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La ry nada, Rhinologi :
und ihre. Grenzgebiete..
pet, ständiger Mitarbeit. der —
Hofrat Prof. ©. Chiari Wien, Professor’ Bir. Citelli-Cotinia, Professor. Friedrieh- Kiel, Sub?
Gerber-Konigsherg, Gel. San.-Rst Prof. Gluck-Berlin; Or, Qoris-Brüssel, San- Rat Gras foe:
Berlin, Dr. Guthbrie-Liverpoof, Prot, Gotrmsna-Berliti, Privatdozeni Hajek-Wien, Professer
Herxheimer- Wiesbaden, Gel, San.-Rat Professor PY Hermano. Berlin, Dherarzt Dr. Richárd |
Hoffmtanp-Dresden, Or. laihofer-Prug, Professor Jurasz-Lemberg, Professor: Kan-Leiden,. `
Dr: Katz-Kaiserslautern, Dr. Kronenberg-Solingen, Geb, Med -Rat Kubat Bonn, Professor:
LindeBern, Dr. Lnc-Peris, Dr, Emil Mayer-New York, Dr. Jörgen: Mötter-Kopenhagen, F
Professor Nenmayer-München, Hofrat Professor vor Mowrden- Wien, Professor Dr. Ünodi-
Budanesr Primararzt Dr, L. Polyak-Budapesi, Professor Dr. H- Prevsing-Kó5in, Hofrat Prob.
SAFRI Primararzt. Alfr. von Sokalawski-Warschau, Prof. Starck- ‘Karlsruhe, SE von i
= Stein: Moskau, Professor. pr. St. Glait: Thornson- ‘Leadon. — eur *
Herausgegeben von Dr. Felix Blumenfeld (Wiesbaden).
“Band IL
Mir s a Tatala und KL See im HIR
: 2 Würzburg. Wal
Curt Kavitesch Zä. Sinber' s Verlag
= amu. x Don
Citelli, Yatibation- und Tassen
Hoffmann,
Imhofer, Rezidive nach Adenotomie
Iwanoff, Über die Stimme Laryngo-
Personalia
Mitteilungen
Inhalt des Ill. Bandes.
Originalarbeiten.
Seite
Avellis, Notiz über gebrauchsfertige
Anwendungsformen von Neben-
nierensubstanzen in der Rhinologie 729
Avellis, Ehrlich-Hata in der TOES
logischen Praxis . 495
Blumenfeld, Zur pithaloetschen Ana:
tomie der Stimmlippe. Mit Tafel
XIII— XV und 6 nn im
Teat ey . 225
Buraek, Zur Kasuistik de Kompli-
kátionen nach Adeno- und Tonsillo-
tomien . . 477
der
. 231
bei akuten EN
Kinder .
Cohn, Die oberen ‘Taliwese bei den
Leprösen des Memeler E
Mit Tafel XVI . .
. 341
Deneker, Ein Fremdkórper im —
Sinus piriformis, Tuberkulose rep
Tumor vortäuschend . 241
Flatau, Chirurgische und funktionelle
Behandlung der Stimmlippenknótchen
mit besonderer Berücksichtigung der
Frage der Berufsschädigung . . 369
Frankenberger, Augenstórungen bei
Erkrankungen der Nebenhöhlen der
Nase. (Ein kasuistischer Beitrag) . 207
Frese, Eigenartige Erkrankungen der
Mond, und Rachenschleimhaut . . 455
Klinische und patho-
logische Beiträge zu den Erkran-
kungen der oberen Luftwege. I. Über
einen Orbitalabszess nach Siebbein-
eiterung. Mit Tafel XII . 109
— II. Zur Pathologie der Kiefer.
zysten, Mit Tafel XXI, XXII,
XXIII und 1 Abbildung im Text 467
113
stomierter, Mit 2 Figuren und 9
Kurven im Text . . . 131
Iwanoff, Technisches zur —
stomie. . .
Kassel, Die Nasenheilkunde des. Alter-
tums , ,. . ; . 255
. 115
Katz , Über das endonasale Karzinom.
(Mit Betrachtungen über das Wachs-
tum epithelialer Elemente in der Nase.)
Mit Tafel I— VI und3 Abb. im Text
Lautmann, Zur Anästhesie bei der
Adenotomie, Mit 1 Abbildung im Text
Massei, Die Sensibilitätsstörungen des
Larynx und die Anästhesie des
Vestibulum bei der Rekurrens-
lähmun
Menier, Ober a akute retropharyngeale
Abszesse bei Kindern . .
Meyer, Über die Beziehungen der
oberen Luftwege zum weiblichen
Genitalapparat . .
Meyer, Über nasale Fortsätze hyper.
trophischer Rachenmandeln .
Onodi, Über die intrakraniellen und
zerebralen Komplikationen d, Nasen-
nebenhóhlenerkrankungen ‘
Preysing, Atypische Nebenhöhlen-
operationen. Mit Tafel VII—XI
Preysing, Spongiosierung der Stirn-
hóhlen. Mit Tafel XVII, XVIII
Safranek, Ehrlich-Hatas Arsenoben-
zol bei syphilitischen Erkrankungen
der oberen Luftwege .
Schwerdtfeger, Beitrag zur ‘Patho.
logie und Therapie der Chondrome
der Nase und ihrer Nebenhóhlen.
Mit Tafel XXIV, XXV und I
Abbildung im Text :
Seifert, Beitrag zur Amputation der
tuberkulósen SE Mit 2 Text-
abbildungen . .
v. Stein, Ein Fall von sehr verlang-
samter Atmung infolge eines Nasen-
leidens. Mit Tafel XXXIV .
Sytsehow, Trichloressigsäureätzungen
bei Kehlkopfschwindsucht ;
Uffenorde, Komplizierte Fälle von
Nasennebenhóhlenerkrankung. Mit
5 Textabbildungen und Tafel X X VI
bis XXXIII . .
Weski, Die moderne zahnärztliche
Diagnostik im Dienste der Rhino-
und Otologie. Mit Tafel XIX u.
XX und 11 Textabbildungen .
Ziekgraf, Xerose und Anosmie ,
Referate
Literaturverzeiehnis
Bücherbespreehungen .
Gesellschafts- und Kongressberichte
Kongresse und men
un
Namensverzeichnis . I :
Saehregistep . . . . . .
. 97, 139, 3071, 393, 517,
ocw. d b dE cu^ o4 28,
. 88, 167, 321, 444, 557,
. 90, 171, 325, 446, 558,
. 99, 202, 339, 452, 580,
. 99, 206, 340, 453, 580,
. 580,
Seite
l
357
43
39
119
. 251
23
17
349
. 503
581
. 125
. 481
507
. 315
53
133
434
151
153
155
158
101
158
159
166
Über das endonasale Karzinom.
(Mit Betrachtungen über das Wachstum epithelialer Elemente
in der Nase.)
Von
Dr. Leo Katz, Kaiserslautern.
Mit 6 Tafeln und 3 Abbildungen im Text.
Bei der Seltenheit nasaler Karzinome verlohnt es sich wohl, bei
jedem neuen Falle in eine Analyse des gesamten Krankheitsbildes
einzutreten, da, abgesehen von der Karzinomfrage selbst, noch manches
ungeklärt ist, was sich auf die Lokalisation des Leidens ın der Nase
bezieht. Zu diesen noch strittigen Punkten gehören z. B. manche
ätiologische Besonderheiten nasaler Karzinome, die Metastasenbildung,
vor allem die histologischen Strukturverhältnisse in ihren Bezie-
hungen zum Mutterboden, um von manchen anderen nur einige heraus-
zugreifen.
Hinsichtlich der Häufigkeit steht vor allem fest, dass die Karzinome
der Nase viel seltener sind als die Sarkome, auch dann noch, wenn
wir einerseits die vielen unsicheren Fälle, die fälschlicherweise als Sar-
kome der Nase beschrieben sind, in Abzug bringen und andererseits
diejenigen malignen Tumoren, deren Klassifikation immer noch Gegen-
stand der Kontroverse ist, wie die Zylindrome, Endotheliome usf.
den Karzinomen zuzählen würden. Auch scheint die Karzinom-
kasuistik eine viel sicherere zu sein, insofern die publizierten Fälle mit
wenigen Ausnahmen, besonders auch nach der histologischen Seite, viel
kritischer behandelt wurden, was auch bereits Kümmel!) aufgefallen
ist. Was die absoluten Zahlen angeht, so konnte letztgenannter Autor
') Heymanns Handbuch. Bd. III, 2. S. 875.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 1
2 Leo Katz. [2
bis zum Jahre 1896 40 Fälle von endonasalem Karzinom ausfindig
machen ; im Jahre 1902 waren Gibb 78 Fälle aus der Literatur be-
kannt. Lenart und Donogany legen ihrer Arbeit über den
primären Krebs der Nase 7 eigene und 80 aus der Literatur ge-
sammelte Fälle zugrunde, und bis auf den heutigen Tag hat sich
das kasuistische Material, soweit ich die Literatur übersehe, nur
ganz wenig vermehrt. Die Zahl der Karzinome, bezogen auf die
Gesamtzahl der Patienten, ist so inkonstant, dass ich auf die ein-
zelnen Daten nicht weiter eingehen will. Das Nähere hierüber findet
sich bei Zarniko!) schön zusammengestellt. Nur möchte ich die
Bemerkung hier nicht unterlassen, dass die Verhältniszahl auf meine
Klientel berechnet, noch viel grösser wäre, als die von Zarniko für
M. Schmidt berechnete maximale Proportionszahl 17, insofern ich
während meiner bisherigen Tätigkeit bei einer weit geringeren Pa-
tientenzahl 8 endonasale Karzinome gesehen habe, die sämtlich histo-
logisch festgestellt sind. Es mag dies vielleicht darin seinen Grund
haben, dass ich seit Jahren sámtliche exstirpierten Tumoren der Nase
histologisch durchmustere. Stellen wir diesen kleinen Zahlen die un-
geheuer grosse Zahl der sonst in der Nase vorkommenden Tumoren, be-
sonders der verschiedenen Formen des ódematósen Fibroms gegenüber, .
so treten wir gleichsam von selbst an das Problem der malignen Ent- .
artung gutartiger Tumoren heran, eines jener Momente, das von
allen Autoren für die Ätiologie maligner Tumoren beigezogen wird.
Diese Erscheinung ist den Gynäkologen geläufiger als uns Rhino-
logen, obwohl auch die gynäkologische Kasuistik, welche von der Um-
wandlung gutartiger Tumoren in maligne handelt, nicht sehr reich-
haltig ist. In dieser allgemeinen Form scheint diese These überhaupt
nicht ganz richtig zu sein und müsste auf Grund des vorliegenden
Materials bedeutend eingeschränkt werden. De facto handelt es sich
immer um Myom und Sarkom, und zwar um die sehr zellreichen
Myome, die an und für sich schon Ähnlichkeit mit Spindelzellensar-
komen haben. Dabei ist nicht erwiesen, ob sich richtiges Sarkom-
gewebe an Stelle des Zwischenbindegewebes entwickelt, also ein aus
Sırkom- und Myomgewebe zusammengesetzter Tumor, ein Leiomyo-
sarkom vorliegt, oder ob die Proliferation wesentlich die Muskelzellen
betrifft; nur im letzteren Falle hätten wir dann ein Sarkom, das
wirklich im Myom selbst enstanden ist (Lexer).
In der rhinologischen Literatur existiert bisher überhaupt nur
ein einziger Fall, der einigermassen beweiskräftig sein könnte; es ist
dies der bekannte Hellmannsche Fall, der auch von allen Autoren
') Zarniko, Die Krankheiten der Nase etc. 3. Auflage 1910. S. 517.
3] Über das endonasale Karzinom. 3
als Beweis zitiert wird. Nach zwölfjährigem Bestehen eines harten
Papilloms, das allerdings in dieser Zeit oft rezidivierte, fand sich an
einer Stelle, an der früher in der Stirnhöhle ebenfalls ein hartes
Papillom entfernt worden war, ein klinisch und anatomisch unan-
fechtbares Karzinom. Indes soviel Bestechendes für die Umwandlungs-
möglichkeit an und für sich benigner Tumoren in maligne dieser Fall
hat, er lässt auch eine viel einfachere, viel weniger gekünstelte Er-
klärung zu; man kann hier die Entwickelung des Karzinoms gemäss
der alten Virchowschen Reiztheorie, die ja heute noch von den
meisten Pathologen anerkannt wird, aus dem Locus minoris resisten-
tiae erklären. Solche Reizzustánde sind durch die vorausgegangenen
entzündlichen und operativ traumatischen Einflüsse gegeben, so dass
die Entwickelung des Karzinoms in diesem Falle ebensogut ein Ana-
logon darstellt zu der den Klinikern sehr gelüufigen Tatsache, dass
ein Magenkarzinom z. B. auf einer alten Ulcusnarbe entsteht. Als weitere
Sonderheit, die seine Beweiskraft sehr wohl abzuschwächen imstande
ist, ist beim Hellmannschen Falle der Umstand anzuführen, dass
es sich gerade um ein Papillom handelt, also einen dem Karzinom
zum mindesten schon sehr verwandten Tumor, von dem viele be-
haupten, dass er morphologisch überhaupt nicht oder nur sehr schwer
vom Karzinom auseinander zu halten sei und sich nur klinisch
durch die geringere Wachstumsenergie von ihm unterscheide.
Auch der Lues hat man als ätiologisches Moment maligner
Tumoren, besonders der Karziome, eine gewisse Bedeutung beige-
messen. Auch in der rhinologischen Literatur existieren einige Fälle,
die als Beweis für diese Annahme dienen. Es sind dies der Fall
von Michaelis und die beiden Fälle von Keimer!). Diese Fälle
zeigen uns nicht mehr und nicht weniger, als dass in seltenen Fällen
das Karzinomgewebe auf dem Boden syphilitischer Ulzerationen
sich entwickelt, welche dann einen anderen Charakter annehmen.
Also auch hier wiederum verliert die Lues als solche ihre spezifische
Ätiologie, auch hier spielt der entzündliche Reiz, die Ulzeration,
oder wenn man will, die lokale Gewebsschwäche die Haupt-
rolle für die Entstehung des Krebses. Überhaupt scheinen für die
Entwickelung nasaler Tumoren in erster Linie Gewebsveründerungen,
welche durch chronische Reize verschiedenster Art oder durch chro-
nische Entzündungen entstanden sind, verantwortlich zu sein. Dabei
mag wohl richtig sein, dass die Verschiedenheit des primären Reizes
auf die Art des sich entwickelnden Tumors von Einfluss sein kann.
') Zeitschr. f. Ohrenheilkunde. Bd. 40. S. 260. Laryng. Sektion d. 70. Ver-
sammlung deutscher Naturf. u. Ärzte.
1*
4 | Leo Katz. [4
Im allgemeinen wird jedoch zunächst immer der Mutterboden be-
stimmend für die Art des Tumors sein. Diese Erscheinung ist uns
Rhinologen ım Hinblick auf die häufigste Form nasaler Tumoren, die
wir unbeschadet ihrer histologischen Struktur unter dem Namen von
Nasenschleimpolypen zusammenfassen, geläufig. Sie wurde von Hey-
mann!) folgendermassen formuliert: „Polypen sind Produkte der
Schleimhaut, der sie mehr oder weniger gestielt aufsitzen und deren
Gewebe sich in ihnen in wechselnder Anordnung wiederfindet.“ Diese
Definition ist aber sofort auf alle Tumoren, besonders auch auf die
endonasalen Karzinome ausdehnbar, sobald der Begriff der chroni-
schen Entzündung als Folge eines Reizzustandes mit hineingebracht
wird, so paradox dies auch im ersten Moment klingen mag, im Hin-
blick auf die Heteroplasie mancher Tumoren, d. h. auf die Atypie
seiner Formbestandteile im Verhältnis zum Mutterboden.
Kleiden wir dieses Problem in eine zunächst die nasalen Ver-
hältnisse berücksichtigende Fragestellung, so muss diese folgender-
massen formuliert werden: Wie kann ein Plattenepithelkarzinom der
Muschel oder des Septums als Produkt der zylinderepitheltragenden
Schleimhaut aufgefasst werden ?
Das Bindeglied in dieser Entwickelungsreihe bildet eben der
chronische Entzündungsreiz der Schleimhaut und die durch ihn sich
allmählich entwickelnde Umbildung von Zylinder- in Plattenepithel.
Diese Metaplasie von Zylinderepithel in Plattenepithel ist für die
Nasenschleimhaut einwandfrei erwiesen. Vor allem waren es Sieben-
mann und Schónemann, die durch ihre Untersuchungen feststellen
konnten, dass die Ersetzung des Zylinderepithels durch Pflasterepi-
thel im Respirationsteil der Nase ein sehr häufiges Vorkommnis ist.
Wenn nun auch diese Metaplasie an jeder Stelle der Schneider-
schen Membran statthaben kann, so ist doch daran festzuhalten, dass
im allgemeinen die Disposition zur Metaplasie proportional der Ent-
fernung vom Naseneingang abnimmt, was, wie wir später sehen werden,
hinsichtlich der Lokalisation primärer, endonasaler Karzinome von grosser
Bedeutung ist. Das ist auch ganz natürlich. Wenn eben der ent-
zündliche Reiz die letzte Ursache der Epithelmetaplasie ist, so werden
eben diejenigen Stellen am meisten prädisponiert sein, die am öftesten
‘und am leichtesten solchen Reizen zugänglich sind; das sind aber die
Stellen, die gleich hinter dem Naseneingang liegen, also an der me-
dialen Wand etwa das vordere Drittel des Septums, das immer und
immer wieder als Prädilektionstelle nicht nur pathologischer Verän-
derungen im allgemeinen, sondern der Tumorentwickelung im be-
', Heymanns Handbuch. Bd. III, 2. S. 785.
5] Über das endonasale Karzinom. 5
sonderen zu gelten hat. An dieser Stelle ist der wichtigste Angriffs-
punkt traumatischer Insulte, hier an der Grenze zwischen Schleimhaut
und Haut vollzieht sich die Epithelmetaplasie und hier spielt sich
die von Siebenmann zuerst beschriebene Rhinitis sicca anterior
ab als Ausgangspunkt der für diese Stelle typischen, pathologischen
Veränderungen. Eine solche vollzogene Epithelmetaplasie am Sep-
tum cartilagineum sehen wir deutlich auf Tafel I. Die Abbildung
— ein Mikrophotogramm von der Nasenscheidewand eines Hingerich-
teten — verdanke ich wie die Tafeln II—IV der Liebenswürdigkeit
des Herrn Universitätsprofessors Dr. Sobotta in Würzburg. Man
sieht deutlich, wie Flimmer- und Plattenepithel wechseit.
An der lateralen Nasenwand sind es insbesondere die vorderen
Enden der beiden unteren Muscheln, an denen sich die Epithelmeta-
plasie vollzieht, also auch hier wieder diejenigen Stellen, die dem
Naseneingang am nächsten liegen. Auch diese Tatsache können wir
an der Hand von Tafel II sehr instruktiv illustrieren. Tafel II stellt
die untere Muschel desselben Hingerichteten dar. Hier findet sich
an der Spitze, also derjenigen Stelle, die den äusseren Insulten
am meisten ausgesetzt ist, Plattenepithel, sonst überall Zylinderepithel.
Aber wir finden auch sonst an dieser Muschel die Zeichen chroni-
scher Entzündung. Schon äusserlich unterscheidet sie sich von
Tafel III durch ihr stärkeres Volumen. Tafel III stellt eine normale
Muschel desselben Hingerichteten dar; sie zeigt keine Sonderheiten ;
vor allem ist sie iiberall mit flimmerhaartragendem Zylinderepithel
bekleidet. Dagegen finden wir auf Tafel II eine ausgesprochene
Hypertrophie der Muschel mit deutlicher Zunahme der kavernósen
Blutráume, sowohl nach Zahl als auch nach Grösse. Hier finden
wir also ein chronisch entzündetes Organ mit vollzogener lokaler
Epithelmetaplasie. Gleichzeitig bedeutet aber diese Form der chro-
nischen Entzündung, in der wir bereits eine polypöse Hypertrophie
der unteren Muschel zu erblicken baben, die erste Etappe der Tumor-
entwickelung.
Kehren wir nun in diesem Stadium unserer Beweisführung zum
Ausgangspunkt unserer Erörterungen zurück und suchen nach Gründen,
warum das primäre Karzinom der Nasenschleimhaut angesichts der
günstigen Vorbedingungen zur Tumorentwickelung im allgemeinen und
der grossen Prädisposition des Mutterbodens zur Tumorentwickelung `
im speziellen ein so seltenes Ereignis ist, so ist es naheliegend, nach
anderen Organen Umschau zu halten, die ebenfalls selten oder nie
Sitz primärer Karzinome sind, um vielleicht von dieser Seite her ver-
gleichende Anhaltspunkte zu gewinnen. Da stellt sich nun die über-
raschende Tatsache heraus, dass alle diese Organe, denen nur eine
6 Leo Katz. [6
geringe Tendenz zur primáren Karzinomentwickelung innewohnt, sich
durch grossen Reichtum adenoiden Gewebes auszeichnen.
Als Beweis möchte ich zunächst die Milz, die wohl den grössten
Komplex adenoider Substanz unseres Körpers darstellt, anführen.
Wenn sie auch an und für sich keine grosse Tendenz zu Tumoren-
bildung zeigt, so nehmen doch unter der vorhandenen Tumoren-
kasuistik die Karzinome die letzte Stelle ein. Ziegler!) z. B. kennt
überhaupt keinen Fall von primárem Karzinom der Milz und nach
Litten?) dem wir wohl die sorgfültigste und ausführlichste Mono-
graphie der Milzkrankheiten verdanken, ist der primäre Krebs der
Milz überhaupt selten. Von den 10 überhaupt bekannten Fällen hält
er nur die wenigsten für histologisch sicher erwiesen.
Wenden wir uns von dieser Perspektive aus der Betrachtung
des Darmtraktus zu, so ist es eine auffallende Erscheinung, dass der
Dünndarm, der ebenfalls einen grossen Reichtum lymphadenoider Sub-
stanz, wie sie in den Solitärfollikeln und vor allem in den Payer-
schen Plaques gegeben sind, nur selten primäre Karzinome zur
Entwickelung kommen lässt, selten, besonders im Hinblick auf die
ungeheure Karzinomkasuistik an den übrigen Abschnitten des Magen-
Darmkanals. So behauptet Nothnagel’), dass die primären
Karzinome des Jejunums und des lleums ungeheuer seltene Er-
eignisse sind.
Als der geläufigste Prototyp Iymphadenoiden Gewebes sind uns
die über den ganzen Körper disseminierten Lymphdrüsen und
speziell uns Rhinologen die verschiedenen, den Waldeyerschen
Ring konstituierenden Tonsillen bekannt. Was nun die Lymph-
drüsen angeht, so gehört das primäre Karzinom zu den grössten
Seltenheiten, wohlgemerkt im Gegensatz zu dem metastatischen, das
als Kriterium der Malignität lediglich eine Etappe des durch die
Lymphbahnen vom primären Herd zugeführten Zellmaterials dar-
stellt. Auch die Zahl der primären Tonsillenkarzinome ist eine ge-
ringe, und auch hier nimmt die an und für sich geringe Kasuistik
— entsprechend unseren früheren Ausführungen — noch in dem
Masse ab, je weniger das Organ traumatischen oder entzündlichen
Reizzuständen ausgesetzt ıst. Daher ist die Kasuistik der Gaumen-
tonsillenkarzinome noch etwas grösser als die der Karzinome der
Zungen- und Rachentonsille, letztere nicht zu verwechseln mit den
vom Rachendach resp. der Schädelbasis ausgehenden Karzinomen.
1) Lehrbuch der speziellen pathol. Anatomie. 8. Auflage. S. 95.
?) Nothnagel, Spezielle Pathologie und Therapie, Bd. VIII, 2; Litten,
Krankheiten der Milz.
*) Die Krankheiten des Darmes und dea Peritoneums. Wien 1898. S. 248.
7] Über das endonasale Karzinom. 7
Dabei ist fernerhin interessant, dass gerade das primäre Karzinom
der Zungentonsille so ausserordentlich selten ist, dass Butlin in
seiner Zusammenstellung von 80 Zungenkarzinomen nur in einem
Fall ein von der Zungenmandel ausgehendes anführt — ausserdem ist
noch ein einziger weiterer Fall von Michael!) publiziert — während
hingegen gerade die Zunge doch sonst nicht selten Sitz des Karzinoms
ist. Und es ist auch gerade hier die merkwürdige Tatsache zu re-
gistrieren, dass die Zunge dort am häufigtsen vom primären Kar-
zinom befallen wird, wo die wenigsten lymphfollikularen Elemente
vorhanden sind, nach Butlin also auf der Seitenfläche oder dem
Rücken der Zunge, meistens in der Nähe der Zungenspitze, oder der
vorderen Hälfte der Zunge.
Wenn wir nun mit diesen Befunden die Tatsache in Überein-
stimmung zu bringen suchen, dass auch das primäre Karzinom der
Nasenschleimhaut ein seltenes Ereignis ist, so werden wir uns mit
dem Verhalten lymphatischer Elemente in der Nase zu befassen
haben. Während die massenhafte Ansammlung von adenoidem Ge-
webe im Schlundring in Form von Follikeln oder Follikelklomplexen,
die wir als Tonsillen zu bezeichnen gewöhnt sind, allbekannt ist,
wird die konstante Anwesenheit adenoider Elemente in der Nasen-
schleimhaut immer etwas als quantité negligeable behandelt, ob-
wohl es nicht an eingehenden Beschreibungen fehlt. Am aus-
führlichsten ist die adenoide Schicht der Nasenschleimhaut bei
Zuckerkandl,dem auch Schiefferdecker folgt, undbei Zarniko
beschrieben. Dieses adenoide Gewebe kommt nun in den beiden
auch sonst typischen Formen in der Nase vor, sowohl als retikuläres
Bindegewebe, dessen Maschen mit kolossalen Mengen Leukozyten er-
füllt sind, oder in Form von Komplexen, die wir als Follikel bezeichnen,
welche bis dicht unter das Oberflächenepithel heranreichen. Beide
Formen kommen in gradueller Verschiedenheit auf beiden Seiten vor;
an der septalen Schleimhaut ist die follikuläre Anordnung die häufi-
gere, wie überhaupt das Septum auch quantitativ der Hauptsitz ade-
noider Substanz in der Nase ist. Tafel IV zeigt uns einen solchen
Schnitt durch das Septum mit reichlich eingebetteten lymphoiden
Elementen, die sich stellenweise zu Solitärfollikeln vereinigen. An
den Nasenmuscheln stellt die unter der Epithelschicht gelegene, sehr
stark entwickelte Tunica propria, ein Retikulum fibrillären Binde-
gewebes mit grossen eingelagerten Leukozytenmassen, die sich
nach oben gegen die Epithelschicht durch eine ungeheuer feine,
1) Heymanns Handbuch: Michael, Die Krankheiten der Zungenton-
sille, Bd. II, S. 634.
erg
vier
Ir
ap Ñ
9] Über das endonasale Karzinom. 9
wegen ihrer äusseren Form als Papillome bezeichnet werden, in
Wirklichkeit den Fibromen zuzuzählen sind, ausscheiden. Es ver-
bleiben dann nur ganz wenige der als Papilloma verum sive durum
bekannten Tumoren, von denen bis zum Jahre 1897 Hellmann 19
bekannt waren. Auch die Zahl der Adenome ist eine sehr minimale.
Marx!) konnte in seiner unlängst erschienenen Arbeit über das
Adenom der Nase 14 Fälle aus der Literatur ausfindig machen und
einen weiteren selbst beobachteten Fall anfügen, so dass im ganzen
15 Fälle vorliegen. Die Nasenschleimhaut zeigt also eine
sehr minimale Tendenz zur Entwickelung epithelialer
Tumoren überhaupt.
Verfolgen wir nun innerhalb der Nase die Prädilektionsstellen
der primären Karzinome, so finden wir hier wiederum dieselbe Er-
scheinung wie beim Zungenkarzinom, dass die Stellen, die normaler-
weise die wenigsten adenoiden Elemente enthalten, am häufigsten
Ausgangspunkt des Karzinoms sind. Allerdings muss ich hier be-
kennen, dass die Angaben der einzelnen Autoren in diesem Punkte
nicht ganz übereinstimmen. Kümmel?) sagt ohne nähere Zahlen-
angaben: „Ausgangspunkt ist auch bei Krebsen häufig das Septum
und soweit genauere Angaben vorliegen, scheint es auch hier häufig
der vordere Teil desselben zu sein. Nicht viel seltener ist aber die
seitliche Nasenwand der Ursprungsort und zwar die Gegend der beiden
unteren Muscheln zugleich. Manche der letzten Tumoren mögen
eigentlich von dem Sinus maxillaris ausgegangen sein, dessen Wände
wohl noch öfter als das Naseninnere Karzinome entstehen lassen.“
In letzterem Punkte hat Kümmel sicher recht. Dagegen sind die
Angaben der anderen Autoren und auch meine eigenen Zahlen hin-
sichtlich Septum und Muscheln mit seinen Aufstellungen nicht in Ein-
klang zu bringen. Donogany und Lenart berechnen die Zahl der
Fälle hinsichtlich der Lokalisation folgendermassen :
EE | a | ofo
Nasenseptum . | 6 14
Untere Muschel . | 9 21
Highmorshóhle | l 2
Mittlere Muschel e 21 90
Nasendach . . . . . . . . . . X. | 3 7
Os sphenoideum . i
|
!) Zeitschrift f. Ohrenheilkunde. Bd. 60, S. 50.
) L. c.
10 Leo Katz. [10
Meine eigene Kasuistik von 8 Fällen verteilt sich folgendermassen :
Nasenseptum b
Untere und mittlere Muschel 3,
Nebenhóhle 4
Es finden sich also hinsichtlich der Nebenhóhlen Widersprüche
zwischen den beiden letzten Tabellen, während hier wiederum Über-
einstimmung zwischen meinen Fällen und den Kümmelschen Angaben
besteht. Meine feste Überzeugung ist es übrigens, dass unter den
30 Karzinomen der beiden unteren Muscheln in der Aufstellung von
Donogany und Lenart manches sein wird, das den Nebenhöhlen ange-
hört. Es mag nun dem sein, wie ihm wolle, für uns kommt zu-
nachst der, wie mir scheint, bedeutungsvolle Umstand in Betracht,
dass das Septum, das für gewóhnlich einen grósseren Reichtum lymph-
adenoider Elemente aufweist, erheblich seltener der Ausgangspunkt
primärer Karzinome ist als die laterale Nasenschleimhaut, die im Ver-
gleich hierzu ärmer an diesen Elementen ist.
Auf Grund der Gesamtheit dieser Ausführungen glaube ich,
wenn auch unter aller Vorsicht und mit allem Vorbehalt, den Schluss
wagen zu dürfen, dass durch die konstante Funktion der
adenoiden Schicht, durch dasununterbrocheneDurch-
strömen der Leukozyten nach der Schleimhautober-
fläche, durch das gewaltsame Durchbrechen derselben
durch die sie bedeckende Epithelschicht und durch das
damit verbundene ständige Vergehen und Entstehen
neuer epithelialer Zellen das atypische, vor allem das
ungebundene exzessive, aus dem Organverbande los-
gerissene Wachstum epithelialer Elemente hintange-
halten wird, weil der Mutterboden schon eine maximale
Arbeitsleistung in der Ersetzung des normalen Epithels
zu leisten hat.
Die wenigen nasalen Karzinome nun, die bekannt sind, tragen
noch ein anderes Charakteristikum in sich, wodurch sie sich von den
Karzinomen anderer Organe unterscheiden. Zur Wesenheit des malignen
Tumors gehórt die Tendenz der Metastasenbildung als Hauptkriterium
der Malignitát. Es ist nun kein sicherer Fall von endonasalem Karzi-
nom bekannt, der entweder als Metastase eines anderweitig etablierten
Karzinoms aufzufassen würe oder selbst zu Metastasen in anderen
Organen geführt hätte. Nicht als ob dadurch das endonasale Karzinom
an Malignität verlieren würde. Dieselbe ist gleichwohl bedingt durch
den Genius loci. Denn stellen die dem Tumor leicht zugänglichen
11] Über das endonasale Karzinom. 11
Raume lebenswichtige Organe dar — wie in unseren Fallen Orbita
und Schádelkapsel —, dann wird der von Haus aus gutartigste Tumor
zum malignen, selbst wenn er nicht die histologischen Charakteristika
der Malignität darbietet. Da nun der Transport der Geschwulstkeime
durch das Lymphgefássystem zu den regionüren Drüsen als die erste
Etappe zur Metastasenbildung aufzufassen ist, so ist das Verhalten
dieser regionären Drüsen ein Massstab der Tendenz zur Metastasen-
bildung. Bei dem primären Karzinom der Nase kommt es relativ
spät und in manchen Fällen überhaupt nicht zur Infiltration der
regionären Drüsen. Das letztere konnte ich in einem Falle konstatieren,
den ich während des vorigen. Jahres behandelte. Ein von der linken
Kieferhöhle ausgehendes Karzinom bei einem 71 jährigen Manne wuchs
unaufhaltsam weiter. Als ich den Patienten zum ersten Male sah,
füllte der Tumor bereits Nase und Nasenrachen vollständig aus —
auch die Heidelberger chirurgische Klinik konstatierte inoperables
Karzinom. Der Tumor drang allmählich in die Keilbeinhöhle und
usurierte, von hier die Schädelbasis durchdringend, die Carotis interna.
Der Tod trat nach drei heftigen Blutungen, die sich innerhalb zwei
Stunden wiederholten, ein. Operative endonasale Eingriffe zur Weg-
sammachung der Nase waren 8 Wochen ante exitum nicht mehr ge-
macht worden. In diesem Falle, der durch alle Symptome des lokalen,
malignen Wachstumes verschärft war, war keine einzige der der Pal-
pation zugänglichen, cervikalen Drüsen fühlbar vergrössert. Der Grund
des Ausbleibens der sonst so konstanten Infiltration der regionären
Drüsen ist zum Teil wenigstens im anatomischen Verlauf der ab-
leitenden Lymphgefässe der Nasenschleimhaut zu suchen. Nach Most!)
richtet sich der Hauptstrom der Lymphe des Naseninnern nach den
Choanen hin und sammelt sich in der seitlichen Pharynxwand direkt
hinter dem harten Gaumen náchst dem pharyngealen Tubenostium
und etwas unterhalb desselben. Auch vom Nasenseptum gelangt die
Lymphe durch die Lymphgefásse des Nasenbodens und der nach oben
gekehrten Fläche des Velum palatinum dahin. Von hier wird nun
die Lymphe in zwei Hauptstrémen ihren Drüsengebieten zugeführt
(s. Fig. 2).
Der eine zieht nach aussen und unten zu den vorderen tiefen
Cervikaldrüsen, welche um die Vena jugularis interna gelagert sind.
Der zweite nach Most wichtigste Strom verläuft in der seitlichen
Pharynxwand direkt nach hinten, um zu der seitlichen Retro-
pharyngealdrüse zu gelangen, die median von der Carotis
’) Most, Topographie des Lymphgefässapparates des Kopfes und des Halses
etc. Berlin 1906. Verlag von August Hirschwald. S. 87 u. ff.
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13] Über das endonasale Karzinom. 13
infiltratives oder expansives; es ist im allgemeinen abhüngig von der
Beschaffenheit seines Ansiedelungsortes. Es liegt nun in der Natur
der Sache, dass die neugebildeten Zellenmassen zunächst alle Räume
ausfüllen, welche der Ort der Entwickelung selbst darbietet und
welche von ihm aus zugänglich sind. So füllt das im Wachstum be-
griffene Karzinom der Nase alle Lumina, die die Nasenhóhle darbietet,
aus, dringt unaufhaltsam, alles zerstörend und indurierend vorwärts,
sendet seine Fortsätze in alle erreichbare Spalten, in Orbita, Stirn-
höhle und Keilbeinhöhle und wächst von hier aus die Schädelbasis
durchdringend, hirnwärts; und seine Expansionskraft scheint spielend
alle Widerstände zu überwinden. Diese Destruktivität, dieses Ein-
dringen und Zerstören lebenswichtiger Organe ist nach Rindfleisch
eine besondere Funktion der Malignität. Beim nasalen Karzinom
bringen es also die örtlichen Verhältnisse mit sich, dass es bereits zu
einer Zeit destruktiv wirkt, bevor durch die sich mehrenden Wider-
stände die Geschwulstkeime in die Lymphbahnen hineingezwängt werden,
um so den ersten Anstoss zur Metastasenbildung zu geben. Der
zeitliche Ablauf des endonasalen Karzinoms ist also ein solcher, dass
durch die Destruktivität des Wachstums, ‘durch das Eindringen und
Zerstören lebenswichtiger Organe der Tod bereits zu einer Zeit ein-
tritt, zu der es nach Massgabe des Wachstums und der anatomischen
Verhältnisse der Lymphbahnen noch gar nicht zur Metastasenbildung
kommen konnte. Mit anderen Worten: Der Tod tritt bereits während
des expansiven Wachstums des Tumors ein, ohne dass es zu infiltra-
tivem oder zu nennenswertem infiltrativem Wachstum gekommen ist.
Aber nur das infiltrative Wachstum und das durch es bedingte Fort-
wuchern im Quellengebiete der Lymplhbahnen vermittelt die Meta-
stasenbildung.
Wahrend ich nun auf Grund des gesamten vorhandenen Ma-
terials im Laufe der bisherigen Ausführungen immer die Tatsache in
den Vordergrund stellte, dass das endonasale Karzinom stets ein
primáres ist — ich rechne dazu auch die per continuitatem in die
Nasenhóhle gewachsenen Karzinome der Nebenhöhlen —, während
ich mit aller Entschiedenheit darlegte, warum es nie zu Metastasen
kommt, bin ich gleichwohl in der Lage, ein endonasales Karzinom
zu beschreiben, das sicher sekundärer Natur ist.
Klinisch und therapeutisch bot der Fall so wenig des Inter-
essanten, dass wir ihn hier nur nach der ätiologischen und histologi-
schen Seite beleuchten wollen.
14 Leo Katz. [14
Es handelte sich um eine 53 jührige Bauersfrau, die wegen ihres
„Ausschlages“ auf der Nase mich konsultierte. Derselbe sei sehr hart-
näckig und bestehe schon zirka 11/s Jahre; auch’ ist sie schon ander-
weitig mit Salben etc. behandelt worden. Über Beschwerden in der
Nase (Luftmangel, Schnupfen etc.) klagte sie nicht. Der äussere Be-
fund liess ohne weiteres ein flaches Hautkarzinom vermuten. Die
untere Hälfte des rechten Nasenrückens in seinen abhängenden Par-
tien zeigte eine markstückgrosse zirkumskripte ulzerierte Fläche, die
mit Schorf und festhaftenden Hornmassen bedeckt war. Die In-
filtration hat schon einen solchen Grad erreicht, dass die intranasale
Schleimhautauskleidung, die der áusseren Lokalisation des Tumors ent-
spricht, weit in das Lumen der Nase wallartig hineinragt. Die untere
Muschel ist nur in vagen Umrissen zu erkennen, sie ist in schmut-
zige Gewebsmassen eingehüllt, welche bis an die durch Infiltration
vorgeschobene Schleimhaut der Innenfläche des Nasenflügels heran-
reicht (s. Fig. 3). Sonst waren intranasal Besonderheiten nicht zu
konstatieren; besonders bot die mittlere Muschel nichts Abnormes ;
auch bei der Rhinoscopia posterior konnte ein Befund von Bedeutung
nicht erhoben werden.
Fig. 3.
Hautkarzinom des
Nasenrückens mit Infil-
trat ins Lumen der Nase
Karzinom der unteren ^
Muschel
Um so interessanter gestalteten sich die histologischen Befunde.
Das Karzinom auf der äusseren Fläche des Nasenflügels erwies sich
als ein Basalzellenkarzinom, d. i. ein nicht verhornendes,
flaches Hautkarzinom. In die Augen springend ist die driisenartige
Struktur der Zapfen (s. Taf. V), weshalb Krompecher den Be-
griff des drüsenartigen Oberflächenpithelkrebses oder Basalzellenkrebses
eingeführt hat. Er geht dabei von der Vorstellung aus, dass diese
Karzinome ihren Ursprung von den Basalzellen, d. h. von den zylin-
drischen Zellen des Stratum Malpighii nehmen im Gegensatz zu den
Hornkarzinomen, die von den Stachelzellen stammen. Jedenfalls
sehen wir im histologischen Präparat (s. Taf. V) langgestreckte,
schmale, spitz endende Zellstränge, die Lumina enthalten. Daraus
15] Über das endonasale Karzinom. lo
erklart sich die drüsenartige Anordnung der Zapfen. Die Zellen
selbst sind länglich und klein. Das ist sehr deutlich auf Tafel VI
zu sehen. Die Tafel VI gibt das Schleimhautkarzinom der unteren
Muschel desselben Patienten wieder. Auch dieses ist ein Basalzellen-
karzinom. Die Struktur desselben tritt auf der Abbildung auf Tafel
VI bei 200facher Vergrösserung nicht so sehr in die Erscheinung.
Bei 40 facher Vergrösserung gibt dieses Präparat im Mikroskop die-
selben zierlichen Konturen, wie wir sie auf Tafel V als für das Basal-
zellenkarzinom charakteristisch konstatieren konnten. Wir sehen hier
deutlich die Lumina der Zellstränge und vor allem die epitheliale
Anordnung zylindrischer Zellen als Auskleidung der verschieden ge-
formten, bald länglich ovalen, bald runden Lumina, so dass wir hier
in diesem Teile des Basalzellenkarzinomes schon einen Übergang vom
Plattenepithelkarzinom zum Zylinderepithelkarzinom zu erblicken haben.
An anderen Stellen ist die ungeheuer grosse Masse regellos gehäufter
Tumorzellen auffallend, die in der Nähe der grossen Lumina eine ge-
wisse konzentrische Anordnung erkennen lassen. Dabei ist es auf-
fallend, dass die Auskleidung dieser Räume aus Endothel besteht, und
dass in diesem Teile des Tumors ein spärliches, bindegewebiges Stroma
vorhanden ist, welches in den Hauptzügen den Lymphspalten folgt.
Wir erkennen also auch hier wieder, dass mit Recht die Stellung des
Basalzellenkarzinoms angefochten wird und kónnen gerade an diesem
Beispiele verstehen lernen, dass Borst die fraglichen Gebilde zu den
Endotheliomen hinzuzählt. Für uns steht aber das eine fest, dass,
während der Tumor der äusseren Nase eine hinsichtlich der histo-
logischen Struktur einheitliche Geschwulstform darstellt, der Tumor
der unteren Muschel mehrere, freilich verwandte Gewebsarten enthält.
Und von dieser Perspektive aus haben wir die beiden voneinander
sicher abhängigen Tumoren zu betrachten, und von dieser Perspektive
aus habe ich die Behauptung aufgestellt, dass in diesem Falle
das Karzinom der unteren Muschel sicher sekundärer Natur,
aber ebenso sicher nicht metastatisch sei. Als Erklärung können
nur zwei Möglichkeiten in Betracht kommen. Entweder ist der Tumor
des Nasenflügels, der, wie wir bereits früher nachgewiesen und
auf der Skizze (Fig. 3) schematisch angedeutet haben, die ganze
Dicke der Haut infiltriert und die innere Schleimhautauskleidung
des Nasenflügels wallartig vorgetrieben hat, per continuitatem
auf die untere Muschel hinübergewachsen, oder aber es handelt
sich um den seltenen Fall eines sogenannten Abklatschkar-
zinoms. Dass eine Kontinuität zwischen den beiden Tumoren’ nicht
bestand, ergab sich am deutlichsten bei der Operation, bei der der
erkankte Teil des Nasenflügels herausgeschnitten werden konnte, ohne
16 Leo Katz: Über das endonasale Karzinom. [16
dass irgend eine Verletzung der unteren Muschel mit dem ihr auf-
sitzenden Karzinom eingetreten wäre. Es bleibt also nur die An-
nahme des Abklatschkarzinomes übrig, wie solche an den gegenüber-
liegenden Flächen der Lippen, der Zunge und Wange, der Labien,
der Innenseite der Oberschenkel oder der Stimmbänder gelegentlich
beobachtet worden sind. Dafür spricht auch, dass die beiden sich
berührenden Flächen teilweise ulzeriert waren und dass dieselben, wie
bereits erwähnt, nicht miteinander verwachsen waren, was mit der
Sonde leicht festzustellen war. Als wichtigstes Argument ist aber
der Umstand anzuführen, dass die benachbarten Teile der beiden
Tumoren histologisch dieselbe Struktur aufweisen, und dass das Kar-
zinom der unteren Muschel erst allmählich die Übergänge zum typi-
schen Schleimhautkarzinom entwickelt hat, je mehr dasselbe in
seinem weiteren Wachstum vom primären Tumor sich entfernte
und dadurch von ihm unabhängig geworden war. Daraus erklären
sich die verschiedenen Strukturverhältnisse dieses Tumors. Der
primäre Anstoss zum Karzinom der unteren Muschel war in
diesem Falle die Implantation, die zufällige Verpflanzung von Ge-
schwulstzellen von ulzerierter Fläche zu anliegender ulzerierter
Fläche. Hier bieten also die Tumoren vollständig gleiche histo-
logische Strukturverhältnisse. Je weiter aber das Karzinom der unteren
Muschel in die Tiefe nach dem Muschelknochen zu dringt, um so
mehr verändert es den primären Typus und produziert die oben ge-
schilderten Übergänge zum Typus des wirklichen Schleimhautkar-
zinomes.
Auch aus diesem Umstande, dass der sekundäre Tumor, in unserem
Falle also das Karzinom der unteren Muschel, nicht genau dieselbe
Struktur aufweist wie das primäre Karzinom, können wir ableiten,
dass wir keine Metastase im landläufigen Sinne in ihm zu erblicken
. haben, insofern der metastasische Tumor immer die Zellart des
primären Tumors bewahrt. Trotzdem steht die Tatsache fest, dass
es sich hier um den seltenen Fall eines sekundären, nicht
metastasischen endonasalen Karzinomes handelt.
Atypische Nebenhöhlenoperationen.
Von
Prof. Dr. Preysing, Cöln.
Mit 5 Tafeln.
Bei mehreren Gelegenheiten habe ich in medizinischen Gesell-
schaften Fälle vorgestellt!) von Nasenoperationen, welche von den
üblichen Methoden abwichen. Es ist von Kollegen bis in die letzte
Zeit wiederholt bei mir angefragt worden, in welcher Weise ich in
diesen Fällen operiert habe, so dass ich trotz aller Scheu, etwa eine
neue Methode schaffen zu wollen, doch an einigen Bildern und mit
kurzen Worten schildern möchte, wie ich bei solchen besonderen Ge-
legenheiten vorgegangen bin.
Es handelt sich um Aufdeckungen des Nasen- und Nebenhöhlen-
gebietes entweder einer oder beider Nasenseiten, von aussen her
und zwar niemals bei einfachen Empyemen, sondern meist bei bös-
artigen Tumoren, welche vom Gebiet der oberen Nasen- und
Nebenhöhlen ausgingen (Stirnhöhle, Siebbein, Septum). Bei der
Ausdehnung der Geschwülste kam eine der üblichen Methoden, be-
sonders die Killiansche gar nicht in Betracht, da sie nicht im Ent-
ferntesten ausgereicht hätten, das Erkrankungsgebiet genügend zu
übersehen. Am meisten war ich anfangs noch geneigt den Gedanken-
gängen zu folgen, wie sie Winckler wiederholt dargelegt hat?). So
gab ich mir Mühe, durch temporäre Resektionen der vorderen
Stirnhöhlenwand und des Nasengerüstes den Tumoren beizukommen,
aber stets mit dem Erfolg, dass ich in einem bestimmten Stadium
1) Med. Gesellschaft zu Leipzig, 24. Okt. 1905. Gesellschatt sächs.-thüring.
Ohrenürzte Leipzig, 19. Mai 1906.
2) Zuerst auf d. D. Otolog. Ges. 1897 Dresden. (S. 161 ff. d. Verhandlungen.)
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 2
18 Prof. Dr. Preysing. [2
der Operation vor der Wahl stand, entweder auf eine radikale Ent-
fernung der Geschwulst zu verzichten oder auf die sorgam herge-
stellten Knochenlappen. Und da musste ich mich denn fiir das
letztere entscheiden. Ich habe auch in der Folge oft gefunden, dass
die schönsten osteoplastischen Pläne über den Haufen geworfen
wurden durch die Ausdehnung der vorliegenden Geschwulstbildung.
Darum empfehle ich jetzt nach meinen Erfahrungen, sobald die
Diagnose eines bösartigen Tumors im Gebiete der oberen Nase und
Nebenhöhlen feststeht, ohne Rücksicht auf die Kosmetik, gleich zu
Beginn der Operation die Vorderwand einer oder beider
Stirnhöhlen ganz wegzunehmen, das Septum ebenfalls hochbe-
ginnend und vom äusseren Nasengerüst entweder die ganze Nasen-
wurzel bis auf einen Rand um die Apertura piriformis, welcher den
vernähten Weichteilen der Nase später genügend Halt gibt, oder bei
einseitiger Operation die ganze eine Hälfte des äusseren
Nasengerüstes. Dazu kommt je, nach der Art der Erkrankung
Wegnahme des ganzen Orbhitaldaches des Siebbeins, vor allem wieder-
hole ich: möglichst viel vom knöchernen Septum, das weitet den
Überblick ausserordentlich.
Das klingt ja alles ein wenig rücksichtslos; aber ich hebe noch
einmal hervor: es handelt sich um Fälle, in welchen der Einsatz
gar nicht hoch genug sein kann, wenn man das Spiel gewinnen will,
und wir werden später an einzelnen Bildern sehen, dass die äussere
Verunstaltung in den Fällen, welche gleich vernäht werden, gar nicht
so gross ist, wie man zuerst fürchtet.
Besser als durch lange Beschreibungen lässt sich das, was zu
sagen ist, wohl an einigen Abbildungen Operierter zeigen:
Tafel VII gibt ein ungefáhres Bild von einer doppelseitigen Re-
sektion bei ausgedehntem Sarkom. Ich muss aber hervorheben,
dass dies Photogramm nicht am Schlusse der Operation aufgenommen
ist, sondern es ist in einem späteren Stadium noch das Sep-
tum weiter nach der Tiefe zu reseziert. Der stehenge-
bliebene Stumpf des Nasengerüstes ist aber endgültig. Die unter dem
oberen grossen Haken liegende Knochenplatte stellt die Tabula vitrea,
die Hinterwand der beiden beseitigten Stirnhöhlen dar. Die beider-
seitigen Siebbein- und die Stirnhöhlenböden sind vollständig entfernt
und der Orbitalinhalt liegt überall bis in die Tiefe abtastbar frei.
Denkt man sich noch das Septum dicht an der Lamina cribrosa
weiter weggenommen und beide Keilbeinhöhlen breit eröffnet, so hat
man einen ausgedehnten Überblick auch in beide Oberkieferhöhlen
und zwar jedesmal von der Gegenseite her. Den Orbitalinhalt lasse
ich, wie das Bild zeigt, nicht mit stumpfen Haken zur Seite nehmen,
3] Atypische Nebenhóhlenoperationen. 19
sondern absichtlich mit scharfen, welche aussen in der Haut einge-
setzt werden. Das drückt nicht unnötig die Bulbi und lässt das
eigentliche Operationsgebiet freier.
Der Hautschnitt ist ein T-Schnitt, bestehend aus einem Hori-
zontalschnitt über beide Supraorbitalränder und einem Vertikalschnitt
über den Nasenrücken. Letzterer führt in vorliegendem Falle nur
bis zur Grenze des knöchernen Nasengerüstes. Musste ich einseitig
operieren, so führte ich den Vertikalschnitt auf den Nasenrücken bis
in das Nasenloch und es wurde die eine Hälfte des Nasengerüstes
ausgedehnt reseziert. Das zeigt am besten die Abbildung Tafel VII.
Was die klinische Seite dieser beiden Fälle angeht, so handelt
es sich in Nr. I um ein ausgedehntes, schnellwachsendes kleinzelliges
Rundzellensarkom bei einem löjährigen Knaben, ausgehend wahr-
scheinlich von einer Epulis der linken oberen Prämolaren. Es nahm
beide Stirnhóhlen, beide Siebbeine und die linke Oberkieferhóhle ein.
Auffallend war bei dem Operationsbefund, wie die Schleimhaut beider
Stirnhóhlen nur wenig entzündlich gereizt, aber sonst intakt, in Tumor-
massen eingebettet lag. Die Geschwulst war überall zwischen Schleim-
haut und Knocheninnenfláche gewuchert. Die Operationswunde wurde
bis auf eine Stelle in der Mitte vernáht, der Patient blieb 4 Wocheu
rezidivfrei; aber dann zeigte sich zuerst ein kleines Rezidiv im linken
Wundwinkel, und da gleichzeitig ein Lymphdrüsenpaket in der linken
Achsel festzustellen war, so wurde von einer Nachoperation abgesehen.
Das Rezidiv wuchs so schnell, dass in wenigen Tagen unter menin-
gitischen Erscheinungen der Tod eintrat.
Der zweiteFall(Tafel VIII) war ein K arzinom, welches einseitig
operiert wurde. Es blieb rezidivfrei; aber 2 Monate nach der Operation
starb die Patientin unter Fiebererscheinungen, ohne dass sich bei der
Obduktion ein Rezidiv oder irgend eine Todesursache gefunden hätte.
Glücklicher verliefen alle anderen operierten Fälle, von welchen
ich noch einige abbilde. Da ist zunächst der Fall auf Tafel IX
(Abbildung 3 und 4). Die 50jáhrige Patientin hatte ein grosses Sar-
kom des Septums. Ich konnte sie 2 Jahre rezidivfrei beobachten.
Hier ist die ganze rechte Hälfte des Nasengerüstes rezesiert, ebenso
das knöcherne Septum. Beide Stirnhöhlen sind beseitigt. Trotzdem
kann man mit dem kosmetischen Effekt wohl zufrieden sein. Ich
bitte dabei in Betracht zu ziehen, dass die photographische Aufnahme
kurze Zeit nach der Operation gemacht ist und dass von der auf
dem Bilde noch deutlichen Horizontalnarbe später fast gar nichts
mehr zu sehen war.
Ähnlich verlief ein anderes Septumsarkom, von welchem ich
leider keine Abbildung besitze.
2*
90 Prof. Dr. Preysing. [4
Abbildung 5 stammt von einem 44jährigen Patienten mit
schweren Noma-ähnlichen Nekrosen, welche vom rechten Oberkiefer
auf die oberen Nasenhöhlen übergegangen waren. Nach Lage der
ganzen Erkrankung war hier zuerst die rechte Oberkieferhöhle von
der Gaumenplatte her eröffnet und da sich von hier aus das Er-
krankungsgebiet nicht beherrschen liess, wurde die Aufklappung der
Nase und Resektion der Stirnhöhlen und des Septums vorgenommen.
Septum und Keilbeinhöhlungwandungen waren nekrotisch. Die Opera-
tion gab guten freien Überblick, es konnte alles kranke entfernt werden
und der ziemlich verzweifelte Fall heilte aus. Das Bild (5) stellt die
Operationsnarbe nach über 5 Monaten dar. Auch hier konnte der
Patient mit Rücksicht auf die Schwere der Erkrankung mit der
Narbe wohl zufrieden sein. (Ich habe manche ,typische^ Stirnhóhlen-
operation von renommiertesten Händen gesehen, bei welcher die Narben
weit entstellender waren, das an Empyem aber nicht einmal
immer beseitigt war.)
Abbildung 6 zeigt eine 60jáhrige Frau, 3!/» Wochen nach
der Operation. Hier wurde nur teilweise vern&ht, weil es sich um
einen ganz ausserordentlich grossen Tumor handelte, ein scheinbar
aus der Gegend des rechten Siebbeins entpringendes Fibro-Adenom
mit karzınomatöser Entartung. Die Entwickelung einer einseitigen
Geschwulst von solcher Grösse hatte ich in der Nase überhaupt noch
nicht gesehen. Alle vorhandenen Knochenwände, auch die harte
Gaumenplatte, war z. T. zum Schwund gebracht. Die Geschwulst
hatte sich mit ihren Ausläufern in alle Nebenhöhlen beider Seiten
ausgedehnt und füllte auch den ganzen Nasenrachenraum, war dabei
aber noch ganz einheitlich und wenn man so will, breitgestielt im
Gebiet der Lamina cribrosa und des rechten Siebbeines. Sie blutete
ausserdem bei der geringsten Berührung so stark, dass keiner der
mir zur Verfügung stehenden Kollegen überhaupt mehr an eine
Probeexzision heranging. Interessant war, dass nirgends, ausser im
Ursprungsgebiet, die Schleimhaut zerstört war. Am erstaunlichsten
war diese Wirkung auf die Nasenscheidewand. Zunächst erschien
diese vollständig geschwunden und die Geschwulst schien von der
rechten Nasenseite, nachdem hier alle Höhlen ausgefüllt waren
unter Einschmelzung des Septums nach der linken Oberkieferhóhle
hineingewuchert zu sein. Als aber, nach vollständiger Ausräumung
des Tumors, vom linken Nasenloch aus sondiert wurde, stiess man
gleich am Eingang auf einen Widerstand, eine Schleimhautmembran,
welche sich stumpf in weiter Ausdehnung aus der linken Oberkiefer-
höhle ohne Mühe herausbob und sich als der Rest der Nasenscheide-
wand erwies. Sie war unter Schwund des Knochens als Schleimhaut-
5] Atypische Nebenhöhlenoperationen. 2]
duplikatur vor dem Tumor her in die linke Oberkieferhóhle hinein-
getrieben. Die Grösse der Geschwulst lässt sich hiernach vorstellen:
sie war reichlich von dem Umfang einer Erwachsenenfaust. Bei
ihrem zentral malignen Charakter hielt ich es doch für geboten, mir
das Ursprungsgebiet unmittelbar übersichtlich zu erhalten, durch die
persistente Öffnung, wie sie auf der Abbildung (6) sichtbar ist. Nach
längerer Beobachtungszeit wollte ich dann die Öffnung sekundär
schliessen. ®/s Jahre konnte ich auch die Frau noch rezidivfrei be-
obachten, habe aber über ihr weiteres Schicksal nichts mehr gehört,
da ich nach einem anderen Wirkungskreis verschlagen wurde.
Dieser letzte Fall darf nicht als Beispiel dafür genommen werden,
dass man sich von dieser Art zu operieren abschrecken liesse, nur
weil zunächst eine stärkere Entstellung im Gesicht entstünde. Ich
setze ja immer voraus, dass es sich um schwerste Erkrankungen
handelt, um bösartige Geschwülste oder dergleichen, bei wel-
chen das erste Erfordernis in der gründlichen Entfernung des Kranken
besteht und nicht in dem schönen Aussehen der Operationsnarben.
Immerhin zeigen aber doch auch die Abbildungen 3, 4 und 5, dass
nicht notwendigerweise eine abschreckende Entstellung die Folge der
Operation sein muss.
Ich darf nebenbei wohl noch hervorheben: dass ich wesentliche,
dauernde Sehstörungen nach der Operation nicht erlebt habe.
Schliesslich bemerke ich noch, dass ich die Art, wie in den ge-
schilderten Fällen operiert wurde, nicht-als ein prinzipielles Vor-
gehen empfohlen wissen möchte, sondern dass es durch die Art der
Erkrankung mehr oder weniger vom einzelnen Falle erzwungen
werden kann. |
Wie man zu starken Abweichungen von den üblichen Operationen
gedrängt werden kann, das zeigt eine ganz anders geartete Erkran-
kung bei einem Patienten, welcher in Figur 7 und 8 abgebildet ist.
Hier habe ich die rechte Oberkieferhöhle breit von der Orbita
aus eröffnen müssen, neben einer gleichzeitigen Radikaloperation der
rechten Stirnhöhle und des rechten Siebbeines. Der junge Mann
hatte ein universales, chronisches Empyem aller Nebenhöhlen der
rechten Nasenseite, welches nach aussen an zwei Stellen durch-
gebrochen war: erstens durch die Lamina papyracea nach dem inneren
Augenwinkel und zweitens von der Oberkieferhóhle am unteren Or-
bitalrande in die Orbita. Beidé kariósen Fistelstellen sind auf Bild 7
in Gestalt der beiden Granulationsknópfe zu sehen. Bei der Operation
hielt ich es für geboten, mich an diese Stellen als Basis zu halten.
Die in Fig. 7 eingezeichneten Schnitte zeigen deutlich, in welcher
Weise Stirnhóhle, Siebbein- und Oberkieferhóhle einheitlich eróffnet
22 ‚Prof. Dr. Preysing: Atypische Nebenhóhlenoperationen. [6
wurden. Es bestand ausgedehnte Caries, eine fast einheitliche Ab-
szesshöhle und von Spangenbildung nach Killian und anderen kon-
servativen Hilfsmitteln konnte nicht die Rede sein. Der Orbitalin-
halt wurde ringsum isoliert. Bild 8 zeigt das Operationsergebnis
nach 8 Tagen; die obere Hälfte der Wunde war primär vernäht.
Im Laufe der Nachbehandlung hat sich das auf dem Bilde noch ent-
stellende Loch geschlossen, ohne dass eine auffallendere Narbe sicht-
bar war. Es bestand nur eine tiefere untere Lidfalte und in ihr
für eine allerfeinste Sonde durchgängig ein schwer auffindbarer, mit
Haut überkleideter Fistelgang.
Über die intrakraniellen und zerebralen Kom-
plikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen.
Von
Prof. A. Onodi, Budapest.
In der Atiologie der intrakraniellen und zerebralen Komplikationen
der Nasennebenhóhlen spielt die Infektion und die Fortpflanzung des
entzündlichen Prozesses eine Hauptrolle. Die Infektion kann ihren
Weg sowohl durch die Gewebe als durch die Gefässe nehmen. Die
Infektionsträger sind besonders die Streptokokken und die Staphylo-
kokken, von dem Grade ibrer Virulenz hängt die Raschheit des Fort-
schreitens der Infektion ab. Der Infektionsweg ist in der Kontinuität
der Gewebe und durch die Gefässe festgestellt, die Bakterien waren
sowohl in der Kontinuität der Nebenhöhlenschleimhäute als um und
in den Gefässen anzutreffen. Die Läsion der Nebenhöhlenschleimhaut,
die gesteigerte Virulenz der Infektionsträger, die Thrombose der in
der Schleimhaut verlaufenden Venen bedingt die Miterkrankung der
Knochenwände und die direkte Kontaktinfektion des Schädelinhaltes.
Die Thrombophlebitis, der Zerfall des Thrombus, die in die Gefäss-
bahnen geratenen Bakterien führen mit der Fortpflanzung des Pro-
zesses zu lokalen und allgemeinen Erscheinungen. Die Thrombose
der ın der Nebenhöhlenschleimhaut verlaufenen Venen kann sich durch
den Knochen zur Dura mater und von hier zu den Blutleitern der
Schädelhöhle fortsetzen. Die häufige Erkrankung der die Schädel-
höhle trennenden dünnen Knochenwände der Nebenhöhlen können zu
Verwachsungen der zerebralen Nebenhöhlenwände mit den Gehirn-
häuten und mit dem Gehirn, ferner neu entstandenen Gefässver-
bindungen führen.
Die intrakraniellen und zerebralen Komplikationen der Nasen-
nebenhöhlen können infolge einer direkten Kontaktinfektion, in der
24 À. Onodi. [2
Kontinuität der Gewebe entstehen, diese direkte Kontaktinfektion
kann durch angeborene oder erworbene Knochendehiszenzen in hohem
Masse begünstigt werden. Die Komplikationen kónnen auch ganz
direkt durch die Erkrankung der zwischen der Nebenhöhlenschleimbaut
und zwischen den Gehirnháuten und Blutleitern bestehenden Venenana-
stomosen und durch die in diese Bahnen geratenen Bakterien verur-
sacht werden. Die indirekte Entstehung der intrakraniellen und
zerebralen Komplikationen kann einerseits durch die sekundäre Er-
krankung der die Schädelhöhle begrenzenden Nebenhöhlen, anderer-
seits durch die Erkrankung der entfernter gelegenen Gefässstämme
und Venenanastomosen, ferner durch die Erkrankung des Augenin-
haltes durch Vermittelung der Augenhöhlenwände, der Augennerven
und der Sehnerven bewirkt werden. Den Lymphgefässen fällt auch
eine Rolle zu sowohl bei der direkten als bei der indirekten Infek-
tion des Schädelinhaltes.
Was die direkte Kontaktinfektion des Schädelinhaltes betrifft,
so kommen diesbezüglich die Grösse der Nebenhöhlen, die Ausbrei-
tung ihrer zerebralen Knochenwände in der vorderen, in der mittleren
und in der hinteren Schädelgrube, ferner die Stärke und Dicke dieser
Knochenwände, ihre Dehiszenzen und die durchtretenden Gefässe,
die Nebenhóhlenschleimhaut, Diploe, Gehirnháute und Blutleiter der
Schädelhöhle in Betracht. Dass die Grösse der Nebenhöhlen ein
ätiologisch begünstigendes Moment bei der Entstehung der Neben-
höhlenerkrankungen und ihrer Komplikationen bilden kann, ist selbst-
redend. Wenn man aber aus den einzelnen anatomischen Angaben
und aus dem Ergebnis einer Krankenstatistik, wie dies Gerber be-
züglich der Stirnhöhble tut, annimmt, dass die linke Stirnhöhle grösser
ist und daher auch leichter erkranken kann, dann muss dieser An-
nahme die anatomische Grundlage entzogen werden, da es sich, so-
wohl die anatomische Ausdehnung der linken Stirnhöhle und ihre
häufigere Erkrankung betreffend, nur um einen Zufall handeln kann.
Unsere radiographischen Aufnahmen der Stirnhöhlen an 1200 Schädeln
zeigen in horizontaler und vertikaler Richtung in einem Drittel die
Stirnhöhlen auf beiden Seiten, in einem Drittel auf der rechten Seite
und in einem Drittel auf der linken Seite annähernd gleich gross
entwickelt.
Mit der grösseren Entwickelung der einzelnen Nebenhöhlen steht
die grössere Zahl der Venenanastomosen zwischen Nebenhöhlenschleinı-
haut und duralem und meningealem Venennetze, ferner die grössere
Berührungsfläche der einzelnen Nebenhöhlen mit der Dura mater der
einzelnen Schädelgruben in Zusammenhang. Diese Tatsachen sind
wichtige begünstigende Faktoren in der Ätiologie der intrakraniellen
— ze =
— — —
3] Über die Komplikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen. 2
und zerebralen Komplikationen. Die histologisch und makroskopisch
nachgewiesenen Veränderungen der zerebralen Nebenhöhlenwände
bilden die Beweise der direkten Kontaktinfektion des Schädelinhaltes
in einem erheblichen Prozentsatze. Perforationen der einzelnen Neben-
höhlen in der vorderen und in der mittleren Schädelgrube sind häufig
beobachtet worden.
Zumeist schliesst sich an die Erkrankung der zerebralen Neben-
höhlenwände die Entzündung des entsprechenden Gebietes der Dura
mater an, auf diese Weise kann eine Pachymeningitis interna und
ein intraduraler Abszess entstehen. Im weiteren Verlaufe oder durch
eine direkte Infektion kann Leptomeningitis, Thrombophlebitis und
Gehirnabszess auftreten, wobei auch die Nebenhöhlenvenen, die Di-
ploevenen und die direkten und indirekten Venenanastomosen mit
dem duralen und meningealen Venennetze eine Rolle spielen kónnen.
Zuerst wollen wir die zerebralen Wande der einzelnen Neben-
höhlen betrachten. Die Stirnhöble hat gewöhnlich im Schuppenteile
des Stirnbeines eine mittelgrosse Ausdehnung, welche zumeist nur
dem Gebiete des Gyrus frontalis medius entspricht, mit der Begren-
zung der horizontalen Platte des Stirnbeines berührt die Stirnhöhle
das Gebiet des Sulcus fronto-marginalis, den Übergang der Konvexität
zur unteren Fläche des Stirnlappens, letztere kann auch je nach der
Ausdehnung der Stirnhöhle an der oberen Augenhöhlenwand begrenzt
werden. Bei extremen Ausdehnungen kann die Stirnhöhle die ganze
vordere Schädelgrube begrenzen, ja sie kann sich auch, wie wir es
einmal beobachteten, in der mittleren Schädelgrube zwischen der Fis-
sura orbitalis superior und der Schläfengrube ausbreiten.
In solchen Fällen kann die Stirnhöhle zu dem Sehnerven, der
die Schädelhöhle durch das Foramen opticum verlässt und zu den
Augennerven, die die Schädelhöhle durch die Fissura orbitalis supe-
rior verlassen, ferner zur unteren Fläche des Stirnlappens und zum
vordersten Teil des Schläfelappens in ein Nachbarverhältnis geraten.
Nach oben kann sich die Stirnhöhle nach unseren Beobachtungen
über 4 bis 7,5 cm im Gebiete des Gyrus frontalis superior und
medius erstrecken. Die Stirnhöhle kann sich asymmetrisch auf das
Gebiet des entgegengesetzten Stirnlappens erstrecken, diese Ausbrei-
tungen auf dem Gebiete des kontralateralen Stirnlappens schwankte
in unseren Fällen zwischen 10 und 35 mm iu der Breite.
Ausser den erwähnten ätiologischen Faktoren kann durch Er-
krankung der zerebralen Stirnhöhlenwand und ihre Perforation neben
den Komplikationen der Hirnhäute ein Abszess im konvexen Teile
und an der Basis des Stirnlappens entstehen, ausserdem kann auch
auf diese Weise ein Abszess im Schläfelappen, ferner im Stirnlappen
26 À. Onodi. 5 [4
der anderen Seite auftreten. Die erwähnten Asymmetrien der Stirn-
höhlen geben auch die morphologische Grundlage zur Erklärung der
Entstehung kontralateraler und doppelseitiger Gehirnabszesse bei
einer einseitigen Stirnhöhlenerkrankung.
Die Siebbeinzellen bilden den Querdurchmesser des Siebbeinlaby-
rinthes entsprechend medialwärts einen Teil der vorderen Schädel-
grube. Die Frontoorbitalzellen können sich in der vorderen Schädel-
grube ausdehnen, in unseren Fällen schwankte die Breite der vorderen
Frontoorbitalzellen zwischen 10 und 29 mm, die Breite der hinteren
Frontoorbitalzelle zwischen 12 und 21 mm, diesen Ausdehnungen ent-
sprechend können sie die untere Fläche des Stirnlappens begrenzen.
Die hinterste oder sphenoidale Siebbeinzelle erstreckt sich in das
Gebiet des Keilbeines. In unseren Fällen schwankte ihre Breite
zwischen 8 und 40 mm. Sie kann die Hälfte der Sella turcica bilden
und sich bis zur Fissura orbitalis superior und zum Foramen rotun-
. dum erstrecken. Die hintersten Siebbeinzellen kónnen, nach unseren
Beobachtungen, auf beiden Seiten oder nur auf der einen Seite in
engere Beziehung treten zu den einzelnen Wänden des Canalis opticus
und zu den einzelnen Abschnitten des Sulcus opticus, ferner kann
sowohl die rechte als die linke hinterste Siebbeinzelle den Canalis
opticus und den Sulcus opticus, somit die vordere Schädelgrube der
entgegengesetzten Seite begrenzen.
Die Siebbeinzellen berühren zumeist an der unteren Fläche des
Stirnlappens das Gebiet des Gyrus rectus und eines Teiles des Gyrus
orbitalis. Die Frontoorbitalzellen können in einer gewissen Ausdeh-
nung die ganze untere Fläche des Stirnlappens berühren. Die hinterste
Siebbeinzelle kann in der Mitte dem Gebiete des Tuber cinereum
entsprechen, lateralwärts kann sie das Gebiet des Schläfelappens be-
rühren. In einzelnen Fällen kann sich die hinterste Siebbeinzelle auf
das Gebiet der unteren Fläche des Stirnlappens auf der anderen
Seite erstrecken.
Ausser den erwähnten ätiologischen Faktoren kann durch Er-
krankung der zerebralen Wände der Siebbeinzellen und ihre Perfo-
ration neben den Komplikationen der Hirnbüute, ein Abszess im
Stirnlappen und im Schläfelappen derselben Seite, ferner im Stirn-
lappen der anderen Seite entstehen, ausserdem das Chiasma, der
Sehnerv derselben und der anderen Seite erkranken.
Die Keilbeinhöhle hat zwei zerebrale Wände, die obere und die
seitliche Keilbeinhöhlenwand, welche einen Teil der mittleren Schädel-
grube bilden. Gewöhnlich bildet die obere Keilbeinhöhlenwand die
Sella turcica und begrenzt die Hypophysis, die seitliche 'Keilbein-
hóhlenwand mit dem Sulcus carotis kommt mit der Carotis interna
5] Über die Komplikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen. 27
und dem Sinus cavernosus in Berührung. Die Sella turcica kann
aber nur teilweise oder in gar keiner Weise von der Keilbeinhóhlen-
wand gebildet werden. Sie kann sich asymmetrisch, wie unsere Be-
obachtungen zeigen, auf die vordere und mittlere Schädelgrube der
entgegengesetzten Seite erstrecken, ferner kann sie sich in der
Mittellinie oberhalb der Nasenscheidewand vom Ostium sphenoideale
1,5 cm nach vorne ausdehnen und kann auf diese Weise in der
Mittellinie beide vordere Schädelgruben berühren. Die grösste Breite
der Keilbeinhöhle sahen wir mit 6 cm. Die Keilbeinhöhle kann auf
beiden Seiten oder nur auf der einen Seite mit den einzelnen Wänden
des Canalis opticus und mit den einzelnen Abschnitten des Sulcus
opticus in ganz enger Beziehung stehen, ebenso kann auch nach
unseren Beobachtungen die rechte und die linke Keilbeinhöhle den
Canalis opticus und den Sulcus opticus der entgegengesetzten Seite
begrenzen.
Die Keilbeinhöhle kann auch die hintere Schädelgrube begrenzen
in verschiedener Ausdehnung, so sehen wir in einem Falle die Keil-
beinhöhle 10 mm vom Dorsum sellae an sich noch 30 mm am Clivus
erstrecken. Die Keilbeinhöhle liegt zumeist im Gebiete des Tuber
cinereum und der Schläfelappen. Sie kann auch die untere Fläche
des Stirnlappens auf derselben und auf der entgegengesetzten Seite
berühren, ferner den Schláfelappen der anderen Seite und schliesslich
die Brücke.
Ausser den erwühnten átiologischen Faktoren kann durch Er-
krankung der zerebralen Wände der Keilbeinhöhle und ihre Perfo-
ration neben den Komplikationen der Hirnhäute ein Abszess im Stirn-
lappen und im Schläfelappen derselben und der anderen Seite ent-
stehen, ausserdem der Pedunculus cerebri und die Brücke, ferner
der Sehnerv derselben und der anderen Seite erkranken. Ebenso
können die im Sinus cavernosus verlaufenden Nervenstämme erkranken,
ferner die Arterienstämme und die venösen Blutleiter, worüber bei
den Gefässen ausführlicher die Rede sein wird.
Die Fortpflanzung des pathologischen Prozesses in der Kontinuität
der Gewebe, die direkte Kontaktinfektion kann bei Vorhandensein
angeborener oder erworbener Knochendehiszenzen und eines Semi-
canalis ethmoidalis sehr begünstigt werden. Wir haben einen Semi-
canalis ethmoidalis gefunden und beschrieben; dieser Halbkanal ver-
läuft in verschiedener Länge vom Foramen ethmoidale anterius an
der Wand der Stirnhöhle oder der Frontoorbitalzellen zur vorderen
Schädelgrube. In diesem Halbkanal verlaufen die Ethmoidalvenen,
frei von der Nebenhöhlenschleimhaut bedeckt, in den bezeichneten
Höhlen. Über die Verbindung der Ethmoidalvenen mit dem duralen
28 A. Onodi. [G
Venennetze und über die Entstehung einer Thrombophlebitis wird
später die Rede sein. Bei dieser Gelegenheit wollen wir nur darauf
hinweisen, dass an den betreffenden Enden dieses Halbkanales die
Nebenhöhlenschleimhaut das orbitale Periost und die Dura mater be-
rührt, letztere dort, wo der Semicanalis ethmoidalis mit einem läng-
lichen Spalt in der vorderen Schädelgrube endet. Infolge dieses Zu-
sammenhanges kann sich ausser der Thrombophlebitis der Ethmoidal-
venen, die Fortpflanzung der Entzündung, der krankhafte Prozess
direkt auch auf die Dura mater fortsetzen. Die orbitale Fortpflan-
zung der Entzündung wird bei der indirekten Entstehung der intra-
kraniellen Komplikationen berührt werden. Einigemal sahen wir den
Semicanalis ethmoidalis in der Stirnhöhle, in drei Fällen schwankte
` seine Länge zwischen 5 und 8 mm, in einem Falle, wo die Stirn-
höhle mit einer die Stebbeinzellen vertretenden Höhle zusammenfloss,
setzte sich der 16 mm lange Semicanalis ethmoidalis an der lateralen
Stirnhöhlenwand nach unten fort. Die Länge des Semicanalis ethmo-
idalis schwankte in der vorderen Frontoorbitalzelle zwischen 7 und
10 mm, in der hinteren Frontoorbitalzelle zwischen 4 und 10 mm.
Bei vorhandenen angeborenen oder erworbenen Knochendehis-
zenzen kann die Schleimhaut der Nebenhöhlen in direkte Berührung
kommen mit der Periorbita, der Dura mater und der Sehnerven-
scheide und auf diese Weise kann sich der krankhafte Prozess leicht
auf die bezeichneten Teile direkt fortsetzen. Ausserdem können die
Dehiszenzen der Gefássfurchen zur Erkrankung der betreffenden Ge-
fásse führen, worüber noch spáter verhandelt wird.
Angeborene physiologische Knochendehiszenzen beobachteten an
der hinteren zerebralen Stirnhöhlenwand Mouret, Lindt, Castex,
Cisneros und Jaques: Zuckerkandl sah eine aus einer Alters-
atrophie entstandene Dehiszenz der zerebralen Stirnhöhlenwand an
der horizontalen Platte des Stirnbeines, wodurch die Stirnhöhle mit
der vorderen Schádelgrube kommunizierte. Wir beobachteten teils
die starke Verdünnung der oberen Wand der zwischen den Lamellen
der oberen Orbitalwand sich befindenden Stirnhóhle, teils einzelne
punktfórmige und lineare Dehiszenzen. Was die Dehiszenz des Ca-
nalis opticus betrifft, so beobachteten dieselben Gallmaerts in
200 Fällen zweimal, Holmes in 50 Fällen zweimal und wir in 300
Fällen einmal. Was die Dehiszenzen physiologischer Herkunft der
Keilbeinhöhlenwandungen betrifft, so beobachtete Zuckerkandl
an der seitlichen Wand kleine Lücken, Dehiszenzen, welche die Keil-
beinhóhle mit der mittleren Schädelhöhle verbinden. Spee beobach-
tete in einem Falle einen Defekt im Sulcus caroticus. Wir haben
an mehreren Schädeln Gefässlücken beobachtet, manchmal symmetrisch
«] Über die Komplikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen. 29
auf beiden Seiten unmittelbar unter der lateralen Wurzel des kleinen
Keilbeinfliigels. In einzelnen Fällen ziehen zu diesen Gefässlücken
Gefässfurchen, an welchen kleinere, grössere, längliche Dehiszenzen
vorkamen.
Ätiologisch ist ferner wichtig die Stärke, Dicke der zerebralen
Knochenwände der Nebenhöhlen, ferner die kompakte Beschaffenheit
dieser Wände und ihre schwammige, gefässreiche Diploe. Sie können
die Fortleitung des krankbaften Prozesses, die Destruktion, die Zir-
kulationsstörungen und die Fraktur begünstigen oder erschweren und
verhindern. Nach unseren Beobachtungen schwankte die Dicke der
zerebralen Stirnhöhlenwand im Schuppenteile zwischen 1 und 7 mm,
ım orbitalen Teile zwischen 1 und 4 mm. Die Dicke der zerebralen
Knochenwande der Siebbeinzellen schwankte zwischen 1 und 8 mm.
Die Dicke der oberen zerebralen Keilbeinhöhlenwand schwankte zwi-
schen 1 und 14 mm, und die der hinteren zerebralen Keilbeinhöhlen-
wand zwischen 1 und 20 mm. Die zerebralen Knochenwánde der
Nebenhóhlen können auch dünner als 1 mm, äusserst dünn, seiden-
papierdünn sein. Die Knochenwand zwischen der hintersten Sieb-
beinzelle und dem Canalis opticus und Sulcus opticus ist zumeist
áuserst dünn, seidenpapierdünn, in einigen Füllen war sie 1 bis 2 mm
dick. Zwischen der Keilbeinhóhle und dem Canalis opticus und
Sulcus opticus haben wir ófters eine stárkere Scheidewand gefunden,
die Dicke dieser Scheidewand schwankte zwischen 1, 2, 3, 4, 5, 9
und 12 mm. Es ist klar, dass eine kompakte, gefássarme, mit keiner
oder schwach entwickelter Diploe versehene zerebrale Knochenwand je
nach ihrer Stárke und Dicke der direkten Kontaktinfektion im Wege
liegen kann, die Fortpflanzung des pathologischen Prozesses, die De-
struktion, die Perforation und die Fraktur der Knochenwinde er-
schweren oder verhindern kann. Je dicker und kompakter die
zerebrale Nebenhóhlenwand ist, um so grósser ist ihre schützende
und verhindernde Rolle bezüglich der intrakraniellen Komplikationen.
Umgekehrt ist die grosse Dünnheit der zerebralen Nebenhöhlenwände
als ein sehr begünstigender Faktor der direkten Kontaktinfektion zu
betrachten, ebenso begünstigen die schwammigen, gefässreichen dicken
Diploeschichten der zerebralen Nebenhöhlenwände die leichtere Ent-
stehung der Gefässerkrankungen und der Komplikationen der Hirn-
häute und des Gehirnes. Die erwäbnten äusserst dünnen die Seh-
nerven begrenzenden Knochenwände begünstigen in hohem Masse die
Zirkulationsstörungen, den Druck, das Übergreifen des entzündlichen
Prozesses auf die Sehnervenscheide und auf die Sehnerven, welche
zu Sehnervenstörungen und auch bleibender Erblindung führen können.
30 A. Onodi. [8
In der Átiologie der intrakraniellen Komplikationen spielen eine
sehr wichtige Rolle die direkten und die indirekten Infektionen durch
die Gefässbahnen. Bevor wir diese Frage besprechen, wollen wir die
indirekte Entstehung der Komplikationen durch die sekundäre Er-
. krankung der die Schádelhóhle begrenzenden Nebenhöhlen und durch
die Erkrankung des Augenhóhleninhaltes berühren.
