  de  se  servir  de  l'a  comme  d'une  consonne 
est  consacrée  particulièrement  aux  monosyllabes,  on  est  tenté 
de  croire  (pie  l'alphabet  barman  se  servait  anciennement  de 
la  même  méthode  que  l'alphabet  des  Bugis,    celle  de  coin- 


408 

biner  les  voyelles  mediales  avec  L'a  inilial,  et  que  l'usage 
des  autres  voyelles  initiales  n'a  été  introduit  que  postérieu- 
rement. 

Je  ne  me  souviens  pas  d'avoir  rencontré  la  particula- 
rité dont  nous  parlons  ici,  dans  aucun  des  alphabets  dérivés 
du  dévanagari  et  usités  dans  l'Inde  même,  à  l'exception  na- 
turellement des  cas  où,  comme  dans  la  langue  hindoustanie, 
on  emploie  l'alphabet  arabe. 

Il  y  a  cependant,  dans  la  langue  telinga,  un  cas  où 
1'«  lié  à  une  voyelle  reste  muet  et  conserve  à  la  voyelle 
sa  prononciation  ordinaire;  mais  c'est  pour  la  convertir  de 
voyelle  brève  en  voyelle  longue.  Campbell  dit,  en  parlant 
de  ces  cas  dans  sa  Teloogoo  Grammar  (page  10,  n°.  23): 
In  such  cases,  ihc  symbol  of  the  long  vowel  a  is  to  be 
considered  as  lengthening  the  short  vowel  i,  rather  than 
as  representing  the  long  vowel  a. 

Au  reste,  je  ne  cite  ces  cas  que  parce  qu'ils  sont  au- 
tant d'exemples,  que  Ma  est  chargé  d'une  fonction  étrangère 
à  son  emploi  primitif.  La  solution  la  plus  simple  du  pro- 
blème qui  nous  occupe  ici,  est  sans  doute  de  supposer  que 
les  peuples  de  ces  îles,  ayant  à  leur  disposition  des  voyelles 
mediales  et  initiales,  ont  trouvé  plus  simple  de  se  passer  de 
ces  dernières,  et  d'accoler  les  premières  (lorsqu'elles  n'étaient 
point  précédées  de  consonnes)  à  Va,  qui,  inhérent  de  sa  na- 
ture aux  consonnes,  était  la  seule  parmi  les  voyelles  dont 
il  n'existât  pas  de  forme  mediale.  Le  procédé  n'en  est  pas 
moins  étrange,  et  c'est  pour  cela  que  j'ai  essayé  de  trouver 
une  circonstance  qui  ait  pu  le  faire  adopter. 

Les  Tagalas  trouvaient  d'ailleurs,  dans  leur  langue 
même,  une  raison  particulière  pour  marquer  bien  fortement 
leurs  trois  voyelles,  comme  initiales  de  syllabes  dans  l'inté- 
rieur des  mots.  La  langue  tagala  a  deux  accens,  dont  l'un 
prescrit  de  détacher  entièrement   la  vovelle    de    la  dernière 


409 

syllabe  d'un  mot,  de  la  consonne  qui  la  précède  immédiate- 
ment (hacienda  que  la  sylaba  postrera  no  sea  hernia  de 
la  consonanie  que  la  prefiere,  sino  que  suene  independente 
de  ella;  Gramm,  da  P.  Gaspas  de  S.  Augustin,  page  154,  n°.3). 
Il  laut  donc  lire  pat-ir,  big -ai,  dag -y,  tab -a,  et  non 
pas  pu-tir,  etc.  Comme,  dans  ce  cas,  la  voix  glisse  lé- 
gèrement sur  la  première  syllabe,  on  a  coutume  de  noter 
cet  accent  par  les  lettres  p.  c.  (penulUtnâ  correplâ);  l'ac- 
cent opposé,  noté  p.  p.  (penult  itnà  producta) ,  appuie  sut- 
la  pénultième  et  laisse  tomber  la  finale.  Il  est  de  la  plus 
grande  importance  de  ne  pas  confondre  ces  deux  accens; 
car  un  grand  nombre  de  mots  changent  entièrement  de  si- 
gnification,  selon  l'accent  qu'on  leur  donne.  C'est  donc  à  cet 
usage  que  les  Tagalas  réservaient  spécialement  leurs  voyelles 
initiales.  Ils  les  employaient  aussi  au  milieu  des  mots,  là  où 
il  importait  de  renvoyer  une  consonne  à  une  syllabe  précé- 
dente et  de  commencer  la  suivante  par  une  voyelle.  C'est 
ce  qui  résulte  clairement  de  l'extrait  de  grammaire  que  je 
joins  à  cette  lettre,  et  le  P.  Caspar  observe  très-judicieuse- 
ment que  c'était  là  un  grand  avantage  de  l'écriture  indigène 
sur  la  nôtre. 

Soûlai  et  sour  at  sont  sans  aucun  doute  des  mots 
arabes;  Marsden  l'observe  expressément  de  sour  ai:  on 
peut  y  ajouter  le  serrât  des  Javanais  et  le  soratse  de 
Madagascar.  Veuillez  encore  remarquer  la  conformité  gram- 
maticale de  ces  quatre  langues,  qui  forment  de  ces  mots 
manounoulat ,  tnenyo  urat  ,  ny errat 3  manor  at  s  , 
en  changeant  toutes  le  ä  en  un  son  nasal.  Il  m'a  été  fort 
agréable  d'apprendre  qu'il  existe  dans  la  langue  tagala  une 
expression  indigène  pour  l'idée  d'écrire.  Je  ne  connaissais 
pas  le  mot  titic,  qui  ne  se  trouve  pas  dans  le  dictionnaire 
de  de  los  Santos.  Mais  y  aurait-il  assez  d'analogie  entre 
t otitis  et  titic   pour   dériver  l'un  de  l'autre?     Ce  dernier 


410 

ne  serait-il  pas  plutôt  le  iiilk  malais,  qiri  veut  dire  goutte, 
mais  aussi  tache  (idée  qui  n'est  pas  sans  rapport  à  l'écri- 
ture)? Quant  à  t  a  all  s,  qui  est  le  tvhi  de  la  langue  tonga, 
j'ai  toujours  cru  le  retrouver  dans  le  tonlis  tagala,  pointe, 
aiguiser:  on  trace  ordinairement  les  lettres  avec  un  in- 
strument pointu. 

Nous  venons  de  voir  que  les  langues  malaies  font  su- 
bir aux  mots  arabes  les  changement  de  lettres  de  leurs 
grammaires;  la  même  chose  a  lieu  pour  les  mots  sanscrits 
qui  passent  dans  le  kawi:  buukii  devient  mamoukii; 
sabda,  parole,  devient  masabda,  dire,  et  sinabda ,  ce 
qui  a  été  dit. 

On  est  naturellement  porté  à  regarder  l'alphabet  indien 
comme  le  prototype  de  tous  les  alphabets  des  îles  du  Grand 
Océan.  Ces  peuplades  pouvaient,  comme  vous  le  dites,  Mon- 
sieur, l'adapter  chacune  à  la  nature  de  sa  langue  et  à  son 
orthophonie.  Cette  opinion  a  été  néanmoins  contestée  :  quel- 
ques auteurs  regardent  comme  très-probable  que  les  diffé- 
rens  alphabets  ont  été  inventés  indépendamment  l'un  de 
l'autre  chez  les  différentes  nations.  Je  ne  puis  partager  cette 
opinion.  Je  ne  nie  point  la  possibilité  de  l'invention  simul- 
tanée de  plusieurs  alphabets;  mais  ceux  dont  nous  parlons 
ici  sont  trop  évidemment  formés,  sans  parler  même  de  la 
ressemblance  matérielle  des  caractères,  d'après  le  même  sy- 
stème, pour  ne  pas  être  rapportés  à  une  source  commune. 
Il  n'existe  pas  de  données  historiques  qui  puissent  nous  gui- 
der dans  ces  recherches;  mais  il  me  semble  que  nous  de- 
vons les  diriger  dans  une  voie  différente,  mettre  un  moment 
de  coté  tout  ce  qui  est  tradition  ou  conjecture  historique, 
et  examiner  les  rapports  intérieurs  qui  existent  entre  ces 
alphabets,  voir  si  nous  pouvons  trouver  les  chaînons  qui 
conduisent  de  l'un  à  l'autre:   car  il  semble   naturel  de  sup- 


411 

poser  aussi,  dans  le  perfectionnement  des  alphabets,  des 
progrès  successifs. 

Les  alphabets  dont  nous  parlons  ici  ont  cela  de  com- 
mun, qu'ils  tracent  les  syllabes  par  des  groupes  de  signes, 
dans  lesquels  la  seule  lettre  initiale  à  laquelle  on  ajoute  les 
autres  comme  accessoires  est  regardée  comme  constitutive. 
Ces  alphabets,  lorsqu'ils  sont  complets,  se  composent  ainsi: 
1°.  de  la  série  des  consonnes  et  des  voyelles  initiales;  2°.  de 
la  série  des  voyelles  proférés  par  les  consonnes  initiales; 
3°.  des  consonnes  qui  se  lient  à  d'autres  consonnes  sans 
voyelles  intermédiaires;  4°.  de  quelques  signes  de  consonnes, 
qui,  en  terminant  la  syllabe,  se  lient  étroitement  à  sa  voyelle, 
tels  que  le  replia,  Va  no  us  vara,  le  vis  arg  a.  Si  les 
consonnes  finales  des  mots  ne  passaient  pas  ordinairement, 
dans  récriture  de  ces  langues,  aux  lettres  initiales  des  mots 
suivans,  il  faudrait  encore  ajouter  à  cette  dernière  classe 
toutes  les  consonnes  pourvues  d'un  vir  am  a.  Ces  alphabets 
se  distinguent  entièrement  des  syllabaires  japonais:  les  syl- 
labes n'y  sont  pas  considérées  comme  indivisibles;  on  en 
reconnaît  les  divers  élémens;  mais  cette  écriture  est  pour- 
tant syllabique,  parce  qu'elle  ne  détache  pas  toujours  ces 
élémens  l'un  de  l'autre,  et  parce  qu'elle  règle  sa  méthode 
de  tracer  les  sons,  d'après  la  valeur  qu'ils  ont  dans  la  for- 
mation des  syllabes,  tandis  qu'une  écriture  vraiment  alpha- 
bétique isole  tous  les  sons  et  les  traite  d'une  manière 
égale. 

Dans  ce  système  commun,  nous  apercevons  deux  classes 
d'alphabets  très-différens:  les  uns,  tels  que  le  dévanagari  et 
le  javanais,  possèdent  toute  l'étendue  des  signes  que  je  viens 
d'exposer;  les  autres,  tels  que  le  tagala,  le  bugis,  et  à  ce 
qu'il  paraît  les  sumatrans,  se  bornent  aux  deux  premières 
classes  de  ces  signes.     Si   l'on   examine  de  plus  près  cette 


412 

différence,  on  trouve  qu'elle  consiste  en  ce  que  les  derniers 
de  ces  alphabets  ne  peuvent  point  détacher  la  consonne  de 
sa  voyelle,  et  que  les  premiers  sont  en  possession  de  moyens 
pour  réussir  dans  cette  opération.  Les  alphabets  tagala  et 
bugis  »expriment  en  effet  aucune  consonne  finale  d'une  syl- 
labe; ils  laissent  au  lecteur  le  soin  de  les  deviner.  La  seule 
adoption  du  lîrama  aurait  levé  cette  difficulté,  et  l'on  est 
étonné  de  voir  que  ces  peuples  l'aient  exclu  de  leurs  alpha- 
bets. Mais  je  crois  que  nous  nous  représentons  mal  la  ques- 
tion, en  transportant  nos  idées  d'aujourd'hui  et  de  notre  pro- 
nonciation à  des  époques  où  les  langues  étaient  encore  à 
se  former,  et  à  des  idiomes  tout-à-fait  différens.  Si  l'inven- 
tion et  le  perfectionnement  d'un  alphabet  exercent  une  in- 
fluence quelconque  sur  la  langue  dont  il  rend  les  sons,  c'est 
certainement  celle  de  contribuer  au  perfectionnement  de  l'ar- 
ticulation, c'est-à-dire,  de  l'habitude  des  organes  de  la  voix 
de  séparer  bien  distinctement  tous  les  élémens  de  la  pro- 
nonciation. Si  les  nations,  pour  être  capables  de  faire  usage 
d'un  alphabet,  doivent  déjà  posséder  cette  disposition  à  un 
certain  degré,  elle  augmente  par  cette  invention,  et  l'écri- 
ture et  la  prononciation  se  perfectionnent  mutuellement. 

Le  premier  pas  était  fait  par  l'invention  des  lettres  ini- 
tiales de  syllabes,  des  voyelles  qui  en  forment  une  à  elles 
seules  et  les  consonnes  accompagnées  de  leurs  voyelles. 
Les  langues  dont  nous  parlons  ici  forment  presque  tous  leurs 
mots  de  syllabes  simples  se  terminant  en  voyelles;  on  pou- 
vait donc,  jusqu'à  un  certain  degré,  se  passer  des  moyens 
de  marquer  aussi  les  consonnes  finales:  dans  les  200  mots 
que  renferme  la  première  feuille  du  vocabulaire  bugis,  je 
ne  trouve  de  consonnes  finales  que  m,  n,  k,  h,  ng,  les 
deux  premières  dans  l'intérieur  des  mots  seulement,  m  de- 
vant fi j   n  devant  r;  h  et  h  ne  paraissent   qu'à    la    fin    des 


413 

mots,  mais  ng  occupe  les  deux  places  et  est  employé  plus 
souvent  que  les  autres  '). 

Il  n'était  cependant  pas  si  aisé  d'aller  plus  loin.  On  ne 
pouvait  écrire  la  terminaison  des  syllabes  composées  qu'en 
faisant  une  double  opération.  Après  avoir  privé  la  consonne 
finale  de  sa  voyelle  inhérente,  par  laquelle  elle  aurait  formé 
une  nouvelle  syllabe,  il  fallait  encore,  pour  en  isoler  en- 
tièrement le  son,  la  détacher  de  la  voyelle  qui  la  précédait 
immédiatement;  car  le  son  de  la  consonne  et  celui  de  la 
voyelle  se  confondaient.  Il  faut  observer  en  effet  que  les 
peuples  qui  se  servaient  d'alphabets  semblables  à  ceux  des 
Bugis  et   des  Tagalas.    ne   croyaient   pas   représenter    leurs 


')  Die  mir  später  zugekommenen  übrigen  Roijen  des  Bugis-Wörter- 
buchs  liefern  noch  als  am  Kurie  der  IVörfer  vorkommend  die 
Consonant  en  m,  n,  t,  s,  über  nur  in  einigen  als  ausländisch  zu 
betrachtenden  Wörtern,  und  zwar  nur  in  folgenden:  Natu  pu- 
lam,  Marmor  (das  Malagische  bätu  püälam),  äpiun,  Opium 

{Malagisch  apyün  oder  afyün,   vom   Arabischen    ^j^S\s,    das 

Griechische  otiiov),  intan,  Diamant  (ebenso  im  Malagischett) 
sapu  chat,  malen  (das  Mala gisclie  Verbum  säpü,  jegen,  über- 
tünchen, und  das  Subslantivum  chap,  Siegel,  welches,  wie  Mars- 
rien  in  seiner  Grammatik  S.  J13,  der,  dialektischen  Verwandlung 
eines  Anfangs-^  in  t,  z.B.  tükul  statt  pükul,  schlagen,  und 
umgekehrt  eines  F.nd-t  in  p,  kTlap  für  kïlat,  Blitz,  erwähnt, 
wahrscheinlich  in  einigen  Gegenden  chat  lautet;  denn  die  bei- 
gesetzte Malagische  Paraphrase  giebt  sapu  chat  ebenso  für  den 
Malagischen ,  wie  für  den  Bugis-Ausilruck),  angaris,  Englisch 
(pawale  angaris,  Kreide),  im  Malagischen  inggris.  Man 
kann  daher  von  diesen  Consunnnten  ganz  absehen,  und  behält 
allein  die  drei  oben  genannten ,  h,  k  und  n~g,  als  beständig  am 
linde  der  JFörtcr  wiederkehrende.  Merkwürdig  ist  noch  eine  Ein- 
zelheit} ich  finde  nämlich  paak,  Meissel ,  nur  durch  rien  einzi- 
gen Buchstaben  p  a  ausgedrückt;  man  hat  es  also  nicht  für  vöthig 
erachtet ,  für  den  Enrilaut  ak  den  Buchstaben  a  zu  gebrauchen, 
welches  ein  neuer  flewcis  ist,  wie  sorglos  man  mit  dem  M'ort- 
schlasse  umging;  denn  eigentlich  würde  man  diese  Schreibung 
[iak   Sit  lesen  haben. 