Ebenso wie die Fortpflanzung des entzündlichen Prozesses, die
Infektion in der Kontinuitát der Gewebe, als direkte Folgeerschei-
nungen der Kontaktinfektion, die intrakraniellen und zerebralen
Komplikationen hervorrufen kónnen, kann das Übergreifen des krank-
haften Prozesses der einzelnen Nebenhóhlen durch die gemeinschaft-
lichen Scheidewände auf die benachbarten Nebenhöhlen stattfinden
und ihre sekundäre Erkrankung hervorrufen. Auf diese Weise kann
durch die sekundär erkrankte und die- Schädelhöhle begrenzende
Nebenhöhle die indirekte Infektion des Schädelinhaltes erfolgen. Die
Kieferhöhle kann gemeinschaftliche Scheidewände mit der Keilbein-
höhle und mit den Siebbeinzellen haben. Die gemeinschaftliche
Scheidewand zwischen Kieferhöhle und Keilbeinhöhle haben wir be-
schrieben und in sieben Fällen beobachtet, ihre Breite schwankte
zwischen 4 und 10 mm. Die gemeinschaftliche Wand zwischen Kie-
ferhöhle und Siebbeinzelle betreffend baben wir einigemal eine Aus-
dehnung von 6 bis 10 mm beobachtet. Eine Kommunikation zwischen
der Kieferhöhle und der hinteren Siebbeinzelle hat Zuckerkandl
beschrieben, wir beobachteten eine Kommunikation zwischen Kiefer-
hóhle und vorderer Siebbeinzelle. Somit kann sich die Fortpflanzung
der pathologischen Prozesse durch die gemeinschaftliche Scheide-
wand von der Kieferhöhle auf die Keilbeinhöhle fortsetzen, ferner
von der Kieferhöhle durch die gemeinschaftlichen Scheidewände und
durch die Kommunikationen auf die Siebbeinzellen erstrecken, und
von diesen sekundär erkrankten Höhlen kann die indirekte Infektion
des Schädelinhaltes erfolgen. Die Stirnhöhle hat gemeinschaftliche
Scheidewände mit den Siebbeinzellen und mit der Keilbeinhöhle, es
kann eine Kommunikation mittelst eines Foramen interfrontale zwi-
schen beiden Stirnhöhlen bestehen, ferner kann die Stirnhöhle mit
den Frontoorbitalzellen kommunizieren. Die erstere Kommunikation
beobachteten wir in einem Falle, die letztere in fünf Fällen. Die
sekundäre Erkrankung der erwähnten Höhlen kann sowohl durch die
eventuell vorhandenen Kommunikationen als durch das direkte
Übergreifen des Prozesses auf die gemeinschaftlichen Scheidewände
entstehen. Die Siebbeinzellen haben gemeinschaftliche Scheidewände
ausser der erwähnten Stirnhöhle und Kieferhöhle, mit der Keilbein-
höhle; gewöhnlich ist eine Scheidewand zwischen der hintersten Sieb-
9] Über die Komplikationen der Nasennebenhöhlenerkrankungen. 3l
beinzelle und der Keilbeinhöble vorhanden, wir beobachteten auch in
einem Falle eine gemeinschaftliche Scheidewand zwischen der Bulla
ethmoidalis und der Keilbeinhóhle. Die Keilbeinhóhle kann mit der
Kieferhöhle, mit der Stirnhóhle und mit den Siebbeinzellen. gemein-
schaftliche Scheidewände haben. Wir beobachteten ausserdem noch
gemeinschaftliche Scheidewände einer rechten Keilbeinhöhle mit
beiden hintersten Siebbeinzellen und gemeinschaftliche Scheidewände
der linken hinteren Siebbeinzelle mit beiden Keilbeinhöhlen. Die
gemeinschaftlichen Scheidewände sind zumeist sehr dünn und können
leicht erkranken. Sowobl die physiologischen Kommunikationen als
die Perforationen können gegenseitig die benachbarten Nebenhöhlen
in Mitleidenschaft ziehen und durch die Gefässverbindungen oder
durch eine Kontaktinfektion indirekt die Komplikationen der Hirn-
háute und des Gehirnes verursachen.
Wir fassen noch jene Verbindungen der Venenstimme: und
Venennetze zusammen, welche die direkte und indirekte Infektion des
Schädelinbaltes, ferner die direkte und indirekte Entstehung der Zir-
kulationsstérungen, der Thrombophlebitiden und Thrombosen erklären.
Die Tatsache, dass die Venen der Nebenhóhlen miteinander und
ausserdem durch den Knochen mit den Gehirnháuten zusammenhängen,
hat neuerdings auch Killian bestätigt. Die von Zuckerkandl
nachgewiesenen, direkten Verbindungen mit dem meningealen Venen-
netze, die von Zuckerkandl, Kuhnt und Killian nachgewiesenen
Verbindungen der Diploevenen mit dem duralen Venennetze, der von
Zuckerkandl beobachtete, in der Siebbeinzelle frei verlaufende
Venenast und die von uns beschriebenen, teilweise frei verlaufenden
Ethmoidalvenen im Semicanalis ethmoidalis geben die morphologische
Grundlage zur Entstehung direkter meningealer und zerebraler Kom-
plikationen. Die mit diesen Verbindungen zusammenhängenden, ent-
fernter gelegenen Venenstämme und Venennetze können indirekt zu
den erwähnten Komplikationen führen. Die Venen der Nasenschleim-
haut stehen in Zusammenhang mit der Gesichtsvene, die vorderen
Ethmoidalvenen hängen mit der Dura und Pia mater zusammen,
ferner die Venenstämme der Nasenschleimhaut mit den Gaumen- und
Pharynxvenen, mit den Venennetzen der Fossa pterygopalatina. Das
Venennetz des Tränennasenganges und des Tränensackes hängt mit
der Vena facialis anterior, mit der Vena ophthalmica und Vena
infraorbitalis zusammen. Die von Zuckerkandl beschriebene Vena
lacrimofacialis hängt mit einem stärkeren Venenzweig zusammen,
welcher aus den vorderen Siebbeinzellen stammt und das Tränenbein
durchbohrt. Das Venennetz der Kieferhöhle steht mit einem Venen-
ast, der die Kieferhöhlenwand durchbohrt, mit der Vena ophthalmica
32 A. Onodi. [10
facialis in Verbindung. Nach Kuhnt, Zuckerkandl und Gur-
witsch stehen die Venae perforantes mit dem duralen Venennetz
in Verbindung. Die Venen der Stirnhöhle durchsetzen die untere
Stirrhöhlenwand und münden in die Vena ophthalmica superior
oder in die Vena supraorbitalis, die vordere Stirnhöhlenwand durch-
setzenden Venen münden in die Vena frontalis oder in die Vena
supraorbitalis. Die Diploevenen hängen mit der Vena frontalis,
mit dem Durafortsatze des Foramen coecum und mit dem Sinus
longitudinalis superior zusammen. Die die hintere Stirnhöhlenwand
durchsetzenden Venen stehen mit den Venen der Dura und mit
dem Conus des Foramen coecum in Verbindung. Die Vena ethmo-
idalis anterior und posterior ergiessen sich in die Vena ophthalmica
superior. Die Vena ethmoidalis anterior kann eine Verbindung mit
der Vena angularis und der Vena supraorbitalis eingehen. Die Vena
ethmoidalis anterior kann nach unseren Beobachtungen eine ver-
schieden lange Strecke in dem Semiçanalis ethmoidalis in der Stirn-
höhle, in der vorderen und in der hinteren Frontoorbitalzelle frei ver-
laufen. Die Vena ophthalmica superior steht ebenso mit den Venae
ethmoidales und mit der Vena centralis retinae, als mit der Vena
ophthalmica inferior in Verbindung. Die Augenvenen hängen sowohl
mit den Gesichtsvenen, mit den Venen der Nasenhóhle, mit dem
Plexus pterygoideus wie dem Sinus cavernosus zusammen. Die Vena
centralis retinae kann direkt mit dem Sinus cavernosus zusammen-
hängen. Die Venen der Keilbeinhöhlen können mit dem Plexus oph-
thalmicus und dem Sinus cavernosus in Zusammenhang stehen. Nach
Krauss kann es vorkommen, dass die Vena ophthalmica inferior
oder ein Ast derselben in die Fossa pterygopalatina austritt, ferner
dass die Zentralvene der Sehnerven ihren Weg durch die Fissura
orbitalis inferior nimmt. Eine direkte Venenverbindung besteht
zwischen den einzelnen Nebenhöhlenwänden, zwischen diesen und den
duralen Venennetzen, ferner zwischen den Diploevenen der Stirnhöhlen
und den Venen der Dura und des Sinus longitudinalis, zwischen der
Ethmoidalvene und der Pia mater, zwischen den Venen der Keilbein-
höhle mit dem Sinus cavernosus und mit den Plexus ophthalmicus.
Indirekt werden die soeben erwähnten Venenanastomosen durch die
Vermittelung der Venen der Nasenschleimhaut, der Gesichtsvenen
und der Augenvenen verbunden.
Wie wir schon erwähnten, sind die Bakterien in den Gefäss-
bahnen und um die Gefässe festgestellt, auf diese Weise kann eine
direkte Infektion der Gehirnhäute, des Gehirnes und der Blutleiter
der Schädelhöhle entstehen, ferner durch die Erkrankung der Diploe-
venen, der mit dem duralen und meningealen Venennetze zusammen-
11] Über die Komplikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen. 33
hàngenden Nebenhóhlenvenen, der in den Siebbeinzellen frei verlau-
fenden Aste und der im Semicanalis ethmoidalis frei verlaufenden
Etbmoidalvenen und der mit den Blutleitern der Schädel zusammen-
hängenden Nebenhöblenvenen kann eine Kontaktinfektion des Schädel-
inhaltes eine direkte Fortpflanzung der Thrombophlebitis, der Throm-
bose erfolgen, die zu Meningitis, Sinusthrombosen und Gehirnabszessen
führen können. Die Erkrankung der entfernter gelegenen Venen-
stämme und Venennetze kann ebenso durch die Fortpflanzung des
krankhaften Prozesses auf die direkten Venenverbindungen indirekt
intrakranielle und zerebrale Komplikationen hervorrufen. Die Throm-
bophlebitiden der Kieferhöhlenvenen, der Gesichtsvenen und der
Augenvenen, ihre Thrombosen und der Zerfall der Thromben können
sich durch die erwähnten vielfachen Venenverbindungen auf die
duralen und meningealen Venennetze fortsetzen und auf diese Weise
indirekte intrakranielle Komplikationen verursachen.
In jenen Fällen, wo der Canalis opticus und der Sulcus opticus
einen ergänzenden Teil der hinteren Nebenhöhlen bildet, dort hängen
die Gefässe mit denen der Höhlenwandungen zusammen, können die
Zirkulationsstörungen, die venöse Stauung im Sehnerven, die Fort-
pflanzung der Entzündung auf die Sehnervenscheide und auf den
Sehnerven, die Blutungen in der Sehnervenscheide, die Thrombose
und Embolie der Zentralgefässe des Sehnerven zu Sehstörungen und
zu bleibender Erblindung führen. Die durch die Nebenhöhleneiterungen
bedingten Entzündungen des Augeninhaltes, die Orbitalphlegmone,
der Orbitalabszess kann indirekt zu intrakraniellen und zerebralen
Koniplikationen führen, die Periostitis, Karies und Nekrosis des Augen-
hóhlendaches, die Perforation der knóchernen Scheidewand zwischen
Augenhöhle und vorderer Schädelgrube, bedingt die Fortleitung des
krankhaften Prozesses auf die Gehirnhäute und auf das Gehirn. Die
Fortpflanzung der eiterigen Periostitis auf die Sehnervenscheide, ferner
die Thrombophlebitis der Augenvenen können die Infektion sowohl
der Gehirnhäute, als der Blutleiter der Schädelhöhle verursachen.
Neben den angeführten Faktoren spielen auch die Lymphbahnen
eine Rolle in der Übertragung des infektiósen Materials von der
Nasenhóhle und von den Nebenhóhlen zum Scháüdelinhalte. Nach den
Untersuchungen von Schwalbe, Key und Retzius und anderer
hángt der subdurale Raum und der arachnoidale Raum mit den peri-
neuralen Scheiden des Olfaktorius, zusammen und diese sind mit einem
Netze der Lymphgefüsse verbunden. Zu dieser bei Tieren und beim
Menschen festgestellten Verbindung zwischen den perimeningealen
Räumen und den Lymphwegen der Riechschleimhaut steht auch jene
Tatsache fest, dass die perivaskulären Lymphbahnen der Gefasse der
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 3
24 A. Onodi. [12
Nebenhóhlen nicht nur miteinander zusammenhangen, sondern auch
jenen Venenanastomosen entsprechen, welche die Verbindung zwischen
den Nebenhóhlen und der Dura mater und Pia mater vermitteln.
Was die Mikroorganismen betrifft, so wurden die in der Nasen-
hóhle befindlichen Bakterien infolge ihrer gesteigerten Virulenz als
Infektionserreger betrachtet.
Als Infektionserreger wurden von Howard und Ingersoll der
Diplococcus lanceolatus, der Streptococcus pyogenes, der Bacillus di-
phtheriae und der Bacillus influencae bezeichnet. Holmes betont die
Anwesenheit des Streptokokkus und des Pneumokokkus in der Nasen-
hóhle und in den Nebenhóhlen. Luc fand bei einer akuten Stirn-
hóhleneiterung den Pneumokokkus. Zumeist sind bei Nebenhohlen-
eiterungen mehrere Mikroorganismen zu finden. Die Untersuchungen
von Logan Turner, Lewis und Winckler u. a. haben vor-
herrschend den Streptokokkus angetroffen. Wolff konnte bei Nasen-
diphtherie überall in den Nebenhöhlen den Diphtheriebazillus nach-
weisen. Vereinzelt wurde auch das Bacterium coli gefunden. Weichsel-
baum, Dmochovszky und E. Frankel und Darling b*trachten
den Pneumokokkus als den häufigsten Erreger der Nebenhöblenei-
terungen, dem sich auch meistens Streptokokken und Staphylokokken
hinzugesellen. Der Influenzabazillus ist seltener selbst bei Influenza-
empyemen gefunden worden. Ostmann fand in der Kontinuität der
Gewebe den Diplokokkus, Hajek in und um die Gefasse den Strepto-
coccus pyogenes, Killian beobachtete den Streptokokkus. Gerber
fand in seinen 65 Fällen ein deutliches Überwiegen des Strepto-
kokkus, dessen Vorkommen in Reinkultur zu dem Staphylokokkus
sich verhält wie 16:7, daneben verschwinden fast die anderen Bak-
terien. Bei den komplizierten Fällen legt Gerber ein besonderes
Gewicht auf das Auftreten des Staphylococcus aureus. Bei der Stirn-
hóhlenosteomyelitis wurden Streptokokken von Luc, Lermoyez,
Claoué, Laurens und Knapp, Staphylokokken von Luc,
Capart, Dotey und Gerber und Pneumokokken von Luc,
Grunert und Gerber nachgewiesen. Als der Erreger der Osteo-
myelitis werden von Miller; Gerber, Canon, Guisez, Lanne-
longue et Achard und Lexer die Staphylokokken betrachtet.
somit steht jene àtiologisch wichtige Tatsache fest, dass neben den
angeführten und besprochenen ätiologischen Faktoren bei gesteigerter
Virulenz hauptsächlich der Streptococcus pyogenes und der Staphylo-
coccus pyogenes als Infektionsträger zu betrachten sind.
Zur Ergänzung schliessen wir noch soweit es uns möglich war,
die statistischen Angaben der beobachteten intrakraniellen und zere-
bralen Komplikationen an. Es liegt in der Natur der Sache, dass
13] Über die Komplikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen. 35
die mitgeteilten Statistiken nicht vollständig sind. Dreyfuss
veröffentlichte zwei Statistiken der durch die Nebenhöhlen -Ei-
terungen bedingten intrakraniellen und zerebralen Komplikation, St.
Clair Thomson ergänzte die auf die Keilbeinhöhleneiterungen sich
beziehende Statistik und schliesslich gab Gerber bezüglich der
durch die Stirnhöhleneiterungen bedingten Komplikationen eine aus-
führliche Statistik. Dreyfuss versuchte seine erste Statistik zu
ergänzen, seine zweite Statistik wurde von Hajek übernommen.
Wie schwer es ist eine vollständige Statistik zu machen, soll ein teil-
weiser Vergleich der chronologischen Ergänzungen zeigen, welche
noch immer nicht als beendet betrachtet werden können. So z. B.
enthält die erste Statistik von Dreyfuss 13 Fälle von Keilbein-
höhlenkomplikationen, die von St. Clair Thomson mit 42 Fällen ver-
mehrt wurde und von Dreyfuss in seiner zweiten Statistik wieder
mit 19 Fällen ergänzt wurde. Ein weiteres Beispiel, Dreyfuss
stellt die Zahl der Gehirnabzesse infolge von Stirnhöhleneiterungen
auf 36, Gerber ergänzte sie noch mit 30 Fällen und wir erhöhen
diese Zahl wieder mit einigen Fällen. Dreyfuss gibt in seiner
zweiten Statistik drei Fälle von operativ geheiltem Gehirnabszesse
an, wir haben in unserem Werke schon über 7 Fälle geheilter Ge-
hirnabszesse berichtet. Diese kurze Auslese genügt schon zu be-
weisen, dass die Statistik trotz der sorgfältigen Bemühungen zur-
zeit als vollständig nicht betrachtet werden kann. Die Schwierigkeit
liegt in den ungenauen Veröffentlichungen, in den mangelhaften Be-
obachtungen, in den fehlenden Sektionsbefunden, Tatsachen, welche
in der Beurteilung der einzelnen Fälle bei der Zusammenstellung der
Statistik in die Wagschale fallen, wozu noch zu bemerken sei, dass
mehrere Veröffentlichungen schwer oder gar nicht zugänglich sind
und daher leicht übersehen werden können. Andererseits sind auch
in der deutschen Literatur kurze Mitteilungen übersehen worden, da
sie eben nicht in extenso veröffentlicht wurden. Die wenigen stati-
stischen Angaben der Sektionsbefunde betreffend wollen wir erwähnen.
Wertheim fand unter 10394 Obduktionen 127 Fälle intrakranieller
Eiterungen, 53 Fälle waren otogener Natur, in 60. Fällen fehlten
nähere Angaben über den Ausgangspunkt der Eiterung. Von den
14 Fällen sind 6 als sicher bewiesene zu betrachten. Treitel fand
unter 6000 Obduktionen 2, Pitt unter 9000 Sektionen 2, wir fanden
unter 13400 Sektionen 4 rhinogene Gehirnabszesse, neben diesen 4
rhinogenen Gehirnabszessen waren 45 otogene Gehirnkomplikationen
vorhanden.
Die erwähnten Krankenstatistiken wollen wir in folgender Weise
benützen und stellenweise ergänzen. Aus den Statistiken übernehmen
| gt
36 A. Onodi. . (M
wir von Dreyfuss die Kieferhéhlenkomplikationen und die Siebbein-
komplikationen, von Gerber die Stirnhóhlenkomplikationen und
von St. Clair Thomson und Dreyfuss die Keilbeinhóhlenkom-
plikationen.
Die Kieferhöhleneiterungen betreffend erwähnt Dreyfuss sechs
Fälle, unter diesen 4 Gehirnabszesse, 3 im Frontallappen, 1 im Tem-
porallappen, 1 Meningitis und 1 Thrombopblebitis der Vena ophthal-
mica und des Plexus pterygoideus.
Aus der Statistik Gerbers, die Stirnhohlenkomplikationen be-
treffend, entnehmen wir folgende Angaben: Unter 473 Fällen stellte
er 140 Gehirnkomplikationen zusammen. Unter 51 Meningitisfällen
ohne Hirnabszess war Pachymeningitis mit Extraduralabszess 14 mal,
unter 65 Hirnabszessen 25 mal vorhanden, selbständige Extradural-
abszesse waren in 28 Fällen vorhanden, unter diesen war 18mal die
zerebrale Stirnhöhlenwand affiziert. Bei den 51 Meningitisfüllen war
affiziert die vordere Wand 9mal, die untere Wand 2 mal, die zere-
brale Stirnhöhlenwand 20 mal, das Septum 3 mal, 12 Angaben fehlen.
Über die Fálle von Meningitis serosa erwahnt er deren 3, ausserdem
einen von Dreyfuss angegebenen, diesen fügen wir noch einen von
uns beobachteten Fall zu, von diesen 5 Fällen heilten 4. Die Lepto-
meningitis purulenta war in 51 Fállen, ohne Hirnabszess, davon 6
mit Thrombosen, der Hirnabszess, davon 27 mit Meningitis, 2 mit
Thrombosen vorhanden. Die Fälle der Thrombophlebitis der Blut-
leiter sind mit 15 Fällen angegeben. Unter diesen war ergriffen der
Sinus longitudinalis superior 12 mal, der Sinus cavernosus 6mal, der
Sinus transversus 3 mal, der Sinus sigmoideus 1 mal, der Sinus petro-
sus 2 mal, der Torcular Herophyli 2mal, Vena ophthalmica 5mal und
die Vena frontalis 1mal. |
Diese Statistik ergänzen wir mit einem neuen Falle Killians,
in welchem Stirnhóhleneiterung und Thrombophlebitis des Sinus longi-
tudinalis auftrat.
Gerber führt eine Statistik von 66 Fällen der Gehirnabszesse
an infolge Stirnhóhleneiterungen und noch 8 Fälle infolge Poly- und
Pansinusitis, bei denen die Rolle der Stirnhóhle unklar ist.
In 44 Fällen war eine Affektion der hinteren zerebralen Stirn-
höhlenwand, zumeist Nekrose, Perforation vorhanden, neben der Hinter-
wand war die Unterwand ergriffen in 11 Fällen, neben der Hinter-
wand die Vorderwand in 5 Fällen, die Vorderwand allein in 2 Fällen,
die Unterwand allein in 5 Fällen, Vorder-Unterwand und Septum in
einem Falle.
Die Sektionsbefunde beziehen sich auf 50 Fälle. Der Sitz des
Abszesses war zumeist in den Frontallappen, dreimal waren multiple
15] Über die Komplikationen der Nasennebenhóhlenerkrankungen. 3
Gehirnabszesse, einmal im Temporallappen, einmal im Kleinhirn und
einmal im Pedunculus cerebri vorhanden. In der Gerberschen
Statistik fehlen die von Dreyfuss aufgenommenen Fälle von Blessig
und Tilbing, Botey, Finlay und Lack. Die Gerbersche Statistik
ergänzen wir noch mit 3 Fällen von Chiarı, 2 Fällen von Freuden-
thal, 2 Fällen von Killian, einem Falle von Reiking und einem
Falle von Joachim.
Was die operativ geheilten Gehirnabszesse betrifft, erwähnt Drey-
fuss in seiner zweiten Statistik 3 Fälle von Rafin, Denker und
Herzfeld, Gerber 7 Fälle von Denker, Donalies, Grün-
wald, Hagen, Hammesfahr, Herzfeld und Rafin. Wir er-
wähnten in unserem Werke 7 Fälle Denker, Donalies, Hammes-
fahr, Herzfeld, Killian, Grünwald und Müller und ergänzen
diese Statistik mit einem Falle von Freudenthal. Mit dem von
Gerber erwähnten Falle von Hagen hätten wir bis heute über 8
geheilte Hirnabszesse zu verfügen.
Die von Dreyfuss zusammengestellte Statistik der Siebbein-
zellenkomplikation zählt 10 Gehirnabszesse im Frontallappen, 12 Me-
ningitiden, 1 Thrombophlebitis des Sinus cavernosus und 1 Meningitis
serosa. Diese Statistik erginzen wir durch den Fall von Huber mit
Gehirnabszess im Frontallappen.
Die Statistik der Keilbeinhóhlenkomplikationen nach St. Clair,
Thomson und Dreyfuss zeigt 25 Fälle von Meningitis, 5 Fälle
von Thrombopblebitis des Sinus cavernosus, 1 Fall von Thrombo-
phlebitis des Sinus longitudinalis superior mit Meningitis, 17 Fälle
von Thrombophlebitis mit Meningitis, 2 Fülle von extraduralem Ab-
szess und Meningitis, 2 Fálle von Meningitis serosa, 1 Fall von Ge-
hirnabszess, 3 Falle von Encephalitis, 1 Fall von intrakranieller Blutung.
Diese Statistik ergänzen wir mit einem Falle von Freudenthal.
Gerber fasste, wie erwähnt wurde, 19 Fälle von Poly- und
Pansinusitis zusammen, unter denen befanden sich 8 Fälle von Ge-
hirnabszesse und 11 Fälle von Meningitis.
Es sei noch kurz erwähnt, dass von Logan Turner, Drey-
fuss, Gerber auf die postoperative Meningitis hingewiesen wurde.
Die Zahl der veröffentlichten Fälle beträgt bereits 40. Leider muss
angenommen werden, dass die Zahl der nichtveröffentlichten Fälle
eine bedeutend grössere ist.
Die besprochenen morphologischen Tatsachen, die makroskopi-
schen pathclogisch-anatomischen Befunde, die pathohistologischen und
bakteriologischen Untersuchungen bilden die Grundlage der Lehre
von den durch Nebenhöhleneiterungen bedingten intrakraniellen und
zerebralen Komplikationen. Die erwähnten Statistiken zeigen die
38 A. Onódi: Über die Komplikationen der Nasennebenhöhlenerkrank. [16
grosse Zahl der Komplikationen und ihres ungünstigen Verlaufes. Die
direkte und indirekte Infektion, die Kontaktinfektion des Schädel-
inhaltes, die Infektionswege finden auf Grund des Gesagten ihre Er-
klärung. Genaue pathohistologische und bakteriologische Unter-
suchungen sind nur vereinzelt vorhanden, und die genaue Feststellung
der Infektionswege in den einzelnen Fällen ist wegen ihrer Tragweite
und wegen des endgültigen Aufbaues der Lehre der Komplikationen
sehr erwünscht, die genauen pathohistologischen und bakteriologischen
Untersuchungen der Gewebe in der Kontinuität und der Gefässe
sind berufen, die Lücken zu füllen und noch viele wichtige offene
Fragen zu lösen.
Über akute retropharyngeale Abszesse bei
Kindern.
Von
M. Menier, Figeac-Frankreich.
Im Gegensatz zu früheren Jahren, in denen ich retropharyngeale
Abszesse nur sporadisch beobachtete (ein, zwei, höchstens drei Fälle
jedes Jahr) hatte ich in den vergangenen Wintermonaten Gelegenheit»
eine verhältnismässig hohe Zahl (fünf) zu sehen und zu behandeln.
Alle kamen in ziemlich naher Folge zu mir, so dass ihr Vorkommen
einen so zu sagen endemischen Charakter hatte.
Abgesehen von den ätiologischen Momenten, von welchen ich
weiter unten sprechen werde, scheint es mir, dass man dafür die
sehr ungünstigen, d. h. nasskalten Witterungsverhältnisse dieses
Jahres beschuldigen kann, welche zu latent verlaufenden Tonsillen-
und Pharynxentzündungen Veranlassung gaben. |
Andere áussere Ursachen sind, meiner Meinung nach, der Ge-
brauch eines mehr weniger reinlichen Lutschers (die mit Brotkrumen
gefüllte Saugpuppe spielt bei unserer Landbevölkerung eine bedeutende
Rolle) und einer nicht immer sorgfältig gespülten Saugflasche, und weiter
das häufige Hineinführen schmutziger Finger in den Mund, besonders
zur Zeit des Zabnens. Es wäre interessant, zu erforschen, ob solche
Abszesse eine spezielle Häufigkeit bei künstlich ernährten Säuglingen
nicht aufweisen. Vielleicht spielt auch die Mundatmung eine nicht
unbedeutende Rolle.
Ein anderer Faktor, und zwar ein innerer, liegt in der anatomi-
schen Verfassung des kindlichen Pharynx; ich meine die starke Ent-
wickelung des lymphatischen Systems (Lymphgefásse und Lymph-
drüsen).
40 M. Menier. [2
Seltener verdanken solche Abszesse ihren Ursprung einer Otitis.
Unter dem Titel: Contributo alla Casistica degli oscessi
retrofaringei veröffentlichte Alagna einige Fälle aus der Lite-
ratur und aus seiner eigenen Praxis, bei denen eine Otitis media (ent-
weder akut oder chronisch, aber akut exazerbiert) solche Abszesse
veranlasste. Neulich veröffentlichte auch der Prof. Tanturri (Neapel)
einen solchen Fall, bei welchem eine Otitis externa (Ekzem des äusseren
Ohres) eine Schwellung der Warzenfortsatzdrüse und dadurch einen
retropharyngealen Abszess verursachte. Wie Alagna und Tanturri
dargetan haben, sind in solchen Fällen die Lymphbahnen als Ver-
mittler der Infektion anzusehen. Aus diesen Gründen müssen wir
immer bei Otitispatienten, und speziell bei EIER den Rachen
sorgfältig beobachten.
Meines Erachtens geht Packard (Philadelphia) zu weit, wenn
er behauptet, dass die Abszesse bei marantischen, tuberkulösen oder
beredosyphilitischen Kindern besonders häufig sind. Die von mir
beobachteten Fälle waren, für die Mehrzahl, gesunde, obgleich ange-
griffene Bauernkinder. Es liegt vielleicht hier ein Irrtum vor; wahr-
scheinlich hat Packard die kalten Abszesse (Wirbelkaries) der Tuber-
kulösen und die Gummata des Rachens unter dem Titel Retro-
pharyngeal Abscess eingereiht.
Endlich werden solche Abszesse nach Abtragung der adenoiden
Wucherungen, nach Entzündungen und Abszessen der Rachenmandeln,
nach besonders ungeschickten oder nicht aseptisch ausgefiihrten Unter-
suchungen des Cavum naso-pharyngeum beobachtet.
Der Verlauf der retropharyngealen Abszesse ist öfters langsam,
schleichend und tückisch, wenigstens bei den von mir bis jetzt be-
obachteten Fallen war es so. Erst die Symptome (Dyspnoe, Schluck-
und Saugbeschwerden, Erstickungsanfülle, Zyanose, Mundatmung usw.),
die durch den Sitz des AbszesSes bedingt sind und bei welchen wir
uns nicht lànger aufhalten werden, erwecken den Verdacht eines im
Pharynx sitzenden Hindernisses. Das Fieber wird von den Eltern
dem Zahnen oder irgend einer Magen- bezw..Darmstérung zuge-
schrieben. |
Die Diagnose ist leicht und einfach: die Rótung und die Schwel-
lung der hinteren Pharynxwand lassen keinen Zweifel über die Natur
der Affektion zu. Differentialdiagnostisch käme nur der kalte retro-
pharyngeale Abszess in Betracht. Man beobachtet ihn meistens nur
bei Tuberkulösen; die Nackensteifigkeit (Wirbelkaries) würde ein aus-
schlaggebendes Symptom sein; übrigens würde ein diagnostischer Irr-
tum keine nachteiligen Folgen nach sich ziehen, da der kalte Abszess
dieselbe Behandlung wie der idiopathische erheischt.
3] Über akute retropharyngeale Abszesse bei Kindern. 41
Sollte der. Abszess hoch im Pharynx liegen, dann würde eine
mit grosser Schonung ausgeführte Fingeruntersuchung erforderlich sein.
Die Prognose der retro-pharyngealen Abszesse ist eine gute, wenn
man rechtzeitig (früher ist hier besser als später) operiert. Nur bei
sehr heruntergekommenen Kindern dürfte sie etwas bedenklich sein,
obgleich die Hebung des Leidens eine rasche und manchmal gerade-
zu verblüffende Rückkehr zur Gesundheit zur Folge hat. Ein unvor-
hergesehener Zwischenfall, wie spontaner Durchbruch des Abszesses
mit Hineingelangen des Eiters in die Luftwege mit Erstickung oder
folgender Bronchopneumonie oder Pyämie kann den Tod herbeiführen.
Darum sind kleine Kinder mit wenn auch geringster Störung der
Atmung oder der Saugtätigkeit, scharf zu bewachen.
Wie soll man operieren? |
Die direkte Operation (d. h. durch den Mund) ist, besonders
auf dem Lande, wo es an einer genügenden und geschulten Assistenz
fehlt, vorzuziehen. Die äussere Methode, welche die Narkose und
peinliches Präparieren der Karotisgegend erfordert, hat manche Ge-
fahren; dazu handelt es sich meistens, wie Tanturrı mit Recht be-
ınerkt, um schon stark leidende, heruntergekommene (und ich füge
hinzu: schlechtatmende) Kinder; bei diesen hat man keine allzu hef-
tige Abwehrbewegungen zu befürchten; die Narkose könnte das Ende
herbeiführen.
Es ist unnötig, die Rosesche Kopfhaltung in Anwendung zu
ziehen. Das in ein Bettlaken gut umwickelte Kind sitzt auf den
Knieen eines Assistenten, der den Kopf in senkrechter, unbeweglicher
Stellung festhält, so dass er den Kopf des jungen Patienten vornüber
neigen kann, sobald der Einschnitt gemacht worden ist.
Ich glaube, dass man den Mundsperrer umgehen kann, obgleich
Tanturri ihn befürwortet; er ist sogar nicht ganz gefahrlos; das
forcierte Mundóffnen kann frühzeitigen und plötzlichen Durchbruch
des Abszesses veranlassen. Die Zungenspatel ist auch unnötig; der
Zeigefinger genügt, um die Zunge herabzudrücken und um das Messer
zu leiten und, was die verschiedenen Autoren nicht sagen, ist man
ohne Zungenspatel weniger behindert, um den linken Zeigefinger so-
fort nach dem Einschnitt in die Abszesshöhle einzuführen, um Ver-
wachsungen zu lösen.
Was für ein Instrument soll man anwenden? D’Ajutolo in
Bologna hat eine sichelförmige Zange erdacht, die eine Kornzange
darstellt, deren distale Enden je eine sichelförmige Schneide tragen;
die schneidenden Flächen sind einander zugekehrt; das Instrument
kann geschlossen in den Mund eingeführt werden. Packard stosst
in den Abszess eine gewóhnliche Arterienklemmzange und, indem er
42 M. Menier: Über akute retropharyngeale Abszesse bei Kindern. [4
das Instrument zurückzieht, öffnet er dessen Blätter. Barajas y
Gallego hat einen Saugtroikart konstruieren lassen, der viele Vor-
teile bietet, obgleich seine Anschaffung etwas kostspielig sein dürfte.
Es ist ein Troikart (23 cm lang, 7T cm im Durchmesser), dessen Ende
eine leichte Krümmung hat; er trägt einen Hahn und einen Aufsatz,
der durch einen Gummischlauch in einen Behälter mündet; dieser
Behälter, dessen Stöpsel zwei Röhrenmündungen besitzt, ist zur Auf-
nahme des Eiters bestimmt; die eine Mündung ist mit dem Gummi-
schlauch des Troikarts verbunden, die andere trägt einen Gummi-
ballon zur Aspiration des Eiters, welcher, vom Ballon aufgesogen,
in den Behälter fällt. Wir müssen noch den Ruaultschen Haken
(sichelförmiger Haken; crochet faucille e Ruault) erwähnen,
der, für die Eröffnung der tonsillären und peritonsillären Abszesse
bestimmt, uns in einem Falle von retro-pharyngealen Abszesse gute
Dienste leistete.
Das beste wie auch das einfachste aller Instrumente ist das
älteste: nämlich das Messer, das man stets bei sich führt. Man
nimmt das erste beste, oder wenn man die Wahl hat, nimmt man
ein Skalpell mit mittelbreiter Klinge und wickelt dieselbe mit Gaze,
Watte oder wie Ambrosius Paré schon tat, mit Diachylum um;
‘nötigenfalls kann ein Blatt Seidenpapier genügen. Man lässt nur
einen bis zwei Zentimeter von der Spitze frei. Der Einschnitt muss
den am meisten vorspringenden Punkt treffen und sehr rasch von
oben nach unten geführt werden; je länger der Einschnitt ist (in
gewissen Grenzen selbstverständlich — zwei bis drei Zentimeter werden
hinreichend sein), desto besser wird der Eiter abfliessen. Nachdem
man den Eiter ausgeleert hat, kann man auf beiden Seiten des Ein-
schnitts einen sanften Druck ausüben. Dann kommt eine Mund-
spülung oder besser eine Einspritzung mit lauwarmem gekochtem
Wasser oder Wasserstoffsuperoxydlösung (2 Esslöffel einer 129/oigen
Lösung pro Viertelliter Wasser).
Ich bin bewusst, dass ich in diesem anspruchslosen Beitrag nichts
Neues gebracht habe; es sind nur die Resultate einer alltäglichen
Erfahrung, die ich hier niedergelegt habe.
Diese bescheidenen Ausführungen haben nur den Zweck, zu
zeigen, dass der einfachste Weg, den uns die Umstände zu nehmen
zwingen, manchmal der richtigste und der natürlichste ist. Bei allen
meinen jungen Patienten kam es ohne Zwischenfälle zu einer glatten
und raschen Heilung.
Die Sensibilitätsstörungen des Larynx und die
Anästhesie des Vestibulum bei der Rekurrens-
lahmung.
Von
Prof. F. Massei, Neapel.
Das Studium der Sensibilitätsstörungen des Larynx ist jetzt in
ein neues Stadium getreten. Haben meine Veröffentlichungen über die
Anästhesie des Vestibulum laryngis bei Rekurrens-
lähmungen auch mehr Widerspruch als Unterstützung gefunden
so haben sie jedenfalls Kliniker und experimentelle Untersucher. zu
Arbeiten über Dinge veranlasst, die bislang etwas vernachlässigt
waren. Nachdem das Experiment bisher die Lösung der Frage nicht
gebracht hat, verlegte Iwanoff durch seinen in dieser Zeitschrift
(Bd. II Nr. 5 1910) erschienen Aufsatz die Diskussion auf das Gebiet
der Klinik. Ohne die experimentelle Untersuchungen, die ich meinem
bewährten Mitarbeiter Herrn Prof. Martuscelli übertragen habe,
bei Seite zu lassen fühle ich mich verpflichtet auf die gegen mich
erhobenen Einwände zu antworten und zwar will ich das mehr in
historischer als in kritischer Form tun.
Zunächst habe ich, mangels eigener anatomischer Untersuchungen,
mir niemals erlaubt mit Gewissheit zu behaupten, dass der Rekurrens
beim Menschen ein gemischter Nerv sei. Ich habe das einfach aus
meinen klinischen Beobachtungen folgern müssen und finde mich
dabei im Einklang mit Ziemssen, der ausdrücklich (Handb. der
Krankheiten des Respirationsapparates I. Erste Hälfte S. 428 Leipzig
1876) dasselbe behauptet und weiterhin mit den Untersuchungser-
gebnissen die Broeckaert (Presse Oto-laryngologique Belge 1909)
an seinen mikroskopischen Schnitten erhalten hat. Broeckaert
fand, dass der Stamm des Rekurrens in einem Bündel umfasst
44 F, Massei. [2
die sämtlichen motorischen Nerven des Larynx und die motori-
schen nur sensiblen Nerven für Trachea und Ösophagus. Immerhin
ist die Frage der gemischten Natur des Rekurrens, da ich nur zwei
Autoren für dieselbe beibringe, zweifellos zurzeit noch strittig.
Nach dieser kurzen Erklärung gehe ich nun sofort zum klinischen
Teil über. Ich muss Herrn Iwanoff dankbar dafür sein, dass er
die Frage der Beurteilung der Larynxanästhesie zur Diskussion
gebracht hat und werde noch dankbarer sein, wenn er mich wirklich
davon überzeugen kann, dass ich mit meiner Beurteilungsmethode
mich in einem grossen Irrtum befinde. Die Tugend, eigenen Irr-
tum einzusehen glaube ich zu besitzen und schliesslich: errare hu-
manum est.
Statt meiner will ich zwei Verstorbene reden lassen; zwei kom-
petente Autoren, einen bedeutenden Laryngologen und einen hervor-
ragenden Kliniker (Krishaber und Peter), beide um so unver-
dächtiger, als sie die folgenden Ausführungen schon im Jahre 1868
niedergeschrieben haben. Im ,,Dictionnaire encyclopédique des sosences
médicales’ herausgegeben von Dechambre steht im Kapitel über
Larynxneurosen auf S. 677 des LIII. Bd. zu lesen wie folgt: ,Quand
on cautérise avec une substance liquide corrosive ou cautérétique
quelque peu concentrée, la muqueuse du larynx, ou bien quand on
la touche avec une substance solide qui en modifie instantanément la
surface, comme par exemple le nitrat d'argent en nature, on provoque
l’occlusion convulsive du larynx, qui se manifeste par plusieurs
mouvements successifs d'inspiration bruyante et pénible; les
mouvements d'expiration restent calmes et profonds. La muqueuse
du larynx est douloureuse pendant quelques heures ou quelques minutes,
suivant lintensité de la substance employée, mais il ne survient
pas de toux. — Si au lieu de corroder la muqueuse du larynx, on
y porte, au contraire, une simple goutte d'eau (avec le petit porte-
éponge laryngé) en imitant ainsi ce qui arrive si fréquemment quand
on avale de travers, il survient encore un mouvement convulsif des
muscles de la glotte comme dans le cas précité, mais les phéno-
ménes sont trés différents. Parmi les phénomènes le seul qui
domine alors c'est une toux violente, brutale, bruyante pour la
production de laquelle tous les muscles expiratoires se trouvent
sollicités par action réflexe; quant aux inspirations elles sont
génées au commencement de l'accès, mais elles deviennent
bientôt calmes et normales. La toux, au contraire, continue
aussi longtemps que dure la moindre sensation pénible sur la mu-
queuse du larynx. Il s'ensuit que les attouchements légers de cette
muqueuse provoquent une sensibilité qui préside au travail expulsif
3] Die Sensibilitätsstörungen des Larynx etc. 45
des corps étrangers engagés dans les voies aériennes; c'est cette
sensibilité à laquelle convient le nom de sensibilité
réflexe.
Est elle hyperesthésiée par une cause quelconque, comme cela
arrive dans diverses affections, elle provoque alors la toux, méme à
la simple sollicitation de l'air atmosphérique passant à travers la
glotte. Mais nous avons vu, il y a un instant, que des attouchements
corrosifs et douloureux provoquent des phénoménes d'un ordre tout
différent, ils donnent lieu à l'occlusion de la glotte, sans accès de
toux. lls se passe alors dans les muscles situés au dessous de la
muqueuse laryngée, ce qui se passe dans tout autre organe pourvu
d'une membrane à plan musculaire sous-jacent, c'est-à-dire le spasme
local correspond à une excitation locale. C'est donc en ce cas la
sensibilité générale ou commune du larynx qui a été ex-
citée.
Ainsi, en resumé si l'excitation porte sur la sensibilité re-
flexe, il en résulte le chatouillement et la toux; — si l’exci-
tation s'exerce sur la sensibilité commune, elle provoque la
douleur et le spasme local.
Et cette distinction est très essentielle, car les effets produits
dans lun ou l’autre cas sont diamétralement opposés. La toux, dont
le but physiologique est l'expulsion des matières contenues dans les
voies aériennes, n'est qu'une fonction éventuelle et se rattache à
une sensibilité spéciale, tandis que la perméabilité de la glotte est
une fonction permanente, vitale au premier chef, et elle se rattache
à la sensibilité commune, dont les pertubations peuvent donner lieu
à un accident rédoutable, l'occlusion des voies de l'air par le spasme.
La toux se rattache à l'expiration, le spasme à l'in-
spiration.“
Man könnte nicht mehr und nichts Besseres über unsere Frage
sagen und es gereicht mir zum Trost, dass ich demnach mich mit
meinem Irrtum in guter Gesellschaft und auf dem Boden elementarer
physiologischer Gesetze befinde. Denn was in den zitierten Sätzen
mit bewundernswerter Klarheit ausgesprochen wird, ist nicht An-
sicht sondern Resultat eines Experimentes, dessen tatsäch-
liche Richtigkeit wir nach Belieben nachzuprüfen imstande sind.
Wenn ich also zur Prüfung die Reflexsensibilität angewandt
habe, so habe ich mir damit die feinste Äusserung der Kehlkopfsen-
sibilität nutzbar gemacht. Krishaber und Peter (in demselben
Kapitel) fügen betreffs der anästhetischen und analgetischen Alterie-
rung die Reflexsensibilität hinzu: „le plus sonvent la sensibilité n'est
pas complétement abolie, elle est seulement émoussée. Les individus
46 F. Massei. [4
ont alors cessé d'étre chatouilleux de leur larynx comme d'autre de
la plante du pied ou de l'aisselle^. Wo liegt nun mein Irrtum?
Warum wirft mir Iwanoff vor, ich ignoriere, dass für die Prü-
fung der Sensibilität des Larynx nicht Husten sondern der Krampf
das entscheidende Kriterium sei, während er, der jünger ist an
Jahren und Erfahrung, allen Anschein nach vergessen hat, dessen ich
mich noch mit solcher Genauigkeit aus meiner Studienzeit erinnere ?
Und ist denn der Husten nicht auch ein Krampf? d. h. eine
intermittierende klonische Kontraktion der inneren Muskulatur des
Larynx, ein Exspirationskrampf, während der eigentliche Glottis-
krampf einen inspiratorischen Krampf darstellt?
Es bängt alles ab von der Grösse des Reizes; ich werde darauf
zurückkommen, ich möchte für jetzt auch noch hinzufügen, dass ich mit
der Anwendung geringer Reize (einfaches Kitzeln des Vestibulum) ge-
glaubt habe, möglichst den natürlichen Bedingungen nahe zu kommen
und dadurch um so besser die Äusserungen der wenig be-
merkbaren Sensibilitätsstörungen beobachten zu können.
Niemand kann leugnen, dass der Husten der Ausdruck einer Rei-
zung der sensiblen Nerven ist und dass dieser Reflex eine wichtige
Selbstverteidigungsmassregel herstellt gegen alles, was nicht respirable
Luft ıst; — verstärkt man den Reiz, so wird man statt des Hustens
den Krampf haben. Dementsprechend will ich also mit Iwanoff
sagen, dass bei der Rekurrenslähmung die Reflexsensibilität d. h. die
feinste Empfindlichkeit abgestumpft ist, während die gröbere allge-
meine Sensibilität erhalten bleibt.
In absehbarer Zeit hoffe ich auch beweisen zu können, dass
und warum das so sein muss. Auf dem Wege zu diesem Beweise
ist mir von Männern von unbestrittener Autorität schon vorgearbeitet
worden. So schreibt Mackenzie gelegentlich der Beschreibung eines
Falles von Larynxanästhesie infolge von Diphtherie (in seinem „Manual
of diseases of the throat and nose, London 1880 Vol. I p. 422): „On
introducing a laryngeal probe into the larynx and touching the epi-
glottis and vocal cords, no effect was produced, but the action
of the vocal cords prevented the passage of the sound into the sub-
glottic region“. Damit ist also gesagt, dass Mackenzie Anästhesie
annimmt, obwohl das Stimmband mit Krampf antwortete.
Weiterhin sagt Ziemssen (loc. cit. p. 432) bei der Besprechung
der Symptome der Kehlkopfanästhesie: „Die Prüfung durch Betastung
mit der Sondenspitze ergibt, dass die Schleimhaut des Kehldeckels
und der oberen Kehlkopfhöhle ihre Sensibilität und die Reflexerreg-
barkeit eingebüsst hat. Man kann mit der Sonde die Giesskanne,
die Taschenbänder und die Stimmbänder beklopfen, ohne dass eine
5] | Die Sensibilitätestörungen des Laryux etc. 41
Empfindung oder Hustenreiz oder irgend eine Aktion am Muskelap-
parat des Kehldeckels oder des Kehlkopfs hervorgerufen wird.“
Um Missverständnissen vorzubeugen, bemerke ich ausdrücklich,
dass ich diese Äusserungen nur zitiert habe, um auf die Methode hin-
zuweisen, die Mackenzie und Ziemssen zur Beurteilung der An-
ästhesie anwandten, ohne Rücksicht auf die Ursache der Anästhesie,
um die es sich ja hier nicht handelt.
Die Hauptschwierigkeit der Prüfung beruht darin, direkt isoliert
auf den Larynx einzuwirken mit völligen Vermeidung der Pharynx-
reflexe. Es gibt augenscheinlich sehr reizbare Individuen, die schon
bei der Annäherung des Spiegels und beim blossen Anblick der Sonde
verstärkte Reflexe zeigen. Ich möchte nicht missverstanden werden:
ich will damit darauf hinweisen, dass diese pharyngealen Kontrak-
tionen sich leicht auf den Aditus laryngis fortsetzen und dass trotz-
dem der Larynx auf Sondenprüfung event. nicht mit Husten reagiert.
Vorherige Kokainisierung des Pharynx würden diese Kontraktionen
verhindern, aber ich habe dabei niemals kokainisiert, weil das eine
Waffe für meine Gegner gewesen wäre, von denen die meisten —
ich muss es offen aussprechen — sowohl Kliniker als Auatomen vor-
eingenommen sind und den verschiedenen Dingen, die ich für sehr
wichtig halte, jede Bedeutung absprechen.
Beschäftigen wir uns nun des genaueren mit der Sensibilität
des Larynx: dieselbe ist nach übereinstimmendem Urteil allgemein
eine recht grosse. Nichtsdestoweniger gibt es Stellen (Stimmbänder
etc.), die ganz besonders stark ausgeprägte Sensibilität besitzen. Es
dürfte sich erübrigen die relativen Unterschiede der Sensibilität ein-
zelner Stellen besonders zu besprechen. Es sei nur daran erinnert,
dass Brünings in seinem kürzlich erschienenen schönen Buche (die
direkte Laryngoskopie, Bronchoskopie und Ösophagoskopie) verschie-
dentlich darauf hinweist, dass es bei der Autoskopie (eine nicht immer
leichte Untersuchungsmethode, die ganz besonders die Unterdrückung
der Reflexe verlangt) nötig ist „nicht zu berühren oder gut zu
kokainisieren die laryngeale Oberfläche der Epiglottis“ (das ist ge-
rade eine der Stellen, die ich bei meiner Prüfungsmethode benutzte).
Brünings sagt: „Man ist nämlich in diesem Falle genötigt, den
Spatel ,prülaryngeal^ zwischen Zunge und Kehldeckel, nicht auf dessen
sehr reflexerregbare laryngeale Flàche, aufzusetzen^ — s. S. 182 —
und etwas später (S. 183): „Unter Leitung des Kehlkopfspiegels wird
nun der gut getránkte Pinsel ohne Nebenberührungen einmal
kurz (1—2 Sekunden) auf den oberen Teil der laryngealen Epiglottis-
fläche aufgesetzt“. Wenn es nun auch richtig ist, dass die Sensi-
bilität der verschiedenen Organe und Gewebe im allgemeinen und
48 F. Massei. [6
diejenige des Larynx im besonderen bei den einzelnen Iudividuen
Stark variiert, so handelt es sich dabei doch immer nur um Schwan-
kungen von geringer Breite und was die Reflexsensibilität des Larynx
betrifft, die ja eine wichtige Selbstverteidigung der Luftwege dar-
stellt, so ist verständlich, dass ihre individuellen Schwankungen nur
sehr gering sein können. Wenn meine Gegner diese individuellen
Unterschiede der Sensibilität des Larynx so besonders hervorheben,
so geben sie damit implicite doch zu, dass auch sie in manchen
Fällen von Rekurrenslähmung eine gewisse Herabsetzung der Sensi-
bilität gefunden haben, sie legen dieser Herabsetzung aber nicht die
Bedeutung bei, die ich ihr zumesse. Es ist aber doch sonderbar, dass
gerade bei Individuen mit Kompressionslähmung des Rekurrens diese
physiologischen Differenzen der Sensibilität mit solch merkwürdiger
Konstanz in die Erscheinung treten sollten und noch wunderbarer,
dass diese Differenzen sich bei demselben Individuum an ver-
schiedenen Stellen des Larynx so stark ausgeprägt zeigen sollten,
dass Sondenberührung des Vestibulum gar keine Reaktion hervorruft,
während Glottiskrampf entsteht sobald. die Stimmbänder berührt
werden! Logischerweise ist es nicht möglich, so ausgeprägte
Differenzen bei demselben Individuum unter normalen
Verhältnissen anzunehmen. Mein Alter gestattet mir die Erinnerung
an die Zeit, als die feinsten Kehlkopfoperationen ohne Kokain vor-
genommen werden mussten. Damals zwang jede unbeabsichtigte Be-
rührung des Larynx zur Unterbrechung der Operation und niemals
ist mir ein Individuum vorgekommen, das durch ausnahmsweise ge-
ringere Sensibilität ausgezeichnet gewesen wäre! Übrigens muss
ich noch eine andere Beobachtung erwähnen, die demnach auch auf
Autosuggestion zu beziehen sein müsste. Einigemal fand ich bei
demselben Individuum (mit Rekurrenslähmung) bald eklatante An-
ästhesie bald nur leichte H y pästhesie und zwar dies dann, wenn in-
folge interkurrenten Katarrhs die Reflexe gesteigert waren. Des
weiteren fand ich in frischen Fällen oder wenn die Lähmung die
Folge einer Rekurrensdurchschneidung war, keine Anästhesie.
Je mehr die Kompression des Nerven zunahm, desto mehr trat die
Anästhesie auf und mehrere der Patienten konnten nicht angeben,
ob die Sonde kalt oder warm war.
Iwanoffbetont, dass nur meine Italienischen Kollegen meine
Beobachtungen bestätigt hätten. Der Grund ist wahrscheinlich darin
zu finden, dass diese sich strikte an meine Methode der Prüfung ge-
halten haben und dass sie eben dem Ausbleiben des Hustens die-
selbe Bedeutung beilegen wie ich selbst.
Ich fühle mich übrigens verpflichtet, neben Mancioli, den
7] Die Sensibilitätsstörungen des Larynx etc. 49
Iwanoff zitiert, auch Ruganı zu erwähnen, der verschiedene be-
weiskräftige Beobachtungen veröffentlicht hat (s. Archiviieital. di
Laringologia 1908 Bd. XXVIII), ferner die Veröffentlichung von
Prota (ebenda 1907 Bd. XXVIII), die Untersuchungen von Mara-
gliano (ebenda 1907 Bd. XXVIII), und schliesslich die Arbeit von
Martuscelli (ebenda 1910 Nr. 1). Es freut mich auch noch an-
führen zu können was Ziemssen (der wie erwähnt den Laryngeus
inferior für einen gemischten Nerven erklärt) 1876 in seinem „Hand-
buch“ in einer bewundernswerten Monographie der Neurosen des
Larynx schrieb (loc. cit. p. 428). Seine Worte lauten wie folgt:
„Totale Leitungslähmung des Rekurrens wird sich hier-
nach zu erkennen geben durch Anästhesie der Schleim-
haut der unteren Kehlkopfhöhle und Paralyse der Mus-
culi cricoarytaenoidei postici und laterales.“ Weiter sagt
Ziemssen nicht an dieser Stelle, sondern an anderer (cf. oben), wie er
die Anästhesie konstatiert hat und lokalisiert sie im unteren Kehl-
kopfraum, aber er erwähnt ausdrücklich, dass bei Fällen von Rekur-
renslähmungen neben den Störungen der Motilität auch gleichzeitig
Störungen der Sensibilität nebenhergehen.
Ich glaube demnach doch mit meiner Methode, die Reflexsen-
sibilitat und nicht die allgemeine Sensibilität als Kriterium bei der
Prüfung zu verwenden, nicht ein Vergessen physiologischer Gesetze
zu beweisen. Wenn aber die Methode wirklich nicht völlig einwand-
frei sein sollte, so bleibt doch — selbst die individuellen und lokalen
physiologischen Differenzen in Rechnung gestellt — die Tatsache
bestehen, dass gerade bei Individuen mit den klassischen Symptomen
der Rekurrenslàhmung sich eine Verlangsamung, eine Abstumpfung
der Sensibilitätsreaktion zeigt. Ist es nicht direkte Anästhesie
oder wenigstens Hypästhesie (wie meine Gegner wollen), so ist es
sicherlich ein Symptom: Abschwächung oder Verlangsamung des Re-
flexes — auf das die Aufmerksamkeit gelenkt zu haben mein Ver-
dienst ist. Die Tatsache, dass ich dieses. Symptom nicht fand,
wenn der Rekurrens durchschnitten war, wohl aber, wenn der
Nervenstamm einer langsamen und andauernden Kompression aus-
gesetzt war, hat mich immermehr in meiner Überzeugung bestärkt,
indem sie mich zu einer Ideenfolge führte, die pathogenetisch mit
unserem Gegenstand in Beziehung steht.
Wenn sich die pathologisch-anatomischen und histologischen Be-
funde, die Martuscelli bei Hunden im Experiment erhoben hat - -
nach lànger dauernder Kompression des Rekurrens einer Neuritis as-
cendens des Nervus laryngeus inferior bis zum Ganglion nodosum
und Neuritis descendens des Nervus laryngeus superior mit den
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 4
50 F. Massei. [8
Zeichen progressiver Degeneration — auch für den Menschen bestä-
tigen sollten, so wird nicht nur — freilich auf indirektem Wege —
die gemischte Natur des Nervus recurrens auch für den Menschen er-
wiesen sein, sondern es wird auch das Paradoxon erklärt sein, dass
Vestibularanästhesie veranlasst wird durch Kompression des
Nerven, der eigentlich nur den hypoglottischen Teil des Larynx mit
Sensibilität versorgt. Vielleicht wird man dann verstehen, warum in
solchen Fällen die Reflexsensibilität gestört ist und nicht die allge-
meine Sensibilität, wenn man sich vor Augen hält, wie nach allem,
was wir über einseitige Kompression des Rekurrens wissen, trotz
schwerer Verletzungen d*e Anastomosen zwischen den beiderseitigen
Laryngei superiores und die Unversehrtheit des Rekurrens der
unverletzten Seite die Funktionsstórung zu kompensieren vermógen
und es nicht zur Aufhebung des reflektorischen Krampfes kommen
lassen.
Schon vor längerer Zeit habe ich an die Direktoren der Univer-
sitätskliniken in Neapel ein Zirkular versandt mit der Bitte mir
in Fällen von Kompression des Rekurrens, die zur Sektion kommen,
den Rekurrensstamm, den Laryngeus superior und das Ganglion
plexiforme zu überlassen. Aber auch ehe entsprechendes Material zu
eingehenden Untersuchungen vorliegt, ist es vielleicht nicht unange-
bracht daran zu erinnern, welche Wandlungen vorgegangen sind mit
der Tbeorie zur Erklärung der frühzeitigen Erkrankungsneigung der
Abduzensfasern gegenüber den anderen Fasern des Rekurrens und
wie ferner die Theorie der Innervation des weichen Gaumens sich
entwickelt hat in flagrantem Widerspruch mit den Lehren der Ana-
tomie. Es ist nicht das erste Mal, dass die Klinik der Anatomie die Wege
zeigt zur Aufklärung dunkler Probleme. Bei der Brown-Sequard-
schen Krankheit z. B. kombiniert sich eine motorische Lähmung der
verletzten Seite mit Sensibilitätsstörungen der anderen Seite, ein
Paradoxon, dessen Aufklärung die Anatomie uns bisher schuldig ge-
blieben ist.
Ich will mich nicht auf verfrühte Folgerungen einlassen. Die
Absicht dieser Veröffentlichung war, im Interesse meiner Selbstach-
tung als Kliniker klarzustellen, dass der Widerspruch zwischen An-
hängern und Gegnern des Hustenreflexausfalles bei Rekurrens-
lähmung (und zwar bei den von mir speziell studierten Kompressions-
làhmungen) zu erklüren ist durch das verschiedene Vorgehen bei der
Prüfung der Sensibilität und der Resultate, die man dabei erwartet.
Es ist eine einfache aber nicht ganz leichte Probe; sie muss mit `
Vorsicht, Zartheit und Geschick vorgenommen werden, um nicht ver-
schiedenartige Deutungen zuzulassen. Ich kitzle den Kehlkopf ein-
9] Die Sensibilitätsstörungen des Larynx etc. 51
fach und sehe zu, was sich dann ereignet; ich verlängere den Reiz
der Sondenberührung für mehrere Sekunden, wenn keine Reaktion
erfolgt. Meine Gegner, befangen in dem Vorurteil rein anatomischer
Anschauungen, richten ihr Hauptaugenmerk auf den Krampf und
suchen diesen hervorzurufen und vernachlässigen so ein Kriterium,
das ich mir nutzbar mache, üben einen stärkeren Druck aus und
stören dadurch den empfindlichen Reflex auch schon bei Gesunden
und schaffen dadurch unrichtige weil auf irrtümlichem Vorgehen be-
ruhende Vergleichsbeispiele.
Iwanoff hat mit seinen wertvollen Untersuchungen das Gebiet
der Sensibilitätsstörungen des Larynx beträchtlich erweitert. Er hat
solche Störungen bei verschiedenen Krankheitsprozessen nachweisen
können, hat aber (mit seiner Methode und seinen Urteilskriterien)
keinerlei graduelle Beziehungen zwischen den motorischen und sensiblen
Störungen gefunden. Aber auch er erklärt nicht, wie es kommt,
dass diese Störungen bei amyotrophischer Lateralsklerose, bei progres-
siver Muskelatrophie, bei Tabes dorsalis, bei Syringobulbie und Syringo-
myelie vorkommen sollen, dagegen niemals bei Rekurrenslähmungen !
Man könnte mit demselben Recht, wie man bei mir von Sug-
zestion sprach, bei ihm angesichts dieser Untersuchungsergebnisse,
vielleicht von „Voreingenommenheit“ sprechen; denn man muss ge-
rechterweise zugeben, dass die ersten Einwände gegen mich gemacht
wurden mit Berufung auf die Ansichten derer, die die Existenz sen-
sibler Fasern im Rekurrens leugneten, und jetzt fügt man dazu aus
der Klinik genommene Einwände, die aber auf einer den rein per-
sönlichen Überzeugungen angepassten Physiologie basiert sind.
Deutsch von Dr. Brühl, Gardone-Riviera.
Herr Alexander Iwanoff, dem die vorstehende Arbeit vor-
gelegen hat, wird demnächst weitere klinische Beobachtungen zur
Frage der Sensibität der Larynx veröffentlichen.
Der Herausgeber.
4*
Xerose und Anosmie.
Von
Dr. med. Goswin Zickgraf, Bremerhaven.
Zu den Beobachtungen über Aufhebung des Riechvermógens im
Verlaufe der Schleimhautveränderungen, die man als Xerose oder
Xerasie der Schleimhäute bezeichnet, bin ich durch die zufällige An-
gabe eines Patienten. gekommen, der durch eine konsequent durch-
geführte Nasen. und Nasenrachenbehandlung von einer Ozaena foetida
im Verlaufe von mehreren Monaten fast vollkommen befreit wurde.
Dieser junge Mensch besass seine Ozina von Jugend her und hatte
nie auch nur eine Spur von Riechvermögen. Mit der fortschreitenden
Besserung, die die Behandlung der Ozaena foetida zeitigte und mit Zu-
nehmen einer gut sezernierenden feuchten Schleimhaut in Nase und
Nasenrachen, bekam der Patient die Fahigkeit zu riechen. Merk-
würdigerweise roch dieser Patient warme feuchte Geriiche, z. B.
Bratengeruch viel eher und besser als starke typische Geriiche, wie
z. B. Veilchen.
Diese einzelne Beobachtung im Jahre 1905 hat mich dazu ge-
führt, später zweimal unter einer grösseren Anzahl von Lungenheil-
stättenpatienten Geruchsinnsprüfungen anzustellen, bei denen ich zu
meiner Überraschung eine verhältnismässig grosse Anzahl von Anos-
mieen und Hyposmien entdeckte.
So habe ich 1907 unter zirka 180 Patienten 10 mal vollkommene
Anosmie und mehrmals Hyposmie gefunden und später haben sich
diese Beobachtungen noch erheblich vergrössert.
Zur Prüfung des Geruchsinns verwandte ich die von Onodi an-
gebenen Substanzen Jonon (Veilchen) und Athylbisulfid (Knoblauch).
54 Goswin Zickgraf. [2
Ich bereitete mir die für das Onodische Olfaktometer nótigen Ver-
dünnungen, sodass ich mit Hilfe einer einfachen Vorrichtung ent-
sprechend dem Onodischen Olfaktometeter 4 Prüfungen vornehmen
konnte:
1. mit Jonon 1: 1000000 = 10 Olfaktien,
2. „ Athylbisulfid 1:10000 = 500 "a
3. , Jonon 1 : 10000 — 1000 >
4. „ Äthylbisulid 1:10000=5000 ,
Zur Definition, was als Anosmie und Hyposmie zu bezeichnen ist,
folge ich dem Lehrbuch von Moritz Schmidt, herausgegeben von
Edmund Meyer. Anosmieen unterscheidet man darnach drei Arten.
Die respiratorische Form, z. B. durch Nasenengigkeit verursacht, die
essentielle Form, bei der die Riechzellen erkrankt oder zerstört sind
und die zentrale, durch die Olfaktoriusatrophie verursachte.
Vollkommene Geruchsunempfindlichkeit und mindere Geruchsper-
zeption gehen unmerklich in einander über. Ein scharfer Unterschied
lässt sich nicht machen, da es Geruchschädigungen gibt, die zwar auf
die Riechsubstanzen des Olfaktometers nicht mehr reagieren, also als
Anosmieen zu bezeichnen sind, deren Träger aber wohl noch imstande
sind, andere Gerüche zu perzipieren. Für die Praxis ist wohl richtig,
diejenige Geruchsverminderung die auf 5000 Olfaktien nicht reagiert,
als Anosmie zu bezeichnen. |
Der Befund, den ich an der Nasenschleimhaut der oben er-
wühnten 10 Patienten mit Anosmie erhob, war nun jedesmal der
gleiche und so typisch, dass die Anosmien ausnahmslos als essentielle,
d. h. durch Schädigung der Geruchszellen hervorgerufene, bezeichnet
werden konnten. Es bestand entweder Ozaena foetida oder Rhinitis
sicca mit Atrophie der Schleimhaut.
Durch diesen stets gleichen Befund auf das häufigere Zusammen-
treffen von xerotischen Schleimhautveränderungen mit Anosmie auf-
merksam geworden, habe ich eine Reihe (30) von Patienten mit
schweren oder leichteren Veränderungen dieser Art systematisch durch-
untersucht und bin dabei zu dem Resultat gekommen, dass die Hälfte
dieser Patienten eine vollkommene Anosmie und ein Drittel starke
Hyposmie aufwiesen (Reaktion erst auf 5000 Olfaktien). Nur vier
Patienten hatten einen nach dem Olfaktometer-Versuch als normal
zu bezeichnenden Geruch. Unter diesen vier Patienten befand sich
merkwürdigerweise eine typische Ozaena foetida mit starker Borken-
bildung.
Diesen einen Fall habe ich mehrmals genau rhinoskopisch unter-
sucht und dabei festgestellt, dass die Borkenbildung in der Nase und
die hochgradige Atrophie der Schleimhaut nicht bis in die Riech-
--
3] Xerose und Anosmie. 55
spalte hinaufreichte. Ich habe so genau anfänglich nicht bei allen
Fällen auf dies Verhalten geachtet, aber seitdem ich das tue, kann
ich regelmässig feststellen, dass die trockene Schleimhautveränderung
in der Riechsphäre ganz parallel mit dem Ausfall des Olfaktometer-
Versuchs verläuft, bei Anosmie, Trockenheit und Atrophie, soweit
man sehen kann, bei Hyposmie und normalem Geruch Freisein des
vorderen Septums von der Höhe der mittleren Muschel an.
Nicht in allen Fällen von sogenannter nach dem Olfaktometer-
Versuch anzunelımender Anosmie bestand eine tatsächliche voll-
‚kommene Anosmie. In mehreren Fällen konnte ich konstatieren, dass
warme, feuchte Gerüche noch wahrgenommen und zwar ziemlich exakt
bezeichnet werden konnten, während für Jonon und Athylbisulfid die
Perzeption erloschen war.
Es wird daher zweckmässiger sein, das Resultat der vorliegenden
Prüfung so zu bezeichnen, dass in den meisten Fällen von trockener
Nasenschleimhaut mit Atrophie eine hochgradige Hyposmie bis unter
die Grenze des Olfaktometer-Versuchs reichend besteht.
Wenn man die dauernden gewerblichen Schädlichkeiten bedenkt,
die das Untersuchungsmaterial (Arbeiter aus den Hansestädten) aus-
zuhalten hat, so ist es eigentlich selbstverständlich, dass so feine
Gebilde wie die Riechzellen, trotz ihrer geschützten Lage, bei der
Überflutuug der Nase mit schädlichem Staub allmählich notleiden
und zugrunde gehen. Ich habe besonders einige Kategorien von
Kranken häufig an Anosmie leiden sehen, die viel unter Staub zu
leiden hatten, das waren Arbeiter und Arbeiterinnen in Jutefabriken
und Reismühlen (vegetabilischer Staub) und Schlosser und Eisendreher
imetallischer Staub) und Löter (entzündungserregende Gase), während
Tischler weniger häufig Anosmie zeigten, trotzdem sie zu den Xerose-
Kranken einen ganz beträchtlichen Prozentsatz nach meiner Er-
fahrung stellen.
Der anfangs erwähnte Fall bei einer Ozaena foetida, der im Laufe
einer intensiven täglichen Behandlung mit Quillajadecoct einer auf-
fälligen Besserung der Ozäna zugeführt wurde, und der mit fort-
schreitender Besserung ein geringes Geruchsvermögen bekam, gibt
mir Veranlassung, noch mit einem Wort auf die Therapie der Anos-
mie und Hyposmie zu sprechen zu kommen. A priori miisste man
annehmen, dass alle jene therapeutischen Eingriffe und Massnahmen,
die für die Ozäna und für die leichteren Fälle von Rhinitis sicca und
Schleimhaut-Atrophie in Betracht kommen, auch für die Erhaltung
und Verbesserung des Geruchsvermögens richtig seien. Ich glaube
das nicht. Von den zumeist verordneten Spülungen ist kein wesent-
licher Erfolg zu erwarten, da die Schleimhautveränderung, die die
56 Goswin Zickgraf: Xerose und Anosmie. [4
Anosmie und Hyposmie verursacht, zu hoch in der Nase ihren Sitz
hat, um von dem spülenden Wasserstrom erreicht zu werden. Deut-
lichen Erfolg habe ich nur von den, von mir angegebenen Saponin-
Inhalationen gesehen, die ich jetzt ausschliesslich in der Form eines
Nasen-Sprays machen lasse. Der Nasen-Spray wird mit Tabletten
zum Auflósen, in denen Saponin in einer bestimmten Konzentration
enthalten ist, gebrauchsfertig von B. Hadra-Berlin in den Handel
gebracht.
II. Referate.
l. Allgemeines, Geschichte usw.
1. H. Aboucker, Erkrankungen des Mundes, des Rachens und
der Nase, Lungenkraukheiten vortüáuschend. (Fausses affections
pulmonaires d'origine bucco-naso-pharyngeenne.) Annales des
maladies de l'oreille. Nr. 2. 1910.
Alle Spezialisten wissen, wie oft es genügt, ein verlängertes Zäpfchen
abzuschneiden, einen „nicht vermuteten Polypen aus der Nase zu ent-
fernen, um mit einem Schlage auch einen jahrelang Jauernden Husten
zu kupieren. Sehr eklatante derartige Fälle sind in letzterer Zeit Gegen-
stand besonderer Publikation geworden (Lermoyez, Avelino Martin).
Wenn wir dennoch des längeren bei der Arbeit Abouckers verbleiben,
80 geschieht es wegen der scheinbaren Erfolge, die er bei Blutungen aus
dem Rachen und der Nase bei Patienten erzielt hat, die von anderen
Ärzten als tuberkulös betrachtet worden sind. Eine durch mehrere Jahre
fortgesetzte Beobachtung von Patienten, die an scheinbarer Cavumblutung
sine materia oder namentlich aus den sogenannten Pharynxvarizen ge-
blutet haben, zeigt später doch, dass ein grosser Teil derselben an Lungen-
tuberkulose erkranken. Damit soll freilich nicht geleugnet werden, dass
hie uni da, namentlich bei Ozäna echte Pharynxblutungen auftreten
können, die mit Tuberkulose nichts zu tun haben, wenn auch, was die
Ozäna anlangt, in letzterer Zeit immer mehr deren ätiologische, oder
sagen wir prädisponierende Beziehung zur Tuberkulose nachgewiesen wird.
Lautmann, Paris.
2. Alexander, Reichenhall, Inhalationsapparat mit Kühler und
Kondenswasserverhütung. Med. Klin. Nr. 10. 1910.
Alexander beschreibt uns einen Inhalationsapparat, bei dem durch
Abschrägung des Inhalationsrohres am Ende die Kondenswasser-
bildung daselbst verhütet wird. Zur Abkühlung des Dampfes ist das
Inhalationsrohr durch einen Kasten geführt, der mit Eis und Wasser
gefüllt ist. W ürth, Würzburg.
58 Referate. | [2
3. Barajos, Madrid, Intervenciones an anestesia local. Eingriffe
mit lokaler Anüsthesie. Bolitón de Laringologia otologia y
rinologia Januar-Februar 1910.
Barajos berichtet über folgende Eingriffe, die er mit Hilfe der
lokalen Anästhesie gemacht hat:Caldwell-Lucsche Operation, Ogston-
Lucsche Operation, Rouges Operation (Rhinotomia infralabialis), Tracheo-
tomien usw. Er gibt dem Kokain den Vorrang und den Vorzug von
den neueren Analgetika (Alypin, Stovain, Eukaiu); um die grósste an- `
ästhetische Wirkung mit der geringsten Gefahr verbunden zu erzielen,
fst es notwendig, die Kokainlósungen zu neutralisieren, was durch Hinzu-
lügen von doppelkohlensaurem Natron und nachfolgender Filtrierung sehr.
ieicht geschieht. Menier.
4. R. Goldmann, Kairo. Die Indikationen Ägyptens bei Er-
krankungen des oto-laryngologischen Spezialgebietes. Monats-
schrift für Ohrenheilkunde 2. 1910.
Die prophylaktische wie heilende Wirkung des ägyptischen Klimas
bei akuten und chronischen Affektionen des Ohres, der Nase und des
Halses. Sippel, Würzburg.
5. Jansen, Berlin, Was leistet das Róntgenverfahren auf oti-
atriscehem' und rhinologiscehem Gebiete für die Diagnose?
Deutsche Zeitschr. für Chirurgie. Bd. 99.
Die sehr ausführliche Arbeit gliedert sich in 2 Hauptabteilungen,
nämlich in die Besprechung des Nutzens des Röntgenverfahrens für die
Anatomie und in diejenige für die Diagnostik auf dem Gebiete der Rhino-
logie und der Otiatrie. Das Bedürfnis nach Aufklärung über anatomische
Verhältnisse erstreckt sich in der Otiatrie in der Hauptsache auf den
Warzenfortsatz und ist deshalb geringer als bei den kompliziert gebauten
Nebenhöhlen der Nase. Jansen bedient sich für die Ohren ausschliess-
lich des photographischen Verfahrens. Die Aufnahmen erfolgen im Profil
(transversale Durchstrahlung) und en face (sagittale Durchstrahluug). Bei
der Profilaufnahme wird die Gegend des Warzenfortsatzes fest auf die
Platte gedrückt. Die Expositionszeiten betragen bei den Profilaufnahmen
1!/s—2!/s, bei den en face Aufnahmen 3—4 Minuten. Durch die Auf-
nahme erlangt man eine genaue Kenntnis vom Bau des Warzenfortsatzes
und gewinnt Anhaltspunkte dafür, ob die Operation leicht oder schwer
sein wird und ob durch die Beschaffenheit des Warzenfortsatzes die Ent-
stehung von Komplikationen innerhalb der Schädelhöhle wahrscheinlich
ist. Auch für die Wahl des Operationsverfahrens kann das Röntgen-
verfahren den Ausschlag geben. Auf diagnostischem Gebiete sind seine
Leistungen indessen, was die ÖOtiatrie betrifft, ziemlich beschränkt. Man
muss hier die en face Aufnahmen vorziehen, um beide Warzenfortsitze
zum Vergleiche vor sich zu haben. Hierbei werden aber oft die Warzen-
fortsátze, wenn sie nicht sehr gross sind, durch den Unterkiefer verdeckt.
Auf rhinologischem Gebiete erlangt man durch das Róntgen-
verfahren Kenntnis: über die Gestalt der einzelnen Nebenhöhlen. Auf
der Vorderplatte erscheinen sämtliche Höhlen ausser der Keilbeinhöhle;
auf der Seitenplatte erscheinen sämtliche Höhlen derselben Seite, und
ausserdem die Keilbeinhóhle. Die genauere Kenntnis dieser anatomischen
3] Referate. 59
Verhältnisse ist für vorzunehmende Operationen von ganz eminenter
Bedeutung. Was die Diagnose betrifft, so ist das Röntgenverfahren ebenso-
wenig unfehlbar, als die anderen hier in Betracht kommenden Unter-
suchungsmethoden. Es ist sehr schwierig zu erkennen, welche Höhle als
erkrankt zu betrachten ist. In jedem Falle ist die Röntgenbehandlung
aber der elektrischen Durchleuchtung an positivem Werte überlegen. Was
die Keilbeinhóhle betrifft, so bietet sie überhaupt die einzige Möglichkeit,
hier Einblick zu gewinnen. Oft ist das Resultat der Röntgendurchleuch-
tung demjenigen der elektrischen Durchleuchtung direkt entgegengesetzt.
In solchen Fällen darf man wohl annehmen, dass das Röntgenverfahren
das Zuverlässigere ist. Ein scheinbarer Widerspruch ergibt sich oft
zwischen beiden Methoden bei der partiellen Erkrankung der Schleim-
haut in den Nebenhóhlen. Wenn z. B. die Schleimhaut am Boden der
Kieferhöhle oder am unteren Abschnitt der Kieferhöhle erkrankt ist, so
werden die von unten her kommenden elektrischen Strahlen abgedunkelt,
während die Röntgenstrahlen, welche durch gesundes Gebiet leuchtend
von hinten nach vorn durchgehen, keine Verschleierung anzeigen. Man
muss desbalb immer am besten sich beider Verfahren in Kombination
bedienen.
Bei der Besprechung der Röntgenbilder, welche die Erkrankungen
der einzelnen Hóhlen geben, wird besonders darauf hingewiesen, dass eine
selbst leichte Verschleierung oder Schattierung bei der Stirnhóhle für
das Vorhandensein einer Erkrankung schon hohe Beweiskraft besitzt.
Dagegen trifft man bei der Kieferhöble stets, wenn auch keine Erkran-
kung vorhanden ist, leichte Schattierungen und muss daher sehr vor-
sichtig sein. Ebenso ist die Deutung am Siebbein sehr schwer. Es ist
dieserhalb stets anzuraten, Aufnahmen in sagittaler und in transversaler
Richtung zu machen und diese miteinander zu vergleichen.
Es kann nicht weiterhin auf die Einzelheiten der sehr dankens-
werten und sehr interessanten Ausführungen an dieser Stelle eingegangen
werden. Demjenigen, welcher sich mit der Róntgenuntersuchung auf den
hier in Betracht kommenden Gebieten befassen will, wird die Arbeit
wichtige Anleitungen und Fingerzeige geben. Die auf Tafeln beige-
gebenen 16 Abbildungen sind leider in der Reproduktion nicht gut
ausgefallen und daher zur Belehrung kaum zu verwenden.
Stein, Wiesbaden.
6. K. Leuwer, Bonn, Versuche über den Sehluckweg. Wiener
klin. Rundschau 3—7. 1910.
In einem längeren Bericht über den Schluckmechanismus, aus-
gehend von den ersten Untersuchungen von Hippokrates, von Galen,
die die Lehre von der Aspiration durch die Lunge bezw. durch den
Magen aufstellen, werden die Forschungen einer Reihe späterer Autoren
nach Erfindung des Kehlkopfspiegels, der auch auf diesem Gebiete hahn-
brechend wirkte, dargestellt. Hauptsächlich war es das Verhalten des,
Kehlkopfes beim Schluckakt, das am meisten der Aufklárung bedurfte.
Am Schlusse seiner Behandlung bringt Leuwer den Bericht über seine
eigenen Versuche an Tier und Mensch und über die daraus sich erge-
benden Resultate. Sippel, Würzburg.
60 Referate. [4
7. B.Grossmann, Wien, Zur Frage der Bedeutung der Wasser-
mannschen Reaktion in der Rhino-Laryngologie. Monatsschr.
für Ohrenheilk. 3. 1910.
Die Ergebnisse der Untersuchung an 52 Fällen mit der Wasser-
mannschen Reaktion können dahin zusammengefasst werden, dass die
Wassermanneche Reaktion in der Rhino-Laryngologie eine wertvolle
Untersuchungsmethode darstellt, ferner dass für die Luesätiologie der
Ozaena simpl. keinerlei Beweisgründe durch die serologischen Unter-
suchungen beigebracht werden können, sondern dass im Gegenteil die
Lues als ätiologisches Moment der Ozaena simpl. nicht angesehen werden
kann. | Sippel, Würzburg.
8. Monges, Ein Fall von Lepra, (Un cas de Lepre.) Le Larynx.
Januar-Februar 1900.
28jährige Patientin in den französischen Kolonien (Guadalupe) ge-
boren. Was die speziellen Nasenmundkehlkopfsveränderungen anbelangt,
findet man: Abplattung der Nase, Verdickung der Lippen, Verdickung
der Nasenflügel, Lepromnarben; das knorpelige Septum ist verbreitert;
das vordere Ende der unteren Muschel ist mit dem Septum verwachsen.
Indurierte Knótchen auf der Zungenspitze. Im Kehlkopf findet man
Knötchen, welche die Mukosa abheben und eiförmige oder runde oder herz-
förmige Vorsprünge bilden. Die Stimme war einigermassen verloren, die
Abtragung eines Leproms stellt sie wieder her. Die Motilität der Stimm-
bänder hat keine Einbusse gelitten; es scheint, dass die Knötchen die
Muskeln und das knorpelige Gerüst des Kehlkopfs frei liessen und nur
die Schleimhaut ergriffen. Die histologische Untersuchung des abge-
tragenen leprösen Tumors zeigte als charakteristisches Merkmal eine be-
deutende Zahl von Hansens Leprabazillen. Dieser Fall ist der
dritte Leprafall, der in Marseille von dem Laryngologen Prof. Doktor
Molinié gesehen worden ist. Zwei davon waren Eingeborene aus
den französischen Kolonien, die dritte war eine Italienerin. Menier.
9. Neisser, Lupus oder tertiäre Lues? Sarkom oder primäre
Lues? Berl. klin. Wochenschr. 1909. Nr. 33.