414 

syllabes  d'une  manière  incomplète  :  ils  ne  voyaient  pas,  comme 
nous,  dans  les  signes  de  leurs  voyelles  finales,  un  i  ou  un 
ou  seulement,  mais,  selon  les  circonstances,  aussi  un  lie, 
un  Ing,  etc.;  ils  ne  concevaient  pas  même  la  possibilité  de 
décomposer  encore  des  sons  déjà  si  simples.  Le  viramu 
privait  bien  la  consonne  de  sa  voyelle  inhérente;  mais  l'o- 
pération de  détacher  la  consonne  de  la  voyelle  qui  la  pré- 
cédait, était  plus  difficile:  car  la  voyelle  qui  s'exhale,  pour 
ainsi  dire,  en  consonne,  rend  naturellement  un  son  plus  ob- 
scur et  moins  distinct  que  la  consonne  qui  commence  la 
syllabe;  de  même  la  voyelle  qui  est  coupée  par  une  con- 
sonne finale,  se  trouve  arrêtée  dans  sa  formation.  Il  résulte 
des  deux  cas  que  la  voyelle  et  la  consonne  des  terminai- 
sons de  mots  se  modifient  mutuellement. 

L'écriture  barmane  offre  un  exemple  très-curieux  de 
ces  modifications;  j'observe  que  cette  particularité  se  trouve 
dans  les  monosyllabes,  qui  constituent  le  fond  primitif  de 
cette  langue.  Les  consonnes,  lorsqu'elles  viennent  à  terminer 
un  mot,  reçoivent  dans  presque  tous  les  cas  une  autre  va- 
leur, et  altèrent  même  celle  de  la  voyelle  qui  les  précède. 
Le  monosyllabe  écrit  kak,  est  prononcé  kef9  un  p  final 
devient  t,  un  m  final  n,  etc.  (Carey,  p.  19;  Judson,  p.  1)1). 
On  se  demande  naturellement  d'où  il  vient  que  l'écriture  ne 
suive  pas  ici  la  prononciation  :  si  l'on  prononce  constam- 
ment ty  d'où  sait-on  que  ce  /  est  proprement  un  le  ou  un 
p?  L'étymologie  du  monosyllabe  renferme,  très-probable- 
ment, la  réponse  à  ces  questions.  Les  racines  se  terminant 
en  une  consonne  bien  prononcée,  peuvent  être  et  sont  vrai- 
semblablement, pour  la  plupart,  des  mots  composés;  la  com- 
binaison des  syllabes  japonaises,  par  exemple,  offre  des  cas 
où  de  deux  syllabes  ainsi  réunies,  la  dernière  perd  sa  voyelle. 
De  fa-tsou  vient  fat  (Gramm,  japonaise  de  Rodriguez,  pu- 
bliée par  M.  Landresse,  p.  27).  Or  il  ne  serait  pas  étonnant 


415 

qu'une  consonne  qui,  comme  initiale,  se  prononçait  k,  chan- 
geât de  valeur  en  devenant  finale.  Quoi  qu'il  en  soit,  celle 
divergence  de  récriture  et  de  la  prononciation  des  mono- 
syllabes barmans  ne  permet  pas  de  méconnaître  qu'il  existe 
encore  dans  la  langue  une  lutte  qu'il  serait  important  de 
faire  cesser,  entre  les  deux  grands  moyens  de  représenter 
la  pensée. 

Les  voyelles  se  terminent  souvent  aussi,  et  surtout  dans 
les  langues  dont  nous  parlons  ici,  en  des  sons  qui  ne  s'an- 
noncent pas  comme  des  consonnes  très-prononcées,  mais 
seulement  comme  des  aspirations  ou  des  sons  nasaux  qu'il 
serait  difficile  ou  même  impossible  de  réduire  en  articula- 
tions. Le  sanscrit  même  ;i  du  encore  accorder  une  place 
dans  son  alphabet  à  deux  caractères,  le  vis  tir  g  a  et  1'«- 
non  soar  a,  qu'on  ne  peut  considérer  comme  de  véritables 
lettres,  sous  le  rapport  de  la  clarté  et  de  la  précision  de 
leur  son.  M.  Bopp  a  en  effet  prouvé,  dans  son  excellente 
grammaire  sanscrite,  que  Van  ou  s  tara ,  bien  qu'il  ne  fasse 
souvent  que  remplacer  les  autres  lettres  nasales,  possède 
aussi  un  son  à  lui,  qui  n'est  représenté  par  aucune  autre  lettre. 

Il  restait  donc,  sous  tous  les  rapports,  beaucoup  de 
chemin  à  faire  pour  arriver  de  l'alphabet  tagala  au  déva- 
nagari. 

D'après  ce  que  je  viens  d'exposer,  il  me  semble  évident 
qu'il  existe,  dans  les  deux  classes  d'alphabets  désignées  ici, 
une  tendance  progressive  au  perfectionnement  de  l'écriture. 
Je  ne  prétends  cependant  pas  soutenir,  sur  ces  données 
seules,  que  telle  ait  été  réellement  la  marche  historique  de 
ce  perfectionnement,  et  bien  moins  encore  que  l'alphabet 
tagala  ait  nécessairement  dû  servir  d'échelon  pour  s'élever 
au  dévanagari:  je  me  borne,  pour  le  moment,  simplement 
à  prouver,  par  la  nature  même  de  ces  alphabets,  qu'ils  sont 
réellement  du  même  genre,   mais   que  le   dévanagari  com- 


416 

])lète  le  travail    que  le  tagala    et   ceux   qui    lui  ressemblent 
laissent  imparfait. 

Comme  le  système  de  ces  alphabets  moins  parfaits  est 
renfermé,  pour  ainsi  dire,  dans  le  système  plus  étendu  du 
dévanagari,  on  peut  supposer  que  les  Tagalas  n'ont  pris  de 
cet  alphabet  venu  à  leur  connaissance  que  ce  qu'il  fallait  à 
leur  langue,  beaucoup  plus  simple  et  moins  riche  dans  son 
système  phonétique.  L'alphabet  tagala  serait,  d'après  cela, 
le  dévaganari  en  raccourci.  Mais  c'est  celte  supposition  sur- 
tout que  je  voudrais  combattre;  elle  me  semble  être  dénuée 
de  toute  probabilité.  Quelque  simple  que  soit  l'alphabet  ta- 
gala, il  est  complet  dans  son  système;  et  dès  qu'on  lui  ac- 
corde le  principe  sur  lequel  il  est  calqué,  de  ne  noter  les 
syllabes  composées  que  par  leurs  voyelles  seulement,  il  ne 
s'y  trouve  rien  de  superflu  ni  de  défectueux.  Il  aurait  été 
vraiment  difficile  d'abstraire  aussi  méthodiquement  du  déva- 
nagari un  système  qu'il  renferme  en  effet,  mais  qui  ne  forme 
que  la  moitié  de  sa  tendance  vers  l'écriture  alphabétique. 
Les  syllabes  des  mots  tagalas  sont  pourtant  assez  souvent 
terminées  par  des  consonnes  suffisamment  prononcées;  l'in- 
convénient de  ne  pas  les  noter  se  fait  considérablement  sen- 
tir, comme  nous  le  voyons  par  le  témoignage  des  mission- 
naires espagnols:  pourquoi  donc  aurait-on  repoussé  l'adoption 
du  vir  am  a,  moyen  si  simple  et  si  facile  à  adaptera  toute 
écriture?  La  langue  barmane  est,  sous  le  rapport  de  la  for- 
mation des  mots,  pour  le  moins  tout  aussi  simple  que  la 
langue  tagala;  elle  a  cependant  adopté,  même  dans  la 
partie  qui  lui  est  entièrement  propre,  tous  les  moyens  de 
marquer  les  sons  que  le  dévaganari  lui  offrait.  Le  même 
cas  existe  chez  les  Javanais  et  les  Telougous:  l'alphabet  ta- 
moul  est  moins  nombreux  en  signes,  mais  fait  également 
usage  du  vir  am  a  et  de  la  réunion  des  consonnes  par  ce 
moyen.    Pourquoi,    si  le  dévanagari,   dans  l'état  où  nous  le 


417 

connaissons  à  présent,  avait  donné  origine  à  leurs  alphabets, 
les  Tagalas,  les  Bugis  et  les  ou  ma  trans  n'auraient-ils  pas 
fait  de  même?  On  peut  dire  que  les  Hindous  avaient  des 
établissemens  moins  fixes  dans  ces  pays;  mais  cette  circon- 
stance, qui  n'est  même  pas  exacte  pour  Sumatra,  change 
peu  à  l'état  de  la  question:  car  il  est  beaucoup  moins  croya- 
ble qu'on  ait  pu  à  la  hâte  adapter  l'alphabet  hindou  aux 
langues  indigènes,  d'une  manière  à  la  fois  aussi  méthodique 
et  aussi  incomplète. 

Mais  ce  qui  tranche  la  question,  c'est  qu'un  examen 
plus  réfléchi  du  dévanagari  lui-même  prouve  qu'il1  a  existé 
avant  lui  peut-être  plus  d'un  alphabet  dressé  sur  le  même 
système,  mais  moins  parfait  que  lui.  Le  dévanagari  est  vi- 
siblement sorti  d'un  système  syllabique  d'alphabets;  il  n'est 
pas  une  invention,  mais  seulement  un  perfectionnement  du 
système.  Le  dévanagari  ne  se  distingue  d'une  écriture  vrai- 
ment alphabétique  que  par  des  choses  qu'avec  raison  l'on 
peut  nommer  accessoires.  Traiter  Va  bref  de  voyelle  inhé- 
rente aux  consonnes,  se  servir  par  cette  raison  du  virama, 
placer  Yi  bref  avant  sa  consonne,  combiner  les  signes  des 
consonnes  au  lieu  de  les  écrire  l'une  après  l'autre,  voilà  les 
seules  différences  entre  lui  et  l'alphabet  grec  ou  toute  autre 
écriture  alphabétique.  L'isolement  des  syllabes  dans  les  ma- 
nuscrits est  plutôt  une  habitude  purement  calligraphique. 
Les  inventeurs  du  dévanagari  avaient  certainement,  aussi 
bien  que  nous,  le  principe  de  l'écriture  alphabétique;  ils 
avaient  franchi  la  grande  difficulté  qui  arrête  le  progrès  de 
la  prononciation  à  l'écriture;  ils  savaient  détacher  en  tout 
sens  les  voyelles  des  consonnes,  ils  leur  assignaient  leurs  li- 
mites et  les  marquaient  avec  précision.  S'ils  n'avaient  eu 
aucun  alphabet  déjà  existant  sous  les  yeux,  s'ils  avaient  dû 
travailler  tout  à  neuf,  ils  auraient  très-probablement  formé 
une  écriture  alphabétique;  car  pourquoi,  sachant  parfaite- 
vii.  27 


418 

ment  bien  détacher  les  voyelles  des  consonnes  et  leur  as- 
signer leurs  valeurs  d'après  leurs  différentes  positions,  au- 
raient-ils, par  exemple,  renfermé  une  voyelle  dans  une  con- 
sonne, pour  l'en  détacher  un  moment  après  par  un  signe 
inventé  pour  cet  usage?  Mais  ils  ont  visiblement  pris  à 
tâche  de  perfectionner  une  écriture  syllabique  au  point  qu'elle 
rendît  tous  les  services  d'une  écriture  alphabétique;  car  voilà 
ce  qu'on  peut  dire  de  l'admirable  arrangement  du  dévanagari. 

Je  ne  crois  pas  que  l'écriture  alphabétique  ait  du  être 
nécessairement  précédée  de  l'écriture  syllabique;  une  telle 
supposition  me  paraît  trop  systématique:  mais  toute  la  struc- 
ture du  dévanagari  me  semble  prouver  qu'il  n'a  pas  été  fait 
d'un  jet.  Tout  y  est  explicable,  dès  qu'on  suppose  qu'on  a 
voulu  rendre  plus  parfait  un  système  déjà  existant,  remplir 
ses  lacunes,  corriger  ses  défauts;  sans  cette  supposition,  il 
est  inconcevable  comment,  connaissant  si  bien  la  nature  des 
sons,  étant  habitué  à  les  faire  passer  par  toute  la  série  de 
leurs  modifications,  sachant  parfaitement  balancer  et  contre- 
balancer leurs  valeurs  dans  la  formation  des  mots ,  on  ait 
voulu  se  traîner  encore  dans  la  route  des  écritures  sylla- 
biques,  tandis  que  l'écriture  alphabétique  est  évidemment  la 
seule  véritable  solution  du  grand  problème  de  peindre  la 
parole  aux  yeux.  Je  crois  donc  que  l'alphabet  tagala,  avec 
tous  ceux  qui  sont  basés  sur  le  même  système,  appartient 
à  une  classe  d'alphabets  antérieurs  au  dévanagari,  ou  du 
moins  qu'il  n'en  est  pas  tiré.  On  pourrait  plutôt  croire  ces 
alphabets  des  îles  entièrement  étrangers  à  l'alphabet  du  con- 
tinent de  l'Inde  (et,  dans  ce  cas,  ils  pourraient  même  lui 
être  postérieurs),  si  la  ressemblance  des  caractères  ne  s'op- 
posait pas  à  une  pareille  supposition. 