In zwei Fallen (Mutter und Tochter) hatte der behandelnde Arzt
den luetischen Prozess nicht erkannt und beide Patienten als Lupus-
kranke behandelt. Als traurige Folge dieser Verwechslung kam es bei
der Tochter zu hochgradigen Zerstórungen des Nasengerüstes, zu Ver-
wachsungen zwischen Velum und hinterer Rachenwand und zur Amau-
rose wührend die Erscheinungen bei der Mutter durch eine energische
Kur noch zum Stillstand gebracht werden konnten. Im Anschluss an
diese verhängnisvolle Fehldiagnose mahnt Neisser, in jedem zweifel-
haften Falle zur diagnostischen subkutanen Tuberkulin-Injektion zu
greifen, überall, wo primäre oder sekundäre Syphilis differentialdiagnostisch
in Betracht kommt, eine energische Quecksilberkur als diagnostische
Probebehandlung anzuwenden, resp. bei Verdacht auf tertiäre Formen
Jod probeweise zu geben — ebenso soll bei jeder absonderlichen Tumor-
form zunächst die Möglichkeit: Syphilis, in Erwägung gezogen werden,
besonders wenn der positive Ausfall der Serodiagnose die Anwesenheit
von Lues erweist. Georg Cohen, Königsberg i. Pr.
5] Referate. 61
10. P. Sebileau, Die metallische Prothese des Schüdels. (La
prothése métallique du crane.) Annales des maladies de
l'oreille etc. Tome XXXVI. Nr. 2.
Man glaubt allgemein, dass die in das Innere von Geweben ver-
pflanzten metallischen Prothesen ständig Fremdkörper bleiben und früher
oder später als solche vom Organismus ausgestossen werden. Als Sebileau,
der von der allgemeinen Chirurgie in unsere Spezialität „umgesattelt“ ist,
im Jahre 1903 in der Pariser Gesellschaft für Chirurgie einen Patienten
vorstellte, bei dem er die Vorderwand einer vereiterten Stirnhöhle abge-
tragen und dieselbe durch eine gefensterte Goldplatte ersetzt hatte, liessen
ibn die Diskussionsredner befürchten, dass die Prothese einer konsekutiven
Osteoitis nicht lange standhalten würde. Diese Befürchtungen schienen
anfangs nicht mit Unrecht gehegt zu werden, da Sebileau kurze Zeit
darauf einen Patienten in derselben Gesellschaft für Chirurgie vorstellen
konnte, bei dem sich ein künstlicher aus Gold hergestellter Nasenriicken
allmäblich aber sicher aus seiner Unterlage auszustossen begann. Die
fortlaufende Beobachtung hat jedoch ergeben, dass solche Prothesen tat-
sächlich jahrelang verbleiben können und mit der Zeit so innig von den
Weichte’len durchwachsen werden, dass sie die schützende Funktion des
normalen Knochens übernehmen könne. Nicht nur hat der 1903 operierte
Patient bis auf den heutigen Tag seine Prothese behalten, sondern zwei
andere Patienten, von denen der eine von Rouvillois operiert worden
ist, haben ihre Protbesen, der eine schon seit Jahren, der andere aller-
dings erst seit Monaten, bebalten, trotzdem die Patienten, ohne Rücksicht
auf den Knochendefekt, jedem Sport nachgeben und der eine sogar ein
schweres Schädeltrauma durchgemacht hat. In den beiden letzteren Fällen
handelte es sich um ausgedehnte Krauiektomien.
Allerdings ist die Technik der Prothese nicht jedermanns Sache und
verlangt die beispiellose Geschicklichkeit eines Delair, der seit Jahren
für alle französischen Chirurgen die Kopfprothese besorgt. Das Anfertigen
der Prothese kann erst in der letzten Minute, das heisst während der
Operation, zu Ende geführt werden, da Dimensionen und Form nicht
einfach nach dem Augenschein bestimmt werden dürfen. Das Ausschnei-
den des deckenden Hautlappens, die überaus schwere Blutstillung, das
Abglätten der Wundränder des Knochendefektes und endlich die Fixation
der Prothese sind die einzelnen Punkte, auf die es ankommt und von
denen das Gelingen der Prothese abhängt. Leider geht der Autor, der
bisher ziemlich breitläufig beschrieben bat, auf diese wichtigen Punkte
. nicht des näberen ein. Dagegen erinnert er an die Versuche eines seiner
Schüler, G. Lemerle, über die Toleranz des tierischen Körpers gegen
aseptisch eingeführte Fremdkörper. Uns erscheinen die Versuche an
Tieren um so überflüssiger, als wir alle die grosse Toleranz des mensch-
lichen Körpers Revolverkugeln, den: Paraffin etc. gegenüber kennen, ohne
auf die alt-ägyptische Chirurgie zurückzugreifen, in der Metallprothesen
und namentlich Zahnplomben bekannte Dinge waren.
Lautmann, Paris.
62 Referate. [6
2. Nase und Nebenhöhlen.
11. Caldera, Sopra un nuovo caso clinico di papilloma del setto
nasale. Uber oinen neuen klinischen Fall von Papillom der
Nasenseheidewand. Archivio ital. di Otologia, Rinologia, Larin-
gologia 1910. Nr. 2.
Wahre Papillome des Septums sind trotz gegenteiliger Anschauung
älterer Autoren, die ihre Diagnose nur auf klinischen Merkmalen basierten,
relativ recht selten. Caldera findet im ganzen nur etwa 30 einwands-
freie Fälle in der Literatur. — Der von ihm selbst beobachtete Fall, der
durcb histologische Untersuchung sichergestellt und mittelst kalter Schlinge
rasch und definitiv operiert wurde, zeigte im Gegensatz zu den Erfah-
rungen der meisten übrigen Autoren ein sehr schnelles Wachstum
(innerhalb 2—3 Wochen bis zur Grösse einer Bohne).
Brühl, Gardone Riviera, Binz a. R.
12. R. Castaneda, San Sebastian, Etmoiditis supurada crónica
aislada con fistulacion y siu manifestatión endonasal. (Iso-
lierte chronische vereiterte Ethmoiditis mit Fistelbildung und
ohne endonasale Manifestation.) Boletin de laringologia, oto-
logia y rinologia. Januar-Februar 1900.
Verfasser beobachtete einen Fall von geschlossenem Empyem in einer
hinteren Zelle des Siebbeinlabyrinths; das Empyem entleerte sich durch
eine Fistel am hinteren Orbitawinkel; der Fistelgang war unabhängig
und isoliert von den anderen Zellen des Ethmoidallabyrinths. Kein Eiter
war in der Nase zu sehen. Ethmoidektomie; die Untersuchung der Stirn-
hóhle war negativ. Eine Zelle der hinteren Gruppe des Ethmoids war
mit Karies affıziert; die Affektion reichte nicht bis zum Keilbein. Heilung
in vierzehn Tagen.
Verfasser erklärt die isolierte Erkrankung durch die Mikrobenein-
wanderung; er bekennt selber, dass diese Hypothese etwas gezwungen
ist, da bei der Patientin, einem skrofulösen 18jährigen Mädchen. nur
Katarrhe der Konjunktiva und der Augenlider existiert hatten,
Menier.
13. Deshayes, Notes cliniques sur la pyohémie à streptocoques.
Deux eas mortels à point de départ naso-pharyngien. (Kli-
nische Beobachtungen über die Streptokokkenpyhümie. Zwei .
tödliche Fälle mit naso-pharyngealem Ausgangspunkte.) La
Clinique. 19. Februar 1900.
Fal I. Nach Abtragung der adenoiden Wucherungen hatte der
junge Patient eine Nasenblutung, die durch Tamponade beherrscht wurde.
Von diesem Tag an war er leidend und nach und nach entwickelte sich
das Bild mit Septikopyhämie mit Metastasen.
Fall II. Eine 31jährige Dame litt seit einigen Tagen an sehr
schmerzhaften Schwellungen der Extremitäten. Nach 2 Tagen klagte sie
über Störungen der Nasenatmung und 4 Tage nachher gewahrt man in
der Nase eine Pseudomembran ; keine Veränderung im Halse. Ein-
spritzung von Heilserum; in Strichpräparaten findet man reichliche
1] Referate. 63
Lóffler-Bazillen. Kurzum, nach zahlreichen Metastasen stirbt Patientin,
ein Opfer einer Pyhämie, die den energischsten Mitteln trotzte.
Verf. erblickt in der Nasenrachenhöhle den ursprünglichen Sitz der
Infektion. Das Interessante des zweiten Falles liegt in der nasalen
Diphtherie, welche die Nase primar angriff und nicht weiter fortschritt.
Menier.
14. Santos Fernandez, Exoftalmia pod polipos de la órbita
procedentes del seno-maxilar. Exophthalmie dureh Polypen
der Augenhöhle, die vom Antrum Highmori herkamen, Archivos
de oftalmologia Hispano-americano Januar 1910.
Die Polypen entwickelten sich in dem Naseninneren eines 5jăhrigen
Mädchens, drangen in die Kieferhöhle und, ohne dass es jemals Symptome
seitens des Antrum Highmori gab, wurde die Augenhöhle invahiert durch
Perforation der oberen Wand des Antrums. Ler Tumor war: Endo-
theliom, das Bindegewebezellen, polymorphnukleäre Leukozyten, kleine
mononukleáre Zellen enthielt. Dazu fand man Gefáüsse mit Anzeichen
einer Perivaskulitis. Menier.
15. Fons, Dos casos de atresia de la abertura anterior de las
fosas nasales. evista de Medicina y Cirurgia Practicas de Mad.
rid. Nr. 1. 101. 7. Dez. 1909.
Fons berichtet über 2 Kranke von 40 bezw. 44 Jahren, welche
eine vollkommene Atresie der einen Nasenhälfte und Verengerung der
anderen Nasenhälfte hatten. In beiden Fällen handelte es sich um Narben.
Es hatten Verätzungen mit Ammoniak stattgefunden. Die Patienten
hatten sich Wattepfropfen, welche mit Ammoniak getränkt waren, in die
Nase gesteckt. Dies ist ein in Spanien gebräuchliches Gegenmittel gegen
die akute Alkoholvergiftung. Stein, Wiesbaden.
16. W. Gemmili, Behandlung eines Uleus rodens mit Kalium-
biehromat. Med. Klin. 15. 1910.
Das Ulcus sass über dem knóchernen Teil der Nase. Da chirurgische
Entfernung unausführbar, Bepinselung mit einer 10°joigen Lösung von
Kaliumbichromat. Nach der dritten Applikation vollständige Heilung mit
etwas unregelmässiger Narbe. Sippel, Würzburg.
17. M. Hajek, Wien, Mukozele der Keilbeinhöhle, kompliziert
durch Neuritis optiea. Operation. Heilung. Monatsschr. für
Ohrenheilkunde 3. 1910.
. Im vorliegenden Falle, bei dem nebenbei noch eine hochgradige
Ozäna bestand, schloss sich an das Ende der linken mittleren Muschel
ein diffuser, ganz glatter Tumor an, der die hintere Partie der Fissura
olfact. völlig verlegte und sich innig an die Scheidewand anlegte. Nach
Anreissen des Gebildes mittelst des Siebbeinhakens stürzte sofort eine an-
sehnliche Menge serös-schleimiger Flüssigkeit in die Nasenhöhle hervor.
Die vordere Wand wurde abgetragen und nun wurde der Tumor als eine
Auftreibung des Sinus sphenoid. erkannt.
Beachtenswert ist dabei, dass bereits 1/2 Stunde nach der Operation
die Patientin mit dem linken Auge wieder Gegenstände unterscheiden
konnte, was vorher nicht der Fall war. Sippel, Würzburg.
64 Referate. [8
18. Harmes, London, Fibrosarkom der Nase, entfernt nach tem-
porürer Ligatur der üusseren Karotiden und Laryngotomie.
Proc. Roy. Soc. Med. vol. III. Nr. 5.
Die Geschwulst zeigte sich bei einem Manne von 47 Jahren. Sie
war ausserordentlich gefassreich, von grossem Umfang und in die linke
Orbita, das linke Antrum und den Naso-Pharynx hervorragend, aber nicht
in die Fossa temporalis. Bei der Operation zeigte es sich, dass sie vorne
vom Sinus frontalis bis nach hinten zum Sinus sphenoidalis an der
Schádelbasis festsass. Es musste ein Teil der Lamina cribrosa und ein
kleiner Teil der Dura mater mit entfernt werden, an welcher die Geschwulst
zu haften schien, Der Verf. legt besonders Nachdruck auf die Wichtig-
keit der temporüren Ligatur der Carotides externae und Laryngotomie, ohne
welche voıbereitenden Massnahmen der Patient sich wahrscheinlich zu
Tode geblutet hätte. Guthrie, Liverpool.
19. O0. Kahler, Wien, Zur Pathologie und Klinik der gutartigen
Oberkiefergeschwiilste. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 2. 1910.
Die Abhandlung erstreckt sich über Kieferhöblenfibrome und über
partielle Hyperostose des Oberkiefers, ihre Symptome und ihre operative
Behandlungsweise. Sippel, Würzburg.
20. K.Kofler, Wien, Beitrag zur Behandlung mittlerer Synechien.
Monaisschr, f. Ohrenheilk. 3. 1910.
Es handelt sich hier um einen Fall von mittlerer Synechie, bei dem
die untere und mittlere Muschel in breiter Ausdehnung mit dem Nasen-
boden, der lateralen Nasenwand, dem Septum und unter sich verwachsen
waren. Die Operation nach Denker, d. h. die Abtragung der lateralen
Nasenwand, ergab ein gutes Resultat. Sippel, Würzburg.
21. Kelson, London, Erkrankung des Sinus frontalis mit Ne-
krose bei einem Manne von 33 Jahren. Proc. Roy. Soc. Med.
vol. III. Nr. 3.
Der Patient, ein Schneider, zog sich Syphilis im Jahre 1905 zu.
Drei Jahre später wurde wegen Erkrankung der linken Kieferhóhle eine
Radikaloperation ausgeführt, "Vier Tage nach der Operation zeigte sich
auf beiden Seiten über dem Sinus-frontalis eine grosse Schwellung. Eine
Eröffnung des linken Frontal Sinus nach drei Tagen zeigte eine ausgedehnte
Nekrose des äusseren Randes und grosse Sequester wurden entfernt. Bei’
mehreren späteren Gelegenheiten wurden einige Teile abgestorbenen Kuochens
entfernt. Guthrie, Liverpool.
22. Maurice, Nouvelle pince pour les vegetations adenoides.
(Neue Zange für die adenoiden Wucherungen.) Archives intern.
de laryngologie. März-April 1910.
Bei dieser Nasenrachenzange wirken die schneidenden Flächen von
oben nach unten und von vorne nach hinten (d. b. nach der senkrechten
Achse des Nasenrachenraumes). Der Griff ist so gebogen, dass die Ein-
führung und die verschiedenen Bewegungen leicht ausführbar sind.
Menier.
3] | Referate. 65
33. Onodi, Die chirurgische Behandlung der Nasenscheidewand-
tuberkulose. Berl. klin. Wochenschr. 1909. Nr. 35.
Die primäre Tuberkulose in der Nase kommt in jeder Altersstufe,
an jedem Teil der Nase vor, am häufigsten am knorpeligen Septum; sie
kann infiltrativer, ulzeröser und proliferativer Form sein; die bisher ge-
übten Methoden: Auskratzung, Ätzung und Kauterisation können Rezidive
. nicht verhindern und sollen durch radikale chirurgische Behandlung er-
setzt werden. Als solche schlägt Onodi vor: endonasale Resektion der
erkrankten Teile oder Resektion der Scheidewand nach vorheriger Spaltung
der Nase. Bei sekundärer Tuberkulose ist lokale Behandlung am Platze,
wobei natürlich das Allgemeinbefinden des Individuums für das mehr oder
minder radikale therapeutische Vorgehen ausschlaggebend sein soll.
Georg Cohn, Königsberg.
24. Rebaudi, Über einen Primüraffekt der Membrana pituitaria.
Sifiloma iniziale della pituitaria. Gazetta degli ospedali. S. 33.
13. Marz 1900.
Solche Fälle sind sehr selten und die Ätiologie ist fast immer sehr
dunkel ; es ist unmöglich, die Quelle der Ansteckung zu finden. Der vom
Verf. beobachtete Fall betrifft einen 59jährigen Schuhmacher, der einen
Primäraffekt der Nasenschleimhaut mit submaxillärer Drüsenschwellung und
nachträglich eine Hautaffektion hatte, welche die Diagnose bestätigte.
(Syphiloderma erythemato-papulosum). Menier.
25. Charters J. Symonds, London, Entfernung des Stirnbeins
wegen septischer Osteomyelitis. Proc. Roy. Soc. Med. Vol. III.
Nr. 3.
Die Infektion folgte chronischer Eiterung der beiden Frontal-Sinus
und war vor der Operation vorhanden. Durch eine Reihe von Operationen
wurde das Stirnbein entfernt zugleich mit einem Teile des Siebbeines,
der Decke der rechten Orbita, ihrer inneren Wand und des vorstehenden
Knochens des Orbitalrandes. An der linken Seite liess man den Orbital-
rand zum Teil stehen. Das Interessante an dem Falle war, dass nach
so ernster Komplikation Heilung eintrat und dass die Wiederherstellung
des grössten Teiles des Stirnbeines mit folgender Restaurierung der Wólbung
der Stirne stattfand. Guthrie, Liverpool. |
26. G. Tapia, Indicaciones y tratamiento quirürgico de la sinu-
sitis frontal. Revista Clinica De Madrid. Band II. Nr. 18.
15. September 1909.
Tapia stellt zwei Fragen auf:
1. Soll man, nachdem die Diagnose einer Stirnhöhlenentzündung
sicher gestellt ist, operieren und den Sinus frontalis von aussen Öffnen ?
2. Welches Verfahren soll man anwenden, wenn die Operation be-
schlossen ist? Die erste Frage beantwortet er dahin, dass die Ansicht
derjenigen Autoren, welche die Operation in jedem Falle anraten, nicht
zu Recht bestehen könne; denn es gäbe eine sehr grosse Anzahl von
Fällen, bei denen auch eine konservative Behandlung oder eine endonasale
Operation vollkommen zum Ziele führen könne. Unbedingt durch Er-
öffnung des Sinus von aussen seien nur die sogenannten komplizierten
Fälle zu behandeln, welche schon mit einer Phlegmone oder mit einem
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 5
66 Referate. [10
periostalen Abszesse, oder mit Fisteln, oder mit Erscheinungen, welche
auf eine Beteiligung der Schädelhöhle hinwiesen, zur Beobachtung kommen.
Im übrigen aber gibt es eine grosse Anzahl von Fällen, welche jahrelang
nur ganz unbedeutende Erscheinungen machen können und bei denen
eine konservative endonasale Behandlung durchaus zum Ziele führen kann.
In einer weiteren Gruppe von Fällen, bei denen starke Eiterabsonderung
verbunden mit sehr heftigen Schmerzen besteht, soll man auch erst noch
eine endonasale Operation versuchen, ehe man zu der Radikaloperation
von aussen seine letzte Zuflucht nimmt. Tapia batte sehr gute Erfolge
in solchen Fällen durch Resektion des Kopfes der mittleren Muschel und
empfiehlt diese Operation auch für Fälle, bei denen eine Erkrankung
mehrerer Nebenhöhlen der Nase zu gleicher Zeit vorliegt.
Stein, Wiesbaden.
27. Tapia, Cuerpo extrano de la región superciliar simulando
una sinusitis frontal supurada. (Fremdkörper der Regio super-
ciliaris eine eiternde Stirnhöhlenerkrankung vortäuschend.)
Revista ibero americana de Ciencias Médicas. Februar 1900.
Ein junger Mann erleidet einen Wagenunfall und trägt eine kleine
Wunde der rechten Stirngegend davon. Fünf Monate später empfindet
er Schmerzen, es bildet sich eine Schwellung, aus welcher Eiter reichlich
fliesst; es bestand ein kleiner Fistelgang. Kein Eiter in der Nase, die
rechte Höhle ist undurchsichtig; die Sondierung der Fistel zeigte, dass
dieselbe mit der Stirnhöhle nicht verbunden war. Alles sprach gegen
das Vorhandensein einer Sinusitis. Nach Einschnitt durch den Fistel-
gang und Dissektion des harten, ihn umgebenden Gewebes (der Knochen
war gesund) fand Verf. ein Gerstenkorn. In dem umgekippten Wagen
waren mehrere Gerstensäcke und bei der ersten Behandlung hatte man
einige Gerstenköner in der Nähe der kleinen Wunde gefunden. — Nach
dem Eingriff von Tapia war Patient rasch geheilt. Menier.
28. Logan Turner und Lewis, Edinburgh, Eine weitere Studie
über Bakterien bei Eiterung in den Nebenhöhlen der Nase.
Edinb. Med. Jour. April 1910.
Einige der hauptsächlichsten Schlussfolgerungen, zu denen die Verf.
gelangten, sind folgende:
a) die vier Haupttypen der gefundenen Kokken sind Pneumokokken,
Streptokokken, Staphylokokken und Diplokokken vom Typ des Micro-
coccus catarrhalis.
b) Bazillen sind weniger haufig, aber nicht so selten zeigt sich der
Bacillus Coli und mit ihm Faulnisbakterien, Proteus: Zahnbakterien, wie
der Bacillusgangraenae-pulpae und der Bacillus necrodentalis: eine obligat-
anaerobe Gruppe, von welcher die häufigsten der Bacillus perfringens
und der Bacillus ramosus sind: eine diphtheroide Gruppe: und der Bacillus
influencae.
c) Wie angegeben ist die klinische, wie auch die bakteriologische
Infektion der Kieferhöhle in ?/3 der Fälle nasalen und in !/s dentalen
Ursprungs.
d) Bei frischer Sinus-Eiterung sind die Streptokokken, wenn vor-
handen, in 60°,o virulent; bei chronischer Eiterung sind sie virulent in
80 9/0.
11] Referate. 67
e) Alveolar- Eróffnung sollte zugunsten der nasalen Methode auf-
gegeben werden,
f) In chronischen Fällen (über 3 Wochen) geben der Verlauf, die
Dauer und der Infektionsweg keinen Anhalt für die Heilbarkeit bei
Ausspülung.
g) Spülungen sollten nicht versucht werden in einem chronischen
Falle, wenn der Eiter sowohl Streptokokken als auch ein Übermass an
Lympbhozyten enthält.
h) Misserfolge bei Anwendung von Spülungen in Fällen mit Strepto-
kokken könnten auch auf Mangel an Schutzkörpern im Patienten zurück-
zuführen sein und hier könnte dann Streptokokken-Vakzine von Wert sein.
i) Eine spezielle Verbindung von Mikroorganismen, welche die Ur-
sache der Misserfolge bei Spülungen wären, ist nicht erwiesen.
| Guthrie, Liverpool.
29. V. Urbantschitsch, Wien, Uber den Einfluss von Mittel-
ohrentziindungen auf die Geruchsempfindungen. Monatsschr.
f. Ohrenheilk. 3. 1910.
Aus den 30 Fallen von einseitiger Mittelohrentziindung angestellten
Versuchen mit 5 verschiedenen Geruchsarten geht hervor, dass Mittelohr-
erkrankungen für sich allein den Geruchsinn zu beeinflussen vermögen
und dass bei bestehenden otitischen Grosshirnabszessen nur solche Fälle
von Störungen des Geruchsinns auf das Hirnleiden mit Sicherheit zu
beziehen sind, bei denen dieselben mit der Ausheilung ‘des Abszesses
wieder zurückgehen. Sippel, Würzburg.
30. Wagner, Schwanburg, Über einen Fall von Heuschnupfen
und dessen Behandlung. Med. Klinik 10. 1910.
Bericht über die erfolgreiche Behandlung eines Falles von Heuschnupfen
mit Kokain. Die Therapie setzte vor 2!/» Jahren ein und bestand in
Spülung der Nasenschleimbaut mit je 1 ccm einer 2 ?/oigen, spáter 1 °/oigen
Lösung, welche in dünnem, kräftigem Strahle (Pravazspritze) steil in die
Nase aufgespritzt wurde. Die Spülungen wurden täglich oft 6—8 mal
wiederholt. Dabei schien es von Wichtigkeit, die Regio olfactoria sicher
zu treffen. Sippel, Würzburg. -
31. Ziem, Danzig, Über Beziehungen der Lühmung des Nervus
oculomotorius zu Krankheiten der Nase bezw. der Keilbein-
hóhle. Med. Klinik 9. 1910.
Darstellung eines Falles, bei dem sich im Anschluss an eine Affektion
der Keilbeinhóhle bezw. der Nase starke Störungen im Gebiete des
Nervus oculomotorius einstellten. Sippel, Würzburg.
3. Rachen.
32. Barany, Wien, Demonstration eines Patienten mit vom
Ohre aus operierten Retropharyngealabszess. Wiener Klin.
Wochenschr. 10. 1910.
Es handelt sich um einen Senkungsabszess im Anschluss an eine
chronische Otitis med. pur. Nach vollständiger Abtragung des Proc. mast.
5*
68 Referate. (12
und Durchschneidung des Fazialis am Foramen stylomastoideum gelangte
man in eine grosse Abszesshöhle. Patient ist jetzt vollständig geheilt.
Sippel, Würzburg.
33. Brelet, La mycose leptothrixique du Pharynx. Die Lepto-
thrixmykosis des Pharynx. Gazette des Hôpitaux 10. Marz 1910.
Verf. beschreibt die schon bekannte Symptomatologie. Es scheint,
dass der Pilz nur in sehr angegriffenen Individuen wuchert und Hutinel
bemerkte, dass man ihn ófters bei tuberkulósen Patienten beobachtet.
Behandlung: Abtragung der Pilzwucherungen und Atzung mit Jod-Jod-
kalilösung (Jod 2 g, Jodkali 3, Welser 20 g) oder mit Eisenchlorid oder
Chlorzink zu 1 pro 20. Menier.
34. Citelli, Catania, Ipofisi laringea nei bambini. Rapporti
colla tonsilla faringea e coll’ apofisi centrale. (Die Rachen-
hypophyse bei Kindern. — Beziehungen derselben zu der
Rachenmandel und zur Hirnhypophysis.) Bolletino delle mal
dell’ orecchio etc. 1909. Nr. 11.
Ausgehend von der Vermutung, dass ein grosser Teil der Allgemeiner-
scheinungen bei adenoiden Wucherungen zurückzuführen sein könnte auf
einen durch den entzündlichen Prozess bedingten Andrang der inneren
Sekretion eines bestimmten Drüsenorganes und angeregt durch die seiner
Vermutung entgegenkommende Veröffentlichung Killians und anderer
über die sogenannte Hypophysis pharyngis hat Citelli an 18 Leichen
von Kindern bis zu 10 Jahren das Vorkommen einer solchen Rachen-
bypophyse und ihre Beziehungen zu Rachenmandel und Hirnhypophysis
studiert und ist dabei zu bemerkenswerten Ergebnissen gekommen.
Er konnte in 67°/o der Fälle d. h. in 12 Hypophysisgewebe im
Rachen nachweisen, das meist in Form eines 1—3!/s mm langen rund-
lichen Stranges sich, oft schon in der Epithelschicht der Schleimhaut,
meist aber tiefer beginnend, nach hinten oben, bis zum Periost der Schädel-
basis erstreckte. Mit der Rachenmandel steht das Organ in engen räum-
lichen und zirkulatorischen Beziehungen, da es in seinem hinteren Teile
fast völlig in der Rachenmandel eingebettet liegt und dabei in mehreren
Fällen sich auch direkte Gefässverbindungen nachweisen liessen. Es ist
daher eine erhebliche Beeinflussung des Organs durch pathologische Zu-
stände der Rachenmandel und deren therapeutisches Angreifen wohl zu
erwarten. Zwischen Hypophysis pharyngis und Hypopbysis cerebri konnte
Citelli mehrfach Gefässverbindungen feststellen, die durch das Periost
des Keilbeins (und eventuell auch durch einen Rest des Canalis cranio
pharyngeus) sich nach dem Schädelinnern erstrecken. Direkte Kontinuität des
Hypophysisgewebes, aber auch einen persistenten Canalis craniopharyngeus,
hat Citelli in keinem Fall nachweisen können. Citelli hält dem-
gemäss die beiden Hypophysen für völlig voneinander getrennte
Organe. Brühl, Gardone Riviera — Binz a. R.
35. Dr. v. Gyergyai, Klausenburg, Ein neues, direktes Unter-
suchungsverfahren des Nasenrachens, der Ohrtrompete und
der hinteren Nasenpartie. Deutsche med. Wochenschr. 1910.
Nr. 12.
Die von Gyergyai geschilderte, jedenfalls neuartige Methode er-
fordert zu ihrer Ausführung eine Metallróhre (8—10 cm Lánge und 4 bis
13} Referate. 69
12mm Durchmesser), an welcher das Briiningsche Spezialelektroskop
angebracht ist. In Rickenlage des Patienten wird bei stark zurickge-
beugtem Kopfe der weiche Gaumen durch den in den Nasenrachenraum
eingeführten Zeigefinger der linken Hand vorgezogen und sodann bei weit
geöffnetem Munde vom Mundwinkel her die Röhre in den Nasenrachen-
raum vorgeschoben. Es gelingt zunächst, die Rosen müllersche Grube
und den Porus tubarius, sodann die ganze hintere Rachenwand, das
Rachendach und die Tubenöffnung zu übersehen. Selbst „das ganze
hintere Ende des Choanenseptums und ein Teil der vorderen unteren,
demnach bereits in der XNasenbóhle befindlichen Partie der vorderen
unteren Wand des Keilbeinkórpers, gegebenenfalls das bintere Ende der
eventuell hypertrophierten unteren Nasenmuschel, als auch der mittleren,
ausnahmsweise des Recessus spheno-ethmoidalis, die obere Nasenmuschel
und die Öffnungen einzelner Ethmoidalzellen* kónnen zu Gesicht gebracht
werden. Verf. schildert die therapeutischen Verwendungsmöglichkeiten
des Verfahrens. Unter ihnen verdient die Freilegung der Keilbeinhöhle
durch Resektion der unteren Wand besondere Anfmerksamkeit. Auch
die Hypophysis cerebri konnte auf diesem Wege an der Leiche erreicht
werden. Hirsch, Magdeburg.
36. Reiche, Pharyngitis exsudativa ulcerosa meningococeiea,
Berliner klin. Wochenschr. 1909. Nr. 29.
In einem in 9 Tagen letal verlaufenden Falle von echter Cerebro-
spinalmeningitis entwickelte sich eine anfänglich pseudomembranöse, später
stellenweise flache Ulzerationen darbietende Pharyngitis, die deshalb im
Beginn eine Diphtherie vortáuschte; diese Beobachtung ist bisher ausser-
ordentlich selten gemacht worden und Verf. kommt zu dem Ergebnis,
dass der Diplococcus meningitis Weichselbaum unter noch nicht näber
bekannten Bedingungen in seltenen Fällen auch exsudative und ulzeröse
Alterationen auf der Rachenschleimhaut auslösen kann.
Georg Cohn, Königsberg.
37. Schneider, Prophylaxie de la meningite cerebro-spinale
epidémique et désinfection du Rhino-pharynx. Prophylaxe
der epidemischen cerebrospinalen Meningitis und Desinfektion
des Nasenrachenraums. Journal de Médecine de Paris. 19. Marz
1910. |
Bei 54 gesunden Meningokokkenträgern desinfizierte Schneider
den Nasenrachen: Pinselungen mit Jodglyzerin (1,30), Gurgelungen mit
Wasserstoffsuperoxyd (1/10. Einatmung einer lauwarmen Mischung (Jod,
Guajakol, Thymol und Alkohol zu 60°). Nach 4 Tagen waren die Keime
verschwunden. Menier.
38. Schönemann, Bern, Die rationelle Therapie und Prophy-
laxe der Angina (Tonsillitis acuta). Korrespbl. für Schweizer
Arzte Nr. 9. 1909. |
Nach einem Rückblick auf die Ansichten über die physiologische
Bedeutung der Mandeln macht uns Schönemann auch wieder mit
seiner Anschauung bekannt: die Tonsillen sind nichts anderes als „auf
die äussersten Posten vorgeschobene Halslymphdriisen,“ deren lymphatisches
Quellengebiet vornehmlich in der Nasenschleimhaut zu sehen ist. Zum
70 Referate. (14
Hauptthema übergehend, üussert er die Ansicht, dass die Tonsillitis in den
allermeisten Fällen eine sekundäre Erkrankung sei, hervorgebracht durch
Verschleppung der Infektionsträger von der Nasen-, wie auch von der
Rachenschleimhaut aus; nur sehr selten sei die Mandelentzündung primär.
Diese sekundäre Lokalisation einer Allgemeininfektion von der Nasen-,
selten der Rachenschleimhaut aus sei auch nur allgemein zu behandeln
durch Salizylpräparate: Aspirin in ziemlich grossen Dosen, durch Schwitzen.
von einer lokalen Therapie verspricht sich Schönemann nichts. Pro-
phylaktisch empfiehlt er tägliche Eintráufelungen in Rückenlage von 2 /o
Protargol oder 3°/o Kollargollösungen in beide Nasenlöcher, ferner Ab-
tragen aller chronisch hypertrophischen Schleimhautpartien in der Nase
und glaubt in sehr glücklichem Optimismus dadurch die akuten Rhinititiden
und die denselben folgenden akuten Anginen verhindern zu können. Schöne-
mann trägt hier den in seinen Arbeiten über die Physiologie der Mandeln
vorgebrachten anatomischen, pathologischen und klinischen Tatsachen nicht
genügend Rechnung. Lindt.
39. Tanturri, Neapel, Il tessuto ipofisario del faringe o le vege-
tazioni adenoide hanno valore nell asma riflessa? (Hat das
Hypophysisgewebe des Rachens oder die Adenoidenwucherung
Bedeutung für die Entstehung des reflektorisehen Asthma?)
Bolletino delle mal dell’ orecchto etc. 1910. Nr. 2.
Mehrfache klinische Beobachtungen von Asthmafällen, die nach
Exstirpation einer mässigen mechanisch sicher nicht die Re-
spiration störenden und nicht von Hypertrophie der Gaumen-
mandeln begleiteten Rachenmandel geheilt wurden, scheinen dem Autor
am ehesten ihre Erklürung zu finden in der neuerdings mehrfach diskutierten
Annahme einer im Bereich der dritten Mandel gelegenen Rachenhypo-
physis. Infolge direkter Gefässverbindung dieser mit der Hirnhypophysis
könnten selbst leichte entzündliche Reizungen des Nasenrachenraumes
eventuell reflektorisch vom Gehirn aus Atmungsstörungen auslösen.
Brühl, Gardone Riviera, Binz a. R.
40. Derselbe, Ascesso retro-faringeo consecutivo ad otite esterna
in un bambino. Retro-pharyngealer Abszess nach Otitis externa
bei einem Kinde. Gazetta internazionale di Medicina 6. Febr.
1910.
Der Titel erklärt den Inhalt des Artikels. Der Fall zeigt, dass der
Abszess eine Folge der Otitis sein kann und dass es die Pflicht des
Arztes ist den Pharynx bei Otitiskranken zu untersuchen. Die Iymphatische
Bahn ist der Weg, durch welchen die Keime bis zum Pharynx dringen.
Endlich zieht Verf. die Operation durch den Mund vor, da der Eingriff
ein leichter ist und weder die Narkose noch die peinliche Dissektion der
Karotisgegend erfordert. Menier.
41. Derselbe, Quelle est l’abees péritonsillaire chez les malades
atteints de tuberculose pulmonaire? Von welcher Natur ist
der peritonsilläre Abszess bei den mit Lungenschwindsucht
behafteten Patienten? Archives internationales de Laryngologie.
März- April 1900.
15] Referate. 71
Verf. ist der Ansicht, dass solche Abszesse tuberkulóser Natur sein
können; in seinem Falle fand er Bazillen, die eine grosse Ähnlichkeit mit
Kochschen Bazillen hatten (Smegmabazillen oder azidophile Bakterien ?).
Immerhin beansprucht die Heilung einen langen Zeitraum. Die Hals-
drüsen waren nur auf der kranken Seite infiltriert, und diese Infiltration
hängt von der Tuberkulose und nicht von der pyogenen Affektion
der Tonsille ab. Menier.
42. Macleod Yearsley, London, Eine Untersuchung über die
Häufigkeit von Adenoiden in drei der London-Country-
Council Elementarsehulen. Brit. Journ. of Childrens Diseases.
Feb.-March 1910.
Die wichtigsten Schlussfolgerungen, zu welchen die Verf. gelangten,
sind folgende:
a) 37°/o der Kinder weisen Adenoide auf und von diesen haben
72—%6 %Jo auch vergrösserte Tonsillen.
b) Bei 31,2°/o der Adenoiden zeigt sich Mundatmung. Vergrösserung
der Tonsillen ohne Adenoide kann Atmen durch den Mund verursachen.
c) Adenoide sind am häufigsten im 8. Jahre vorhanden. Das Ge-
schlecht hat keinen Einfluss.
d) Wirkliche Aprosexie muss von Schwerhörigkeit unterschieden
werden. Wirkliche Aprosexie kommt nur in 4,7 °/o Fällen von Adenoiden
vor und häufiger bei Mädchen.
e) Hoher Gaumen ist wahrscheinlich nicht durch Adenoide verursacht,
sondern eher die Ursache ihres Vorhandenseins.
f) Die Bakterienentwickelung im Munde ist bei Kindern mit Adenoiden
grósser und dieses ist die Ursache der grósseren Neigung zur Zahnfáulnis.
g) Die Ungleichheit der oberen Schneidezühne ist weniger eine Folge
von Adenoiden, sondern mehr durch fehlerhafte Gestaltung des Gaumens
verursacht.
h) Obrkomplikationen fanden sich in ungefähr 10,8°/o der Fälle.
Guthrie, Liverpool.
43. Marsden und White, Manchester, Ein seltener Tumor des
Gaumens. Medical Chronicle. April 1910.
Eine eingehende Beschreibung der Histologie des Tumora wird ge-
geben, welcher sich als Cylindrom erwies, Er war vollstándig abgekapselt
und bestand hauptsächlich aus Röhren von verschiedener Grösse, stellen-
weise dilatiert zu zystischen Räumen, welche intrazystische Wucherungen
enthielten. Guthrie, Liverpool.
4. Kehlkopf.
44. E. Baumgarten, Budapest, Eine operative Behandlung einiger
Stimmbandverdickungen. Monatsschr. für Ohrenheilkunde 2.
1910.
Verf. berichtet über 3 Fälle von Stimmbandverdickungen, von denen
sich der erste im Anscbluss an ein durch Anstrengung entstandenes
Hämatom zeigte. Bei dem zweiten Falle handelt es sich um eine durch
den Reiz von Papillomen gesetzte Verdickung, während bei dem dritten,
72 Referate. [16
wo im Gegensatz zu den beiden anderen die Erkrankung sich auf beide
Stimmbänder erstreckte, Baumgarten eine Lymphektasie annahm.
Die Operation bestand in vorsichtigem Abschälen der Stimmbänder
mit einer kleinen scharfen Pinzette nach vorhergehender Kokainisierung.
Sippel, Würzburg.
45. J. A. Galdiz, Bilbao, Prognose der Stenosen der obereu
Luftwege bei Kindern. Pronostico de las estenosis de los
primeras vías aéreas en los ninos. Boletin de Laringología.
Marz-April 1900.
Die Prognose muss bei Dyspnoefallen der Kinder immer reserviert
sein, da die Ursache sehr verschieden sein kann. Die Intubation ist gar
nicht gefährlich bei der dipbtheritischen Dyspnoe, während sie viele Gefahr
bei den nicht diphtheritischen Affektionen bietet (Laryngitis submucosa,
subglottica, Influenza laryngitis, luetische Laryng. und Laryng. stridulosa),
da dieser Eingriff den Zustand der Reizung und der Infiltration unterhält
und vergrössert. Menier.
46. Gleitsmann, Exzision der Stimmbänder wegen beider-
seitiger Lähmung der Glottisdilatatoren. Cordectomie pour
une paralysie bilaterale des abducteurs. Archives internat.
de Laryngologie. März- April 1900.
Ein Patient wurde tracheotomiert; um das lästige Tragen einer Kanüle
zu vermeiden, verlangt er eine Operation. Die bilaterale Abtragung der
Stimmbänder wurde mit Erfolg ausgeführt; die Dyspnoe kehrte nicht
wieder. Patient starb an Pneumonie, Obgleich die histologische Unter-
suchung‘ keine zentrale Ursache der Lähmung entdecken liess, glaubt
Verf., dass dieselbe bulbären Ursprungs war. Menier.
47. M. A. Goldstein, St. Louis, Lipom des Larynx. Monatsschr.
für Ohrenheilkunde 1 u. 2. 1910.
Goldstein fügt den 12 bereits aus der Literatur bekannten Fällen,
die er ausführlich wiedergibt, einen neuen aus seiner eigenen Praxis hin-
zu. Hier ging das Lipom von der linken Ventrikulargrube aus und er-
füllte die ganze Glottis. Die Operation wurde mit der kalten Schlinge
und nach Entfernung der ersten Geschwulstpartie mit kalter Schlinge
und langer gebogener Schere ausgeführt. Sippel, Würzburg.
48. Eugen Hopmann, Cöln, Stimm- und Sprachübungen nach
Kehlkopfausrottung. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. Bd. 99.
Hopmann teilt die Beobachtungen mit, welche er bei einem
Patienten hinsichtlich der Sprachbildung gemacht hatte, welchem von
Prof. Dr. Bardenheuer, Cöln, der Kehlkopf mit gutem Erfolge voll-
kommen herausgenommen worden war. Das wesentliche Ziel sieht er
dabei, ebenso wie Gutzmann, in der Herstellung der Koordination der
Atmung und der Sprechtätigkeit, welche ja bei normaler Sprache vom
ersten Sprachversuch an besteht. Bei dem hier beschriebenen Falle
handelt es sich um einen 32jährigen Patienten, welchem wegen ausge-
dehnter luetischer Verwachsungen, welche einer anderen Therapie nicht
mehr zugänglich waren, der ganze Larynx hatte exstirpiert werden müssen.
Der Schlundkopf konnte erhalten werden. Die Trachea wurde 2 cm ober-
17] Referate. 13
halb des obersten Sternalrandes eingenäht und blieb gänzlich ohne Ver-
bindung mit dem Phbarynx. Patient sprach mit einer grunzenden, fort-
wahrend von ruktusartigen Geräuschen unterbrochenen, aber deutlichen
Pseudosimme. Die Übungen erstreckten sich auf 3 Hauptaufgaben:
1. Wurde angestrebt, die Koordination zwischen Atem- und Sprechtätigkeit
zu losen. Zu diesem Zwecke liess Hopmann den Patienten seine
Übungen immer am Ende einer forcierten Exstirpation machen. 2. Wur-
den Übungen angestellt, um den Windkessel möglichst ergiebig zu
machen. Zu diesem Zwecke wurden von dem Patienten unter Leitung
ron Auge und Gefühl Kontraktionsbewegungen der Mundbodenmuskulatur
und der vorderen Halsmuskulatur gemacht. 3. Wurden Übungen hin-
sichtlich der Artikulation vorgenommen. Hierbei wurde besonders Wert
darauf gelegt, bei allen stimmhaften Konsonanten den grunzenden Ton
mit hervorzubringen, um hierdurch die rechte Unterscheidung zwischen
stimmlosen und stimmhaften Konsonanten zu ermöglichen.
Stein, Wiesbaden.
49. M. Küll, Radevormwald, Ein Fall von Kiemengangeiterung.
Med. Klin. 15. 1910.
Eine kleine walnussgrosse, rundliche, feste, glatte, verschiebliche Ge-
schwulst an der linken Halsseite neben dem Kehlkopf 3 Tage nach der
Geburt konstatiert. 14 Tage später nahm eine prall-fluktuierende
Schwellung die ganze Gegend zwischen Unterkiefer und Brust von Ohr
zu Ohr ein. Das Kind war bis zur Unkenntlichkeit abgemagert. Bei
Druck auf die linke Halsseite entleerte sich .Eiter unter dem linken seit-
lichen Zungenrande in reichlicher Menge. Beide Halsseiten werden
inzidiert. Nach Abfluss des stinkenden Eiters erholt sich das Kind sehr
bald. | Sippel, Würzburg.
50. L. Mahler, Om Kuhns perorale Tubage. Hospitalstidende
Xr. 11. 1910.
Die Kuhnsche Tubage hat sich in der Klinik von Schmiegelow sehr
gut bewährt; sie wurde sowohl bei Operation in Mund und Rachen als
auch bei Nebenhöhlenoperationen verwendet. Ein ‘grosser Vorteil ist die
ruhige Narkose, die dem Operateur erlaubt, die Operation ungestört fort-
zusetzen, wāhrend anderseits auch der Narkotiseur nicht von den Mani-
pulationen des Operateurs behindert wird. Jörgen Möller.
51. Marangoni, Padua, Beitrag zur Kenntnis der angeborenen
Halszysten, Contributo alla conoscenza delle cisti congenite del
collo. Gazetta degl: Ospedali. 1. März 1910.
Der Tumor ist wegen seiner Grösse (die einer Apfelsine vergleich-
bar war), seiner Beziehungen zu den Gefässen und Nerven des Halses
interessant. Er gehórt zur Gruppe der amygdaloiden (mukoiden-schleim-
artigen) Zysten, die in ihrer Wand Lymphfollikel enthalten. Menier.
52. Martuscelli, Paralisi del ricorrente ed anestesia del vestibolo
laringeo. Ricerche anatomiche e sperimentali. (Recurrens-
lahmung und Vestibularaniisthesie. — Anatomische und ex-
perimentelle Untersuchungen.) Archivi it. d. Laringolog. 1910.
Nr. 1.
14 .. Referate. (18
Martuszelli hat an Hunden durch Einführen von sterilen Lami-
nariastücken eine dauernde Kompression auf den tiefst-erreichbaren Teil
des Rekurrens ausgeübt und die Folgeerscheinungen im klinischen und
anatomischen Bild mit Beziehung auf die Masseische Lehre geprüft.
Er konnte nach 14 Tagen Lähmung des entsprechenden Stimmbandes
und Anästhesie des Vestibulum konstatieren. Die mikroskopisch-histo-
Jogische Untersuchung des komprimierten:Rekurrens, des Ganglion nodosum
und des Laryngeus superior ergab Degenerationserscheinungen an Nerven-
fasern und Ganglienzellen. Durchschneidet man, im Gegensatz zu langsam
wirkender Kompression, den Nervus recurrens, so findet man, wenigstens
sofort nach der Verletzung, keine Anüsthesie. Martuscelli schliesst aus
seinen Untersuchungen deshalb, dass das Masseische Phánomen aufzu-
fassen sei als Resultat einer Neuritis descendens des Nervus laryngeus
superior, die sich anschliessen an eine das Ganglion nodosum in Mit-
leidenschaft ziehende Neuritis ascendens des komprimierten Nervus
laryngeus inferior, Brühl, Gardone Riviera, Binz a. R.
53. K. M. Menzel, Wien, Demonstration eines Kranken mit Ver-
ützung des Sinus piriformis dureh ein Kristall von Kalium
hypermanganicum. Wien. klin. Wochenschr. 9. 1910.
Die Verätzung entstand durch ein Kristall, das in einem frisch be-
reiteten Gurgelwasser nicht zur Lösung gekommen war. Um dieser Ge-
fahr vorzubeugen, empfiehlt es sich, das Gurgelwasser aus einer kon-
zentrierten Stammlösung herzustellen. Sippel, Würzburg.
54. Onodi, Budapest, L'anestesia del vestibolo laringeo nelle
paralisi del Ricorrente. (Die Vestibularanüsthesie bei Recur-
rensláhmungen.) Archivi it. d. Laringolog. 1910. Nr. 1.
Im Gegensatz zu Massei hat Onodi in seinen Fallen peripherer
Kompression des Rekurrens niemals die von Massei als Frühsymptom
dieser Läsion ansgesprochene Anästhesie des Vestibulums laryngis kon-
statieren können. Neben seiner klinischen Erfahrung sprechen auch die
Resultate der von Onodi selbst und anderen Autoren vorgenommenen
anatomischen Untersuchungen menschlicher Kehlköpfe, unterstützt durch
vergleichend anatomische Daten, gegen die Masseische Lehre. Sowohl
kreuzweise zwischen den Nerven der beiden Seiten als auch zwischen
Laryngeus superior und Laryngeus inferior lassen sich Anastomosen nach-
weisen. Brühl, Gardone Riviera, Binz a. R.
55. Sturm, Leigh, Bemerkungen über Thyroidektomie mit An-
führung erläuternder Fälle. Brit. Med. Journ. 19. Februar
1910.
Dieser Bericht handelt von 100 Fällen der verschiedenen Arten von
Kropf. Von diesen wurden 26 operiert und bei einem trat der Tod ein.
Alle, an denen eine Operation ausgeführt wurde, litten an Symptomen
von Thyreo-Toxämie, welche der inneren Behandlung widerstanden hatten,
oder an einem anderen Zustande der Schilddrüse, der das Leben bedrohte.
Der Verfasser ist schr skeptisch, was den als akuten Thyreoidismus be-
kannten Zustand anbelangt, welcher auf die Operationen bei Graves
Erkrankungen folgt, und er glaubt, dass die Bezeichnung häufig da falsch
angebracht ist, wo es sich in Wirklichkeit um einen gewöhnlichen chirur-
19] Referate. (0
gischen Schock handelt. Was die Indikationen für eine Operation an-
langt, so ist er der Ansicht, dass eine solche in allen Fállen von weichem
parenchymatösen Kropf bei jungen Mädchen — gleichviel wie gross der
Kropf sein mag — vermieden werden sollte, vorausgesetzt, dass keine
dringenden Drucksymptome oder Symptome von Hyper-Thyreoidismus vor-
handen sind. Kein Fall von Graves Krankheit sollte operiert werden,
bis angemessene innere Behandlung sich resultatlos erwiesen hat. Unter
angemessener innerer Behandlung ist zu verstehen: seche Wochen im Bett
und eine Behandlung mit Belladonna und Strophantus, oder noch besser
Ammoniumpikrat.
Alle zystischen Kröpfe sollten so früh als möglich entfernt werden,
weil sie bei interner Behandlung nie besser werden und im späteren
Leben grosse Schwierigkeiten verursachen können. Eine Operation ist
ferner unumgänglich in allen Fällen von Kropf mit retro-sternal- oder
retro-klavikular-Auswüchsen, oder bei solchen die Symptome von Tracheal-
Kompression aufweisen. — Für die Anästhesie sind die lokalen Infiltra-
tionsmethoden immer vorzuziehen und verwendet der Verfasser eine
schwache Eukain-Adrenalin-Lösung, die er vollständig befriedigend findet,
wenn eine Skopolamin-Morphium-Injektion vorangegangen ist.
Guthrie, Liverpool.
56. St. Clair Thomson, London, Vier Fülle von Epitheliom
des Larynx nach der Operation. Proc. May. Soc. Med. vol. III.
Nr. 5.
Ein kurzer Bericht wird über jeden der vier Patienten gegeben, die
der Gesellschaft vorgestellt werden. Es folgt eine Diskussion. Im ersten
Falle war nach 6 Jahren kein Rezidiv gewesen. — Beim zweiten hatte
nach 2 Jahren kein Rezidiv stattgefunden, die Stimme war laut und
stark, obgleich beide Stimmbänder und ein Teil des Schildknorpels ent-
fernt waren; die Operation war unter lokaler Anästhesie ausgeführt
worden. Im dritten Falle war die Stimme ein Jahr nach der Operation
gut. Im vierten musste der Laryngo-Fissur eine vollständige Entfernung
des Larynx folgen, aber das Resultat war befriedigend, da der Patient
imstande war zu sprechen und einen guten Teil der Respiration durch
seine Nase und seinen Mund machen konnte mit Hilfe einer Tracheotomie-
Kanüle nach von Bruns. Guthrie, Liverpool.
5. Trachea. Bronchien. Ösophagus.
57. D. Ernesto Botella, Cuerpo extrano del bronquio izquierdo
extraido por broncoscopia. Revista Clinica De Madrid. Bd. I.
Nr. 8. 15. April 1909. |
Entfernung einer Pfeife aus dem linken Bronchus mit Hilfe der
Bronchoskopie bei einem 11 jahrigen Knaben. Stein, Wiesbaden.
58. J. Goyanes, Un caso de cuerpo extraño (pinon) alojado en el
bronquio derecho, — Extraccion por broncoscopia superior.
Revista Clinica De Madrid. Bd. 1. Nr. 6. 15. März 1909.
Entfernung eines Pinienzapfens aus dem rechten Bronchus eines
5 jährigen Knaben mit Hilfe der oberen Bronchoskopie. Der Zapfen
hatte eine Länge von 19 mm und einen Umfang von 9 mm.
Stein, Wiesbaden.
76 Referate. (20
59. Ephraim, Breslau, Über die Bedeutung der Bronchoskopie
für die innere Medizin. Berl. klin. Wochenschr. 1909. Nr.
43— 44.
Verf. gibt zunächst eine kurze Skizze über den Umfang des Gebietes
der Bronchoskopie, über Farbe und Bewegung des normalen. Bronchial-
baumes, über die Pathologie seiner Bewegung und seiner Färbung; er
hebt hervor, dass bei Bronchitiden der bronchoskopische Befund nicht
immer dem auskultatorischen entspricht, indem das Auge oft Veränderungen,
die das Ohr in die grossen Bronchien verlegt, nicht findet; ferner sieht
man häufig mittelst Bronchoskopie ala Residuen früherer Erkrankungen
Formveränderungen, wie Verdrängungen und Verbreiterung der Carina.
Für das Gebiet der Bronchostenosen, besonders bei der Bronchialsyphilis
ist die Bronchoskopie von entscheidender, noch nicht genügend gewürdigter
Wichtigkeit, sowohl diagnostisch wie therapeutisch ; bei Tumoren, die Ver-
engerungen bedingen, ist sie eine wertvolle Ergänzung des oft versagenden
Röntgenverfahrens, ebenso dürfte ihr auch bei den häufigen Erkrankungen
der Bronchialdrüsen, deren Diagnose noch im argen liegt, ein grosses
Feld beschieden eein. Verf. gibt an der Hand einiger bronchoskopisch
untersuchten Fälle Kriterien für die Erkennung der Erkrankung und be-
tont, dass das Verfahren bei Durchbrüchen erweichter Bronchialdrüsen
sich nicht nur für die Diagnose als äusserst wertvoll, sondern auch
therapeutisch als lebensrettend erwies; er erwartet, dass in Zukunft eine
grosse Anzahl von Fällen mit Husten und Atemnot, in denen plötzlich
unter heftiger Dyspnoe Exitus erfolgte, durch die Bronchoskopie gerettet
werden können; für die Verwertung des Verfahrens bei Aortenaneurysma
rät er zur Vorsicht.
Als wichtig und unbedenklich spricht er sich für die Anwendung aus:
in vielen Füllen von Husten, Hámoptysis, von Schmerzen im Bereich
der Brustwirbelsáule oder am Manubrium sterni, von eitrigem Auswurf,
deren klinische Ursache durch die gewóhnlichen Methoden nicht geklart
werden kann, ferner in ungeklürten Fallen von Rekurrens- resp. Postikus-
lähmung. Kontraindiziert ist sie nach Verf. Ansicht nur bei schlechtem
Allgemeinbefinden, und bei direkten mechanischen Hindernissen in den
oberen Luftwegen; in allen anderen Fällen hält er .abgesehen von der
Unbequemlichkeit und den Nebenwirkungen durch Kocain die Broncho-
Skopie für völlig unschädlich und im allgemeinen für technisch leicht aus-
führbar. Georg Cohn, Königsberg.
60. Finzi, London, Radium bei Behandlung von malignen Tu-
moren. Proc. Roy. Soc. Med. vol. III. Nr. 3.
Dieser Artikel handelt von Bebandlung mit Radium bei malignen
Tumoren in allen Teilen des Körpers, aber der mit Dr. William Will
arbeitende- Verf. hat dem Karzinom des Ösophagus besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet. Die Röhre, welche das Radium enthält, wird zur
Striktur hinunter geführt, oder wenn möglich mit Hilfe des Ösophago-
skopes in dieselbe eingeführt. Man lässt es ungefähr 12 Stunden in
ihrer Lage. Der Verf. meint, dass diese Methode die einzige ist, welche
bei Karzinom des Osophagus einige Hoffnung gibt. Er berichtet, dass
sie bei Obstruktion fast immer Erleichterung bringt, und er hofft, dass
21] Referate. 77
Heilung erzielt werden kann, wenn der Fall in genügend frühem Stadium
behandelt werden kann.
Er hat diese Behandlung auch bei malignen Erkrankungen des
Mundes, der Nase, des Pharynx und des Larynx, (bei äusserer Anwendung)
angewandt, doch anscheinend ohne viel Erfolg.
Guthrie, Liverpool.
61. E. Hónck, Hamburg, Die Behandlung des Keuchhustens
und anderer Luftróhrenkatarrhe dureh die Bauchmassage.
Fortschritte der Medizin. 7. u. 8. 1910.
Hönck hat in einer früheren Arbeit auf die Entstehung von Luft-
röhrenkatarrhen im Anschluss an Blinddarmentzündung hingewiesen und
diese Erscheinung auf Sympathikus bezw. Vagusreizung zurückgeführt.
Ausgehend nun von dem guten Einfluss, den er durch Bauchmassage
bei einem an sog. Sympathizismus leidenden Patienten auf eine gleich-
zeitig bestehende katarrhalische Affektion der Lunge ausübte, wendete er
diese Methode bei anderen derartigen Erkrankungen, auch bei akuten
Kehlkopfkatarrhen und besonders bei Keuchhusten an.
Sippel, Würzburg.
62. H. Schols, Diphtheritis in ihrem Verlauf ein Corpus alienum
im Hauptbronehus vortüusehend. (Diphtheritis verloopend onder
het beeld van vreemd voorwerp in een hoofbronchus,) Ned.
Tijdschrift voor Geneeskunde, 1910, 1ste helft, Nr. 10, blz. 668.
Am 24. April wurde Schols gerufen zu einem Kinde von 2!/2 Jahren,
welches schwere Atemnot haben sollte, bei welchem er aber keine Krank-
heitssymptome finden konnte.
Drei Tage später aber fand er das Kind sehr cyanotisch, es hatte
Dyspnoe und Stridor. Die rechte Brusthälfte atmete nicht. Die Diagnose
wurde gestellt auf Fremdkörper im rechten Hauptbronchus. Das Kind
wurde nach Utrecht in die Klinik gebracht zur Bronchoscopie und dort
ungefähr sterbend tracheotomiert. |
Obgleich bei der Tracheotomie keine Membran gefunden wurden,
hielt man die Krankheit für Diphtherie, welche Diagnose später bakterio-
logisch befestigt wurde. Bei der Operation funktionierte die rechte Lunge
wieder. |
Das Kind starb unter zunehmender Dyspnoe und bei der Sektion
wurden in den Bronchien Membranen gefunden. Wahrscheinlich hat
durante Vita eine Membran den rechten Hauptbronchus zeitweise ver-
schlossen. Kan, Leiden,
63. G Schwarz, Wien, Demonstration eines Falles von Carci-
noma oesophagi mit Perforation in die Trachea. Wien. klin.
Wochenschr. 17. 1910.
Interessant an diesem Fall ist, dass die zwecks Röntgenuntersuchung
verschluckte Wismutwassersuspension nicht in den Osophagus, sondern
durch die Perforation in beide Bronchialbäume hineinfloss, ohne dem
69jährigen Patienten, abgesehen von einigen Hustenstössen, besondere
Beschwerden zu verursachen. Dieses „Verschlucken“, wie Patient sich
ausdrückt, besteht schon seit. 3 Wochen, so dass er also einen Teil seiner
flüssigen Nahrung schon seit geraumer Zeit in die Bronchien hineinschluckt.
78 Referate. [22
Auch das Wismut hat er gut vertragen. Es besteht keinerlei Beschwerde
von seiten der Lunge. Sippel, Würzburg.
6. Mundhöhle.
64. E. Bergh, Malmö, Ein Fall von kongenitaler Zyste des
weichen Gaumens. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 3. 1910.
Bei einem 7 Monate alten Kinde, das an einer eigentümlich pfeifenden
und schnarchenden Respiration litt und von bellenden Husten und ófteren
Würganfällen gequält wurde, bestand eine Geschwulst von weisslicher
Farbe und Mandelgrösse an der Rückseite des weichen Gaumens in der
Verlängerung der Uvula. Nach Entfernung erwies sich das Gebilde als
eine Zyste, die wohl durch eine Störung in der embryonalen Entwickelung
des Mutterbodens entstanden war. Sippel, Würzburg.
65. v. Beust, Die pleomorphen fadenbildenden Organismen des
Zahnbelages und die fusiformen Bazillen. Berl. klin Wochen-
schrift 1909. Nr. 46.
In einer kurzen Mitteilung sucht Verf. nachzuweisen, dass die im
Zahnbelag von an Gingivitis oder Stomatitis leidenden Patienten gefundenen
Goniden des Leptothrix falciformis und die frei im Belag befindlichen
fusiformen Bazillen identisch sind; durch diese Befunde sollen einerseits
die gegenteiligen Mitteilungen von Miller widerlegt werden, andererseits
will Verf, den Gebilden selbst pathogene Wirkung beilegen; zum Schluss
Angabe der Farbe- und Untersuchungsmethode.
Georg Cohn, Königsberg.
66. Dionisio, Carcinoma del palato. (Gaumenkarzinom.) Gazetta
degli Ospedali. 13. Februar 1910.
Es handelt sich um einen Fall, der schon 1907 als inoperabel be-
trachtet wurden war und bei welchem Röntgenstrahlen sowie Radium er-
folglos blieben. Verf. behandelte ihn mit speziellen Radiationen, die er
bei Ozäna mit Erfolg anwendet. Patient ist jetzt im besten Gesundheits-
zustande und der Tumor ist beinahe verschwunden. Die Diagnose war
durch histologische Untersuchung eines Stückchens von der Neubildung
bestätigt. | Menier.
67. koebel, Breslau, Über symmetrische Parotisschwellung.
(Vortrag, gehalten in der Breslauer Chirurgischen Gesellschaft.) Berl.
klin. Wochenschr. 1909. Nr. 36.
Vorstellung von 2 Fällen, bei denen ohne besondere Ursache von
Zeit zu Zeit völlig schmerzlos die Parotisgegend in Hühnereigrösse an-
schwillt, um bald wieder zur Norm zurückzukehren. Therapie war bisher
ohne jeden Erfolg. Den einen der Fälle spricht der Vortragende als
chronischen Mumps an, während das Bild des anderen als ein Analogon
zu der Beobachtung von Remouchamp als „inflammation chronique muco-
purulente bénigne des parotides* bezeichnet werden kann. Zu erwägen
sind jedoch noch die sog. sklerozystische Erkrankung der Parotis von
Righetti wie auch die Siladochitis fibrinosa Kussmauls, so dass alsd eine
sichere Diagnose nicht gestellt werden kann. |
Georg Cohn, Kónigsberg.
23] Referate. 79
68. Körbitz, Berlin, Neue Kiefer-orthopädische Methoden. Berl.
klin. Wochenschr. ' 1909. Nr. 32.
Während Landsberger und Peyser für ihre Gaumendehnungen
die Möglichkeit der Sprengung der Sutura palatina nachzuweisen suchen
und sie für therapeutische Zwecke verwenden, hält Verf. in Überein-
stimmung mit den meisten Praktikern dieses für einen Febler; er will
vielmehr eine plastische Umformung des Kiefergerüstes erstreben und gibt
zu diesem Zwecke einfacheren Methoden, die er kurz angibt, den Vorzug.
Georg Cohn, Königsberg.
69. Mantelli, Linfangioma circoscritto della lingua a forma
papillare. (Umschriebenes papilläres Lymphangiom der Zunge.)
Archivio ital. di Otolog. Rinol. e Laringol. 1910. Nr. 2.
Nach kritischer Übersicht über die Literatur der relativ seltenen
Affektion Mitteilung eines einschlägigen Falles bei einem 5 jährigen Kind.
Die Neubildung der etwas erweiterten Lympbgefässe betraf haupt-
sächlich die Papillen, nicht weil diesen eine besondere Neigung zu dieser
Hyperplasie innewohne, sondern einfach weil sie die oberflächlichsten
Lymphorgane der Zunge darstellen und dadurch am ehesten die Be-
dingungen zur Entstehung der Affektion — geringer durch Saugen und
kauen noch verminderter Gewebswiderstand — darbieten.
Brühl, Gardone Riviera, Binz a. R.
70. L. Mendelsohn, Berlin, Zur Mundpflege. Mediz. techn.
Rundschau 1910. Nr. 10.
Mendelsohn empfehlt zur Reinigung der Mund- und Rachen-
höhle ein vernickeltes, mit einem Gewinde versehenes Metallstäbchen.
Würth, Würzburg.
71. Paul Steiner, Kolozsvar, Beiträge zur chirurgischen Be-
handlung der Mundhöhlenkrebse. Deutsche Zeitschr. f. Chir.
Bd. 98.
Steiner, bespricht die Behandlung der Mundhóhlenkrebse an der
Hand eines zehnjährigen Materials der Dollingerschen Klinik in Buda-
pest. In dieser Zeit wurden beobachtet: 61 Fälle von Wangenkrebs, 13
Fälle von Krebs des Zahnfleisches, 7 Fälle von Krebs des Gaumens
und der Tonsillen, 51 Fälle von Krebs der Zunge und der sublingualen
Gegend. Steiner zieht am Ende seiner Arbeit folgende interesante
Schlussfolgerungen:
1. Der Krebs der Mundhöhle kommt vom zweiten Dezennium an in
jedem Alter vor. 57°/o der Wangenkrebsfälle entfallen auf das Alter
von 41—55 Jahren, 60°/o der Zungenkrebsfälle auf das Alter von
46—6() Jahren.
2. 3°%o betrafen das weibliche Geschlecht.
3. Angeborene Anomalien, Narben, Psoriasis, Leukoplakie bilden
in zahlreichen Füllen prákankróse Symptome.
4. Reichliches Rauchen, Tabakkauen sind der Entwickelung des
Krebses günstig.
5. In den regionáren Drüsen sind bereits im Anfangestadium krebs-
artige Metastasen nachzuweisen; mehr entfernte Metastasen sind selten.
80 Referate, [24
6. Die Operation soll in jedem Falle in der Entfernung des primären
Herdes und der Ausräumung der beiderseitigen Halsregionen bestehen.
7. Die operative Mortalität der Krebse der Mundhöhle beträgt 24,1 °/o;
am kleinsten beziffert sich die operative Mortalität des Wangenkrebses
(11,5°/o), am grössten die beim Zungenkrebs (36°/o).
8. Eine radikale Heilung — nämlich eine Rezidivfreiheit von mehr
als 3 Jahren — erreicht man in 10,3°/u der Fälle.
Stein, Wiesbaden.
72. Strelitz, Über akute Parotisschwellung, Berliner klinische
Wochenschr. 1909. Nr. 49.
Kurze kasuistische Mitteilung: 67 jähriger Mann verspürte bei einer
schnellen Umdrehung des Kopfes nach hinten eine Spannung in der
linken Gesichtsseite, in welcher ganz plötzlich eine teigige Anschwellung
über der Parotis entstand, ohne Schmerz oder stärkeren Speichelfluss; in
den nächsten Tagen allmählich Abklingen der Schwellung; Verf. nimmt
plötzliche Ablenkung oder Verletzung des Ductus stenonianus an.
Georg Cohn, Königsberg.
73. 0. Wimmer, Prag, Hemispasmus linguae hystericus. Wiener
klin. Wochenschr. 11. 1910.
Demonstration eines 40 jährigen Kranken mit | Hyperüsthesie der
spastischen Seite. Die Spitze der herausgestreckten Zunge bleibt im
rechten Mundwinkel, wobei es zu rhythmischen Zuckungen der Zunge und
des Mundbodens nach vorne kommt. Beim Versuch, die Zunge in die
Mittellinie zu bringen, fühlt man deutlichen Widerstand. Gang ist leicht
spastisch, leichter Tremor der Extremitäten. Subjektiv besteht fort-
während Spannen der rechten Zungenhälfte Facialis und die übrigen
Hirnnerven sind frei. Sippel, Würzburg.
7. Grenzgebiete.
74. Baumgarten, Rachen- und Kehlkopfsymptome bei der
Syringomyelie. Berl. klin. Wochenschr. 1909. Nr. 34.
Bei einem 39 jährigen Manne, der sich wegen Heiserkeit vorstellte,
fand sich: Porticusparalyse links, Porticusparese rechts, Hemiatrophia
linguae rechts, und geringe Beweglichkeit des Velum rechts; die weitere
Untersuchung des Nervensystems ergab Syringomyelie, jedoch war im
Rachen und Kehlkopf keine Thermoperversion. — Im Anschluss an diese
Mitteitung gibt Verf. einen Überblick über die in der Literatur mitge-
teilten Fälle nebst Angabe des Kehlkopfbefundes und betont, dass bisher
stets erst dann der Larynx untersucht wurde, wenn die Diagnose bereits
feststand, während in seinem Falle erst das Larynxbild zur weiteren
Untersuchung und zur Diagnose führte — eine Beobachtung, die Baum-
garten als sehr selten hinstellt, die aber keinegswegs als solche Rarität
aufzufassen ist. : Georg Cohn, Königsberg.
75. Binet u. Henyll, Zwei Fülle von akuter tödlicher Strumitis
suffoeans, (Deux observations de strumites suffocantes surai-
gues mortelles.) In Annales des maladies de l'oreille tome
AXXVI. Nr. 2.
25] Referate. 81
Etwas mysteriös muss die Medizin immer bleiben. In der modernen
Medizin sorgen die sogenannten Drüsen mit innerer Sekretion dafür.
Binet und Henlly nehmen an, dass die Schilddrüse plötzlich, einmal
im Anschluss an eine Entbindung, das andere Mal im Anschluss an eine
Angina, in so maligner Form erkranken kann, dass die Patienten zu-
grunde gehen, ehe es noch zu besonderer Veränderung im Parenchym
der Struma kommen kann. Für den ersten Fall eine 23jährige Frau
anlangend hätte der autoptische Befund einer Bronchopneumonie jeden-
falls eine andere Deutung zugelassen. Der zweite Fall sei in Kürze
resumiert. Einen 53jährigen Mann musste der Ringfinger amputiert
werden. Am 10. Marz, von der Operation fast ganzlich hergestellt,
akquiriert Patient eine »angine erythémateuses, die mit hohem Fieber ein-
hergeht. Am 16. Marz konsultiert Patient am Tage seines Austrittes
aus dem Hospital wegen eines Knotens am Halse von Nussgrösse, den
er schon jahrelang besitzen soll. Es handelt sich um einen kleinen
Knoten der Schilddrüse. Patient verlässt das Spital um 1 Uhr. Am
Nachmittag wird der Patient von heftiger Dyspnoe befallen, die von
Stunde zu Stunde zunimmt. Gleichzeitig schwillt der Hals an und lassen
sich in der Schildkörpergegend zwei faustgrosse Tumoren feststellen.
Patient wird sofort ins Spital zurücktransportiert und zur Operation auf
den Tisch gelegt, wo er sofort stirbt, seit dem Austritte aus dem Spitale
und dem Tode des Patienten waren nicht 12 Stunden verstrichen.
Bei der Autopsie fand sich eine enorme Struma, deren Lappen über
Faustgrösse hatten und je eine mit grauer Flüssigkeit gefüllte Zyste .
trug. Der linke Lappen komprimierte die Trachea und ragte tief in das
Mediastinum hinein. Der Rest der Autopsie war negativ, von der allge-
meinen Cyanose abgesehen.
Binet und Henlly nehmen an, dass unter dem Einflusse der
Angina eine alte Struma plótzlich in Entzündung geraten ist und den
Patienten getótet hat (durch welchen Mechanismus ?), ehe noch die Drüse in
Eiterung übergegangen ist. Offenbar hat der Mangel jeder anderen Todes-
ursache, das riesige Anwachsen der Struma innerhalb einigen Stunden,
die Autoren zu dieser Auffassung verleitet. Lautmann, Paris.
76. E. Bireher, Aarau, Experimenteller Beitrag zum Kropfherz.
Med. Klinik 10. 1910.
Aus Birchers Tierexperimenten geht hervor, dass das Wasser aus
Molassequellen und Triasquellen am regelmüssigsten kropferzeugend ist,
wührend das Wasser aus dem Jura niemals diese Folgeerscheinung gab,
ferner dass die Struma durch ein Toxin, nicht dureh ein Miasma her-
vorgerufen wurde, was mit Hilfe des Berkefeldfilter nachweisbar war.
Bei der Nekropsie ergab die Untersuchung der Kropfherzen fast
regelmässig eine Hypertrophie des linken Ventrikels, daneben bestand
jedoch eine auffallige Vergrósserung des rechten Ventrikels. Die histo-
logische Untersuchung zeigte neben Zunahme des musk. Gewebes öfters
trübe Schwellung und fettige Entartung des Herzmuskels. Aus weiteren
Versuchen ist zu ersehen, dass der strumigenen Noxe ein direkt schiidigender
Einfluss auf das Herz zugeschrieben werden muss. Auch kommt Verf.
mit Hilfe der histologischen Kropfbefunde zu dem Schlusse, dass das
Kropfherz als eine Krankheitsform sui generis nicht als forme fruste des
Morbus Bas. zu betrachten sei. Sippel, Würzburg.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 6
82 i Referate. [26
77. Bellamy Gardner, London, Lymphatismus. Proc. Roy.
Soc. Med. vol. III. Nr. 3.
Der Verf. beschreibt sechs Fälle (den einen hat er selbst beobachtet),
in welchen der Tod plötzlich eintrat und bei denen IL,ymphatismus der einzige
pathologische Zustand war, der sich bei der post mortem Untersuchung
fand. In seinem Falle trat der Tod während der Operation ein, die
unternommen wurde, um die Tonsillen und Adenoiden zu entfernen unter
Anästhesie, bewirkt durch eine Mischung von einem Teil Chloroform und
zwei Teilen Äther. Ein genauer Bericht über die Autopsie wird von
Salusbury Taylor gegeben. In Anbetracht der vielen Fälle dieses
Zustandes, über welche in den letzten Jahren berichtet worden ist, lenkt
der Verf. die Aufmerksamkeit auf die grosse Wichtigkeit des Gegen-
standes und auf die Notwendigkeit der Untersuchung über:
1. Die Ursache plötzlichen Todes bei Lymphatismus.
2. Bei welchen Personen lymphatieche Hyperplasie vorauszusetzen ist.
:8. Wie sie zu diagnostizieren ist.
4. Wie sie zu behandeln ist.
5. Wie Anásthesie bei Patienten, welche durch dieselbe leiden, mit
Sicherheit anzuwenden ist. Guthrie, Liverpool.
78. Jimenes Encina, De la insuficiencia de la respiration nasal
en los enfermos de tuberculosis pulmonar. Uber die Insuffi-
zienz der Nasenatmungen bei der Lungenschwindsucht. Berista
ibero americana de Ciencias médicas. März 1910.
Verf. hat 2040 Lungeukranke rhinoskopisch untersucht. 53 hatten
eine normale Nase; 56 hatten atrophische Rhiritis, von dieser Zahl 50
mit Borkenbildung, 4 ohne Borken; 10 hatten Ozäna mit dem Fötor
sui generis.
61 andere Patienten hatten hypertrophische Affektionen der Nase
mit vollständig oder teilweise aufgehobener Nasenatmung. 30 andere:
Patienten litten an verschiedenen Làsionen (abgebogenes Septum, Rhinitis
spasmodica, Hautaffektionen des Naseneingangs), welche die Nasenatmung
beeinträchtigen. Also zusammen 75 /o mit Insuffizienz unter 200 Lungen-
kranken.
Der Mechanismus der Infektion wäre also ein zweifacher, direkte
Infektion des lymphatischen Systems der Mund- und Nasenhóhle durch
die Mundatmung; Fehlen der schützenden Wirkung des Nasenepithels
und des Nasenschleims und vielleicht auch Verletzung der Rachenhöhle
und des Kehlkopfs durch die in der Nase eingedickten und eingetrockneten
Schleimmassen. Dann sind die Tracheobronchial-Drüsen ergriffen. (Verf.
bezieht sich auf die von F. Blumenfeld bei operierten Fallen von
adenoiden Wucherungen gemachten Untersuchungen). Menier.
79. N. Federn, Wien, Morbus Basedowii. Wen. klin. Wochenschr.
1910. Nr. 16
Federn vertritt auf Grund seiner genauen Untersuchung die An-
schauung, dass der Basedow sich nur auf der Basis eines abnorm ge-
steigerten Blutdruckes entwickelt, der in der Regel hervorgerufen wird
durch eine Darmatomie, welche Reizung des Splanchnikus und damit
Kontraktur der Gefässe herbeiführt. Zur Behandlung des Basedow emp-
2d Referate. 83
fiehlt er deshalb, regelmässige Entleerung des Darmes herbeizuführen,
und Faradisation des Darmes. Würth, Würzburg.
nu. M. Grossmann, Wien, Experimentelle Beiträge zur Lehre
vom nasalen Asthma. Wien. Med. Wochenschr. 1910. Nr. 3—5.
Im Laufe eingehender Versuche über die Beziehungen zwischen Blut-
zirkulation und Atmung fand Verf, dass die zentripetale Reizung des
Trigeminus und Laryngeus superior im Gegensatz zu der Reizung aller
anderen Nerven den Nutzeffekt der Herzarbeit herabsetzt. Auch Reizung
der Naseuschleimhaut hat diese Wirkung. Dabei steigt das Lungen-
volumen und auch das Volumen des Lupgenbinnenraums. Das Zwerch-
fell steht in Exspirationsstellung und macht, so lange die Reizung dauert,
nur ganz geringe exspiratorische Bewegungen. Der Effekt der Reizung
ist eine erhebliche funktionelle Stórung des Herzens und Blutstauung im
Lungenkreislauf. Das Lungenvolumen steigt durch Blutfüllung und Er-
weiterung des Binnenraumes. Die dadurch bedingte. Starrheit der Lunge
ist das eigentliche Atmungshindernis. Alle diese Wirkungen bleiben aus
nach Durchtrennung des zweiten Trigeminusastes oder nach bilateraler
Durchtrennung der Vagi. Demnach bildet der Trigeminus den aufsteigen-
den, der Vagus den absteigenden Ast eines Reflexbogens. Die experi-
mentell erzeugten Erscheinungen haben eine frappante Ähnlichkeit mit
dem nasalen Asthma. M. Levy, Charlottenburg.
si. Gutmann, Berlin, Augensymptome bei Erkrankungen der
Nebenhöhlen. Mediz. Kl. 16. 1910.
Gutmann bringt eine übersichtliche Zusammenstellung der im An-
schluss an. Erkrankungen der Nebenhöhlen auftretenden Erkrankungen
der Augenhóhle inkl. des Nervus opticus. Würth, Würzburg.
82. Oskar Hirsch, Wien, Zur endonasalen Operation von Hypo-
physentumoren. Wiener Med. Wochenschr. 1910. Nr. 13.
Verf. hat vor einem Jahre eine Methode zur endonasalen Operation
von Hypophysentumoren angegeben. Inzwischen hat er die Operation bei
einer Patientin mit gutem Erfolg ausgeführt. Allerdings handelte es sich
um eine Zyste. Um nun in eiligen Fällen den Hauptnachteil der
Methode, das Operieren in einzelnen Etappen, zu vermeiden, hat Verf.
eine andere Methode ausgedacht, die das einzeitige Operieren ermöglichen
soll. Nach der Killianschen Methode wird das ganze knorpelige und
knöcherne Septum narium und schliesslich auch das Septum der Keil-
beinhöhle entfernt. Dann ist auch die Eröffnung des Türkensattels
zwischen des Branchen des Killianschen Spekulum möglich. Ob auch
in vivo? M. Levy, Charlottenburg.
83. Derselbe, Hypophysistumor. Wien. klin. Wochenschr. 1910.
Nr. 15.
Demonstration eines Patienten, bei welchem ein Hypophysentumor
nach seiner Methode: Endonasal ohne äussere Verletzung und in Kokain-
anästherie mit gutem Erfolg operiert wurde. Die praktischen Erfahrungen
mit dieser Methode dürften noch zu gering sein, um ein Endurteil darüber
zu fällen. Würth, Würzburg.
6*
&4 Referate. [28
84. W. J. Jung, Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen Seh-
nervenentzündung und Nasenerkrankung. v. Graefes Archiv
für Ophthalmologie LXXIV. Band 1910.
Jung veröffentlicht zwei insofern sehr interessante Fälle, als bei
einseitiger Erkrankung der hinteren Siebbeinzellen beide Male beide Seh-
nerven ergriffen waren; im ersten Falle mit beiderseitiger starker Ent-
zündung des Sehnervenkopfes, grossen Skotomen und Herabsetzung der
Sehschärfe auf 1/30 bezw. auf Handbewegungen, in dem zweiten Fall ohne
sichtbare Veränderungen am Sehnerv, aber fast totaler Erblindung. Die
Behandlung war unblutig und führte in beiden Fällen zu profuser Ent-
leerung der in den betreffenden erkrankten Höhlen zurückgehaltenen Sekret-
massen, wonach sich bald die Neuritis zurückbildete und in beiden Fállen
eine gute Sehschärfe erzielt wurde..
Das Nasenleiden hatte wenig Erscheinungen verursacht und wurde
erst festgestellt, nachdem man Anhaltspunkte für multiple Sklerose usw.
als Ursache der Neuritis mit Sicherbeit hatte ausschliessen können. Man
muss daher in zweifelhaften Fällen bei jeder Neuritis optica genau wie
den Urin und das Nervensystem, auch die Nase untersuchen.
Verf. ist der Meinung, dass eine einfache Kompression durch zirkum-
skripte Schwellung in der Gegend der canal. opt. durch die Siebbein-
zellenentzündung am zwanglosesten die Erscheinungen erkläre.
Haeffner.
85. A. De Kleyn, Der Zusammenhang zwischen Nervus opticus
und Nasenleiden. (Het verband tusschen gezichtszenuw en
neuslyden.) Ned. Tijdschrift voor Geneeskunde, 1910. 1ste helft,
Nr. 13, blz. 928.
De Kleyn hat seit vielen Jahren, als Augenarzt Patienten beobachtet,
bei welchen das Augenleiden abhängig war von Nasenaffektionen. Um
den Zusammenhang besser studieren zu können, hat er auf der Univer-
sitäts-Poliklinik für Obren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten in Utrecht
viele Patienten mit Eiterungen der Nasennebenhöhlen untersucht und
unter diesen neben deutlichen Affektionen des Nervus opticus auch sehr
leichte, nicht vermutete und nur bei sehr genauer Untersuchung zu findende
Abweichungen festgestellt.
Und gerade diese leichten Affektionen haben grossen Wert für die
noch dunkele Pathogenese dieser Augenerkrankungen.
In allen Fällen wurde bestimmt: der Augenspiegelbefund, der Visus,
Refraktionsanomalien und das Gesichtsfeld, wobei der blinde Fleck für
Weiss und Farben (rot und blau) speziell berücksichtigt wurde.