Je  trouve  avec  vous,  Monsieur,  l'alphabet  tagala  très- 
remarquable,  puisqu'il  offre  précisément  la  moitié  du  travail 
qu'il  fallait  faire  pour  se  former  une  écriture  capable  de  re- 


419 

présenter  la  prononciation  toute  entière.  Il  appartient  à  la 
même  classe  que  le  dévanagari;  je  n'oserais  décider  si,  pour 
cela,  cet  alphabet  est  d'origine  indienne.  De  plus  profondes 
recherches  prouveront  peut-être  que  la  partie  fondamentale 
du  sanscrit  a  de  fréquentes  affinités  avec  les  langues  à  l'est 
de  l'Inde  et  avec  celles  des  îles;  les  Hindous  auraient  donc 
bien  pu  avoir  des  alphabets  d'une  nation  de  ces  contrées 
devant  les  yeux.  Ce  qui  me  parait  certain,  c'est  que  les  al- 
phabets syllabiques,  ceux  surtout  du  genre  de  l'alphabet  ta- 
gala,  ont  des  rapports  fort  intimes  avec  la  structure  des 
langues  monosyllabiques  de  ces  contrées,  et  avec  le  passage 
de  cet  état  des  langues  à  un  autre  plus  compliqué.  Autant 
que  chaque  syllabe  forme  un  mot  à  elle  seule,  les  syllabes 
sont  simples,  mais  variées  dans  les  modifications  et  les  ac- 
cens  des  voyelles;  on  note  alors  facilement  l'articulation 
principale,  et  l'on  néglige  impunément  le  reste:  mais  si  des 
nations  viennent  à  réunir  plusieurs  syllabes  dans  le  même 
mot,  et  qu'elles  visent  à  donner  à  chaque  mot  l'unité  d'un 
ensemble,  en  quoi  repose  principalement  l'artifice  gramma- 
tical des  langues  dans  le  sens  le  plus  étendu,  il  arrive  des 
compositions,  des  contractions,  des  intercalations.  Alors  naît 
la  tendance  vers  l'écriture  alphabétique:  car  on  sent,  en 
voulant  tracer  les  mots,  la  nécessité  d'aller  aux  premiers 
élémens,  pour  avoir  la  liberté  de  les  réunir  entièrement  à 
volonté.  Le  dévanagari  et  le  système  grammatical  que  nous 
admirons  dans  le  sanscrit,  datent  probablement  à-peu-près 
de  la  même  époque;  une  langue  tellement  organisée  suppo- 
sait une  nation  à  laquelle  le  dernier  perfectionnement  et 
même  l'invention  de  l'alphabet  ne  pouvaient  pas  rester  long- 
temps étrangers.  Le  tagala  était  évidemment  resté  en  arrière 
avec  son  alphabet  beaucoup  trop  borné  pour  la  structure 
grammaticale  de  la  langue. 

27* 


420 

Rien,  au  reste,  n'empêcherait  aussi  que  les  habitans  des 
Philippines  fussent  redevables  de  leurs  alphabets  aux  Hin- 
dous. L'influence  de  l'Inde  sur  l'archipel  qui  l'avoisine,  a  été 
exercée  de  manières  et  à  des  époques  fort  différentes;  et 
l'on  reconnaît  ces  époques,  en  quelque  façon,  au  genre  et 
à  la  coupe  des  mots  que  les  langues  de  ces  contrées  ont 
adoptés  du  sanscrit.  Les  communications  avec  les  Philippines 
m'ont  paru,  d'après  ces  considérations,  être  très-anciennes: 
le  difficile  est  seulement  de  trouver  une  époque  où  l'on 
pourrait  attribuer  à  l'Inde  un  alphabet  aussi  incomplet.  Le 
sanscrit  n'a  certainement  jamais  pu  être  écrit  par  son  moyen. 
Il  est  donc  peut-être  plus  juste  de  dire  que  ces  alphabets 
sont  d'origine  inconnue,  que  leur  prototype  doit  être  d'une 
haute  antiquité,  qu'il  a  servi  de  base  au  dévanagari  lui- 
même  ;  mais  que  c'est  toujours  de  l'Inde  que  l'alphabet  in- 
dien a  obtenu  tous  les  perfectionnemens  de  son  système. 
Le  dévanagari  lui-même  a  éprouvé  des  changemens;  mais 
si  je  nomme  cet  alphabet,  je  parle  seulement  de  sa  consti- 
tution, et  plus  particulièrement  du  principe  qui  tend  en  lui 
à  réunir,  dans  l'écriture  syllabique,  tous  les  avantages  de 
l'écriture  alphabétique. 

Votre  interprétation  du  passage  de  Diodore  me  semble 
très-juste,  Monsieur,  et  elle  a  le  mérite  de  prouver  combien 
ce  passage  est  remarquable.  Je  n'hésite  pas  à  avancer  que 
c'est  le  seul,  dans  tous  les  auteurs  grecs  et  romains,  où 
une  propriété  très-particulière  d'une  langue  étrangère  ait  été 
saisie  avec  autant  de  justesse.  Le  principe  fondamental  des 
alphabets  syllabiques  de  l'Asie  orientale  y  est  exposé  claire- 
ment ;   mais  personne   ne  l'y  avait  découvert  avant  vous  '). 


•)   Diodore   de  Sicile    a   donné    dans   le   IIe  livre   de   son  histoire 
universelle  un  extrait  des  voyages  d'iainboule  dans  les  iles  de 


421 

Je  prends  avec  vous,  Monsieur,  les  yQct(.if.iata  pour  les 
groupes  syllabiques,  et  les  xaçaxTrJQaç  pour  les  consonnes; 
non  pas  que  Diodore  les  ait  reconnues  comme  telles,  mais 
parce  que,  dans  ces  alphabets,  les  consonnes  seules  s'an- 
noncent par  leurs  formes  comme  de  véritables  lettres.  Je 
crois  donc  que  Diodore  parle  d'abord  du  nombre  des  signes 
de  tout  le  syllabaire,  et  qu'il  passe  de  là  à  celui  des  con- 
sonnes et  des  voyelles.     Ce  sont  ces  nombres  seuls   que  je 


l'Océan:  neol  âè  rrjg  y.cnk  tov  'ilxsavov  (VQs9eîat]s  vr\Gov  xutcc 
ti]V  (xtanußolnv  etc.  Ce  Grec  qui  traversait  l'Arabie  pour  se 
rendre  au  Pays  des  Aromates,  ini  Tt)v  àocouuTOCf-ôqov,  fut 
enlevé  par  des  brigands,  traîné  en  Ethiopie,  et  de  là  déporté, 
comme  l'exigeait  une  superstition  nationale,  dans  une  île  au- 
strale située  au  milieu  de  l'Océan:  ce  ne  fut  qu'après  une  longue 
traversée  qu'Iamboule  aborda  à  cette  île  mystérieuse;  tovtovç 
âè  7j/.tvaarTc<ç  néXayoç  fiiya  y.cà  ynuc.aUtrTC'.g  iv  /nrjoi  tsttccçjGi. 
TTnoçtvfyOrjVai  T>j  7iooar}[«v9-£io)j  1'rjOoj,  orooyyvlrj  uéV  vnccoyovatj 
rw  ayr\uaji,  rfjv  âè  TifnifctiQOv  tyovai]  orccâicoi'  cog  ntVTc.y.iayi- 
lîcor.  Ejitk  cf  rjOav  aurai  vrjoot  Tzccoun/.rjGiat  pèv  toÏç  p.eyé&€0it 
av^iteiQov  â'  à).).T]lwv  âitGTi]y.vïai ,  7tc1cjcci  âè  roig  ctvroïg  'é')eoi 
xcù  vôfioiç  yotofttjca.  Contraint  de  sortir  de  l'île,  Iamboule  at- 
teignit les  côtes  de  linde  après  quatre  mois  de  navigation: 
n).tvöcu  nXsïov  ï)  tùtuqkç  (névrs)  prjvccg'  l/.ntaùv  âè  xarà  ri]V 
'Ivâtzrjv  sic  aiiuovç  y.cà  rsvaycôâeiç  lônovç  etc.  Iamboule,  rendu 
à  sa  patrie  par  le  roi  de  Polibot hra  (Palibothra),  écrivit  une 
relation  de  ses  voyages.  0  âè  ""IccußovXog  ovzog  ravrâ  je  ùvcc- 
yocuftjç  rjit'wat,  y.al  ntol  rwv  xcacc  z>)v  'Ivâtxrjv  ovx  oliya  Guv- 
eïc'tÇcno  Tiôv  ùyvoovfÀtvoiv  nctoà  toTç  cû.loig.  (Jacquet,  De  la  re- 
lation et  de  l'alphabet  indien  d'Iamboule.  Nouv.  Journ.  Asiat. 
T.  8.  p.  20.)  —  Die  Stelle  Diodor^s  über  das  Alphabet  dieser 
Insel  lautet  so  :  rodu/Âccai  ts  ccvrovg  yorjottett,  xccxcc  fxèv  n)v  âv- 
va/uiv  Twv  arjucavôvicov,  eïxooi  xcù  oxtco  iov  c<qi9iu6v  xcacc  âè 
rovg  yciQcty.TrJQciç,  èmâ'  cbv  ixaoxov  TtTQccycùç  )utTC(G/)ilLccciîÇeG9ai. 
FQcufovoi  âè  tovç  atiyovg  ovx  tig  to  nXc'cyiov  txnlvovxtg,  coontQ 
ijfltlg,  c\l'/"  aviod-SV  xc'aco  xcixctynâciovxtg  tig  onOov.  (I.  c.  p.  23.24.) 
Man  lese  die  geistreiche  Kritik  selbst  nach,  welcher  Hr.  Jacquet 
diese  letzte  Stelle  Diodor's ,  so  wie  seine  ganze  Erzählung  von 
der  Reise  des  lambulos,  unterwirft.    (I.e.  p.  20— 30.) 


422 

crois  erronés  dans  le  texte  de  Diodore,  et  encore  ne  le 
sont-ils  que  pour  leur  valeur:  les  rapports  dans  lesquels  ils 
se  trouvent,  sont  parfaitement  justes;  car  le  nombre  des 
signes  du  syllabaire  est  le  plus  considérable,  et  égal  au  pro- 
duit de  celui  des  consonnes  multipliées  par  les  voyelles.  Il 
ne  me  paraît  pas  nécessaire  de  faire  entrer  les  varg as  dans 
le  passage;  c'est  en  quoi  seulement  je  voudrais,  Monsieur, 
différer  de  votre  opinion. 

Tegel,  ce  10  décembre  1831. 

G.  de  Humboldt. 


An  Essay  on  the  best  Means  of  ascertaining  the 

Affinities  of  Oriental  Languages,  by  Baron 

William  Humboldt,  For.  M.  R.  A.  S. 

Contained  in  a  Letter  addressed  to  Sir  Alexander  Johnston, 
Knt.,  V.  P.R.A.S. 

Read  June    14,    18.28. 

Sir: 

J.  have  the  honour  to  return  you  Sir  James  Mackintosh's 
interesting  memoir.  It  possesses  (like  every  thing  which  co- 
mes from  the  pen  of  that  gifted  and  ingenious  writer)  the 
highest  interest;  and  the  ideas,  which  are  so  luminously  de- 
veloped in  it,  have  the  more  merit,  if  we  consider,  that,  at 
the  period  when  this  memoir  was  published,  philosophical 
notions  on  the  study  and  nature  of  languages  were  rarer 
and  more  novel  than  they  are  at  present. 

I  would,  in  the  first  place,  observe,  that  the  Royal  Asiatic 
Society  could  not  direct  its  efforts  to  a  point  more  impor- 
tant, and  more  intimately  connected  with  the  national  glory, 
than  that  of  endeavouring  to  throw  further  light  on  the  re- 
lations which  subsist  among  the  different  Indian  dialects. 
Since  we  cannot  doubt,  that  this  part  of  Asia  was  the  cradle 
of  the  arts  and  sciences  at  an  extremely  remote  period,  it 


424 

would  be  highly  interesting  to  ascertain  with  greater  cer- 
tainly whether  the  Sanscrit  be  a  primitive  idiom  belonging 
to  those  countries,  or  whether,  on  the  contrary,  as  most  of 
the  learned  are  at  present  inclined  to  believe,  it  was  intro- 
duced as  a  foreign  language  into  India;  and  if  so,  the  coun- 
try, whence  it  originated,  would  naturally  follow  in  the  course 
of  inquiry.  It  is  equally  curious  to  determine,  whether  the 
primitive  languages  of  India  are  to  be  traced  over  the  Indian 
archipelago  in  dialects  differing  little  from  each  other,  and 
whether  we  are  to  assign  their  origin  to  these  islands  or  to 
the  continent.  Mr.  Ellis's  paper  on  the  Malayalam  language, 
with  which  you  were  so  good  as  to  furnish  me,  contains 
assertions  on  the  affinity  of  the  Tamul  language  to  the  idioms 
of  Java,  which  it  would  be  very  important  to  verify. 

It  must  be  confessed  that  these  problems  are  extremely 
difficult  to  solve;  and  it  is  probable,  that  we  shall  never 
arrive  at  results  which  are  quite  certain  :  we  should,  howe- 
ver, carry  these  researches  as  far  as  possible,  and  the  diffi- 
culty of  the  undertaking  ought  not  to  deter,  but  rather  to 
induce  us  to  select  the  most  solid  and  certain  means  of  in- 
suring success.  This  is  more  particularly  the  point  to  which 
I  wish  to  direct  your  attention,  since  you  have  been  pleased 
to  ask  my  opinion  respecting  the  methods  proposed  by  Sir 
James  Mackintosh.  It  would  assuredly  have  been  very  de- 
sirable to  execute  his  plan,  at  the  period  when  it  was 
formed;  we  should  then  by  this  time  have  had  more  complete 
information  regarding  the  languages  of  India;  and  should 
perhaps  have  been  in  the  possession  of  dialects,  of  the 
existence  of  which  we  are  now  ignorant.  There  do  exist, 
however,  some  works,  such  as  Sir  James  calls  for.  Not  to 
mention  printed  books,  I  have  myself  seen  in  the  library  of 
the  East-India  Company  a  MS.  collection  of  Sanscrit  words, 
compared  in  great   numbers  with  those  of  the  other  Ian- 


425 

guages  of  India,  made  under  the  direction  of  Mr.  Colebrooke.  (1) 
Some  distinguished  authors ,  as  for  instance  Mr.  Campbell, 
in  his  Telugu  Dictionary,  have  been  at  pains  to  mark,  from 
what  foreign  idiom  such  words  are  derived,  as  are  not  pro- 
per to  the  language  of  which  they  form  a  part;  and  if  these 
works  do  not  embrace  all  the  Indian  idioms,  they  have,  on 
the  other  hand,  the  advantage  of  comprehending  entire  lan- 
guages, or  at  least  of  not  being  confined  to  a  limited  num- 
ber of  expressions.  In  the  present  state  of  our  knowledge 
of  the  languages  of  India,  which  is  very  different  from  that 
of  1806,  and  possessing,  as  we  now  do,  grammars  and 
dictionaries  of  most  of  these  idioms,  I  should  not  advise  our 
confining  ourselves  to  a  plan  which  can  only  give  a  very 
imperfect  idea  of  each  of  them.  We  can,  and  ought  to  go 
farther  at  the  present  day.  I  confess  that  I  am  extremely 
averse  to  the  system  which  proceeds  on  the  supposition,  that 
we  can  judge  of  the  affinity  of  languages  merely  by  a  cer- 
tain number  of  ideas  expressed  in  the  different  languages 
which  we  wish  to  compare.  I  beg  you  will  not  suppose, 
however,  that  I  am  insensible  to  the  value  and  utility  of 
these  comparisons:  on  the  contrary,  when  they  are  well 
executed,  I  appreciate  all  their  importance;  but  I  can  never 
deem  them  sufficient  to  answer  the  end  for  which  they  have 
been  undertaken;  they  certainly  form  a  part  of  the  data  to 
be  taken  into  account  in  deciding  on  the  affinity  of  lan- 
guages: but  we  should  never  be  guided  by  them  alone,  if 
we  wish  to  arrive  at  a  solid,  complete,  and  certain  conclu- 
sion. If  we  would  make  ourselves  acquainted  with  the  re- 
lation which  subsists  between  two  languages,  we  ought  to 
possess  a  thorough  and  profound  knowledge  of  each  of  them. 
This  is  a  principle  dictated  alike  by  common  sense,  and  by 
that  precision  acquired  by  the  habit  of  scientific  research. 
I  do  not  mean  to  say,  that,  if  we  are  unable  to  attain 


426 

a  profound  knowledge  of  each  idiom,  we  should  on  this  ac- 
count entirely  suspend  our  judgment:  I  only  insist  on  it  that 
we  should  not  prescribe  to  ourselves  arbitrary  limits,  and 
imagine  that  we  are  forming  our  judgment  on  a  firm  basis, 
while  it  is  in  reality  insufficient. 

The  method  of  comparing  a  certain  number  of  words 
of  one  existing  language  with  those  of  several  others,  has 
always  the  two-fold  inconvenience  of  neglecting  entirely  the 
grammatical  relations,  as  if  the  grammar  was  not  as  essen- 
tial a  part  of  the  language  as  the  words  ;  and  of  taking  from 
the  language  which  we  wish  to  examine,  isolated  words,  se- 
lected, not  according  to  their  affinities  and  natural  etymo- 
logy, but  according  to  the  ideas  which  they  express.  Sir 
James  Mackintosh  very  justly  observes,  that  the  affinity  of 
two  languages  is  much  better  proved,  when  whole  families 
of  words  resemble  each  other,  than  when  this  is  the  case 
with  single  words  only.  But  how  shall  we  recognize  fami- 
lies of  words  in  foreign  languages,  if  we  only  select  from 
them  two  or  three  hundred  isolated  terms?  There  undoub- 
tedly subsists  among  words  of  the  same  language  an  ana- 
logy of  meanings  and  forms  of  combination  easy  to  be  per- 
ceived. It  is  from  this  analogy,  considered  in  its  whole  extent, 
and  compared  with  the  analogy  of  the  words  of  another 
language,  that  we  discover  the  affinity  of  two  idioms,  as  far 
as  it  is  recognizable  in  their  vocabularies.  It  is  in  this  man- 
ner alone,  that  we  recognize  the  roots,  and  the  methods  by 
which  each  language  forms  its  derivatives.  The  comparison 
of  two  languages  requires,  that  we  should  examine,  whether 
and  in  what  degree  the  roots  and  derivative  terms  are 
common  to  both.  It  is  not,  then,  by  terms  expressive  of 
general  ideas:  such  as  sun,  moon,  man,  woman,  etc.,  that 
we  must  commence  the  comparison  of  two  languages,  but 
by  their  entire  dictionary  critically  explained.    The  simple 


427 

comparison  of  a  certain  number  of  words,  by  reducing  the 
•  examination  of  languages  too  much  to  a  mere  mechanical 
labour,  often  leads  us  to  omit  examining  sufficiently  the  words 
which  form  the  subjects  of  our  comparison;  and  to  avoid 
this  defect,  we  are  forced  to  enter  deeply  into  all  the  mi- 
nutiae of  grammar,  separating  the  words  from  their  gram- 
matical affixes,  and  comparing  only  what  is  really  essential 
to  the  expression  of  the  idea  which  they  represent.  The 
words,  of  which  we  seek  a  translation  in  different  languages, 
often  cannot  be  rendered  except  by  a  compound  term.  Thus 
the  sun  in  some  languages  is  called  the  father,  the  author, 
the  star,  etc.,  of  day.  It  is  evident,  that,  in  these  cases,  we 
no  longer  compare  the  same  words,  but  words  altogether 
different.  To  conclude:  it  is  impossible  to  form  a  correct 
judgment  on  the  resemblance  of  sounds,  without  having  care- 
fully studied  the  system  of  sounds  of  each  of  the  languages 
which  we  would  compare.  There  occur  often  between  dif- 
ferent languages,  and  still  more  frequently  between  different 
dialects,  regular  transformations  of  letters,  by  which  we  can 
discover  the  identity  of  words,  that  at  first  view  seem  to 
have  but  a  very  slight  resemblance  in  sound.  On  the  other 
hand,  a  great  resemblance  of  sound  in  two  words  will  so- 
metimes prove  nothing,  or  leave  the  judgment  in  great  un- 
certainty, if  it  be  not  supported  by  a  train  of  analogies  for 
the  permutation  of  the  same  letters.  What  I  have  remarked, 
proves,  as  I  think,  that  even  if  we  confine  ourselves  to  the 
comparison  of  a  certain  number  of  words  in  different  lan- 
guages, it  is  still  necessary  to  enter  more  deeply  into  their 
structure,  and  to  apply  ourselves  to  the  study  of  their  gram- 
mar. But  further,  I  am  quite  convinced,  that  it  is  only  by 
an  accurate  examination  of  the  grammar  of  languages  that 
we  can  pronounce  a  decisive  judgment  on  their  true  affi- 
nities. 


428 

Languages  are  the  true  images  of  the  modes  in  which 
nations  think  and  combine  their  ideas.  The  manner  of  this 
combination,  represented  by  the  grammar ,  is  altogether  as 
essential  and  characteristic  as  are  the  sounds  applied  to  ob- 
jects, that  is  to  say,  the  words.  The  form  of  language  being 
quite  inherent  in  the  intellectual  faculties  of  nations,  it  is 
very  natural,  that  one  generation  should  transmit  theirs  to 
that  which  follows  it;  while  words,  being  simple  signs  of 
ideas,  may  be  adopted  by  races  altogether  distinct.  If  I 
attach  great  importance,  however,  under  this  view,  to  the 
grammar  of  a  language;  I  do  not  refer  to  the  system  of 
grammar  in  general,  but  to  grammatical  forms,  considered 
with  respect  to  their  system  and  their  sounds  taken  con- 
jointly. 

If  two  languages,  such  for  instance  as  the  Sanscrit  and 
the  Ureek,  exhibit  grammatical  forms,  which  are  identical  in 
arrangement  and  have  a  close  analogy  in  their  sounds,  we 
have  an  incontestable  proof  that  these  two  languages  belong 
to  the  same  family. 

If,  on  the  contrary,  two  languages  do  contain  a  great 
number  of  words  in  common,  but  have  no  grammatical  iden- 
tity, their  affinity  becomes  a  matter  of  great  doubt;  and  if 
their  grammars  have,  like  those  of  the  Basque  and  the  La- 
tin, an  essentially  different  character,  these  two  languages 
certainly  do  not  belong  to  the  same  family.  The  words  of 
the  one  have  been  merely  transplanted  into  the  other,  which 
has  nevertheless  retained  its  primitive  forms. 

If  I  assert  that,  in  order  to  prove  the  affinity  of  lan- 
guages, we  should  pay  attention  to  the  employment  of  gram- 
matical forms  and  to  their  sounds  taken  together;  it  is,  be- 
cause I  would  affirm  that  they  must  be  considered  not  only 
in  the  abstract  but  in  the  concrete.  Some  examples  will 
render  this  clearer. 


429 

Several  American  languages  have  two  plural  forms  in 
the  first  person,  an  exclusive  and  an  inclusive  form,  accord- 
ing as  we  would  include  or  exclude  the  person  addressed. 
It  has  been  thought  that  this  peculiarity  belonged  exclusively 
to  the  American  languages;  but  it  is  also  found  in  the  Man- 
tchu,  the  Tamul,  and  in  all  the  dialects  of  the  South  Sea 
Islands.  All  these  languages  have  indeed  this  grammatical 
form  in  common;  but  it  is  only  in  the  abstract.  Eacli  of 
them  expresses  it  by  a  different  sound:  the  identity  of  this 
form,  therefore,  does  not  furnish  any  proof  of  the  affinity  of 
these  languages. 

On  the  other  hand,  the  Sanscrit  infinitive,  or  rather  the 
affixes  rj  and  rj,  as  in  slçJehIÏT,  „desirous  of  vanquishing," 
correspond  as  grammatical  forms  with  the  Latin  supines; 
and  there  is  at  the  same  time  a  perfect  identity  of  sound 
in  these  forms  in  the  two  languages,  as  the  Latin  supines 
terminate  invariably  in  turn  and  tu.  The  striking  conformity 
of  the  Sanscrit  auxiliary  verb  to  that  of  the  Greek  and  Li- 
thuanian languages  has  been  ingeniously  developed  by  Pro- 
fessor Bopp.  The  Sanscrit  cf<^,  the  Greek  oldct,  and  the 
Gothic  vaitj  are  evidently  of  the  same  origin.  In  all  these 
three  words  there  is  a  conformity  both  of  sound  and  signi- 
fication; but  further:  all  the  three  verbal  forms  have  these 
two  peculiarities  in  common,  that,  though  preterites,  they 
are  used  in  a  present  sense,  and  that  in  all  three  the  short 
radical  vowel,  which  is  retained  in  the  plural,  is  changed 
to  a  long  vowel  in  the  singular.  The  Lithuanian  weizdmV, 
I  know,  and  the  Sanscrit  c?j%[,  shew  clearly  at  first  view, 
that  this  word  is  not  only  the  same  in  the  two  languages 
(as  bos  and  beef  in  Latin  and  English),  but  that  the  two 
languages  have,  in  the  termination  mi,  modelled  these  words 
on  the  same  grammatical  form;  for  they  not  only  mark  the 


430 

persons  of  the  verb  by  inflexions  added  to  the  end  of  the 
root,  but  the  affix  of  the  first  person  singular  is  in  both 
cases  the  syllable  mi. 

There  is  then  in  the  examples  adduced  a  conformity  in 
grammatical  use,  and  at  the  same  time  hi  sound;  and  it  is 
impossible  to  deny,  thai  the  languages,  which  possess  these 
forms,  must  be  of  the  same  family. 

The  difference  between  the  real  affinity  of  languages, 
which  presumes  a  filiation,  as  it  were,  among  the  nations 
who  speak  them,  and  that  degree  of  relation,  which  is  pu- 
rely historical,  and  only  indicates  temporary  and  accidental 
connexions  among  nations,  is,  in  my  opinion,  of  the  greatest 
importance.  Now  it  appears  to  me  impossible,  ever  to  ascer- 
tain that  difference  merely  by  the  examination  of  words; 
especially,  if  we  examine  but  a  small  number  of  them. 

It  is  perhaps  too  much  to  assert,  that  words  pass  from 
age  to  age  and  from  nation  to  nation;  that  they  arise  also 
from  connexions  (which,  though  secret,  are  common  to  ail 
men)  between  sounds  and  objects,  and  that  they  thus  esta- 
blish a  certain  identity  between  all  languages:  while  the 
manner  of  casting  and  arranging  these  words,  that  is  to  say 
the  grammar,  constitutes  the  particular  differences  of  dialects. 
This  assertion,  I  repeat,  is  perhaps  too  bold,  when  expressed 
in  this  general  way;  yet  I  am  strongly  inclined  to  con- 
sider it  correct,  provided  the  expression  grammar  be  not 
taken  vaguely,  but  with  a  due  regard  to  the  sounds  of  gram- 
matical forms.  But  whatever  opinion  may  be  entertained 
with  respect  to  this  manner  of  considering  the  difference  of 
languages,  it  appears  to  me  at  all  events  demonstrated  : 

First,  that  all  research  into  the  affinity  of  languages, 
which  does  not  enter  quite  as  much  into  the  examination  of 
the  grammatical  system  as  into  that  of  words,  is  faulty  and 
imperfect;  and, 


431 

Secondly,  that  the  proofs  of  the  real  affinity  of  lan- 
guages, that  is  to  say  the  question,  whether  two  languages 
belong  to  the  same  family,  ought  to  be  principally  deduced 
from  the  grammatical  system,  and  can  be  deduced  from  that 
alone;  since  the  identity  of  words  only  proves  a  resemblance 
such,  as  may  be  purely  historical  and  accidental. 

Sir  James  Mackintosh  rejects  the  examination  of  gram- 
mar, for  this  reason,  that  languages,  which  are  evidently  of 
the  same  stock,  have  very  different  grammars.  But  we  must 
not  be  misled  by  this  phenomenon,  although  it  is  in  itself 
quite  true.  The  grammatical  form  of  languages  depends,  on 
the  one  hand,  it  is  true,  upon  the  nature  of  these  languages; 
but  it  also  depends,  on  the  other  hand,  upon  the  changes 
which  they  experience  in  the  course  of  ages,  and  in  con- 
sequence of  historical  revolutions.  Out  of  these  changes  it 
has  arisen,  that  languages  of  the  same  family  have  a  diffe- 
rent grammatical  system,  and  that  languages  really  distinct 
resemble  each  other  in  some  degree.  But  the  slightest  exa- 
mination will  suffice  to  shew  the  real  relations  which  sub- 
sist between  those  languages,  especially  if,  by  following  the 
plan  above  laid  down,  we  proceed  to  the  examination  of 
forms  which  are  alike  identical  in  their  uses  and  in  their 
sounds.  It  is  thus  that  we  discover  without  difficulty,  that  the 
English  language  is  of  Germanic  origin,  and  that  the  Persian 
belongs  to  the  Sanscrit  family  of  languages,  notwithstanding 
the  very  great  difference  which  exists  between  the  gram- 
mars of  these  idioms. 

It  is  generally  believed,  that  the  affinity  of  two  lan- 
guages is  undeniably  proved,  if  words,  that  are  applied  to 
objects,  which  must  have  been  known  to  the  natives  ever 
since  their  existence,  exhibit  a  great  degree  of  resemblance; 
and  to  a  certain  extent  this  is  correct.  But,  notwithstanding 
this,  such  a  method  of  judging  of  the  affinity  of  languages 


432 

seems  to  me  by  no  means  infallible.  It  often  happens,  that 
even  the  objects  of  our  earliest  perceptions,  or  of  the  first 
necessity,  are  represented  by  words  taken  from  foreign  lan- 
guages, and  which  belong  to  a  different  class.  If  we  only 
examine  the  list  furnished  by  Sir  James  Mackintosh,  we 
shall  find  there  such  words  as  people,  countenance,  touch, 
voice,  labour,  force,  power,  marriage,  spirit,  circle,  tem- 
pest, autumn,  time,  mountain,  valley,  air,  vapour,  herb, 
verdure,  and  others  of  the  same  kind.  Now  all  these  words 
being  evidently  derived  from  the  Latin,  as  it  was  trans- 
formed after  the  fall  of  the  Roman  empire,  we  ought,  judging 
from  these  words,  rather  to  assign  to  the  English  an  origin 
similar  to  that  of  the  Roman  languages  than  to  that  of  the 
German. 

If,  what  I  have  here  advanced,  be  well  founded,  it  ap- 
pears to  me  easy  to  point  out  the  system,  which  the  Royal 
Asiatic  Society  would  do  well  to  pursue,  in  order  to  com- 
plete our  knowledge  of  the  Indian  languages,  and  to  resolve 
the  grand  problem  which  they  present  to  the  minds  of  phi- 
lologists, who  endeavour  to  discover  the  origin  and  Ihe  filia- 
tion of  languages. 

It  would  be  proper  to  commence  by  examining  the 
country  geographically,  taking  a  review  of  every  part  of 
India,  in  order  to  know  exactly,  in  what  parts  we  are  still 
in  want  of  sufficient  materials  to  determine  the  nature  of 
their  idioms.  Where  deficiencies  are  discovered,  efforts  should 
be  used  for  their  supply,  by  encouraging  those  persons  who 
are  already  employed  on  those  languages,  or  may  intend 
studying  them,  to  form  grammars  and  dictionaries,  and  to 
publish  the  principal  works  existing  in  these  languages,  for 
which  every  facility  should  be  afforded  them.  If  materials 
to  a  certain  extent  were  thus  collected,  we  should  unques- 
tionably not  want  men  who  would  be  able  to  deduce  from 


433 

them  conclusions  from  which  to  prepare  a  critical  view  of 
the  affinity  of  the  Indian  languages ,  and  to  determine,  as 
far  as  the  data  which  we  might  possess  would  admit,  the 
manner  in  which  the  Sanscrit  and  other  languages  of  India 
and  its  islands  have  reciprocally  acted  upon  each  other.  I 
assume  that  the  learned  of  the  Continent  would  take  their 
share  in  this  work,  M.  E.  Burnouf,  of  Paris,  having  already 
commenced  a  series  of  papers  on  the  subject  in  the  Nou- 
veau Journal  Asiatique. 