Die Diagnose der Nebenhöhlenaffektion war in allen Fällen sicher,
weil entweder durch Punktion und Durchspülung oder bei der Operation
die Herkunftstelle des Eiters sichergestellt werden konnte.
Bei den Eiterungen des Sinus sphenoidalis und der hinteren Siebbein-
zellen kommt die Neuritis retrobulbaris am háufigsten vor und diese konnte
durch Feststellen des sehr wichtigen Symptoms von van der Hoeve
genauer studiert werden.
Birch- Hirschfeld hat darauf hingewiesen, dass als erstes Symptom
der Optikusaffektion ein zentrales Skotom für Farben und Weiss auftritt,
van der Hoeve aber zeigte, dass viel früher schon eine Vergrósserung
des blinden Flecks für Weiss und Farben entsteht.
29] Referate. Hi
Ob dabei grössere Vulnerabilitàt der makulären . Fasern, Zirku-
lationsstórungen oder Toxinwirkung zu Grunde liegen, ist nicht sicherge-
stellt, jedenfalls beweisen sehr schnelle Heilungen, oft schon in wenigen
Tagen nach der Operation, dass nicht immer tiefgehende anatomische
Veráuderungen im Nervus opticus zu bestehen brauchen.
De Kleyn meint aus seinen Fällen schliessen zu können, dass
Zirkulationsstörungen und Toxinwirkung meist eine sehr wichtige Rolle
spielen.
Es wurden 22 Fälle von Neuritis retrobulbaris wahrgenommen, von
welchen 16 die Affektion doppeltseitig zeigten. In 13 Fällen wurde die
Diagnose: Nebenhöhlenentzündung durch die Operation bestätigt, während
bei 9 Fällen durch Rhinoskopie mit Sicherheit festgestellt werden konnte,
dass die Keilbeinhöhle und die hinteren Siebbeinzellen affiziert waren.
Der Visus (abgesehen von Refraktionsanomalien) und das periphere Ge-
sichtsfeld waren in allen Fällen normal, bei der Augenspiegeluntersuchung
wurde in drei Fällen leichte Hyperämie der Papillen gefunden, einmal
waren die Venen der Papille sehr erweitert und verliefen geschlängelt, in
einem Falle bestanden kleine Hämorrhagien im Fundus und war ein
weisser temporaler Sektor an der Papille wahrnehmbar, übrigens war im
Fundus keine Abweichung zu finden.
In 19 der 22 Fällen aber fand deKleyn Vergrösserung der Makula
für Farben und in einigen Fällen auch für Weiss. In drei Fällen wurde
keine Vergrösserung des blinden Flecks gefunden, obgleich Entzündung
der Keilbeinhöhle und der hinteren Siebbeinzellen vorhauden war.
In allen 13 operierten Fällen wurde der blinde Fleck nachher wieder
normal, in 7 oder 9 nur durch Rhinoskopie diagnostizierten Fällen trat
Heilung auf durch Nasenspülungen. Die Untersuchung nach Vergrósse-
rung des blinden Flecks soll sehr genau gemacht werden. In den 6 Fällen
von einseitigen Nebenhóhlenaffektionen fand de Kleyn die Veründe-
rungen in der Makula immer an der kranken Seite, wührend die gesunde
Seite das Symptom von van der Hoeve nicht zeigte.
Bei den operierten Patienten hat de Kleyn die Makula untersucht
vor der Operation, nach der Operation, während die Nase noch tamponiert
war, und nach Entfernung der Tamponade. Er meint, daraus schliessen
zu können, dass die Blutung während und kurz nach der Operation
günstig auf die Optikusaffektion einwirkt, dass durch die Tamponade Ver-
echlimmerung auftritt, welche nach der Entfernung des Tampons wieder
verschwindet.
de Kleyn meint, dass diese Tatsache als Beweis gelten kann, dass
in vielen Fällen Zirkulationsstörungen und Toxinwirkung die Optikus-
affektion hervorrufen können.
Weniger häufig wird Neuritis optica wahrgenommen, eine Entzün-
dung, entweder per continuitatem von den entzündeten Nebenhóhlen auf
die Nerven übergegangen oder durch Lymph- und Blutgefässe fortge-
pflanzt.
Wenn diese Entzündung längere Zeit bestanden hat, so dass Atrophie
aufgetreten ist, dann ist nicht viel mehr zu erreichen. Ein Fall wird
erwähnt, wobei bei Eröffuung der Keilbeinhöhle und der unteren Sieb-
beinzellen Eiter und Polypen gefunden wurden, aber keine Besserung der
Optikusaffektion folgte.
&6 Referate. [30
Bei einem Fall wurde beiderseits Neuritis optica gefunden, welche
nach einer Nasendiphtherie spontan verschwand.
Thrombosis Venae centralis Retinae hat de Kleyn einmal wahr-
genommen bei Eiterung der Keilbeinhóhle und der hinteren Siebbeinzellen
und ist Heilung erzielt durch Operation. Stauungspapille hat er nicht
beobachtet, aber in zwei Fällen von Ablatio Retinae mit Neuritis retro-
bulbaris erachtet er den Zusammenhang mit Keilbein- und Siebbeineiterung
für sehr wahrscheinlich.
In vier Fällen von Oberkiefereiterung (1 Fall doppelseitig und 1 Fall
kombiniert mit Stirnhóhleneiterung) hat de Kleyn keine Veründerungen
im Visus, im Gesichtsfeld und in der Makula wahrgenommen. In einem
Falle hatte ein Patient mit Kieferhöhleaffektion Vergrösserung der Makula
für rot an der erkrankten Seite, aber später zeigte sich, dass an derselben
Seite die hinteren Siebbeinzellen und die Keilbeinhöhle erkrankt waren.
In 8 Fällen von Stirnhöhlenentzündung mit Affektion der vorderen
Siebbeinzellen und in 4 Fällen isolierter Entzündung der vorderen Sieb-
beinzellen wurden nie Optikusaffektionen gefunden.
Aus den wahrgenommenen Fällen zieht de Kleyn die folgenden
Schlüsse:
1. Affektionen der Stirnhöhle und der vorderen Siebbeinzellen üben,
ohne Orbitalaffektion und unter normalen anatomischen Verhältnissen
keinen Einfluss auf den Nervus opticus.
2. Dasselbe gilt meist auch für Oberkiefereiterungen. -
3. Entzündungen der Keilbeinhöhle und der hinteren Siebbeinzellen
sind von grosser Gefahr für den Nervus opticus.
4. Von den Optikusaffektionen kommt die Neuritis retrobulbaris am
häufigsten vor.
5. Das erste Symptom der Neuritis retrobulbaris ist die Vergrösserung
des blinden Flecks (Symptom von van der Hoeve).
6. Die Zunahme in Grösse oder die schon bestehende Vergrösserung
der Makula gibt die Indikation zur Nasenoperation.
7. Die Ursache der Vergrösserung ist eine zirkulatorische und toxische.
8. Bei Optikusaffektionen ohne deutliche ätiologische Momente ist
Eröffnung der hinteren Siebbeinzelen und der Keilbeinhöhle indiziert,
auch wenn die Nasenuntersuchung keine deutlichen Abweichungen zeigt.
9. Die Meinung von Lapersonne u. a, das doppelseitige Papil-
litis meist von konstitutionellem Ursprung sei, ist falsch, weil einseitige
Siebbein- und Keilbeineiterung doppelseitige Optikusaffektion bedingen
kann und Entzündung der hinteren Nasennebenhöhlen oft doppelseitig
vorkommen kann. . Kan, Leiden.
86. Fr. Pineles, Über die Empfindlichkeit des Kropfes gegen
Jod. Wiener klin. Wochenschr. 19. 1910.
Nach Anführung von 6 Fällen von Thyreoidismus fasst Pineles seine
klinischen Beobachtungen dahin zusammen, dass Individuen, die Basedow-,
Diabetes, oder neuropatischen Familien entstammen, selbst nach Darreichung
geringer Jodgaben bisweilen an Thyreoidismus erkranken. Es ist nahe-
liegend, anzunehmen, dass allen diesen Füllen dieselbe pathologische
Veränderung der Schilddrüse zugrunde lag, die deren Überempfindlichkeit
gegen Jod bedingte. In therapeutischer Hinsicht ergibt sich aus diesen
3l] Referate. 87
Beobachtungen die Schlussfolgerung, bei kropfbehafteten Kranken aus
derlei Familien die Jodbehandlung nur mit grósster Voraicht anzuwenden.
Sippel, Würzburg.
87. Schönemann, Bern, Die (nicht tuberkulöse) Lungenspitzen-
induration als Folge der behinderten Nasenatmung. Schweiz.
Rundschau fiir Medizin 1909.
Schönemann versucht die Ansicht Krönig’s (Über einfache
nicht tuberkulóse Kollapsinduration der rechten Lungenspitze bei chronisch
behinderter Naseuatmung: Deutsche Klinik am Eingang des XX. Jahr-
hunderts 1907, Bd. 11) durch eigene Untersuchungen und Erfahrungen
in seiner Praxis zu stützen. Er möchte nur für seine und Krönig’s
Überzeugung, dass es wirklich eine eolche nicht tuberkulöse Spitzenindu-
ration bei Mundatmern gebe, gewinnen. Nach einigen theoretischen Aus-
.einandersetzungen über die Folgen der behinderten Nasenatmung uud
habitueller Mundatmung auf Oberkiefer, Thoraxform und Lungen-
spitzen Ventilation führt er in Wort und Bild uns einige Beispiele aus
seiner Praxis vor, die die Existenz eine nicht tuberkulösen Spitzen „Re-
traktionsinduration“ als Folge von Nasenstenose dartun sollen. — Der
Referent und mit ibm wohl viele Leser dieser Arbeit können sich von
der Richtigkeit der Krönig-Schönemannschen Ansichten nicht
überzeugen. So wenig wie die früheren von verschiedenen Autoren ge-
äusserten und immer noch, wenn auch in etwas modifizierter Form da
und dort auftauchenden übertriebenen Ansichten von den starken Thorax-
und Oberkieferdeformitáten nach Nasenstenose und Rachenmandelhyper-
trophie durch die Tatsachen bewiesen werden konnten, so wenig ist bis
jetzt der Beweis für die Existenz einer nicht tuberkulösen Spitzenindura-
tion wirklich erbracht worden. So lange keine eindeutigen klinischen
Befunde und keine beweisenden Autopsieen vorliegen, tut jeder Spezialarzt
besser mit dieser Affektion nicht zu rechnen und keine rhinochirurgischen-
therapeutischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Wir wissen ja alle, dass
es glücklicherweise tuberkulöse Spitzenindurationen gibt, die nie zur
Phthisis pulm. führen.
88. A. Tereschkowitsch (Chir. Klin. Basel), Beitrag zur Trans-
plantation der Schilddrüse (Experimentelle Studie). Inaug.-
Dissert. Basel 1909. 28 s.
1. Das überpflanzte Schilddrüsengewebe heilt sowohl bei der Auto-
plastik als auch bei der Heteroplastik.
: 2. Das histologische Bild zeigt eine Nekrose des Zentrums und eine
Regeneration und Sekretionstätigkeit der peripher gelegenen Follikel.
3. Die Alloplastik gelingt nicht, insofern, als die Resorption des
implantierten Drüsengewebes rasch vor sich geht.
4. Praktische Verwertbarkeit besitzt nur die Heteroplastik.
Fritz Löb, München.
89. Ullmann, Wien, Über Beziehungen zwischen dem Uterus-
myom und dem Kropf. Wien. klin. Wochenschr. 1910. 16.
Vert, bat bei einer Reibe von Fällen, wo Frauen an Uterusmyom
und Strumen zugleich litten, nach ausgeführter Myomektomie auch die
‘Struma zurückgehen und die durch dieselben hervorgerufenen Beschwerden
88 Biicherbesprechungen. [32
and
schwinden sehen. Ähnlich geht auch in analogen Fällen im Klimakterium
mit Rückbildung des Myoms eine Verkleinerung der Struma Hand in
Hand. Würth, Würzburg.
90. H. Wiener, uber den Thyreoglobulingehalt der Schilddrüse
nach experimentellen Eingriffen. Fortschritte der Medizin 8.
1910.
Untersuchungen über (Gewicht der Schilddrüse bei verschiedenen
Tieren, über Thyreoglobulingehalt der einen Schilddrüse bei Entfernung der
anderen desselben Tieres, über Einwirkung verschiedener Gifte auf Gewicht
und Thyreoglobulingehalt und endlich über die Innervationsverhältnisse der
Glandula thyreoidea. Sippel, Würzburg.
IIl. Büeherbesprechungen.
Dr. G. Chauvean, Les Maitres de l'école de Paris dans la période pré-
specialistique des maladies du pharynx, du larynx et du nez. Tome 1I.
Paris 1910.
Der vorliegende II. Teil des Werkes unseres Pariser Fachgenossen behandelt
die Laryngologie in der vorspezialistischen Zeit an den Pariser Krankenanstalten.
Wir finden eine grosse Zahl klangvoller Namen, und es gewührt einen eigenen
Reiz an der Hand des sachkundigen Führers die Anschauungen und die Behand-
lungsmethoden der grossen Pariser Kliniker und Chirurgen jener Zeit auf dem
Gebiete der Kehlkopfkrankheiten an uns vorüberpassieren zu lassen. War doch
Paris in jenen Tagen, insbesondere, was’chirurgische Technik anbelangt, führend,
— wir brauchen hier nur die Namen Desault, Dupuytren, Lisfranc,
Nélaton, Vélpeau, an Trousseau, Valleix, Louis, Cruveilhier und
viele andere zu erinnern. — I
Chauveau hat für seine Darstellung die alphabetische Form gewühlt, er
lässt die einzelnan Autoren, Kliniker und Chirurgen getrennt, an uns vorbeipassieren,
er gibt gewissermassen kurze laryngologische Biographien von ihnen. Die ein-
zelnen Portraits gewinnen dadurch gewiss an Plastik; die praktische Brauchbar-
keit des Buches leidet aber zweifellos darunter, wenn über dieselbe Affektion an
den verschiedensten Stellen nachgelesen werden muss. Die vom Verf. ausdrück-
lich zurückgewiesene Einteilung nach Materien wäre nach dieser Richtung unbe-
dingt vorzuziehen gewesen. So muss man z. B. über Glottisodem bei Bayle,
Cruveilhier, Bouillaud, Trousseau, Sestier nachlesen. Über Tracheo.
tomie bei Trousseau, Boyer, Desault, Dupuytreu, etc. Es ist das um
so bedauerlicher, als bei dem grossen Fleiss und der musterhaften Gründlichkeit
des Buches niemand, der sich mit Geschichte der Laryngologie beschäftigt, das-
selbe in Zukunft wird übergehen können. Denn man darf wohl behaupten, dass
man sich aus der Abhandlung Chauveaus ein zuverlässiges Gesamtbild über den
Stand und die Fortschritte der Laryngologie in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts machen kann, — wir begegnen in ihm den meisten in unserem Ge-
biete bekannt gewordenen Namen aus jener Zeit, auch wenn sie nicht maitres
d'école de Paris waren, z. B. Albers, Brétonneau, Middeldorpf, Ehr-
mann u. v. & Doch muss man sich sein Gebäude aus den zahlreichen vom
Verfasser gelieferten Bausteinen selbst errichten. Diese aber stelleu ein äusserst
33] Dücherbesprechungen. NY)
wertvolles Material dar; auch ist die Arbeit ein niitzlicher Wegweiser fir alle,
die auf die Quellen zurückgehen wollen. Kronenberg.
Dr. Otto Kahler, Klinische Beiträge zur Ösophagoskopie und Tracheo-
Bronchoskopie. Wien 1910. Moritz Perles.
An der Hand des umfangreichen Materials der Wiener Universitátsklinik für
Kehlkopf- und Nasenkrankheiten (Chiari), des grössten und reichhaltigsten der
Welt, wie Verf. mit einigem Stolz betont, unternimmt Kahler es, in der vor-
liegenden Abhandlung die Bedeutung und klinischen Erfolge der direkten Unter-
suchungsmethoden der tieferen Luftwege und der Speiseröhre zu schildern,
Das an der Chiarischen Klinik benutzte Instrumentarium weicht in einigen
Einzelheiten von dem Killian-Brüningsschen ab. Zur Beleuchtung wird das
Leitersche Panelektroskop benutzt, dessen verstellbarer Griff vom Verf. als be-
sonders vorteilhaft gerühmt wird. Die ösophagoskopische Untersuchung zu dia-
gnostischen Zwecken wird fast stets beim sitzenden Patienten, bei der Unter-
suchung in Narkose und zur Entfernung von Fremdkörpern in Rückenlage vor-
genommen. Das Instrument wird stets unter Leitung des Auges eingeführt,
wobei unglückliche Zufälle fast mit Sicherheit vermieden werden. Unter 800 Öso-
phagoskopien erlebte Verf. einen Todesfall nach Fremdkürperextraktion, der aber
nicht mit Sicherheit der Methode zur Last gelegt werden konnte und einmal ein
Emphysem am Halse. Weitere Komplikationen wurden nicht beobachtet.
Bei der Erwähnung der Hypopharyngoskopie hätte neben den Namen
v. Eicken und Gerber derjenige Blumenfelds nicht übersehen werden sollen,
da Blumenfeld bekanntlich früher als die beiden genannten Autoren den Ge-
danken der Hypopharyngoskopie ausgesprochen hat.
Die Bronchoskopie wurde im wesentlichen nach den Regeln der Killianschen
Schule ausgeführt.
Die Zahl der ósopbagoskopisch entfernten Fremdkóürper ist mit 75, davon
allein im ersten Halbjahr 1909 23, eine imponierende. Die von Kahler sorg-
faltig durchgeführte Kasuistik ist für jeden, der ósophagoskopisch arbeiten will,
sehr lehrreich; die Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden.
Auch zur Klinik des Karzinoms, der Ösophagusgeschwüre, der Hyperkinesen,
etc. bringt die Arbeit wertvolle Beobachtungen.
Aus Trachea und Bronchien wurden 16 Fremdkörper entfernt, dabei ein
Todesfall infolge von Bronchopneumonie, ein sehr günstiges Resultat. Unter 164
von Killian zusammengestellten tracheoskopischen Fremdkörperfällen finden sich
21 Todesfälle, ein erheblich höherer Prozentsatz. Wie sehr die Ausbildung einer
Methode das Material beeinflusst, zeigt der Umstand, dass von den 16 beobachteten
Fällen allein 7 auf das erste Halbjabr 1909 entfallen.
Hervorragendes Interesse beansprucht die bis zur Ausbildung der Killian-
schen Methode klinisch fast völlig unzugüngliche Lues des Tracheobronchial-
baumes. Auch in dieser Beziehung ist das Wiener Material sehr lehrreich.
Die Kahlersche Arbeit ist keino Anleitung zur Erlernung der direkten
Methoden für den Ungeübten; sie setzt eine gewisse Kenntnis und Erfahrung in
diesen Methoden voraus. Aber, indem sie das grosse und schöne Material der
Chiarischen Klinik sichtet und allgemein zugänglich macht und aus den überaus
reichen Erfahrungen dieser Klinik heraus kritisch zergliedert, indem sie ferner
zahlreiche Einzelheiten der Technik, wie sie sich im täglichen Gebrauch an dem
vorgeführten Material als nützlich erwiesen haben, anschaulich vorführt, wird
für diejenigen Leser, die sich selbst mit den dirckten Methoden beschäftigen, zu
einer ebenso anregenden wie nützlichen Lektüre.
Der Umstand, dass im wesentlichen die subjektiven Erfahrungen und Ein-
drücke an der Chiarischen Klinik wiedergegeben sind, gestaltet die Darstellung
frisch und lebendig und ist für den fachkundigen Leserkreis gewiss ein Vorteil.
Kronenberg.
90 Gesellschafts- und Kongressberichte. [34
IV. Gesellschafts- und Kongressberichte.
Berliner Laryngologische Gesellschaft.
Sitzung vom 19. November 1909.
1. Herr Gluck: a) Patient mit Totalexstirpation der Zunge. Vor
2 Jahren bat Gluck nach seiner Methode (vom Munde aus, nach präliminarer
Drüsenexstirpation und Lingualisligatur, unter etappenweiser Naht des Mund-
bodens wührend der Operation) die ganze Zunge entfernt. Das Sprachresultat
ist vorzüglich, indem der Mundboden das fehlende Organ ersetzt.
b) Totalexstirpation des Larynx und Sprechapparate. Vor-
tragender demonstriert zunüchst einen Patienten, dem vor 1!/ Jahren Larynx,
Pharynx, Zungengrund, Ösophagus bis unterhalb der A. thyreoid, inf. und ?^ der
Schilddrüse entfernt wurden. Patient trug bis zur Plastik die Trichterprothese,
schluckt jetzt durch das Hautrohr (in dem sich ein Bart gebildet hat) ausge-
zeichnet. Für solche totalexstirpierte Patienten, bei denen sich nicht eine ge-
nügende Pharynxstimme entwickelt, hat Gluck schon vor 10 Jahren den „künst-
lichen Kehlkopf* angegeben, welcher der Kantile anfgesetzt wurde, und dessen
Ton durch einen Schlauch dem Munde oder der Nase zugeführt wurde. Da der-
selbe starke Reizung verursachte, konstruierte Vortragender neuerdings Apparate,
die durch mechanisch oder elektrisch getriebene Blasebälge in Gang gesetzt
werden, also ohne Mitwirkung der Lunge. — Er hat auch den Versuch gemacht,
den Ton, der von Sängern auf phonographische Walzen gesungen worden ist,
zu reproduzieren und vermittelst isolierter Drähte und einer Zahnplatte der Mund-
höhle der Patienten zuzuführen. Er verspricht sich hiervon eine Verbesserung
des Stimmklanges.
Diskussion: Herr Grabower fragt, wie lange Zeit die Operierten
brauchen, um das Sprechen mit Apparaten zu erlernen.
Herr Fránkel bedauert den blechernen Klang der Apparate.
Herr Gutzmann erklürt den Mechanismus der Pharynxstimme.
Herr Gluck: Die Patienten erlernen das Sprechen sofort. Der Klang wird
sich bessern, wenn die Einführung der phonographischen Methode gelingt.
2. Herr Edm. Meyer: a) Patient mit Totalexstirpation des Larynx
undkünstlichem Kehlkopf. Ein brückenähnlicher Apparat bedeckt sämtliche
Zähne; das Zuleitungsrohr tritt am Mundwinkel in das Vestibulum und hinter
dem letzten Molaris in die eigentliche Mundhöhle.
b) Bronchoskopisch entfernter Nagel, den das Róntgenbild dicht
neben dem Herzschatten zeigte. 6jähriges Kind. Bronchosc. inferior.
3. Herr Finder: a) Fall von Nasentuberkulose. Bei dem in der
vorigen Sitzung demonstrierten Kind war Wassermann positiv. Im Hinblick
auf das histologische Bild handelt es sich um ein hereditür luetisches Kind mit
Nasentuberkulose.
Diskussion: Herr Schoetz: Die Diagnose mag richtig sein; man hütte
aber sich nicht durch das histologische Bild festlegen lassen sollen, sondern
gleich an Lues denken, Wassermann uud Jodbehandlung probieren sollen.
Herr Frankel ste!lte vor 2 Jahren einen Fall vor, an dem ich das gleiche
vermisste.
Herr B. Fränkel: Wir haben dem Kinde ausser der Tuberkulinbehandlung
leider auf Herrn Schótz' Wunsch auch Jodkali gegeben. Nun wissen wir nicht,
welchem von beiden die (voraussichtlich baldige) Heilung zu verdanken iet.
35) Gesellschafts- und Kongressberichte. 91
Herr Finder: Bei Verdacht auf Lues geben wir stets Jodkali, aber doch
nicht in jedem Krankheitsfalle.
b) Lupus oder Lues? 1ljähriges Mädchen mit Geschwür an der linken
Muschel, Narbenbildungen am weichen Gaumen und der hinteren Rachenwand
deren Schleimbaut dick und wulstig ist. Klinisches und histologisches Bild
sprechen für Lupus, aber Tuberkulinreaktion ist negativ, Wassermann positiv
und auf KJ. ist Besserung erfolgt.
Diskussion: Herr B. Fränkel: Es gibt einen Lupus syphiliticus, der
vom echten Lupus klinisch nicht zu trennen ist.
c) Kind mit Angina Vincenti. Grosses Ulcus, das von der linken
Tonsille auf Pharynx, Gaumensegel und -Bogen übergreift. Der dicke, gelbliche
Belag hat sich unter H,O, abgestossen, das Geschwür ist in Heilung begriffen.
Diskussion: Herr Schötz: Man hätte Jodkali geben sollen.
Herr B. Fränkel: Dann wäre der Fall unter der Flagge „Lues“ gesegelt,
sehr zum Nachteil des Kindes.
Herr Finder: Kein Mensch hat an Syphilis gedacht; es heilt ja auch ohne KJ.
d Angiokavernom der Nase. Schwarzgrauer Tumor, der die rechte
Nasenseite ausfüllte und auftrieb, ausgehend von der unteren Muschel. Nach
Teilexstirpatiou enorme Blutung, deshalb Entfernung nach Freilegung der Nase.
Diskussion: Herr Edm. Meyer bat einen ähnlichen Fall gesehen.
4. Herr Scheier: 3 Präparate von verirrten Zähnen in der
Nasenhóhle.
5. Herr Goldmann: a) Aus dem Osophagus entferntes Bruch-
stück eines Gebisses. |
Diskussion: Herr E. Meyer macht auf die Gefahren der ósophagosko-
pischen Extraktion eingekeilter Fremdkórper aufmerksam.
b Ausgedehnte Geschwüre des Pharynx und Larynx. Vor-
tragender hat bei dem ätiologisch nicht ganz klaren Falle eine Hg-Kur eingeleitet.
Diskussion: Herr Kuttner empfiehlt gleichzeitige Chromsüure-Ätzuugen.
Herr Schötz widerrät diese bei so ausgedehnten Prozessen wegen Ver-
giftungsgefahr.
Herr E. Meyer: Es könnte sich möglicherweise um leukümische Gangrün
handeln.
Herr Kuttner: Der Vergiftungsgefahr bei Chromsäure kann man leicht
begegnen, wenn man mit alkalischem Wasser nachspiilt.
Herr Rosenberg rit zu Jodkali.
Herr Frankel; Herr Goldmann.
6. Herr Echtermeyer: Sarkom des Pharynx. Der inoperable Tumor
hat sich unter Arsen auf die Hälfte verkleinert.
Diskussion: Herr P. Heymann erinnert an seinen 1895 vorgestellten Fall.
7. Herr Levinstein: Über die histologische Bewertung der
Appendix ventriculi Morgagni (erscheint in Archiv für Laryngologie).
Diskussion: Herr Katzenstein: Der Ventrikel nebst Appendix dient
hauptsächlich als Resonanzorgan, wie aus Versuchen hervorgeht.
Herr Levinstein: Was die Appendix betrifft, so widerspricht dem der
histologische Bau.
Sitzung vom 17. Dezember 1909.
1. Herr P. Hey mann: Fall von Rekurrenslühmung. Das linke
Stimmband steht absolut still. Der Aryknorpel und mit ihm das Taschenband
nıachen aber rhythmische, bald nystagmusartige, bald unregelmässige Bewegungen
von ziemlicher Ausdehnung. Ätiologie dunkel.
92 Gesellschafts- und Kongressberichte. [36
Diskussion: Herr Schótz: Die Zuckungen sind als Reaktion der ge-
sunden Transversusfasern auf den Reiz, den die Absterbenden ausüben, aufzu-
fassen. Vielleicht liegt auch beginnende Tabes vor?
Herr G rabower: Der Fall ist im Übergang von der Posticus- zur Rekurrens-
láhmung. Der Transversus kontrahiert sich noch, aber wie ein absterbender Muskel.
Herr Hey mann lehnt beide Erklärungen ab.
2. Herr Haenlein: Kankroid des Siebbeins. Patient wurde von
anderer Seite operiert, weist jetzt grossen Hautdefekt an der Stelle der Narbe auf.
Diskussion: Herr H. J. W olff: Die Operation geschah in unserer Klinik
wegen Kopfschmerz und Schwellung am inneren Orbitalwinkel. Es ergab sich ein
Endotheliom, daher ist es unwahrscheinlich, dass jetzt ein Kankroid da sei.
Herr Haenlein: Karzinomserum Spengler uud Róntgenbestrahlung
wurden vergeblich angewandt. Der Verlauf ist jedoch sehr allmählich und aus-
gezeichnet durch dos Fehlen von Metastasen.
3. Herr Halle: a) Fremdkörper der Nase. Stark inkrustierte Glas-
perle, die bei der 43jährigen Patientin sicherlich schon seit Kindheit in der Nase
lag. Ihr langes, unbemerktes Verbleiben ist auf eine totale knöcherne Atresie
der gleichen Seite zurückzuführen. Die Operation geschah mit Fraise.
Diskussion: Herr Finder bestreilet, dass membranöse Choanalatresien
stets luetisch seien.
Herr B. Frünkel beseitigt knócherne Verschlüsse jetzt immer elektro-
lytisch, da operative Öffnungen schnell verwachsen.
Herr Halle.
Derselbe; b) Riesiger Nasenrachenpolyp. Aus der rechten Kiefer.
hóhle entspringender Schleimpolyp. Bei Durchleuchtung erschien diese hell, die
linke, ganz gesunde Hóhle dunkel.
Derselbe: c) Stirnhóhlenempyem, von der Nase aus operiert,
nach einem von Halle vor 3 Jahren in der Berl. med. Ges. publizierten Ver-
fahren. Bei demselben Patienten wurde eine sehr grosse Keilbeinhóhle in aus-
giebiger Weise mit der Fraise freigelegt.
. 4. Herr Levinstein: Mikroskopische Präparate der Appendix
ventriculi, die Anwesenheit von Follikeln und den Drüsenreichtum demon-
strierend.
9. Herr M. Senator: Speichelstoein aus dem Ductus Whartonianus. Die
Mundbodengegend war teigig geschwollen, auf Druck entleerte sich Speichel in
dünnem Strahl. Diagnose und Entfernung des Calculus gelang leicht, was nicht
immer der Fall ist.
6. Herr Gräffner: Beobachtungen am Gaumen, Rachen und
Kehlkopf bei zerebralen Hemiplegien. (In Heft 5 dieser Zeitschrift im
Original erschienen.)
Sitzung vom 14. Januar 1910.
1. Herr A. Blumenthal. Histologisches Präparat eines Pa-
pilloma durum von der Übergangsstelle des Vestibulum nasi zur unteren
Muschel.
Diskussion: Herr A. Meyer, Herr Blumenthal.
2. Herr Alexander: a) Zur Vererbungsfrage bei Ozäna. Mutter
mit Ozünaform der inwendig ganz gesunden Nase, Sohn mit Ozäna. Die Mutter
muss in der Jugend an Ozäna gelitten haben und geheilt sein. Der Fall spricht
gegen die Infektions- und für die Vererbungstheorie.
Diskussion: Herr Haike warnt vor unüberlegten Schlüssen in der
Ozünafrage.
37) Gesellschafts- und Kongressberichte. 93
Herr Kuttner: Die Form der Nase ist nicht für Ozüna beweisend.
Berr Alexander: Im Gegenteil, sie kommt nur bei oder nach ozänösen
Prozessen vor. Nur Lues nasi gibt das gleiche Bild.
Derselbe: b) Fall von Ozaena trachealis. Die Nase war sekretfrei,
die Schleimhaut geschwollen. Nach 4 Wochen fand sich auch in der Nase echte
Ozina. Das ist eine Mahnung, bei Ozána des Kehlkopfs und der Luftróhre sich
nicht bei einem negativen Nasenbefund zu beruhigen, sondern wiederholt zu
untersuchen.
Diskussion: Herr Kuttner, Herr Alexander.
3. Herr Finder: a) Präparat von Abszess des Aryknorpels.
Patient war fieberhaft erkrankt mit schwerem Ödem der rechten Aryepiglottischen
Falte. Tracheotomie; nach kurzer Besserung Exitus unter septischen Erschei-
nungen. Sektion ergibt fast völlige Zerstörung des Aryknorpels, Durchbruch
nach dem Sinus piriformis, sowie Kommunikation mit einem hoch hinauf und bis
ins Mediastinum berab reichenden retropharyngealen Abszess. Im Eiter Strepto-
kokken.
Diskussion: Herr Blumenthal.
Derselbe: b) Bronchoskopischer Fremdkórperfall. 11 monat-
liches Kind sollte eine Brotkruste aspiriert haben. Bei Br. superior zeigt sich
im rechten Bronchus ein harter, gelblicher, obturierender Fremdkórper, der mit
dem Haken nicht extrahiert werden kann, da er eingekeilt ist. Tags darauf
Tracheotomie, bei der Dr. inferior kollabiert das Kind bedrohlich, erholt sich für
kurze Zeit, stirbt aber am Nachmittag. Sektion ergab ein fast eingekeiltes Knochen-
stück. — Der Fall lehrt, dass man bei Säuglingen sofort die Bronchoscopia
inferior machen soll. Vergebliche Versuche von uben her verschlechtern die
Aussichten der Heilung erheblich. Überhaupt ist bei kleinen Kindern die Prognose
sehr zweifelhaft.
Diskussion: Herr E. M ey er hält gleichfalls die Bronchoscopia inferior
bei kleinen Kindern für das angezeigte Verfahren, teils wegen der ungünstigen
Raumverhältnisse, teils wegen der Gefahr nachfolgenden Glottisödems.
4. Herr Halle: a) 4 jähriges Kind, dem wegen hochgradiger, das Leben
gefibrdender Deviation das Septum reseziert wurde, und zwar in Narkose
mittelst peroraler Tubage.
Diskussion: Herr Schótz und Herr Brühl bestreiten, dass Septum-
deviationen das Leben geführden kónnen: Kinder vertragen sie ganz gut, so dass
man mit der Operation ruhig abwarten kann.
Herr H. J. Wolf, Herr H alle.
Derselbe: b) Der inder vorigen Sitzung vorgestellte Patient mit Stirn-
hóhleneiterung. Die Stirnhóhle wurde nach Halles Verfahren von der
Nase aus eröffnet. Er trägt jetzt eine silberne intranasale Stirnhöhlenkanüle,
die Sekretion ist sehr verringert. Ausserdem hat Vortragender ihm eine nasale
Öffnung der Kieferhöhle (n. Sturmann) angelegt.
Diskussion: Herr Senator: Es ist immer ein Zufall, wenn man mit
Halles Methode in die Stirnhöhle gelangt; mau kann eben so leicht in die
Schädelhöhle kommen.
Herr Halle: Wenn man sich genau an meine Vorschrift hält, ist die Ver-
letzung lebenswichtiger Organe ganz unmöglich. Fast in all denjenigen Fällen,
in denen die Stirnhöhle sondierbar ist, ist das Verfahren anwendbar.
5. Herr E. Meyer: Fixationsapparat zum Halten von Leichen-
köpfen für Übung von Nasenoperationen. Preis ca. 100 Mk. Der Apparat
kann umgelegt werden, so dass man wie am sitzenden resp. liegenden Patienten
operieren kann. Arthur Meyer.
94 Gesellschafts- und Kongressberichte. [38
Wissenschaftliche Gesellschaft deutscher Ärzte in Böhmen.
Sitzung vom 10. Dezember 1909.
Herr F. Pick demonstriert. 1. Einen Fall von ausgedehntem Sklerom der
Trachea. In der Nase nur polypöse Wucherungen, doch gelang die Züchtung von
Rhinosklerom Bac. aus derselben. Im Larynx nur ein kleines Knótchen an der
Epiglottis. Interessant ist, dass der Fall aus Westbóhmen stammt, wührend in
Bóhmen wie wir aus den Untersuchungen von Frankenberger!) wissen, das
Rhinosklerom ausschliesslich in dem nordóstlichen Quadranten vorkommt. Die
Krankheit datiert bei dem jetzt 26jährigen Manne seit 5 Jahren, seit 1 Jahre
Atembeschwerden.
2. Einen 62jährigen Mann, der dem laryngologischen Institut, da er nicht
sprechen konnte, zugeschickt wurde. Es handelt sich um progressive Bulbär-
paralyse. Auffallend ist das fast vollständige Fehlen der Aıtikulation der Sprache
bei ziemlich fleischiger und gut vorstreckbarer Zunge, was im Sinne von Duchenne
für das Vorwiegen der Lähmung gegenüber der Atrophie spricht. Das Unver-
mögen zu schlingen soll nach Angabe des Patienten, durch die elektrische Be-
handlung bedeutend gebessert worden sein.
Sitzung vom 28. I. 1910.
Herr Piffl demonstriert eine Patientin mit angeborenem rechtsseitigem
Choanalverschlusse. Der Nasenboden steht rechts etwas höher als links. An dem
Falle ist das Bemerkenswerte das einseitige Schwitzen der rechten Kopfhälfte,
wo sich die Choanalatresie befindet, besonders in der Umgebung des rechten
Nasenfitigels an der Unterlippe. In einem ähnlichen: Falle hat Vortr. dieses
Phinomen gleichfalls beobachtet, doch blieb es nach operativer Beseitigung der
Atresic bestehen. Dagegen schwand es in einem Falle von traumatischer Septum-
deviation mit Verlegung einer Nasenhülfte nach operativer Beseitigung der
Deformität. Piffl meint, dass es sich um vikariierendes Eintreten der Haut für
die mangelnde Feuchtigkeitsabgabe durch die verschlossene Nasenhälfte handle.
Prof. F. Pick demonstriert ein Präparat, wo es sich um beiderseitige Posticus-
lähmung infolge Karzinom des Ösophagus handelte. Die Adduktionsstellung der
Stimmbänder war noch bei der 6 Stunden post mortem vorgenommenen Ob-
duktion an der Leiche deutlich. R. Imhofer.
Verein deutscher Ärzte in Prag.
Sitzung vom 4. Februar 1910.
Herr Otto Wiener: Hemispasmus linguaehyst. 40jähr. Kranker,
der seit mebreren Jahren wechselnde Erscheinungen darbietet, Paresen der unteren
Extremitäten, Augenmuskelläbmungen, die jedoch nicht die typischen Doppelbilder
gaben. Zeigt gegenwärtig frische Plaques luetischer Natur im Munde und am
Skrotum. Infektion vor einem Jahre. Öffnet der Kranke den Mund, so sieht man
am Boden der Mundhöhle die Zungenspitze nach rechts abweichen und die rechte
Zungenhilfte kontrahiert. Streckt er die Zunge heraus, so bleibt die Spitze im
rechten Mundwinkel, wobei es zu rhythmischen Zuckungen der Zunge und des
Mundbodens nach vorne kommt. Versucht man die Zunge in die Mittellinie zu
bringen, eo fühlt man einen deutlichen Widerstand. Gang leicht spastisch, leichter
Tremor der Extremitäten in Ruhe, rechts viel stärker als links, der sehr zu-
nimmt, wenn man den Kranken irgend eine Muskelarbeit machen lässt, so dass
der Kranke zu fallen droht. Subjektiv gibt der Kranke ein fortwährendes Spannen
1) Diese Zeitschrift, Bd. I, S. 479.
39] Gesellschafts- und Kongressberichte. 95
in der rechten Zungenbälfte an. Weder von seiten des Fazialis, noch von seiten
der anderen Hirnnerven irgend eine Störung. Rechte Pupille ^ als die linke,
jedoch beide prompt auf Licht, Akkommodation und konsensuell reagierend. Augen-
‚hintergrund normal ebenso das Gesichtsfeld (untersucht von Herrn Hirsch), hin-
gegen komplette Anästhesie für alle Qualitäten links auch die Schleimhäute be-
treffend sowie Anosmie und Ageusie links, rechts Hyperästhesie.
Mit Rücksicht auf den Wechsel der Erscheinungen insbesondere aber mit
Rücksicht auf die lokale Hemianästhesie und die exquisite Konfabulation, die der
Kranke darbietet, ist die Erkrankung als eine funktionelle d. h. hysterische anzu-
sehen. Da der intellegente Kranke eine vorausgehende Lähmung nicht angibt,
so ist man wohl berechtigt, den Krampf als primär anzusehen, um so mehr als
sekundäre Krämpfe (nach Binswanger) mit Anästhesie der spastischen Seite
einhergehen, während den primären Krampf Hyperästhesie begleitet. Vortr. hält
den Fall besonders bemerkenswert, da er sonst immer mit Fazialiskrampf ge-
meinsam auftritt. Bisher konnte er in der einschlägigen Literatur keinen einzigen
ähnlichen Fall vorfinden.
Monatsversammlung des Vereins tschechischer Laryngo-Otologen,
Prag.
Sitzung vom 29. Oktober 1910.
Herr Cisler demonstriert einen Rhinolitben, dessen Kernpunkt ein Kirsch-
kern bildet, einen ähnlichen etwas kleineren Rhinolithen demonstriert Herr Gutt-
mann.
Herr Frankenberger demonstriert einen Skleromfall aus Prachatitz
(Böhmerwald), dann ein Diaphragma tracheae post vulnus scissum.
Herr Guttmann demonstriert eine ausgebreitete Lues laryngis, einen Sialo-
lithen, und 2 Fälle fast ausgeheilter Tuberculosis laryngis nach der Methode von
Sorgo behandelt.
Herr Cisler berichtet über einen Fall von Larynxstenose, bei dem Tracheo-
tomie nötig wurde. Vor 1 Jabr akquirierte Patient eine Lues. Nach Inunktion
verschwanden die hóckerigen Infiltrate und mit ihnen die Stenose in kurzer Zeit.
Schliesslich trägt Dr. Guttmann über „Chronische Kehlkopfdiphiherie‘“ vor.
Guttmann Imhofer.
Sitzung vom 11. Februar 1910.
Herr Frankenberger demonstriert I. einen 16jührigen Patienten mit
Siebbeinempyem und Verdrüngung des rechten Bulbus, bei welchem, da endonasale
Behandlung erfolglos blieb, Operation von aussen vorgenommen wurde. Resektion
eines Teiles des Os lacrymale und des Proc. nasalis des Oberkiefers. Drainage
gegen die Nase und Orbita. II. 2 Fälle von Papillomen des Larynx bei einem
26jährigen Manne und einem 6 jährigen Mädchen. Ferner Papillome, die bei einem
l2jährigen Knaben auf endolaryngealem Wege entfernt worden, waren und be-
richtet über einen Fall, wo auf extralaryngealem Wege operierte Papillome
rezidivierten, während die endolaryngeale Operation das Rezidiv definitiv
beseitigte.
IIl. 2 Fälle von Lues des Larynx (zerfallene Papeln) ohne solche des
Pharynx. Endlich einen Fall von Asthma, der nach Entfernung des hyper-
trophischen mittleren Muschelendes und Adenotomie wesentliche Besserung zeigte.
Herr V. Guttmann demonstriert I. eine Zyste des linken 'Taschenbandes
und weist darauf hin, dass er in der Literatur diese Lokalisation einer Zyste
des Larynx nicht weiter finden konnte. Die Zyste machte keine Symptome,
weder Atembehinderung noch Heiserkeit. II. berichtet über einen Fall von
Rekurrenslähmung bei einem 12jährigen Mädchen bedingt durch Vergrösserung
des rechten Vorhofes des Herzens. R. Imhofer.
96 Gesellschafts- und Kongressberichte. [40
Verhandlungen des Vereins der Árzte Wiesbadens. Januar 1910.
Blumenfeld: Seltene Befunde in Nase und Hals bei zentralen Nerven-
krankheiten.
I. Fall von crises nasales bei Tabes.
K. 50-iger Jahre, von seinem Hausarzt wegen Atemnot und abnormer
Sensationen im Hals, sowie wegen Schmerzen in der Nase zur Untersuchung
überwiesen. Befund in der Nase: Sehr geringe Schwellung der Muschel, keinerlei
pathologischer Befund ; Halsschleimhüute trocken; keinerlei Narben. Beide Stimm-
binder stehen in Adduktionsstellung, die jedoch noch einen etwa 2 mm breiten
Spalt zwischen sich lassen. Atmung deutlich stenotisch.
Es handelt sich um eine Postikuslähmung (erstes Stadium der Lähmung
beider Nervi recurrentes). Die Sensibilität des Kehlkopfes ist nicht wesentlich
herabgesetzt. Im weiteren Verlauf ginz die Adduktionsstellung wesentlich zurück,
ohne dass eine vollständige Kadaverstellung eingenommen würe. Die Adduktion
wird nunmehr behindert, ist jedoch nicht vollkommen aufgehoben, so dass Patient
mit etwas heiserer Stimme sprechen kann. Ausserdem bestand reflektorische
Pupillenstarre und Strabismus int. am rechten Auge. Leichte Ptosis beiderseits.
Die Diagnose wurde demgemäss von mir als wahrscheinlich auf Tabes dorsalis
gestellt und fand durch die allgemeine Nervenuntersuchung Bestätigung durch
Herrn Dr. Hezel. Die erwähnten Schmerzen in der Nase waren in der Folge
der Gegenstand sehr lebhafter Klagen des Patienten. Sie beschränkten sich nach
seiner Angabe dauernd auf das Innere der Nase. Über Kopf- und Augenschmerzen
wurde nicht geklagt, doch bestand leichtes Tränen der Augen. Irgendwelcher
. objektiver Befund, welcher die Schmerzen in der Nase, die nach Angabe des
Patienten besonders nachts einen stechenden anfallsweisen Charakter hatten, er-
klärt. hätte, fand sich nicht. Die Medikation war vollkommen machtlos. Auch
die vielfach angewandten Analgetika wie Orthoform waren ohne jeden Einfluss,
nur die Opiate innerlich angewandt brachten einige Erleichterung. Unter einer
antiluetischen Kur trat allmählich eine Besserung der Schmerzen ein, doch war
deren Wirkung keineswegs sofort zu erkennen, sondern trat erst ungefähr nach
1g Jahr in die Erscheinung. Die taktile Sensibilität war entschieden herabgesetzt.
Es handelte sich also ausser der Postikuslähmung, die zur Diagnose der Tabes
führte, um eine Form von anfallsweiser Schmerzempfindung in der Nase, wie sie
von den Franzosen unter dem Namen „crises nasales“ beschrieben ist.
II. Kehlkopfbefund bei Paralysis agitaus. Patientin D., 52 Jahre alt.
Stimme sehr leise und schwach, wird bei geringer Anstrengung z.B. Zählen
bis 10 fast unhörbar.
Die Halsmuskeln, besonders Scaleni hart, zeigen, beaonders bei Bewegungen,
leichtes Zittern, die äusseren Kehlkopfmuskeln zeigen, soweit fühlbar, leichtes Zucken.
Muskeln des Mundbodens rigide, die Zunge ist schwer hervorzuziehen, zeigt in
der ganzen Muskulatur ein bald hier, bald dort stärker auftretendes zitterndes
Wogen, das bei Anstrengung stärker wird. Mund wird schwer geöffnet. Gaumen-
segel hat keinerlei zitternde Bewegungen, der Pharynx zeigt fast vollkommene
Areflexie.
Die Epiglottis ist in zitternder Bewegung, doch ist nicht festzustellen, ob
es sich dabei um eine eigene Bewegung handelt, vielmehr scheint der Tremor
des Kehldeckels von dem der Zunge, der er eng anliegt, übertragen zu sein.
Die Aryknorpel zeigen kleine zuckende Bewegungen, die Stimmbänder bewegen
sich gut, Patientin intoniert, wenn auch schwach. Zeichen, die auf Rigidität der
Kehlkopfmuskeln schliessen liessen, sind nicht vorhanden, die Bewegungen der
Stimmbünder sind in Adduktion und Abduktion schnell und exakt, wie sich das
besonders bei den schnellen Ab- und Adduktionsbewegungen beim Lachen ergibt.
In der Bewegung zeigen die Stimmbünder in ihrer ganzen Lünge ein Zittern, das
ihnen den Eindruck des Flackernden gibt. Der Eindruck ist etwa so, als wenn
ınan ein blankes Messer in ganz kleinen seitlichen Bewegungen funkeln lässt.
41] Gesellschafts- und Kongressberichte. 97
Auch in der Ruhe zeigen sich deutlich zuckende Bewegungen, besonders in der
Respirationsstellung und etwas deutlicher am linken Stimmbande, doch fehlen
diese Bewegungen in der übrigens sehr kurz dauernden Phonationsstellung
nicht ganz.
Kehikopfbefunde bei Paralysis agitans sind ausserordentlich selten erhoben,
was vielleicht seinen Grund: in der Schwierigkeit der Untersuchuug dieser Kranken
hat. Cisler hat in neuerer Zeit einen Fall beschrieben, bei dem das eine
Stimmband in Abduktion, das andere in Adduktionsstellung stand. Er führt
diese Fixation der Stimmbänder auf Rigidität der Muskeln zurück. Andere Be-
funde (Gerhardt, von Schrötter) haben ebenfalls Zittern der Stimmbänder
ergeben. Ein grösseres Untersuchungsmaterial liegt, so viel ich sehe. von keiner
Seite vor, jedoch ist bemerkenswert, dass Graeffner im 2. Band dieser Zeit-
schrift, Seite 441 angibt, dass er vom ruhigen normalen Funktionieren der
Stimmbänder bis zum schnellschlägigen Tremor alle Abstufungen bei über
40 Fällen von Paralysis agitans, die er laryngoskopisch genau beobachtet hat,
gesehen hat. Autoreferat.
Von der 17. Tagung des Vereins deutscher Laryngologen.
Als im Jahre 1909 bei der Tagung des Vereins in Freiburg Leipzig als
Tagungsort der nächstjährigen Versammlung gewählt wurde, wird es mauchem
der Teilnehmer ergangen sein wie dem Schreiber dieses, dass er sich freute, in
der Hoffnung einmal wieder die alte Universitätsstadt aufsuchen zu können, in
der er erinnerungsreiche und angenehme Studiensemester verbracht hatte.
„Mein Leipzig ist ein klein Paris und bildet seine Leute.“ So war es zu
Goethes Zeiten, und seine Worte wurden bei Gelegenheit der Dresdener Ver-
sammlung vielfach zitiert, nicht immer im freundlichsten Sinne.
Gewiss nicht ohne grosses Bedauern hat der Vorstand des Vereins deutscher
Laryngologen beschliessen müssen, die 'l'agung statt nach Leipzig nach Dresden
einzuberufen. Ich móchte der Überzeugung Ausdruck geben, dass diese Verlegung
keineswegs im Sinne der Majorität unserer Leipziger Fachgenossen gewesen ist.
Die Verantwortung dafür trägt einzig und allein Herr Prof. A. Barth.
Aber die sächsische Gastfreundschaft ist nicht umsonst weit und breit be-
kannt und das, was in Leipzig in dieser Beziehung zu vermissen war, machte
das Dresdener Lokalkomitee unter der bewährten Leitung Richard Hoffmanns
in der glänzendsten Weise gut.
Es war kein Wunder, dass die Augen des Vorstandes des Vereins deutscher
Laryngologen sich nach Dresden wandten, als die Verhandlungen mit dem offi-
ziellen Vertreter der Laryngologie an der Leipziger Hochschule sich als aussichts-
los herausstellten; war doch die Aufnahme, welche der deutschen laryngologischen
Gesellschaft und der laryngologischen Sektion der Versammlung deutscher Natur-
forscher und Árzte im Jahre 1907 in Dresden bereitet war, noch in frischer und
angenehmer Erinnerung. Unsere Dresdener Fachgenossen haben den hohen Er-
wartungen, die man in sie setzte, nicht nur entsprochen sondern sie weit über-
troffen.
So ward denn der Begrüssungsabend schon ein ausserordentlich angenehmes
Zusammensein, zu dem man sich fand, nachdem eine gróssere Zahl der Teilnehmer
den sehr interessanten Demonstrationen der Herren Hoffmann und Mann im
Johannstüdter und Friedrichstädter Krankenhause beigewohnt hatte. Uber die
wissenschaftlichen Verhandlungen werden wir später ausführlich berichten. Eine
lebhafte Diskussion knüpfte sich besonders an die ersten Vorträge, welche die
Chirurgie der Nase betrafen, während späterhin unter dem Einfluss des Dranges
der kurz bemessenen Zeit die Diskussionen fast ganz unterblieben. Wir möchten
den Wunsch äussern, dass es dem Vorstande in der Folge gelinge, die Dinge so
zu ordnen, dass die Diskussionen nicht nur auf die ersten Vorträge keschränkt
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 1. 7
98 Gesellschafts- und Kongressberichte. [42
bleiben; es ist das allerdings ein Übelstand, der sich bei den meisten Kongressen
kundgibt.
In der Geschäftsitzung beantragte Herr Geheimrat Bernhard Fränkel
brieflich die Verleihung des Preises aus der Bernhard Fränkel-Stiftung an
Herrn Professor Killian in Freiburg, ein Vorschlag, der die allgemeine Zustim-
mung der Versammlung fand. Es war das erste Mal, dass dieser Preis verlieben
wurde.
Die Bernhard Frünkel-Stiftung besitzt zurzeit ein Kapital von 4000 Mark,
so dass die Möglichkeit besteht, alle 5 Jahre einen Preis zu verleihen. Es dürfte
dio Leser interessieren, die Stiftungsurkunde dieses Preises kennen zu lernen. Wir
lassen dieselben daher hier folgen:
„Nachdem ein halbes Jahrhundert seit der Erfindung des Kehlkopfspiegels
verflossen ist, schien auf Anregung der Deutschen Laryngologischen Gesellschaft
einer Anzahl von Laryngologen, deren Namen dieser Urkunde beigefügt sind,
die richtige Zeit gekommen, einen ersten deutschen Laryngologenpreis zu stiften.
Sie wählen den heutigen Tag, den 70. Geburtstag ihres verdienten Altmeisters
Bernhard Fränkel um aus Dankbarkeit für seine rastlose Arbeit, aus An-
erkennung für die unter seiner tätigen Mitwirkung errungene Stellung der
Laryngologie und zum Gedächtnis an seine so hervorragenden Leistungen auf
dem Gebiete der medizinischen Wissenschalt und besonders auf dem der Rhino-
Laryngologie einen Deutschen Laryngologenpreis zu stiften. Sie überreichen
ihn heute ehrerbietig dem Jubilar mit der Bitte, Bestimmungen über die Ver-
wendung desselben treffen zu wollen. Es wäre im Sinne der Geber wenn alle
fünf Jahre die wertvollste Arbeit oder Erfindung auf dem Gebiete der Rhino-
Laryngologie mit einem Preise gekrönt würde.“
„Die Geber wollen mit dieser Stiftung den Namen Bernhard Fränkel
auf ewige Zeiten mit der rhino-laryngologischen Wissenschaft verknüpft sehen.“
: Berlin, 17. November 1906.
Für den Vorstand der Deutschen Laryngologischen
Gesellschaft und im Namen der Stifter.
gez. Prof. Moritz Schmidt.
Ferner stand auf der Tagesordnung der Antrag Barth, welcher eine Ver-
schmelzung des Vereins deutscher Laryngologen mit der deutschen otologischen
Gesellschaft anstrebt. Es zeugte von dem guten Geschmack der Versammlung,
wenn dem Antrage Killian auf Ubergang zur Tagesordnung Folge gegeben wurde.
Die Ablehnung der Barthschen Antrages war ohne weiteres sicher und die Ver-
sammlung wird sich mit Recht bewusst gewesen sein, dass wissenschaftliche Ver-
einigungen und Tagungen nicht dazu da sind, um in überschüssiger Breite und
unter Hervorkehrung der eigenen Persönlichkeit einseitige Wünsche zu verhandeln.
Zum Vorsitzenden für das Jahr 1910 wurde Herr Professor Killian, Frei-
burg gewählt, zum zweiten Vorsitzenden Herr Professor Seifert, Würzburg.
Aus dem Vorstande schieden satzungsgemäss aus Herr Neugass als Kassen-
führer und der Unterzeichnete als Schriftführer. Es wurden an ihrer Stelle ge-
wählt die Herren Bönninghaus und Hoffmann.
Als Ort der nächsten Tagung wurde Frankfurt a. M. gewählt. Auf Antrag
des Herrn Jo&l. Görbersdorf, wurde beschlossen, bei der nächstjährigen Tagung
das Festessen gemeinsam mit dem der deutschen otologischen Gesellschaft statt-
finden zu lassen. Wir móchten gegen diesen Beschluss erhebliche Bedenken
geltend machen. Es ist für diejenigen der Teilnehmer, welche nur die laryngo-
logische Tagung mitmachen wollen, entschieden unbequem, wenn man sie zwingt,
um an dem Festessen teilzunehmen, 1—2 Tage zu warten und es ist in den
Kreisen der Laryngologen nicht mit Unrecht vielfach die Befürchtung ausge-
sprochen, dass dadurch die Selbständigkeit des Vereins in gewisser Weise ge-
43] Kongresse und Vereine. — Personalia. 99
fáhrdet ist. Majoritätsbeschlüsse in gesellschaftlichen Fragen haben stets ihr
Bedenkliches, denn es ist immer fraglich, ob sich die Minorität ihnen unterordnet
oder es vorzieht, sich zurückzuziehen.
An die Verhandlungen schloss sich, wie üblich, ein Festmahl. Dasselbe fand
in den schönen Räumen des Bellevedere statt, von denen man eine herrliche Aus-
sicht auf das zu beiden Seiten der Elbe hingelagerte Dresden geniesst. Von zahl-
reichen Reden, die gehalten wurden, sei besonders diejenige hervorgehoben, welche
Herrn Prof. Jurasz, dem der Verein als langjährigem Vertreter des Heidelberger
Lokalkomitees vielen Dank schuldet, feierte.
Die Tagung stand, das wird niemand bestreiten, in vielfacher Beziehung im
Zeichen des Kampfes. Das hinderte aber nicht, dass in gewohnter Weise die
Pflege der Kollegialität und der persönlichen Annäherung ihre Stätte fand. Wenn
überall da, wo Vereinsangelegenheiten und ernste Wissenschaft schwiegen, ein
ausserordentlich gemütlicher und heiterer Ton sich geltend machte, so ist das in
erster Linie der Veranstaltung der Dresdener Kollegen zu danken, deren Wirkung
in dieser Richtung gar nicht genug anzuerkennen ist. Bl.
V. Kongresse und Vereine.
82. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in
Kónigsberg i. Pr. 18.—24. September 1910.
IIl. Internationaler Laryngo-Rhinologen-Kongress zu Berlin.
30. und 31. August und 1. und 2. September 1911.
VI. Personalia.
E. Zuckerkandl T.
Die Wiener medizinische Schule hat einen neuen, schweren Verlust erlitten.
Der Wiener Anatom Emil Zuckerkand], Vorstand der ersten anatomischen
Lebrkanzel an der Wiener Universitit, Nachfolger Karl Langers, ist am
28. d. M. an einem veralteten Herzleiden, das ihn schon seit Jahren gegnält hatte,
gestorben.
Zuckerkandl hat noch die unvergessliche Glanzzeit der Wiener Schule,
die Epoche eines Skoda, Brücke, Rokitansky und Hyrt] geschaut, und
sowie wir an dem vor zwei Jahren dahingegangenen Leopold v. Schrótter noch
die Unmittelbarkeit der Tradition eines Skoda bewunderten, der uns in
Schrótters Vorlesungen fast persónlich entgegentrat, so lebte in Hyrtls
Schüler Zuckerkandl der eigentümliche Wesenszug des grossen Anatomen fort,
den wir noch beim Lesen seiner Schriften mit solchem Vergnügen geniessen.
Man erkaunte in Zuckerkandl das Bestreben, es dem Lehrer gleichzutun, das
7*
100 Personalia. (44
Vermächtnis Hyrtls zu hüten, welches in der gleichsam spielenden Einführung
der jungen Mediziner in die auf den ersten Anblick hin spröde und abschreckende
Wissenschaft Anatomie bestand, die aber doch den Gründstock alles weiteren
medizinischen Wissens bilden muss.
EmilZuckerkandl, 1849 zu Raab geboren, absolvierte die medizinischen
Studien in Wien, wurde hier 1874 zum Doktor der Medizin promoviert und fünf
Jahre später zum ausserordentlichen Professor der Anatomie an der Wiener
Universität ernannt, nachdem er bereits mehrere Semester au der Utrechter
Universität doziert hatte. Seit 1882 in Graz wirkend, wurde er 1888 zum ordent-
lichen Professor der deskriptiven und topographischen Anatomie und zum Vor-
stand der ersten anatomischen Lehrkanzel an der Wiener Universität ernannt.
Im Jahre 1890 war er Dekan der medizinischen Fakultät.
Zuckerkandls wissenschaftliche Tätigkeit war überaus fruchtbar. Es
gibt kaum eines der grösseren Gebiete seines Faches, das er nicht durch irgend
einen wertvollen wissenschaftlichen Beitrag bereichert hätte. Er vertrat die ver-
gleichende anatomische Richtung in der Medizin und hat die Wichtigkeit des ver-
gleichenden Studiums der Wirbeltiere stets betont. Er setzte die grossangelegten
Untersuchungen Hyrtls über das Gefässsystem der Wirbeltiere fort und hat
namentlich über die Lungengefässe und den Bau der Lungen überhaupt viel ge-
arbeitet. Weiter schrieb er eine „Anatomie der Mundhöhle‘ mit besonderer Be-
rücksichtigung der Zähne und entsprach damit einem dringenden Bedürfnis der
Zahnärzte, ferner über „das Riechzentrum“ und „das Hirnrelief“, über Herznerven,
über „das Wesen der anatomischen Methodik in der Gegenwart und Vergangen-
heit“, über „das epitheliale Rundiment eines zweiten Malzahns beim Menschen“
etc. etc. Seine „Anleitungen für den Seziersaal“ sind Gemeingut aller geworden,
die anatomisch arbeiten.
Das Lebenswerk Zuckerkandls muss aber die topographische Anatomie
genannt werden, die er von allen Anfang an vorzugsweise pflegte und deren Er-
gebnisse er schliesslich in dem weltbekannten Atlas der topographischen
Anatomie niederlegte. Wie er als Lehrer stets bemüht war, den Studierenden
die Beziehungen und den Einfluss der Anatomie als Grundlage aller anderen
Disziplinen klar zu machen, so behandelte er auch wissenschaftlich die topographische
Anatomie mit Beziehung zu den anderen Füchern, insbesondere der Chirurgie.
Besitzen wir doch von ihm unter anderem einen , Beitrag zur Operationstechnik
des Leibschadens“.
Aufsehen erregte es im Jahre 1901, als Zuckerkandl mit der Mitteilung von
der Entdeckung bisher unbekannter Kirper in den Nebennieren der Wirbeltiere
und des Menschen von eigenartiger und hóchst wichtiger physiologischer Funktion,
die seither als Zuckerkandlsches Organ bekannt sind, hervortrat. Das Auf-
sehen war nicht minder gross ob der Natur dieser Körper selbst, deren Entdeckung
in eine Zeit fiel, als das Studium und die Erkenntnis der Drüsen mit innerer
Sekretion, Schilddrüse, Epithelkörperchen, Nebenniere, Hypophyse usw. den be-
kannten Aufschwung nahmen, als ob der Tatsache, dass es möglich war, dass
den Anatomen zu einer Zeit, wo die makroskopische Erforschung des menschlichen
Körpers erschöpft und abgeschlossen schien, diese makroskopischen Körperchen
entgehen konnten.
Die moderne Rhinologie hat Zuckerkandl viel, wenn nicht alles zu
verdanken. Neben kleineren Veröffentlichungen über spezielle Themen, so über
„Aanthose der Schleimhaut‘, über „die Tonsilla pharyngea des Löwen“ u. a. sind
es vor allem seine grundlegenden Untersuchungen über die Anabemie der Nase,
die einerseits ihren äusseren Ausdruck fanden in der wertvollen Sammlung
normaler und pathologischer Präparate des Wiener anatomischen Museums, sowie
in dem bekannten Werk über „normale und pathologische Anatomie der Nasen-
höhle und ihrer pneumatischen Anhänge“, andererseits an der ganzen neueren
Lehre von den Nebenhöhlenerkrankungen, mitgeschafft und die Rhinologie in ziel-
45] Mitteilungen. 101
bewusste Bahnen geleitet haben. Sie haben einen Hauptanteil an der Entwickelung
dieses Faches, man kann fast sagen, aus dem Nichts zu einer in steter auf-
steigender Linie fortschreitenden, unentbehrlichen Spezialdisziplin der Chirurgie.
Zuckerkandl.zeigte zum erstenmal, die noch zu Hyrtls Zeiten als eine der
unzugänglichsten Körperstellen geltende Keilbeinhöhle mit Benützung einer kon-
stanten Linie aufzusuchen und zu behandeln: von ihm stammt der erste Vor-
schlag zur Punktion der Kieferhöhle von der Nase aus, sein Verdienst ist es, die
Bedeutung des Infundibulum und seiner Varietäten ins rechte Licht gerückt zu
haben und manches andere.
Zuckerkandl war auch Mitherausgeber der Wiener Monatsschrift für
Obrenbeilkunde und Ehrenmitglied der Wiener Laryngologischen Gesellschaft.
Als Lehrer wird er seinen Schülern unvergesslich bleiben. Neben der schon
erwähnten Hyrtischen, fesselnden, nie im rein Fachlichen beschränkten Dar-
stellung, die mit grosser Vorliebe auch immer die Beziehungen der Anatomie zur
bildenden Kunst streifte, schätzten wir vor allem die grosse Güte und Menschen-
freundlichkeit, die aus seinen Augen sprach und an der sich jedermann erfreuen
konnte, der mit ihm in persönlichem Verkehr trat. Sein Tod erweckt die Trauer
nicht nur um den Verlust des Forschers, sondern weit mehr noch des Lehrers
und Menschen. Marschik-Wien.
VII. Mitteilungen.
Die oto-laryngologische Bibliothek des Kommunehospitals
zu Kopenhagen.
Durch Beiträge seitens der Kopenhagener Kommunalbehörden sowie durch
die liebenswürdige Freigebigkeit zahlreicher Spezialkollegen im Ausland und in
Dänemark ist es der oto-laryngologischen Klinik des Kommunehospitals zu Kopen-
hagen gelungen, eine Bibliothek der Spezialliteratur zu begründen, welche bis
jetzt 3000 kleinere Abhandlungen und Separatabdrücke nebst ca. 200 Bände Hand-
bücher, Atlanten und grössere Monographien umfasst. Über diesen Bestand ist
ein systematischer Katalog ausgearbeitet worden.
Indem ich diese Gelegenheit benutze, um meinen vielen ausländischen
Kollegen, welche mit ihren Arbeiten unsere Bibliothek bereichert haben, und ins-
besondere denjenigen, welche aus zufälligen Gründen meine persönliche schrift-
liche Danksagung nicht erreicht haben sollte, aufs neue bestens zu danken, ge-
statte ich mir die Bitte an alle oto laryngologischen Kollegen zu richten, auch
künftig unserer Bibliothek in Wohlwollen zu gedenken und derselben neue Ar-
beiten, Bücher, Monographien, Separatabdrücke gütigst überweisen zu wollen.
Da unsere Bibliothek eine Anzahl von katalogisierten Dubletten besitzt,
sind wir gern bereit, solche mit ähnlichen Bibliotheken zu tauschen, sowie wir
gern, Reziprozität vorausgesetzt, Bücher, Separatabdrücke usw. an andere Spezial-
bibliotheken ausleihen werden. Holger Mygind.
Von Donnerstag, den 28. Juli bis Mittwoch, den 3. August inkl. findet in
Jena (Univ.-Ohrenklinik) der
II. Fortbildungskurs fiir Spezialiirzte
mit nachstehendem Programm statt:
102 Mitteilungen. [46
Wittmaack: 1. Normale und pathologische Histologie des inneren Ohres
mit Berücksichtigung klinischer Krankheitsbilder (ca. 14 Std.). 2. Klassifikation
und Bakteriologie der akuten Otitis (ca. 3 Std.). 3. Besprechung und Demon-
stration typischer otologischer Operationen (ca. 6 Std.).
Brünings: 1. Vorlesung und Praktikum der direkten Laryngo-Tracheo-
Bronchoskopie und Osophagoskopie (ca. 16 Std.). 2. Besprechung und Demon-
stration typischer rhino-laryngologischer Operationen (ca. 6 Std.). 3. Physiologie
und funktionelle Diagnostik des Vestibularapparates (ca. 4 Std.). 4. Praktikum
der rhino-otologischen Róntgendiagnostik (ca. 4 Std.).
Die Kurse kollidieren nicht miteinander, kónnen aber einzeln belegt werden.
Assistenten deutscher Kliniken sind honorarfrei.
Da für den obigen Kurs die maximale Teilnehmerzahl bereits überschritten
ist, kónnen nur noch Meldungen für die nüchste Wiederholung angenommen
werden. Nähere Auskunft crteilt Privatdoz. Dr. Brünings, Jena, Lutherstr. 88.
Beitrag zur Amputation der tuberkulósen
Epiglottis.
Von
Prof. Dr. Otto Seifert, Würzburg.
Mit 2 Abbildungen im Tezt.
In der Ende des Jahres 1909 erschienenen Statistik von Loc-
kard-Denver!) konnte weder die Arbeit von Jorgen-Moller?)
noch die von Gerber?) Berücksichtigung finden, was allein daraus
zu erkennen ist, dass bei Aufzáhlung der verschiedenen Operations-
methoden und des Instrumentariums zwar die kalte Schlinge, die Gal-
vanokaustik, die Zangen, aber nicht die Alexandersche Guillotine
genannt ist. Diese Statistik vonLockard-Denver bezieht sich auf
240 Amputationen der Epiglottis, die von 20 verschiedenen Autoren
vorgenommen wurden mit dem Resultate in 134 Fällen: Heilung der
Epiglottis in 79?/o, Heilung des Larynx in 14?/o, Heilung des Kranken
in 8,9 °%o.
Jörgen Möllers Mitteilungen beziehen 'sich auf 10 Fälle,
bei welchen die Operation mittelst der Alexanderschen Guillotine
vorgenommen wurde, im ganzen trat in 4 Fällen Heilung ein, in
4 Fällen verschwand die Dysphagie, ein Fall stand zur Zeit der Publi-
kation noch in Behandlung, ein Patient, der wegen seiner Schlund-
tuberkulose an heftiger Dysphagie litt, starb.
Gerber bediente sich in 3 Fällen der kalten Schlinge und rühmt
als deren Vorteile: geringe Reaktion der benachbarten Gewebe, geringe
Schmerzen, raschen Erfolg. In einem Falle von primärem Lupus des
Larynx wurde von Cohen‘) die Epiglottis mit der Epiglottiszange
1) Lockard-Denver, Annal. of Otol., Rhinol. and Laryng. Dez. 1909.
2) Jörgen-Möllər, Zeitschr. f. Laryng. I. Bd.
3) Gerber, Zeitschr. f. Laryng. I. Bd.
4) Cohen, Zeitschr. f. Laryng. II. Bd. S. 152.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 2. 8
104 Otto Seifert. (2
von M. Schmidt in 2 Sitzungen glatt abgetragen. Weder bei der
Operation noch nachher nennenswerte Blutung. Auffallend war die
geringe Schmerzhaftigkeit bei der Operation und nachher. Die Wund-
ränder überhäuteten sich ım Verlaufe von 10 Tagen vollständig. Til-
ley!) amputierte bei einem 43jährigen Manne die tuberkulöse Epi-
glottis mit einer Zange von Lake. Ein Tuberkulom der Epiglottis
wurde von Nager?) in drei Stücken mit der Gleichschlinge abge-
tragen unter Zuhilfenahme des Kirsteinspatels.
In den letzten 3 Jahren wurde von mir in 5 Fällen von Tuber-
kulose eine Amputation resp. Resektion der Epiglottis vorgenommen.
1. Fall: 48jähriger Mann mit isolierter Tuberkulose am linken
Rande der Epiglottis, etwa ein Drittel der laryngealen und lingualen
Fläche umfassend. An der linken Lungenspitze alte Veränderungen
tuberkulöser Natur, Patient hatte mehrmals in Sanatorien Behandlung
gefunden. 20. III. 1908 Resektion des linken Drittels der Epiglottis
mit der Heryngschen Deppelkürette, was mit dem kleinen Instrument
mehrmaliges Eingreifen in einer Sitzung erforderte. Die Blutung bei
und nach der Operation sehr mässig, Schmerzen gering, völlige Über-
narbung der Wundränder nach Ablauf von 10 Tagen. Der Patient
ist seither andauernd gesund geblieben.
2. Fall: 35jähriger Mann mit geringer Infiltration des linken
Oberlappens der Lunge und tuberkulöser Infiltration der Epiglottis
im oberen Drittel (laryngeale und linguale Fläche).
Kehlkopfinneres frei.
Am 9. XI. 1908 Abtragung des oberen Drittels der ziemlich
schmalen Epiglottis durch einmaliges Eingreifen mit der Alexander-
schen Guillotine. Schmerz bei der Operation und nachher sehr mässig,
aber die Blutung direkt nach der Operation ziemlich stark, durch
Schlucken von Eisstückchen aber rasch zum Stillstand zu bringen.
Übernarbung der Wundränder nach 14 Tagen. Der Patient sollte
aus der Klinik entlassen werden, als er beim Verlassen des Zimmers
plötzlich an Herzlähmung starb. Es stellte sich durch nachträgliche
Erhebungen heraus, dass der Patient ein starker Potator war.
3. Fall: 42jähriger Kaufmann, der am 17. Januar 1909 in Be-
handlung trat. Er war wegen seiner Lungentuberkulose nach Meran
geschickt worden. Während seines dortigen Aufenthaltes steigerten
sich die vorher nur andeutungsweise vorhandenen Schluckbeschwerden in
einer Weise, dass es ihm kaum mehr möglich war, feste Speisen oder
Flüssigkeiten zu sich zu nehmen. Rechte Lungenspitze mässig in-
filtriert, kein Fieber, wenig Husten.
1) Tilley, revue de laryng. 22. 1910. p. 652.
2) Nager, Korresp.-Blatt f. Schweizer Árzte 13. 1910.
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5] Beitrag zur Amputation der tuberkulésen Epiglottis. 107
konnte, nach dessen Beseitigung die Stimme fast vollkommen klar
wurde.
Histologische Untersuchung der amputierten Epiglottis ergab:
Tuberkulose.
Die Patientin steht noch in Behandlung und fühlt sich voll-
kommen wohl, Stimme ziemlich rein.
5. Fall: 36jährige Frau, bei welcher schon vor einem Jahre
tuberkulöse Granulationen von beiden unteren Nasenmuscheln und
Granulationen von den Taschenbändern entfernt worden waren. Pa-
tientin, die seit 2 Jahren an Stimmlosigkeit gelitten batte, erhielt
nach dem endolaryngealen Eingriff ihre volle Stimme wieder.
Am 6. VI. 1910 stellt sich Patientin wieder vor mit Stimmlosig-
keit und Schluckbeschwerden. In der Nase neuerdings tuberkulöse
Granulationen, die sofort entfernt wurden ebenso wie eine lappige
Hyperplasie der linken Tonsille, deren histologische Untersuchung auch
Tuberkulose ergab. Der erkrankte Kehlkopf wurde erst am 12. VI.
in Angriff genommen, nachdem die Nase ohne Tampons gelassen
werden konnte.
Epiglottis in toto wulstig verdickt, stark gerötet, an einzelnen
Stellen miliare Knötchen eingelagert. Taschenbänder stark verdickt
und mit Granulationen besetzt. Am 12. VI. Abtragung der Epiglottis
mit der Alexanderschen Guillotine, Blutung bei und nach der
Operation sehr gering, Schmerzen unbedeutend. Am 14. VI. schon
konnten die Taschenbünder kürettiert werden, am 16. VI. forderte
Patientin ihre Entlassung.
Diese 5 Fälle von Amputation resp. Resektion der Epiglottis bei
tuberkulóser Erkrankung illustrieren in Übereinstimmung mit den
Beobachtungen anderer Autoren die relative Gefahrlosigkeit und die
günstigen Erfolge dieser Operation, für welche mir ebenso wie Jórgen-
Möller die Alexandersche Guillotine das brauchbarste Instrument
zu sein scheint.
Aus dem Stadtkrankenhause Johannstadt in Dresden.
Klinische und pathologische Beiträge zu den
Erkrankungen der oberen Luftwege.
I. Über einen Orbitalabszess nach Siebbeineiterung.
Yon
Dr. Richard Hoffmann.
Mit 1 Stereoskop-Tafel.
Der 20jährige Ofensetzer Curt Z. erkrankte am 29. IX. 1909
mit heftigen rechtsseitigen Kopfschmerzen, welche die ganze rechte
Kopfhalfte einnahmen. Eine Ursache derselben ist ihm nicht be-
kannt, insbesondere will er nie etwas Krankhaftes an seiner Nase
bemerkt haben.
Am 30. IX. trat unter Nachlass der Kopfschmerzen das rechte
Auge aus seiner Höhle heraus.
Ein hinzugezogener Augenarzt veranlasste die Untersuchung von
Seiten eines Nasenarztes, der dem Patienten am 1. X. ein Stück der
mittleren Muschel aus der rechten Nasenseite entfernte, wonach sich
eine reichliche Menge rahmigen Eiters entleerte.
Darnach ging der Exophtbalmus etwas zurück, um aber bereits
am 2. X. seinen früheren Grad zu erreichen.
Es wurde deswegen eine tiefe Inzision in die Orbita gemacht,
am inneren Áugenwinkel unter dem M. rectus medialis: die innere
Wand der Orbita schien glatten Knochen zu haben, es entleerte sich
kein Eiter. Am Nachmittag desselben Tages (2. X.) wurde beim Ver-
bandwechsel ein zentral gelegenes, kleines Hornhautgeschwür festge-
stellt mit infiltrierten Rändern. Der Exophthalmus war unverändert.
Patient wurde nunmehr der Augenabteilung des Stadtkranken-
hauses Johannstadt überwiesen, wo ich durch die Güte des Oberarztes
Herrn Sanitätsrat Dr. Becker den Patienten sah.
110 Richard Hoffmann. [2
Es wurde am 4. X. folgender Befund erhoben (siehe Tafel):
Rechts beide Lider massig geschwollen. Chemosis der Conjunctiva
bulbi entlang der unteren, inneren und inneren oberen Peripherie der
Hornhaut. Karunkel mindestens um das Doppelte geschwollen.
Kleines zentrales Geschwür auf der Hornhaut mit infiltrierten
Rändern. Exophthalmus und Verschiebung des Bulbus nach aussen
und unten. Beweglichkeitsbeschränkung nach allen Richtungen, be-
sonders nach innen. Druck auf den Bulbus nicht empfindlich.
Ophthalmoskopisch: Optikus nicht geschwollen, mässige venöse Stau-
ung. V. mit 4-2— 4/25. Links kein Befund V. — 4/4.
Äussere Wand der Stirn- und Kieferhöhle rechts nirgends druck-
empfindlich. Rechts im Oberkiefer karióser druckempfindlicher erster
Molaris. Der letzte Mahlzahn fehlt, der zweite Praemolaris im geringen
Maße kariös, die übrigen Zähne o.B.
In der rechten Nasenseite im unteren und mittleren Nasengang
reichlich rahmiger Eiter, linke Seite ganz frei davon. Scheidewand
S-förmig verbogen, rechts im Bereiche des mittleren, links des unteren
Nasenganges. Rechter mittlerer Nasengang durch die Verbiegung
sehr eng. Polypen aus dem mittleren Gang.
Diagnose: Orbitalabszess nach Nebenhöhleneiterung.
Am selben Tage wurde rechts eine fötide Kieferhöhleneiterung
festgestellt und in der Folge eine solche der Siebbeinzellen und der
Stirnhöhle. Schon nach der ersten Ausspülung fühlte sich der Patient
wesentlich erleichtert. Am 5. X. konstatiert die Augenabteilung:
Bulbus beweglich, nach oben, aussen, unten. Mit Spiegel keine
weitere Veränderung.
Am 6. X. Schwellung des unteren Lides und Chemosis ge-
ringer, die’ des oberen wie bisher. Deutliche Infiltration an der
inneren und inneren oberen Orbitalwand, oberhalb des inneren Lid-
bandes. Deutliche Resistenz hier und Empfindlichkeit auf Druck.
Am 7. X. Spontandurchbruch des Orbitalabszesses durch das
obere Lid, am inneren Lidwinkel nach innen und oben von der
Karunkel. V. mit + 1 = 4/20.
Nach diesem Durchbruch gingen alle Erscheinungen in der Orbita
zurück unter gleichzeitiger Behandlung der Nase (täglich Ausspülung
der Kieferhöhle, Extraktion des ersten Molaris [Granulationen an
der Wurzel, die Sonde dringt nach Entfernung des Zahns leicht in
die Kieferhóhle], Entfernung der Polypen, Eróffnung von erkrankten
Siebbeinzellen, Ausspülung der Stirnhóhle — am Auge waren dreimal
táglich je eine halbe Stunde lang vom Aufnahmetage an warme Ka-
millentheeumschláge angewandt worden —), bestehen blieb eine kleine
Resistenz am inneren bezw. inneren oberen Augenwinkel und die
3] Klin. u. pathol. Beiträge zu den Erkrankungen d. oberen Luftwege. 111
4
—
Augenhintergrund normal. Cornea glatt. Die Fistel sonderte stündig
Eiter ab besonders bei Bewegungen des Auges uach innen. Führte man
eine Sonde in die Fistel ein, so gelangte man gerade nach innen in
die Tiefe der Orbita. Man konnte die Sonde in eine Tiefe einführen,
welche nach Messungen am Präparat etwa dem hinteren Ende der
Papierplatte entsprach. Etwa entsprechend dem vorderen Teil der
letzteren fühlte man rauhen Knochen.
Bei diesem Befunde in der Orbita, einschliesslich des Ergebnisses
der Sondierung, im Hinblick darauf, dass die bisherige intranasale
Therapie einen vollständigen Erfolg nicht erreicht hatte, in Anbetracht
dessen endlich, dass die vorliegenden Empyeme besonders das der
Kieferhöhle wohl chronisch waren, schien eine Freilegung der medialen
Orbitalwand und der erkrankten Nebenhóhlen von aussen geboten.
Eine Róntgenaufnahme vor der Operation zeigte die Stirnhóhle
mittelgross und eine deutliche Verschleierung an Stirnhóhle, Kiefer-
höhle und Siebbein rechts. |
Am 30. X. wurde die Stirnhóhle und das Siebbein nach Killian-
scher Art, sowie die Kieferhóhle von der Fossa canina aus eróffnet.
Sämtliche aufgedeckten Nebenhöhlen erwiesen sich mit Eiter bezw.
chronisch entzündlich geschwollener Schleimhaut erfüllt. Besonders
bemerkenswert war der Befund an der medialen Orbitalwand. Beim
Ablösen der Weichteile hier zeigte sich, dass die Papierplatte an
ihrem vorderen Ende, dicht hinter dem Tränenbein fistulös durch-
brochen war. Man gelangte in eine mit Granulationen ausgekleidete
Abszesshóhle (ohne freien Eiter) deren mediale Wand die fistulös
durchbrochene Papierplatte bildete. Der Durchbruch war fast erbsen-
gross, von blassblàulichroter ódematóser Schleimhaut ausgefüllt. Der
den Durchbruch umgebende Knochen war besonders nach hinten zu
erweicht, die Ränder der Fistel mit kleinen Granulationen besetzt.
Untere Stirnhóhlenwand o. B.
Die Stirnwunde wurde primár genüht, Orbitalwunde, Siebbein
und die Kieferhöhle zunächst offen behandelt. Der weitere Verlauf
war durchaus normal. In der Folge wurden noch mehrfache Opera-
tionen in der Nase vorgenommen. Das Septum wurde korrigiert,
Polypenreste aus der Nase entfernt. Dabei zeigte sich, dass die Er-
krankung des Siebbeins nur bis zur Lamelle der mittleren Muschel
ging, also nur die Siebbeinzellen des mittleren Nasengangs betraf.
Endlich wurde unter Anlegung einer Gegenöffnung im unteren Nasen-
gang nach Methode Denker die Kieferhöhle geschlossen. Bei der
nochmaligen Auskratzung der Höhle fand sich am Orbitalboden, etwa
Fistel, ferner eine geringe Vortreibung des Bulbus. 11.X. V. E. —
112 Richard Hoffmann. [4
entsprechend der Mitte desselben, der Knochen in etwa Kirschkern-
grósse nekrotisch. Die Periorbita war intakt, frei von Granulationen.
Der Sequester wurde nicht gefunden.
Bei der Entlassung aus der Behandlung waren Sehschürfe und
Augenhintergrund normal, die Nase frei von Eiter und Polypen.
Patient ist mehrfach kontrolliert worden, zuletzt vor kurzem.
Es handelte sich also um einen Orbitalabszess, entstanden durch
den Durchbruch einer Eiterung der Siebbeinzellen des mittleren Nasen-
gangs nach der Orbita. Dass an den orbitalen Erscheinungen auch
die Kieferhöhle beteiligt war, ist anzunehmen, da sich am Orbital-
boden eine deutliche Knochen-Nekrose nachweisen lies, andererseits
nach Ausspülung der Kieferhóhle die Beweglichkeit des Bulbus freier
wurde, die Schwellung am unteren Lid, die übrigens ja auch unten
lokalisierte Chemosis abnahm. Allerdings wurde durch die Ausspülung
der Kieferhöhle, die vom unteren Nasengang aus vorgenommen wurde,
auch das Siebbein entlastet.
Der Ursprung der Kieferhöhleneiterung war zweifellos ein dentaler.
Die Eiterung hat sich dann von hier aus bei den engen anatomischen
Beziehungen auf das Siebbein und die Stirnhöhle fortgepflanzt.
Bei den ungünstigen Abflussverhältnissen für den Eiter im mitt-
leren Nasengang hat sich dann weiter unter dem Einfluss einer
irgendwie veranlassten Exazerbation der chronischen Entzündung die
Eiterung auf die Orbita fortgepflanzt.
Sehr bemerkenswert ist, dass Patient weder yon der Ursache
seines Nasenleidens, noch von der Existenz desselben überhaupt eine
Ahnung hatte: die Orbitalaffektion bildete hier das erste Symptom
der Nebenhöhleneiterung.
Wie ich in meinem Referat auf der Naturforscher-Versammlung
in Dresden 1907 (Verhandlungen der Deutschen laryngologischen Ge-
sellschaft, II. Versammlung) hervorgehoben habe, ist das auch sonst
beobachtet worden (Schmiegelow, Zentralblatt von Semon 1904, 9. 466,
W. C. Posey ebenda 1906, S. 326). Ich erwähne nur kurz zwei Be-
obachtungen von Ramage (Lancet, 10. März 1897), sowie von Blessig
und Tilling (St. Petersburger med. Wochenschrift Nr. 26, 1897), wo
die Orbitalaffektion das erste Symptom einer Stirnhöhleneiterung war.
Noch mehr bilden Störungen von Seiten des Auges die ersten
Anzeichen einer Nebenhöhleneiterung bei einer Erkrankung der hinteren
Nebenhöhlen der Nase. Da können die Symptome von Seiten der
Nase und auch der objektive rhinoskopische Befund recht gering sein
und erst die Abnabme der Sehschärfe weist auf eine ursächliche
Nebenhóhlenaffektion hin.
5] Klin. u. pathol. Beiträge zu den Erkrankungen d. oberen Luftwege. 113
Ein hierher gehöriger lehrreicher Fall ist von Fuchs (Lehrbuch,
X. Auflage, 1905, S. 766) und drei nicht minder markante sind von
Birch-Birschfeld mitgeteilt worden (von Gräfes Archiv für Ophthal-
mologie, LXV. Bd., Heft 3).
Dass meinem Patienten sein Nasenleiden entging, trotzdem auch
noch die rechte Nasenseite erheblich enger war als die linke, mag
vielleicht daran liegen, dass manche Menschen nur Leiden, die mit
sehr auffallenden Symptomen einhergehen, Aufmerksamkeit zu widmen
pflegen, andererseits ist vielleicht während des Intervalls der chroni-
schen Entzündung die Absonderung aus der Nase eine relativ geringe
gewesen.
Der Bulbus war hier nicht nur nach vorn und aussen, sondern
auch nach unten verdrängt. Wenn es auch im Allgemeinen eintrifft,
dass bei Affektionen der Kieferhöhle der Bulbus nach vorn und oben
bei solchen des Siebbeinlabyrinthes nach vorn und aussen, endlich bei
solchen der Stirnhöhle nach unten und aussen verdrängt wird, so
lässt doch die Dislokation des Bulbus allein keinen bindenden Schluss
za auf die Lokolisation der ätiologisch wirksamen Nebenhöhleneiterung.
Vielmehr wird die Verdrängung abhängen von der wechselnden Grösse
des Abszesses und auch von den Varietäten in der anatomischen
Ausdehnung der Nebenhöhlen.
So kann, wenn ich nur ein Beispiel hervorheben darf, das Sieb-
bein mit seinen Zellen die innere obere Orbitalwand einnehmen,
wührend die Stirnhóhle darüberliegt, andererseits kónnen sich Sieb-
beinzellen in den Orbitalboden erstrecken bis in sein mediales Drittel.
In meinem Fall war die Dislokation bedingt durch die Ausdehnung
des Abszesses nach dem inneren oberen Orbitalwinkel.
Subperiostale Abszesse der Orbita, welche durch eine Stirnhóhlen-
oder Siebbeineiterung entstehen, folgen den anatomischen Verhältnissen
gemäss bei ihrem Durchbruch nach aussen einem bestimmten Weg.
Entlang dem Knochen breitet sich der Eiter nach vorn aus, senkt
sich hinter der festen Fascia tarso-orbitalis bis über den konvexen
Rand des Tarsus und durchbricht die Haut des oberen Lides. Bei
Z. erfolgte der Durchbruch typisch wie beim Siebbeinempyem durch
die Haut des oberen Lids am inneren Augenwinkel.
Der Durchbruch durch die Papierplatte fand statt an einer Stelle,
wo der Knochen derselben besonders dünn ist, d.h. dicht hinter der
Verbindung derselben mit der hinteren Lamelle des Tráünenbeins.
Nun noch ein Wort über die Therapie der obigen Mitteilung.
Ich erwähnte oben, dass von dem zuerst behandelnden Augenarzt
eine Inzision in die Orbita vorgenommen wurde. Derartige Inzisionen
114 Richard Hoffmann: Klin. u. pathol. Beitrüge etc. [6
in die Orbita behufs Entleerung subperiostaler Abszesse sind nicht
nur nicht zweckmässig, sondern können direkt nachteilig sein.
Nachteilig, weil man einen im mittleren oder hinteren Teil der
Orbita gelegenen Abszess nicht erreichen kann, ohne die Periorbita
zu durchstechen. Dadurch kann eine Infektion des Orbitalinhalts
herbeigeführt werden, die man durch Entleerung des Abszesses ja
gerade vermeiden will. Unzweckmässig, weil es nicht sicher ist, ob
man auf diese Weise den Eiterherd überhaupt trifft, und wenn, ob
die Entleerung genügend ist, woher der Eiter kommt und wie sich
der Knochen im erkrankten Bezirk verhält. Durch eıne der Inzision
folgende orientierende Sondierung werden die Gefahren der Infektion
des Orbitalinhalts nicht vermindert (Birch-Hirschfeld, Handbuch der
Augenheilkunde von Graefe-Saemisch, IL Aufl., 167.—170. Lieferung,
Seite 294). Vielmehr ist es in allen Fällen von subperiostalem Abszess
einzig und allein rationell, den Abszess nach Ablösung des Periosts
von der Orbitalwand aufzusuchen. Man erreicht so den sekundären
Herd ohne Gefahr, kann sich über den Knochen im erkrankten Be-
zirk orientieren und zugleich die Therapie der ursächlichen Neben-
höbleneiterung anschliessen.
Ich hätte mich gewiss sogleich zu dieser Therapie in meinem
Fall entschlossen, wenn eine stärkere Herabsetzung der Sehschärfe,
wenn stärkere Veränderungen: am Augenhintergrund vorhanden ge-
wesen wären. Da dies bei ständiger Kontrolle nicht der Fall war,
ja die Orbitalaffektion sich bei zunächst konservativer Behandlung
schon besserte, wurde Zeit gewonnen, um eine genaue topische Nasen-
diagnose zu machen. Freilich war nach der klinischen Beobachtung
anzunehmen, dass die Kieferhöhleneiterung eine chronische war, aber
die Stirn- und Siebbeineiterung konnte ja jüngeren Datums sein und
es war nicht ausgeschlossen, dass die Erscheinungen in der Orbita durch
eine konservative Behandlung der letzteren sich vollständig zurück-
bildeten.
Jedenfalls sind recht erheblich stärkere orbitale Entzündungen
mit starken Veränderungen am Augenhintergrund nach Siebbeineite-
rung auf konservativem Wege zur Heilung gebracht worden. Ich
verweise diesbezüglich auf meine Arbeit in der Zeitschrift für Augen-
heilkunde, Bd. 16, und in derselben besonders auf eine Mitteilung
von Hajek (Pathologie und Therapie der entzündlichen Erkrankungen
der Nebenhóhlen der Nase, I. Auflage, S. 217, Fall 1).
Nachdem nun aber die orbitalen Erscheinungen auf konservativem
Wege nicht vollstándig zurückgingen, wurde die Operation von aussen
vorgenommen, die denn auch einen vollen Erfolg in Bezug auf die Be-
seitigung des orbitalen Prozesses und der Nebenhóhleneiterungen hatte.
Aus der Basanowaschen Klinik für Ohren-, Nasen- und Hals-
krankheiten an der Universität in Moskau.
Technisches zur Laryngostomie.
Von
Privatdozent Alexander Iwanoff.
—— ——
Vor einem Jahre habe ich meine Erfahrungen über Laryngosto-
mie bei Perichondritis des Kehlkopfs veróffentlicht (Zeitschrift für
Laryng. Rhinolog. etc. Bd. II, H. 3). Diese Behandlungsmethode der
Kehlkopfstenosen, die einzige bisher, welche Dauerresultate ergibt, hat
doch einen grossen Mangel, welcher darin besteht, dass die Heilung
sehr lange Zeit, bis zwei und mehr Jahre erfordert.
Da ich die operierten Kranken lange beobachtete und da die
Behandlungsmethode selbst neu und unvollkommen war, ist es ganz
natürlich, dass ich von dem festgelegten Operationsplane abwich und
meine Massnahmen variierte. Die Erfahrung ergab, dass diese Ver-
änderungen als ganz zweckmässig sich bewährten, einige Operations-
massnahmen einfacher machten und zu einer Verkürzung der Beband-
lung führten. Ohne Zweifel wird die Dauer der Behandlung allgemein
mit weiterer Verbesserung der Methode sich abkürzen. Ä
Hier möchte ich einige technische Verfahren der Laryngostomie
betrachten, die ich bei meinen 11 Operierten erprobte.
Erster Akt: 1. Die Spaltung des Kehlkopfes wird gewöhnlich
in der Mittellinie von der Trachealöffnung nach oben bis zum oberen
Rande des Schildknorpels geführt. Wenn man bei Eröffnung. des ge-
spalteten Kehlkopfs zu wenig Raum findet, so kann man den Schnitt
durch Spaltung eines Teiles der Membrana thyreo-hyoidea etwas nach
oben verlängern. Später wachsen die Ränder zusammen, die Öffnung
verkürzt sich und man muss sorgfältig die nötige Länge erhalten.
Gewöhnlich verwächst der obere Wundwinkel, denn die Kanüle ver-
116 Alexander Iwanoff. [2
hindert das Verwachsen des unteren. Aber in zwei Fällen erlebte ich
ein solches Verwachsen des oberen Winkels nicht und es ergaben
sich die grössten Schwierigkeiten bei der späteren Ausweitung des
Kehlkopfraumes durch Kautschukröbrchen.
Wenn man in den verengten Kehlkopf das Kautschukröhrchen
einführt, ist es wichtig, dass das obere Ende desselben nicht höher
als bis zum Niveau der Aryknorpel hervorragt, andernfalls bekommt
der Kranke starkes Kitzeln im Kehlhopf und Husten. Vereinigt sich
der obere Wundwinkel nicht, so muss das Kautschukröhrchen über
die Aryknorpel hinausragen, was, wie gesagt, zu Reizerscheinungen
führt; andererseits findet das Kautschukrohr keinen Halt, wenn man `
es nicht so weit heraufführt, da ihm bei fehlender Verwachsung des
oberen Wundwinkels vorne das Widerlager fehlt. Wie jene zwei
Fälle, wo ic'ı einen Teil der Membrana thyreo-hyoidea angeschnitten
habe, zeigten, hält diese die oberen Ränder des gespalteten Schild-
knorpels in gegenseitiger Berührung; daraus folgert sich die prak-
tische Regel: Beim Spalten des Kehlkopfs muss man den
Schnitt möglichst nur bis zum oberen Rande des Schild-
knorpels führen und nicht höher, ferner muss man beim Ver-
binden die obere Ecke der Wunde nicht zu fest tamponieren.
2. Beim Spalten des Kehlkopfs bei durch Perichondritis be-
dingten Stenosen findet man meistenteils Eiterhöhlen und Fistelgänge
um den Kehlkopf. Beim Auskratzen derselben fülılt man gewöhnlich
rauhen Knorpel. Die erste Zeit habe ich diese Gänge täglich tam-
poniert und mit Jod- und Lapislösungen ausgetupft; bei solcher Be-
handlung erfordert es einige Monate, bis sie sich schliessen. Bei
einem der letzten Fälle entfernte ich, da ich eine rauhe Stelle fühlte,
mit der Zange den Knorpel soweit er erkrankt war; dabei habe ich
die Schleimhaut mit dem Perichondrium abgehoben, mit anderen
Worten, den erkrankten Teil des Knorpels submucös reseziert. Es
fand sich schon nach einer Woche von der Eiterhöhle keine Spur
mehr. Es ergibt sich die praktische Regel: der erkrankte Teil
des Knorpelgerüstes ist submucös zu entfernen.
Den Gedanken, die affizierten Knorpel zu entfernen, habe ich
schon früher gehabt, aber ich habe es nicht gemacht, weil ich fürch-
tete, die Festigkeit des Luftrohres zu schädigen. Es schien mir,
dass man jeden Quadratmillimeter des Knorpels schonen und erhalten
müsse. Wenn auch der Knorpel blosgelegt ist und eine rauhe Ober-
fläche hat, so bedeutet das noch nicht, dass er total verloren ist;
der Knorpel ist entzündet, oberflächlich nekrotisiert, aber bei günstigen
Bedingungen kann er, nachdem der nekrotisierte Teil abgestossen ist,
zur Norm zurückkehren und später eine feste Kehlkopfwand bilden.
3] Technisches zur Laryngostomie. 117
Aber die zweijährige Erfahrung zeigte mir, dass ich in meinen
Anschauungen nicht ganz recht hatte. Es fand sich, dass die Festig-
keit des Luftkanals nicht in geradem Abhängigkeitsverhältnis zur
Grösse der erhaltenen Kehlkopfknorpel steht. Bei einigen Kranken,
wo das Knorpelgerüst zum grösseren Teil ergriffen war, ist das nor-
male Atmen viel schneller wieder hergestellt als da, wo die Knorpel
nur wenig ergriffen waren. Es zeigte sich, dass die umfangreichen,
dichten Infiltrate der Schleimhaut, welche die Verengerung bewirken,
Entzündungsprodukte des Knorpels darstellen und dass diese desto
schneller wachsen, je mehr man sie entfernt, solange, als der Knorpel
nicht ganz normal ist. Deshalb wird es im Interesse der Verkürzung
der Heilungsperiode besser sein, im ersten Akt der Laryngostomie
alles, was vom Kehlkopfknorpel erkrankt ist, zu entfernen. Es ver-
steht sich von selbst, dass ich von solchen: Fällen spreche, in denen
sich mehr oder weniger grosse Eiterhöhlen finden, da, wo nur enge
Fistelgänge vorhanden sind, muss man sich nur mit gründlichem und
wiederholtem Auskratzen derselben begnügen.
3. In meinen ersten Fällen habe ich stets die Wundründer
durch Nähte vereinigt, aber die Nähte eiterten immer und es war
nötig, sie bald zu entfernen; da habe ich die Wunde ohne Naht ge-
lassen und der Heilungsverlauf wurde dadurch nicht schlechter.
Zweiter Akt. Die hügeligen Verdickungen und Infiltrate der
Schleimhaut, die das Lumen des Kehlkopfes und der Trachea ver-
engen, sind am besten in der Art zu excidieren, wie es in meiner
ersten Arbeit beschrieben ist. Aber am Ende der zweiten Periode,
wenn sich eine glatte Oberfläche bildet, kommt es zuweilen vor, dass
stellenweise umfangreiche Wülste sich erheben, die das Lumen be-
deutend verengen; solche Wülste vernichtet man am einfachsten und
schnellsten mit dem Galvanokauter.
Autoplastik. Wenn die Wundöffnung eng ist, kann man sie
durch einfaches Anfrischen der Ränder und Naht schliessen, andern-
falls bedeckt man sie mit zwei Hautlappen nach Gluck oder Berger;
bei grossen Defekten macht man die Chondroplastik nach Mangoldt,
oder nimmt zur Deckung des Defektes Hautknochenlappen aus Brust-
oder Schlüsselbein. In einem Falle habe ich unter die Halshaut ein
Stück des Nasenscheidewandknorpels gelegt in der Überlegung, dass
dieser von zwei Seiten mit Perichondrium bedeckte Knorpel, der da-
her eine bessere Ernährung hat, besser und schneller einheilen werde;
er ist tatsächlich ausgezeichnet eingeheilt, wurde aber auch wahr-
scheinlich infolge seiner besseren Ernáhrung und Vascularisation
schneller resorbiert; nach drei Monaten war von ihm keine Spur
mehr vorhanden.
118 | Alexander Iwanoff. ` 14
Was die mehr oder weniger umfangreichen Defekte der vorderen
Wände der Luftröhre betrifft, so hat die Erfahrung mir gezeigt, dass
man mit ihrem Verschluss nicht zu eilen braucht, dass vielmehr im
Lauf der Zeit die Grósse dieser Defekte sich von selbst vermindert,
dass ihre Ränder glatter werden und sich einander nähern und da,
wo mir früher eine Deckung des Defektes mit Hautknochenlappen
unvermeidlich schien, ergibt sich die Möglichkeit, durch einfache Naht
der aufgefrischten Ränder auszukommen. So wurde in dem Falle, in
dem der Nasenknorpel nicht einheilte, der Kranke mit einem ziem-
lich grossen Defekt in der Trachea nach Hause entlassen; nach fast
einem Jahr ist er wieder in die Klinik gekommen und es wurde
konstatiert, dass der Defekt jetzt spaltförmig war, seine Ränder sich
gegenseitig berührten. Es wurde durch einfache Verbände erreicht,
dass der Kranke ganz frei mit dem Munde atmet und mit deutlicher,
lauter Stimme spricht. Die Spalte ist bei ihm durch Anfrischen der
Ränder und Naht geschlossen.
Ein anderer Kranker hatte einen kolossalen Defekt der vorderen
Wand der Luftröhre, sodass er beim Sprechen diese Öffnung mit dem
gebogenen Zeigefinger schloss, wobei die ganze zweite Phalange sich
in die Öffnung legte. Nach einem Jahr war diese Öffnung spalt-
förmig und ist jetzt nach Gluck ganz gedeckt.
Bei einem dritten Kranken ist ein bedeutender Defekt der
Trachea mit der Zeit auch spaltförmig geworden und durch einfache
Naht geschlossen.
Was das Anfrischen der Ränder und die Naht der Wundränder
betrifft, so machte ich den Hautschnitt dafür längs dem Rande der
Wunde, präparierte etwas die Haut ab und legte Nähte an. Zu
letzteren eignen sich besser die Michelschen Klammern, da die
Fäden hier fast immer zu Eiterung Anlass geben. Es sind das
technische Kleinigkeiten bei der Laryngostomie, von denen allerdings
im höchsten Grade der Enderfolg der Operation abhängt.
Aus der Königl. Universitätsfrauenklinik (Geheimrat Winter) und
der Königl. Universitätspoliklinik für Hals- und Nasenkranke
(Professor Gerber) zu Königsberg i. Pr.
— —
Über die Beziehungen der oberen Luftwege zum
weiblichen Genitalapparat.
Von
Dr. Erwin Meyer.
Der komplizierte Bau und die Differenzierung des Genitalappa-
rates zeigen sich in ihrer Totalität nicht auf das Genitalorgan selbst
beschränkt, sondern abgesehen von der mächtigen Herrschaft auf die
Psyche gibt es im ganzen Körper analoge und homologe Gebilde, die
unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen parallel sich
verändern. Es ist vielleicht kein Zufall, dass an den Genitalorganen
die Corpora cavernosa des Penis oder der Klitoris analog sind denen
der unteren Muschel der Nase und homolog den Tubercula septi. Bei
Tieren sehen wir einen direkten Zusammenhang zwischen Nase und
Genitalorgan.
Schiff macht darauf aufmerksam, dass Tiere mit exstirpiertem
Olfaktorius die Weibchen nicht mehr herausfinden können.
Der Mensch benutzt zu seiner Orientierung hauptsächlich das
Auge. Dementsprechend tritt bei ihm die reflektorische Beziehung
zwischen Nase und Geschlechtsorgan wenig hervor. Und doch treten
auch bei ihm Wirkungen von Gerüchen auf die Geschlechtssphäre ein,
jedoch deutlicher beim männlichen Geschlecht. |
Wenn solche Organe und Verbindungen angelegt, in der hóheren
Reihe der Lebewesen aber zurückgebildet sind, so müssen auch die
Nervenbahnen vorhanden sei, durch die ein Zusammenhang zwischen
den beiden Organen erfolgt. Normalerweise nicht nachzuweisen,
treten sie bei allgemein erhöhter Reizbarkeit des Nervensystems oder
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. IIT, H. 2. 9
120 Erwin Meyer. E
erhóhter physiologischer Tátigkeit eines der beiden beteiligten Organe
wieder in Funktion. Solche Erfahrungen sind für den Menschen zahl-
reich in der Literatur niedergelegt.
Celsus rát bei drohendem Ausbruch eines Schnupfens sich zu
„abstinere a sole, a balneo, a venere“. In der Ayourveda, dem
heiligen medizinischen Buche der alten Hindu, wird der Geschlechts-
genuss als Ursache des Katarrhes der Nase neben Erkältung, Staub
und Rauch aufgeführt. Neuere Beobachtungen bestätigen diese An-
gaben. Beim männlichen Geschlecht treten bisweilen während der
sexuellen Erregung Niesen, Schwellung der kavernösen Gewebe, stark
vermehrte Sekretion, abnorme Trockenheit der Nase auf, ebenso wie
Alteration, Halluzination und Anosmie auftreten können. Mackenzie
und Wall berichten über Nasenbluten nach dem Koitus, ebenso
wie Ival, Girod und Peyer über solche nach sexuellen Exzessen
(Masturbation etc.) Doch zu allen diesen Erscheinungen gehórt
eine gesteigerte Erregbarkeit des Nervensystems, das Bild des Sexual-
neurasthenikers.
Der Konnex zwischen der Nase und den Genitalien findet immer
auf dem Wege des Sympathikas statt und zwar
1. durch den Olfaktorius allein, dessen Bahnen vom Rücken-
mark durch Rami communicantes mit dem Sympathikus in
Verbindung treten, |
2. durch Olfaktorius und Sympathikus im Gefássnervenzentrum
der Medulla oblongata,
9. durch. Verbindung des Olfaktorius und Trigeminus, der
wiederum mit dem Sympathikus zusammenhängt,
4. Durch Sympathikus unter Mitwirkung des Trigeminus und
Nervus petrosus profundus maior vom Karotisgeflecht ab-
wärts.
Alle diese präformierten Bahnen treten nur bei erhöhter Ner-
venerregbarkeit oder bei physiologischen oder pathologischen Verän-
derungen des Genitaltraktus in Aktion, wie sie das geschlechtsreife
Weib in der Menstruation, Gravidität und im Puerperium darbietet.
Physiologische oder abnorme Zustände in der Genitalsphäre rufen auf
dem Wege des Ramus anterior des Nervus ethmoidalis das Erythem
der Nase oder die Akne rosacea hervor, der wiederum als Trigeminus-
ast unter dem Einfluss des Ganglion Gasseri steht oder vom Sym-
pathikus vasomotorische Fasern erhält. Gleiche Funktionen haben im
Zentralnervensystem gleiche Projektionen, die Copora cavernosa der
Nase und der Genitalien solche in der Formatio reticularis der Mednlla
oblongata (Recko).
3] Über die Beziehungen der ob. Luftwege zum weibl. Genitalapparat. 121
Fliess war bekanntlich der Erste, der die intranasalen Ver-
änderungen bei physiologischen oder pathologischen Vorgängen in der
weiblichen Genitalsphäre beschrieben hat. Man wusste schon lange,
dass sich Nasenleiden während der Menstruation, bei geschlechtlichen
Erregungen, bei uterinen oder Ovarien-Krankheiten verschlimmerten,
hatte nach intranasalen Eingriffen Aborte beobachtet, kannte das
nervóse Niesen und Sehnupfen, wie auch das starke Nasenbluten in
der Zeit der Menstruation und die Heilung von Nasenleiden nach
Heilung von Genitalaffektionen, die Verschlimmerung von Ozinen
während der Menstruation: und Besserung während der Gravidität.
Intranasal treten die anatomischen Veränderungen an den so-
genannten Fliessschen Genitalpunkten hervor. Normalerweise exi-
stieren diese nervösen Bahnen zwischen Nase und Genitaltraktus nur
anatomisch, physiologisch nur bei erhöhter Reflexerregbarkeit oder
verminderter Widerstandsfähigkeit des Nervensystems gegen äussere
Reize, der Neurasthenie, und sie ist die Vorbedingung zur nasalen
Dysmenorrhöe.
Wir haben also bei allen diesen Fällen auf den psychischen Zu-
stand der betreffenden Patientin zu achten. Anders verhält es sich
mit den hysterischen Schmerzen während der Periode Wohl können
sie im Anschluss an nasale oder mechanische Schmerzen entstehen,
sie sind aber selbständig geworden durch ihren Ursprung aus der
Psyche und nur ins Körperliche „konvertiert“, und daher nicht der
nasalen Therapie zugänglich. Positiver Ausfall der Kokainisierung der
Genitalstellen beweist notwendigerweise den nasalen Ursprung der
Dysmenorrhoe. ‚In seinem Buche „Die Beziehungen zwischen Nase
und weiblichem Geschlechtsorgan“ gibt uns Fliess zum Beweise
dieser Tatsachen die nötigen Resultate einer erfolgreichen: Therapie.
Die Angaben von Fliess bestätigt Royet durch günstige Beein-
flussung der Dysmenorrhoe durch die nasale Therapie in 4 Fällen
Heermann in 2 Fällen, Schiff ın 72°/o seiner 47 auf diese Art
behandelten Fälle, Freund in 40°, Dalch& und Legay bei 11
von 60 Frauen wie auch Jurasz und Marczel Falta. Ganz ab-
lehnend gegenüber der Dysmenorrhoe nasalen Ursprungs verhalten
sich Kroenig, Menge und Teilhaber, die nur die Suggestion bei
Erfolgen gelten lassen, vermittelnd Opitz und Linder, der neben
der Kokainwirkung der Suggestion eine gewisse Bedeutung zuspricht,
und Kuttner, der neben der psychischen Beeinflussung eine Bes-
serung des Allgemeinbefindens nach Beseitigung von Nasenleiden an-
nimmt. Schäffers Ansicht der Allgemeinwirkung des Kokains ent-
kräftet Fliess durch die Angabe, dass die Wirkung nach 5—8
Minuten einsetzt, nur Kokainisierung der Genitalstellen Erfolg hat,
9*
122 Erwin Meyer. [1
und dass dem Kokain als solchem keine Allgemeinwirkung analog der
des Morphiums zukommt. Speziell diese Frage will ich bei der Be-
einflussung des Wehenschmerzes von den Genitalstellen aus erörtern.
Heermann hat zur Therapie chronischer Rachenkatarrhe, deren
Ätiologie zum Teil noch unklar ist, das Produkt der Ovarien in Ge-
stalt von Ovarigen verwandt und will hier Erfolge gesehen haben,
d. h. er hat den dem bisher beschriebenen entgegengesetzten Weg
anzuwenden versucht.
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett geben uns durch ihre
längere Dauer, grössere Unabhängigkeit von äusseren Verhältnissen und
augenblicklichen psychischen Veränderungen besser als die Menstrua-
tion die Möglichkeit, unsere Untersuchungen bei längerer Beobach-
tung durch verschiedene Stadien der Gravidität auf objektivere Basis
zu stellen.
So hatte Herr Professor Gerber schon im Jahre 1905 versucht,
diese in Rede stehenden Punkte durch Untersuchungen einer grösseren
Reihe von Graviden, Kreissenden und Wöchnerinnen, zumeist aus
der königl. Universitäts-Frauenklinik klarzustellen. Die Unter-
suchungen konnten damals nicht zu Ende geführt werden und so
habe ich sie denn auf Anregung des Herrn Prof. Gerber, der mir
sein bisher gesammeltes Material überliess, und mit Unterstützung
des I. Assistenzarztes der Klinik Herrn Dr. Georg Cohn fortge-
setzt. Alle Untersuchungen wurden in der hiesigen königl. Frauen-
klinik an dem laufenden Material gemacht. Die Kokainversuche
wurden teils vom Professor Gerber, teils von mir selbst beobachtet.
Dem Material entsprechend wurden fast ausschliesslich Gravide
im 8.—10. Monat untersucht, Wöchnerinnen bis spätesten 14 Tage
post partum.
Der Gang der Untersuchung war der, dass möglichst systematisch
Nase, Nasenrachenraum und Kehlkopf untersucht wurden. Unter-
suchung derselben Frau wührend Graviditát, Partus und Puerperium
konnte durch äussere Verhältnisse nur in 9 Fällen stattfinden, die aber
im Vergleich mit den anderen Ergebnissen schon ein klares Bild gaben.
Mehrmalige Untersuchungen einzelner Graviden in Zwischenráumen,
oft auch als Gravide und Puerpera sind mehrfach gemacht worden.
Die hauptsächlichsten Veränderungen, die wir bei Graviden an-
treffen, bestehen in Hyperämie der Schleimhaut der Nase und Hyper-
trophie, besonders der Conchen und zwar des vorderen Endes der -
unteren Muschel. Die mittlere Muschel verändert sich nur selten.
Der Grad der Veränderung ist verschieden: nebst hochroter bis bläu-
lich verfärbter Schleimhaut finden wir solche von blassroter, kaum
5] Uber die Beziehungen der ob. Luftwege zum weibl. Genitalapparat. 123
rot tingierter Färbung, die aber in allen Graden diffus verteilt ist;
deutlichere Gefässzeichnung tritt nur in einzelnen Fällen hervor. Am
Septum finden wir fast ausschliesslich Gefässramifikationen bald von
stärkerer, bald von schwacher Injektion, oft den Locus Kiselbachii
besonders ausgeprägt. Durch Sondenberührung lässt sich sehr leicht
stärkeres Nasenbluten hervorrufen, das sich bei 51 Fällen 26 mal
spontan während der Gravidität, also in ca. 50°/o, einstellte. Er-
brechen während der Gravidität fand ich bei denselben Graviden
sicher in 10°/o, doch konnten viele keine genaue Angaben darüber
machen.
Rhinitis hyperplastica, meistens Hypertrophie der Muscheln, findet
sich meist mit der Hyperämie vergesellschaftet und ebenfalls deutlich
nur auf der unteren Muschel, die dadurch ein voluminöses Aussehen
erhält, in hochgradigen Fällen das Lumen verlegt. Das Primäre ist
die Hyperämie. Findet man hochgradige Hypertrophien in der Nase,
so rufen sie auch subjektiv das Gefühl des Schnupfens hervor. In
wenigen Fällen kommt Hypertrophie ohne Verfärbung der Nasen-
schleimhaut, d. h. Hyperämie vor.
Eine besondere Reflexempfindlichkeit durch Sondenberührung
auch der Fliessschen Genitalpunkte konnte ich nicht mit Sicherheit
feststellen.
Diese geschilderten Veränderungen betrafen bald beide Nasen-
hälften, bald nur die linke, bald die rechte. Jedoch ist die eine
Nasenhälfte nicht mehr disponiert als die andere, sondern je nach
Lagewechsel, je nach dem gewohnheitsmässigen Schlafen der Be-
treffenden auf der einen oder der anderen Seite war auch die ent-
sprechende Seite mehr betroffen. Ich habe fast in allen Fällen
danach gefragt und immer diese Tatsache bestätigt bekommen. Das
Experiment liefert den Beweis dafür. Legte ich den Kopf der Gra-
viden für 5—10 Minuten auf die der schwächeren Füllung ent-
sprechende Seite, so war die vorhin stärker intumeszierte Seite ab-
geschwollen und die untere voluminöser geworden.
Hyperämie ohne Hypertrophie allein begegnet man fast nur bei
deutlichen Zeichen einer unter normalen Verhältnissen bestehenden
Rhinitis atrophicans, so dass sich also die Gravidität nicht nur auch
bei lokal-destruierenden Prozessen der Nase bemerkbar machen,
sondern auch einen günstigen Einfluss auf dieselben gewinnen kann.
Der Unterschied der beiden Nasenhälften ist oft eklatant, da
man auf der einen Seite Atrophie findet, die die andere infolge der
Hyperämie nicht hervortreten lässt.
Von 80 während der Gravidität oder der Geburt Untersuchten
konnte ich die geschilderten nasalen Veränderungen in 70 Fällen
124 Erwin Meyer. [6
erheben, das gibt 87,5?/0. H. W. Freund findet eine Prozentzahl
von 66, Zacharias von 85. Bei negativem Ausfall waren von den
10 Graviden 3 an Rhinitis atrophicans, 2 an Phthisis pulmonum und
2 an Nephritis erkrankt, wührend bei positivem Befunde nur einmal
Nephritis und einmal Phthisis festgestellt wurde. Hierdurch gewinnt
die Konstanz der nasalen Veränderungen durch die Gravidität noch
mehr an Sicherheit, die eintreten, wenn sie nicht stark lokal-
destruierende oder allgemein anämisierende Krankheiten hintanhalten.
Starke Blutverluste sollen nach einigen Autoren die nasalen Ver-
änderungen auch nicht zustande kommen lassen. |
Einen Einfluss der Zahl der Schwangerschaften auf die nasalen
Veränderungen lässt sich nicht feststellen, da sich negative Befunde
ebenso häufig bei Erst- und Mehrgeschwängerten, wie auch in der
ersten und letzten Zeit der Schwangerschaft finden. Nach Zacharias
wiederholen sich dieselben Veränderungen bei wiederholter Gravidität.
Wohl aber ist die Zeit der Gravidität bestimmend, da die
nasalen Erscheinungen sich meistens bis zur Geburt zu steigern
scheinen.
Während der Geburt, mit Beginn der Wehen, werden die nasalen
Veränderungen deutlicher ausgeprägt. Das vordere Ende der unteren
Muschel, blau verfärbt, verlegt wie ein Wulst den ganzen unteren
Nasengang. Während der Wehe, nicht aber vor derselben schwillt
die untere Muschel ad maximum an, um in der Wehenpause in
geringem Masse abzuschwellen. Bringt man durch Kokain die untere
Muschel zum Abschwellen, so sieht man in der Gegend der Tubercula
septi eine polsterformige Verdickung, sicher grösser wie bei nicht
gravidem Zustand der Betreffenden. Die mittlere Muschel gewinnt
nicht an Volumen und ist nur in wenigen Fällen injiziert. Negativen
Befund während der Geburt fand ich nur bei einer Nephritika.
Bei Sondenberührung erfolgt leicht Nasenbluten.
Die ganze Schleimhaut ist spiegelnd und glatt, häufig mit Sekret
bedeckt. Während der Wehentätigkeit beobachtete Dr. Pforte,
‘Oberarzt der königlichen Frauenklinik, bei einer Frau eine förmliche
Rhinorrhoe von serós-schleimiger Beschaffenheit. Nach der Geburt
kehrte die Sekretion zur Norm zurück, um bei spüteren Geburten
wieder in derselben Weise aufzutreten.
Über die mechanische Unterstützung der Wehenarbeit durch die
veränderten Luftwege mag thoretisch noch folgendes hinzugefügt sein.
Die Sukkulenz der unteren Muschel und, wie wir später noch sehen
werden, der Interarytaenoidgegend des Larynx nimmt mit Beginn der
Wehentätigkeit zu und erhöht als mechanisches Hindernis die Dyspnoe.
Durch die länger dauernde Exspiration tritt die Bauchpresse mehr
i] Über die Beziehungen der ob. Luftwege zum weibl. Genitalapparat. 125
in Wirkung, und dieser Einfluss macht sich erst am Schluss der
Austreibungsperiode geltend, zu einer Zeit, wo die nasalen Wehen-
Schmerzen schon aufgehórt und die lokalen Druckschmerzen des
Geburtsmechanismus auf den sakralen Nervenplexus beginnen.
Physiologisch am interessantesten ist die Frage über die nasale
Beeinflussung der Wehenschmerzen.
Es wurden im ganzen 16 Fälle beobachtet und zwar alles
Kreissende mit heftigen Wehenschmerzen. 13mal wurde 10°/o iges
Kokain verwandt, 1 mal Eukain, 2 mal Suprarenin. Das Naseninnere
wurde im Spekulum eingestellt, während einiger Wehen beobachtet und
dann das hypertropische Gewebe ausgiebig zum Abschwellen gebracht.
Sicher wurden von der Nase die Wehenschmerzen beeinflusst in
8 Fällen und zwar alle durch 10°/oiges Kokain mit einigen Tropfen
Suprarenin, 4 mal war das Ergebnis bei derselben Versuchsanordnung
zweifelhaft, in 4 Fällen negativ; bei letzteren wurde einmal 10°/oiges
Kokain-Suprarenin, einmal 10 ?/oiges Eukain-Suprarenin und zweimal
Suprarenin verwandt. Um eine Suggestionswirkung auszuschliessen,
wurde den Kreissenden nichts über den Zweck der Untersuchung gesagt ;
jedoch ist es immer fraglich, ob nicht die Manipulation an sich die
Kreissenden von den Wehenschmerzen ablenkt.
Die Zahl der Versuche ist gering. Doch wer nach Kokaini-
sierung der Nase gesehen hat, wie Kreissende, die vorher vor Wehen-
schmerzen geschrien haben und sich im Bett warfen, fast ruhig die
Wehen über sich ergehen lassen, wird an einer spezifischen Wirkung
nicht mehr zweifeln. Die Kreissenden selbst geben an — ich zitiere
wörtlich — : die Schmerzen wären erträglich geworden, bedeutend
geringer, nicht so arg und anhaltend. Bei der einen war es mehr,
bei der andern weniger ausgeprägt, um bei zweien eher noch ins
Gegenteil umzuschlagen. Der Nervenbahnen, die vom und zum Ge-
nitaltraktus gehen, sind eben sehr viele. Die anatomische Grund-
lage der nervösen Verbindung zwischen Nase und Genitalorgan ist
oben dargelegt. Doch stellt sie sicher nur eine der vielen Bahnen
des sympathischen Systems dar, und je mehr die eine oder andere
Einzelbahn ausgebildet ist, hier die nasale, einen desto grösseren
Effekt werden wir erwarten können. Es ist eine Art Atavismus,
wenn eine Bahn, die angelegt, durch Nichtgebrauch gewöhnlich de-
generiert sein sollte, nicht so zurückgebildet ist, dass sie unter er-
höhter Anforderung an den Körper und das Nervensystem nicht mehr
in Wirkung treten könnte. Rechnet man hinzu die durch das Ge-
burtstrauma an und für sich hervorgerufenen, nicht geringen Schmer-
zen, so spricht schon ein gewisses Nachlassen derselben durch
die nasale Therapie für das Bestehen einer naso-genitalen Bahn
126 Erwin Meyer. [8
und, um es vorweg zu nehmen, einer nasogenitalen Reflexbahn.
Daraus ergibt sich auch die Zeit, in der ausschliesslich der Wehen-
schmerz von einer Reflexbahn beeinflussbar ist, nàmlich die Zeit der
Eróffnungsperiode, denn in der Austreibungsperiode wird der lokale
Druckschmerz auf den Plexus sacralis überwiegen. Wir unter-
scheiden zwei Arten von Schmerzen, solche, die vom Rücken in
die Hypogastrien ausstrahlen und solche über der Symphyse.
Bei heftigen Rückenschmerzen habe ich die Gegend der Tuberkula
geschwellt gefunden. An eine Allgemeinwirkung des Kokains glaube
ich nicht. Denn abgesehen von der geringen Menge Kokain, die bei
den Versuchen verwandt wurde, konnte ich eine Wirkung nach
5—10 Minuten konstatieren, die zirka 20—40 Minuten anhielt, ganz
analog der lokalen Anwendung des Kokains. Auch besitzt, wie schon
hervorgehoben, Kokain nicht die Eigenschaften des Morphiums und
liess die Schmerzen über der Symphyse bestehen.
Wie kann man sich die Wirkung des Kokains erklären? Etwa
durch seinen vasomotorischen Einfluss? Um das zu entscheiden,
brachte ich die kavernösen Gewebe durch Suprarenin zum Abschwellen,
und zwar in 4 Fällen. Alle 4 Fälle ergaben ein negatives Re-
sultat, davon zwei, bei denen 15 Minuten später durch Kokain die
Schmerzen in der Eröffnungsperiode beseitigt werden konnten. Der
vasomotorische Einfluss allein ist es also nicht. Vielmehr glaube
ich, dass durch die direkte Einwirkung des Kokains die Endigungen
der sensiblen Nerven gelähmt und dadurch die Wehenschmerzen be-
einflusst werden, und das Abschwellen der Gewebe nur der Ausdruck
dafür ist, dass das Kokain auf die Nervenendigungen wirkt. Anderer-
seits könnten durch die Schwellung der kavernösen Gewebe die sensiblen
Nervenendigungen gereizt werden. Der Wehenschmerz müsste also
wieder erscheinen, wenn eine erneute Schwellung der Gewebe durch
die Wehen und den gesteigerten Blutdruck zustande kommt, auf die
das aufgelockerte Gewebe deutlich reagiert. Es sind also zwei Wir-
kungen des Kokains, die nebeneinander bestehen, die vasomotorische
und die anästhesierende, von denen jedoch die letztere die bei weitem
stärkere in der Beeinflussung der Wehenschmerzen ist. Dass die
sensiblen Nervenendigungen durch Sekret oder Temperaturunterschiede
erregt werden können, ist wohl zuzugeben. Eine Kontaktwirkung
durch Berühren der unteren Muschel mit dem Septum ist nicht an-
zunehmen, vielmehr gibt sie denselben Reiz für die sensiblen Nerven-
endigungen wie das Sekret etc. ab. Bewiesen wäre eine Kontakt-
wirkung, wenn durch Isolierung der angelagerten unteren Muschel
von dem Septum z. B. durch eine Pappschiene ein Einfluss auf die
Wehenschmerzen bemerkbar wäre. Ich habe es nicht versucht, da
9] Über die Beziehungen der ob. Luftwege zum weibl. Genitalapparat. 127
ich mir keinen Erfolg versprach; der mechanische Reiz des Fremd-
körpers hätte bei den Volumschwankungen der unteren Muschel immer
ein auslösendes Moment abgegeben.
Auch die Erklärung, dass durch Abschwellen der unteren Muschel
eine freiere Atmung ermöglicht sei, wodurch das Allgemeinbefinden
sich bessere und der Wehenschmerz gelindert werde, ist nicht zu
akzeptieren, da Kreissende angaben, sie könnten freier atmen, dann
bei einigen noch trotzdem die nächste Wehe schmerzhaft war, und
der Schmerz erst bei den folgenden geringer wurde.
Ob von der Nase aus Wehen angeregt werden können, kann ich
nach eigenen Beobachtungen nicht entscheiden, dazu waren die ein-
zelnen Ergebnisse zu unsicher. Doch sah ich einige Male nach Sonden-
oder Tamponbehandlung Wehen auftreten, die sich vielleicht auch
spontan eingestellt hätten. Jerusalem und Falkner berichten
mit Fliess über positive Resultate. Erstere erwähnen zwei Fälle,
bei denen auf andere Weise der Uterus nicht zur Kontraktion ge-
bracht werden konnte.
Im Puerperium wurden 67 Frauen in derselben Weise wie die
Graviden untersucht an verschiedenen Tagen post partum, von denen
34, also 51°/o, nasale Veränderungen zeigten. Dieselben bestehen
ebenso wie in der Gravidität in Hyperämie der Schleimhaut und
Hypertrophie der Gewebe, erstere von schwacher Injektion bis zur
bläulichen Verfärbung, letztere oft noch so stark, dass das vordere
Ende der unteren Muschel das Lumen vollständig verlegt. Die Hyper-
trophie scheint sich etwas länger zu erhalten wie die Hyperämie.
Fast alle Wöchnerinnen stillten. Ob hierin ein Reiz zur Unterhal-
tung der nasalen Veränderungen über die Geburt hinaus gegeben ist,
lässt sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden, da bei einem grossen
Teil der stillenden Wöchnerinnen jede nasale Veränderung fehlt. Bei
den systematisch Untersuchten war ein deutliches Nachlassen der
Hyperämie und Hypertrophie in der Nase während Gravidität und
Puerperium zu erkennen, was ja auch das prozentuale Verhältnis der
nasalen Erscheinung bestätigt.
Im Nasenrachenraum fanden sich bei 57 daraufhin Unter-
suchten bei 21, also in 37 °/o, Veränderungen, die in meist mässiger
Injektion der Rachenschleimhaut bestanden und nichts Charakteristi-
sches für typische Schwangerschaftsveränderungen boten, jedoch als
durch die Gravidität bedingte anzusprechen sind, da sich dieselben
Erscheinungen bei 43 Wöchnerinnen nur 4mal, also in 10,5?/o, fanden.
Schwellungen der Rachenorgane wurden in einer geringen Anzahl
der Fálle beobachtet.
198 Erwin Meyer. [10
Das Larynxbild wies in 42°/o von 62 untersuchten Fällen
Veränderungen auf. Hier ist besonders die Lokalisation wichtig. An
der Epiglottis fand ich Hyperämie in 10 Fällen, also in 16°/o, die
jedoch nie sehr hochgradig war. Besonders sind es die Aryregion,
die Aryfalte, die Hinter- und Vorderwand bis in die Trachea hinein
und die falschen Stimmbänder. Hyperämie und Hypertrophie, vor
allem die letztere, sind oft so hochgradig, dass die Aryfalte
völlig verstrichen ist, und ein guter Schluss der Stimmbänder
nicht zustande kommen kann. Die Stimmbänder, die in einigen
Fällen gerötet sind, werden oft vollständig von den Taschen-
bändern verdeckt. Diese Lokalisation überwiegt, wo sie sich findet,
bei weitem die Veränderungen der Epiglottis, nicht nur durch den
Grad der Veränderung, sondern auch dadurch, dass sie von den 26
positiven Ergebnissen 25 für sich in Anspruch nimmt. Die Aryregion
allein ist 16mal beteiligt, also in 61,5% der laryngealen Verände-
rungen und in 26°/o der im ganzen untersuchten Fälle. Schwangere
geben denn auch auf Befragen an, dass sie während der Gravidität
heiser gewesen wären. Praktisch wichtig wird die lokale
Veränderung durch die Tatsache, dass sich Larynx-
phthisen im Beginn an der Aryregion lokalisieren und
die Schwangerschaft bei Larynxphthisis die ominöseste
Komplikation bedeutet. Wird auch noch über dieEinzelheiten
der durch die Gravidität bedingten lokalen Disposition, neben der früher
angenommenen Alteration des Organismus und Veränderungen des
Stoffwechsels gestritten, so haben uns die mikroskopischen Unter-
suchungen Hofbauers insofern weitergebracht, dass durch Meta-
plasie des Larynxepithels und durch die entzündlichen Veränderungen,
die in Lymphzelleninfiltration der Gewebe bestehen, ein geeigneter
Boden für exogene und endogene Tuberkelinfektion an der Hinter-
wand des Larynx vorbereitet ist. Sind dann Tuberkelbazillen in das
Gewebe eingedrungen, so finden sie in den weiten Lymphräumen
günstige Bedingungen zur Entwickelung vor, die das in das Gewebe
ausgetretene Serum unterstützt, sobald die Bakterien die bakterizide
Kraft desselben überwunden haben. Im Puerperium bilden
sich die laryngealen Veränderungen sehr bald zurück,
früher als die nasalen, so dass wir in den ersten acht Tagen
nach der Geburt nur noch in 17 °/o von 30 untersuchten Wöchnerinnen
geringe Hypertrophien bei blasser Schleimhaut finden.
Es besteht weder in der Gravidität noch im Puerperium eine
Koinzidenz oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Veränderungen
der Nase, des Nasenrachenraumes und Kehlkopfes. Diese Tatsache ist
nur zu verstehen, wenn man das Nervensystem als den Vermittler zwi-
11] Uber die Beziehungen der ob. Lufiwege zum weibl. Genitalapparat. 129
s:hen Genitalorgan und oberen Luftwegen ansieht. Durch die Blut-
bahn müssten die Veränderungen in gleicher Weise im ganzen Be-
reiche der oberen Luftwege stattfinden, da unmöglich ein im Blute
kreisendes Agens oder der Blutdruck primär den einen Teil mehr
betreffen würde als den anderen, ausser dass eine lokale Disposition
der einzelnen Teile bestánde oder eine solche in einer exogenen Ur-
sache seine Erklärung fände.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, vor allem Herrn Prof. Dr.
Gerber meinen ergebenen Dank abzustatten für die Überlassung des
Themas und des von ihm schon gesammelten Materials, wie auch
für die während der Arbeit gegebenen wertvollen Anregungen. Ein
gleicher Dank gebührt Herrn Dr. Georg Cohn für seine freundliche
Hilfe bei den Untersuchungen. Herrn Geheimrat Winter danke
ich für die gütige Überlassung des Materials, Herrn Dr. Pforte
für sein Interesse an der Arbeit und die Mitteilung des in der Arbeit
erwähnten Falles.
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Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1903. S. 129.
Aus der Basanowaschen Klinik für Ohren-, Nasen- und Hals-
krankheiten an der Universität in Moskau.
Über die Stimme Laryngostomierter.
Von |
Privatdozent Alexander Iwanoff.
Mit 2 Abbildungen und 9 Kurven im Text.
Die Laryngostomie ist von mir in elf Fallen s. diese Zeitschrift
(Bd. II S. 241) bei Kranken mit Kehlkopfstenose nach Abdominal-
typhus und Lues gemacht. Bei den meisten von ihnen fanden sich
Eiterhöhlen, ausgedehnte Nekrosen des Knorpelgerüstes und umfang-
reiche Infiltrate der Mukosa und Submukosa. Die Abszesse wurden
ausgekratzt und drainiert, die ergriffenen Knorpel entfernt, die In-
filtrate mehrmals ausgeschnitten und gleichzeitig führte man eine,
allmähliche Ausweitung des Kehlkopfs und der Trachea mit Kaut-
'schuk-Röhren durch. Das ganze Bestreben bei dieser Behandlung
war darauf gerichtet, ein weites Luftrohr mit festen Wänden zu
schaffen, welches dem Kranken die Möglichkeit auf natürlichem Wege
zu atmen bieten soll. i
Meine ganze Sorge richtete sich auf die Wiederherstellung der
normalen Atmung, das stimmliche Resultat interessierte mich zunächst
nicht. Deshalb schnitt ich die Infiltrate in der Gegend der Stimm-
bänder, energisch und gründlich aus, denn hier war die Verengerung
meist besonders hartnäckig und hier war esam schwersten eine feste
Wand zu bekommen. Und wenn sich endlich das normale Atmen
wie zum Lohn für die von dem Kranken, wie auch von dem Arzte
geübte grosse Geduld wieder herstellte, erschien bei den Kranken
auch die Stimme wieder, anfangs etwas schwach und heiser, nachher
stärker und reiner. Dieser unerwartete, wunderbare funktionelle
132 Alexander Iwanoff. 2]
Effekt der Laryngostomie erregte mein Interesse und veranlasste
mich zum Studium des Mechanismus der Stimmbildung und der pho-
netischen Eigentümlichkeiten der Stimme selbst.
Bei drei Kranken konnte man laryngoskopisch am Anfange des
Einganges der Luftröhre zwei breite weiche Schleimhautfalten sehen,
welche bei der Phonation sich gegenseitig berühren und die umfang-
reiche schwankende Bewegungen wie ein Segel machten. Diese Falten
stellen nicht die falschen Stimmbánder dar, dagegen spricht ihre
Lage und die histologische Untersuchung ausgeschnittener Stückchen,
welche zeigte, dass sie aus mit zylindrischen Epithel bedecktem frischen
Bindegewebe bestehen. Es ist eine ganz eigentümliche Einrichtung,
welche die funktionelle Anpassungsfähigkeit des menschlichen Or-
ganismus hervorgebracht hat. In einem Falle erreichten diese Falten
eine solche Entwickelung, dass sie die Atmung hinderten und man
sie endolaryngeal entfernen musste.
Bei einer Kranken formierte sich an der Stelle der wahren Stimm-
bänder ein narbiger Ring etwa wie eine Diaphragma, welcher sich
bei der Phonation ausdehnt und eine enge Spalte formierte.
Eine sehr interessante Einrichtung zur Stimmbildung formierte
sich bei einem Kranken. Er hatte in der vorderen Wand der
Trachea auf der Höhe des 1—3 Trachealringes eine enge Spalte von
2 cm Länge. Im Niveau dieser Öffnung sprangen die seitlichen Tracheal- -
wände so viel vor, dass zwischen ihnen eine enge Spalte entstand.
Während der Phonation nähern sich diese hervorragenden Teile der
seitlichen Wände der Trachea einander noch mehr, die Spalte wird
noch enger und bietet etwa einen Anblick wie die Stimmbänder dar.
Die Stimme bei diesem Kranken ist merkwürdig rein, hell, ein ziem-
lich lauter Bass. Man braucht nur zwischen diese Wände ein enges
Kautschuk-Röhrchen einzuführen und die Stimme verschwindet.
Um genauer den Charakter und die Besonderkeiten der Stimme
bei Laryngostomierten zu studieren, untersuchte ich sie phonetisch.
Von den zahlreichen Methoden der phonetischen Analyse, beschránkte
ich mich auf zwei, die meinen Zwecken am meisten entsprechen.
1. Habe ich die Kurve der Mundatmung bei Phonation eingeschrieben
und 2. registrierte ich die Schwingungen der Kehlkopfswände oder
richtiger zu sagen, des Luftrohrs, welches sich an Stelle des Kehl-
kopfes bildete.
Ich will nicht die Registrierung der Mundatmung bei der Phonation
beschreiben; sie ist klar genug aus beistehender Zeichnung, die ich
der „Phonétique expérimentale“ des Abbé Rousselot entnommen:
habe, ich habe die Naseatmung nicht registriert, denn sie spielt keine
grosse Rolle bei der Phonation der Vokale.
3] Über die Stimme Laryngostomierter. 133
Vor Beschreibung der Kurven einige allgemeine Bemerkungen.
Die phonetischen Kurven bieten an sich nicht etwas streng be-
stimmtes, unveründerliches für den gegebenen Fall dar; auf ihre Form
hat eine Menge verschiedener Umstände Einfluss: die Grösse des
Mareyschen Tambours, die Dicke, die Spannung der elastischen
Membranen, die Länge und das Gewicht der Feder, der barometrische
Druck, die Temperatur und die Feuchtigkeit der Luft, der Grad des
Andrückens des Mundtrichters an den Mund und vieles andere.
Zwei Kurven, die bei übrigens gleichen Bedingungen bei zwei Per-
sonen eingeschrieben sind, werden verschieden sein, je nach dem
Fig. 1.
Timbre und dem Register der Stimme. Aber alles das bezieht sich
auf Grösse und den Charakter der Wellen, welche die Kurve machen,
das allgemeine Bild der ganzen Kurve bleibt ungefähr jedoch gleich.
Deshalb kann man die von mir gefundene grosse Abweichung
von der Norm der Atmenkurve während Phonation bei den Laryn-
gostomierten nicht durchaus durch die Unvollkommenheit und die
Abweichungen der Technik erklären, sondern sie ist abhängig von
den Eigentümlichkeiten der Phonation bei Laryngostomierten.
Gehen wir zur Analyse der Kurven über. Wenn man einen
Menschen mit normaler Stimme die Vokale a, o, u mit fest ange-
legtem Mundtrichter aussprechen lüsst, so wird sich die Kurve Nr.I
ergeben.
BES EIS Alesander Lengt NE M me A A N
Max sieht hier, Jane die — See von: der Bakestellong. ie
Cunhittélbar zn idee schwingenden. Beregne Zieec, mi ame Kehe —
DUREE. "zchledänen. Vokale sind nur ddr e eus diee
— Tas - aher sehr kurze Atmenbewegun: yon enandee
= ‚getrennt. Bem Registrieren der Phonation ©
des: ee ‚bekommen Fir. die
Kurye ew EE was
Dn schwa wir. dass die eder im Be 3
gain der. Phomntion | ‚eine scharfe kurze Br
Ps mi mächt; ant. deren Mie mua Sne
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Kurve èine ‘hohe, schain. Yacke; tlie Période dés. Selidiesseng, ist länger T
als: die Paride: bes neus. Bei. der T'honation: mib, fener Tracheal- —
dnote Laft: durch: die: Spalte: bins. nnd in der Mi =
-Wähle ergahen: ; sich. aulıwäebere. ‘Laftdravksschwankungen. ` DS
SU Kur MI ‚welehe‘ die hei der Phonation avs der Tracheal.
inane oahweictionde Luft. "registriert, ist sehr den Kurven Nr. H.
his: IN: ahnlich; “ibe wie aber: Sa scharfe Erhebung und rasche Senkung.
upd are ae Nibeationen. eigen, Jetzbpe. send. wuhrscheinlielt, dech
-Nibratkonem der Ränder der Wundspalte. selbst. ‘hervorgerufen. Be 7
‚zeigt dass honetisc be ` Wild, dass diè ‚zeitlichen Erhebungen. der...
Yrachen. ABO diesem: E e gene analog. der? wn Vires ‚mmbendenn a
-funktionieren | NN eem il RE
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1] Ze die Simme. Taryngostomierter. — NUS VR
Naer der Adran, Wahrend ie oau maree w
soit hei meinen. Kranken alie. Vibration: dés. Keblkopfs oder richtiger i
E ‘sagen, des Talus, das ech" an ‚Stelle des Kehikoptes: Sormierte. In.
der Norm toacht: der. Kehilkopt während: der“ Plonation ’ gweierlet:.
Bewegungen: 2 tin yertikaler and horiscptaler. Richtung; 25 schwingende, `
‘Bewegougen ` we de Vibratiesen — oder Wind. Lese Xibrationen:
gehen Yon den. ‘Sthambandern: ant dien. Koor Aber le kinnen :
daher als: Bewegungen der. Stimmhänder: cadet. belrachtet- werden. s
‚Diese. letzten Schwingungen, interessierten mich da meinten. nnt ihrer
Hille hoffe ich die Holle der. Schleimhantfafteni, ber der Bildung der
Suami Sënner zi erklären, E 3 SATE
Um die Vibration: deg Kehlkopfs & kt ENEE ——— ach. desc
-Keblton-Schreibet* | von Erunger ind Wirth: das: hesle vun allen &
Instramenten, dia für ‚diesen. Zweck. angegeben wardens ‚Dank: dem Pin: `
stande, dass: in diesem Apparate Statt Ver M a re y schen: T Trommel väng 7
| Kapsel: von sehr. kënen Umfangs eimdefügt istand statt der Sehreibe-
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der Phouation hei: gesunden: Menschen. ergehen, ‚stellen, sich’ als biie.
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Phonation eine: gerade: bie em. sopar mit iner starken Jang. unite:
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1 (n 4 ` A a e An ` A wa eS d NN MM y (rv
138 Alexander Iwanoff. [8
schwingende Bewegung, wie die wahren Stimmbánder kommen: sie
rufen nur mit ihrem Schliessen und Öffnen eine Reihe von Luft-
schwankungen hervor.
Bei dem Kranken mit der Trachealöffnung hat der dem Rande
der Öffnung angepasste Apparat die Kurve Nr. IX ergeben; auf der-
selben kann man sehr kleine Vibrationen und eine gröbere wellen-
förmige Unregelmässigkeit unterscheiden; diese ist wahrscheinlich
der Ausdruck eines Wechsels in der Spannung der Weichteile in
der Nachbarschaft der Offnung, die kleinen Vibrationen aber sind
ohne Zweifel durch Vibration der Seitenwände der Trachea verursacht.
Also auch dieses Verfahren bestätigt die volle Analogie der seit-
lichen Trachealwülste mit den wahren Stimmbändern.
Ich machte einen Versuch die Sprache Laryngostomierter auf
den Zylinder eines Phonographen zu schreiben, aber die Reproduktion
- ergab sich als sehr blass und undeutlich, die Reproduktion der ver-
hältnismässig leisen normalen Sprache war reiner, deutlicher, als die
Reproduktion der lauteren Sprache des Laryngostomierten.
Die glänzenden funktionellen Erfolge der Laryngostomie geben
uns Veranlassung diese Operation nochmals für die verschiedenen
Arten der Kehlkopfstenose zu empfehlen.
ll. Referate.
l. Allgemeines, Geschichte usw.
91. Bulling, Inhalationskuren in der Therapie des praktischen
Arztes. Wien. Klin. therapeut. Wochenschr. 1909. Nr. 17.
Übersichtliche Zusammenstellung aller Indikationen und Besprechung
des Apparates mit den Rezepten für die verschiedensten Erkrankungen.
Bulling befürwortet die Inhalationstherapie zur Einverleibung medika-
mentöser Mittel, wenn der Magen geschont werden soll, und berichtet über
unzweifelhafte Erfolge. Marschik.
92. T. H. Farrel, Utica. A Panacea for Catarrh. (Ein Pana-
ceum gegen Katarrh.) N.J. State Journ. of Med. Febr. 1910.
Verf. zieht gegen die Patentmedizinen zu Felde, die, wenn überhaupt,
nur durch ihren Kokain- oder Alkoholgehalt vorübergehend erleichtern,
wodurch sie — bei längerem Gebrauch — gefährlich werden. Er rät,
die guten „alten“ Medikamente nicht beiseite zu schieben. Der praktische
Arzt soll „Katarrh“ nicht behandeln ohne das Innere der Nase durch
reflektiertes Licht untersucht und so dessen Ursache festgestellt zu haben.
Gleichzeitig müssen Herz, Niere und Magendarmtrakt examiniert und
gegebenenfalls behandelt werden. Otto Glogau, New York.
93. Haudek, Über Dysphagietabletten. Klin. therap. Wochen-
schrift. 1909. Nr. 4.
Befürwortung der Treibelschen Dysphagietabletten, bestehend aus:
Cocaini mur. 0,005, Mentholi puri asiat. Anaesthesini aa 0,01 bei
Larynxphthisen, akuten und chemischen Anginen. Weniger Erfolg zeigte
sich bei Ösophagusgeschwüren. Marschik.
94. Hegener, Die binokular-stereoskopische Untersuchung des
Larynx, des Epipharynx sowie des Trommelfells. Passows
Beitr. zur Anat. des Ohres, der Nase u. des Halses. Bd. III.
Heft 3. 1909,
Verf. hat nach längeren Vorarbeiten durch die Zeisswerke ein hand-
liches Instrument konstruieren lassen, welches es ermöglicht, bei Hals-,
Nasen- und Ohruntersuchungen stereoskopisch zu sehen, bei mässiger Ver-
140 Referate. (2
grösserung. Das in seinem Äusseren in etwa an die bekannten Prismen-
fernrohre erinnernde Instrument wird an einem Stirnreifen befestigt ge-
tragen; die Beleuchtungseinrichtung befindet sich zwischen den beiden
Fernrohren. Die Einzelheiten der Konstruktion müssen im Original nach-
gelesen werden. Das Gewicht des Instrumentes beträgt weniger als 200 g.
Verf. rühmt die Plastik, Grösse und Schärfe feinster Details bei der
Untersuchung und glaubt, das Instrument würde für unser Fach dieselbe
Bedeutung gewinnen, wie das Hornhautmikroskop für die Ophthalmologie.
Falls sich die Konstruktion in der Praxis als bequem und leicht brauch-
bar erweisen wird, dürfen wir in der Tat ein solches Instrument als eine
der wertvollsten Bereicherungen unserer Untersuchungsmethoden bezeichnen.
Kronenberg.
95. V. Jakubeik, Zur Frage der Eintrittspforte der mensch-
lichen Tuberkulose. Casopis lékaruv ceskych. Nr. 7. 1910.
Jakubeik weist auf die Verbindungen zwischen Pars olfactoria
und Meningen hin, durch die Löcher der Pars cribrosa des Siebbeines
gehen zahlreiche Lymphgefässe von der Nasenschleimhaut hindurch; in
Mund und Rachen ist das reichliche adenoide Gewebe zu berücksichtigen.
Im Larynx ist das lymphatische Gewebe durch die wahren Stimmbánder
in zwei streng voneinander geschiedene Bezirke geteilt, die nur mit
schwachen Ästchen an der Hinterwand des Larynx kommunizieren. In
der Trachea ist die Zahl und Weite der Lymphgefässe beim Erwachsenen
wesentlich geringer als beim Kinde. Die regionären Drüsen des Larynx
sind die Gldl. cervicales profundae. Für die Trachea sind es die tiefen
Halsdrüsen und die Drüsen in der Furche zwischen Trachea und Öso-
phagus. R. Imhofer.
96. De Keating Hart, Die Behandlung des Karzinoms mittelst
Fulguration. Nach einem Vortrag in der franzüsischen Ges.
zum Studium des Krebses. Klin. (herap. Wochenschr. 1909.
Nr. 11.
Die Fulguration hat immer der Operation mit dem Messer als
Schlussakt zu folgen. Der Grad der Einwirkung ist unmessbar; er kann
nur durch Übung besimmt werden. Bei der Fulguration hat man sich
zu hüten, grössere Nervenstämme zu treffen, namentlich Vagus. Die
Wundränder können vereinigt werden, müssen aber sehr gut drainiert
werden. Während Czerny und Schultes ungünstige Ergebnisse der
Fulguration veröffentlicht haben, bat Desplats (Lille) August 1908 über
18 inoperable Fälle berichtet, davon 11 Heilungen. Von ihnen sind 4
bereits wieder rezidiv geworden. Desplats hielt sich bezüglich der
Technik genau an Keating Harts Angaben. Marschik.
97. A. Knokiewiez, Über die Wirkungen von subkutanen
Injektionen von normalem Pferdeserum bei Blutungen.
Klin. therap. Wochenschr. 1909. Nr. 49.
Krokiewicz injizierte nach dem Vergehen Wirths 20 cm8, haupt-
sächlich bei Hämoptoe der Phthisiker, konnte aber zu keinem befriedigen-
den Ergebnis gelangen, welches ihm die anderen blutstillenden Mittel ent-
behrlich gemacht hätten. i Marschik.
3] | Referate. 141
98. Krone (Sooden a. d. Werra), Über Inhalationstherapie mit
besonderer Berücksichtigung der Soleinhalationen. Med.
Klinik. 21. 1910.
Schon Hippokrates erkannte die heilende Wirkung der salzigen
Seeluft auf Erkrankungen der Atmungsorgane und auf Allgemeinerkran-
kungen. Soleinhalationen — sei es nun der Aufenthalt am Gradierwerk
und in Verdunstungsräumen oder Einzelinbalationen sind ein ausgezeich-
netes Heilmittel für katarrhalische Affektionen jeglicher Art der oberen
Luftwege, ganz abgesehen von ihrem günstigen Einfluss auf das Allge-
meinbefinden, den Verfasser gemäss seiner Untersuchungen hauptsächlich
in einer Erhöhung der Zahl der roten Blutkörperchen sieht. Lokal wird
durch die Inhalationstherapie eine technisch nicht immer leichte Reinigung
der Schleimhäute von Sekret und Borken erreicht und durch die mittelst
der feuchten Wärme erzielte aktive Hyperämie wird auch bei veralteten
Katarrhen eine Tendenz zur Heilung bewirkt. Sippel, Würzburg.
99. Fr. Neumann (Wien), Ein Beitrag zur Klinik des Skleroms.
Monatsschr. f. Ohrenheilk. 4 u. 5. 1910.
Die Frühsymptome des Skleroms der Nase sind dieselben wie bei
Rbinitis chronica, als Frühsymptome des Larynxskleroms ist Heiserkeit
und Husten mit erschwerter Expektoration anzuführen. Probeexzision und
der Nachweis der Fritschschen Bazillen in den Mikuliczschen Zellen
des Granulationsgewebes stellen die Diagnose sicher. Unrichtig ist die
Annahme, dass die Tumoren nicht ulzerieren. Unter den vom Autor be-
handelten Fällen waren 40°/o weiblichen und 60°/o männlichen Ge-
schlechtes, teilweise waren sie aus bekannten Skleromherden, verschiedene
aber auch aus Gegenden, die für gewöhnlich frei von Sklerom sind.
Was den Sitz des Skleroms anlangt, so kann man sagen, dass die
Erkrankung am häufigsten dort besteht, wo die Luftwege am engsten
sind. Tabellarisch festgestellt ist die Nasenhóhle der häufigste, das Zahn-
fleisch der seltenste Sitz. Oft ist Sklerom mit Lues und Tuberkulose
vergemeinschaftet. Bei Sklerom des Gesichtes ist Radiotherapie, bei
Sklerom der Nasenhóhle Exkochleation mit dem scharfen Löffel und
Einführung von Gummibougies, bei Larynxsklerom Dilatation mit den
Schrötterschen Hartgummiröhren mit sehr gutem Erfolg angewendet
worden. Sippel, Würzburg.
100. B. Schiffer, Über Coryfin, eine neue Mentholverbindung.
Klin. therap. Wochenschr. 1909. Nr. 33.
Coryfin (ein Mentholester der Glykolsäure) übertrifft an Wirkung alle
anderen Mentholpräparate und hat keine üblen Nebenerscheinungen zur Folge.
Marschik.
101. Parke, Davis u. Co. (London-Detroit), ,,Glaseptic“-Nebel-
stäuber, ,,Glaseptic*-Taschenuebelstüuber, ,,Glaseptic**-Spray.
Med. Klinik. 25. 1910.
Verwendung für Affektionen der Nase und des Rachens, Laryngitis
Bronchitis, Asthma, Heufieber. Sippel, Würzburg.
142 Referate. [4
2. Nase und Nebenhóhlen.
102. Adolf Blumenthal (Berlin), Weichteilzyste am Oberkiefer.
Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 17.
Im Gegensatz zu den häufiger vorkommenden Knochenzysten des
Oberkiefers, die von Epithelscheidenresten ihren Ursprung nehmen, stellt
der von Blumenthal beobachtete und beschriebene Fall eine Weich-
teilzyste des Oberkiefers dar, wie sie aus Resten der Zahnleiste ent-
stehen können. Hirsch, Magdeburg.
103. Freudenthal (New York), Das Empyem der Kieferhöhle
in seinen Beziehungen zu anderen Erkrankungen und die
Behandlung desselben. Nach einem Vortrag. Klin. therap.
Wochenschr. 1909. Nr. 50.
Übersichtsvertrag, durch eigene Beobachtungen illustriert. Nichts
Neues. Freudenthal operiert nach Luc-Caldwell oder Denker
entfernt nie die ganze Schleimhaut und lässt auch die untere Muschel
nach Möglichkeit stehen. Marschik.
104. E. Glas (Wien), Zur Indikation und Operation der ver-
borgenen Nasenscheidewand. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 5.
1910.
Als Hauptindikation ist im allgemeinen die Rhinostenose mit ihren
mehr oder weniger manifesten Symptomen zu betrachten. Ausserdem ist
noch bei drei Gruppen von Affektionen die subperichondrale Resektion
von gutem Erfolg begleitet, nàmlich:
1. bei gewissen Fällen von Ozäna,
2. bei Fällen von nasalem Asthma,
3. bei Sinusitis frontalis aut ethmoidalis bezw. sphenoidalis, um die
Abflussbedingungen günstiger zu gestalten.
Unter den Instrumenten, die Verfasser bei dieser Operation benützt,
sind besonders hervorzuheben das selbsthaltende Spekulunm von Shurly,
das Bajonetteelevatorium von Killian, das Knorpelmesserchen von
Ballenger, die knipsende Zange von Middleton-Jansen u. a.
Am Schlusse gibt Glas, besonders für weniger Geübte, nützliche Winke
zur Ausführung der subperichondralen Operation.
Sippel, Würzburg.
105. Grünwald, Die Lymphgefässe der Nebenhöhlen der Nase.
Arch. f. Lar. Bd. 23. H. 1.
An einem Falle gelang von der Kieferhöhlenschleimhaut aus (Ver-
schlussmembran der vordereu Nasenfontanelle) die Injektion des Lymph-
systems bei einem Erwachsenen. Von den Ergebnissen ist am wichtigsten,
dass trotz einer Dehiszenz keine Gefässe durch die Lamina papyracea
zur Periorbita führen, und dass im Niveau der Schleimhaut das ganze
Lymphsystem der Nase und der Nebenhöhlen zusammenhängt, nicht aber
durch Wände hindurch. Arth. Meyer.
106. Gundermann, Uber Paraffinprothesen in der Rhinologie.
Dissert. Würzburg 1909.
Gute Literaturübersicht mit eigenen Erfahrungen aus der Würzburger
Poliklinik für Nasen- und Kehlkopfkranke (Seifert). Zur Korrektur
5] Referate. 143
von Sattelnasen verwendet Seifert Paraffin von 43—45 ° Schmelzpunkt, es
wird nicht mehr als !/s—1 ccm auf einmal injiziert und sorgfältig model-
liert. Die acht mitgeteilten Fälle betreffen die verschiedensten Formen
von Sattelnase (nach Septumabszess, Ozaena congenita, Lues hereditaria
und acquisita, Lupus) In allen Fällen war das Resultat befriedigend
und wurde nicht durch Komplikationen beeinträchtigt. In einem neunten
Fall war von anderer Seite eine viel zu grosse Menge Paraffin injiziert
worden, so dass ein Teil derselben operativ entfernt werden musste.
Kronenberg.
107. Hajek u. Polyák (Wien), Myxoma Iymphangiectaticum
des Nasengerüstes. Arch. f. Lar. XXIII. H. 1.
Ein in Bd. XV des Arch. f. Lar. als multiple Nebenhóhleneiterung
mit beiderseitigem Exophthalmus und Optikusatrophie von Polyàk be-
schriebener Fall klären sich durch Autopsie als Myxom des Vomer und
Pterygoid etc. auf. Die Schwierigkeiten, welche die Diagnose verhinderten,
der quasi gutartige, über viele Jahre sich erstreckende Verlauf ohne
Lymphdrüsenaffektion und Metastasen, die eigentümlich infiltrierende
Natur des Tumors machen den Fall sehr merkwürdig und die Lektüre
des Originalartikels lohnend. Arth. Meyer.
108. Haike, Die Röntgenuntersuchung der Nasennebenhöhlen
der Kinder. Arch. f. Lar. XXIII. H. 2.
Das Röntgenbild des kindlichen Gesichtsschädels wird durch Augen-
hóhlen und Zahnanlage beherrscht, die Knochengrenzen sind minder scharf,
die Höhlen kleiner. Die Kiefer. und Siebbeinhóhlen sind schon beim
Neugeborenen vorhauden; bei jungen Kindern sieht erstere dreieckig aus,
letztere erscheinen als vertikaler, schmaler Spalt, um spáter breiter und
differenzierter sich zu gestalten. Eine Stirnhöhle findet sich ausnahms-
weise schon vor dem 5. Jahr, vom 8. an ist ihr Vorhandensein die Regel,
vom 12. fast ausnahmslos. Bei wiederholten Aufnahmen am gleichen
Kind kann man das Wachstum der Höhlen beobachten. Keilbeinhöhlen
wurden vom 6. Jahre an in Bohnengrósse gesehen, einmal bei einem 31/2 j.
Kinde.
Die Nasenverstopfung als solche übte auf die Entwicklung der
Höblen keinen Einfluss aus, sondern es trat nur lokale Hemmung der
Kieferhöhlen durch Hochstand des Nasenbodens oder durch Deviationen
ein. Die Ozäna übte eine starke Hemmung auf Entstehung und Wachs-
tum der Höhlen aus.
Bei den Schwierigkeiten, die sich im Kindesalter der Untersuchung
der Nebenhóhlen entgegenstellen, gewinnt das Róntgenbild für die Dia-
gnostik ebenfalls besondere Wichtigkeit, jedoch ist bei seiner Verwer-
tung Vorsicht am Platze. Sinusitiden sind bei Kindern häufiger als man
glaubte. Bei Kiefer- und Siebbeinhöhle sind die Resultate am besten.
Bei der Stirnhöhle wird man meist ausser dem antero-posterioren auch
ein Profilbild aufnehmen müssen. Die Schwierigkeiten der Deutung
werden, bald den klinischen, bald den skiagraphischen Befund wertvoller
für die Diagnose erscheinen lassen. Für die Keilbeinhöhle sind nur aehr
klare Bilder zu verwerten, vorzugsweise Profilaufnahmen bei einseitiger
Erkrankung, da sich die Bilder ja decken. — Bei Kindern bis zu 8 Jahren
144 Referate, [6
wird das Róntgenbild die Hauptstütze der Diagnose sein, spüter kommt
auch die klinische Untersuchung mehr und mehr zur Geltung.
Bei Ozäna fanden sich multiple Hóhleneiterungen in grosser Zahl,
neben der erwähnten Entwicklungshemmung.
Der Arbeit liegen ca. 600 Aufnahmen von ca. 150 Kindern zu-
grunde; viele gute Reproduktionen erläutern den Text.
Arth. Meyer, Berlin.
109. Hastings (London), Ein Fall von ,,blutendem Polyp* der
unteren Muschel. Proc. Hoy. Soc. Med. Vol. III. Nr. 6.
Der Patient, ein Mann von 42 Jahren, hatte seit Monaten an
Blutungen aus dem rechten Nasenloch gelitten. Die Blutung war nie
sehr stark und nie spontan. Ein gestielter Tumor ungeführ von der
Grósse einer Erbse befand sich an dem unteren Rande der rechten unteren
Muschel nächst ihrem vorderen Ende. Die Farbe war purpurrot und die
Oberfläche glatt. Die Geschwulst wurde mit einem Teile der unteren
Muschel entfernt, von der sie ausging. Die Heilung war rapid und es
trat kein Rezidiv ein. Der Tumor erwies sich als ein Angiofibrom, und
sehr ähnlich einem blutenden Polypen des Septums. Man hat sehr wenig
solcher Tumoren gefunden, die von der unteren Muschel ausgingen.
Guthrie, Liverpool.
110. H. Hays (New York), Bismuth Subnitrate Gaze for Use
in the Nose. (Bismuth-Subnitricum-Gaze bei Nasenoperationen).
Journ. A. M. A. 22 Januar 1910.
Verf. benützt, durch den Artikel eines Gynäkologen angeregt, in Bis-
muthum subnitricum gesättigte Gazestücke von 6 cm Quadratfláche. In-
dikation: nach Septumoperation und Entfernung unterer Muscheln.
(Neu an der sehr alten Biamuthmethode ist nur die Verpackung. Ref.)
Otto Glogau, NewYork.
111. Rob. Leroux, Pathologie et traitement de l’ozene. Paraf-
finothermotherapie. Presse Médicale. Nr. 37. 1910.
Es ist nicht ganz ersichtlich, was Leroux als Ätiologie der Ozäna
ansieht. Er betrachtet dieselbe wahrscheinlich als eine Trophoneurose im
Sinne Zarnikos, doch glaubt er, dass die abnormale Weite der Nasen-
höhlen ebenfalls als ursächliches Moment angesehen werden kann. Für
den charakteristischen Geruch glaubt er die Mitwirkung von Mikroben
(von welchen?) beschuldigen zu müssen. Glücklicherweise ist es nicht
nötig, eine bestimmte Meinung hinsichtlich der Ätiologie der Krankheiten
zu haben, um zufriedenstellende Resultate zu erzielen. Diese hat Leroux
mit der Paraffinisation der Nasenhöhlen bei Ozäna erzielt. Er benützt
die vielfach erprobte Spritze von Gault (in Deutschland noch wenig be-
kannt), die er im Detail modifiziert hat. Als Paraffin verwendet Leroux
Hartparaffin, das bei 45° schmilzt. Da dieses aber wenig modellierbar
ist, kam Leroux auf die Idee, einige Tage nach der Paraffininjektion
die Nasenhöhle mit Heissluft zu behandeln, um hierdurch das Paraffin
zum Schmelzen zu bringen und auf diese Weise die Vorteile des von
Moure und Brindel benützten Weichparaffins ohne dessen Nachteile
zu erzielen. Lautmann, Paris,
7) Referate. 145
112. K. Mayer (Posen), Über sakrale Anästhesierung in Ver-
bindung mit Kokainisierung der Nase zur Linderung der
Geburtsschmerzen. Med. Klinik. 12. 1910.
Nach Anwendung der Stoeckel-Koblankschen Anästhesierungs-
methode, d. h. der epiduralen Injektion verbunden mit Kokainisierung
der ,,Geschlechtsstellen* der Nase be 50 Geburten kommt der Verfasser
zu folgendem Resultate. Die Vorteile der Methode bestehen in einer un-
zweifelhaft günstigen Beeinflussung der Geburtsschmerzen. Die Nachteile
liegen darin, dass die Wirkung nicht mit Sicherheit in allen Fällen auf-
tritt und auch in ihrer Zeitdauer beschränkt ist, ausserdem mit einer Ver-
längerung der Geburtsdauer in einer Anzahl der Fälle gerechnet werden
muss. Sippel, Würzburg.