There  exists  in  England  a  vast  quantity  of  manuscript 
materials  relating  to  these  languages.  Dr.  B.  Babington,  for 
instance,  possesses  alphabets  altogether  unknown  in  Europe 
up  to  the  present  time.  In  England,  also,  the  great  advan- 
tage is  possessed  of  being  able  to  direct  works  upon  these 
languages  to  be  undertaken  in  India  itself,  and  to  guide  such 
labours  by  plans  sent  from  this  country.  In  India  these  are 
living  languages,  and  literary  men  of  the  very  nations  in 
which  they  are  spoken,  may  be  employed  in  the  researches 
we  wish  to  forward.  No  other  nation  possesses  so  valuable 
an  advanlage.  It  is  important  to  profit  by  it.  The  deficien- 
cies in  our  knowledge  are  numerous  and  evident.  We  pos- 
sess scarcely  any  thing  upon  the  Malayalim;  and  are  in 
want  of  a  printed  dictionary  of  the  Tamul.  But  while  we 
keep  this  object  strictly  in  view,  and  work  upon  a  fixed 
plan,  we  shall  insensibly  fill  up  these  vacancies.  It  is  cer- 
tainly difficult  to  find  men  who  both  can  and  will  engage 
in  a  work  like  this,  but  they  are  undoubtedly  to  be  found. 
Thus  Dr.  Babington  has  mentioned  Mr.  Whish  to  me,  as 
being  profoundly  acquainted  with  the  Malayalim,  and  as 
being  already  employed  in  making  it  belter  known  in  Europe. 
Solid  labours  upon  languages  are,  in  their  nature,  slow.  In 
an  enterprize  so  vast  as  thai  of  examining  to  the  utmost 
possible  extent  each  of  the  numerous  languages  of  India, 
vu.  28 


434 

progress  can  only  be  made  insensibly  and  step  by  step.  But 
learned  societies  afford  this  advantage,  that  the  same  labour 
can  be  continued  through  a  long  series  of  years;  and  com- 
plete and  perfect  works  upon  two  or  three  idioms  are  cer- 
tainly preferable  to  notions,  more  or  less  superficial,  upon 
all  the  dialects  of  India,  hastily  put  forth  for  the  purpose 
of  coming  at  once  to  a  general  conclusion. 

These,  Sir,  are  my  ideas  upon  the  subject,  upon  which 
you  wished  to  have  my  opinion.  It  is  only  in  compliance 
with  your  request,  that  I  have  ventured  to  lay  them  before 
you;  for  I  am  well  aware  how  much  belter  able  the  distin- 
guished members  of  the  Royal  Asiatic  Society  are  to  form 
a  judgment  of,  and  give  an  opinion  upon,  this  matter  than 
I  am. 

I  request  you,  Sir,  to  accept  the  assurance  of  my  highest 

respect. 

(Signed)     de  Humboldt. 
London,  June  10,  1828. 

NOTE  (p.  425). 

(1)  The  work  to  which  allusion  is  made  by  Baron  William  de 
Humboldt,  in  the  passage  where  I  am  named,  was  undertaken  by  me 
in  furtherance  of  the  views  developed  by  Sir  James  Mackintosh.  I 
thought  that  a  more  copious  comparative  vocabulary  than  he  had 
proposed,  would  be  practically  useful;  and  would  be  instructive  in 
more  points  of  view  than  lie  had  contemplated.  Accordingly,  at  my 
instance,  a  Sanscrit  vocabulary  and  a  Persian  one  were  printed  with 
blank  half  pages,  and  distributed  among  gentlemen,  whose  situations 
were  considered  to  aü'ord  the  opportunity  of  having  the  blank  column 
filled  up,  by  competent  persons,  with  a  vocabulary  of  a  provincial 
language.  Vocabularies  of  the  same  vernacular  tongue  by  a  Pandit 
and  a  Munshi  would  serve  to  correct  mutually  and  complete  the 
information  sought  from  them.  Very  few  answers,  however,  were  re- 
ceived :  indeed  scarcely  any,  except  from  Dr.  Buchanan  Hamilton. 
The  compilation,  to  which  Baron  de  Humboldt  refers,  comprises  as 
many  as  I  succeeded  in  collecting.  H.  T.  C. 


435 


Sonette. 


Der  Zug  nach  oben. 

Ich  tauchte  oft  mich  wohl  in  Weltgeschäfte, 
Erprobt  an  ihnen  ernsthaft  meine  Kräfte, 
Versuchte  wagend,  wie  mein  Loos  mir  fiele, 
Und  führte  manche  zum  erwünschten  Ziele. 

Doch  nie  dem  Wahn  ich  Anderer  nachäffte, 
Als  wenn  des  Menschen  Heil  sich  daran  hefte; 
In  stiller  Nacht,  in  Ahend-Dämmrungs  Kühle 
Senkt  ich  mich  tief  in  höhere  Gefühle. 

Wie  dem,  der  schwebend  in  die  Lüfte  steiget 
Auf  leichtem  Ball,  die  Erde  plötzlich  sinket, 
So  Höhe,  ladend  uns  von  oben,  winket, 

Wo  mehr  sicli  nichts  von  dieser  Erde  zeiget. 

Und  dieser  Höhe  zu  den  Elug  zu  lenken 

Muss  von  der  Welt  zur  Brust  den  Sinn  man  senken. 


28" 


436 


2. 

Die  Hoffnung. 

Kommst  Du  lierai)  zu  dieser  Ruhestätte, 
Geliebte  Hoffnung,  oder  schwebst  nach  oben, 
Auf  süssem  Glaubensfittig,  leichtgehoben 
Auf  von  dem  irdisch  ew'gen  Scblummerbette ? 

Denn  heller  Ahndungen  verschlungne  Kette, 
Aus  Himmelsduft  und  Erdenstorf  gewoben, 
Strahlt,  wenn  der  Tod  den  Riegel  vorgeschoben, 
Liebt  nieder,  das  aus  Erdendunkel  rette. 

Doch  nicht  von  oben,  noch  nach  oben  gehet 
Dein  Pfad;  Du  wohnest  in  den  stillen  Sphären 
Des  Busens,  die  dem  Menschen  Schwung  gewähren, 

Dass  er  durch  sich  am  Firmamente  stehet. 
Die  Kräfte,  die  von  Götterursprung  zeugen, 
Mit  eignen  Flügeln  auf  zum  Aether  steigen. 


437 


3. 

Die   E  wis  g  ütige. 

Wenn  ich  der  Ewiggütigen  gedenke, 
Die  mich  begleitet  süss  hat  durch  das  Lehen, 
Jch  in  die  schönste  Wirklichkeit  mich  senke, 
Die  Menschen  je  auf  Erden  hat  umgeben, 

Und  scheinbar  nur  in  Wirklichkeit  ich  lenke 
Den  Blick;  es  ist  ein   himmelhoch  Erheben. 
An   Himmelsthaue  ich  entzückt  mich  tränke, 
Wenn  ich  des  Bildes  Klarheit  kann  erstreben. 

Mit  ihm  durchschleiche  ich  des  Alters  Tage, 
Und  Seligkeit  die  Seele  reich  mir  füllet; 
Mein  Thun  ist  längstverklung'ne  VorzeitSSage , 

Doch  mein  Gennss  in  ew'gem  Strome  quillet. 
Denn  wie  mit  unsichtbaren  Geisterhänden 
Fühl'  ich  mir  ihn  sie  ewig  gütig  senden. 


438 


4. 

Jugend  und  Alter. 

Der  Jugend  Bilder  sind  die   süssen  Träume, 
In   die  am  liebsten  ich  mich  sinnend  senke, 
An  ihrem  Glänze  ich  mein  Alter  tränke, 
Und  schweif  hinaus  in  Sonnenlichte  Räume. 

Der  Jugend  ziemt  das  Wort:  ich  überschäume, 
Und  des  Genusses   Becher  voll  mir  schenke; 
Das  Alter  fordert,  dass  Vernunft  es  lenke, 
Ihm  ziemt  das  Wort:  ich  massig  bin  und  säume. 

Doch  wie  die  Sonne  glänzet  nocli  und  scheinet, 
Wenn  auch  verschwunden  ist  die  Kraft  der  Strahlen, 
Und  Schein  und  Wesen  dient  zwei  Hemisphären; 

So  ist's  dem  Alter  süsses  Lustgewähren, 
Wenn  sich  im  Wiederschein  die  Bilder  malen, 
Worin  sich  Gegenwart  und  Vorzeit  einet. 


439 


5. 

Die  letzten  Schranken. 

Von  kleinein  Hügel  man  zu  grössrem  steiget, 
Um  frei  in  weite  Ferne  auszublicken. 
Doch  höh'ren  Berges  langgeclehnter  Rücken 
Sich,  weite  Aussicht  hemmend,  immer  zeiget. 

Und  jede  Stufe  neue  Sehnsucht  zeuget, 
Man  träumt  von  nie  geahndetem  Entzücken; 
Da  plötzlich  Gipfel  ihre  Schatten  schicken, 
Wo  jeder  Laut  lebend'gen  Wesens  schweiget. 

Die  bleiben  dann  vom  Wand'rer  unerstiegen, 
Er  sieht,  er  muss  ein  Ziel  dem  Suchen  stecken, 
Und  auf  den  letzterreichteu  Höh'n  verweilen. 

So  auch  des  Lebens  Stufenalter  eilen; 

Erst  wächst  das  Licht,  dann  sieht  man  Nacht  sich  strecken, 

Und  zweifelt,  ob  sie  Funken  überfliegen. 


440 


6. 

Zwiefache  Ansicht. 

1. 

Ich  lebe  schon  im  Geist  in  den  Genüssen, 
Die  diese  Stunden  bald  mir  jetzt  bereiten; 
Mein  Wolkenhimmel  plötzlich  ist  zerrissen, 
Mich  Tags  nun  Sonnenschein,  Nachts  Sterne  leiten. 
2 

Mir  blühet  Glück  in  ruhigem  Gewissen, 
Sieg  ist  mir  sicher  in  des  Busens  Streiten; 
Ich  scheue  nicht  das  schicksalernste  Müssen, 
Wenn  treu  vereinet  Geist  und  Herz  arbeiten. 

I.    2. 
Wir  seh'n  am  Hügel  dort  die  Sonne  sinken 
Und  Luna's  silberheller  Scheibe  weichen. 

1. 
Mir  ist  der  Abend  neuen  Tags  Zuwinken. 

2. 
Ich  seh  in  ihm  des  vorigen  Erbleichen. 

1.    2. 

So  wir  im   vorwärts  und  im  rückwärts  Schauen 
Uns  gleiches  Glück  aus  andrem  Stoffe  hauen. 


441 


7. 

Die  stillen  Nächte. 

Warum  ich  so  die  stillen  Nàchte  liebe'? 
Kann  recht  ich  nur  der  eignen  Brust  vertrauen; 
Was  da  des   Geistes  Augen  lebend  schauen, 
Zum  Gott  nach  machte,  wenn  es  ewig  bliebe. 

Am  Tag'  ich  nur  so  meine  Flüchten  übe, 
Wie  Wandrers  Schritte  Nebel  wohl  umgrauen; 
Die  Thränen,  die  den  Wimpern  mir  entthauen, 
Zur  Nacht  mich  ziehen  mit  geheimem  Triebe. 

Nicht  von  der  Wirklichkeit  Gesetz  gehalten, 
Der  Zeiten    hingeschwundene  Gestalten 
Im  Traume  süss  vertraulich  wiederkehren, 

Und  lieblich  flüsternd  da  die  Seele  lehren, 

Dass  aller  Wonnen  süsseste  gemessen 

Heiss'  jedem  Eindruck  lest  die  Sinne  schliessen. 


442 


8. 

Die    Sterne. 

Ein  grosser  Dichter  sagt,  class  man  die  Sterne 
Begehre  nicht,  sicli  ihres   Lichts  nur  freue: 
Sah  er  denn  sehnend  nie  in  jene  Ferne 
Nach  Welten  wo  das  Sein  sich  ihm  erneue'? 

Wohl  hängt  das  Aug'  am  Sternen-Glanze  gerne, 
Doch  nicht,  dass  er  die  tiefe  Nacht  zerstreue, 
Dass  tief  die  Brust  in  sie  zu  tauchen  lerne, 
Wenn  nicht  ihr  Glück  mehr  giebt  die  heitre  Blaue. 

Wenn,  was  das  Herz  geliebt,  die  Erde  decket, 
Ihr  Dunkel  nur  die  Lust  des  Busens  wecket. 
Man  lieht  die  fernen  Sterne  hier  auf  Erden, 

Dass  durch  des  Grabes  Nacht  sie  Leiter  werden; 
Wenn  Glück  und  Lust  hat  für  das  Herz  geendet, 
Den  Blick  ihr  nahes  Sonnenflammen  blendet. 


443 


9. 

Blumen  und  Sterne. 

Die  Blumen,  die  in  einem  Jahre  spriessen, 
Und  welkend  in  demselben  auch  vergehen, 
Uns  lehren,  wenn  wir  sinnig  auf  sie  sehen, 
Dass  wir  auch  hier  des  Daseins  Kreis  beschliessen. 

Doch  anders  uns  die  nächt'gen  Sterne  grüssen: 
Wir  uns  in  ewigen  Geleisen  drehen, 
Und  ewig  könnt  mit  uns  auch  ihr  bestehen, 
Da  Geist  und  Licht  in  eins  zusaminenfliessen. 

Sind  nun  die  Körner,  die  als  Saamen  keimen, 
Noch  eins  mit  den  vergang'nen  Mutterblüthen? 
Kann  die  Gestirne  in  des  Aethers  Räumen 

Ihr  Schicksal  vor  dem  Untergang  behüten? 
Sind  sie,  wie  Weltenblüthen  weit  zerstreuet, 
Nicht  auch  doch  der  Vergänglichkeit  geweihet  ? 


444 


10. 

Betrachtung. 

Auf  Marmor  bah'  ich  sicher  euch  gegründet, 
Dass  euch  der  Stand   vor  jedem  Unfall  wahre, 
Ihr  Bilder,  die  durch  lange  Lebensjahre 
Mir  Labt  die  Brust  mit  süsser  Lust  entzündet. 

Den  Genius  ihr  jener  Zeit  verkündet, 
Die,  dass  sie  keinen  Ruhm  der  Nachwelt  spare, 
Und   Grössres  Helios  nichts  als  sie  erfahre, 
Mit  Erdendasein   Himmlisches  verbindet. 

Stumm  sass  ich  oft  vor  euch,  und   stumm  verlassen 
Nun  vverd  ich  euch,  wenn  mich  das  Grab  empfanget. 
An  Phöbus  Strahlen  eure  Schönheit  hanget, 

Der  Mensch  in  Grabesnacht  kann  sie  nicht  fassen, 
Die  ird'schen  Sinne  sind   von  ihm  gewichen 
Den  himmlischen  ist  euer  Reiz  verbuchen. 


445 


11. 

H  ö  cli  s  ter  Lebensgewinn. 

Wo  Friedrich  Barbarossas  Reuter  zogen, 
Zog  ich  in  meines   Glückes  Jugendfagen, 
Doch  dacht'  ich  wenig  jener  dunklen  Sagen, 
Die  längst  hinweggespült  der  Zeiten  Wogen. 