113. P. J. Mink (Utrecht), Die Nase als Reflexorgan. (De neus
als reflexorgaan.) (reneeskundige bladen uit Kliniek en La-
boratorium. Reeks XV. Nr. II.
Mink betrachtet die Nase als ein Sinnesorgan für die Atmungsluft,
weil sie das Vermögen besitzt einwirkende Reize zu analysieren. Sie kann
in vielen Fällen die Zusammensetzung der Luft bestimmen, sie kann Tem-
peratur- und Feuchtigkeitsunterechiede wahrnehmen und Mink meint, dass
sie dabei eine wichtigere Rolle spielt wie die Haut. Übrigens ist die
Arbeit nicht zum kurzen Referate geeignet. Kan.
114. Natier (Paris), Ozéne et gymnastique respiratoire. (Ozäna
und Atmungsgymnastik.) Journal de Médecine de Paris.
11 Juni 1910.
Ein 8jähriges Kind, welches an Ozäna litt und dessen Entwicklung
durch eine im Alter von 6 Monaten durchgemachte Dysenterie stark be-
einträchtigt worden war, wurde, sozusagen, durch die Atmungsgymnastik
umgewandelt was das Körpergewicht und den Brustumfang sowie die
Statur betrifft; parallel mit dieser Besserung ging eine Verminderung des
Ozänagestanks und der übrigen Symptome dieser Krankheit einher. Zwei
andere einschlägige Fälle bewegen den Verfasser zu einem Lobgesang der
Atmungsgymnastik bei der Ozäna, die er als Ausdruck einer ursprünglich
schweren Störung des Allgemeinbefindens auffasst mit spezieller Lokali-
sation des Übels auf die Nasenschleimbaut. Menier.
115. Partsch, Pathogenese der Kieferzysten. Deutsche med.
Wochenschr. 1910. Nr. 21. Bericht der Schles. Ges. f. vaterl.
Kultur in Breslau.
Die entscheidende Rolle beim Zustandekommen der Kieferzysten spielt
nach dem Vortragenden nicht das Epithel, sondern das Bindegewebe, wo-
durch auch die Schrumpfung der Zysten nach breiter Eróffnung zu er-
klären ist. Die Ursache der Zystenbildung ist eine Degeneration des Granu-
lationsgewebes. Hirsch, Magdeburg.
116. Pike (Chellenham), Ein Fall von cerebrospinaler Rhinorrhoe
mit doppelseitiger Optikus-Atrophie. Brit. Med. Journ. 7. Mat.
1910.
Die Patientin, 22 Jahre alt, war bis zu ihrem 12. Jahre gesund ge-
wesen, da machte sie eine schwere Krankheit durch und lag fast 1 Jahr
146 . Referate. D
zu Bett. Die Hauptsymptome waren : Kopfschmerzen, Erbrechen, Schläfrig-
keit, Konvulsionen mit Bewusstlosigkeit und Steifheit des Nackens. Die
Augen wurden prominent und es entwickelte sich totale Blindheit. Während
der ersten Tage der Krankheit war Fieber vorhanden; aber später war
die Temperatur normal.
Seit dieser Krankheit waren alle 3 oder 4 Wochen schwere Anfälle
von Kopfschmerz und solche von epileptiformem Charakter eingetreten.
Der beständige, wässerige Ausfluss aus dem rechten Nasenloch hatte 9
oder 10 Monate gedauert, bevor die Patientin unter Beobachtung kam und
seit dieser Ausfluss eingetreten, waren die Kopfschnierzen weniger heftig
geworden und es hatte nur ein Anfall stattgefunden. Von besonderem
Interesse war bei diesem Falle, dass einige Proben der Flüssigkeit keine
reduzierende Substanz enthielten, während es bei andern der Fall war.
Der Verfasser glaubt daher, dass in den Fällen, auf die in St. Clair
Thomsons Veröffentlichung hingewiesen wird, bei denen die Substanz
fehlte, ihr Vorhandensein sich bei wiederholten Untersuchungen der
Flüssigkeit doch ergeben hätten. Guthrie, Liverpool.
117. W. Sobernheim, Bakteriologische Untersuchungen zur
Prognosestellung und Behandlungswahl bei chronischen
Kieferhóhlenempyemen. Arch. f. Lar. XXII. H. 2.
In 25 Fällen von Kieferhöhleneiterung wurden Ausstrichpräparate,
Kulturen und Versuche an Mäusen gemacht. In 7 Fällen erwies sich der Eiter
als steril; dann kam es regelmässig nach Spülungen oder konservativer
Eröffnung zu baldiger Heilung, ebenso dann, wenn nur spärliche Kokken
von geringer Virulenz vorhanden waren. Dagegen bestand in Fällen mit
grossem Bakterienreichtum von höherer Virulenz die Eiterung bis zur und
bisweilen selbst nach der radikalen Operation fort. Sobernheim schliesst
daraus, dass man bei reichlicher Bakterienflora die Prognose mindestens
quoad tempus vorsichtig stellen und sich nicht lange bei konservativen
Methoden aufhalten soll. Arth. Meyer.
118. Sturmann (Berlin), Erfahrungen mit meiner intranasalen
Freilegung der Oberkieferhöhle. Arch. f. Lar. Bd. 23. H. 1.
Sturmann hat vor 2 Jahren eine Methode publiziert, welche bei
. intranasalem Vorgehen ein ähnliches Resultat erzielt wie die Radikalope-
ration nach Denker. Inzision in den Nasenflügel, Bloslegung und Ab-
tragung des aufsteigenden Oberkieferfortsatzes, Entfernung der fazialen
und nasalen Höblenwand nur so weit, als für gute Übersicht unerlässlich.
Kurettement hochgradig erkrankter Schleimhautpartien, Lappenbildung aus
Haut und Schleimhaut der lateralen Nasenwand bis zum vorderen An-
satz der unteren Muschel mit Basis unten; Tamponade. — Nach ca.
25 selbstoperierten Fällen findet Sturmann, dass die Methode vor der
Radikaloperation vom Munde aus den Vorzug hat, dass sie ambulant in
Lokalanästhesie ausführbar ist, vor den übrigen intranasalen Methoden hat
sie die bessere Übersicht über die Höhle voraus. Anlegung einer weiten
Daueröffnung im unteren Nasengang bält Verf. nicht für nötig.
Arth. Meyer.
119. Valenti (Bologna), Mancanza unilaterale dell’ apparecchio
olfattivo. (Einseitiges Fehlen des Riechapparats.) Gazzetta
degli Ospedali. 29. Mai 1910.
In der Leiche einer 78jàhrigen an Darmkatarrh gestorbenen Frau
ot Referate. 147
konstatierte Verfasser das Fehlen des Bulbus olfactivus und die fast voll-
stándige Atrophie der Stria olfactiva (linkerseits) In der linken Nasen-
höhle konnte er, sogar mit Hilfe des Mikroskops, keine Riechnerven auf-
finden, obgleich die Schleimhaut und das Periost normales Aussehen hatten.
Menier.
120. J.G. Wilson (New York), Anatomical hereditary pecularities
as an etiological factor in deflected nasal septa and acces- `
sory sinus disease. (Die Vererbung anatomischer Eigen-
heiten als ätiologischer Faktor der Deviationen des Septums
und der Sinus-Erkrankungen.) Med. Rec. 29. Jan. 1910.
Angeregt durch einen Artikel des Referenten über „nasal obstruction
in children“ (Nasenverstopfung der Kinder, Americ. Medicine April 1909)
wo an 4400 Patienten 3823 Deformitäten des Septums festgestellt wurden,
untersuchte Verf. die Nase von Einwanderern aller Nationen und fand
ebenfalls einen hohen Prozentsatz von Deviationen.
Verf. weist nach, dass die niederen Säugetiere grössere Gesichtsknochen-
masse haben, während bei den höberen die Hirnmasse grösser ist und da-
her einen stärkeren Druck auf das Septum ausübt. Auf der höheren
Tierstufe finden wir auch eine Zurückbildung des Geruchsapparates und
der Nebenhöhlen, die als „verschwindendes Organ“ beim Menschen ganz
zwecklos sind. Otto Glogau, NewYork.
3. Rachen.
121. Finzi und Hill (London), 3 Rachen. Maligner Tumor des
Halses mit Radium behandelt, mit Rezidiv im Mediastinum.
Proc. Roy. Soc. Med. Vol. III.
Der Patient, ein Mann von 30 Jahren, hatte an und um die Kiefer-
winkel, eine breite harte Masse die fest an den tiefen Geweben haftete.
Die Haut und die unteren Äste der Fazialis waren ergriffen und vollstän-
dige Rekurrenslähmung der erkrankten Seite eingetreten. Ein zur mikro-
skopischen Untersuchung entfernter Teil des Tumors zeigte, dass es ein
Endothelialsarkom war, die Behandlung mit Radium wurde innerlich und
äusserlich angewandt und eine bedeutende Besserung trat ein, was die
Möglichkeit zeigt, selbst grosse und tiefe Wucherungen auf diese Weise
zu behandeln. Guthrie, Liverpool.
122. R. Kafemann (Königsberg i. Pr.), Über eine wichtige Ver-
wendungsmöglichkeit der Elektrolyse in den oberen Luft-
wegen im Anschluss an einen geheilten Fall von Epithelial-
karzinom der Basis cranii. Deutsche med. Wochenschr. 1910.
Nr. 26.
Der vom Verf. geschilderte Fall, ein nach der Operation rezidivieren-
des Epithelialkarzinom des Nasenrachens, dessen weitere chirurgische Behand-
lung vom Operateur abgelehnt wurde, ist nach Kurettement und 13 elek-
trolytischen Sitzungen geschwunden.
Nach 2 Jahren noch kein Rezidiv. Diagnose und Verlauf der Er-
krankung sind von kompetenten Beobachtern mitkontrolliert worden.
Hirsch, Magdeburg.
148 | Referate. [10
123. J. D. Roe (Rochester), Palatopharyngeal Adhesions; Methods
adapted for their Relief, with report of à new operation.
(Die Behebung von Adhäsion zwischen weichen Gaumen und
Rachenwand; Angabe einer neuen Operation.) Journ. A.
M. A. 15. Jan. 1910.
Verf. gibt eine ausführliche Übersicht und Kritik aller üblichen
Operationsarten. In einem Falle von traumatischer Adhäsion nach Ton-
sillenoperation verhindert Verf. die Wiederanklebung der gelösten Ad-
häsionen durch Bildung eines Schleimhautlappene, den er aus der Wange
gewinnt und nach rückwärts und oben um den weichen Gaumen dreht,
so dass die Schnittstelle von Schleimhaut bedeckt ist.
Otto Glogau, NewYork.
124. M. Ruprecht (Bremen), Technische Bemerkung über die
Spritze und die Kanülen zur Injektionsanästhesie der Mandeln.
Monatsschr. f. Ohrenheilk. 4 u. 10.
Hierbei ist besonders auf 3 Dinge zu achten: 1. Feine 0,6 mm
starke Nadelkanüle; 2. steilwinklige kurze, aber wohlgeschärfte Spitze;
3. völlig ebene, nicht kugelige Stirnfläche. Sippel.
125. Ruprecht (Bremen), Örtliche Anästhesierung der Mandeln.
Arch. f. Lar. XXIII. H. 1.
Für die Gaumenmandeln wird von einer 2°/o Novocain-Supra-
reninlösung zuerst etwas in den unteren Teil des vorderen Gaumenbogens
injiziert, dann dicht oberhalb der Gaumenbógen-Kommissur. Diese beiden
Punkte entsprechen den Eintrittsstellen der Mandelnerven. Endlich wird
die Mandelsubstanz, besonders der obere Pol, mit der Lósung infiltriert.
— Die Rachenmandel wird mittelst Silbersonden, die vorn mit Watte
umwickelt sind und durch die Nase eingeführt werden, mit 10°/o Alypin-
Suprareninlösung bepinselt. Ein 1°/o Kokain-Suprareninspray macht die
Nase weit und unempfindlich, dann legt der Pat. sich mit etwas herab-
hängendem Kopfe und erhält 6-8 Sonden mit dem Anästheticum nach-
einander eingeführt. — Die meisten Operationen waren ganz schmerzlos,
Ruprecht hat sofort nach Jeder Operation einen Vermerk über die
Anästhesie gemacht. Arth. Meyer.
126. Eustace Smith (London), Eine wenig bekannte Felge von
adenoiden Wucherungen. Practitioner. Vol. LXXIV. Nr. 7.
Die hier erwähnte Folge ist die häufige Sekretion eines dicken,
scharfen Schleimes, oder schleimigen Eiters, welcher einerseits Husten
veranlasst, zuweilen spasmodischen Charakters, und ähnlich dem der Per-
tussis, und anderseits zu gastrischen Störungen von sehr hartnäckiger Art
führt. Erbrechen grosser Mengen eines zähen Schleimes von stark alkali-
scher Reaktion ist ein gewöhnliches Symptom und ist immer von bemerk-
barem Schwinden des Appletites begleitet. Guthrie, Liverpool.
4. Kehlkopf.
127. E. Brandenburg (Sternberg), Über die Entstehung der
Kehlkopftuberkulose. Med. Klinik. 17. 1910.
Verfasser kommt in der Streitfrage über die Entstehung der Larynx-
tuberkulose an der Hand seines statistischen Materials zur Theorie der
Kontaktinfektion. Sippel, Würzburg.
11] Referate. 149
128. Brünings und Albrecht, Experimentelle und kritische
Untersuchungen über die Wirkung des Sonnenlichtes, der
Röntgenstrahlen und des Quecksilberdampflichtes auf die
Kehlkopftuberkulose des Kaninchens. Zeitschr. f. Ohrenheilk.
LX. Bd. 3. u. 4. H.
Da die Kehlkopftuberkulose des Kaninchens denselben histologischen
Krankheitsverlauf zeigt wie die menschliche, haben die Verfasser die
Strahlenbehandlung derselben experimentell geprüft; die bisherigen Behand-
bandlungsversuche der menschlichen Kehlkopftuberkulose genügen nicht
den physikalischen und histologischen Voraussetzungen der Phototherapie.
— Sie sind zu dem Resultat gekommen, dass die Bestrahlungen des
tuberkulösen Kaninchenkehlkopfes mit dem kurzwelligen Spektralabschnitt
konzentrierten und gekühlten Sonnenlichtes, sowie die Bestrahlungen mit
Quecksilberdampflicht, klinisch und histopathologisch völlig unwirksam
sind. — Dagegen bietet richtig abgestimmte Röntgenstrahlung hinsichtlich
der Penetranz, die Homogenität der Tiefenwirkung und des elektiven Zer-
störungsvermögens theoretisch am meisten Aussicht auf eine günstige Be-
einflussung der Larynxtuberkulose; die Bestrahlungsversuche mit Röntgen-
licht haben sowohl klinisch als histopathologisch ein zweifelloses Heilungs-
ergebnis geliefert. Oertel, Dresden.
129. Castex, Die Larynxatrophien. Le Larynr. Müárz-April 1910.
Die Kehlkopfatrophien, deren besten Typus die kanületragenden Pa-
tienten darbieten, können nur einen Teil des Organs treffen (d. h. die
Schleimhaut): die Mukosa ist grau, atrophisch, mit Pocken bedeckt (solche
Zustände trifft man bei Özänapatienten und heredo-syphilitischen): die
Atrophie kann den Muskelapparat angreifen, wie bei der Lippen-, Zungen-,
Keblkopflähmung (paralysie labio-glossolaryng&e); endlich die
Läsion kann die Stimmbänder ohne Zustandekommen von sichtbaren Ver-
änderungen ergreifen. Verfasser beschreibt 7 Fälle einer solchen Atrophie
der Stimmbänder, in welcher die Stimmbänder klein, blass, kraftlos waren.
Fast immer tritt diese nach einer Infektion (Masern, Diphtheritis, Typhus,
Scharlach, Influenza) auf. Nur eine orthophonische Behandlung kann
Resuliate quoad restitutionem geben. Menier.
130. Dreyfuss, Uber Optimismus und Pessimismus in der
Therapie der Laryngotuberkulose. Deutsche med. Wochenschr.
1910. Nr. 16. Bericht des Unterelsdssischen Arztevereins in
Strassburg.
Der Vortragende tritt dafür ein, dass die Initialstadien der
Keblkopftuberkulose laryngologisch bebandelt werden, und zwar móglichst
im Krankenhaus, noch besser in der Heiletütte. Hirsch, Magdeburg.
131. Grabower, Bemerkungen zur centralen Kehlkopfmuskel-
lähmung und zum Rosenbach-Semonschen Gesetze. Arch.
f. Lar. Bd. 23. H. 1.
O. Kórners Behauptung, dass die Lehre von der grösseren Vulnera-
bilität der Erweiterer auf die zentralen Lähmungen nicht zutreffe, hält
Grabower für mindestens verfrüht, bei dem geringen Material, von
welchem laryngoskopische und histologische Beobachtungen zugleich vor-
liegen. Das Gesetz kann naturgemäss nur da Anwendung finden, wo
150 Referate. [12
sämtliche Kerne des Rekurrens zugleich erkranken, während die Möglich-
keit vorliegt, dass z. B. die Syringobulbie nur einen Teil befällt.
Arth. Meyer.
132. A. da Gradi (Pavia), Über den Verlauf der Kehlkopftuber-
kulose bei der mit kiinstlichem Pneumothorax behandelten
Lungenschwindsucht. Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 22.
Verf. berichtet über schnelle und bedeutende Besserung auch schwerer
Falle von Larynxtuberkulose, die eintrat, wenn die Lungenerkrankung
gleichzeitig mit künstlichem Pneumothorax behandelt wurde.
Hirsch, Magdeburg.
133. Fr. Hutter, Über die Behandlung der Larynxtuberkulose
mittelst Galvanokaustik. Monatsschr. f. Ohrenhetlk. 5. 1910.
Uber das galvanokaustische Verfabren bei Larynxphthise, herrschen
sehr geteilte Ansichten. Während viele Autoren wegen des drohenden
Odems ganz von dieser Behandlungsweise absehen oder sie nur in be-
schränktem Masse anwenden, haben wieder andere sie als vorziigliches
Verfahren bezeichnet und die Häufigkeit übler Folgezustände geleugnet.
Die bei operativen Eingriffen im Larynx oft so unangenehme Blutung
fällt bei, dieser Methode weg. Weiterhin bat man die Möglichkeit alles
Krankhafte zu zerstören ohne wie beim blutigen Eingriff fürchten zu
müssen, das Virus durch Eröffnung der Lymphbahnen in neue Wege zu
führen, und vermag man bereits bestehende Eintrittspforten für die Sekun-
därinfektion durch den schützenden Schorf zu verschliessen.
Die Applikation des Brenners geschieht entweder als Tiefenstich oder
als flächenhbafte Verschorfung. Verfasser will ersteren für jene Fälle
reserviert wissen, in denen man versucht Stimmbänder ohne Neigung zu
rascher Progredienz oder Zerfallserscheinungen zur Abschwellung zu
bringen. Indikation zum Eingriff geben tumorartige, zirkumskripte oder
einseitige Affektionen, chronische, hartnäckige Ulcera, Kontraindikation
geben hochgradige, fieberhafte Lungenphthise, Miliartuberkulose, hoch-
gradige Kachexie, diffuse Infektion des Larynx.
Am Schlusse 32 Fälle in tabellarischer Zusammenstellung.
Sippel, Würzburg.
134. A. Kuttner, 0. Körners Stellung zur Rekurrensfrage.
Arch. f. Lar. Bd. 23. H. 1.
Auch Kuttner protestiert gegen den Versuch, die zentralen Láh-
mungen von dem Rosenbach-Semonschen Gesetz auszunehmen.
1. Die Analogie mit dem Okulomotorius.Kern beweist nichts, da hier die
einzelnen Teile viel weiter auseinander liegen als beim Rekurrens-Kern.
2. Die Behauptung, tabische Lähmungen (die im allgemeinen dem Gesetz
folgen), seien peripherer Natur, ist (mindestens nicht für alle Fälle) be-
gründet. 3. Bei akuten Bulbürerkrankungen kommen zwar Schliesser-
paresen nach Oppenheim vor, doch ist ihre direkte Abhängigkeit von
der Kernerkrankung nicht erwiesen, zumal die Paresen meist nicht pro-
gredient verlaufen. Arth. Meyer.
135. ©. Levinstein, Die Anästhesie in der modernen Laryngo-
phthisiotherapie. Arch. f. Lar. XXIII. H. 2.
Nach Besprechung der operativen und konservativen Bestrebungen
15] Referate. 151
zur Behandlung der Kehlkopftuberkulose wird die Anästhesierung durch
Alkoholinjektionen in den Nervus laryngeus superior nach Schlösser-
Hoffmann empfohlen. Levinstein hat sie 6 mal mit Erfolg ausge-
führt, in anderen Fällen liess sich die Dauer der Anästhesie nicht kon-
trollieren. Über die Frage der kurativen Wirkung wird kein Urteil gefällt.
Arth. Meyer.
136. Marage, Entwickelung der Stimme. Académie des Sciences.
Paris. 11 Mai 1910.
Die Stárke der Stimme hüngt vom Volumen der von der Lunge aus-
stromenden Luft und vom Druck dieser Luft ab. Durch Atmungsübungen
kann man die Lungekapazität (und somit das Volumen) grösser machen;
die Ursachen, die den Luftdruck geringer machen können, sind die
Schwäche der exspiratorischen Muskeln und die Schwäche der Stimm-
bandmuskeln. Um die Brustmuskeln zu stärken, muss Patient sich hori-
zontal legen und den Rumpf heben, während die unteren Extremitäten
unbeweglich bleiben und ohne dass die Arme dabei helfen (10 mal pro
Tag) Um die Stimmbandmuskeln kräftiger zu machen, muss man
Übungen auf den Vokalen E und I singen. Menier.
137. Porter (Edingburgh), Fülle von laryngealen Tumoren
mit Bemerkungen über die Technik ihrer Entfernung.
Edinb. Med. Journ. Vol. IV. Nr. 3
Von den hier angeführten Fállen waren 3 mit ,Süugerknótchen",
zwei mit Papillomen und einer mit stark vaskularisiertem Fibrom von
zweifelhaftem Ursprung. Der letzte dieser Fälle zeigte sich bei einem
Manne von 33 Jahren, der seit ungefähr 6 Monaten an Heiserkeit litt.
Die Untersuchung zeigte eine bläuliche Masse, welche anscheinend vom
Ventrikel ausging und den äusseren Teil des linken Stimmbandes be-
deckte. Sie sass sehr fest und musste stückweise mit der Krause-
Heryngschen Zange entfernt werden, wonach man bemerkt, dass der
Rand des Stimmbandes, an welchem die Wucherung gehaftet hatte, ge-
bogen war. Zwei Tage spüter war diese Biegung verschwunden und der
Verfasser glaubt, dass er auf Dehnung des Stimmbandes zurückzuführen
sei und auf Nachlassen des Musculus thyroarytenoideus zum Teil durch
das Gewicht des Tumors und auch durch die besondere Kraftenifaltung
bei Adduktion der Stimmbánder. Deshalb genügten einige Tage der Ruhe
nach Entfernung des Tumors um das wieder in Ordnung zu bringen, die
entfernten Gewebe bestanden aus stark vaskularisiertem, lockerem Binde-
gewebe, welches unter der Schleimhaut lag und viele Hämorrhagien ent-
hielt. In den 3 Fällen von „Sängerknötchen“ wurden diese erfolgreich mit
Moritz Schmidts Zange entfernt. Der Verfasser wendet mit sebr be-
friedigendem Erfolge Krauses Methode der Einführung des Anästheti-
kums mittelst einer Kehlkopfspritze an, deren Hohlnadel eine sehr kleine
Öffnung hat. Guthrie, Liverpool.
138. C. H. Shutt (St. Louis), Laryngeal Diphteria Experiences.
(Erfahrungen bei Kehlkopfdiphtherie.) Journ. A. M. A. 5. Febr.
1910.
Medikamentöse Behandlung: wenn Dyspuoe nur langsam fortschreitet,
Erschöpfung und Zyanose gering ist. Schwache Dosen von Antitoxin,
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 2. 11
152 Referate. [14
alle 4—6 Stunden wiederholt. Errichtung eines Zeltes über dem Bette
zur Aufnahme von Terpentin- oder Benzoetinkturdámpfen.
Intubation: wenn die Symptome auf junge, fest anhaftende Membran
deuten; nur bei tüchtiger Pflege und steter Erreichbarkeit des Arztes.
In allen anderen Fällen: Tracheotomie, die nach Ansicht des Verf.
jeder Arzt sollte vollführen können. Er schlägt folgende Lage des Pa-
tienten vor: Der Assistent sitzt vorgebeugt auf einem Stuhle. Auf seinem
Rücken hält er das Kind so an den Füssen, dass dessen Kopf nach
unten hängt. Otto Glogau, New York.
139. Tilley (London), Ein Fall von geheilter tuberkulöser Laryn-
gitis, der mit Galvanopunktur behandelt worden war. Proc.
Roy. Soc. Med. Vol. III. Nr. 7.
Die Patientin, 27 Jahre alt, klagt über Heiserkeit und war in einem
Sanatorium in Behandlung wegen Lungentuberkulose. Das linke Taschen-
band war geschwollen, so dass das korrespondierende Stimmband unsicht-
bar war. Vier tiefe Stichelungen mit dem Galvanokauter hatten derartige
Besserung zur Folge, dass die Stimme klar wurde und die Patientin im-
stande war, ihre Arbeit als Lehrerin wieder aufzunehmen. Eine Diskussion
folgte. Guthrie, Liverpool.
5. Trachea. Bronchien. Ösophagus.
140. Casati (Ferarra), Asfissia da grosso faginolo alla bifor-
cazione della trachea. Erstickung durch eine grosse Bohne
an der Bifurkation der Trachea. Gaeeelta degli ospedali.
8. Mai 1910.
Das asphyktische Kind, das nicht mehr atmete und dessen Herz-
schläge beinahe erloschen waren, wurde durch eine T'rracheotomia inferior
gerettet; die Bohne konnte mit einer langen Zange gefasst und extrahiert
werden. Menier.
141. Guisez, Nouveaux résultats dus à l'oesophagoscopie. Neue
ósophagoskopische Resultate. Académie de Médecine. Paris.
26. Avril. 1910.
a) Von 51 Fremdkórpern, 48 (unter welchen 7 künstliche Zahn-
gebisse) wurden mit Erfolg durch die Osophagoskopie extrahiert; in den
drei anderen Fällen wurde man gezwungen, die Ösophagotomia
externa auszuführen. In 5 Fällen bestand ein Abszess der Ösophagus-
wand; man konnte ihn durch den natürlichen Weg eröffnen und entleeren.
b) Unpassierbare Narbenstenosen konnten mit Hilfe des Ösophago-
skops behandelt und erweitert werden. Einige davon, wie die Ösophago-
skopie es zeigte, sind die Folge einer Ösophagitis oder eines runden
Geschwürs. Die Stenosen können sehr oft Karzinome vortäuschen.
c) Die spastischen Kontrakturen, die Dilatatio ventriculi nach
sich ziehen, sind mit Hilfe des Ösophagoskops diagnostiziert und be-
handelt.
Die Speiseróhrelues gehórt zu den Seltenheiten. Die Tuberkulose
der Speiseröhre ist bei weitem häufiger und erst die Osophagoskopie er-
laubte die gründliche Kenntnis dieser Affektion. Menier.
15] Referate. 153
142. Guthrie, Liverpool. Tuberkulóse Erkrankung der Trachea,
die zur Knorpelnekrose und Erkrankung der Schilddrüse
führte. Journ. of Laryngology. Vol. XXV. Nr. 5.
Der Patient, ein Mann von 34 Jahren war an Lungentuberkulose
erkrankt. Während eines zweimonatlichen Aufenthaltes in einem Sana-
torium besserte sich der Zustand der Lungen bedeutend, so dass ein phyai-
kalischer Befund der Krankheit in der Brust tatsächlich nicht vorhanden
war und die Tuberkelbazillen aus dem Sputum verschwanden. In der-
selben Zeit aber zeigten sich Atembeschwerden. Den Grund hierzu fand
man in einer tumorartigen Anschwellung, welche sich äusserlich in dem
Lumen des unteren Teiles des Larynx und dem oberen Teile der Trachea
befand. Das Erkrankte wurde durch eine äussere Operation entfernt und
Dr. E. E. Glynn berichtete, dass die. Masse aus einem Gewebe bestand,
welches sich deutlich als Tuberkulose kennzeichnete. Es zeigten sich zahl-
reiche Riesenzellen und eine grosse Menge fibrösen Gewebes, deren Vor-
handensein auf einen sehr chronischen Typ der Krankheit hinwies. Teile
der ersten und zweiten Trachealringe fanden sich lose liegend und wurden
zusamınen mit dem Isthmus der Schilddrüse entfernt, der von der Krank-
heit ergriffen worden war.
Während ungefähr zweier Monate nach der Operation zeigten sich
keine Atembeschwerden. Später aber, dank dem Narbenzug, der durch
den Verlust so vieler Trachealringe entstanden war, wurde das Tragen
einer Tracheotomiekanüle notwendig. Die lokale Erkrankung zeigte sich
nicht wieder, aber ein Wiederaufbrechen der Lungenerkrankung trat ein
und ungefähr 17 Monate nach der Operation erfolgte der Tod. — Der
Fall war interessant wegen der Seltenheit einer ausgebreiteten Nekrose
der Trachealringe und besonders das Ergriffensein der Schilddrüse im
Gefolge der Tuberkulose. A u to- Referat.
143. K. Preleitner, (Wien). Demonstration einer Ösophagus-
striktur nach Scharlach, Wiener kl. Wochenschr. 1910.
Es besteht ausser einer strahligen Narbenbildung an der hinteren
Rachenwand, Defekten in den hintern und vorderen Gaumenbógen und
Narben am weichen Gaumen und Uvula eine Ösophagusstriktur 21 cm
von der Zahnreihe entfernt, die zu Anfang der Behandlung nur für eine
1 mm starke Bougie durchgángig war. Sippel, Würzburg.
6. Mundhóhle.
144. E. A. Babler, St. Louis. Causes of Failure in Treatment
of Cancer of the Lip. (Ursachen der Misserfolge bei Be-
handlung von Lippenkarzinomen.) Journ. A. M. A. 8. Jan.
1910.
Misserfolg ist bedingt durch 1. späte Diagnose. 2. Weigerung des
Patienten gegen Frühoperation und 3. unvollkommene chirurgische Technik.
„Risse“ an der Lippe von über 30 Jahre alten Patienten sollten
nicht mit Kaustika behandelt, sondern mikroskopisch untersucht werden.
Der Erfolg ist bedingt durch Frühdiagnose und gründliche Entfernung
der Geschwulst, unter Ausräumung der submentalen und submaxillaren
Lymphgebilde. Otto Glogau, New York.
11*
154 Referate. [16
145. F. P. Emerson, Boston, The Responsibility of the General
Practitioner and the Specialist in the Prevention of Deafness
(Die Verantwortlichkeit des Praktikers und Sezialisten in
der Verhütung der Taubheit). Boston Med. u. Surg. Journ.
Vol. CLXII. Nr. 11.
Taubheit ist eine Folge von Tubenentzündung nach Erkrankungen
der Nase und des Nasenrachenraumes, denen der Praktiker besondere
Aufmerksamkeit schenken muss; er soll den Spezialisten veranlassen,
adenoide Wucherungen, hypertrophische mittlere Muscheln (der Hyper-
trophien des hinteren Endes der unteren Muscheln legt Verf. sonderbarer
Weise kein Gewicht bei) und Tonsillen zu entfernen, sowie Deviationen
des Septums zu beheben. Otto Glogau, New York.
146. R. Fraenkel, Wien, Beitrüge zur Kenntnis der Mundpflege.
Die Heilkunde 5. 1910. |
Die von Kórner angestellten Experimente mit Perhydrolmund wasser
ergaben, dass dasselbe schon in schwacher Konzentration in wenigen Minuten
stark bakterizid wirkt. Eine weitere Eigenschaft des Wasserstoffsuperoxyds
ist ein gärungshemmender Effekt. Diese Eigenschaft ist für die Mund-
pflege von grosser Wichtigkeit, da durch die Gärung von Kohlehydraten
im Munde Säuren entstehen, die die Entkalkung der harten Zahnsubstanz
b2wirken.
Verfasser wendet, wie aus den angeführten 5 Füllen hervorgeht,
H,O, schou seit längerer Zeit bei Alveolarpyorrhoen, Gingivitiden, Fisteln etc.
mit gutem Erfolg an. In kosmetischer Hinsicht bewirkt Perhydrol im
Gegensatz zu anderen Mundwässern ein Bleichen der Zähne.
Sippel, Würzburg.
147. D. C. Greenejr., Boston, The Transplantation of Cartilage
in the Correction of Deformities of the nose. (Korrektion
von Nasenverunstaltungen durch Knorpeltransplantation.)
Zwei Fälle von Septumabszess mit fast vollstäudiger Zerstörung der
Cartilago quadrangularis. Inzieion wie bei submuköser Resektion, Tren-
nung der beiden Schichten. Einverleibung von Knorpel, der durch eine
andere submuköse Resektion gewonnen und in physiologischer NaCl-lösung
aufbewahrt war. In beiden Fällen wurde der Knorpel vollständig ab-
sorbiert, doch meint Verf., dass er „zumindest bei Kindern das Fortschreiten
der Deformität verhindert.“ Otto Glogau, New York.
148. Fr. Hanszel, Wien, Angeborene zystische Erweiterung des
Duetus thyreoglossus. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 4. 1910.
Im Anschluss an das anstrengende Pressen bei einem schweren
Partus bildete sich bei der 35 Jahre alten Patientin aussen am Halse
in der Gegend des Zungenbeins streng median eine pralle Geschwulst
von Wallnusagrósse. Haut darüber verschieblich und normal. Laryngo-
skopisch fand sich in der Gegend des linken Hypopharynx eine kugelige
Geschwulst von etwa Hühnereigrösse, durch welche die linke Valekula
abgeflacht und die linke glosso- und pharyngo-epiglottische Falte und die
Epiglottis stark vorgebuchtet wurden. Schleimhaut darüber normal, nur
Gefässe erweitert. Operation. Heilung. Makroskopischer und histologi-
scher Befund ergaben die Diagnose: Zyste des persistierenden Ductus
17] Referate. 155
thyreoglossus mit zystischer Erweiterung der seitlichen Verzweigung des
Ductus lingualis, ein Vorkommnis, welches in der Literatur noch nicht
beschrieben ist. Der Inhalt der Zyste liess eine Blutung álteren Datums
erkennen. Sippel, Würzburg.
149. A. Irwin, Camden, Oral Prophylaxis (Mund-Prophylaxe).
Journ. A. M. A. 12. Febr. 1910.
„Mund-Prophylaxe ist die Kunst der Verhütung von Krankheiten,
Deformitäten oder Verletzungen des Mundes durch Manipulation, Intru-
mentation und geschickte chirurgische Behandlung.“ An der Hand von
Statistiken weist Verf. nach, dass ein grosser Prozentsatz «(er Schulkinder
schlechte Zahnpflege hat und so lokalen und Allgemein-Erkrankungen
ausgesetzt ist. Er fordert die Errichtung von freien zahnärztlichen Schul-
kliniken (eine derartige Institution wurde kürzlich an einer N. Y. Schule
eingeführt.) Otto Glogau, New York.
150. Hans Kämpf, Über extragenitale Syphilisinfektion am
Mund und im Mund. Diss. Wiirzburg 1909.
Verf. stellt aus der Literatur seit 1905 169 Fälle von Primäraffekt
der Mundrachenorgane zusammen, darunter 68 mal an den Lippen, 58 mal
an den Tonsillen, 11 mal am Zahnfleisch, 14 mal an der Zunge und 3 mal
am harten Gaumen. Am häufigsten finden sich Übertragungen durch
Ess- und Trinkgeschirr angegeben, häufig auch durch Kuss, während die
Angabe geschlechlichter Perversitäten sich nicht in den Anamnesen findet;
Verf. meint aber, dass vielleicht gerade in den Fällen, in denen eine
Anamnese fehlt, die Perverstät eine Rolle spielt.
Aus der Poliklinik Seiferts fügt Verf. 3 Fälle hinzu.
1. Knabe, 7 Jahre. Aufblasen eines aufgefundenen Kondoms.
Lippeninfektion.
2. Mann, 25 Jahre. Kuss. Primäraffekt der Tonsille.
3. Fräulein, 25 Jahre. Kuss. Primäraffekt der Unterlippe.
Kronenberg.
151. Hans Leyden, Berlin, Ein neuer Zungenhalter. Deutsche
med. Wochenschr. 1910. Nr. 21.
Beschreibung eines hauptsächlich aus zwei gefensterten Fassplatten
bestehenden Zungenhalters, der, dem Kinn anliegend, durch ein um den
Nacken geschlungenes Band befestigt wird. Er gestattet insbesondere das
Auflegen der Sauerstoffmaske bei Wiederbelebungsversuchen und ist auch
für die Narkose verwendbar. Hirsch, Magdeburg.
152. Sakutaro Kano, Über das Epithel des weichen Gaumens.
Arch. f. Laryngologie. XXIII. H. 2.
Kano untersucht speziell die intraepithelialen Drüsen und hat sie
ausser bei Erwachsenen auch beim Neugeborenen und Embryo nachge-
wiesen (jedoch nicht bei Katze und Kaninchen) Das Vorkommen in so
früher Zeit beweist, dass die intraepithelialen Drüsen nicht pathologischen
Verhältnissen ihre Entstehung verdanken können. In Anbetracht ihrer
Verteilung hált Kano sie für vikariierende Gebilde, welche die echten
Schleimdrüsen ersetzen. Arth. Meyer.
156 Referate. [18
153. Rouffiandis, Zahnwurzelzyste in die Oberkieferhöhle er-
öffnet. Kyste radieulo-dentaire ouvert dans le Sinus maxilaire.
Gazette des Hôpitaux 11. Juni 1910.
Der Patient zeigt mehrere Zahnanomalien; trotzdem sind alle Záhne
gesund und ohne Spur von Karies. Plötzlich bot er die Zeichen einer
Infektion: Zuerst Eiteransammlung am Grunde des Sulcus gingivo-labialia,
gegen das Wurzelende des ersten kleinen Mahlzahns (praemolaris), dann
unzweifelhafte Symptome einer Kieferhöhleentzündung.
Verfasser glaubt an das Vorhandensein einer Wurzelzyste (Malassez)
die einen epithelialen Ursprung hat. Das Interessanteste dabei ist die
Entzündung einer solchen Zyste und das Auftreten iufektiöser Kompli-
kationen, obgleich es an jeder Zahnalteration fehlte, die eine Eintritts-
pforte der septischen Keime hätte darstellen können. Menier.
154. Sachs, Wien, Demonstration eines 40jährigen Mannes mit
zwei Tumoren am Zungengrund. Wien. klin. Wochensch. 25.
1910. i
Der Tumor in der linken Hälfte des Zungengrundes ist walnuss-
gross, der in der rechten haselnussgross. Die Schleimhautoberflache ist
entsprechend den beiden Tumoren mit feinsten Würzchen bedeckt. Die
histologische Untersuchung ergibt einen gemischten Parotistumor.
Sippel, Würzburg.
155. Sertoli, Anatomisch-pathologischer Beitrag zur Kenntnis
der gemischten Tumoren der Speicheldrüsen. 7? Morgagni,
März 1910.
Nach dem Verfasser haben solche Tumoren ihren Ursprung im Endo-
thelium der Lymphräume und Lakunen des Bindegewebes der Kapsel
und der grösseren Septa, welche von dieser Kapsel ausgehen.
Menier.
156. J. €. Stewart, Minneapolis, The Radical Treatment of
Epithelioma of the Lip. Die radikale Behandlung des Lippen-
Epithelioms. Journ. A. M. A. 15. Jan. 1910.
Verfasser warnt vor der keilförmigen Exzision, da durch dieselbe
die beteiligten Lymphbahnen nicht ausgeschaltet werden. Seine Radikal-
operation ist: Schnitt entlang des Oberkieferrandes, von einem Winkel
zum andern, Herunterschlagen der Lappen, Auspräparierung und Ent-
fernung der Lymphgefäsee und besonders der Glandula submaxillaris, Iso-
lierung des Epithelioms durch Schnitt links und rechts davon, gründliche
Entfernung des so entstandenen Lappens. Diese Methode gibt bloss 10 9/o
Rezidive, während die lokale 25°/o hat. Otto Glogau, New York.
Grenzgebiete.
157. Crämer, Über die günstige Wirkung des Extr. Cann. Ind.
butyrat., speziell bei Morb. Basedow. Klin.-ther. Wochenschr.
1909. Nr. 24.
Crämer sah überraschende Erfolge bei Morb. Basedow, in einigen
Fällen völligen Rückgang aller subjektiven und objektiven Erscheinungen.
Marschik.
19) Referate, 157
158. W. Danielsen u. F. Lundois, Breslau, Transplantation
von Epithelkörperchen. Med. Klinik. 19 u. 20. 1910.
Transplantationen drüsiger Organe im allgemeinen sind mit wenig
Ausnahmen (Ovarien) bis jetzt mit nur geringem Erfolg vorgenommen
worden. Dagegen bat die Verpflanzung von Epithelkörperchen bei be-
stehender Tetanie, wie auch unter anderen der von beiden Autoren an-
geführte Fall zeigt, sehr gute Resultate gezeitigt. Sippel, Würzburg.
159. Durante, Rom, Nuova via di ipoflseetomia. Neuer Weg
zur Hypophysektomie. Gazetta degli Ospedali 22. Mat 1910.
Verfasser beschreibt das neue von ihm erfundene Verfahren, nämlich
durch den oralen Weg; die palato-pharyngeale Bresche ist sehr kurz und
man kann den unteren Teil der Keilbeinhóhle fassen; dazu ist der Weg
senkrecht und das Abfliessen der Flüssigkeit geschieht leichter.
Menier.
160. 0. Hirsch, Wien, Demonstration einer Patientin, bei der
ein Hypophysentumor mit Lokalanisthesie auf endonasalem
Wege operiert wurde. Wiener klin. Wochenschr. 25. 1910.
Bei der Operation wurde die Killiansche submukóse Septumope-
ration zur Erótfnung der Keilbeinhóhle und Freilegung der Hypophyse
benützt, Sippel, \Vürzburg.
161. v. Khautz jun., Wien, Demonstration eines 4 Monate alten
Kindes, das durch eine Gieschwulst am Halse starke Atem-
besehwerden hatte. Wiener klin. Wochenschr. 21. 1910.
Die gut hühnereigrosse, elastische Geschwulst soll in ihrem Anfangen
schon bei der Geburt des Kindes beobachtet worden sein und zeigte kli-
nisch alle Symptome einer retrosternalen Struma. Die histologische Unter-
suchung des exzidierten Tumors ergab ein Teratom.
Sippel, Würzburg.
162. Lardennois, Paris, Sur quelques moyens propres à éviter
les accidents cérébraux aprés ligatures de la carotide primi-
tive ou de la carotide interne. (Uber einige prophylaktische
Massnahmen gegen die Hirnsymptome nach Unterbindung
der Carotis communis oder der Carotis interna.) Gazette des
Hopitaux, 31. Mai 1901.
Solche Massnahmen sind folgende: 1. Wenn man wegen Hämorrhagien
oder Tumor operiert, soll man, wenn Patient durch Blutverluste geschwächt
ist, zuerst den Blutdruck durch Einspritzungen vom physiologischen Serum
(Kochsalzlösung) erhöhen; 2. Den Patienten eine abschüssige Lagerung
innehalten lassen (Deklivität der Lagerung); 3. Eine gründliche Narkose
ausführen, da die starken Dosen der einschläfernden Mittel eine vaso-
dilatatorische Wirkung entfalten; 4. Die Arterie sehr sanft anrühren und
sie mit grosser Schonung lospräparieren; 5. Vor der Unterbindung etwas
Amylnitrit (oder irgend ein Ersatzmittel) einatmen lassen; 6. Die Unter-
bindung schrittweise ausführen; zuerst fest anbinden, dann wieder los-
binden, um den Gefässspasmus zu unterdrücken; 7. Endlich in Fällen mit
ungünstiger Prognose und wenn entweder die Communis und die Externa,
oder die Carotis interna unterbunden werden müssen, wird die Sektion
158 Referate. [20
des Halssympathikus oberhalb des mittleren Halsknotens (Ganglion medium).
2—3 Minuten vor der Unterbindung ausgeführt, eine bedeutende Sicher-
heit gegen die Unfälle gewähren. Menier.
163. L. Levi u. H. v. Rothschild, Die kleinen Dosen in der
Schilddriisentherapie. Klin. ther. Wochenschr. 1910. Nr. 7.
Nach e. Vortr. in der Soc. ther. Parts.
Die kleinen Dosen sind indiziert (0,025 des Schilddrüsenpulvers an-
statt 0,10) im Anfang der Behandlung, während der ganzen Behandlung,
wenn Hyperthyreoidismus oder labiles Nervensystem besteht, nach der Be-
handlung, wenn die Pat. die Schilddrüsenpräparate nicht mehr entbehren
können. Ihre Anwendung erfordert keine so strenge Überwachung wie
die der grossen Dosen. Marschik.
164. C. Leiner u. R. v. Wiesner, Wien, Experimentelle Unter-
suchungen über Poliomyelitis acuta. Wiener klin. Wochen-
schrift 22. 1910.
Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist im allgemeinen dahin zusammen-
zufassen, dass der Erreger der Poliomyelitis in virulentem Zustand durch
längere Zeit im Rückenmark enthalten sein kann, dass er zumindest vor-
züglich in die regionären Lymphdrüsen übertritt, sowie zum Teil in die
Schleimhaut des Nasenrachenraums ausgeschieden werden kann. Darmtrakt
und uropoetisches System scheinen für die Ausscheidung des Virus nicht
in Betracht zu kommen. Sippel, Würzburg.
165. Oelsnitz, Die Symptome der Hypertrophie der Thymus.
Presse Med. Nr. 29. 1910.
Heute, wo die Thymus allenthalben chirurgisch angegangen wird,
lohnt es sich, zusammenfassend die Symptome der Hypertrophie der
Thymus anzufihren. Die Thymus befindet sich im sogenannten kritischen
Raume von Gra witz, der unausdehnbar zwischen Manubrium sterni und
Wirbelsáule die hypertrophische Thymus zu einer Gefahr für die Trachea
und die grossen Herznerven macht. Aus diesen mechanischen Verhält-
nissen stammen alle Symptome der Hypertrophie der Thymus her, da von
einer sonstigen (sekretorischen) Einwirkung der Thymus auf den Gesamt-
organismus keine Anzeichen vorliegen.
Die Dyspnoe ist das hervorhebendste Symptom. Sie ist permanent
und nimmt zu bei Horizontallagerung des Patienten. Sie ist von einem
eigentümlichen Stenosengeräusch begleitet (cornage). Hierzu gesellen sich
plötzliche Anfälle von Erstickung, die ohne Vorboten sich einstellen und
sich im Tage öfter wiederholen können. Von dieser Atmungsstörung ist
auch die konstant anzutreffende Zyanose abhängig. Hingegen sind die
übrigen Atemstörungen der Spasmus glottidis, die Laryngitis stridulosa
und der Stridor congenitalis von der Hypertrophie der Thymus unab-
hängig.
Offenstehen der Fontanellen, Gefülltsein und deutliche Markierung
der oberflüchlichen Hals- und Brustvenen sind weniger wichtige Symptome
und treten zurück vor dem Zeichen, das man durch die Inspektion und
Palpation der Brustbeingegend gewinnt. Hier kann man stets eine Her-
vorwólbung sehen und tasten, die zuerst von Myers als abnorme Aus-
21] Referate. 159
buchtung des Sternums beschrieben, seither wiederholt von den Autoren
konstatiert worden ist. Diese Ausbuchtung ist gewöhnlich nur einseitig
und lässt sich namentlich palpatorisch sehr gut nachweisen. Sie betrifft
die obersten Rippenknorpel. Hingegen gibt die Palpation durch die Fossa
suprasternalis nur wenig Auskünfte. Drückt man aber recht tief in diese
Fossa den Finger ein, so gelingt es manchmal den Stridor zu unter-
drücken, der, sobald der Druck aufhört, wieder beginnt. Die Auskultation
gibt keine verwertbaren Resultate. Die radiologische Untersuchung ist
selbstverständlich sehr wertvoll, wenn ihre Resultate richtig gedeutet werden.
Die Hypertrophie der Thymus bleibt manchmal lange Zeit latent, bis
die schwersten Erscheinungen rapid auftreten. Es ist nicht immer leicht
die richtige Diagnose zu stellen. Man kann wahrend einer notwendig
gewordenen Tracheotomie an die Hypertrophie der Thymus denken, wenn
die Luft in die eröffnete Trachea nicht mit dem bekannten Lärmen ein-
dringt. Was die Operierbarkeit der hypertrophischen Thymus anlangt,
so scheint die mit dieser Operation verbundene Gefahr mehr theoretisch
zu sein, als wie durch Tatsachen erhártet. In letzter Zeit haben sich in
Frankreich wenigstens die glücklich operierten Fülle sehr gebauft.
Lautmann, Paris.
166. R. Pollak, Wien, Demonstration eines 4jührigen Müdchens
mit Tetanie begleitet von Laryngospasmus. Wiener klin.
Wochenschr. 21. 1910.
Das Kind zeigte ein Symptom, das bei infantiler Tetanie eine grosse
Rolle spielt, bei der Tetanie der Erwachsenen selten auftritt, nämlich
typischen Laryngospasmus. Bei den je ca. 1 Minute dauernden Anfällen
kann es bei Steigerung der übrigen Tetaniesymptome zu typischen laryngo-
spastischen Inspirationen unter beträchtlicher Zyanose und Atemnot.
Pineles erklärt die Tatsache, dass der Laryngospasmus bei der
infantilen Tetanie so ungemein häufig auftritt mit der Annahme, dass der
kindliche Kehlkopf in anderer Weise auf das parathyreoprive Tetaniegift
reagiert als der von Erwachsenen, wie ja der kindliche Kehlkopf auf
Nervenreize viel leichter und intensiver reagiert. Sippel, Würzburg.
167. A. Siegmund, Berlin-Wilmersdorf, Schilddrüse und Epi-
lepsie. Med. Klinik. 18. 1910.
Die Behandlung eines 9jàhrigen Kindes mit schlecht entwickelter
Schilddrüse und epileptischen Anfällen mit Thyreoidin hatte zur Folge,
dass die Anf&lle immer seltener und schwücher wurden. Die Schilddriise
entwickelte sich besser, das Kind wuchs erheblich und nahm schnell an
Gewicht zu, ein Beweis, dass Thyreoidin nicht immer eine Abnahme des
Körpergewichts bewirken müsse. Sippel, Würzburg.
168. Soldin, Die Behandlung des Keuchhusten mit Eukalyptus.
Klin. ther. Wochenschr. 1909. Nr. 29.
Die Versuche wurden mit Sanesin, einem in England in den Han-
del gebrachten Eukalyptuspräparat, angestellt. Verf. sah in fast allen
Fällen prompten Rückgang der Anfälle und des Fiebers, günstige Ein-
wirkung auf den Hustenreiz. Das Mittel wird in Form der Zimmer-
räucherung gegeben. Marschik.
160 Referate. (22
169. B. A. Thomas, Philadelphia, Results of three years Ex-
perience in Bacterial immunization. Drei Jahre bakterieller
Immunisierung. Journ. A. M. A. 29. Jan. 1910.
Verf. hat in 106 verschiedenen Erkrankungen die Opsonintherapie
angewendet und kommt zu dem Ergebnisse, dass dieselbe überschätzt ist.
Ein Fall darunter war eine chronische Mittelohreiterung, bei der wieder-
holt Bacterium ferrugineum in Reinkultur isoliert werden konnte. Sechs
Inokulationen mit spezifischen Bacterinen hatten, von einer leichten Ver-
mehrung des Eiterflusses abgesehen, keinerlei Einfluss auf den Krank-
heitsprozess. Otto Glogau, New York.
170. Victor Veau et Eugène Olivier, Die Abtragung der
Thymus. Presse Medicale Nr. 29. 1910.
Die Abtragung der Thymus, und es kann ja wegen der anatomischen
Verhältnisse immer nur von einer partiellen Abtragung die Rede sein,
scheint technisch viel leichter zu sein, als man a priori vermuten sollte.
Am Lebenden ist nämlich die Thymus etwas total Verschiedenes von
dem, was man an der Leiche zu sehen gewöhnt ist. Durch die respira-
torische Verschieblichkeit der Thymus bildet sich um diese Drise ein
laxes Bindegewebe, das die anderen lebenswichtigen Organe von ihr
trennt und eine bequeme Abtragung der Driise gestattet. Ein supraster-
naler Hautschnitt gestattet leichten Zugang und genügt zur Ausführung
der drei bisher üblichen Operationsmethoden: Exothymopexie, Thym-
ektomie mit oder ohne vorhergehende Resektion des Manubrium sterni.
Die Exothymopexie, d. h. die Fixierung der Thymus ohne Abtragung
der Drüse ist als Operation vollständig zu verwerfen. Desgleichen ist die
vorhergehende Resektion des Manubrium sterni eine im allgemeinen über-
flüssige Komplikation. Die Thymektomie, so vollständig als möglich, ist die
einzige rationelle Vorgangsweise. Selbstverständlich ist die extrakapsu-
läre Resektion ebenfalls zu verwerfen, weil sie technisch sehr grosse
Schwierigkeiten bietet und praktisch keine Vorteile vor der intrakapaulären
Resektion bietet. Sobald die Kapsel eingeschnitten ist, stülpt sich die
Thymus vor und kann dann ohne Rücksicht auf Rekurrens und Phrenikus
so weit als möglich ausgeschnitten werden. Es bleibt immer noch genug
von der Drüse zurück. Wahrscheinlich dürfte aber auch eine totale Resek-
tion der Driise ohne schädliche Wirkung auf den Organismus bleiben, wie
man aus den jüngsten Tierversuchen von Lunén und Parisot (Arch.
de médec. exper. 1910. Vol. XXII. Nr. 1. p. 98) entnehmen kann.
Es ist natürlich nicht möglich im Detail die Technik der von Veau
befolgten Operation anzugeben. Nur die Frage der Anästhesie möge ge-
streift werden. Ganz allgemein ist die Meinung verbreitet, dass die all-
gemeine Narkose bei Hypertrophie der Thymus kontraindiziert ist. Die
vier von Veau operierten Fälle (unter denen sich ein Fall aus der Praxis
des Ref. befindet) sind sämtlich mit Chloroform narkotisiert worden, ohne
den leichtesten Zwischenfall. Wenn man nicht wie Hinrichs überhaupt
ohne jede Anästhesie operieren will, was sicher auch die Shockgefahr nicht
vermindert, ist die allgemeine Narkose mit Rücksicht auf das jugendliche
Alter der Patienten sicher der Lokalanästhesie vorzuziehen.
Lautmann, Paris.
23] Referate. 161
171. Voss, Operatives Vorgehen gegen Schüdelbasisfrakturen bei
Mitbeteiligung von Ohr und Nase. Passows Beitr. z. Anat. etc.
des Ohres, der Nase und des Halses. Bd. III. Heft 5.
Verf. kommt zu folgenden Ergebnissen :
1» Schadelbasisfrakturen bei Mitbeteiligung von Ohr und Nase sind der
operativen Behandlung zu unterwerfen.
2. Die Operation ist indiziert:
a) aus kurativen Rücksichten.
a) bei Infektion des Schádelinhalts von Ohr oder Nase aus.
P) bei Hirndruckerscheinungen, die ihren Ausgang sicher oder wahr-
scheinlich von Ohr oder Nase aus nehmen;
b) aus prophylaktischen Rücksichten. e
a) bei alter oder frischer Infektion in einzelnen oder sämtlichen
Abschnitten von Ohr (äusserer Gehörgang, Mittelohr, inneres Ohr,
W arzenfortaatz) oder Nase (Haupthöhle, Nebenhöhlen, Nasenrachen-
raum);
8) bei jeder sicher nachgewiesenen Mitverletzung einzelner oder
mehrerer Partien von Ohr oder Nase, namentlich bei Ausfluss
von Liqu. cerebrospinalis, bei Mitbeteiligung des inneren Ohres,
bezw. des Siebbeinlabyrinths.
3. Die Operation hat in allen diesen Fallen ihren Weg durch Ohr oder
Nase zu nehmen.
4. Die dafür in Frage kommenden Operationsverfabren sind am Ohr
die sog. Radialoperation (Totalaufmeisselung), eventuell mit aus-
schliessender Labyrintheröffnung, an der Nase die Killiansche
Radikaloperation, je nach Lage des Falls mit oder ohne gleichzeitige
Eröffnung der Stirnhöhle.
. Die dabei aufgedeckten frakturierten Partien sind der ausgedehntesten
chirurgischen Inangriffnahme zu unterwerfen.
6. Nach Bedarf sind vordere, mittlere oder hintere Schädelgrube freizu-
legen und etwaige intrakranielle Komplikationen nach den dafür
gültigen chirurgischen Grundsätzen zu behandeln,
7. Bei Beteiligung beider Ohren, beider Nasenseiten oder von Ohr und
Nase ist im Prinzip nach den gleichen Grundsätzen zu verfahren.
Modifikationen richten sich nach der Lage des jeweiligen Falles.
Kronenberg.
Oo
172. Joh. West, Die Chirurgie der Hypophysis vom Standpunkte
des Rhinologen. Arch. fiir Laryngol. XXIII S, 228.
Zur Vermeidung der geführlichen intrakraniellen und der entstellen-
den extrakraniellen Methoden hat West einen rein intranasalen Zugangs-
weg gesucht und methodisch ausgearbeitet. Nach Entfernung beider mitt-
lerer Muscheln werden beide Sinus sphenoidales breit eröffnet. Sodann
wird ein Parallelogramm entsprechend der Zuckerkandlschen Linie aus
dem Septum herausgemeisselt, welches direkt auf das Keilbeinhóhlenseptum
führt; dies wird gleichfalls entfernt. Bis hierher kann sicher unter lokaler
Anästhesie gearbeitet werden. Sodann wird die Sella turcica eröffnet, wo.
bei man wegen der Nähe der Karotiden und Optici nabe der Mittellinie
bleiben muss. Róntgenuntersuchung muss vorher über die Weite das
Sella-Eingangs orientieren, ist er mehr als 2 cm erweitert, so ist trans-
sphenoidale Operation nicht möglich. Arth. Meyer.
162 Literaturverzeichnis. [24
173. Wunder, Wolfstein, Über die Wirkung von Sauerstoff-
(Ozet)-Bädern auf den Stoffwechsel bei Basedowscher Krank-
heit. Med. Klinik 17. 1910.
Abgesehen von dem subjektiven Kältegefühl und der Erhöhung des
Muskeltonus, welche durch die Ozet-Bäder hervorgerufen werden, wirken
diese derart, dass die Harnstoffausscheidung meist um ein betrüchtliches
herabgesetzt und die Ausscheidung von Salzen (Elektolyten) im Harn er-
hóht wird; mit letzterem geht auch gleichzeitig die Harnmenge in die
Hohe. ! Sippel, Würzburg.
174. J. Znojemsky, Adenoma congenitale verum glandulae
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Akademie Katser Franz Joseph f. Wissenschaft Literatur und
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Hühnereigrosse Geschwulst mit mächtiger Bindegewebskapsel. Mikro-
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Die Geschwulst musste am 2. Lebenstage ohne Narkose oder Anäs-
thesie wegen Indicatio vitalis operiert werden. Das Kind genas. Es ist
dies der 5. Fall derart aber beobachtet wurde, der 3. mit günstigem Aus-
gang. Eine kongenitale Struma aus einer azzesorischen Drüse wurde vor-
ber noch nicht beobachtet. R. Imhofer.
III. Literaturverzeichnis.
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IV. Bücherbesprechungen.
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aus dem Englischen von Dr. Friedrich B. Stubenvoll. Verlag Schuster
& Löffler, Berlin. Preis Mk. 7.—.
»Auf rein mechanischer Grundlage beruhenden Gesangsunterricht gibt es nicht
Der Lehrer hat absolut kein Mittel, um dem Schüler rein mechanisch zu zeigen,
wie er den Ton zu bilden und auszuführen hat, er kann nichts anderes tun,
als sich auf das Nachahmungsvermügen des Schülers, kontrolliert durch das ver-
feinerte musikalische Gehör desselben, zu verlassen und nur auf diesem Wege
ist eine Stimmbildung möglich; darin beruht auch das Geheimnis der Lehrmethode,
der alten italienischen Meister, welche scheinbar verloren gegangen ist."
Dies ist der Succus dessen, was Taylor auf 314 Seiten zu sagen hat, wobei
gleich bemerkt werden muss, dass eine kürzere Fassung des Buches, vor allem
durch Einschrünkung der endlosen und ermüdenden Wiederholungen, möglich und
vorteilhaft gewesen würe, obne dass dabei der gedankliche Inhalt zu kurz ge-
kommen würe. Dennoch muss man sagen, dass Taylors Werk durchaus ernst
genommen zu werden verdient und dass es turmhoch über einer grossen Reihe
ähnlicher Elaborate steht, die alle nach einem Leisten gearbeitet sind. Erst wird
über alle Methoden geschimpft und dieselben in den Staub getreteu und zuletzt
eine mindest geradeso widersinnige Methode als allein seligmachende orbi et urbi
verkündet, die dann wieder im nächsten Werke erbarmungslos von ihrem Piedestal
herabgerissen wird. Auch Taylor reisst das Gebüude des bisherigen Gesangs-
unterrichts ein, aber das, was er an dessen Stelle setzt, ist tatsächlich etwas
von dem Bisherigen Grundverachiedenes und Taylor zieht direkt gegen die Grund-
prinzipien der heutigen Unterrichtsmethoden zu Felde, in vieler Hinsicht mit Recht.
Jeder vernünftige Lehrer und auch die Stimmärzte werden zugeben, dass die rein
empirische Methode mehr in den Vordergrund gestellt werden sollte, und vor allem
der Nachahmungstrieb des Schülers mehr geweckt und geschult werden müsste,
als dies bisher der Fall war. Aber das ganze Lehrgebüude allein darauf auf-
zubauen geht doch zu weit, und Taylor müsste erst durch eine stattliche Reihe
praktischer Erfolge die Richtigkeit seiner Ideen erweisen. Es ist nicht möglich,
im Rahmen dieses Referates auf alle Punkte, die Taylor in seiner, ich wieder-
hole es nochmals, sehr schätzenswerten Arbeit ausführt, zurückzukommen. Es
wären dafür wohl nicht 300, aber mindestens 100 Seiten nötig. Nichtsdestoweniger
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 2. 12
168 Bücherbesprechungen. [30
kann ich es mir nicht versagen, wenigstens einiges von Taylors Lehren
kritisch zu beleuchten. Taylor übersieht eines vollständig: nämlich, dass an
der Stimmbildung eine Reihe verschiedenwertiger Muskelgruppen beteiligt sind,
die in verschiedenster Weise dem Willen untergeordnet sind. Es ist gauz
richtig, dass der Schüler absolut nicht weiss, wie er die Muskulatur seines Kehl-
kopfes stellt und auch der Lehrer darüber keine sichtbaren oder fühlbaren Anhalts-
punkte besitzt. Diese Muskeln sind also nur insoferne dem Willen unterworfen,
als der Ton hervorgebracht werden und in seiner Höhe und Stärke verschieden
abgestuft werden kann, ohne dass hier eine bewusste, kontrollierbare Muskelaktion
in Anspruch genommen wird. Dagegen sind alle Muskeln vor dem Gaumensegel,
aleo die Zunge, die Lippen, die Wangen-Muskulatur durchaus dem Willen des
Sängers unterworfen, sie können nicht nur durch das Gefühl, sondern auch durch
.das Auge kontrolliert werden und es ist unrichtig, dass diese Muskeln von Natur-
sängern in vollkommen richtiger Weise beherrscht und nach dem Prinzipe des
kleinsten Kraftausmasses verwendet werden. Hier kann, soll und muss der Lehrer
eingreifen, hier muss er dem Schüler an die Hand gehen, um Hindernisse, die eben
durch unzweckmässige Stellung dieser Muskelgruppen entstehen, zu beseitigen,
und gerade diese Muskelgruppen haben auf die Klangfarbe des Tones und auf seine
Tragfähigkeit einen grossen Einfluss. Wenn man aus Taylors Anschauungen
die Konsequenzen ziehen wollte, so könnte eigentlich nur der unterrichten, der
eine tadellos ausgebildete und geschulte Stimme sein eigen nennt. Dies scheint
auch Taylor bis zu einem gewissen Grade einzusehen und er sucht diese Forderung
doch, so gut es geht, mit den Tatsachen in Einklang zu bringen, indem er (Seite 311)
sagt: ,Wührend man ferner nicht von ihm — (dem Gesangslehrer) — verlangen
kann, dass er ein grosser Sänger sei, muss man wenigstens verlangen, dass er die
Mittel seiner eigenen Stimme vollkommen beherrsche* und doch, wie viel Lehrer
gibt es, die kaum über einen nennenswerten Rest von Stimme verfügen und sich
wohl hüten, ihren Schülern diese Reste zur Nachahmung vorzuführen? Ist es doch
bekannt, dass Garcia den Gesangslehrerberuf erst ergriff, ala er — durch Singen
während der Mutation — um seine Stimme gekommen war. Hat jemand von
einem Sänger namens Ress oder Iffert gehört? Und doch geniessen diese
als Lehrer Weltruf. Ja, ich kenne Gresangslehrer, die überbaupt nie als Sänger
tätig waren sondern aus dem Kapellmeisterberufe hervorgegangen sind und deren
Unterrichtsresultate, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, durchaus tadellose sind.
Der Begriff der Kehlsteifheit, die Taylor als Hauptursathe aller Erkrankungen
des Süngerkehlkopfes auffasst, ist nur als Terminus neu; die in diesem Punkte
niedergelegten Anschauungen sind durchaus zutreffend, doch hätte insbesondere
eine kurze Erwähnung der Phonasthenie Platz finden sollen, die aber dem Ver-
fasser nicht bekannt zu sein scheint, und die doch auch ftir den Gesangslehrer
eine mindestens ebenso grosse Bedeutung hat, wie für den Arzt. Mit Genugtuung
zu begrüssen ist auch die strikte Betonung und Aufrechterhaltung des Prinzipes
des kleinsten Kraftausmasses beim Singen (Seite 160), nur móchte ich, ohne mich
hier auf Prioritütsstreitigkeiten und Kifersüchteleien einzulassen, konstatieren, dass
ich in drei meinet Arbeiten („die Krankheiten der Singstimme“ 1904, „Le chast
avec fausse attaque“ 1905, und „Die Phonasthenie der Sänger“ 1909) auf die Be-
deutung eben dieses Prinzipes eindringlichst hinzuweisen Gelegenheit genommen habe.
Da ich selbst weder ausübender Sünger noch Lehrer bin, habe ich es der
Mühe Wert geglaubt, die Ansichten der Berufsgenossen Taylors über diesen
Punkt anzuhören und zweien unserer hervorragendsten Lehrer — einer Dame und
einem Herrn — die Ansichten Taylors vorgelegt und ihre Meinung eingeholt,
Beide sagten übereinstimmend, dass das Nachahmungsvermögen des Schülers abs olut
nicht zu einer fehlerfreien Ausbildung der Stimme hinreiche. Beide hatten Schüler
in Hünden gehabt, die nach diesem Prinzipe ausgebildet worden waren und bei
sämtlichen dieser Schüler waren Defekte der Stimme vorhanden gewesen. Die
Stellung der Lippen, des Mundes etc. sind etwas ganz Individuelles und nicht von
der Natur Gegebenes und diese für das Optimum der Tonerzeugung einzustellen,
31] Bücherbesprechungen. 169
ist Sache des Lehrers und kann nur durch Anschauung, aber nicht durch das Ohr
allein gelebrt werden. , Würde ich mich auf die Nachahmungsfähigkeit des Schülers
verlassen“ sagte mir Frau L. N.", 80 würden meine Lehren gerade so lange reichen,
bis der Schüler durch die Türe meines Zimmers hinausgegangen würe". Die
selbe Dame konnte mir sofort ad oculos demonstrieren, wie man den Knódelton
durch Rückwürtsdrüngen des Zungengrundes erzeugt und in derselben Minute ver-
anschaulichen, wie man diesem Ton durch entsprechende Stellungsünderung der
Zunge abhilft. Ich will zugeben. dass es auch möglich wäre, einem Schüler, der
knddelt, durch Vorsingen der falschen und dann der richtigen Töne diesen Fehler
abzustellen, aber ich glaube, dazu würde man eben so viele Stunden brauchen, wie
auf mechanischem Wege (um mit Taylor zu sprechen) Minuten. Unter 100 Schülern,
meinten beide Gewährsmänner, wird kaum einer sein, der durch Nachahmung allein
es zu einer nennenswerten Stimmbildung bringen kann.
Ich willnoch erwähnen, dass T a ylor für seine Arbeit umfangreiche Literatur-
stydien gemacht hat ; über 50 Nummern enthält das am Schlusse angeführte Literatur-
verzeichnis, nur sind dabei die von ärztlicher Seite beigesteuerten Publikationen
etwas zu kurz gekommen und was Taylor hier unter die Hände gekommen ist,
so die Werke von Mandl, M. Mackenzie, ist längst veraltet. Auch ist Jie
nicht in englischer Sprache erschienene Literatur, wie es bei amerikanischen Autoren
leider meist der Fall ist, sehr stiefmütterlich bedacht. Hätte Taylor auch einmal
die Werke von Gutzmann und Flatau, A.und E. Barth, Gerber, Castex
und anderen studiert, dann hätte er die Grenzen unserer Erkenntnis der Tätigkeit
des Stimmapparates etwas weniger eng gesteckt. Ich glaube. dem Werke Taylors
eine ausführlichere Würdigung schuldig zu sein; denn das, was wir sonst auf
dem Gebiete der Stimmbildung in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen
haben, „das lohnte wahrlich keinen Streich“. Gewiss wäre das Buch berufen,
wenn auch nicht die beabsichtigte Umwälzung der Stimmbildung hervorzurufen,
so doch auf dieses wichtige Fach einen wohltätigen Einfluss auszuüben. Wenn
die Lehrer und auch die mit der Stimmbehandlung sich beschäftigenden Ärzte,
denen das Buch wärmstens zum Studium empfohlen werden kann, beim Unter-
richte, resp. bei der Behandlung der Stimme ohne Verdrüngung des mechanistischen
Unterrichtes der Nachahmung und der Kontrolle des Ohres einen grösseren Spiel-
raum einräumen als es bis jetzt geschieht, so wird dies schon einen Erfolg be.
deuten, der nicht zu unterschützen ist.
Ein Wort der Anerkennung sei dem Übersetzer des Werkes, Heirn Dr.
Friedrich B. Stubenvoll gewidmet, der durch eine fliessende Wiedergabe
sich dag nicht zu unterschützende Verdienst erworben hat, das interessante Werk
auch den deutschen Fachkreisen näherzubringen, und sich in taktvoller Weise von
Zusätzen, Fussnoten und Anmerkungen, von denen sonst solche Übersetzungen
wimmeln, ferngehalten hat. R. Imhofer.
Doc. Dr. J. Cisler, Prag. Choroby nosu, hitanu a dutiny ustni. (Die
Krankheiten der Nase, des Rachens und der Mundhóhle). Prag 1909,
mit 95 Abbildungen.
Während bei der grossen Anzahl von Lehbrbüchern der Rhino-Laryngologie,
ein Werk dieser Art sonst vor der Kritik erst seine Daseinsberechtigung erweisen
muss, erweist sich dieselbe bei diesem ersten in tschechischer Sprache geschriebenen
Buche von selbst und so konnte Cisler unbekümmert um solche Konkurrenz-
rücksichten an die Arbeit gehen und ein wirkliches Lehrbuch in besten Sinne des
Wortes schreiben, d. h. ein Buch, wo Student und Praktiker in extenso das ge-
schildert finden, was sie brauchen, wo ihnen aber auch Fortschritte der modernen
Rhinologie, die wenigstens heute noch in das Gebiet des Spezialisten gehören, wie
z. B. die Paraffinbehandlung der Ozüna, die Hypopharyngoskopie, in Umrissen
vermittelt werden; Cisler versteht es ausgezeichnet das hervorzuheben, was der
Technik und dem Instrumentarium des Praktikers erreichbar ist, besonders sei hier
auf die Kapitel Nasenbluten, Ozüna, Nebenhühlenempyeme aufmerksam gemacht.
12*
170 Bücherbesprechungen. [32
Beim Kapitel Epistaxis sei besonders der Satz, dass bei plethorischen Individuen
und bei vikariirenden Blutungen es am besten ist, dieselben in Ruhe zu lassen, ver-
merkt, ebenso richtig ist die Warnung vor dem Eisenchlorid. Dagegen vermisse
ich hier das gerade für den Praktiker brauchbare Wasserstoffsuperoxyd. Einige
kleine Bemerkungen mögen noch Platz finden. Die Abtragung der mittleren Muschel
mit der Schlinge allein, wie sie Cisler abbildet, wird dem Anfänger in den
wenigsten Fällen gelingen; hier ist der von Hajek meines Wissens zuerst ein-
geführte kleine Kunstgriff der vorherigen Einkerbung sehr brauchbar. Bei der
Angina lacunaris hätte die nur bei der Diphtherie kurz erwähnte gerade von tschechi-
scher Seite (G u tt ma n n) empfohlene Pyocyanase auch genannt werden müssen. Die
Haarpinsel und Schwämmchen, die Cisler abbildet, sollten allmählich aus dem
Instrumentarium des modernen Rhinologen verschwinden.
Dem praktischen Zwecke des Buches entsprechend hat der Verf. den Dermatosen
der Nase einen ziemlich breiten Raum gewidmet und hier verdienen die den
Abbildungen und Moulagen der tschechischen dermatol. Klinik entnommenen
Illustrationen alles Lob (besonders sei hier eine Abbildung von Aktinomykose und
Hämangioma cavernosum erwähnt). Den Schluss des Buches bildet ein Kapitel
Parotitis und Pfeiffersches Drüsenfieber, die sich sonst kaum in laryngologischen
Lehrbüchern finden, aber gerade wegen ihrer differential-diagnostischen Bedeutung
von den Laryngologen gekannt sein sollen.
Man kann dem Buche Cislers, welches mit dem vorliegenden Bande voll-
endet ist, nachrühmen, dass die tschechische medizinische Literatur damit ein
Fachwerk gewonnen hat, das denen anderer Sprache in keiner Weise nachsteht.
R. Imhofer.
Otto Körner, Lehrbuch der Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten.
Nach klinischen Vorträgen für Studierende und Ärzte. Zweite,
völlig umgearbeitete und vermehrte Auflage des Lehrbuches der
Ohrenheilkunde. Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann. 1910.
Wenn dieses Werk auch den Titel Lehrbuch der Ohren-, Nasen- und Kehl-
kopfkrankheiten trügt, es bleibt in erster Linie, was es war, ein vortreffliches
Lehrbuch der Ohrenheilkunde, dem nur ein kurzer Abriss der Rhino-Laryngologie
vorangegeben wurde. Da aber der Autor in besonderem Masse ,den Bedürfnissen
der auf dem Lande oder in kleinen Stüdten oft fern von spezialistischer Hilfe
wirkenden Árzte* Rechnung trügt, so wird wohl die etwas zu kompendiöse
Zusammenfassung der Materie den vom Autor gewollten Zweck erfüllen kónnen.
Sehr instruktiv sind die anatomischen Illustrationen, die, was den laryngo-rhino-
logischen Teil betrifft, fast alle dem vortrefflichen Atlas der topographischen
Anatomie von Corning entnommen sind. Katz, Kaiserslautern.
P. H. Gerber, Die Syphilis der Nase, des Halses und der Ohren.
Zweite Auflage. Berlin bei S. Karger. 1910, 6 M.
Erst kürzlich ist in dieser Zeitschrift ein umfassendes Werk des Verfassers
besprochen worden. Die hier vorliegende zweite Auflage reiht sich den übrigen
Werken Gerbers würdig an; seine guten Eigenschaften als medizinischer Autor
wie reiche persönliche, kritisch durchgearbeitete Erfahrung, umfassende Literatur-
kenntnis und klare Darstellung zeichnen auch dieses Erzeugnis rastloser wissen-
schaftlicher Arbeit aus.
Das erste Kapitel zerfällt in die Besprechung der Syphilis der Nase und
ihrer Nebenhöhlen. Es ist Gerbers Verdienst, die Beteiligung der Syphilis aa
der Entstehung der Komplikationen der Stirnhöhlenerkrankungen auf das richtige
Mass zurückgeführt zu haben. Er verkennt jedoch durchaus nicht, dass das
Bild eines klassischen Empyems durch eine primäre syphilitische Erkrankung
der Wand einer Nebenhóhle hervorgerufen werden kann und gibt dafür ausser
einer eigenen Krankengeschichte reichliche Angaben aus der Literatur. Es ist
aber nicht zu verkennen, dass es sich bei den entzündlichen Eiterungen der
Nebenhöhlen fast ausschliesslich um sekundäre Beteiligung des Knochens handelt,
33) Gesellschafts- und Kongressberichte. 171
während bei einer grossen Gruppe der syphilitischen Empyeme der Knochen
primär erkrankt ist. Auf die Knochenerkrankung muss daher der grösste Nach-
druck gelegt werden und es dürfte sich daher meines Erachtens mehr empfohlen
haben, von der Syphilis der Nase und Gesichtsskeletts zu sprechen, in dieser
Beziehung von der gebräuchlichen Darstellung abzuweichen, die Nebenhöhlen-
erkrankungen hätten sich dann zwanglos in diesen Ralımen eingefügt. In einer
solchen Form der Bearbeitung hätte sich dann auch leichter für ein Moment
Raum ergeben, das für die Kenntnis des Verlaufs der syphilitischen Knochen-
erkraukungen von der grössten Wichtigkeit ist, nämlich das durchaus regellose
dieser nekrotischen Prozesse, die sich an keine anatomische Grenze halten, die
daher auch nicht als isolierte Erkrankung einer Nebenhöhlenwand aufzutreten
brauchen, wenn sie es auch manchmal tun. Auch derjenige, der häufiger Lues
der Nase sieht, wird immer wieder überrascht dadureh, dass eine scheinbar
kleine raube Knochenstelle nur einen Teil einer weitgreifenden Nekrose darstellt,
deren Bestehen die Heilung verzögert. Ich glaube, dass die hier angedeuteten
Momente, deren klinische Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen ist,
bei einer anderen Darstellungsform besser zum Ausdruck kommen würden.. Die
bisherigen , Untersuchungen auf Wassermannsche Reaktion (S. 25) haben
die Ansicht von dem syphilitischen Ursprung der Ozaena nicht zu stützen
vermocht. |
Wir wollen weiter nicht auf Einzelheiten eingehen.
Das Buch Gerbers ist in einem Augenblicke erschienen, in dem durch
die Therapia magna sterilisans Ehrlichs in der Behandlung der Syphilis ein
gewaltiger Umschwung sich vorzubereiten’ scheint. Aber noch dürfte selbst bei
hochfliegenden Hoffnungen die Zeit recht fern sein, in der die reichen Kenntnisse,
die hier niedergelegt sind, an praktischem Wert einbüssten. Das Buch sei daher
wärmstens empfohlen. | Bl.
V. Gesellschafts- und Kongressberichte.
Verhandlungen der Dänischen Oto-Laryngologischen Gesellschaft.
64. Sitzung vom 3. November 1909.
Vorsitzender: Prof. Mygind.
Schriftführer: Dr. Blegvad.
I. A. Gramstrup: Ein Fall von asymmetrischen adenoiden Vegetationen
mit Abszess.
Ein 18jähriger Mann bekam plötzlich rechtsseitige Ohr- und Schluck-
schmerzen; Röte und Schwellung des rechten Seitenstranges, sonst nichts Be-
sonderes. Katheterisieren der rechten Tube mechanisch erschwert. Exploration:
Vegetationen, vorwiegend rechts; die entfernte Rachentonsille zeigte nach rechts
stärker hypertrophische Lappen, in der Gegend der Tuba einen geschlossenen
Abszess. |
Diskussion: Mygind, Gramstrup.
II. A. Gramstrup: Drei Fälle von traumatischen Erkrankungen der
Kieferhöble.
In zwei Fällen handelte es sich um Patienten, die durch starke Traumen
des Alveolarfortsatzes mit späterer Fistelbildung bei sonst gesunden Zähnen ein
Antrumleiden erworben hatten.
172 Gesellschafte- und Kongressberichte. [34
. Der dritte Fall betraf einen 35j&brigen Mann, der sich ver 10 Jahren mit
einer Stecknadel den ersten Mahlzahn im knken Oberkiefer reinigte; es schien ihm,
als verschwünde die Nadel in den Zahn hinauf, weshalb er denselben ziehen liess,
ohne dass jedoch die Nadel gefunden wurde. Während der letzten paar Jahre
ab und zu eitriger Schnupfen der linken Nasenhälfte; Concha media rot und ge-
schwollen; Rhinoscopia posterior und Durchleuchtung ergibt nichts Besonderes.
Röntgenuntersuchung jedoch zeigte, dass unter und hinter der mittleren Muschel
eine 2!/s cm lange Stecknadel sass, den Kopf in der Wand des Antrum. Die
Nadel wurde mittelst einer gebogenen Zange entfernt.
Übrigens otologische Mitteilungen.
65. Sitzung vom 18. Dezember 1909.
Nur Otologisches wurde vorgetragen.
66. Sitzung vom 16. Februar 1910.
Vorsitzender: Dr. Gott]. Kiär.
Schriftführer: Dr. Blegvad. |
N. Rh. Blegvad: Tonsillektomie (mit Demonstration von Instrumenten).
Die beste Behandlung der chronischen Tonsillarerkrankungen bei Er-
wachsenen ist die Tonsillektomie, und zwar muss sie in folgenden Fällen vor-
genommen werden: 1. bei wiederholten Anfällen akuter Tonsillitis, 2. bei
wiederholten Anfällen peritonsillärer Abszesse, 3. bei einer Tonsillitis lacunaris
chronica, die besondere Symptome verursacht, 4. in Fällen, wo der Patient schon
einmal eine von der Tonsille ausgehende ernste Infektion durchgemacht, 5. in
Fällen von Adenitis colli, bei denen kein anderer Ausgangspunkt nachgewiesen
werden kann.
Blegvad empfiehlt die Tonsillektomie mittelst der Schlinge. Die Schlinge vom
Peters arbeitet gut und zuverlässig. Ferner hat Blegvad eine Zange zum Fest-
halten bzw. Hervorzieben der Tonsille konstruiert; sie ist in der Weise verfertigt,
dass sich die Schlinge über die schon angelegte Zange einschieben lässt.
B. hat 16 Tonsillektomien vorgenommen und in keinem Falle beträchtliche
Nachblutung erlebt. Die Resultate waren befriedigend.