Mir  vom  Geschick  war  Schün'res  zugewogen, 
Ich   dürft'  im  Busen  himmlisch  Wesen  tragen^ 
Und  fühlen  Herz  an  Herz  in  Liehe  schlagen; 
Nur  diesem  Ziel  zu  meine  Schritte  flogen. 

Aus  jenen  sehnsuchtsvollen  Jugendwegen 
Ist  mir  erblüht  des  ganzen  Lehens  Segen 
In   allen  Wandels   lieblichen   Gestalten; 

Denn  von  der  Jungfrau   üppig  holder  Blüthe 
Sah'  bis  zum  Tod  im  herrlichen  Gemüthe 
[eil    jede  Schönheit  göttlich  sich   entfalten. 


446 


12. 

Wolken,    Träume,   Lieder. 

Sahst  je  Du,  wie  im  blauen  Hiraraelsraiime 
Ein  klein  Gewölk  kaum  sichtbar  erst  entstehet, 
Doch  bald  mit  grösseren  zusammengehet, 
Und  fort  drauf  zieht  in  lockrem  Flockenschaume'? 

Unstete  Bilder  auch  ia  irrem  Traume 
Die  Phantasie  zusammen  seltsam  wehet, 
Wenn  sich  der  Kreis  der  goldnen  Sterne  drehet, 
Aufgeht  und  untersinkt  am  Erdensaume. 

Wie  Wolken  und  wie  Träume  sind  die  Lieder, 
Die  hold  entblühn  der  Hören  heitren  Stunden, 
Allein  an  sinniges  Gesetz  gebunden, 

An  Rhythuiusfesseln  steigend  auf  und  nieder, 
Gedanken  her  vom  hohen  Himmel  lenkend, 
Und  in  die  Tiefe  sie  des  Busens  senkend. 


447 


13. 

Das  Schicksal   und  der  Mensch. 

Die  Knospe,  wenn  sie  ihre  Zeit  erreichet, 
Und  ihres  Lebensmorgens  Dämmrung  grauet, 
Bricht  auf,  und  der  Natur  sich  anvertrauet, 
Ol)  Sonne  scheinet,  oder  Wind  rauh  streichet, 

Sie  der  Notwendigkeit  des  Schicksals  weichet, 
Das  vorwärts  treibt,  und  niemals  rückwärts  schauet, 
Und  achtlos  seine  Riesenplane  hauet, 
Oh  Blüthe  welkt,  und  Menschenglück  erbleichet. 

Denn  auch  den  Menschen  fasst  sein  unstät  Treiben, 

Er  inuss  hinaus  ins  öde,  dürre  Leben, 

Muss  wider  Willen  kämpfen,  dulden,  streben, 

Darf  nicht  im  Schoosse  süsser  Ruhe  bleiben. 
Allein  der  Mensch  begegnet  ihm  mit  Stärke, 
Und  schreitet  doch  zu  selbstyewähltem  Werke. 


448 


14. 

Der  Seele  Kräfte. 

Der  Seele  Kräfte  frei  vom  Körper  streben, 
Und  tragen  in  sich  abgesondert  Leben, 
Wenn  nur  in  ihrer  tief  empfundnen  Stille 
Wohnt  Jester,  unerschütterlicher  Wille. 

Vor  keinem  Ungemach  sie  dann  eibeben, 
Vielmehr  sie  Krankheit  noch  und  Leiden  heben, 
Da  nicht  mehr  hindert  der  Begierde  Fülle, 
Dass  der  Gedanke  rein  dem  Geist  entquille. 

Der  Mensch  fühlt  dann  ein  ungewohntes  Wogen 

Im  reich  bewegt  aufsteigenden  Gemüthe, 

Lud  pliiicket  der  Empfindung  Walirheitsblüthe, 

Nicht  mehr  von  trübem  Sinnenschein  betrogen; 
Und  bis  des  Lehens  letzter  Pulsschlag  stocket, 
Der  Phantasie  er  süssen  Klang  entlocket. 


449 


15. 

Gefiederte   Sänger. 

Die  Yögel  trillern  ihre  muntern  Lieder, 
Dass  weithin  Feld  und  Wald  davon  erklinget; 
Wie  in  die  Lütte  hoch  ihr  Flug  sich  schwinget, 
Tönt  noch  melodischer  ihr  Singen  nieder. 

Denn  eng  verknüpft  sind  Stimme  und  Gefieder; 
Kein  Thier,  das  frei  nicht  durch  die  Lüfte  dringet, 
Des  Liedes  Weihe  dar  dem   Himmel  bringet, 
Einförm'ger  Ruf  nur  schallet  von  ihm  wieder. 

Doch  auch  der  Vögel  glückliche  Geschlechte 

Geniessen  des  Gesanges  heiige  Rechte 

Nur,  wenn  der  Liebe  Trieb  sie  süss  begeistert. 

Wenn  diese  Augenblicke  sind  verschwunden, 
Die  von  der  Thierheit  Fesseln  sie  entbunden, 
Dann  dumpfe  Stummheit  ihrer  sich  bemeistert. 


vu.  29 


450 


16. 

Ihr    Bild. 

Uuas  dunkle  Haar  den  Schleier  leicht  geschlagen, 
Dein  tiefes  Auge  aus  dem  Bilde  blicket. 
Wenn  auch  nicht  jeder  Zug  Dich  nah  uns  rücket, 
Sieht  man  Dich  lebend  doch  in  jenen  Tagen, 

Wo  Roma's  Wunder  offen  vor  Dir  lagen, 
Wo  Du  das  Höchste  sinnvoll  still  gepflücket, 
Und  an  des  Südens  Himmel  Dicli  erquicket, 
Um  Rückkehr  zu  dem  rauhen  Nord  zu  wagen. 

Denn  Liebe  zu  Hesperiens  Zauberblüthe 
Verdrängte  nicht  in  Dir  aus  dem   Gemüthe 
Zum  Vaterland  die  sichre,  ewge  Treue; 

Dein  stiller  Sinn  genügsam  in  ihm  lebte, 
Und   Grosses  um  Dich  her  geräuschlos  wellte 
Zu  Erdenheiterkeit  und   Himnielsweihe. 


451 


17. 

Licht  der  Liebe. 

In  Einem  Punkte  sich  zusammendränget 
Mein  Lehen,  uie  in  seiner  höchsten  Bliithe; 
Ans  ihm  entsprang  dem  strebenden  Gemüfhe, 
Woran  es  sehnend  Ins  zum  Grabe  hanget. 

Und  his  dahin  es,  dunkel  eingeenget, 

Sein  Wollen  zu  entziffern  bang  sich  mühte: 

Da  kam   mir  ihre  sonnenmilde  Güte, 

Wie  Thau   der  Flur,  die  Sirius  Glut  versenget. 

Wenn  mir  nun  Strahlen   höhrer  Klarheit  glänzten, 
Sie  nur  von  ihres  Schimmers  Lichte  stammten; 
Denn  mit  den  Glorien,  die  sie  umflammten, 

Die  Stirn  mir  ihre  Hände  huldreich  kränzten; 
Was  zartren  Ursprungs  sich  in  mir  verkündet, 
Hat  ihrer  Liebe  Inbrunst  erst  entzündet. 


29' 


452 


18. 

Gegenliebe. 

Die  Liebe  nährt  sich  wohl  von  Gegenliebe, 
Doch  wächst  auch,  wenn  ihr  diese  Nahrung  fehlet  ; 
Sie  nicht  Erreichbares,  nicht  Glück  sich  wählet, 
Stammt,  seihst  sich  unbewusst,  aus  dunklem  Triebe. 

Wenn  ihr  auch  nichts,  als  ihre  Sehnsucht  bliebe, 
Sie  nie  die  reichvergossnen  Thränen  zählet, 
Mit  süsser  Lust  ist  doch  ihr  Schinerz  vermählet. 
Wie  Luna's  Schimmer  blickt  durch  Wolken  trübe. 

Nur  Wenigen  des  Busens  Stärke  quillet, 
Des  Liebesgliickes  Sonnenschein  zu  tragen, 
Und  diesen  immer  Gegenliebe  blühet, 

Denn  Himinelsglut  an  Himmelsglut  erglühet; 
Die  meisten  nur  gedeihn  im  Morgentagen, 
Von  trübendem  Gewölke  bald  umhüllet. 


453 


19. 

Vorgefühl  und  Mu  th. 

Der  Mensch  sieht  wohl  sicli  seinen  Himmel  schwärzen, 
Trägt  in  sich   Vorgefühl  unseiger  Schmerzen, 
Weiss  deutlich  anzugeben  Tag  und  Stunde, 
Die  schlagen  weiden  ihm  die  bittre  Wunde. 

Allein  mit  ruhigem  und  festem  Herzen, 
Als  könnt'  er  auch  mit  Wehgeschicke  scherzen, 
Begegnet  er  der  unheilschwangren  Kunde, 
Anordnend  selbst  mit  unerschrocknem  Munde. 

Er  weiss,  dass,  führt  es  auch  durch  Sehmerzgefilcle, 

Das  Schicksal  dennoch  ist  von  tiefer  Milde, 

Und  wenn  auch  Grausamkeit  und  Härte  schalten, 

Weiss  er  den  Muth  des  Busens  zu  erhalten, 
Des  Lebens  Tage  nicht  nach  Freuden  zählet, 
Allein  den  Sinn  mit  Stärke  waffnend  stählet. 


454 


20. 

M  annesmut  h. 

Das  Schicksal  wohl  den  Menschen  löst  und  bindet, 
Doch  wessen  Busen  Mannesinuth  empfindet, 
Zur  Reife  seine  Frucht  entschlossen  bringet, 
Eh'  ihn  zu  überraschen  ihm  gelinget. 

Was  aus  der  Zukunft  für  ihn  los  sich  windet, 

Ihm  leise  Ahndung  innerlich  verkündet, 

Er  kennt,  was  ihm  den  Grund  der  Brust  durchdringet, 

Und  weiss,  wie  Faden  sich  in  Faden  schlinget. 

Dann  fasset  ihn  ein  mächtiges  Verlangen, 

Die  Knoten  zu  zerhaun,  die  sonst  ihn  bänden  ; 

Er  greifet  ein  mit  unverzagten  Händen, 

Und  giebt  die  Richtung,  statt  sie  zu  empfangen. 
Denn  wie  des  Schicksals  Keim  der  Brust  entspriesset, 
So  auch  die  reife  Frucht  er  in  sie  schliesset. 


455 


21. 

Der     Gymnast. 

Ich  liebe  nicht  die  buntgemischte  Menge, 
Die  mich  umstellt  in  wogendem  Gedränge, 
Ihr  lauter  Beifall  giebt  mir  keine  Freude, 
Und  ihrem  Blick  ich  zu  begegnen  meide. 

Allein  die  Glieder  ich,  gestaltend,  zwange, 
Sie  rollend  bald,  bald  dehnend  in  die  Länge; 
Denn  ich  von  des  Berufes  Pflicht  nicht  scheide, 
Und  noch  mein  Leid  mit  Heiterkeit  umkleide. 

Wenn  dann,  nach  der  bestaudnen  Abendschwüle, 
Ich  mich  in  stiller  Kammer  ruhig  fühle, 
Erfreu'  ich  mich  am  treu  geübten  Willen. 

Doch  würdig  ist  nur,  was  aus  ihm  entspringet, 

Was  sonst  die  Brust  mit  Lust  und  Schmerz  durchdringet, 

Sind  süss  und  eigen  nur  Empfindungsgrillen. 


456 


22. 

Bescheidenes    Glück. 

Nur  schlicht  gekämmt  ich  trage  meine  Haare, 
Und  auf  den  Scheitel  sie  zusammen   binde, 
Und  ausser  meinem  dunklen  Flechtenpaare, 
Gefallen  nicht  an  andrem  Schmucke  finde. 

So  meiner  Jugend  bald  verschwundne  Jahre 
In  emsgem  Fleisse  ab  ich  willig  winde, 
Und  wenn   ich  Unmuth  je  in  mir  gewahre, 
Scheit'  ich  mich  hart,  und  acht'  es  mir  für  Sünde. 

Man   kann  die  Sorge  aus  dem  Sinn  sich  schlagen, 
Als  leichte  Last  auch  saure  Bürde  tragen, 
Und   aus  verborgen  unerkannten  Freuden 

Sich  einen  Kranz  geliebter  Blüthen  flechten, 
Der  sanft  umschmiegt  des  Busens  bittres  Leiden, 
Und  nicht  erlaubt,  mit  dem  Geschick  zu  rechten. 


457 


23. 

Die    Schönheit. 

Die  Schönheit  ist  der  Menschheit  höchste  Blüthe; 
Wenn  sie,  wie   Hauch,  nur  die  Gestalt  umschwebet, 
Gediegen  sie  hervor  doch  sinnig  strebet 
Aus  dein  von  ihr  durchstrahleten  Gemüthe. 

Verein  von  Geiste,  Reinheit,  Seelengüte 

Ein  irdisch  reich  beglückend  Dasein  webet, 

Doch  wo  die  Allgewalt  der  Schönheit  lebet, 

Ist's,  als  wenn  Strahl  dem  Himmel  selbst  entsprühte. 

Sie  fasst  in  Eine  Knospe  fest  zusammen, 
Worin  sich  Erd'  und   Himmel  hold  umschlingen, 
Und  sendet  ihre  ätherreinen  Flammen, 

Dass  in  die  tiefste  Brust  sie  lodernd  dringen, 
Und  sie,  befreit  von  dumpfem  Erdenmühen, 
Zu  freiem  Aufschwung  kräftigend,  durchglühen. 


458 


24. 

Gedanke   und  Gefühl. 

Wie  Wasser  rieseln  aus  der  Erde  Schlünden, 
So  die  Gedanken  tief  der  Brust  entquillen, 
Und  dann  das  lange  Menschen-Leben  füllen, 
Bis  sie  in  mächtgen  Thaten  Ausgang  finden. 

Wie  innerlich  Vulkane  sich  entzünden, 
Braust  der  Gefühle  Glühen,  schwer  zu  stillen, 
Bis  sie,  gehändiget  durch  starken  Willen, 
Sich  durch  der  Pflichten  Gleise  lnühvoll  winden. 

Denn  das,  was  Mensch  und  Erde  in  sich  schliessen, 
Doch  her  von  einerlei  Natur  nur  stammet. 
Der  Woge,  die  krystallrein  hoch  sich  bäumet, 

Das  Funkeln  des  Gedankenlichts  entschäumet, 
Wie  Feuer  lodernd  das  Gefühl  aufflammet, 
Und  beide  aus  vom  Staub  den  Himmel  grüssen. 


459 


Des  Dichters   Geist. 

Wenn  heitre  Bläue  ganz  den   Himmel  decket, 
Kein  leichtes  Wölkchen  sich  hochschwimmend  zeiget, 
Dann  Flock'  auf  Flocke,  wie  aus  nichts,  aufsteiget, 
Zusammenfliesst,  und  bald  weit  hin  sich  strecket; 

So  Dichters  Geist  jungfräulich  unbeflecket 
Ist,  eh'  Begeistrung  sich  zu  ihm  neiget, 
In  Worte  der  Gedanke  sich  verzweiget, 
Und  die  Bewunderung  der  Hörer  wecket. 

Allein  der  Dichter  seiger  schwelgt  entzücket 
In  der  noch  ungescliiediien  Biklerfülle, 
Eh'  losgerissen  eines  er  erblicket, 

Umdämmert  von  des  Lautes  Nebelhülle. 

Denn  was  aus   ihm  emporspriesst,  nie  ihm  gniiget, 

Ein  schwacher  Abglanz  dess,  was  in  ihm  lieget. 


460 


26. 

Gegebenes   Maafs. 

Das  .Meer  nicht  immer  bleibt  in  gleichem  Stande, 
Doch  kann  gegebnes  Maafs  nicht  überschweifen. 
Scheint  noch  so  stark  die  Welle  auszngreifen, 
Sie  kehrt  zurück  vor  nichts  in  ebnen  Sande. 

So  halten  auch  uns  unsichtbare  Bande 

Des  Schicksals  Wechsel  und  der  Kräfte  Reifen; 

Nur  wenig  übers  Maafs  hinüber  streifen 

Kann  man,  der  Becher  füllt  sich  nor  zum  Rande. 

Denn  in  der  Götter  unbesiegbar'n  Händen 

Das  Richtscheit  ruhet  und  des  Wagens  Schaale; 

Und  was  bestimmt  wird  hoch  im  Göttersaale, 

Muss  hier  der  Mensch,  woll'   er  auch  nicht,  vollenden. 
Mag  in  den  Styx  ihn  gleich  die  Mutter  tauchen, 
Die  grosse  Seele  muss  Achill  verhauchen. 


461 


27. 

Zwiefache  Richtung. 

Was  immer  auch  im  Menschen  spriesst  und  blühet, 
Zwei  Richtungen  zugleich  entgegenstrebet, 
Wie  sich   der  Zweig  frei  in  die  Luft  erhebet, 
Die  Wurzel  an  die  Nacht  des  Bodens  ziehet. 

Doch  nicht,  was  in  dem  Menschen  luftig  glühet, 
In  seiner  reinsten  Geistigkeit  auch  lebet, 
Was  tief  sich  in  den  Schofs  der  Brust  verwebet 
Aus  seiner  Nacht  zum  Himmel  Funken  sprühet. 

Er  kann  nicht  hindern  dies  zwiefache  Spriessen 
Zu  Weltgetiimmel  und  zu  Sinnenlulle, 
Und  in  die  farblos  dichtgewebte  Hülle, 

Wo  der  Gedanke  liebt  sich  einzuschliessen  ; 
Nur  wehren  muss  er,  dass  der  Wurzel  Stille 
Nicht  störe  üpp'ges  in  die  Zweige  Schiessen. 


462 


28. 

Der  Stier  im  Joch. 

Gezwungen  Tag  um  Tag  zum  sauren  Frühnen, 
Der  Stier  den  Pflug,  ins  Joch  gespannet,  ziehet, 
Und  ihm  kein  andres  Schicksal  jemals  blühet, 
Als  unter  harter  Arbeitslast  zu  stöhnen. 

Dem  Stachel  muss  die  Seiten  er  gewöhnen, 
Geduldig  unter  ihm  er  mehr  sich  mühet; 
Wie  auch  im  starken  Nacken  Sträuhen  glühet, 
Muss  er  sich  doch  mit  seinem  Loos  versöhnen. 

^  ie  um  sein  Ackerstück  der  Himmel  lieget, 
L  inwölbend  stets  im  gleichen  Kreis  die  Erde, 
Ist  er  gefangen  in  denselben  Schranken. 

W  ie  Epheuzweige  dürren  Stamm  umranken, 

Rankt  sich  sein  Lehen  um  des  Diensts  Beschwerde, 

Bis  Müh   und  Alter  ihn  der  Grube  füget. 


463 


29. 

Das    Pferd. 

Das  Ross  des  Schlachtgetümmels  Schaaren  zieret, 
Und  tlieilet  die  Gefahr  im  edlen  Streite, 
Es  streckt  im  Lauf  die  sclilankgedehnte  Seite, 
Der  Boden  dröhnt,  wenn  ihn  sein  Huf  berühret. 

Ein  Lehen  es,  gefangen,  knechtisch  führet, 
Verwehrt  ist,  his  es  wird  des  Todes  Beute, 
Ihm,  dass  sein  Wille  seine  Schritte  leite, 
Und  niemals  es  der  Fesseln  Zwang  verlieret. 

Doch  sich  zum  Stolze  hat  es  umgeschaffen 
Den  Zaum,  an  dem  es  herrisch  wird  gelenket, 
Die  Knechtschaft  in  sein  Wesen  tief  gesenket. 

So  freut  es  sich,  die  Glieder  anzustraffen  ; 

Der  Stier  gieht  sträubend  nach  dem  starkern  .Zwange, 

Das  Ross  umgliinzt  er,  dass  es  schöner  prange. 


464 


30. 

Das  Verstummen. 

Wenn  theures  Haupt  wird  durch  den  Tod  entführet, 
Was  da  das  Herz  mit  tiefrein  Schmerze  rühret, 
Dass  nicht  die  Stimme  mehr  das  Ohr  entzücket? 
Das  Auge  die  Gestalt  nicht  mehr  erblicket? 

Der  Sehnsucht  Glut  die  Stimme  heftger  schüret, 
Und  nie  der  Ton  dem  Ohre  sich   verlieret. 
Ist  er,  verstummt,  auch  lange  ihm  entrücket, 
Erinn'rung  aus  dem  Grab  herauf  ihn  schicket. 

Er  ist  der  Seele  eigentliches  Lehen, 
Und  wieder  in  der  Seele  Tiefen  dringet, 
Und  was  geheimnissvoller  Schleier  decket, 

Zu  neuem,  wonnevollen  Dasein  wecket. 

O  macht'  in  stiller  Nacht  er,  leis  beschwinget, 

Her  mir  von  unsichtbarer  Lipp'  auch  beben. 


465 


31. 

Das  Verschwinden. 

Doch  sehnsuchtsvoll  nach  dem  geliebten  Bilde 
Das  Herz  sucht  wieder  dann  in  andren  Stunden, 
Und  glaubt  zu  heilen  seine  tiefen  Wunden, 
Kehrt'  es  nur  einmal  in  des  Lichts  Gefilde. 

Der  seelenvollen  Züge  Engelsmilde 

Liefs  sonst  von  jedem  Leid  es  gleich  gesunden  ; 

Nun  ist  auf  ewig  sie  dahin  geschwunden, 

Dient  ihm  nicht  mehr  zum  sichren  Lebensschilde. 

Wenn  auch  die  Lippen  waren  fest  geschlossen, 
Drang  doch  der  Blick   mit  süsser  Himmelswonne 
Tief  in  die  Brust,  und  wie  von  Frühlingssonne 

Sich  seine  Strahlen  über  sie  ergossen. 
Denn  in  der  sprachlosen  Gefühle  Schwünge 
Von  selbst  verstummete  beschämt  die  Zunge. 


vu.  30 


466 


32. 

R  ä  t  h  s  e  1. 

I. 

Zum  Tempel  führen  luftge  Säulenhallen, 

Und  am  Altare  fromm  geschworne  Treue 

Und  Fleifs,  dess  sich  der  Wuchs  der  Saaten  freue, 

Fern  lassen  mich  nach  Hellas  Trümmern  wallen. 

Vom  Norden  her  mir  Lockungstöne  schallen, 
Nach  Asiens  Gluten  drängt  mich  Pilgerreue, 
Und  dass  sich  meiner  Tage  Lenz  erneue, 
Mir  Pflug  und  Ring  zum  Lebensloose  fallen. 

Dann  weit  von  den  gewohnten  Menschentritten 
Thron'  ich  in  bunt  vermischter  Völkermenge 
Im  Eiland,  das  die  Phantasie  erstritten. 

Doch  bald  entzogen  wieder  dem  Gedränge, 
Wird  mir,  was  ich  genossen  und  gelitten, 
Zum  Traum  in  schroffer  Felsen  Thaiesenge. 


467 


33. 


il 


Wie  Kastor  sicli  und  Polydeukes  gleichen, 

Wenn  durch  die  Himmel,  Ross  an  Ross,  sie  sprengen, 

Wo  sich  der  Sterngebilde  goldne  Zeichen 

Wie  Winterabendhimmel  glänzend  drangen; 

So  wenn  die  Sterne  vor  der  Sonne  bleichen, 
In  heiteren  und  sauren  Lebensgängen 
Nicht  von  einander  unsre  Mütter  weichen, 
Begleitend  wechselsweis  sich  mit  Gesängen. 

Denn  diesen  süssen  Zwillingsmelodieen 
Sah  leuchtend  uns  derselbe  Tag  entglühen, 
Wie  Funken  nächtlich  von  den  Sternen  sprühen. 

Ein  Räthsel  ist  dem  Hörer  vorgeleget, 
Und  nach  der  Losung  er  vergebens  fraget, 
Da,  der  nicht  ist  mehr,  sie  verborgen  traget. 


30' 


468 


34. 


Dir  war  der  Sturm  der  Leidenschaften  lieber, 
Als  Wehmuthsschweigen  tief  im  stillen  Herzen, 
Dein  Wesen  trieb  dich  in  ihr  kochend  Fieber, 
Und  sandte  dir  verzehrend  ihre  Schmerzen. 

Allein  die  Leidenschaft,  die  trüb'  und  trüber 
Kann  auch  des  Busens  reinen  Himmel  schwarzen, 
Doch  läuternd  geht  ins  ganze  Dasein  über, 
Wie  Glut  die  Schlacke  löst  von  edlen  Erzen, 

Sie  war  dir  fremd;  bald  stürmend,  bald  beklommen, 
Bist  nie  zum  Seeleneinklans  du  gekommen, 
Der  die  erhabensten  der  Frauen  schmücket. 

Viel  konntest  denkend,  fühlend  du  erringen, 
Doch  nie  dich  auf  zu  ihrer  Grösse  schwingen, 
Nie  hat  dich  ihre  Götterruh'  erquicket. 


469 


35. 


Der    Traum. 

Man  klagt,  dass  reizerfüllte  Traumgestalten 
Sich  beim  Erwachen  lassen  fest  niclit  halten, 
Dass  sie  den  Sinnen  wesenlos  entfliehen, 
Wie  Nebelstreifen  durchs  Gebirge  ziehen. 

Allein  sie  haften  in  des  Herzens  Falten, 
Und  die  Empfindung  lässt  sie  nicht  erkalten 5 
Auch  in  dem  Reich  der  Phantasie  sie  glühen, 
Und  leuchtend  der  Erinn'rung  Funken  sprühen. 

Als  Kind  sah  ich  ein  lieblich  Haupt  mir  nicken, 
Aus  hoffem  Fenster  huldreich  auf  mich  blicken. 
War  es  das  Bild,  das  ewig  mit  mir  lebet, 

Hat  es  im  Traum  mir  ahndend  vorgeschwebet, 
Wie  sich  der  Sonne  Strahlenscheibe  zeiget, 
Eh'  selbst  durch  Morgenthor  empor  sie  steiget? 


470 


36. 

Sehnsucht  der  Liebe. 

Die  Nacht  des  Todes  aus  vom  Körper  gehet, 
Wenn,  der  ihn  hält  als  Wohnung  der  Gedanken, 
Der  Einklang,  nicht  harmonisch  mehr  bestehet, 
Und  jeder  Urstoff  tritt  aus  seinen  Schranken. 

Die  Seele,  wenn  ihr  Himmels  Hauch  gleich  wehet, 
Und  wenn  sie,  ohne  irclisch  schwaches  Wanken, 
Sehnsüchtig  nach  dem  ew'gen  Licht  sich  drehet, 
Will  still  doch  den  Gefährten  treu  umranken, 

Der  sie  des  Lebens  Laufbahn  hat  geführet, 
Und  ihrer  Kräfte  Glühen  oft  geschüret.  * 

Doch  nun,  was  soll  die  Einsame  umfassen? 

Sie  kann  der  Liebe  Sehnsucht  nur  vertrauen, 
Und  auf  die  tiefgefühlte  Wahrheit  bauen, 
Dass  sich  verwandte  Geister  nicht  verlassen. 


471 


37. 

T  h  e  k  1  a. 

Nicht  Dolche  durch  die  zarte  Brust  ihr  drangen, 
Nicht  Becher,  giftgefüllt,  hat  sie  geleeret, 
Ihr  Leben  hat  nicht  langsam  Gram  verzehret, 
Kühn  ist  sie  dem  Geliebten  nachgegangen. 

Wenn  alle  Kräfte,  sehnend,  Tod  verlangen, 
Das  höchste  Leben  aus  sich  Tod  gebaret, 
Und  die  Natur  zu  sprengen  dann  nicht  wehret 
Des  Lebens  Fessel  durch  der  Seele  Bangen. 

Sie  will  noch  einmal  liebend  den  umarmen, 
An  dem  nicht  mehr  kann  ihre  Brust  erwarmen, 
Und  sterben  dann  im  letzten  langen  Kusse, 

Das  Schicksal  seiner  treuen  Schaaren  theilen, 
Wohin  er  ging,  an  gleicher  Stätte  weilen, 
Sei's  in  Vernichtung,  sei's  im  Vollgenusse. 


472 


38. 

Das  Schweigen. 

In  Kloster  lebt'  ich  viele  lange  Jahre, 
Wo  nie  den  Lippen  dürft  ein  Wort  entfliehen, 
In  sich  man  Schmerz  und  Freude  musste  ziehen, 
Dass  man  dem  Ohre  lästgen  Laut  erspare. 

Da  bleichten  mir  der  Scheitel  Silberhaare, 
Doch  tiefes  Denken,  reifer  Sinn  gediehen; 
Darum  in  heitrer  Lust  und  Tages-Mühen 
Ich  tiefes  Schweigen  gern  auch  jetzt  bewahre. 

Die  Sterne  ja  gehn  ihre  goldnen  Bahnen, 
Auch  schweigend  in  des  Aethers  stillen  Wegen, 
Und  uns  das  Innerste  der  Brust  doch  regen, 

Weil  sie  an  überirdisch  Licht  uns  mahnen. 
Im  tiefsten  Senken,  wie  im  höchsten  Schwünge 
Des  Geist's  fühlt  fremd  dem  Busen  sich  die  Zunge. 


473 


39. 

Mitleid. 

Medea  stehet  hoch  im  Drachenwagen, 

Und  raubt  aus  Gattenhass  der  Kinder  Leben, 

Die  Mutferanne  unnatürlich  streben, 

Die  Wunde  in  das  tiefe  Herz  zu  schlagen. 

Johannes  Haupt  sieht  man  die  Jungfrau  tragen, 
Und  ihre  Glieder  nicht  vor  Schauder  beben; 
Des  Greises  Blicke  Tod  und  Nacht  umschweben, 
In  ihren  glänzt  frohsinniges  Behagen. 

In  Stein  sind  diese  Bilder  ausgehauen, 
Und  Menschen  freuen  sich  sie  anzuschauen; 
Was  ist's,  das  hin  zu  Gräuelthaten  ziehet? 

Das  Mitleid  ist  es,  das  das  Herz  durchglühet, 

Und  im  gespensterartig  finstern  Grauen 

Noch  sanft  wie  Blume  süsser  Wehmuth  blühet. 


474 


40. 

D  a  m  o  k  1  e  s. 

Das  Schwert  am  Faden  überm  Haupte  hänget 
Des  Gasts  am  iipp'gen  Tische  des  Tyrannen, 
Dass  aus  der  Brust  er  nicht  die  Furcht  kann  bannen 
In  der  Gefahr,  die  sich  dem  Blick  aufdränget. 

Mir  grössre  Bangigkeit  den  Busen  enget, 
Von  der  mit  Müh'  ich  kaum  mich  kann  ermannen; 
Des  Schicksals  Mächte  Wolke  mir  ersannen, 
Mit  Blitzen  schwanger,  deren  Strahl  versenget. 