Diskussion:
Vald. Klein frügt, ob man nicht statt Kokain Novokain verwenden könne.
P. Tetens Hald: Eine wirklich vollständige Entfernung des adenoiden
Gewebes lässt sich wohl bei der angegebenen Operation nicht erzielen.
Die aufgestellten Indikationen fand Hald sehr zutreffend, nur kónnte man
sich bei chronischen „Mandelpfropfen“ gewöhnlich mit Amygdalotripsie begnügen.
Hald würde die Schlinge von Vacher vorziehen.
Schmiegelow hat mehrere Tausende Tonsillotomien vorgenommen und
sei mit dem Tonsillotom von Mackenzie sehr zufrieden. Bei den kleinen
Tonsillen hat er bei partieller Resektion ausgezeichnete Resultate erzielt; die
Methode von Blegvad sei seiner Meinung nach erstens zu kompliziert, zweitens
überflüssig. ij
Mygind ist mit der gewöhnlichen Tonsillotomie bei Kindern sehr zu-
frieden, nur selten sei eine Wiederholung der Operation nötig. Bei den fast. aua-
schliesslich bei Erwachsenen vorkommenden „small but diseased tonsils“ aber
habe die 'l'onsillektomie sicher ein grosses und dankbares Feld.
Jórgen Móller hatte bisher ein wirklich praktisches Instrument zum Her-
vorziehen der Tonsille vermisst und sei deshalb froh, dass Blegvad seine Zange
konstruiert habe.
Die fortwährend wiederkehrenden Infektionen gehen bei Erwachsenen vor-
wiegend von dem oberen Pol aus und Möller hat deshalb schon vor 7 Jahren
auf die Bedeutung einer gründlichen Behandlung dieser Region aufmerksam ge-
macht. «Er sei bisher mit dem Morcellement sehr zufrieden gewesen, die Tonsill-
ektomie in der von Blegvad vorgeführten Gestalt scheine ihm aber so bequem,
dass er geneigt, sei die Methode zu versuchen.
36] Gesellschafts- und Kongressberichte. 173
Willaume Jantzen: Die Entfernung der Tonsillen mittelst der kalten
Schlinge ist eine sehr hübsche Methode, jeduch kann es bei einer gewöhnlichen
Schlinge bisweilen passieren, dass beim Zuziehen der Draht bricht.
Gottl. Kiär: Die peritonsillaren Abszesse sind bekanntlich weit
häufiger als die tonsillären; die Ursache sei vielleicht die, dass die Infektion
nicht immer durch die Tonsille stattfindet, sondern durch oberflächliche Läsionen
der Schleimhaut.
Jörgen Möller denkt, dass der peritonsillare Abszess gerade von dem
oberen Pol her entsteht, wo man keine fibróse Kapsel findet.
Blegvad hat das Novokain versucht, es aber ziemlich wirkungslos ge-
funden und sei deshalb wieder zum Kokain zurückgekehrt. Die Frage wie oft
nach einer einfachen Tonsillotomie Rezidiv auftritt, ist schwer zu beantworten;
man muss in Betracht nehmen, dass teils nicht alle Patienten sich einer erneuten
Operation unterziehen wollen, teils dass sie nicht immer zu dem Arzt zurück-
kehren, der die erste Operation vorgenommen hat. Bei Erwachsenen ist es am
sationellsten eine erkrankte Tonsille mittelst Tonsillektomie zu behandeln, nach
Morcellement u. dgl. treten häufig Rezidive auf. Gegen Bebandlung mit Amygdalo-
tripsie u. dgl., die immer wieder vorgenommen werden muss, hat die ‘onsill-
ektomie den Vorteil, dass der Patient mit einem Schlag geheilt wird.
Natürlich ist es nicht immer möglich, alles zwischen den Gaumenbögen
liegende adenoide Gewebe zu entfernen, der pathologisch sehr wichtige obere
Pol lässt sich aber vollständig entfernen.
Was den Infektionsweg der peritonsillären Abszesse betrifft, ist es wohl
die allgemeine Meinung, dass dieselbe durch die Tonsille selbst oder auch durch
eine tiefe Fossa supratousiluris gebt; dass die Entzündung nicht die Tonsille
selbst ergreift, sondern das ausserhalb derselben liegende lockere Bindegewebe
lässt sich wahrscheinlich dadurch erklären, daes die Bedingungen für eine An-
sammlung von Eiter daselbst viel besser sind als in dem straffen Tonsillengewebe,
wo ausserdem eine lebhafte Phagozytose besteht.
Ausserdem eine otologische Mitteilung. Jörgen Möller.
Jahressitzung der Franzésisehen Gesellschaft für Oto- Rhino-
Laryngologie.
Paris 9. bis 12. Mai 1910.
Rhino-Laryngologischer Teil.
Sitzung vom 9. Mai.
Trétrop (Antwerpen): Uber Asepsis und Antisepsis in der
tiglichen oto-rhino-laryngologischen Praxis. Zusammenstellung der
im allgemeinen üblichen antiseptischen Vorsichtsmassregeln und Angabe eines
neuen Instrumentes, um kleinere Instrumente wührend der Untersuchung zu
fixieren, um die aseptische Glasplatte der Instramententisches nieht zu be-
schmutzen.
Raoult (Nancy): Strumitis suffocans subacuta. In den Re-
feraten mitgeteilt.
Luc: Behandlung der eiterigen Kieferhóhlenentzünduug.
Die Spülungen der Kieferhöhle vom unteren Nasengange aus sollen nicht öfter
wie 10—12mal gemacht werden. Kieferhöhlenentzündungen, die mit dieser
Anzahl von Spülungen nicht geheilt sind, haben wenig Aussicht nach dieser
Methode geheilt zu werden. Es ist aber unter allen Fällen vorteilhafter von
vornherein dem Patienten die Methode anzuraten, die ihm die gróssten Chancen
der Heilung sichert und das ist die breite Eröffnung von der Fossa caniua aus.
Seitdem diese Operation in Lokalanásthesie gemacht wird, hat sie den Haupt-
einwurf, den man gegen sie erhob, die relative Schwierigkeit der Technik, ver.
174 Gesellschafts- und Kongressberichte. [36
loren. Alle anderen, mehr konservativen Methoden, den Sinus von der lateralen
Nasenwand aus zu eröffnen, leiden an dem Nachteil, dass sie eine Verstümmelung
der unteren Nasenmuschel vorausseizen, die bei der Luc-Caldwellschen
Operation nicht notwendig ist.
In der darauffolgenden Diskussion haben sich die Diskussionsredner ziem-
lich zurückhaltend gegen den Vorschlag von Luc gezeigt. Vacher hält an
seiner Methode fest, vom unteren Nasengang mit der elektrisch getriebenen
Fraise den Sinus anzubohren, Mahu möchte die von ihm eugesenenen Instru-
mente zum Anbohren des Sinus verwendet wissen.
Jacques (Nancy): Uber Meningitis nach Operation der Sinu-
sitis fronto-ethmoidalis. Der Autor hat zwei Patienten, die ausser ihrer
Nebenhóhleneiterung keine Krankheitssymptome zeigten, 48 Stunden nach der
Operation an foudroyanter Meningitis verloren. Bei der Autopsie fand sich keine
Erkrankung des Knochens, keine Verletzung der Lamina cribrosa, die Lymph-
gefüsse der Hirnhaut waren strotzend gefüllt. Jacques glaubt, dass es an.
gezeigt ist, während der Schmerzattacken nur eine kleine Öffnung am Boden der
Stirnhöhle zu machen und ven da aus zu drainieren. Die radikale Operation soll
für das schmerzfreie Intervall aufbewahrt werden. Bei der radikalen Operation
muss man die obere Muschel, die Siebplatte und die Gegend der Riechspalte am
Septum schonen.
Diskussion:
Luc hat die schreckliche Komplikation nicht mehr erlebt, seitdem er den
Boden der Stirnhóhle nach dem Vorschlage von Killian und Taptas voll-
kommen entfernt und auf diese Weise das Siebbein ausrüumt. In den zwei Fällen
von Jacques bestand wahrscheinlich die Meningitis schon vor der Operation. In
solchen Füllen ist es angezeigt nach Killians Vorschlag den Krankheitsherd
breit zu eröffnen und unter feuchten Verbänden durch 48 Stunden offen zu halten.
Vacher hält die radikale Stirnhöhlenoperation als in den seltensten
Fällen für indiziert. In den weitaus meisten Fällen ist Vacher mit intranasalen
Operationen ausgekommen.
Lavrand (Lille); Pathogenie und Behandlung der Polypen
der Nasenhóhle. Der Autor resümiert die Theorie von Woakes.
Sargnon (Lyon): Über Laryngostomie: Zusammenstellung der im
Jahre 1909 über die Kehlkopftracheal-Stenosen veröffentlichten Arbeiten. Kurze
Angabe der vom Autor befolgten Technik der Laryngostomie, die im allgemeinen
der Killianschen äbnlich ist.
Sargnon (Lyon): Über Tracheo-Ösophagoskopie. Zensorische Zu-
sammenfassung einiger vom Autor bebandelter endoskopischer Fille.
Sieur und Rouvillois: Desinfektion des Nasopharynx. Die
Autoreu haben einen Apparat konstruiert, mittelst dessen durch eine Nasenkanüle
Dämpfe (Jod, Formol) in das Cavum geleitet werden.
Jacques: Über Nasenrachenfibrome. Die Nasenrachenpolypen ent-
springen nicht, wie allgemein angegeben wird von der Apophysis basilaris (Rachen-
dach), sondern von der Nasenhöhle, und zwar von der Regio ethmo-sphenoidalis
aus. Später entstehen sekundäre Wucherungen und Adhärenzen namentlich mit
dem Vomer. Besonders wichtig ist der Auswuchs in den Keilbeinkörper, weil
dieselbe von hier aus in den Schädel eindringen kann. Die Entfernung dieser
Tumoren vom Munde aus ist unsicher. Der einzige richtige Weg, der vollen
Schutz gegen Blutung gewährt und die Möglichkeit bietet, alles zu entfernen, ist
der Weg von der Nase aus, nach Erweiterung der Apertura piriformis.
Moure: Zur Querdurchtrennung des Zungenbeins. (LaLaryn-
gotomie transhyoidienne) Die von Gussenbauer eingeführte Methode
kann von schweren Stórungen gefolgt sein. Moure hat an allen so operierten
Füllen eine Stenose des Kehlkopfes entstehen sehen, die durch Dehnung des
Kehlkopfes von vorne nach hinten bedingt war. Aryknorpel und Stimmbünder
37] Gesellschafts- und Kongressberichte. 175
können sich während der Inspiration nicht genügend voneinander entfernen, die
Glottis bleibt elliptisch, statt die Form eines Dreiecks anzunehmen.
Sitzung vom 10. Mai.
Es folgt zunächst die Diskussion zu dem otologischen Referate der Herren
Jacques und Gault. Die isolierte Ostitis und Periostitis des Felsenbeines.
Auf diese folgen einige kurze Vorträge, namentlich otologischen Inhaltes.-
Sitzung vom 11. Mai.
Guisez (Paris) und Philip (Bordeaux) Berichterstatter: Indi-
kationen und Resultate der Broncho-Ösophagoskopie. Das Referat
gibt nur eine ganz kursorische Übersicht über die Bereicherung der Pathologie
und namentlich der Klinik, durch die Üsophagoskopie. . Das Studium des Krebeea,
der Speiseröhre ist insofern gefördert worden, ale wir die verschiedenen Formen
besser kennen gelernt haben und namentlich gesehen haben, wie oft fülschlich
Krebs diagnostiziert wird, wenn pathologische Prozesse, die klinisch die grisste
Analogie mit Krebs haben, sich abspielen. Ebenso ist das Studium der Stenose
des Osophagus erst durch Inspektion müglich geworden. Als neue Kapitel in der
Pathologie des Ösophagus können die Syphilis und Tuberkulose seit allerjüngster
Zeit gerechnet werden. Alle diese Krankheitsformen sind .von 'Guisez schon
wiederholt in früheren Pubhkationen ausführlich besprochen worden. Der Fremd-
kórper und Divertikel der Speiseróhre sind gleich zu Beginn der endoskopischen
Methode studiert worden. Ebenso wurden die klinischen Erfolge der Broncho.
skopie von Philip auseinandergesetzt. In den Schlussfolgerungen sagen "die
Berichterstatter, dass die üblen Zufülle bei der Endoskopie immer einer mangel-
haften Technik zuzuschreiben sind. Die Gelegenheit, die Broncho-Ösophagoskopie
auszuführen, sei so selten, dass diese Methode lieber eine Ausnahmsmethode in
den Händen sepziell hierzu Eingeübter bleiben sollte.
Diskussion.
Mermod berichtet über den Fall eines Patienten, der, von ihm cesophago-
Skopiert, solche Schmerzen in der Brust bekam, dass er seinem Leben durch
Suicidium ein Ende machte. Bei der von Mermod verlangten Autopsie fand
sich eine Perioesophagitis caseosa und Mediastinitis vor.
M oure berichtet über zwei ósophagoskopische Fülle, die technisch Schwierig-
keiten boten. Im ersten Falle glitt das Oesophagoskop so ungestórt in die Tiefe, dass
Moure das Fehlen des Fremdkórpers angenommen hatte, wenn er nicht beim
Rückziehen des Rohres eines Teiles des Fremdkörpers ansichtig geworden wäre.
Nach Extraktion desselben stellte es sich heraus, das es sich um. ein enormes
Fleischstück, fast eine ganze Kotelette, gehandelt hatte. Der zweite Fall betrifft ein
6 Monate altes Kind, bei dem Moure eine Brosche mit gleichzeitiger Benützung
der Róntgenstrahlen, die ihm ‘die Einstellung der Extraktionszange auf den
Fremdkórper gestatteten, entfernen konnte.
F. Lemaitre glaubt, dass es zu weit gegangen ist, jeden üblen Zufall bei
der Tracheo-Osophagoskopie der mangelhaften Tecknik zuschreiben zu wollen.
Andererseits heisst es sehr die Schwierigkeiten der Tecknik der neuen Methode
überschätzen, wenn man sie nur ganz speziell geschulten Spezialisten über-
lassen soll.
Lannois und Durand (Lyon), Submuköse Resektion des Septums
nach vorhergehender Rhinotomia. sublabialis. In einem Fall der
Autoren war die Deviation des Septums und die Naseneuge derartig, dass die
Autoren nicht vom Nasenloch aus operieren konnten, sondern zuvor die Operation
nach Rouge machen mussten, um sich Zugang zu verschaffen.
Diskussion: Rouvillois hält diese Modifikation der Killianschen
Operation nicht für nötig. Doch benützt er den von den Autoren betretenen
Weg, um die Anästhesie der Zahnwurzeln und des chondroostalen Wulstes am
Nasenboden, an der Spina nasalis, zu bewerkstelligen.
176 Gesellschafte- und Kongresaberichte. (38
Castex, Palatoplastik. Beschreibung der Technik. Castex operiert
nicht vor dem 7. Lebensjahre; doch hatte er Gelegenheit auch eine 52 Jahre alte
Patientin noch zu operieren.
König (Paris), Neue Instrumente zur submukósen Septum-
Resektion. a) Ein Lappenhalter, bestimmt den Schleimhautlappen in jeder
Position zu balten. b) Eine Modifikation der Struycken-Grünwaldschen
Scheere.
Kraus (Paris), Herstellung der Sprache nach Thyroidektoinie
und Abtragung von 5 Trachealringen.
Sitzung vom 12. Mai.
Die Zahl der Anwesenden hatte beträchtlich abgenommen. Mangels Be-
teiligung musste die Sitzung sogar auf einige Zeit unterbrochen werden.
Paul Viollet (Parie), Über die Drüsen der Nasenschleimhaut.
Merkwürdigerweise erwähnt der Autor nicht die intraepithelialen Drüsen.
Chavanne (Lyon), Sterilisierbare Hülse für das Pharyngoskop
vonHarold Hays. Der einzige Nachteil dieses Instrumentes war neben seinem
hohen Ankaufspreise die Unmöglichkeit dasselbe zu sterilsieren. Chavanne
liess sich eine Hülse, halb Metall, halb Glas über das Pharyngoskop machen (bei
Lépine in Lyon) und braucht so nur die Hülse zu desinfizieren. Gleichzeitig gibt
Chavanne auch an, wie mit leichten Modifikationen.das Pharyngoskop benützt
werden kann, zur Durchleuchtung der Kiefer- und Stirnhóhle.
Tbooris (Paris), Druckschwankungen unter Bespirationswir-
kung.
Delair, Über Prothesen des Gaumens, Die äusserst sinnreichen Pro-
thesen gestatten, wie mehrere vorgestellte Patienten zeigen, eine solche Korrektur
der Sprache bei Gaumenspalten, dass tatsächlich die mit Delairschen Prothesen
erzielten funktionellen Resultate die durch Operation erzielten bei weitem über-
treffen und sogar die Notwendigkeit derselben in Frage stellen.
Lautmann- Paris.
Niederlündischer Verein für Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenheilkunde,
XVIH. Versammlung in Amsterdam, 23. und 24. Oktober 1908!).
Vorsitzender: Van Anrooy.
Die nächste Versammlung wird in Leiden stattfinden. Es wird beschlossen,
fortan auf Kongressen die Vereinigung von Laryngologie und Otologie zu be-
fördern und dem vorläufigen Komitee des nächsten internationalen Laryngologen
kongresses den Wunsch des Vereins kennbar zu machen.
I. F. H. Quix (Utrecht). a) Die Atiologie der angeborenen Taubstummheit.
b) Demonstration von Präparaten des Gehörorgans eines Kindes mit tuberkulöser
Entzündung des Ohres und der Gehirnhäute.
II. G. J. E. Ruysch (Utrecht). Otolithbenverschiebung.
IIT. J. Leopold Siemens (Amsterdam). Die neue ka in der Diagnostik
der Labyrinthaffektionen.
IV. P..Th. L. Kan (Leiden). Ein Fall von otogenem Kleinhirnabszesa.
V. Th. E. Ter Kuile (den Haag). a) Retromaxillüres Fibrom und Nasen-
rachenpolyp. Redner weist auf die Verwirrung hin, welche bei vielen Autoren
noch immer besteht zwischen Nasenrachenpolypen, gewóhnlichen Polypen. welche
aus der Nase in die Nasenrachenhóhle hineinwachsen und diese ganz ausfüllen
können und dem klinisch sehr bösartigen, von der Schädelbasis wachsenden
retromaxillaren Fibroid. Die sehr grossen Nasenrachenpolypen operiert Ter Kuile
gewöhnlich unter Chloroformnarkose mit einer Drahtschlinge, welche er durch die
1) Nach dem Bericht des Schriftfibrers, Prof. Dr. H. Bur ger.
39] Gesellschafts- und Kongressberichte. 177
Nase in die Nasenrachemhóhle führt und mit dem Finger um den Tumor legt.
Bei einem 5jührigen Kinde operierte Ter Kuile ein Nasenrachenfibrom, welches
auch in der Orbita und in der Schädelhöble lag und welches Blindheit des linken
Auges verursacht hat. Das Jochbein und die laterale Wand der Orbita wurden
temporär reseziert. Unter der Fascia wurden schon Ausläufer des Tumors ge-
funden, welche nirgends mit der Umgebung verwachsen waren. Die in der
Schädelhöhle liegenden Ausläufer sollten später durch Trepanation entfernt werden,
aber die Operation wurde verweigert und der Patient starb einigen Wochen später.
b) Stereoskopische Demonstrationen. Hetromaxilláres Fibrom und retronasaler
Polyp, Jugularthrombose, Sarkom der inneren Nase, doppelseitige Stirnhöhlen-
operation, l,abyrinthoperation, tiefe Halsphlegmone, Mikrotie, Polyotie und andere
äusserlich sichtbare Ohren-, Nasen: und Halsaffektionen.
VI. B. Van Anrooy (Rotterdam). Demonstration eines Falles von Nasen-
geschwulst. Patient von 60 Jahren hatte seit zwei Monaten zunehmende Nasen-
verstopfung mit wiederholten Blutungen links. Ein grauer Tumor breitbasig
links vom knorpeligen Septum ausgehend. Bei mikroskopischer Untersuchung
zeigte sich der Tumor als Sarkom.
VII. J. R. Van Haselt (den Haag). Fremdkörper im Ohr. Der Fremd-
körper ist auf einem ungewohnten Wege in das Ohr geraten. Der Patient rannte
als 11 jähriger Knabe mit einem Griffel im Munde gegen einen andern Knaben.
Der Griffel brach ab und verursachte Ohrenblutung. Nach 5jähriger Behandlung
seitens des Hausarztes wird Patient von van Hasselt untersucht, welcher einen
grossen Ohrenpolypen festgestellt. Nach Entfernung des Polypen wird der Griffel
quer in dem äusseren Gehörgang sichtbar. Der Griffel konnte wohl rotiert werden,
aber die Extraktion von dem äusseren Gehörgang aus misslang. Endlich konnte
er entfernt werden dureh Ablösung der Ohrmuschel mittelst einer Inzision hinter
dem Ohr.
Vill. J. C. Henkes (Middelburg).: Nasenstein. Henkes zeigt einen Rhino-
lith mit einem Pflaumenstein ale Kern. Der Stein wurde entfernt bei einem
Herrn von 20 Jahren. Die Nase war sehr verstopft, aber nie hatte Patient ab-
norme Absonderung aus der Nase. Links hatte der Patient eine Spina septi und
hinter dieser befand sich eine graue Masse, welche sich mit der Sonde hart anfühlte.
Nach Resektion der Spina konnte der Stein nicht nach vorn entfernt werden und
wurde nach hinten in die Nasenrachenhöhle gestossen und vom Patienten durch
den Mund entfernt.
IX. J. van der Hoeven Leonhard (Amsterdam). Demonstration von
Instrumenten: WattetrAger für Zungenbasis und Nasenrachenböhle, Meissel für
Auswüchse am Septum nasi, einfaches Antiphon, Schlingenschnürer für schwere
Traktion, neusilbernes Róhrehen mit Tamponstábchen für Kondomtamponade der
Nase, aseptische Zange.
X. A. S8. Jacobson (Amsterdam). Demonstration von Instrumenten. In-
strument zur Parazenieee des Trommelfells und ein Instrument zum Anbohren
des Oberkiefers vom unteren Nasengang aus.
XI. C. H. Gantvoort (Amsterdam). a) Ein Fall von Lymphosarkom der
Nasenrachenhóhle. Eine Patientin von 19 Jahren war vor einem Jahre adeno-
tomiert. Im Mai 1909 wurde ein Rezidiv von Adenoiden entfernt, welches bei
mikroskopischer Untersuchung sich als adenoides Gewebe zeigte. Einen Monat
später ist die ganze Nasenrachenhöhle wieder ausgefüllt und ist Lymphdrüsen-
schwellung &m Halse aufgetreten. Unter zunehmendem Marasmus ist die Pa-
tientin im Dezember gestorben. b) Demonstration eines Nähinstrumentes für den
Mund.
XII. H. Burger (Amsterdam). Orbitalentziindungen von der Nase aus-
gehend. In 8 Jahren sind in Burgers Klinik 9 Patienten behandelt mit Orbital-
entzündung. In allen Fällen gingen die Entzündungen von der Nase aus, 8mal
von akutem 1mal von einer chronischen Eiterung der Nebenhóhlen. Burger
erwähnt kurz die Krankengeschichten und zieht folgende Schlussfolgerungen
178 Gesellschafts- und Kongressberichte. [40
1. Entzündungen der Orbita sind meist von nasalem Ursprung. 2. Entstehen
sie durch eine chronische. Nebenhöhlenentzündung, ist radikale Operation der
Höhle indiziert. 3. Die akuten Fälle kommen meist bei Kindern vor. 4. In einigen
Fällen kann die Orbitalentzündung hervorgerufen werden durch Eiterung von
Siebbeinzellen, welche nach der Nase keinen Abfluss haben, 5. Inzision eines Orbital-
abszesses allein führt bisweilen zur Heilung, weil akute Nebenhóhleneiterungen
spontan heilen können. 6. Wenn einfache Inzision in die Orbita dem Abszess
keinen genügenden Abfluss gewührt, ist breite Einschneidung mit Abhebeln des
Periostes und Operation der erkrankten Nebenhóhle angezeigt. 7. In vielen Füllen
leistet Adrenalinspray (1:6000, mehrmals tüglich) gute Dienste. Es gibt Fülle
von beginnender Orbitalentzündung, welche allein auf Adrenalin zurückgehen.
Diskussion: Quix, Struycken, Ter Kuile. l
XIII.. H. J. L. Struycken (Breda). a) Demonstration einiger otologischer
Instrumente. b) Die obere Grenze unseres Gehörs.
, XIV. H. De Groot. Das paneer ner ones verschiedener Stoffe
fir: Schall. -
XV. W. Pos — Meyjes Get Nasenleiden und Hyperazidität
des Blutes.' Redner meint, dass die Rhinitis vasomotoria eine lokale Áusserung
eines allgemeinen Leidens ist. Abweichungen in der normalen Zusammensetzung
des Blutes geben Anderungen in der Sekretion der Schleimhäute. Die Rhinitis
vasomotoria kommt vorab .in den besseren Ständen vor, nach Redners Meinung
als Folge einer veränderten Zusammensetzung des Blutes durch zu reichliche
Nuhrungsaufnahme. Dıe Untersuchung des Harns von Patienten mit. Rhinitis
vasomotoria zeigte, dass bei allen ein erhóhter Süuregrad bestand. Bei allen
Patienten fand Meyjes eine Hypertrophie der Conchae. Durch rigorose Diät
ohne lokale Behandlung wurde wesentliche Besserung erzielt (s. diese Zeitschr.
Bd. II S. 581 ff). Diskussion: Struycken, Baeza.
— XVI. G. Brat (Rotterdam). a) Ein Fall von septisch-diphtheritischer Entzün-
dung von Pharynx und Larynx. Der Fall hatte einen tödlichen Verlauf, es wurden
nur Streptokokken und keine Löfflerschen Bazillen gefunden. Diskussion:
Fallas, Binnerts, Posthumus Meyjes. b) Ein Fall von Gehirnabszess,
——— gravidarum vortüuschend. . a
| © XVIL- P. H. J. van Gilse. Demonstration eines Falles eines geheilten
Schläfenlappene. : ` ) |
XVIII. F. H. Quix (Utrecht). Ein Fall von doppelseitigem otogenen Ge-
hirnabszess. -
XIX. P.Th.L. Kan (Leiden). a) Ein Fall von Narbenstenose des rechten Haupt-
bronchus. . Redner wurde konsultiert von einem Patienten, welcher seit Jahren an
Lungenbeschwerden litt. Die Luft konnte nur sehr schwer in die rechte Lunge hinein-
kommen und dabei entstand jedesmal schwerer Husten. Jede 3. oder 4. Woche
hatte der Patient Fieberanfälle, welche gefolgt wurden von Expektoration von
Eiter. Im rechten Hauptbronchus wurde bronchoskopisch, ungefähr 8 cm unter
der Bifurkation eine schlitzförmige Stenose festgestellt, nahezu 3 mm lang und
1! mm breit, welche nach der Anamnese als postluetisch erachtet werden muss.
Nach einigen Injektionen von Fibrolysin wird im Mai 1909 die Stenose mit konisch
verjüngten Röhren durch das Bronchoskop gedehnt und nach 12 Sitzungen ist eine
sehr bedeutende Verbesserung erreicht. Redner bespricht kurz die Schwierigkeiten,
welche sich bei der Dehnung zeigten. b) Ein Fall von Fremdkörper in der Trachea.
Ein Kind von 2 Jahren sollte im Juni 1909 morgens den Federkiel einer Zigarren
spitze eingeatmet haben. Das Kind war danach nur sehr wenig kurzatmig und
hustete leicht. Abends wurde das Kind in das Krankenhaus in Leiden geführt.
Bei der Untersuchung wurden beiderseits die Symptome einer diffusen Bronchitis
gefunden. Der Patient fieberte, es war kein Stenosegeräusch da. Redner hielt
es daher für zweifelhaft, ob der Fremdkörper wirklich inhaliert war. Das Kind
wurde in Observation genommen. Zwei Tage blieb die Temperatur hoch und es
zeigte sich in dem Lungenbefund keine Veränderung. Inzwischen stellte sich
41] Gesellschafts- und Kongressberichte. ` 179
heraus, dass der Fremdkórper herstammte von einer oft gebrauchten Zigarren.
spitze und war es sehr gut möglich, dass die braune Masse, welche sich gewöhnlich
darin befindet, aufgelöst im Bronchialschleim, kurz nach dem Einatmen schon eine
diffuse Bronchitis hervorgerufen hatte. Am 10. Juni wurde unter Chloroformnarkose
die kleinste bronchoskopische Röhre durch den Larynx eingeführt und wurde ein
weisses Federröhrchen sichtbar, dass in der Trachea lag und sich auf die Bi-
furkation stützte. Es war nicht möglich, den Fremdkörper per vias naturales
zu entfernen; die Zange für hohle Fremdkörper war zu gross. Nach *\« Stunde
vergeblicher Mühe wurde die Tracheotomie gemacht und konnte der Fremdkörper
mit einem Häckchen sehr leicht entfernt werden.
XX. J. C. Henkes (Middelburg). a) Ein Fall von perakut entstandencr
Sinus thrombosis. b) Ein Fall von Mukocele der Stirnhöhle. Eine 70jährige Dame
hatte zunehmende Dislokation des rechten Auges nach unten und aussen mit
Doppelbildern. Vor 9 Jahren wurden Polypen rechts aus der Nase entfernt. Die
Augenbewegungen waren mässig beschränkt und es waren keine Skotome da.
Die Regio supraorbitalis prominiert stark. Nach Extraktion einiger Polypen
rechts und Entfernen des vorderen Endes der Concha media wird die Stirnhóhlen-
operation rechts gemacht. Die vordere Wand ist sehr dünn und aus der Stirn-
höhle kommt sehr viel Eiter und Schleim zum Vorschein. Gleich darauf nimmt
das Auge seine normale Stellung wieder ein. Der Boden und die hintere Wand
des Sinus fehlen, so dass man den Bulbus palpieren kann und die Dura pulsieren
sieht. Nach einigen Monaten ist völlige Heilung erzielt mit sehr geringer Ent-
stellung. Die Flüssigkeit aus der Stirnhöhle war ungefähr steril und zeigte
Muzinreaktion. Kan (Leiden).
Berliner laryngologische Gesellschaft.
Sitzung vom 25. Februar 1910.
= L Diskussion zum Vortrag von Herrn Gräffner: Beobachtungen an
Rachen und Kehlkopf bei zerebralen Hemiplegieen.
Herr Grabower: So gross der statistische und klinische Wert der Gräffner-
schen Arbeit ist, so hätten bei genauer histologischer Untersuchung die Befunde
erst wissenschaftliche Bedeutung gewonnen. Gerade über das Ursprungsgebiet
der Kehlkopfnerven, von dem wir beim Menschen fast garnichts wissen, konnte
Genaues eruiert werden.
Herr Kutt ner betont Herrn Gräffners Verdienst, der Gesellschaft ein eigenes
Urteil über seine Befunde ermöglicht zu haben..
Herr Gutzmann: Abgesehen von wirklichen Láhmungen, kommen bei
Hemiplegikern häufig auch Funktionsstórungen vor, die dem Auge keinen Befund
ergeben.
Herr Grüffner: In dem sezierten Falle, der bereits 3 Jahre zurückliegt.
befand sich in der Gegend des nucleus ambiguus ein Erweichungsherd. 2 weitere
Falle von klonischen Zuckungen des Velum und des Larynx dürften in absehbarer
Zeit zur Sektion kommen. |
2. Herr Gutzmann: DemonstrationvonVokalschwingungen. Man
spricht in einen Phonographentrichter, an dessen Ende eine Rezeptionsmembran
sich befindet. Auf dieser sind 2 Spiegelchen senkrecht aufgeklebt, welche einen
Lichtstrahl 2 mal reflektieren und auf einen Königschen Flammenspiegel werfen,
von dem aus der Strahl auf einen Schirm projiziert wird. Schwingt die Membran
durch einen gesprochenen oder gesungenen Vokal, so erscheint am Schirm die
Schwingungskurve. Man kann sie genau ausmessen und die einzelnen Sinuskurven,
aus denen sie sich zusammensetzt, berechnen. Bemerkenswert ist die Verschieden-
heit der Kurve des gleichen Vokals in gleicher Höhe, wenn er von verschiedenen
Personen gesungen wird.
180 Geselischafts- und Kongressberichte. [42
Diskussion: Herr Katzenstein: Man kann mit der Anordnung Gutz-
manns sehr exakte Photographien der Kurven aufnehmen.
8. Herr Finder: Hays’ Pharyngoskop. Demonstrationen des in Bd. Il
Nr. 5 d. Ztschr. von Hays beschriebenen Instruments. Finder rihmt die Leichtig-
keit der Untersuchung, die Anwendbarkeit bei Bettlügerigen, das weite Gesichta-
feld, die Sichtbarkeit der Tuben. Der untere Teil der Choanen ist schwer zu
sehen. Für das Studium feiner Veränderungen ist die Methode weniger geeignet,
dagegen dürfte die Phonetik von ihr Nutzen ziehn.
4. Herr Heymann: a) Fall von Perichondritis thyreoidea dextra
nach Argentum-Ätzung. Einem Zabnarzt entfiel der Argentum-Stift, mit dem er
in der Mundhöhle eine Kauterisation vornahm, der Stift wurde verschluckt. Jetzt,
nach 4 Wochen, besteht Ódem des Ligamentum ary-epiglotticum sowie der Ventrikel-
schleimhaut rechts. Die ganze Seite des Larynx ist unbeweglich.
b) Seltenes Hindernis für intralaryngeale Eingriffe in Gestalt
einer vergrésaerten, median zweigeteilten Zungentonsille. Das Instrument legte
sich stets in den Schlitz zwischen beiden Lappen. Zur Ermöglichung der Operation
liess Hey mann einen verbreiterten Reichertschen Epiglottiehalter konstruieren.
5. Herr G. Ritter: 2 Fälle von Trachealverengerung. Der eine
betrifft eine 12 mal tracheotomierte und laryngotomierte Frau. Von Stimmbändern
ist nicht viel zu sehen, Taschenbandphonation. Das Tracheallumen ist dreieckig
mit Spitze vorn, kollabiert im Liegen. Ritter beabsichtigt, zwischen die vorderen
Knorpelenden ohne Eröffnung des Tracheallumens eine Periost-Knochenspange vom
Sternum zu implantieren, um sie auseinanderzudrängen. — In Fall 2 handelt es sich
um eiuen l5jährigen Knaben, der vor 11 Jahren wegen Diphtherie tracheotomiert
wurde und eine komplete Verwachsung des unteren Larynx- und oberen Tracheal-
raumes hatte. Nach Spaltung wurde Haut und Schleimhaut vernäht und so eine
Rinne gebildet, die durch Elektrolyse vertieft werden musste. Anfangs wurde
oberhalb einer Trachealkanüle mit Tampons der untere Kehlkopfraum offengehalten,
später wurde eine leicht gebogene Silberröhre, die den Kehlkopf mit der Trachea
verbindet und an der Trachealverbindung eine Öse trägt, eingeführt. Dies Röhrchen
bleibt wochenlang liegen, der Patient atmet nasal und hat eine vernehmliche
Sprache erlangt.
Diskussion: Herr Senator erwartet im ersten Falle Operationaschwierig-
keiten infolge der narbigen Veränderungen.
Sitzung vom 18. März 1910.
1. Herr Gräffner: Fall von intermittierendem Tremor der
Stimmbänder, zugleich des Velum, der Zunge und des Kiefers bei einem 76 jährigen
Mann. Die Diagnose schwankt zwischen Apoplexie, Paralysis agitans, Tumor-
cerebri und seniler Hysterie.
2. Herr Katzenstein: Vokalkurven-Photographien, aufgenommen
mit dem von Gutz mann in der vorigen Sitzung demonstrierten Mechanismus.
Der Ton des angeblasenen Leichenkehlkopfs ohne Taschenbünder ergibt eine reine
Siouskurve, mit Taschenbandern eine schon kompliziertere. Vortr. liess sich ein
bronchoskopisches Rohr bis dicht an die Glottis führen und bekam mit diesem
„Kehlkopfton‘‘ identische Resultate. Vokalkurven ergaben gleiche Schwingungs-
formen, wie sie Hermann erhalten hatte. Bei verstopfter Nase änderten sich
dieselben, und die Analyse ergab, dass die tieferen Obertöne fehlten. Es ergibt
sich also, dass durch die Nasenresonanz dem Klange die tieferen Obertöne hinzu-
gefügt werden.
3. Herr Halle: a) Ösophagoskopisch entfernter Fremdkörper
von bedeutender Grösse, ein Hühnerknochen mit daransitzendem Fleisch.
43] Gesellschafts- und Kongressberichte. 181
b) Silberring zum Offenhalten der Keilbeinhöhlenöffnungen,
Da nach Wegnahme der vorderen Wand der Zugang sich schnell verengert, legt
Halle eine biegsame silberne Hülse hinein, die durch Spreizen einer Zange sich
den Rändern anpassen lässt. Auch dann aber muss man bisweilen ätzen. Demon-
stration zweier Patienten. In einem Falle wurde der Ring zur Erhaltung des
Operationseffekts nach Beseitigung einer Choanalatresie benutzt.
Diskussion: Herr Rosenberg bezweifelt, dass der so erreichte Erfolg
ein dauernder sei.
Herr H. J. Wolff: Wie die Stift» in der Kieferhóhle, so dürften diese Ringe
Fremdkórpereiterung unterhalten.
Herr H alle: Der Ring verbürgt natürlich nicht Dauerh eil un g, sondern nur
dauerndes Offenbleiben. Man muss ihn in den ersten Tagen durch einen Gazebausch
stützen. Die durch Stifte in der Kieferhóhle unterhaltene Kiterung wird ver-
Schuldet durch die Kommunikation mit dem Munde, es fehlt also jede Analogie.
4. Herr Scheier:ÜberdasPharyngoskop. Demonstration der Flatau-
schen und Schmuckertschen Modifikation desselben, die einige Vorteile besitzen.
Die Idee des Instruments ist nicht neu, schon in den achziger Jahren haben
Zaufal und Trautmann sehr ähnliche Endoskope konstruiert, freilich mit
minder vollkommener Optik. Hirschmann s Antroskop beruht auf dem gleichen
Prinzip.
Diskussion: HerrGutzmann: Der alltägliche Gebrauch des Pharyngoskops
wird teils durch den Reiz verhindert, den es im Rachen verursacht, teils durch
die starke parabolische Verzerrung aller Linien. Für die Phonetik ist aber bereits
ein Resultat gewonnen, nümlich dass bei der Tenuis (P, T, K) die Glottis nicht
schliesst.
Herr Katzenstein: Der praktische Wert ist sehr gering, da sowohl Farben-
»uanzen als feimere Details der Zeichnung nicht erkennbar sind. Jedes Hindernis
der Laryngoskopie hat auch hier Geltung.
. Herr Finder konstatiert die Übereinstimmung über den nur relativen Wert
der neuen Methode. Immerhin ist es ihm damit bei einem bettl&gerigen Patienten,
der nicht laryngoskopiert werden konnte, gelungen, eine Perichondritis festzustellen.
Bemerkenswert ist auch das überraschend schóne Bild.
Herr Hirschmann, Herr Claus, Herr Scheier.
5. Herr Halle: Orale und nasale Methode der Septumresektion.
Halle hat an Leichen die Löw esche orale Methode geprüft und gefunden,
dass man einen guten Überblick erbält, und dass sich das Septum resezieren
lässt, dass aber die Schwierigkeiten mindestens die gleichen sind wie bei nasalem
Vorgehen. Lówes Empfehlung der Methode für Operateure, die mit endo-nasalen
Eingriffen nicht genügend vertraut sind, ist also ganz falsch. Es besteht kein
Grund, von dem Prinzip abzugehen, dass alle endonasal möglichen Operationen
auch endonasal ausgeführt werden sollen. Die Nachteile der L ó w eschen Methode
sind der gróssere Eingriff, welcher lüngere Dauer der Operation und jedesmal
Narkese bedingt, die Schwellung und Beschwerden nachher und die gróssere
Blutungsgefahr. Halle würde die orale Methode nur anwenden in den seltenen
Fällen, in denen bei ganz kleinen Kindern Septa operiert werden müssen (und dann
unter peroraler Narkose nach Kuhn), ferner zu grösseren plastischen Operationen
in der Nase und bei malignen Tumoren. Arth. Meyer.
Sitzung vom 22. April 1910.
1. Herr Haike: Frühdiagnose einer Kieferzyste durch das Röntgenbild.
Diskussion: Herr Alexander fragt, ob es sich um Knochen- oder
Schleimhautzyste gehandelt habe. — Herr Haike: Es war eine odontogene Zyste.
182 Gesellschafts- und Kongressberichte. [44
2. Herr Finder: Fall von Rekurrenslühmung bei gleichzeitigem Be-
stehen von Tabes und Aneurysma.
Diskussion: Senator, Schoetz, Finder.
8. Herr Fliess:Osteom yelitis des Oberkiefers bei einem 4monat
lichen Kinde. Es bestand ein Abszess des harten Gaumens, nach dessen Inzision
sich 2 gut ausgebildete Zühne und Knochensplitter entleerten.
Diskussion: Herr A. Meyer teilt einen ähnlichen Fall von einem Säugling
mit, der einen Sequester des Proc, alveolaris und der Spina nas. ant. inf. aufwies.
Ein weiterer Fall wurde im 22. Bande des Fränkelschen Archivs veröffentlicht.
4. Herr Halle: Fallvon multiplen Lähmungen auf luetischer
Basis. Es bestebt Parese des rechten Armes und des Fazialis. Patient klagt
über Verschlucken und Heiserkeit. Es findet sich Gaumensegelparese, Lähmung
beider Rekurrentes, Pulsbeschleunigung, Atrophie des Sternokleidomastoideus. Da
der Vater an Lues erkrankt war, ist die Affektion hereditär-luetischer Natur.
Diskussion: Herr Kuttner sieht nur beiderseitige Parese des Rekurrens.
5. Diskussion zum Vortrag des Herrn Halle: Orale und endonasale
Methode der Nasenscheidewandoperationen.
Herr Löwe: Die orale Methode ist leicht auch für den mit endonasalen Ein-
griffen wenig Vertrauten und ist bequem in der Sprechstunde auszuführen. Nicht
die endonasale Ausführbarkeit ist das Zeichen einer guten Methode, sondern die
Anpassung an die anatomischen Verhältnisse. In einigen Fällen gewährt die orale
Methode einen Überblick, den andere nicht ermöglichen: Nämlich bei den Quer-
frakturen des Septum und den sog. Hammelnasen (wo der vorderste Teil des
Septumknorpels rückwärts umgebogen ist); ferner lässt sich bei ausgedehnten
Synechien des unteren Nasengangs oral eine plastische Wiederherstellung desselben
ausführen.
Herr Peyser bezweifelt die Ausführbarkeit der oralen Operation in der Sprech-
stunde und hält sie nur für ungewöhnlich schwierige Fälle für angebracht.
Herr Alexander hat Leichenversuche gemacht und sieht die orale Methode
für einen schwerwiegenden Eingriff an. Es ist nicht die Aufgabe, normale ana-
tomische Verhältnisse zu schaffen, sondern die Beschwerden zu beseitigen, was
endonasal stets gelingt.
Herr Finder: Die Wiedervereinigung der Mundschleimhaut kann ausbleiben,
so dass Fisteln resultieren. Das habe ich in 2 von Herrn Löwe operierten Fällen
konstatiert.
Herr Sturmann tritt gleichfalls für endonasales Operieren ein, protestiert
aber gegen die Bezeichnung ,,Killiansche Methode" , da Killian nur unwesentliche
Verbesserungen eingeführt habe.
Herr Ló we betont nochmals die leichte Ausführbarkeit und beruft sich auf
Winckler und Kretschmann.
Herr Rosenberg, Brühl, Wolff, Sonntag, Halle (Schlusswort) be-
tonen übereinstimmend das Missverhültnis zwischen Schwere des Eingriffs und der
zu beseitigenden Beschwerden. Die endonasale Methode sei so gut wie immer
völlig ausreichend.
6. Herr Halle: Operative Beseitigung desAnsaugensder Nasen-
flügel. Die Untersuchung ohne Spekulum wird zu wenıg geübt. Das Ansaugen,
dessen Therapie bisher rein orthopädisch war, kann verschiedene Ursachen
haben. Liegt Schlaffheit der Flügel vor, so empfiehlt Halle Silberspiralen
einheilen zu lassen. Sind die Flügel zu stark einwürts gekrümmt, so trägt
er einen Teil der Cartil. alaris ab. Ist an der Enge des Eingangs eine Verdickung
des Septum membranaceum oder der Spina nas. ant. inf. schuld, so verdünnt
er es auf subkutanem Wege.
Diskussion: Herr Peyser, Herr Gutz mann, Herr Fliess, Herr Halle.
45] Gesellschafts- und Kongressberichte. 183
Sitzung vom 27. Mai 1910.
1. Herr Weski: Hereditäre elephantiastische Hypertrophie
des Zahnfleisches. In einer Familie finden sich hereits in der 4. Generation,
in allen Lebensaltern, enorme hickerige Verdickungen des Zahnfleisches, so dass
der Alveolarfortsatz auf 6 cm Dicke und mehr anschwillt.e Auch der Knochen
kann sich beteiligen uud zur Lockerung der Zähne führen. Die Neubildung ist
gutartig und erscheint mikroskopisch als Kleinzelleninfiltration mit Mastzellen.
Ein Patient und eine Anzahl von Bildern und Moulagen anderer Mitglieder der
Familie werden demonstriert.
2. Herr Sobernheim: Fall von Argyrose des Gesichts und Rachens
nach 5jährigen Pinselungen mit AgNO,. Gesamtverbrauch 24 g.
Diskussion: Herr A. Alexander: Bei der Fabrikation von Koblenstiften
für Bogenlampen erleiden die Arbeiter ähnliche Verfärbung in der Nase, im Gesicht
und an den Händen.
Ferner Herr Heymann, Herr Sobernheim.
3. Herr Scheier: Róntgen-Momentaufnahmen (!'/:0—!/100 Sek.) zur
Physiologie des Schluckaktes. Als wichtigstes Ergebnis erscheint das
Umklappen der Epiglottis beim Schlucken, entgegen den neueren Annahmen.
Diskussion: Herr Haike: Die Momentaufnahmen werden Bedeutung er-
langen für die Röntgenographie des kindlichen Kopfes.
Herr M. Senator: Es ist nicht geleugnet worden, dass die Epiglottis um-
klappt, sondern nur, dass diese Abwärtskrümmung den wesentlichen Verschluss
des Kehlkopfs bildet. Das Schlucken ist auch Sofort nach Entfernung der Epiglottis
unbehindert.
Ferner Grabower, Barth, Rosenberg, Scheier.
4. Herr Brunck: Pfäblungsverletzung der Nase. Beim Abspringen
von der Strassenbahn stiess Patient sich den Spazierstock in die rechte Nasen-
éffnung. Der Stock durchbohrte das Septum und (anscheinend) das linke Tränen-
bein und die Haut dicht unter dem linken inneren Lidwinkel, wo er wieder zum
Vorschein kam. Das Auge ist unverletzt, die Wunden sind in guter Heilung be-
griffen.
5. Herr Scheier: Weitere Beiträge zur Verknöcherung des
Kehlkopfs. Wie Róntgenographie ergibt, beginnt die Verknócherung des Schild-
knorpels am hinteren Rande. Beim Manne folgt dann der untere Rand, von dem
nahe der Mittellinie sich ein Verknöcherungszapfen nach oben erstreckt. Zuletzt
geht auch vom oberen Rande Verknöcherung aus. Bei der Frau schreitet der
Prozess vom hinteren Rande aus allmählich am unteren Rande vor, so dass sich
ein hinteres unteres Dreieck bildet. Niemals erreicht die Ossifikation beim Weibe
den vorderen Winkel, und nie geht sie von medianen Knochenkernen aus.
6. Herr Peyser: Zur Röntgenologie der Nebenhöhlen. Bei einem
Manne war ein gläserner Verschlussstift einer eiternden Kieferhöhle abgebrochen
und war als schwacher Schatten in einer prälakrymalen Bucht röntgenographisch
nachweisbar. Auch ein daran befindlicher Gummischlauch gab einen Schatten. —
Gläser sind im Röntgenbild erkennbar, wenn sie mindestens 2,5 spezifisches Gewicht
besitzen.
Diskussion: Herr Scheier hat in früheren Versuchen Glas in der Nase
nicht nachweisen können.
Herr Weski: Auch beim Gummi hängt die Röntgen-Transparenz von der
Sorte ab.
Herr Haike: Verschlussstifte aus Gummi für die Kieferhöhle geben einen
Schatten. Arth. Meyer.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. IIT, H. 2. 13
184 Gesellschafts- und Kongressberichte. [46
Wiener laryngologische Gesellschaft.
Sitzung voın 3. November 1909.
Glas demonstriert 1. einen Fall von schwerer Kieferhöhleneiterung
dentalen Ursprungs mit septischen Erscheinungen, der zur Nekrose der
fazialen Wand und der Wangenmuskulatur geführt hatte. Die Operation nach
Luc-Caldwell, deren Indikation vorher ein Chirurg negiert hatte, brachte Heilung.
Der Verlauf war durch zweimalige bedenkliche Blutungen aus der nekrotischen
Wangenmuskulatur kompliziert.
Zur Diskussion: Hajek, Fein, Kahler.
2. Stomatitis ulcerosa mit Präparaten von Bacillus fusiformis und Spirochaete
refringens.
8. Ein hinteres Uranokolobum mit völlig gespaltener Urula, mit kolossaler
Hypertrophie der unteren Muscheln, welche vikariierend für den Gaumendefekt
eintreten. Diskussion: Hajek und Chiari warnen, diese Hypertrophien, so ver-
lockend sie auch scheinen, zu operieren, um die Sprache nicht zu beeintrüchtigen.
Kahler demonstriert 1. einen Fall von ]y mphatischer Leukümie mit
Infiltaten im Nasenrachenraum und an der linken Stimmlippe. Die Infiltrate im
Nasenrachenraum zeigen Vernarbungs- und Rückbildungserscheinungen. Kahler
demonstriert gleichzeitig das Haysche Pharyngoskop.
2. Einen Fall von Überbeweglichkeit der Zunge bei einem Patienten,
der es durch Übung soweit gebracht hatte, die Zunge hinter das Velum zu bringen
und damit seinen an trockenem Katarrh leidenden Nasenrachenraum zu reinigen
und zu befeuchten.
Chiari hat schon mehrere Fälle beobachtet, in der Literatur ist noch keiner
festgelegt.
3. Eine retronasale Membran nach Chiari, am Rachendach und Velum
inseriert, und mit einer zentralen Öffnung.
4. Einen 42jährigen Patienten mit Totalexstirpation des Kehlkopfs nach
Gluck wegen Larynxkarzinom (Operateur Marschik).
Braun demonstriert einen 61j&hrigen Mann mit pharyngo-dsophagealem
Pulsionsdivertikeldes Ösephagus. Typische Symptome, kolossale Sekretion.
Die Diagnose war zuerst ósophbagoskopisch (Randschwelle) gemacht worden und
wurde dann radiologisch bestütigt. Operation verweigert.
Sitzung vom 3. Dezember 1909.
Hutter demonstriert 1. einen Fall von Leontiasis ossea (Virchow)
oder Ostitis fibrosa (Paget). Heilung durch Operation. Leider war eine
leichte Einsenkung des Nasenrückens bei den diversen Knochenresektionen nicht zu
umgehen.
Diskussion: Ähnliche Fälle beobachteten Kahler, Hajek, Réthi.
2. Zwei operierte Zahnzysten, die eine mit Vorwölbung der Kieferhöhlenwand
in allen drei Richtungen, die andere nur mit Gaumenvorwölbung. Beide wurden
mit Kommunikation gegen die Nase zu behandelt.
Menzel demonstriert 1. eine 31jährige Frau mit wahrscheinlicher Neben-
schilddrüse im Kehlkopf, in Form eines Tumors auf der Hinterfläche des linken
Aryknorpels. Der Tumor war erst durch Behandlung eines Ödems der Aryknorpel
mit Jodsalbe sichtbar geworden und zeigte nach Thyreoidindarreichung entschiedene
Verkleinerung. Daher Diagnose: Struma aberrans.
Diskussion: Glas, Réthi, Chiari, Weil halten die beabsichtigte endo-
laryngeale Exstirpation nicht für indiziert, da jetzt wenig Beschwerden bestehen
4i] Gesellschafts- und Kongressberichte. 185
und andererseits wegen möglicher Blutung oder Perichondritis die Operation ge-
fährlich ist.
2. Einen Fall vonchronischem Pemphigus der Mundschleimhaut,
in Form von rezidivierenden belegten Substanzverlusten einhergehend, die unter
Narbenbildung ausheilen. Diskussion: Glas, Hajek, Chiari. Die Diagnose
Pemphigus wird angezweifelt, da nie Blasen zu sehen waren.
Hein di demonstriert einen Fall von geheilter Tuberkulose des Larynx
bei einem Schulleiter. Die Behandlung begann mit Galvanokaustik, die eigentliche
Heilung setzte aber erst bei energischer Sonnenlichtbehandlung ein.
Glas demonstriert zwei Fälle grosser Zahnzysten, die den grössten
Teil der Kieferhöhle verdrängt hatten. Radikaloperation nach Luc-Caldwell.
Heilung. Röntgenbild neim ersten Fall.
Ferner einen Fel) von Kieferhóhleneiterung, welche sich im Anschlusse an
eine Zahnkaries entwickelt und zur Nekrose und Perforation im Gebiete der medialen
Wand und zur orbitalen sowie infraorbitalen Fistelbildung geführt hatte. Radikal-
‚operation. Heilung.
Diskussion: Weil, Hajek und Roth entscheiden sich für die Diagnose
Periostitis maxillaris e carie dentum mit nachfolgender Nekrose des Knochens
und Sekundärinfektion der Schleimhaut. Dieser Einwand kann von Glas nicht
beweiskräftig widerlegt werden.
Marschik spricht an der Hand eines einschlägigen Falles (Demonstration) zur
Technik der radikalen Siebbeinoperation. Ist die Stirnhöhle bei der
Operation gesund, so dass sie nicht radikal operiert wird, so bilden sich nach
llesektion des Duktus Granulationen, die schliesslich vernarben und zum voll-
ständigen Verschluss des Ausganges führen können, wie dies bereits vier an der
Klinik beobachtete Fälle zeigen. Die Stirnhöhle erkrankt dann unter Retentions-
erscheinungen entweder mit einfachem Ödem oder auch mit wirklicher Eiterung
und muss ihrerseits radikal operiert werden. Dieser Narbenverschluss ist also
zu verhindern. Besprechung der verschiedenen Wege hierzu.
Diskussion: Hajek betont die Bedeutung ausgiebiger Drainage und Lapisierung
nachher.
Demonstriert 2. einen Fall von Sklerom der Nase und desRachens,
das zurchronischen Kiterung sämtlicher Nebenböhlen einer Seite und perfo-
rierender Ostitis des Stirnbeins geführt hatte, mit Nekrose der Hinterwand.
Radikaloperotion aller Hóhlen in einer Sitzung. Heilung.
3. Das Präparat und das Róntgenbild eines Tu mors des Keilbeins, sog-
Zylindroms. Beiderseitige Optikusatrophie. Radikaloperation verweigert. Das
Röntgenbild zeigt vollständige Zerstörung des Keilbeinkörpers und der Sella, ausser-
dem ungewöhnlich dicke Schädeldecke (Leontiasis ossea?) und Fehlen, resp.
abnorme Kleinheit der Nebenhóhlen.
Braun demonstriert einen Fall von Pemphigus der Mundschleim-
haut, der lange Zeit unter der Flagge Stomatitis aphthosa gelaufen war.
Sitzung vom 12. Januar 1910.
Braun demonstriert einen Fall von Gumma septi cartilaginei bei
Lues hereditaria tarda.
Diskussion: Roth, Hirsch, Hajek, Heindl, Glas, Menzel be-
richten über Beobachtungen von negativem Ausfall der Wassermannschen
Reaktion bei positivem klinischem Befund und prompter Wirkung antiluetischer
Behandlung. Weil meint, die Diagnose Lues kónne ex adjuvantibus nicht mehr
gestellt werden, da auch Tuberkulose durch antiluetische Kur geheilt werden kann.
Glas a) einen Fall von isoliertem Pemphigus der Mund- und Kehl-
kopfschleimhaut, der auch Eruptionen an den Tu benostien zeigt.
13*
186 Gesellschafts- und Kongressberichte. [48
b) einen Fall von Gumma des Mundhöhlenbodens.
Kahler a) einen Fall von Divertikel der Trachea.
b) Einen Fall von Totalexstirpation des Larynx wegen Rezidiv nach
Halbseitenexstirpation vor 8 Jahren. Wegen teilweiser Pharynxresektion ist noch
eine Pharyngoplastik in Aussicht genommen.
c) Einen Fall von Fremdkórper (Nagel) im rechten Unterlappen-
bronchus, extrahiert mittelst oberer Bronchoskopie.
Marschik einen Fall von luetischer Narbenstenose der Trachea
mittelst oberer Bronchoskopie.
Kofler a) einen Fall von Dakryocystitis purulenta nach Radikal-
operation von Luc-Caldwell, wahrscheinlich durch Verletzung des Ductus
nasofrontalis bei der Operation, nachfolgendem Narbenverschluss desselben, Retention
und sekundürer Infektion des Saccus lacrymalis entstanden, unter 300 klinischen
Füllen von Kieferhóhlenoperation der einzige.
Diskussion: Hajek salı einen ähnlichen Fall. |
b) Eine 22jährige Patientin, die ihm mit der Augendiagnose: Neuritis.
retrobulbaris dextra, Fingerzühlen auf ca. 40 m Distanz, zentrales Skotom
für alle Farben, zugeschickt worden war, und bei der blosse Resektion des vorderen
Endes der mittleren Muschel alle jene bedenklichen Augensymptome zum Schwinden
gebracht hatte. Die Eiterung, der durch jene Operation erst freier Abfluss ver-
schafft worden war, hórte ohne weitere Behandlung auf.
Hajek ein Präparat eines Myxoms des Nasengerüstes. Der Tumor
hatte Auftreibung des Nasenrückens, Exophthalmus und Amaurose beiderseits er-
zeugt und intra vitam der Diagnose die grössten Schwierigkeiten bereitet, da er
durch eine kolossale Knochenblase der mittleren Muschel auf der einen Seite, die
mit Eiter gefüllt war, maskiert worden war und ausserdem in diffuser Infiltration
am Septum und Nasenboden weitergewuchert war. Die Nekroskopie — Patient
war bald an chronischer, allgemeiner Tuberkulose zugrunde gegangen — zeigte,
dass der Tumor vom Keilbein ausgegangen war und das ganze knöcherne Nasen-
gerüst inklusive harten Gaumen, sowie Teile der Schädelbasis substituiert hatte.
Die Krankheit hatte 5 Jahre gedauert, ohne Metastasen oder Meningitis hervor-
zurufen.
Menzel teilt das Ergebnis der histologischen Untersuchung des von ihm
als Struma aberrans in der vorigen Sitzung angesprochenen‘ Tumors des
linken Aryknorpels mit. Es handelt sich um einen aus zahlreichen Zystchen be.
stehenden branchiogenen Tumor.
Sitzung vom 9. Februar 1910.
Fein demonstriert ein Sklerom der Nase, des Kehlkopfs und der Trachea,
das neben der organischen Stenose eine funktionelle, durch Glottisspasmus gezeigt
hatte. Nachdem der Spasmus sich gelóst hatte, war erst die richtige Diagnose
möglich und die Tracheotomie konnte umgangen werden.
Kahler den in der letzten Sitzung vorgestellten Fall von Totalexstir-
pation des Larynx. Die Plastik mit haarloser Halshaut hatte bis auf eine
erbsengrosse Fistel gehalten. Da aber Patient durch diese Fistel ausgezeichnet
spricht, ohne dass das Schlucken gestört wäre, wird die Fistel nicht geschlossen
werden.
Kofler a) einen Fall von angeborner Faltenbildung im rechten
Recessus piriformis.
Diskussion: Fein hält diese Falte für eine hoch hinaufreichende Plica nervi
laryngei superioris.
b) Eine Kieferzyste mit ungewöhnlich starkem, die Nase obstruierendem
Gerberschen Wulst.
Menzela)einen malignen Tumor desZungengrundes vom Charakter
eines Endothelioms oder Zylindroms. "Trotz mindestens achtmonatlichen Bestehens
keine Lymphdrüsenmetastasen und Zunahme des Kórpergewichts um 2 kg.
49] Gesellschafts- und Kongressberichte. 187
b) Eine Stirnfistel, die in einem abgeschlossen enAnteil des Sinus frontalis
führt. Das Röntgenbild zeigt tatsächlich zwei getrennte Höhlen im linken Stirnbein.
Glas einen Fallvon Radikaloperationeiner traumatischen Stirn-
höhleneiterung. Glas hat 14 Fälle nach Killian operiert, stets mit Schonung
der Trochlea.
Hanszel das histologische Präparat einer kongenitalen Zyste des
Ductus thyreoglossus (wird ausführlich im 4. Heft der Monatsschr. f. Ohrhlk.
publiziert).
Müller Rud. (als Gast) spricht über dio Verwendbarkeit der Wasser-
mannschen Reaktion. Die Methode, die früher mit vielen Fehlerquellen zu
rechnen hatte, ist derzeit im Laboratorium der Klinik Finger zu solcher Technik
gediehen, dass ein vóllig negativer Ausfall bei manifester Lues des Sekundür-
oder Tertiürstadiums eine ungemein seltene Ausnahme bildet, so dass aus einem
solchen Ausfall manifeste Lues mit allergrósster Wahrschoeinlichkeit ausgeschlossen
werden kann.
Diskussion: Menzel, Koschier. Roth, Weil.
Hutter zeigt ein Kehlkopfprüparat von einem 11jührigen Kind, das
nach Diphtherie laryngis unter pneumonischen Erscheinungen zugrunde ging. Es
handelt sich um eine Taschenbildung an der Vorderseite der Larynx, vielleicht
durch kongenitale totale Spaltung der Cartilago thyreoidea infolge Fehlens der
oe intermedia erzeugt, ähnlich dem von Hutter vor 2 Jahren vorgestellten
Fall.
Sitzung vom 2. Mürz 1910.
Fein demonstriert einen Fall von kongenitalem membranósem
Diaphragma der linken Nase bei einem 33jährigen Mann. Es besteht nur
eine kleine Lücke im oberen Anteil der Membran.
Diskussion: Glas sah und operierte einen ähnlichen Fall, durch Sklerom
entstanden, Weil einen solchen, nach Diphtherie ausgebildet.
Weil einen 58jährigen Mann mit einem grossen pilzförmigen Tumor des
Zungengrundes. Histologische Untersuchung steht noch aus. Weil denkt
an Fibrom, Sarkom und Struma aberrans,
Menzel berichtet über den Fall von Stirnfistel aus der vorigen Sitzung
Radikaloperation nach Killian; dabei zeigte sich die fistelnde Höhle, welche die
kranke Stirnhöhle nach aussen beträchtlich überragte, als Rezessus der gesunden
rechten Stirnhöhle, welcher nur durch eine haarfreie Öffnung mit ıhr konımunizierte.
Dieser Rezessus und die linke Stirnböhle waren chronisch eiterig erkrankt. An der
Schleimhaut der scheinbar gesunden rechten Stirnhöhle zeigten sich histologisch
Spuren abgelaufener Entzündung. Normaler Wundverlauf.
Löwy (Karlsbad) mikroskopische Präparate a) eines Epithelioma durum
s. Condyloma acuminatum des Septums bei einem 23 jährigen Mann, in Form von
blumenkohlartigen Wucherungen, b) von gutartigem Epitheliom der Nase
bei einer 40jährigen Frau, in Form von gewöhnlichen Nasenpolypen auftretend,
eine ungewöhnlich seltene Bildung: Das Epithel sendet tiefe Zapfen in das Gewebe
ähnlich den Tonsillenlakunen (nach Heymann).
Moszkowicz hält einen durch Projektion illustrierten Vortrag über Nasen-
korrekturen, speziell über die Methoden, ohne sichtbare äussere Narbe zu
operieren. 1. Vaselin oder Vaselin-Olivenöliojektionen. 2. Wennn Narbenfixation
vorhanden, dann zuerst Mobilisierung der Nase vom Nasenloch aus und gleich-
zeitige Aufrichtung einer Knochenspange am Nasenrücken oder Vaselininjektion.
Auch Hóckernasen werden vom Naseninnern aus durch Resektion der prominenten
Teile geheilt. Beschreibung der Technik, Demonstration der besonderen Instrumente.
Diskussion: Weil befürwortet Hartparaffin. Es sprechen noch Fein und
Menzel. Moszkowicz: Gleichwie das bei normaler Temperatur fitssige Kirper-
fett in den Zellen fixiert ist, wird das Vaselin in den Gewebslücken nach kurzer
Zeit an den Ort der Injektion gebunden, da es bald von Bindegewebe um- und
188 Gesellschafts- und Kongressberichte. [50
durchwachsen wird. Moszkowicz kann sich fir die Hartparaffininjektionen
nicht erwärmen. Wichtig sei eben das Festhalten an der ursprünglichen Technik
Gersunys. Marschik.
Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.
Berichte in der Wiener med. Wochenschr. 1909.
Sitzung vom 3. Dezember 1908.
W.Schlesinger demonstriert einen Fall von Spasmus palatinus mit objektiv
deutlich wahrnehmbarem tickendem Gerüusch bei einem 20 jührigen Patienten, wahr-
scheinlich auf hysterischer Grundlage. Das beim Gaumensegelkrampf entstehende
Geräusch wird auf Bewegungen der schleimverklebten Tubenwünde im Momente
der Kontraktion der Muskeln’ zurückgeführt.
Sitzung vom 17. Dezember 1908.
A. Herz demonstriert das Präparat eines Aneurysma aortae, mit Carcinoma
oesophagi kombiniert. Der Befund an den Arterien, Pulsation in jugulo, linksseitige
Bronchusstenose und Rekurrensparalyse sprachen für Aneurysma, dagegen ein derbes
Drüsenpaket am Halse, das Fehlen der Pulsation des vermeintlichen Aneurysmas. Öso-
phagoskopie ergab an der Stelle des Tumors ein ringförmiges ulzeriertes Karzinom.
Die Obduktion zeigte, dass beide Diagnosen richtig waren. Es fand sich ein zwei-
mannsfaustgrosses Aneurysma am Arcus aortae. Das Karzinom war gerade an
der Stelle der grössten Kompression des Ösophagus. Ein ursächlicher Zusammen-
hang mit dem Aneurysma ist nicht ausgeschlossen.
Sitzung vom 2. Februar 1909.
v. Eiselsberg demonstriert eine 32 jährige Frau mit Tetania parathyreopriva
nuch Kropfoperation. Dieselbe war nach Schilddrüsenfütterung und Verabreichung
von Thyreoidintabletten geschwunden und trat bei der Gravidität wieder auf. Ge-
plant ist jetzt Einpflanzung von Epithelkörperchen. Eiselsberg hat unter
600 Strumen zehnmal deutliche Tetaniesymptome beobachtet, einmal mit tödlichem
Ausgang.
K. Wirth demonstriert das Präparat einer spindelförmigen Dilatation des
Oosphagus mit Ulzerationen, die eine letale Blutung verursachten. Die 27 jährige
Frau hatte vorher die Zeichen zunehmender Üsophagusstenose geboten und es war
Kardiakarzinom diagnostiziert worden. Nach einem spontanen Abortus trat
plótzlich die letale Blutung aus dem Osophagus auf. Bei der Obduktion fand sich
kein Karzinom, nur betrüchtliche zylindrische Erweiterung des Osophagus mit zahl-
reichen, teilweise blutig sutfundierten Geschwüren.
Sitzung vom 5. März 1909.
W. Böhme demonstriert das Präparat eines Falles von Atresie des Öso-
phagus und Kommunikation desselben mit der Trachea bei einem Säugling. Die
Diagnose war schon intra vitam aus der Sondenuntersuchung und der Expektoration
gallenartiger Massen gestellt worden. Der untere Ösophagusanteil mündet in die
Trachea oberhalb der Bifurkation.
Panzer demonstriert einem Tmonatigen Säugling mit einem akuten
Empyem der Kieferhöhle, starker Schwellung der erkrankten Gesichtshälfte.
Die Probepunktion bestätigte die Annahme dieser bei Kindern seltenen Erkrankung.
Sitzung vom 3. März 1909.
E. Schwarz demonstriert das Röntgenbild eines Falles von fibröser Lungen-
phthise mit Bronchostenose, welche von den Drüsen des Hilus ausgegangen war.
Gewöhnlich führt die fibróse Phthise, von einem Lungenherde ausgehend, zu
Bronchiekatsien und zeigt frühzeitig Baziilen im Sputum, was hier nicht der Fall war.
51] Gesellschafts- und Kongressberichte. 189
Sitzung vom 29. April 1909.
J. Flesch demonstriert eine 30jährige Frau mit Tetanie mit Augen- und
Kehikopfsymptomen, ausser dem bekannten Kardinalsymptomen. Spontane Par-
üsthesien. und Krämpfe von den Fingern über die Schultern auf den Scheitel und
in den Kehlkopf (Glottiskrämpfe) und die Augenhöhlen laufend, immer iu den
Monaten März und Mai, also für Tetanie typisch.
Eppinger und Hess. Zur Pathologie der Basedowerkrankungen. Zahl-
reiche Beobachtungen zeigen, dass tatsächlich die Fälle von Morbus Basedow
sich in zwei Gruppen gliedern lassen, in deren einer die Reizerscheinungen des
sympathischen Systems vorherrschen, während in der anderen die Erscheinungen
von erhöhtem Vagustonus im Vordergrund stehen.
Sitzung vom 13. Mai 1909.
Tedesko demonstriert einen 51jührigen Kranken mit Syringobulbie. Für
diese Diagnose spricht der chronisch fortschreitende Halbseitenprozess mit dis-
soziierter Empfindungslähmung. Dagegen spricht nur die lange Dauer des Prozesses
(16 Jahre) mit konstanter Beschränkung auf bulboınedulläres Gebiet. Es wäre
auch an eine periphere Rekurrenslähmung mit einer assoziierten funktionellen
Komponente zu denken.
Schlesinger demonstriert eine 50jàhrige Frau mit Gerüuschen, wahr-
scheinlich infolge von Gaumensegelkrümpfen, auf 1 m Distanz zu hóren. Die
Frequenz ist sehr regelmüssig. Es besteht Erweiterung der rechten Tubenmündung.
In der Diskussion spricht Landesberg, welcher einen ühnlichen Fall an
der Klinik Schrótter beobachtete. Der Umstand, dass beide Fülle einen durch
ein Nasenleiden bedingten trockenen Rachenkatarrh zeigen, spricht für die Annahme
einer funktionellen Neurose.
Sitzung vom 17. Juni 1909.
Haberfeld und Schilder. Vorläufige Mitteilung zur Tetaniefrage. Die
Autoren konnten an Kaninchen, die die Exstirpation aller vier Epithelkörperchen
überstanden hatten, durch Exstirpation der 'I'hymus akute oder chronische typische
Tetanie hervorrufen. Die Untersuchung der Thymus ergab jedesmal reichliche
abzessorische Epithelkörperchen in derselben. Thymusexstirpation allein ruft keine
Tetania hervor. Weitere Versuche an Kaninchen ergaben, dass die Epithelkörperchen
sich vikariierend vergrössern können, und zwar in reiner Hyperplasie. Zur Diskussion
Türk und Falta.
Sitzung vom 2. Dezember 1909.
Pollak demonstriert ein 4jühriges Müdchen mit Tuberkulose des Rachens
Die Uvula, der angrenzende Teil des weichen Gaumens und die Tonsille mit einem
grauweissen, konfluierten Belage bedeckt, der bei näherer Betrachtuug miliare
Geschwüre erkennen lässt.
Sitzung vom 20. Januar 1910.
E. Prepper demonstriert ein 12jähriges Mädchen mit Morbus Basedowii,
welcher im Kindesalter sehr selten ist. Marschik.
Verhandlungen des Vereins Deutscher Laryngologen.
xVU. Tagung zu Dresden am 11. und 12. Mai 1910.
Referat, erstattet vom Schriftführer Dr. F. Blumenfeld, Wiesbaden.
Vorsitzender: Herr Professor Dr. Jurasz, Lemberg.
11. Mai: Demonstrationen der Herren Mann und Hoffmann im Johann-
städter und Friedrichsstädter Krankenhaus zu Dresden.
190 Gesellschafts- und Kongressberichte. [52
Es wurden ine Reihe interessanter Präparate aus den verschiedenen Ge-
bieten der Rhinologie, Laryngologie und Bronchoskopie vorgezeigt und erläutert.
12. Mai: Aus der Geschäftssitzung ist hervorzuheben, dass als Ort der
nächsten Tagung Frankfurt a. M. gewählt wurde. Zum Vorsitzenden wurde Herr
Professor Killian in Freiburg i. B., zum 2. Vorsitzenden Herr Professor Seifert
in Würzburg, zum Schriftführer Herr Dr. R. Hoffmann in Dresden, zam Kassen-
führer Herr Professor Dr. Bónninghaus gewühlt. Der B. Frünkel-Preis
wurde auf Antrag Heırn Geheimrat B. Frünkels Herrn Professor Dr. Killian
verliehen.
Wissenschaftliche Verhandlungen.
1. Herr L. Polyak-Budapest: Über Prinzipien derintra-nasalen
Chirurgie.
Polyak ist zu der Ansicht gelangt, dass die Rhinologie, den Prinzipien der
grossen Chirurgie folgend, die Eingriffe an der Nase und deren Nebenhöhlen möglichst
in einer Sitzung erledigen sollte. Die Neigung, das Vorgeben auf verschiedene
Sitzungen zu verteilen, stammt aus der Zeit, als man noch nicht durch die modernen
Blutstillungsmittel vor erheblichen Blutungen gesichert war. Die Vorteile des ein-
zeitigen Vorgehens werden näher üusgeführt. Die ambulante Behandlung ist
allerdings bei dieser Art des Vorgehens nicht möglich. Die Kranken sollten daher,
soweit es die Umstände irgend erlauben, in klinischer Behandlung gehalten werden.
Bei dieser ist auch im allgemeinen die Tamponade der Nase nichi notwendig.
Seit 12 Jahren hat Polyák es sich zum Prinzip gemacht, in einer Nasenseite
die Aufgabe, die der Fall stellt, vollkommen zu erledigen. Seit 2 Jahren verfolgt er das
Prinzip, bilateral vorzugehen. Er hat in der Zeit vom 1. Mai 1908, bis 31. März 1910,
also in 28 Monaten, 220 Nasenoperationen ausgeführt, darunter 87 einseitige und 138
bilaterale. Unter den 87 einseitigen Operationen waren (11 submuküse Septum-
resektionen mit einbegriffen) 57, in welchen nur eine einfeche Aufgabe zu lósen
war. In den übrigen 30 Füllen sind kombinierte Operationen von Mandelhyper-
. trophie, Nasenpolypen, Eiterungen des Siebbeins usw. ausgeführt worden. Die
einfucheren Operationen, wie Entfernung der Hypertrophie der unteren Muschel,
Nasenpolypen etc. erledigten sich auf diese Weise bestens. Etwas schwieriger
waren die Fülle von Lupus und Tuberkulose der Schleimhaut wegen der Blutung.
Doch gelang es auch hier, in einer Sitzung schnell Vernarbung zu erzielen. Ein
Abweichen von diesen Prinzipien hat Polyák im wesentlichen nur insofern für
notwendig erachtet, als er gleichzeitig mit der submukösen Septumresektion keine
anderen Eingriffe ausführte, da er befürchtete, dass bei der event. Nachblutung
die Tamponade der Nase die nur aus Schleimhaut bestehende Nasenscheidewand
gefährden könnte. Doch ist nach Angabe von Katz auch eine gleichzeitige Ent-
fernung von Muschelhypertrophie nicht ausgeschlossen. Polyák hat mit seiner
Methode 90?/o der Operationen bilateral erledigt und nur in 10?/o war er zu einem mehr-
zeitigen Vorgehen gezwungen. Anlass zu einer derartigen Verschiebung des Ein-
griffes gaben etwas stärkere Blutung und Neigung zu Synkope. Nach Aufhören
der Adrenalinwirkung pflegt eine geringere Blutung einzutreten, die aber keine
Tamponade notwendig macht. Nur in 20°, der Fälle kam eine etwas erheblichere
Blutung, die durch Adrenalin-Spray 1: 10000 stand, nur in 5° der Fälle musste
die eine oder die andere Nasenseite tamponiert werden, 3mal Bellocsche Tamponade,
eine bilaterale Blutung wurde nicht bemerkt. Vorbereitung und Asepsis werden
genauer besprochen. Anästhesie mit Kokain, 10—20°:o-ige Lösung. Durch Spray
vorher Zerstäuben einer verdünnten Kokain-Adrenalin-Lösung. Bei eingreifenden
Operationen 'i Stunde vor der Operation Morphium-Injektion. Nach der Operation
Bettruhe, ständige Überwachung, öftere Inspektion des Rachens, besonders in der
Zeit, in der eine Blutung zu erwarten ist; Schneuzen nicht vor 24—48 Stunden.
Diskussion:
Herr von Eicken-Basel stimmt besonders mit der vom Vortragenden be-
tonten Notwendigkeit der klinischen Behandlung überein. Die beste Tamponade
93] Gesellschafts- und Kongressberichte. 191
ist die mit Gummischwamm. Noch einfacher die Einfübrung eines Gummifingers
in die Nase, der aufgeblasen und dann zugeschnürt wird.
Herr Kretschmann-Magdeburg betont, dass dieses Prinzip schon früher
von Auf recht geübt wurde.
Herr W inckler-Bremen schliesst sich den Prinzipien des Vortragenden an,
empfiehlt zugleich bei multiplen Empyemen die Röntgenaufnahme.
Herr Rosenberg-Berlin: Historische Bemerkungen zur Gummifinger-Tam-
ponade. :
Herr Denker-Erlangen: Herr Polyák hat empfohlen, einen Wattetampon
nach der Operation zum Verschluss einzufügen. Denker lässt den Wattepfropf
fort und glaubt, dass das Durchstreifen der Luft durch die Nase die Koagulation
des Blutes fördert und vor Nachblutung schützt.
Herr Krebs-Hildesheim: In gewissen Fällen, namentlich bei Rhinitis hyper-
trophica ist ein einzeitiges Operieren nicht möglich. Nachblutungen sind dadurch
zu vermeiden, dass man den Patienten empfiehlt, tief durch die Nase einzuatmen
und durch den Mund auszuatmen.
Herr Killian-Freiburg nimmt, seit er eine Klinik hat, jeden Patienten mit
intranasaler Operation 1—3 Tage in diese auf. Operationen der unteren Muschel
werden fast immer gleichzeitig auf beiden Seiten ausgeführt und dann 2—8 mal
Pinselungen mit Wasserstoffsuperoxyd 10°/o, Wattepfropf in Naseneingang. Auch
sonst operiert Killian doppelseitig, empfiehlt aber strenges Individualisieren.
Herr Ruprecht-Bremen: Die einzeitigen Operationen erleiden gewisse Be-
schränkungen durch das Prinzip der Erhaltung rückbildungsfähiger Teile. Wenn man
bie Mandeloperationen nicht nakotisiert, kann man gleichzeitig auch Wucherungen
der unteren Muschel entfernen.
Herr Pol y ák -Budapest (Schlusswort) stellt fest, dass im ganzen die Diskussion
Zustimmung zu seinen Anschauungen ergeben hat. Nachblutungen sind bei klinisch
behandelten Kranken, wenn diese bilateral behandelt werden, nicht häufiger.
2. Herr Denker-Erlangen: Zur Radikaloperation des chro-
nischen Kieferhóhlenempyems in Lokalanüsthesie.
Denker führt die Radikaloperation des chronischen Kieferhöhlenempyems
nach seinem Verfahren in folgender Weise aus. '/s Stunde vor Beginn des Ein-
griffs Morphiuminjektion (0,01—0,02); Einpinselung der Gingivaschleimhaut der
zu operierenden Seite mit 10—20°.o-iger Kokainsuprareninlösung; subperiostale
Injektion einer Novokain-Suprareninlösung (Novokain 1,0 auf 100 g physiol. Koch-
salzlösung, der 80 Tropfen einer 1°;co-igen Suprareninlösung zugesetzt werden).
Die Einspritzung erfolgt. zuerst in der Richtung nach oben gegen den Supraorbital-
rand, dann nach vorn oben gegen die Apertura piriformis zu und schliesslich an
der Austrittsstelle des Nervus infraorbitalis. Nun wird an die laterale Wand des
unteren Nasenganges ein in 10°/-iger Kokainsuprareninlisung getauchter Gaze-
tampon eingelegt (20 Tropfen einer 1°/o-igen Suprareninlösung auf 10 ccm der
10°;-igen Kokainlösung). 10 Minuten nach Beginn der Infiltration Durchtrennung
und Zurückschiebung der Weichteile. Nachdem mit flachen Meisselschlägen die
faziale Wand in etwa 10 Pfennigstückgrósse abgetragen ist, wird die freigelegte
Kieferhöhlenschleimhaut mit einem in 10?/o iger Kokainsuprareninlósung getauchten
Gazetampon bedeckt. Alsdann folgen von der Apertura piriformis aus subperiostale
Novokain-Suprarenininjektionen entlang der lateralen Wand des unteren Nasenganges
(2-~3 ccm).
Nach Exzision der freigelegten Kieferhöhlenschleimhaut wird nun ein mit
10°/-iger Kokainsuprareninlósung getränkter Gazetampon in die Kieferhöhleeingelegt.
Um bei empfindlichen Personen vollständige Schmerzlosigkeit zu erreichen, kann
man an der hinteren Kante der Kieferhóhle (perforierende Trigeminusfasern) noch
Novokain-Suprarenininjektionen machen. Im ganzen werden bei einzeitigen Operation
10—12 ccm Novokain-Suprareninlösung injiziert, bei doppelseitiger Operation kann
man 20 ccm obne Gefahr einspritzen. Denker hat nach seiner Methode 41 zum
192 Gesellschafts- und Kongressberichte. [54
Teil sehr schwere veraltete chronische Empyeme mit dem stets gleichen Erfolge
dauernder Heilung operiert.
Vor der vonSturmann empfohlenen endonasalen Operation
des Kieferhóhlenempyems kommt der Methode nach Denker der
Vorzug der grósseren Übersichtlichkeit wührend der Operation,
derglatteren Heilungundderkürzeren Nachbehandlungsdauer zu.