Die  Wolke  nicht  am  hohen  Himmel  schwebet, 
Ihn  furcht'  ich  nicht,  wie  er  auch  dunkel  scheine; 
Die  glühnde  Wolke  in  mir  seihst  ich  meine. 

Was  ihr  entschiesset,  kann  ich  nicht  besiegen, 

Und  unter  ihm  verdorrt  bleibt  öde  liegen, 

Was  frisch  nach  That  sonst  und  Gedanken  strebet. 


475 


41. 

Des  Herrschers   Glanz. 

Des  Herrschers  Glanz,  wie  Sonnenstrahl,  nie  bleichet, 
Er  sich  ergeht  in  Marmor-Säulengängen, 
Nie  über  seinem  Haupte  Wolken  hängen, 
Der  zartste  Duft  vor  seinem  Hauche  weichet. 

Der  Grösse  Gipfel  hat  er  voll  erreichet. 
Die  Völker  des  Pallastes  Thor  umdrängen, 
Die  Riesentreppen  ihre  Züge  engen, 
Und  schimmerlos  kein  Augenblick  verstreichet. 

Er  weiss  nicht,  wie  sich  Glück  und  Unglück  gatten, 
Er  kennet  keines  Dinges  Erdenschatten. 
Wie,  denen  überm  Haupt  die  Sonne  stehet, 

Nach  keiner  Seite  können  Schatten  schlagen, 

Giebt  es  nicht  Nacht  für  ihn,  noch  dämmernd  Tagen, 

Yon  wandellosem  Licht  umhüllt,  er  gehet. 


476 


42. 

Das    Diadem. 

0,  dieses  Band  die  Schläfe  mir  versenget! 
Mich  von  des  Todes  Macht  es  zwar  enthindet, 
Doch  mich  ins  Lehen  fahl'  ich  eingeenget, 
Aus  dem  mein  Fuss  mehr  keinen  Ausgang  findet. 

"Wie  sich  der  Anblick  offner  See  verlänget, 
Wo  Hoffnung  fern  gelegner  Küste  schwindet, 
Mich  in  der  Tage   Fluth  einförmig  zwänget 
Unsterblichkeit,  die  "Wechsel  nie  verkündet. 

Die  Sterne  lieblich  wohl  am  Himmel  blinken, 
Doch  müssen  ladend  sie  hernieder  winken, 
Die  Brust  umsonst  nach  ihnen  nicht  verlangen, 

Sonst  hält  das  Licht  mehr,  als  das  Grab,  gefangen. 
Denn,  wenn  der  Erde  Schoofs  versöhnend  kühlet, 
Das  Leben  oft  mit  Schmerz  die  Brust  durchwühlet. 


477 


43. 

Die  Seelenwanderung. 

Als  Papagei  sitz  ich  beglückt  im  Zimmer 
Suminda's,  die  mein  Herz  im  Stillen  liebet, 
Und  meiner  Federn  reicher  Farbenscliimmer 
Dem  süssen  Mädchen  Augenweide  giebet. 

Ein  Jüngling  war  ich,  doch  erhöret  nimmer 
Von  der,  die  gegen  Menschen  Härte  übet, 
Da  sie  nicht  achtete  mein  Klaggewimmer, 
Sank  ich  ins  Grab,  in  Liebe  tief  hetrübet. 

Jetzt  mich:  ich  liebe  Dich!  sie  sagen  lehret 

Zwar  weiss  ich,  dass  sie  nicht  für  mich  es  meinet, 

Doch  süss  der  Ton  von  ihr  mir  wiederkehret, 

Und  wonniglich  so  mich  mit  ihr  vereinet. 
Darf  ich  in  meiner  Liebe  heissem  Brennen 
Ich  liebe  Dich!   doch  ewig  ihr  bekennen. 


478 


44. 

Venus. 

Aus  Schaum  bist,  Venus,  du  hervorgegangen, 
Der  auf  des  Meeres  lichter  Welle  sprühet: 
So  unentwickeltem  Gefühl  erblühet 
Der  Liehe  zart  aufkeimendes  Verlangen, 

Der  Busen  fühlet  plötzlich  sich  gefangen, 
Doch  weiss  zu  nennen  nicht,  was  an  ihn  ziehet, 
Denn  der  Gedanke  und  die  Sprache  fliehet, 
Wenn  dieser  innern  Stimme  Töne  klangen. 

Erst  in  des  ruhigen  Besitzes  Stunden 
Wenn  das  Gefühl  hat  klar  sich  losgewunden 
Versunken  nicht  mehr  in  dem  wachen  Traume, 

Entfaltet  es  sich  gleich  des  Himmels  Räume, 
Und  aus  der  Nacht,  in  die  es  sich  verloren, 
Hebt  sich  ein  Götterbild  wie  neu  gehören. 


479 


45. 


Mars. 


Ich  liebe  kein  olympisches  Gebilde 
So  sehr  als,  ruh'ger  Kriegsgott,  deine  Züge. 
Du  trägst  die  Spur  der  grofserkämpften  Siege 
Nur  in  erhabner  Stille  Göttermilde. 

Du  gern  durchwandelst  Paphos  Lustgefilde; 
Doch  sind  sie  dir  nicht  eitler  Träume  Wiege, 
Und  gegen  Amors  flatterhafte  Lüge 
Dient  dir  der  Ernst  der  Stirn  zum  sichern  Schilde. 


Als   Griechengeist  sich  in  geweihter  Stunde 
Auf  tieferforschter  Wahrheit  festem  Grunde 
Mit  kühnem  Fluge  hatt'  emporgeschwungen, 


Wo  Grösse  steht  mit  Reiz  in  treuem  Bunde 

Und  Menschlichkeit  von  Gottheit  wird  durchdrungen, 

War  edlem  Meissel  dieses  Bild  gelungen. 


480 


46. 


L    e    t    o. 

Orion  die  Titania  will  bezwingen, 
Gereizt  von  ilirer  Schönheit  Strahlenfülle, 
Doch  fern  ihn  hält  gebieterisch  ilir  Wille, 
Und  ihm  ins  Herz  der  Kinder  Pfeile  dringen. 

Denn  Artemis  und  Phübus  Blitze  schwingen 
Sich  frei  hin  durch  die  wüste  Aetlierstille, 
Und  keiner  Wolkendecke  finstre  Hülle 
Hemmt  je  ihr  fernhertreffendes  Vollbringen. 

So  zwiefach  Leto's  grosses  Herz  sich  freuet, 
Dass  sie  der  Frevler  nicht  in  Schmach  gebettet, 
Und  sie  der  Kinder  Wachsamkeit  gerettet, 

Die  Schutz  der  hohen  Göttermutter  leihet. 
Den  Armen  hatte  Liebe  irrgeführet, 
Doch  Mitleid  keiner  Göttin  Busen  rühret. 


481 


47. 

S  i  s  y  ])  h  u  s. 

Den  Stein  zu  wälzen,  der  entdonnernd  weichet, 
Verdammt  ist  Sisyphus  vom  Qnalgeschicke; 
Doch  in  des  Sturzes  freulos  arger  Tücke 
Der  Ruhm  des  Menschen  jenem  Marmor  gleichet. 

Wenn  nicht  die  Starke  his  zum  Grab  ausreichet, 
Zu  ringen,  dass  man  steigend  ihn  erhlicke, 
Wenn  Schwache  bleibt  im  Leben,  oder  Lücke, 
Der  Sternenkran/  der  Heldenstirn  erbleichet. 

Denn  in  des  Geists  ätherischen  Gefilden 

Erhalten   ist  ein  ewig  neues  Bilden, 

Und  kein  Besitz  ein  ruhend  liegen  Lassen: 

Was  in  die  Luft  nicht  eitel  soll  zerstieben, 
Muss  rasche  Thatkraft  immer  neu  erfassen, 
Von  hebender  Begeistrung  angetrieben. 


vu,  31 


482 


4S. 

Hollas. 

Zwei  Dinge  Hellas  Phantasie- Gestalten 

So  tiefen  Reiz  für  alle  Zeiten  geben  : 

Der  Charitinnen  ewig  zartes  Walten 

Und  Nemesis'  nach  strengem  Maafse  Streben. 

In  feinen  Linien  sie  die  Grunzen  halten, 
In  denen  hin  und  wieder  schwankt  das  Leben. 
Die  Menschen  bänd'gen  der  Natur  Gewalten, 
Und  edle  Scheu  macht  Götterbrust  auch  beben. 

Am  Indus  und  am  Ganges  sieht  man  schwellen 
Der  Rede  Macht,  wie  ihrer  Strömung  Wellen, 
Aus  grauem  Alterthum  hervor  sich   giessen, 

Aus  Dichterbildern  Weisheits-Sprüche  spriessen; 
Allein  des  Herzens  Sehnsucht  tief  nur  stillet 
Der  Thau,  der  Griechenlippen  sanft  entquillet. 


483 


49. 

Die    R  ö  m  e  r. 

Dass  sich   der  Menschheit  Schicksal  wölbend  baue, 

Gesell  äffen  ward  des  Römervolkes  Sitte, 

Dass  pfeilerähnlich  stehend  in  der  Mitte, 

W  ie  Ja  nus,  es  nach  vorn   und  rückwärts  schaue. 

Ein  Fels,  an  dem  des  Meeres  Wuth  sich  staue, 
Wich  es  dem  Trotz  nie,  selten  flehnder  Bitte, 
Lind   vorwärts  schritt  mit  nie  gehemmtem  Schritte, 
Nicht  achtend,  dass  den  Fuss  ihm  Blut  umthaue. 

Der  Kunst  und  Dichtung  schöpferischen   Funken 
Nicht  zeugte  seine  Brust,  begeistrungtrunkeu, 
Die   Hari'en-Töne  seiner  Dichter  hallten 

Nur  nach  den   vollem,  die  von   Hellas   schallten. 
Nur  auf  des  Völker -Thrones   ehrnen  Stufen 
Zu  herrschen  einzig,  fühlt  es  sich  berufen. 


484 


50. 

Die    R  ö  m  e  r  i  n. 

Das  Römermädchen  fliclit  zum  Knauf  die  Haare, 
Und  steckt  mit  langer  Nadel  sie  zusammen, 
Den  Sitten  treu,  die  von  den  Vätern  stammen 
Durch  langgedehnte  Reihe  grauer  Jahre. 

• 
Der  Jüngling  fest  die  Treue  ihr  bewahre; 
Wenn  ihre  Augen  erst  in  Thränen  schwammen, 
Entlodern  ihrer  innren  Gluten  Flammen, 
Dass  sie  ihm   nicht  der  Nadel  Wunde  spare. 

Denn  Liebe  nahe  ist  dem  Tod  verbunden, 
Da  sich  in  sie  das  ganze  Dasein  schlinget. 
Wenn  sie  das  vollste   Glück  der  Brust  gegeben, 

Was  soll   dem  Glücklichen  das  schaah:  Leben? 
Wenn  sie  zur  kühnsten   Höhe  still  sich   schwinget, 
Ist  unter  ihr  die  Erde  schon  verschwunden. 


485 


51. 

W  a  h  r  e     G  1  ö  f  s  e. 

Wer  nie  die  Trockenheit  des  Lebens  fliehet, 
Phantastisch  nicht  mit  luftgen  Bildern  spielet, 
Die  aus  sich  seihst  er  sinnig  wehend  ziehet, 
Der  doch  des  Menschen  Dasein  hall)  nur  fühlet. 

Ihm   nicht  der  Gluten  zarter  Funken   sprühet, 

Der  lodernd   Sehnsucht  weckt   und  Sehnsucht   kühlet; 

Er  mit  den  Lasten  sich   des  Lehens  mühet, 

Lïnd  in   dem  harten  Stoff  der  Dinge  wühlet. 

Doch  kann  er  bieder,  wahr,  gerecht,  gediegen, 
Durch  jede  Tugendühung  mächtig,  siegen. 
Bewundernd  ihn   der  Ruhm  der  .Menue  nennet; 

Wer  tiefer  schaut,  \on  Grol'sem  Gröl'sres  trennet. 
So  wärest  du,  den  ich  geehrt  mit  Schweigen, 
Doch  \or  dem  nie  mein  Geist  sich  konnte  beugen. 


486 


52. 

Macht   der  Liebe. 

Der  Mensch  wohl  sinnt  und  regt  sich  in   Gedanken, 
Und  setzet  seinem  Forschen  keine  Schranken; 
Bis  an  des   Weltalls  Grenze  möcht'  er  dringen, 
Und  tausend  Dinge  vor  die  Seele  bringen. 

Doch  wenn  er  Liehe  fühlt  die  Brust  umranken, 
Auf  einmal  alle  tausend  Dinge  schwanken, 
Er  fühlt  nur  Eins,  kann  nur  nach  Einem  ringen, 
Nur  das  geliebte  Bild  im  Geist  umschlingen. 

Und  diese  dicht  verschlossne  Blüten  -  Fülle, 
Die  nichts  entfaltet  aus  der  zarten   Hülle, 
Das  Höchste  ist,  v\as  Menschensein  erstrebet; 

'S  on   dem,  was  des  Gemüthes  heiige  Stille 
Da  in  geheimer  Ahndung  tief  durchhebet, 
Der  Mensch  his  zu  des  Grabes  Rande  leitet. 


487 


53. 

Abschied   vom  Meer. 

Auf  ewig:  lebe  wohl!  ich  dir  nun  sage, 
Geliebtes  Meer,  du  rollst  die  stolzen  Wellen 
Fort  aus  den  ewig  unversiegbarn  Quellen, 
Ich  weit  von  dir  beschliesse  meine  Tage. 

Das  Schicksal  wäget  mit  gerechter  Wage; 
Ich  sähe  Liebe  meinen  Pfad  erhellen, 
Ich  fühl'  Erinnrung  meinen  Busen  schwellen, 
Und  fern  ist  meinen  Lippen  jede  Klage. 

Ein  Tag,  der  sich  in  ewger  Klarheit  dehnet, 
Kein  tief  empfindend  Herz  mit  Lust  erfüllet, 
Es  nach  der  Stille  auch  der  Nacht  sich  sehnet, 

Und  freudig  sich  in  ihre  Schleier  hüllet. 
Das  JMeer  sich  meinem  Blicke  jetzt  entwindet, 
Bald  auch  in  Dunkel  ihm  die  Erde  schwindet. 


488 


54. 

Des  Jenseits  Schleier. 

Wenn  sanft  der  Klage  wehmutsvolle  Leier 
Ertönet  an  geliebter  Todtenfeier, 
Man  auf  der  unsichtbaren  Gränze  schwebet, 
Wo  in  den  Tod  hinab  das  Leben  bebet. 

Man  sucht  zu  lüften  den  geheimen  Schleier, 
Der  dicht  umhüllet,  was  dem  Herzen  theuer; 
Doch  undurchdringlich  wie  er  ist  gewebet. 
Durchblickt  ihn  keiner  der,  noch  athmend.  lebet. 

Nie  kann   vom   Leben  aus  den  Tod  man  schauen, 
Man  fühlet  wohl  es  stufenweis  verschwinden, 
Doch  mit  dem  Tod  reisst  der  Besinnung  Faden. 

Wird  aus  vom  Tod  ins  Leben  Dammrung  grauen, 
Wird  rückwärts  sich  der  Blick  erkennend  finden, 
Wenn  ihn  die  Tlminen  der  Verlassnen  laden? 


Druck  von  Georg  Reimer  in  Berlin. 


0 


HUT     C   J    I3UO 


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AC 

35 

H85 

1841 

V.7 

Cl 

ROBA