Diskussion:
Herr Wasermann-München benutzt zur Anästhesie Novokain-Alypinlösung,
und zwar als Leitungsanästhesie von aussen her geführt. Er geht direkt in den
Nerv durch das Foramen infraorbitale, empfiehlt auch Morphin-Skopolamin-
Narkose, Die Langenbeckschen Haken hat Wassermann in der Weise
modifiziert, dass er ihnen noch 8 scharfe Zinken angefügt hat. Die Weichteile
werden dadurch besser zurückgehalten.
Herr Stu rm ann Berlin verteidigt das von ihm an anderer Stelle beschriebene
Operationsverfahren. Von der Nase aus kann man vollkommen hinreichende Uber-
sicht der Kieferhóhle bekommen. Klinische Behandlung ist nicht erforderlich.
Bei der Eróffnung von der Fossa canina aus hat Sturm aun so starke Blutungen
gehabt, dass er die Operetion nicht zu Ende führen konnte.
Herr Denker-Erlangen (Schlusswort) zieht es vor, von der Skopolamin-
Narkose Abstand zu nehmen. Die von Herrn W asserman n empfohlene Leitungs-
anüsthesie ist der Nacbprüfung wert, doch kommt man auch ohne sie aus. Die
von Herrn Sturmann befürchtete Intoxikation tritt nicht auf. Die Chirurgen
verwenden selbst bei Kindern weit grössere Dosen von Novokain. Die Vorzüge
der SÓturmannschen Operation erkennt Denk er nicht an. Unstillbare Blutungen
hat Denker bei seiner Methode nicht beobachtet.
3. Herr Winckler-Bremen: Schnittführung zur submukósen
Septumresektion. |
In denjenigen Füllen, in welchen die an das Septum mobile sich ansetzende
vordere Knorpelspange nach Beseitigung der Devation noch ein Atmungshindernis
bildet, empfiehlt sich der von Hajek und Menzel empfohlene Schnitt dicht
vor dem vorderen Knorpelende als das Beste. Ein Nasenspekulum ist dazu nicht
erforderlich. Sobald man bei schichtweisem Prüparieren an einer Stelle auf Knorpel
gelangt, lässt sich von hier aus der Überzug in toto leicht mit einem schmalen
Elevatorium unterminieren, abheben und der noch unvollendete Teil des Schleim-
hautschnittes mit einer Schere beenden. Ist der vordere Rand des Knorpels nicht
80 deviiert, dass er erhalten bleiben kann, so legt Winckler den Schnitt weiter
nach hinten und erhält einen vorderen Knorpelrand. Gewisse Schwierigkeiten
ergibt die Ablösung des Schleimbautüberzuges bei breit dem Nasenboden anliegenden
Leisten. In diesen Fällen muss der typische Schnitt nach hinten verlängert werden.
Die Schleimhaut ist unter allen Umständen zu erhalten. In den Fällen von tief-
liegenden Leisten wird mit einem bogenförmig sogleich vorn in den Nasenboden
zu legenden Schnitt der vordere Knorpelrand umkreist. Die Ablösung der Peri-
chondriums und der Mukosa gestaltet sich allerdings schwieriger. Doch wird die
Freilegung erleichtert, wenn man am Nasenboden mit dem Zurückstreifen des
Überzuges beginnt. Man geht dann sukzessive weiter nach innen und oben
Unter die abgeliste Schleimhaut schiebt Winckler Gazestreifen, die mit Wasser-
stoffsuperoxyd getränkt sind. Die Vorteile der Menzelschen Schnittführung sind:
l. die vorderen Verkrümmungen der Kartilago sind leichter zu beseitigen; 2. man
bedarf keiner Hilfsmittel; 8. die Adaption der Wundründer und Naht gestaltet sich
leichter.
Diskussion:
Herr Edm. Meyer-Berlin: Die gedachte Schnittführung ist, von Menzel
unabhüngig, von Hajek angegeben. l
Herr Killian-Freiburg fragt an, ob Herr Winckler in jedem Fall das
vordere Stückchen der Nasenscheidewand wegnimmt.
55] Gesellschafts- und Kongressberichte. 193
Herr Winckler-Bremen: Die erwähnte Schnittführung soll sich auf sehr
weit nach vorn und unten liegende Septumleisten beschränken.
Herr Killian-Freiburg betont, dass es doch recht gut ist, vom knorpeligen
Septum einen Streifen stehen zu lassen.
4. Herr von Eicken-Basel: Behandlung von Synechien der
Nase.
Zur Behandlung von Synechien gibt es zwei neue Verfahren. 1. Submuköse
Septumresektion mit Trennung der Synechien, darauf Tamponade für einige Tage.
Die Wundfläche überzieht eich alsbald mit Epithel. Das zweite Verfahren wird
von Siebenmann mit bestem Erfolge bei ausgedehnten Synechien auch im
Vestibulum ausgeführt, nach ev. submuköser Septumresektion, Durchtrennung der
Synechien und Deckung der Wundfläche mit Thierschschem Lappen. Dem Ober-
arm oder Oberschenkel entnommene Lappen breitet man auf einem aus 8—16
Schichten Gaze bestehenden mit Borsäurelösung getränkten, fest ausgedrückten
und dadurch ziemlich rigiden Tampon aus. Die Hornschicht der Hautlappen kommt
auf den Tampon. Nach 4—6 Tagen Entfernung des Tampons mit Wasserstoff-
superoxyd und Durchschneidung des Kopfteils des Thierschschen Lappens in der
Tiefe der Nase. Der Lappen ist inzwischen fest angeheilt. Auch in einem Falle
von Verwachsung des Gaumensegels mit der hinteren Rachenwand hat sich das
Verfahren bewührt.
Diskussion:
Herr Denker-Erlangen fragt an, wie sich der Lappen in der Nase verhält,
ob es zu Krustenbildung etc. kommt.
Herr von Eicken-Basel (Schlusswort): Eine Metaplasie der transplaniierten
äusseren Haut tritt nicht ein, doch kommt es es einer Art von Mukosierung.
5. Herr Hansberg-Dortmund: Zur Operation der in der Fossa
sphenopalatina sitzenden Fibroide.
Ein 16jähriger Arbeiter leidet seit einem Jahre an rechtsseitiger Nasen-
verstopfung und Anschwellung der rechten Molargegend. In letzter Zeit häufiger
auftretende Blutungen aus der rechten Nasenhöhle. Der hintere Teil der letzteren
ist ausgefüllt mit rötlicbem auf Berührung leicht blutendem Tumor. Im Nasen-
rachenraum eine rundliche Geschwulst mit glatter Oberfläche zu fühlen, die den-
selben zum grössten Teile ausfüllt, deren breite Basis in dem seitlichen Teil der
hinteren Nasenhöhle sich befindet. Diagnose: Tumor, ausgehend von der Fossa
sphenopalatina, der einen Fortsatz nach der Molargegend entsandt hatte. Letzterer
konnte von aussen deutlich gefühlt werden.
Enifernung des gróssten Teils des Tumors in Kleinhühnereiergrósse von der
vorderen Nasenóffnung aus mittelst Nasenzange, worauf die Atmung frei wird.
Blutung unbedeutend. Mikroskopische Untersuchung ergibt zellenreiches Fibrom.
Die von den natürlichen Wegen beabsichtigte Entfernung der Geschwulst
aus der Fossa sphenopalatina scheiterte an der Empfindlichkeit des Patienten,
daher Denkersche Operation, wobei sich zeigt, dass die hintere mediale Wand
der Oberkieferhöhle zum grössten Teil bereits von dem Tumor zerstört ist. Nach
Entfernung der hinteren äusseren Kieferhöhlenwand wird "derselbe leicht mit der
Zange gefasst und gründlich samt dem Fortsatz entfernt. Seine Insertion befand
sich in der Fossa sphenopalatina. Patient gesund entlassen, nach einem halben
Jahre kein Rezidiv.
Auf die Vortrefflichkeit der Denkerschen Methode bei derartig ungünstig
sitzenden Geschwülsten wird besonders hingewiesen, die gegenüber anderen prälimi-
naren Operationsmethoden grosse Vorzüge besitzt.
Diskussion:
Herr Hopmann-Köln sieht in den Ausführungen des Herrn Hansbergs
eine Bestätigung der von Herrn Hopmann sen. seit langen Jahren empfohlenen
Methode, die Fibrome vom Nasenrachenraum aus vollständig zu entfernen. Auch
194 Gesellschafts- und Kongressberichte. [56
nicht allzugrosse Fortsätze sind auf diese Weise mit einer starken Kornzange
zu fassen.
Herr Kahler-Wien: Auch auf der Klinik Chiaris wird auf die äussere Operation
der Nasenrachen-Fibrome nicht verzichtet, wegen der Gefahr der Blutung bei Angio-
fibromen. K ahler empfiehlt die elastische Ligatur nsch Koschier. Die Denker-
sche Operation wird in Kombination mit dem äusseren Schnitt nach Langen-
beck durchgeführt, mit der Resektion der ganzen lateralen Nasenwand, wenn
es notwendig ist. Auf Entfernung der Wapgenfortsätze kann man verzichten.
Herr Zarnik o-Hamburg betont, dass auch durch schonendere Verfahren
gute Resultate erreicht werden. Er empfiehlt besonders bei blutreichen Tumoren
die Elektrolyse.
Herr Kümmel-Heidelberg: Es gibt Fälle, die nach den Angaben des Herrn
Hansberg zu behandeln sind. Bei stark blatenden Nasenrachenfibromen, besonders
dann, wenn die Immunitütsgrenze noch eine ganze Reihe von Jahren entfernt liegt,
also bei Patienten von 13—14 Jahren, sollte man von Anfang an radikal vor
gehen. Kümmel hat jüngst einen Fall beobachtet, in dem ein Rezidiv auftrat,
durch das der Patient so ausgeblutet war, dass er trotz gelungener Operation im
Kollaps starb.
Herr Killian-Freiburg gibt den intranasalen Methoden den Vorzug, wenn
der Tumor nicht so ausgedehnt ist. In den übrigen Fällen empfiehlt Killian nach
Denker vorzugehen und zuerst in der Flügelgaumengrube die Gefässe aufzusuchen,
welche von aussen her in den Tumor hineingehen.
Herr Imhofer-Prag fragt nach dem histologischen Verhalten des Tumors.
Herr Rudolf Panse -Dresden weist an der Hand eines Falles auf die
Möglichkeit, diese Tumoren durch dauernde Ligatur zu heilen, hin.
Herr Denker-Erlangen teilt den Standpunkt Kümmels, den Tumor nicht
stückweise, sondern möglichst an der Basis abzutragen. Die galvanokaustische
Schlinge gibt keine absolute Garantie, die Blutung zu verhindern. In einem Falle
ist es Denker gelungen, mit einer hierzu konstruierten Zange nach Ablösung
mit dem Finger den Tumor an der Basis zu entfernen. Allerdings war bier nichts
von dem Tumor in die Schläfengrube hineingewuchert. Bei stark entwickelten
temporalen Fortsätzen muss man seine Zuflucht zum Eingriff von aussen nehmen.
Herr Ruprecht-Bremen empfiehlt besonders das elektrolytische Vorgehen
mit der von ihm angegebeuen korkzieherfórmigen elektrolytischen Nadel.
Herr Kuttner-Berlin: Das von Kuttner und Grönbeck eingeführte
elektrolytische Verfahren hat sich auch weiter bewährt. Keine der sogenannten
schonenden Behandlungsmethoden gibt eine durchaus sichere Gewähr gegen schwere
Blutung. Bei.der chirurgischen Behandlung ist diejenige die beste, bei der man
die blutenden Gefässe direkt fassen kann. Die temporäre Kiefer-Resektion scheint
dem am meisten zu entsprechen.
Herr Habermann-Graz berichtet von einem Fall, bei dem eine dem Tumor
aufsitzende Rachenmandel zu einer irrigen Diagnose führte,
Herr Jurasz-Lemberg empfiehlt die galvanokaustische Schlinge. Man hat
keine Blutung zu befürchten, selbst bei Angiofibromen. Man muss nicht mit
Weissglut, sondern mit Rotglut der Schlinge vorgehen. Auch die Elektrolyse ist
zu. empfehlen. Doch kann sie nicht bei grösseren Tumoren angewendet werden;
sie ist sehr nützlich nach Ablösung des Tumors, um den Stumpf zu vernichten.
Herr Hansberg-Dortmund (Schlusswort): Der Tumor ergab sich bei der mikro-
kopischen Untersuchung als zellreiches Fibrom. Hansberg ist Anhänger der
radikalen Methode, schliesst aber gestielte Tumoren aus. Bei breitbasigen Tumoren,
auch wenn Verwachsungen eingetreten sind, gelang die Entfernung in einer resp.
zwei Sitzungen.
6. Herr Manasse-Strassburg i. E.: Über Exostoren und Muko-
cele der Stirnhöhlen.
16 jähriger Knabe. Seit 7 Monaten Vortreibung des rechten Auges und
Schwellung über demselben. Befund: Gegend des rechten Arcus supraorbitalis
5i] Gesellschafts- und Kongressberichte. 195
stark vorgetrieben durch prallen elastischen Tumor. Protrusio bulbi, Verdrängung
des Augapfels nach unten und aussen. Augenhintergrund: Venen beiderseits
stark gefüllt, geschlängelt, rechts mehr als links, rechte Papille ziemlich scharf
begrenzt, aber etwas mehr gerötet als links. Physiologische Exkavation beider-
seits deutlich. Augenhewegungen rechts nach oben behindert. Pupillen normal.
R. S. ! 2o, L. S. *s. Punktion des Tumors’ ergibt farblose Flüssigkeit mit lebenden
Flimmer-Epithelien. Operation in Narkose. Freiprüparieren des graublauen Tumors,
Die &ussere Wand der Stirnhóhle zeigt sich papierdünn, teilweise zerstórt. Bei
weiterem Präparieren entleert der Tumor sulzige Massen und wässerige Flüssigkeit.
In der Stirnhöhle wölben sich knollige elfenbeinfarbige Massen vor, die sich median-
wärts und nach dem Siebbein zu erstrecken. Der Arcus supraorbitalis, zu einer
dünnen Knochenspanne verkleinert, wird entfernt. Die von der Zerebralwand der
Stırnhöhle ausgehenden Exostosen werden entfernt. Es handelt sich also gleich-
zeitig um Exostosen und Mukocele der Stirnhóhle. Die Exostosen sind offenbar
das Primäre gewesen. Sie haben den Ductus nasofrontalis verschlossen und
dadurch zur Bildung der Mukocele geführt. |
Demonstration einer weiteren Stirnhóblen-Exostose von Wolf in Metz dem
Vortragenden übergeben.
Ferner Demonstration einer dritten Exostose bei einem 18jührigen Mann
am Iofraorbitalrand, der den Bulbus nach oben verlagerte. Bei ihrer Entfernung
wurde die Kieferhóhle eröffnet, die sich in dem Knochenwulst hineinbuchtete.
Dieselbe erwies sich als gesund.
Diskussion:
Herr von Eicken-Basel schliesst sich den Ausführungen des Vortragenden
m bezug auf das Abhängigkeitsverhältnis von Mukocele und Exostose an.
Herr Sturmann-Berlin: Weitere Ausführungen der Ätiologie der Mukocele.
Herr Kretschmann-Magdeburg demonstriert eine Elfenbein-Exostose, die
vom Siebbein ausging.
Herr Manasse-Strassburg (Schlusswort): Bei den Exostosen handelt es
sich häufig um jugendliche Individuen. Man muss daher an eine angeborene
Disposition denken.
7, Herr Zarniko-Hamburg: Turbinotomia submucosa.
Vortragender empfiehlt für die häufigen Fälle, in denen eine störende Ver-
grösserung einer unteren Nasenmuschel lediglich auf Vergrösserung oder abnorme
Vorwölbung des Muschelbeines beruht, statt der ganz zu verwerfenden Abtragung
der Muschel an ihrer Anbeftung (Turbinectomia), de submuköseResektion
des Muschelbeins (Turbinotomia submucosa).
Schilderung der Operation, die in folgenden Etappen ausgeführt
wird: Senkrechter Scherenschnitte am vorderen Ende, der die Schleimhaut bis auf
den Knochen durchtrennt; von diesem Schnitt aus Abhebeln der Schleimhaut auf
der konvexen Seite mit einem geeigneten Elevatorium; Durchschneidung der
Schleimhaut von innen nach aussen mit einem geknüpften Messerchen; Abhebeln
der Schleimhaut der konkaven Seite; Abkneifen oder Abbrechen des Muschelbeins
soweit es nötig ist, und Entfernung des losgelósten Knochenstücks; Glüttung des
Randes und Reposition der Schleimhautlappen; Tamponade nur bei stürkerer
Blutung (selten erforderlich).
Die Operation bietet kleine technische Schwierigkeiten, die aber stets zu
überwinden sind.
Vortragender hat die Turbinotomia submucosa mit strenger Auswahl der
Falle im Laufe der letzten beiden Jahre über dreissig Mal ausgeführt und ist mit
den Erfolgen sehr zufrieden Er betrachtet sie in vielen Fällen als durchaus not-
wendige Ergänzung der submukösen Septumresektion.
Diskussion:
Herr Winckler-Bremen hat das Verfahren von Zarniko in einem Falle
sehr praktisch gefunden, konnte aber die Tamponade nicht entbehren.
196 Gesellschafts- und Kongressberichte. [58
Herr Seifert-Würzburg empfiehlt keilfórmige Resektion des Muschelgewebes
mit dem Moureschen Messer, das für die Beseitigung der Septumleisten emp-
fohlen ist. Wenn man bei solchen starken Hyperplasien das Muschelgewebe von
hinten her in das Fenster des Messers hineindrüngt und die Schleimhaut mit dem
entsprechenden Teil des knóchernen Muschelgewebes herausschneidet, so legt
sich bei entsprechender Tamponade die obere Flüche an die untere Wunde und
man erzielt eine Verkleinerung der Muschel ohne Störung ihrer Funktion.
Herr Ritter-Berlin fragt, ob beim Zarnikoschen Verfahren keine Ge-
fährdung des nasalen Endes des Tränenkanals stattfindet.
Herr Killian-Freiburg empfiehlt für gewisse Fälle die Infraktion der unteren
Muschel mit dem von ihm angegebenen Spekulum.
Herr Denker-Erlangen hat auch in Fällen, wo sonst die partielle Resektion
der unteren Muschel vorgenommen wird, die Turbinotomie versucht. Er wird über
seine Erfahrungen weiter berichten.
Herr Zarniko-Hamburg (Schlusswort) hat keinerlei Störungen von seiten
des Tränennasenganges gesehen. Der Vorschlag Herrn Denkers sollte weiter
geprüft werden. |
8. Herr A. von Gyergyai-Klausenburg:
a) Ein neues direktes Untersuchungsverfahren des Nasen-
rachens und der hinteren Nasenpartie.
Die Methode besteht darin, dass bei hängendem Kopf der weiche Gaumen nach
vorn gezogen wird, und dadurch ein gerades Untersuchungsrohr so in den Nasen-
rachen eingeführt werden kann, dass sein inneres Ende dem hinteren Rande des
harten Gaumens unmittelbar anliegt. Das äussere Ende stösst dabei an die untere
Zahnreibe. Die Untersuchung findet gewöhnlich in Lokal-Anästhesie statt. Es
werden 4—20 mm weite und 8—10 cm lange gerade Röhren benützt, die an das
Brüningssche Elektroskop befestigt werden. Ein Saugapparat zur Entfernung
des Schleims ist notwendig. Zur ersten Orientierung empfiehlt es sich, ein 12—20 mm
breites Rohr einzuführen. Alsdann kann man auch engere verwenden. Man über-
sieht die Gegend der Rachenmandel, die Seitenwände des Nasenrachens, des Ostium
pharyngeum der Tube, die Rosenmüllersche Grube etc. und in der Mittellinie
den Rand des Septums. In günstigen Fällen kann man auch das hintere Ende
und ein Stück vom unteren Rand der mittleren Muschel sowie einen Teil des
mittleren Nasenganges überblicken. Zwischen mittlerer Muschel und Septum sieht
man die steil aufsteigende vordere Wand der Keilbeinhöhle, davon nach vorn den
oberen Nasengang mit der oberen Muschel. Man kann in die Tube ein Rohr von
4—7 mm Stärke 2'!/s cm weit einführen, so dass man die Trommelfellhöhle durch
den äusseren Gehörgang leicht sehen kann. Man kann auch bei geeigneten
Individuen ein dünnes Rohr in den oberen Nasengang und in den Recessus spheno-
ethmoidalis einführen. Die Technik der Untersuchungsmethode und deren Vorteile
werden weiter ausgeführt.
b) Derselbe: Operationen mit- dieser Methode.
Zum operativen Vorgehen bedarf es eines Saugapparates und es empfiehlt sich
daher, um beide Hände frei zu haben, das Rohr zu fixieren. Die starken Rohr-
weiten eignen sich mehr zum Operieren. Gyergyai hat in letzter Zeit adenoide
Vegetationen, hypertrophisshe Muschelenden, Choanalpolypen auf diese Weise ent-
fernt, möchte das aber nicht für alle Fälle empfehlen. Er empfiehlt die Eröffnung,
der Keilbeinhöhle auf diesem Wege.
Diskussion:
Herr Mann-Dresden hat Gelegenheit gehabt, die Untersuchungsmethode zu
prüfen und hält sie für gewisse Fälle für ausführbar.
9. Herr Salzburg-Dresden: Krankenvorstellung.
1. Fall von Karzinom der Nase, der seit 10'/: Jahren rezidiv-
frei geblieben ist.
2. Fall von Rundzellensarkom der hinteren Larynxwand;
Total-Exstirpation des Larynx. Heilung seit 10 Jahren.
59) Gesellschafts- und Kongressberichte. 197
11. Herr Möller-Hamburg: Atmokausis bei Ozäna.
An der Hand von etwa 100 Fällen, die im Eppendorfer Krankenhause in der
Abteilung von Thost mit dem von Pincus angegebenen Apparat behandelt wurden,
zeigt Möller, dass die Atmokausis bei der Ozäna sehr viel leisten kann, sowohl
allein, wie auch in Verbindung mit Methoden, die eine Verkleinerung des Nasen-
lumens bezwenken. Zunächst wird die Nase aufs Säuberlichste mit Wasserstoff-
superoxyd gereinigt, bis die ganze Schleimhaut frei von Borken ist. Dann 10°/c-iger
Kokainspray. Einreiben des Naseneinganges mit 10°/ Kokain. Ausserdem Ein-
reiben des Naseneinganges, üusserer Nase und Operlippen mit Vaselin. Dauer
der Einwirkung des von Kondenswasser freien auf 117—118? erwürmten Dampfes
1—8 Sekunden in jedem Nasenloch. Die günstige Einwirkung zeigte sich in Be-
seitigung des Druckgefühls im Kopf, der Kopfschmerzen und des üblen Ge-
ruches, Verringerung der Borkenbildung, Erleichterung der Reinigung. Die Atmo-
kausis bat sich als nicht gefährlich gezeigt. Nur einmal wurde eine Otitis media,
die ohne Besonderheiten verlief, beobachtet. Kindliches Alter bildet keine Kontra-
indikation. Wassermann war überall negativ.
12) Herr Brünings-Jena: a) Über neue diagnostische Hilfs-
mittel und Methoden.
Die Fenstersonde. Brünings hat hohle Oliven aus Hartmessing von ab-
gestufter Dicke mit seitlichen scharfrandigen Fenstern als Sondenansätze anfer-
tigen lassen, welche dazu dienen, mittelst Probeexzision die Diagnose Speiseröhren-
karzinom zu stellen oder ein solches auszuschliessen. Das schon seit Jahren vom
Verf. gebrauchte Instrument wurde bisher in 41 Fällen von malignem Speise--
röhrentumor angewendet und hat ausnahmslos beim ersten Eingehen die zur
mikroskopischen Diagnose erforderlichen Tumorstücke heraufgebracht. Anderer-
seits konnte durch regelmässige Ösophagoskopie bei negativem Erfolge nachge-
wiesen werden, dass die Sonde in normaler Speiseröhre und gutartigen Stenosen
keinerlei Verletzung hervorrufen kann. Nachteilige Folgen einer Probeexzision sind
nicht vorgekommen. Brünings ist der Ansicht, dass die neue Methode absolut.
sicher wirkt und auch für den endoskopisch geschulten Arzt in den meisten
Fällen mit Vorteil die Ösophagoskopie ersetzen kann.
2. Verbesserungen des Broncho-Elektroskops und der bronchoskopischen
Zangen.
Der Reflexionsspiegel des Elektroskops wurde anstelle des zentralen Loches
mit einem durchgehenden Spalt versehen. Dadurch sind nicht nur die störenden
Reflexe vermieden, sondern man kann jetzt Zanger und andere Instrumente von
beliebiger Lange anwenden, da sie sich ohne weiteres durch den Spiegelspalt
führen lassen. Die bisher gebräuchliche verlängerbare Zange von Brünings konnte
deshalb durch ein sehr vorteilhaftes nicht verlängerbares Modell ersetzt werden,
das bei sehr einfacher Handhabung besonders grazil und stabil ist.
8. Anastigmatische Vergrösserungsspiegel, Spiegel mit erweitertem Gesichtsfeld.
Die schon im Beginn der Laryngoskopie angestellten Versuche, einen Kehl-
kopfspiegel mit Lupenvergrösserung zu konstruieren, haben bisher zu keinem
brauchbaren Resultat geführt, weil ein schräg gestellter Hohlapiegel sehr stark:
verzeichnet. Brünings hat nachgewiesen, dass es sich dabei um Astigmatismus
handelt, welcher sich leicht und vollkommen dadurch beseitigen lässt, dass man
die Vorderfläche der Spiegel zylindrisch anschleift. Diese anastigmatisch korri-
gierten Kehlkopfspiegel, welche sich äusserlich nicht von der gewöhnlichen Form
unterscheiden, liefern ein verzeichnungsfreies 2 bis 3 mal vergróssertes Kehlkopf-
bild von gesteigerter Helligkeit und werden in sehr vielen Fällen den gewöhnlichen
Planspiegel mit Vorteil ersetzen.
Brünings hat das gleiche Korrektionsprinzip auch in umgekehrter Form
angewendet und so einen verkleinernden Spiegel mit eutsprechend erweitertem
Gesichtsfeld erhalten. Diese Spiegel sind besonders vorteilhaft zur Postrhinoskopie,
198 Gesellschafts- und Kongressberichte. [60
da sie bei gleicher Grósse die vierfache Flüche zu übersehen gestatten. — Die
neuen Spiegeltypen werden von dem Zeisswerk in Jena fabriziert,
4, Die Stereo-Laryngoskopie.
Brünings, der sich schon seit Jahren mit dem Problem der binokularen
Laryngo-Rhino-Otoskopie beecháftigt hat, erórtert die gesamten theoretischen
Möglichkeiten, unter denen er 2 ganz neue Wege gefunden hat. In Zusammen
arbeit mit dem Zeisswerk sind so eine Reihe von neuen Versuchskonstruktionen
entstanden, die er zur Zeit einer gründlichen praktischen Erprobung unterwirft,
bevor er sich für ein definitives Modell zum allgemeinen Gebrauch entscheiden wird.
Derselbe: b) Über eine röntgenographische Darstellungs-
methode der Nebenhöhlen und des Schläfenbeins (mit Demon-
stration).
Brünings bespricht zunächst die theoretisch und praktisch möglichen Ver-
besserungen des röntgenographischen Verfahrens für Schädelaufnahmen uud weist
dann nach, dass die stereoskopische Darstellung den weitaus grössten Fortschritt
bedeutet, „dass sie das so schwer zu deutende Röntgenogramm des Schädels mit
einem Schlage in ein lebensvolles, klar verständliches Bild“ verwandelt (Albers-
Schönberg). Die Gründe, weshalb die Stereographie des Schüdels bisher nicht
über das Versuchsstadium hinausgelangt ist, sind doppelte: Einmal existierte bis-
her kein stereoskopischer Aufnahmeapparat, welcher die beim Kopf unerlüssliche
Anwendung von Róhrenblenden gestattete, und zweitens war eine Verdoppelung
der bisherigen langen Belichtungszeiten ohne Ánderung der Róhrenhürte praktisch
undurchführbar.
: Brünings hat diese Schwierigkeiten durch die Konstruktion eines sehr
einfachen Stereo-Aufnahmeapparates beseitigt, bei dem sich die RKöhrenblende be-
wegt, so dass der Lichtkreis bei der stereoskopischen Verschiebung selbsttätig auf
die Plattenmitte eingestellt bleibt. Durch das Prinzip der Kugelflüche ist dies
auch für jede Art von Schrágaufnahmen erreicht. Die Belichtungszeit wurde durch
Anwendung der neuen Gehler-Folie auf 1/20 abgekürzt, so dass eine stereo-
skopische Doppelaufnahme bei normaler Róhrenbelastung in 10 bis 15 Sekunden
beendet ist.
Brünings demonstriert hierauf eine Reihe stereoskopischer dorso-ventraler
Kopfaufnabmen, auf denen das gesamte Skelett des Gesichtsschädels einschliesslich
der Keilbeinhöhle, der Felsenbeine, der Wirbelsäule vollkommen körperlich er-
scheint, Besprechung der klinischen Bedeutung des neuen Verfahrens.
13. Herr Killian-Freiburg: Demonstration eines Binnen-
spatels. .
Für die direkte Laryngoskopie und Tracheoskopie hat Killian in verschiedenen
Lüngen ein Instrument anfertigen lassen, das den Vorzug leichterer Ausführbar-
keit der Untersuchung hat. Der Druck kann geringer sein als bei Anwendung
des Róhrenspatels. Der Spatel ist im Querschnitt V-fórmig und presst in die Zunge
eine Rinne, die direkten Einblick in den Kehlkopf ermöglicht, passt auch sehr gut
in die vordere Kommissur, durch die er sich leicht hindurchführen lässt. Die
Brüningssche Gegendruckmethode kann gleichzeitig am schonendsten so an-
gewendet werden, dass der hinter dem Patienten stehende Assistent mit dem
Finger einen Druck auf den Ringknorpel ausübt.
Diskussion:
Herr A. Hartmann-Berlin demonstriert einen Spatel, der sich von dem
eben gezeigten durch konisch-ovale Form unterscheidet. Man kann mit gewöhn-
lichem Stirnspiege! untersuchen.
Herr Walter Hünel-Dresden: Demonstration eines Falles von Syphilis
der Trachea an 6 tracheokopierten Bildern aus 5 Wochen langer Beobachtungs-
zeit und an dem Obduktionspräparat. 26jähriger Mann. Wassermann positiv.
Verengung der Trachea durch gummöse Erkrankung dicht oberhalb der Bifurkation.
Heilung auf antisyphilische Kur, Atemnot. Durch Abtragung von Granulationen
61] Gesellschafts- und Kongressberichte. 199
wurde vorübergehende Besserung bewirkt. Trotz Dilatation führt die ringförmige
Stenose zum Tode.
14. Herr O. Kahler-Wien: Zur Kenntnis der Tracheal-.Diver-
tikel.
Demonstriert endoskopische Bilder von einem Tracheal- und einem Bronchial-
divertikel. Die F&lle sind zweifellos mit dem von Hans Chiari beschriebenen
Typus identisch und als rudimentäre überzählige Bronchien aufzufassen. Bei einem
34jährigen Mann fand sich etwa 1 cm oberhalb der Bifurkation rechts 1!» cm
tiefer Blindsack, bei einer 32jährigen Frau ein solcher im Anfangsteil des rechten
Bronchus. Bronchialverzweigung in beiden Fällen normal.
15. Herr W. Uffenorde-Göttingen: Hochgradige Schwellung
der Tracheal- und Bronchial-Schleimhaut nach Dekanülement bei
einem Fall von Papillom desLarynx, geheilt durch Kürettemen-
der Schleimhaut.
Tracheotomie beim 14jährigen Kind, dessen Kehlkopfbefund wegen starker
Schleimabsonderung nicht festgestellt werden konnte. 8 "Tage später Entfernung
zweier grosser Papillome der Stimmbänder durch Laryngofissur. Nach Entfernung
der Kanüle mässiger Stridor. Im bronchoskopischen Bild ergab sich sukkulente
Schwellung der Tracheal und Bronchialschleimhaut. Kürettement der Schleimhaut,
das bald wesentliche Erleichteruug brachte.
16. Herr Hegener-Heidelberg: Kin binokulares stereoskopi-
sches Kehlkopffernrohr.
In der deutlichen Sehweite von 25 cm kann man nur mit einem Auge das
a, sehen, muss daher auf den Vorzug des binokularen Sehens ver-
zichten. Ähnliches gilt von Rbinoscopia posterior und Otoskopie. Die Verkleinerung
des Konvergenzwinkels ist nur durch optische Instrumente möglich. Will man
zu normaler Plastik gelangen, so muss das scheinbar in die Weite gerückte Bild
optisch herangeholt werden. Das geschieht, wenn man es durch ein Fernrohr
gleichzeitig vergrössert. Die Vorteile der stereoskopischen binokularen Betrachtung
sind hinreichend gross, um die Anwendung eines komplizierten Apparates, wie er
für die stereoskopische Untersuchung notwendig ist, zu rechtfertigen. Die Ent-
fernungs- und Tiefenschätzung wird gebessert. Ferner wird das richtige Gefühl
für die Körperlichkeit eines Gegenstandes durch das stereoskopische Sehen er-
leichtert. Es ist daher besonders für die Betrachtung feinerer Veränderungen im
Larynx vom grossem Wert. Das von Hegener konstruierte Fernrohr wird des
näheren erläutert. Die Anwendung des Kehlkopffernrohrs soll die gewöhnliche
Untersuchungsmethode nicht ersetzen, soll sie aber in gewissen, besonders dazu
geeigneten Fällen ergänzen.
Diskussion:
Herr Kümmel-Heidelberg hat Gelegenheit gehabt, das Instrument ver-
schiedentlich zu prüfen und weist auf seine Bedeutung hin.
17. Herr A. Kuttner-Berlin: Demonstration eines neuen (ie-
lenkes fir Hals-, Nasen- und Ohren-Instrumente.
Die Vorzüge dieses Gelenkes sind folgende:
1. Es lässt sich unschwer auseinandernehmen und zusammensetzen: es lässt
sich bequem desinfizieren und ist wenig empfindlich.
2. Es gestattet eine grosse Kraftentfaltung.
3. Es lässt sich für Kehlkopf-, Hals- und Ohren-Instrumente gleich gut ver-
wenden.
4. Der Schnabel des Instrumentes „wippt“ beim Gebrauch nicht, d. h. er
hebt sich bei Schluss nicht von der Stelle, auf die es eingestellt ist, ab.
18. Herr Killian-Freiburg: Über Ethmoidal-Neurose n.
Killian fasst mit dem Ausdruck Ethmoidal-Neurosen alle diejenigen Reflex-
neurosen zusammen, welche von dem vorderen Abschnitt der Nasenschleimhaut, d. h.
von dem Gebiet ausgehen, das vom Nervus Ethmoideus versorgt wird. Er möchte
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H, 2. 14
200 Gesellschafts- und Kongreseberichte. (62
diesen Neurosen eine besondere Stellung einriumen. Es ist bekannt, dass Geruch-
reize Reflexneurosen auslösen, doch scheinen typische und reine Fälle selten zu
sein. Aych von dem hinteren Schleimhautgebiet der Nase, dem Bezirk der Nervi
nasales posteriores scheint selten eine Reflex-Neurose auszugehen. Selbstverständlich
ist eine genauere Kenntnis der anatomischen und physiologischen Verhältnisse not-
wendig. Diese werden näher an der Hand von Tafeln ausgeführt. Zunächst be-
tont Killian, dass chemische und mechanische Reize die Kthmoidalregion als
besonders exponierte treffen und zwar bei unserer Lebensform ganz besonders in
geschlossenen Räumen. Auch kommt die starke Staubentwickelung in grösseren
Städten in Betracht. Gröbere Staubteile werden am Naseneingang zurückgehalten,
andere folgen der Atmungsluft und steigen gegen die mittlere Muschel empor,
wie man sich leicht bei Kranken, die im Staub gearbeitet haben, überzeugen kann;
auch experimentell lässt sich derartiges nachweisen. Die fortgesetzte Einwirkung
verunreinigter Luft bedingt kontinuierlichen Reiz der sensiblen Nervenendigungen,
eine Hyperüsthesie. Diese ist die Grundlage und der Ausgangspunkt jeder Art
von Reflex-Neurose Um sich ein richtiges Urteil zu bilden, sind Sensibilitäts-
prüfungen notwendig. Es empfieblt sich einen mit Watte armierten Sondenkopf
zu benutzen, um einen Schwellenwert der Reizbarkeit festzustellen. Killian
hat im Bereiche der ethmoidalen Nerven häufig Überempfindlichkeit festgestellt.
Der Grad der Hyperästhesie lässt sich auf zweierlei Weise feststellen. 1. Durch
subjektive Angaben, befreffs des Grades des Juck- und Schmerzgefühls, 2. durch
die objektiv wahrnehmbaren Folgeerscheinungen der Reize, deren klinische Be-
deutung verschieden ist. Killian unterscheidet lokale, regionäre und Fernwirkung
der Reize. Die lokalen Reflexerscheinungen bestehen in Hyperämie und Hyper-
sekretion der Nasenschleimhaut im Gebiet der Reizstelle und darüber hinaus.
Dabei werden Irridationen auf die äussere Haut etc. beobachtet. Als regionäre
Folgeerscheinungen der Reizung betrachtet Killian Empfindungen des Juckreizes
im inneren Augenwinkel, an den inneren Teilen der Augenlider, der Konjunktiva
und Caruncula lacrimalis, und Hyperümie der Conjunktiva sowie Trünensekretion.
Unter den Fernwirkungen kommt in Betracht erstens der Nasenhusten, der ste!s
als pathologischer Reflex zu bezeichnen ist. Eine gewisse Ähnlichkeit damit hat
das Niesen. Es handelt sich ebenso wie beim Husten auch hier um einen Reflex,
bei dem der Vagus in Betracht kommt. Auch der Zwerchfellsnerv ist beteiligt.
Der letzgenannten Gruppe vou Erscheinungen (Husten, Niesen) reiht sich der
Asthmaanfall an. Dieser ist von der Nasenschleimbaut aus nur dann auszulösen,
wenn die asthmatische Neurose schon ausgebildet ist. Auch die Herztätigkeit er-
leidet eine reflektorische Beeinflussung von der Nase aus, wovon Killian einen
eklatanten Fall bei einem Säugling beobachtete. Das Wesen der Ethmoidal-Neu-
rosen sieht nun Killian darin, dass durch eine Summation der Reize, wie sie
im tüglichen Leben sich ergibt, neuere und stürkere Reflexe hervorgerufen werden,
deren stórendes Hervortreten als Neurose angesprochen werden kann. Jedoch soll
nicht geleugnet werden, dass es auch Fülle von nasalem Astma gibt, die nicht
von dem Gebiet des Ethmoideus ausgehen. Auf diese Voraussetzungen baut sich
die Therapie. Die Luftstrómung durch die Nase muss frei gemacht werden, da
sich in engen Nasen die Staubteilchen viel mehr ansammeln. Es ist deshalb beim
Asthma alles zu beseitigen, was die Nasenatmung stórt. Ferner wird die Átzung
bestimmter Punkte der Nasenschleimhaut gute Dienste leisten. Kommt man mit
dieser Therapie nicht zum Ziel, so bleibt die Unterbrechung der Reflexbahn übrig.
Bei Ethmoidal-Neurosen kann man den Stamm des Nervus Ethmoidalis leicht in
in der Orbita erreichen und durchtrennen, wie schon früher von Eugen Yonge
und Neumayer und Blos geschehen. Die Technik des Verfahrens wird näher
beschrieben. Killians Erfahrung erstreckt sich bis jetzt nur auf einen einzigen Fall.
Diskussion.
Herr A. Rosenberg-Berlin: Das Gebiet der Reflex-Neurosen ist nicht einzig
und allein auf das Ethmoidalgebiet zu beschränken, wie einige Fälle, die Rosen-
berg anführt, zeigen.
63] Gesellschafts- und Kongrossberichte. 2)]
Herr Neu may er-München berichtet von zwei schweren Fällen von nasalem
Asthma, die er vor zwei Jahren durch Resektion des Nervus ethmoidalis bobandelt
hat, und zwar mit gutem Erfolge. Bei einem dritten Falle, der vor einem halben
Jahre operiert wurde, war der Erfolg nicht so ausgesprochen. Neumayer hat
auch Untersuchungen über das Verhalten der Sensibilität im Innern der Nase und
nach aussen gemacht, nach Resektion des Ethmoidalis und eine Herabsetzung der
Sensibilität feststellen können.
Herr Bönninghaus-Breslau weist auf die Neuralgie des Nervus ethmoidalis
hin und gibt bestimmte Druckpunkte bei derselben an.
Herr Aronson-Bad Ems-Nizza erinnert an seine experimentellen Unter-
suchungen zur Physiologie des Geruches. Er hält das Tuberkulum septi für das
am meisten hyperästhotische Gebiet der Nase.
Herr Hartmann-Berlin weist auf den Wert der einfachen Kokainisierung
der Nasenschleimhaut hin. Auch er hat Reflexneurosen gesehen, welche von den
hinteren Teilen der Nase ausgingen. |
Herr Killian-Freiburg (Schlusswort): Die Diekussion hat bestätigt, dass
tatsächlich das vordere Gebiet der Nasenschleimhaut vorwiegend Reflexneurvsen
auslöst. Eine genaue Trennung der verschiedenen Nervengebiete der Nase ist er-
forderlich.
19. Herr Hugo Stern- Wien: Die Bedeutung des sogenannten
primären Tons für die Stimmbildung.
Unter primärem Ton im physiologischen Sinne ist der von den schwingenden
Stimmlippen erzeugie Ton, d. i. der reine Kehlkopfton, zu verstehen, wie man ihn
z. B. am ausgeschnittenen Kehlkopf hören kann. Es ist ein dünner, zarter Ton,
weit verschieden von dem aus der Mundhöhle heraustretenden Stimmklang. Das,
was von Seiten der Gesangspüdagogen als primáürer Ton bezeichnet wird, ist etwas
hiervon verschiedenes. Gutzmann schlügt vor, diesen Ton als primüren Gesang-
ton zu bezeichnen, wodurch Verwechselungen vorgebeugt würde. Stern ist der
Ansicht, dass im richtigen Hóren nicht allein der Massstab für die Bildung des
primáren Gesangtons zu suchen sein soll. Vielmehr móchte er auf Grund eigner
Erfahrung auch dem Muskelgefühl des Süngers resp. seinem Muskelgedüchtnis
grosse Bedeutung beimessen: Stern kommt nach Zitierung ‘einer Reihe von
Autoritáten zum Schlusse: Der primüre Ton ist jener Ton, von dem eine richtige
systematische Stimmentwickelung auszugehen hat. Er ist der Ton, der bei zweck-
mässiger Inanspruchnahme der Atmung und der Funktion der Stimmlippen durch
ein richtiges Format des Ansatzrohres und die zweckdienlichste Stellung des Larynx
eine möglichst starke Resonnanz (Schallreflextion) im Ansatzrohr hervorruft und
durch seine Fessellosigkeit und richtige Führung den Kehlkopf entlastet und
periphere Teile belastet. Es ist schliesslich der Ton, der sich dem Muskelgefühl
und Muskelgedächtnis des Sängers einprägt und der eine möglichst grosse und
weite Verschmelzung von Brustton und Kopfton, also eine Register ausgleichendo
Wirkung, zur Folge hat.
20. Herr Nadoleczny-München: Beobachtungen an Gesang-
schülern.
Nadoleczny weist zunächst auf die Bedeutung der Resonnanzstérung in-
folge von Veränderung der Nase hin, deren Beseitigung von ausserordentlicher
Wichtigkeit ist, wiübrend er den Verdickungen der Seitenstránge nicht so viel
Bedeutung beilegen möchte, wie ihnen häufig zugeschrieben wird. Die von Im-
hofer gemachte Beobachtung von akuter Stimmermüdung mit anfänglichen Defekten
einzelner Töne konnte Nadoleczny bestätigen. Er sah ferner bei 14 Sängern
und Sängerinnen, die noch nicht fertig ausgebildet waren, Störungen. Es handelte
sich dabei um Kratzen im Hals, Hustenreiz, Schmerzen nach oder beim Singen,
Druckgefühl und Ermüdung. Es ergibt sich bei diesen Füllen häufig eine Schwierig-
keit der Stimmbildung innerhalb bestimmter Lagen. Man muss die 'Tongebung
innerhalb des Gesamttonbereiches mlt verschiedener Vokalisation selbst prüfen.
Auch muss auf Fehler der Atmung und Artikulation geachtet werden. Die pneumo-
]4*
202 Gesellschafts- und Kongressberichte. [64
graphischen Aufnahmen zeigten, dass die von Gutzmann festgestellte typische
Atemkurve bei diesen Stimmstörungen verloren ging, Am häufigsten war ein zu
rasches Absinken der Bauchkurve, seltener das der Brustkurve. Nadoleczny
hat bei diesen Stimmstörungen auch auf das Verhalten der Kehlkopfatellung ge-
achtet und dabei gefundeu, dass der Kehlkopf mit steigender Tonhöhe nach oben
geht. Auch sonst hat er bemerkt, dass bei Indispositionen der Kehlkopf aufstieg,
während nach deren Abklingen die normale Bewegung nach unten eintrat. Er
sieht also in der Palpation des Kehlkopfes ein diagnostisches Hilfsmittel. Nado.
leczny führt weiter aus, dass das, was man durch Beobachtung der Singstimmen
herausanalysiert, mehr Wert für den Gesanglehrer als für den Gesangschüler hat.
Er warnt davor, durch bewusste Übertreibung der einen oder anderen Atmungs-
form und durch Übertreiben auf Seiten des Singenden diesen zu einer Steifheit
des Körpers zu veranlassen, welche für das Allgemeinbefinden sowohl wie für
den Gesang nachteilig sind. Er legt auf das psychische Moment bei den Gec-
sangsübungen grossen Wert. |
Diskussion:
Herr Gutzmann-Berlin.
21. Herr Imhofer-Prag: DieVeründerungen der oberen Luft-
wege in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.
Imhofer kommt zu folgenden Schlussfolgerungeu:
Es ist zweifellos, dass während der Gravidität und im Wochenbette Schwellungs-
zustánde in den oberen Luftwegen und zwar in Nase und Larynx, in letzterem
mit besonderer Prüdilektion der Hinterwand vorkommen.
Diese Schwellungen bilden sich im Wochenbette allmühlich wieder zurück
und zwar scheint hierbei die Dauer der Rückenlage von Einfluss zu sein.
Wührend der Geburt selbst verhalten sich die oberen Luftwege ganz in-
different, nur bei lange dauernden, schweren Geburten kann es zur Hyperümie
und Stauung im Kehlkopfe kommen.
Es liegt durchaus kein Anhaltspunkt dafür vor, die Schwellungen der Larynx-
hinterwand trotz ihrer Ähnlichkeit mit tuberkulösen Infiltraten als durch Tuber-
kulose bedingt, oder als ein für dieselbe prädisponierendes Moment anzusehen.
Blutungen in den oberen Luftwegen während der Schwangerschaft und während,
resp. kurz nach der Geburt, kommen vor, sind aber durchaus nicht so häufig, als
in der Literatur angenommen wird.
Sehr selten sind mit Sicherheit auf Gravidität zu beziehende Paresen der
Kehlkopfmuskulatur.
Die pratische Bedeutung dieser Befunde liegt darin, dass bei schon vor-
handener Verengung des Larynx (es kommen hier vor allem tuberkulöse Infiltrate
in Betracht) eine bedrohliche Zunahme derselben in der Schwangerschaft sich er-
geben könnte, doch ist in praxi diese Gefahr als nicht sehr bedeutend anzusehen,
viel wichtiger ist in praktischer Hinsicht die Möglichkeit diagnostischer Irrtümer,
besonders der Verwechselung mit Tuberkulose.
Die Veränderungen der oberen Luftwege in Schwangerschaft, Geburt und
Wochenbett lassen sich durch rein mechanische Verhältnisse ungezwungen er-
klären.
VI. Kongresse und Vereine.
Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, Königsberg
18—24 Sept. 1910.
Sektion für Laryngologie und Rhinologie.
Flatau, Berlin: Chirurg. und funktionelle Bebandlung der Stimmlippen-
knótchen mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Berufsschüdigung.
05] Kongresse und Véreine. AB
Blumenfeld, Wiesbaden: Zur pathologischen Anatomie der Stimmlippe.
Jaques Joseph, Berlin: Uber Nasenkorrekturen.
Saenger, Magdeburg: Die Beziehungen zwischen Nasenerkrankungen und
Summstórungen.
Réthi, Wien: Thema vorbehalten.
v. z Mühlen, Riga: Zur Diagnosenstellung der Stirnhóhleneiterung.
Max Senator, Berlin: Thema vorbehalten.
Ruprecht, Bremen: Die allgemeine Narkose bei Mandeloperationen.
A. Thost, Hamburg: Über die Anwendung der Anilinfarben in der Rhino-
Larypgologie.
Gluck, Berlin: Thema vorbehalten.
Jurasz, Lemberg: Thema vorbehalten.
Freese, Halle a. S.: Thema vorbehalten.
Zarniko, Hamburg: Thema vorbehalten.
Grünwald, München: Thema vobehalten.
Winckler, Bremen: Bewertung der Röntgenbilder bei Nebenhöhlener-
krankungen.
Uffenorde, Göttingen: Orbitale Komplikationen den Nebenhöhlenent-
zündungen.
Katzenstein, Berlin: Über Brust- und Falsettstimme.
Hajek, Wien: Thema vorbebalten.
Gerber, Königsberg: 1. Über Spirochäten in den oberen Luftwegen. 2. Das
Schicksal der ostpreussischen Skleromkranken.
Cohn, Königsberg: Die oberen Luftwege bei den Leprösen im Memeler
Lepraheim.
Kafemann, Königsberg: Über die Verwendungsmöglichkeiten der Elektro-
lyse im Anschluss an einen geheilten Fall von Epithelkarzinom der Basis cranii
mit Demonstrationen.
Brieger, Breslau: Thema vorbehalten.
Hoffmann, Dresden: Über anatomische Verhältnisse welche bei der Uber-
leitung von Entzündungen aus den Nebenhöhlen der Nase auf die Orbita wichtig
sind. (Demonstrationen mit Epidiaskop.)
Verpflegungsloka!: Theaterrestaurant.
III. Internationaler Laryngo-Rhinologen-Kongress.
Berlin 30. August bis 2. September 1911.
Herrenhaus, Leipzigerstrasse 3.
Hochgeehrter Herr Kollege!
Nach dem einstimmigen Beschluss des Internationalen Laryngo:Rhinologen-
Kongresses in Wien vom 25. April 1908 sollte der nächste Internationale Laryngo-
Rhinologen-Kongress nach einigen Jahren in einer erst später zu bestimmenden
Stadt abgehalten werden. Gleichzeitig wurde ein internationales Komitee ein-
gesetzt, um die Vorbereitungen dafür zu treffen.
In das Komitee. dem das Recht zugestanden wurde, durch Kooptirung neue
Mitglieder heranzuziehen, wurden folgende Herren gewählt: Chiari (Österreich),
B. Fränkel (Deutschland), Semon (England), Hellat (Russland), Moure
(Frankreich), Massei (Italien) und Lefferts (Vereinigte Staaten von Nord-
amerika).
Gelegentlich des XVI. Internationalen Medizinischen Kongresses in Budapest
1909 trat dieses Komitee zusammen. Semon hatte seinen Rücktritt angezeigt
und an seine Stelle ist Dundas Grant getreten. Für die abwesenden Herren
Frankel, Hellat und Lefferts traten ein: P. Heymann (Berlin), Lubliner
(Warschau) und Gleitsmann (New-York). Kooptirt wurde Herr Dr. Finder,
204 Kongresse und Vereine. [66
der Herausgeber des Internationalen Zentralblattes und ihm das Amt des Schrift-
führers des Komitees übertragen.
Einer Anregung Masseis folgend wurde mit Rücksicht darauf, dass schon
im Jabre 1880 in Mailand ein Internationaler Laryngo-Hhinologen-Kongress statt-
gefunden hatte, beschlossen, den nächsten Kongress als III. Internationalen
Laryngo-Rhinologen Kongress zu bezeichnen.
Die Entscheidung über Ort und Zeit dieses Kpngresses wurde einem. engeren
Komitee, bestehend aus den Herren: O. Chiari, als Prüsidenten, B. Frünkel,
Dundas Grant und Moure, übertragen. Da ersterer aber die Stimmen aller
Mitglieder des Internationalen Komitees hören wollte, so sandte er an alle ein
Rundschreiben. Es ergab sich als Komiteebeschluss. dass der III. Internationale
Laryngo-Rhinologenkongress 1911 in Berlin tagen soll.
Herr Fränkel, dem das Präsidium des Kongresses übertragen — teilte
Chiari darauf bereits am 22. Oktober 1909 mit, dass er die Wahl Berlins als
eine hohe Auszeichnung betrachte und dafür sorgen würde, dass die Einladung
zu dem Kongress von den beteiligten Faktoren in aller Form erfolgen würde.
Herr Fränkel, als Vorsitzender, hat dann den Gesamtvorstand der Laryn-
gologischen Gesellschaft zu Berlin als Exekutivkomitee für den Kongress
einberufen. Dieses Komitee hat Herrn Finder, als Schriftführer des inter-
nationalen Komitees und Herrn B. Baginsky cooptirt und sich durch Kooptation
einer Anzahl nahmhafter Laryngologen aus allen Teilen Deutschlands erweitert.
Es hat beschlossen, ein Ehrenkomitee zu bilden; die Namen der in dasselbe
eingetreteuen Heeren sowie der Mitglieder des Exkutivkomitees sind im Anhang
angegeben. Weiter hat es beschlossen, dass der Kongress am 30. und 3l.
August und 1. und 2. September im Herrenhause, das uns von dem Präsi-
denten, Freiherrn v. Manteuffel, freundlichst zur Verfügung gestellt worden
ist, tagen soll.
Von einer allgemeinen Ausstellung soll abgesehen werden, dagegen soll
die Entwickelung und der heutige Stand einiger luryngo-rhinologischer Sonder-
gebiete in einer Ausstellung illustriert werden; es sind dafür in Aussicht ge-
nemmen: die experimentelle Phonetik und die Broncho- und Ösophagoskopie.
Nach den Besrhlüssen des internationalen Komitees sind die offiziellen
Kongresssprachen Deutsch, Englisch und Französisch und die Themata für die
Referate folgende:
. I. Die Beziehungen der experimentellen Phonetik zur Laryngologie,
Referenten: Gutzmann (Berlin), Struy ken (Breda).
II. Bronchoskopie und Osophagoskopie, Indikation und Kontrainin-
dikationen.
Keferenten: Killian (Freiburg), Kahler (Wien), Chevalier Jackson
(Pittsburg).
III. Der Lymphapparat der Nase und des Nasenrachenraums in seiner
Beziehung zum übrigen Körper.
Referenten: Broeckaert (Gent), Poli (Genua), Logan Turner
(Edinburg).
IV. Die sogenannten fibrósen Nasenrachenpolypen; Ort und Art ihrer
Insertion.
Referenten: Jacques (Nancy), Hellat (Petersburg).
Ausser den Referaten kommen die von den Mitgliedern angemeldelen Vor-
träge zur Verhandlung.
Wir beehren uns, Sie zur Teilnahme an dem Kongress einzuladen, und
bitten Sie, die Anmeldung ilrer Mitgliedschaft sowie Ihres Vortrags mit Angabe
des Titels bei Herrn Prof. Rosenberg, Berlin N. W. Schiffbauerdamm 26 be-
wirken zu wollen.
Der Beitrag zu den Kosten des Kongresses beträgt 25 Mark. Dieser Beitrag
ist an Herrn Geheimrat Dr. Schötz, Berlin W. Kurfüstendamm 22 durch Post-
anweisung einzusenden, der seinerzeit in Berlin gegen Vorzeigung der Quittung
67] Kongresse und Vereine. 205
die Mitgliedskarte ausstellen wird. Ebenda werden die Damenkarten — im Preise
von 10 Mark — ausgefolgt werden.
Anmeldungen zur Ausstellung sind zu richten an Herrn Geheimrat Prof.
Hey mann, Berlin W. Lützowstrasse 60.
Berlin, August 1910.
B. Frünkel A. Rosenberg
Vorsitzender Schriftführer
Ehrenkomitee des III. Internationalen Laryngo-Rhinologen-
Kongresses Berlin 1911.
Sr. Exzellenz, der Herr Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten v. Trott zu Solz.
Wirklicher Geheimer Ober-Regierungsrat, Herr Ministerialdirektor Dr.
Naumann.
Wirklicher Geheimer Ober-Regierungsrat, Herr Dr. Schmidt.
Wirklicher Geheimer Ober-Medizinalrat, Herr Prof. Dr. Schmidtmann.
Geheimer Ober-Medizinalrat, Herr Prof. Dr. Kirchner.
Geheimer Ober-Medizinalrat, Herr Prof. Dr. Dietrich.
Geheimer Medizinalrat, Herr Dr. Abel.
Sr. Exzellenz, Generalstabsarzt der Armee, Herr Prof. Dr. v. Schjerning.
Sr. Exzellenz, Herr Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück.
Wirklicher Geheimer Ober-Regierungsrat, Herr Präsident Dr. Bumm.
Herr Oberbürgermeister Kirschner.
Herr Stadtrat, Geheimrat Dr. Strassmann.
Herr Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. Waldeyer.
Herr Generalkonsul Eugen Landau.
Sr. Exzellenz, Wirklichher Geheimer Rat, Landesdirektor v. Manteuffel,
Prüsident des Herrenhauses.
Sr. Exzellenz, Generalintendant der Königl. Schauspiele, Herr Graf von
Hülsen-H üseler.
Sr. Exzellenz, Herr Kammerherr Baron v. d. Knesebeck.
Vorsitzender der Arztekammer, Herr Geheimrat Dr. Stöter.
Exekutivkomitee des III. Internationalen Laryngo-Rhinologen-
Kongresses Berlin 1911.
Die mit * versehenen Berliner Herren bilden den Arbeitsausschuss.
*Herr Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. B. Frünkel, Vorsitzender.
*Herr Generalarzt Dr. Landgraf I
*Herr Geheimrat Prof. Dr. P. Heymann \ stellvertretende Vorsitzende.
*Rerr Prof. Dr. A. Rosenberg, Schriftführer.
*Herr Prof. Dr. Grabower, stellvertretender Schriftführer.
‘Herr Geheimrat Dr. Schótz, Schatzmeister.
*Herr Prof. Dr. A. Kuttner.
*Herr Geheimrat Dr. Schwabach.
*Herr Prof. Dr. Gutzmann.
*Herr Prof. Dr. Baginsky.
*Herr Prof. Dr Finder.
*Herr Sanitätsrat Dr. Musehold.
*Herr Sanititsrat Dr. Hoffmann.
Herr Prof. Dr. Killian, Freiburg.
Herr Prof. Dr. Spiess, Frankfurt a. M.
Herr Dr. Blamenfeld, Wiesbaden.
ONG Personalia. (68
Herr Sanitätsrat Dr. Hansberg, Dortmund.
Herr Prof. Dr. Seifert, Würzburg.
Herr Prof. Dr. Neumayer, München.
Herr Prof. Dr. Manasse, Strassburg.
Herr Dr. Winckler, Bremen.
Herr Sanitätsrat Dr. Thost, Hamburg.
Herr Prof. Dr. Friedrich, Kiel.
Herr Prof. Gerber, Königsberg.
Herr Prof. Hinsberg, Breslau.
Herr Prof. Dr. Freese, Halle.
Herr Dr. R. Hoffmann, Dresden.
Herr Staatsrat Geheimrat Prof. Dr. v. Bruns, Tübingen.
VI. Personalia.
Die Herren Ferreri-Rom und Gradenigo-Turin sind zu ordentlichen
Professoren ernannt worden.
Herr von Lénart hat sich in Budapest für Laryngologie habilitiert.
In Budapest wurde eine neue Klinik für Hals- und Nasenkranke gegründet;
zu ihrem Leiter ist Herr Professor e. o. Dr. Onodi ernannt worden.
Herr Dr. Chauveau in Paris, der Herausgeber des Archives internationales
de Lar. etc. ist zum Senator des Départements Cóte-d'or (Bezirk Beaume) gewühlt.
Herr Dr. G. Finder in Berlin ist der Titel Professor verliehen.
Augenstórungen bei Erkrankungen der Neben-
hóhlen der Nase.
(Ein kasuistischer Beitrag.)
Von
Prof. Dr. 0. Frankenberger,
Vorstand des k. k. böhmischen Universitäts-Instituts für Laryngologie
und Rhinologie in Prag.
Die Beziehungen zwischen der Nasenhöhle und deren Neben-
höhlen einerseits, der Augenhöhle und dem Sehorgane andererseits
sind längst bekannt. Wir wissen, dass die Entzündung der Nasen-
schleimhaut, sowohl die einfache katarrhalische, als die fibrinöse,
pseudomembranöse, per continuitatem auf den Tränenkanal, den
Tränensack und weiter auf die Bindehaut übergehen kann, dass in-
folge Verschlusses der Mündung des Tránenkanals im unteren Nasen- `
gang bei akuter oder chronischer Schwellung der Schleimhaut Epi-
phora entstehen kann, die Erkrankung einer Nebenhöhle, insbesondere
Geschwülste und eiterige Entzündungen, durch die dünne Scheidewand,
welche manchmal die Nebenhóhle von der Augenhöhle trennt, sich
in die Orbita ausbreiten, zu Periostitis oder Orbitalphlegmone führen,
aus je nach der Nebenhóhle, von welcher der Prozess ausgeht, den
Augapfel in verschiedener Richtung verdrängen und dessen Beweg-
lichkeit stören kann. Die durch Erkrankungen der einzelnen Neben-
höhlen bedingten Infiltrate haben ihre Prädilektionsstellen, welche die
Richtung, nach der der Bulbus verdrängt wird, bestimmen. Breitet
sich ein Stirnhöhlenempyem in die Orbita aus, so entsteht gewöhnlich
ein Orbitalabszess an der inneren oberen Wand der vorderen Orbital-
hälfte, der Bulbus wird nach aussen und unten verdrängt, und, wenn
sich der Abszess nach aussen öffnet, so entsteht eine Fistel im inneren
Teile des oberen Augenlides. Bei Eiterungen des Siebbeinlabyrinths
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. Ill, H. 3. 15
208 O. Frankenberger. [2
entwickeln sich Orbitalabszesse gewóhnlich an der Innenwand und
im hinteren Teile der Orbita, weshalb der Augapfel nach aussen und
vorne verdrängt wird.
Entwickelt sich ein Orbitalabszess beim Empyem der Keilbein-
höhle, so entsteht ein Retrobulbärabszess, welcher den Bulbus nach
vorne drängt, also Protrusion des Bulbus oder Exophthalmus erzeugt.
Das Empyem der Kieferhöhle führt selten zu Orbitalabszessen, wenn
ja, dann wird der Bulbus nach oben und innen verdrängt. Von dieser
Regel gibt es aber viele Ausnahmen, welche teils durch eine abnorme
Erweiterung der Nebenhöhle in einer gewissen Richtung bedingt
werden, teils dadurch, dass der an der typischen Stelle entstandene
Orbitalabszess bei seiner weiteren Ausbreitung später an einer von
dem Ursprungsorte entfernten Stelle seine grösste Entwickelung er-
reicht. So kann bei einem Stirnhöhlenempyem, wenn sich diese
Höhle weit in die Schläfengegend hinein ausbuchtet, der Orbitalabszess
sich an der oberen äusseren Orbitalwand entwickeln, und eine Ent-
zündung der Tränendrüse vortäuschen; besitzt die Stirnhöhle nach
hinten eine weite Bucht, so kann ein Retrobulbärabszess entstehen
und der Augapfel nach vorne gedrängt werden.
Aus dieser Verdrängung des Bulbus resultieren dann sekundär
funktionelle Störungen: die Bewegung des Bulbus wird beeinträchtigt
und es entsteht Doppelsehen. Die Papille pflegt dabei ganz normal
zu sein, nur bei bedeutender Dislokation des Bulbus lässt sich oph-
thalmoskopisch eine leichte Hyperämie und eine etwas weniger scharfe
Umgrenzung der Papille nachweisen.
Wir haben Gelegenheit gehabt, einige derartige Fälle zu beobachten
und zu behandeln, von denen ich jedoch nur drei anzuführen
mir erlauben will. Alle wurden uns von der Augenklinik Deyl zuge-
wiesen, woselbst sie wegen verschiedener Augenstörungen Hilfe suchten.
Es ist mir eine angehme Pflicht, Herrn Prof. Deyl auch an dieser
Stelle meinen besten Dank auszusprechen.
I. Der erste, verhältnismässig einfache Fall betrifft einen 37 jährigen Postbe-
diensteten aus Sch., K. welcher am 21. 1V. 1910 unter Prot.-Nr. 1174 aufgenommen
wurde. Vater starb an Hirnschlag, Mutter an Gehirnentzündung. Patient selbst
war in seiner Jugend stets gesund, in seinem 19. Jahre hatte er geschwollenen
Hals, so dass er nicht sprechen konnte. Seit etwa 5 Monaten sieht er mit dem
linken Auge weniger gut und beim Sehen auf die Seite sieht er alles doppelt.
Seit 2 Tagen leichte Heiserkeit. Häufiger Kopfschmerz und Schnupfen.
Somatischer Befund: Über der Lunge hier und da, besonders hinten,
leichtes Pfeifen. Herzaktion regelmässig, die Herztöne etwas dumpf. Sonst
nichts Pathologisches.
Der linke Bulbus etwas nach aussen verdrüngt, seine Bewegungen richtig,
nur bei Bewegungen nach rechts bleibt derselbe etwas zurück. Bei direktem
3] Augenstórungen bei Erkrankungen der Nebenhóhlen der Nase. 209
Sehen sieht Patient gut, schaut er dagegen nach rechts oder links, so sieht er
doppelt. Ophthalmoskopisch ist keine Veränderung nachzuweisen.
Vordere Rhinoskopie: Septum etwas nach links deviiert, rechte Nasen-
höhle etwas weiter als die linke. Am Septum, an der Basis und den Nasen-
muscheln etwas eingetrocknetes Sekret, links ebenfalls, besonders zwischen unterer
Muschel und Septum. Im linken mittleren Nasengang eine auffallend grosse
Bulla ethmoidalis.
Hintere Rhinoskopie: Die hinteren Enden der unteren und mittleren
Muscheln bypertrophisch, auf denselben und im Kavum reichlich eiteriges Sekret.
Im Kehlkopf Schleimhaut etwas hyperämisch. Bei der Durchleuchtung er-
scheinen beide Oberkieferhöhlen gleichmässig durchleuchtet.
Beide Antra wurden unter den unteren Nasenmuscheln angebohrt, jedoch
kein Eiter entleert. 2. V. 1910. Mit Hajeks Haken wird die linke Bulla
ethmoidalis geöffnet, und die Öffnung erweitert. Dabei entleert sich eine reich-
liche Menge stinkenden Eiters. Die Höhle wird mit physiologischer Lösung aus-
gespült.
3. V. 1910. Mit Hajeks Haken und Stanze werden die vorderen Ethmoidal-
zellen geöffnet, wobei jedoch kein Eiter zum Vorschein kommt.
9. V. 1910. Patient hatte vier Tage Halsschmerzen, kommt deshalb erst
heute wieder in die Ordination. Die Diplopie ist völlig verschwunden, die Ver-
drängung des linken Bulbus bedeutend geringer, wenn auch noch bemerkbar. In
der Nase kein Eiter.
17. V. 1910. Patient sieht gut, Verdrängung des linken Bulbus unbe-
deutend. Im mittleren Nasengang etwas schleimiges Sekret. Kopfschmerzen
vollkommen verschwunden.
Der Patient lässt sich nicht länger halten, und da er mit seinem Zustande
zufrieden ist, fährt er nach Hause !).
Es handelte sich also in diesem Falle um ein geschlossenes Em-
pyem der linken Bulla ethmoidalis, durch welches die knócherne
Wand derselben sowohl nach innen gegen die Nasenhóhle, als auch
nach aussen gegen die Orbita ausgebuchtet und hier der Augapfel
nach aussen gedrängt und die Funktion des Musc. rectus int. beein-
tráchtigt wurde. Beide Symptome schwanden bald nach Eroffnung
des Empyems und Entleerung des Eiters bis auf einen unbedeutenden
Rest der Verdrángung.
Der zweite Fall betrifft den 16jährigen Ch. J., Holzschnitzerlehrling aus P.
Eltern und Geschwister sind gesund. Seit 4 Tagen bemerkt Patient eine Ge-
schwulst am rechten Auge, weshalb er am 11. I. 1910 die Augenklinik des
Herrn Professor Deyl aufsuchte, von wo er in unsere Ambulanz geschickt wurde.
Stat. praesens: Patient blass, Lungen und Herz ohne pathologischen
Befund. Beide rechtsseitigen Augenlider stark geschwollen, so dass der Patient
das Auge nicht öffnen kann. Das Ödem reicht nach innen bis auf die Nasen-
wurzel. Bei Druck auf die rechte Seite der Nasenwurzel und auf die innere
Partie des rechten oberen Augenlides wird Schmerz angegeben. Über dem Margo
supraorbitalis hört der Schmerz vollständig auf.
1) Patient wurde in der Wochenversammlung des Vereins bóhmischer Árzte
am 23. V. 1910 vorgestellt.
15*
210 O. Frankenberger. [4
Im Urin etwas Eiweiss.
Vordere Rhinoskopie: Septum symmetrisch, rechte mittlere Nasen-
muschel etwas hypertrophisch, auf derselben etwas schleimig-eiteriges Sekret. Bei
der hinteren Rhinoskopie nichts Pathologisches.
In Rachen und Kehlkopf nichts.
Es wird der Sondermannsche Saugapparat mit Olivenansätzen angesetzt,
jedoch kein Sekret ausgesaugt.
12. I. 1910. Ódem der Augenlider wie gestern, übergreift die Mittellinie
und reicht fast bis zum linken Auge. Schmerz bei Druck auf die innere Partie
des rechten oberen Lides ziemlich heftig. In der rechten Nasenhóhle schleimig-
eiteriges Sekret. Bei der Durchleuchtung zeigt sich, wie es scheint, die
rechte Stirnhóhle etwas weniger durchleuchtet als die linke. Mit dem Sonder-
mannschen Apparat wird heute rechterseits ziemlich viel Eiter ausgesaugt.
18. J. 1910. Das Odem der Lider gleich; Schmerz oberhalb des rechten
inneren Augenwinkels hat noch etwas zugenommen.
15. I. 1910. Inzision des Abszesses am oberen Augenlid, nach oben vom
Augenwinkel reichlich Eiter.
17. I. 1910. Operation. In Chloroformnarkose wird die Inzision nach
unten etwa 1 cm, nach oben und bogenfórmig nach aussen unter dem Augen-
brauenbogen etwa bis zur Incisura supraorbitalis erweitert, hierauf die Weich-
teile teils scharf, teils stumpf von der inneren Orbitalwand abgelóst, wobei in
der Papierplatte ein mit Granulationen ausgefüllter Defekt von der Grósse einer
grösseren Linse entdeckt wurde, der in das Siebbeinlabyrinth führte. In der
Richtung nach vorne von diesem Defekt wurde die Papierplatte, sowie ein Teil
des Tränenbeins und des aufsteigenden Nasenfortsatzes des Oberkiefers reseziert
und so das Siebbein-Labyrinth breit eröffnet, worauf die überaus reichlichen
Granulationen innen ausgekratzt wurden. Ebenso wurden die in der Orbita an
den mit stumpfem Haken abgezogenen Weichteilen derselben und an der oberen
inneren Orbitalwand, unter dem Sinus froutalis, befindlichen Granulationen aus-
gekratzt. Hierauf wird mittelst gebogenen scharfen Löffels eine breite Kommuni-
kation nach der Nasenhöhle hin geschaffen, durch die Kommunikation ein
schmaler Streifen Jodoformmull gezogen, wozu eine eigens hierzu konstruierte
bogenförmig gekrümmte P6anzange benutzt wurde. die äussere Wunde mit Jodofom-
gaze tamponiert und ein Verband angelegt. Der Patient wird 3 Stunden in der
Anstalt behalten, hierauf nach Hause entlassen.
Der Heilungsverlauf war ganz normal, erster Verbandwechsel nach drei
Tagen, dann dreimal wöchentlich, wobei später, da sich die äussere Wunde mehr .
und mehr verengerte, immer ein längerer Jodoformgazestreifen durch die Nase in
das Siebbeinlabyrinth eingeführt und das vordere Ende durch die äussere Wunde
nach aussen gezogen wurde. Die Sekretion nahm stetig ab, die äussere Wunde
schloss sich, das Ödem der Augenlider schwand rasch. Temperatur war die
ganze Zeit normal.
14. III. 1910. Wunde bis auf eine enge Fistel geschlossen, Eiterung minimal,
Verband weggelassen, auf die Wunde ein Leukoplastpflaster.
21. III. 1910. Äussere Wunde nahezu vollkommen geheilt. In der Nasen-
höhle kein Sekret. In das Siebbeinlabyrinth wird durch die Nase ein gebogenes
Röhrchen eingeführt und ersteres ausgeblasen; es zeigt sich kein Sekret. Leuko-
plast auf die äussere Wunde, Jodoformstreifen weggelassen.
5] Augenstörungen bei Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase. 211
1. IV. 1910. Wunde vollständig geheilt; in der Nase kein Sekret. Ödem
des Auges verschwunden. Patient wird aus der Behandlung entlassen !).
In diesem Falle handelte es sich um eine eiterige Sinuitis ethmoidalis, welche
unter Vermittlung eines wahrscheinlich angeborenen Defektes in der Lamina
papyracea zu einer eiterigen Entzündung in der Orbita geführt hat, welche jedoch
weder eine Verdrängung des Augapfels noch eine Sehstörung bedingte, und
nach operativem Eingriff binnen einigen Wochen vollkommen zur Heilung kam.
III. Fall. A. S. 23jähriges Taglöhnersweib aus K., aufgenommen den
13. III. 1909. Früher nie ernstlich krank gewesen. Vor acht Tagen schwoll ihr
plötzlich das rechte Auge an. Patientin suchte einen Arzt auf, der ihr Umschläge
mit Burrowscher Lösung ordinierte. Die Schwellung nahm etwas ab, doch
schwollen ihr vor vier Tagen die Augenlider und die Bindehaut aufs neue an,
und da sich der Zustand nicht besserte, wurde sie in die Augenklinik geschickt,
von wo sie uns zugewiesen wurde. Einige Tage bevor sich die Schwellung
zeigte, hatte sie Schnupfen und Kopfschmerzen.
Stat. praesens: Patientin von höherer Gestalt, mittelgut genührt; über
der Herzspitze systolisches Geräusch. Lungen normal, im Harn nichts Abnormes.
Augenbefund (in der Augenklinik erhoben): Ödem des rechten unteren
Augenlides, die Haut am oberen Lide gerötet, besonders über dem inneren Augen-
winkel, woselbst ein festes Infiltrat zu tasten ist. Bei Druck auf den Tränensack
entleeren sich reine Tränen. Die Gefässe des oberen und unteren Augenlides
blutüberfüllt und die Conjunctiva bulbi stark chemotisch. Bewegungen des
Bulbus richtig, obzwar etwas beschränkt, insbesondere in der Richtung nach
unten. Mässige Protrusion.
Opthalmoskopischer Befund: Geringe Myopie, Papille hyperämisch,
ibre Konturen etwas verwischt, Retina oben und unten bei der Papille getrübt,
sonst normale Verhältnisse.
Nase: Polypoide Hypertrophie des vorderen Endes der rechten mittleren
Muschel; bei Vornüberbeugen des Kopfes zeigt sich im rechten mittleren Nasen-
gang Eiter. Bei der hinteren Rhinoskopie nichts Pathologisches.
15. III. 1909. Gestern ist der Abszess über dem inneren rechten Augen,
winkel aufgebrochen. Heute wird in Lokalanästhesie das vordere hypertrophische
Ende der rechten mittleren Muschel reseziert, wobei sich im mittleren Nasengang
etwas Eiter zeigt; hierauf werden die vorderen Siebbeinzellen mit dem scharfen
Löffel ausgekratzt.
16. III. 1909. Das vordere Siebbeinlabyrinth wird mit einer schwachen
Wasserstoffsuperoxydlösung ausgespült, wobei etwas Eiter herausgeschwemmt
wird. Der Patientin wird eine Operation von aussen vorgeschlagen, von ihr je-
doch abgelehnt.
18. IIl. Rechter Bulbus viel weniger prominent als früher, seine Be-
wegungen normal, die Chemosis geringer, die Fistel über dem inneren Augenlide
sezerniert wenig; eine Sonde dringt durch die Fistel in horizontaler Richtung etwa
3 em in die Tiefe und stósst auf rauhen Knochen.
24. III. 1909. Das Siebbein wird täglich ausgespült. Das obere Augenlid
ist heute etwas mehr geschwollen und gerótet, der Bulbus etwas mehr nach vorn
gedrängt. Fistel unverändert.
5. IV. 1909. Tägliche Ausspülungen. Im rechten mittleren Nasengange
1) Vorgestellt in der Februarsitzung 1910 der böhmischen Oto-Rhino-Laryn-
gologen.
212 O. Frankenberger. [6
reichlich Eiter. Die Fistel sezerniert immer, Die Schwellung des oberen Lides
viel geringer, Bulbus in normaler Lage.
16. IV. 1909. Heute wird der Rest der rechten mittleren Muschel entfernt,
das hintere Siebbeinlabyrinth erdffnet und ausgekratzt, reichliche Granulationen.
22. IV. 1909. Auge in normaler Lage, die Fistel verheilt, über dem rechten
inneren Augenwinkel nur eine geringe Verhürtung tastbar. Bei der Ausspülung
entleert sich immer reichlicher Eiter aus der Siebbeinhóhle.
26. IV. 1909. Fistel definitiv geheilt. Bei der vorderen Rhinoskopie wenig
Eiter zu sehen; jedoch wird derselbe noch immer in reichlicher Menge ausgespült.
30. IV. 1909. Rechtes Auge normal. Laut Bericht der Augenklinik ist die
Stauungspapille vollkommen verschwunden. Aus dem Siebbeinlabyrinth entleert
sich bei der Ausspülung noch immer schleimig-eiteriges Sekret in müssiger Menge.
1. V. 1909. Auf eindringliches Verlangen wird Patientin heute entlassen.
Auf Anfrage berichtet sie im Mai 1910, das Auge sei gesund geblieben, und der
Eiterausfluss aus der Nase habe nach beinahe einem Jahre aufgehört').
Dieser Fall scheint mir dadurch interessant und wichtig, dass
sämtliche Symptome einer Augenhöhlenerkrankung, Protrusion des
Bulbus. Intraorbitalabszess, der sich nach aussen óffnete, und be-
ginnende Neuritis optica ohne jeden äusseren operativen Eingriff,
durch einfache endonasale Encheirese, nàmlich Resektion der mittleren
Muschel, Eróffnung des Siebbeinlabyrinths und Ausspiilungen des letz-
teren im Laufe einiger Wochen schwanden und der Prozess zur Aus-
heilung kam. Der Fall lehrt uns, dass wir in Fällen, wo keine
schweren, das Gesicht oder das Leben bedrohenden Symptome (Am-
blyopie, Fieber, Meningealsymptome usw.) da sind, zuerst eine mehr
konservative Therapie einleiten können, nämlich versuchen, dem Eiter
durch die Nase einen Weg zu bahnen. Gleichzeitig bildet dieser Fall
gewissermassen den Übergang zu den weiteren Zeilen.
Die infolge von Nebenhöhlenerkrankungen entstehenden Orbital-
prozesse müssen sich nicht auf die mechanischen Störungen des Bul-
bus beschränken, sondern können den Augapfel selbst in Mitleiden-
schaft ziehen. Auf diese Weise können entstehen:
1. Affektionen der Bindehaut, der Hornhaut und der Tränen-
gänge,
2. Affektionen des Uvealtraktus, und
3. Affektionen der Netzhaut und des Sehnerven.
ad 1. Auf die Bindehaut kann der Prozess auf dem Wege des
Ductus nasolacrimalis übergreifen. Der Tränenabführungsapparat er-
krankt öfter bei der Sinuitis maxillaris als bei Erkrankungen der
anderen \ebenhöhlen, was natürlich aus den nahen anatomischen Ver-
hältnissen zwischen Ductus nasolacrimalis und Antrum Highmori leicht
zu erklären ist. Der Saccus lacrimalis kann entweder per continui-
1) Patientin wurde in der Aprilsitzung 1909 der Vereinigung böhmische
Oto-Rhino-Laryngologen vorgestellt.
1] Augenstörungen bei Erkrankungen der Nebenhóhlen der Nase. 213
tatem von der Nasenschleimhaut aus infiziert werden, oder auf dem
Wege der venösen Bahnen, welche die Schleimhaut der Highmorshöhle
mit dem Ductus nasolacrimalis verbinden.
ad 2. Über die Beziehungen zwischen den Affektionen der Neben-
höhlen und den Erkrankungen des Uvealtraktus hat sich Ziem!) zu-
erst ausführlich geäussert. Dieser Autor meint, die Jritis entstehe
auf direktem Wege aus einer entzündlichen Affektion einer Neben-
hóhle. Kuhnt?) dagegen meint, dass die Affektion der Nebenhóhle
nur ein prüdisponierendes Moment zur Erkrankung der Uvea dar-
stelle. Kuhnt hat eine definitive Heilung einer Jritis nach Besei-
tigung einer Nebenhóhlenaffektion nie gesehen, sondern stets erst
nach einer spezifischen, antiluetischen Therapie, weshalb seiner Mei-
nung nach an einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden
Affektionen nicht zu denken sei. Wie dieser indirekte Zusammen-
hang zu erklären sei, ist bis jetzt ebenfalls nicht klar. Der
Wahrheit am nächsten scheint die Ansicht Ziems zu sein, nach
welcher eine Erkrankung des Uvealtraktes bei Nasen- und Neben-
höhlenleiden durch eine Störung des physiologischen Blutkreislaufs
herbeigeführt werde, die sich als passive Stase im Uvealtrakte äussert.
Katarakta, bedingt durch Eiterung der Nebenhöhlen ist von
Ziem beschrieben worden, welcher auch in einigen Fällen von un-
reifem Star durch Behandlung des Empyems eine Besserung der
Gesichtsschärfe erzielte, obwohl die Linse getrübt blieb. Diese Er-
fahrungen hat dann Kuhnt bestätigt, welcher bei Empyem der
Kieferhöhle öfter Trübung der hinteren Kortikalis sah, während bei
Stirnhöhleneiterungen nichts Ähnliches beobachtet werden konnte. Ob
dieser Unterschied in der pathogenetischen Dignität der Kiefer- und
Stirnhöhle ein zufälliger oder aber ein tieferer ist, darüber lässt sich
gegenwärtig nichts sagen. Aber soviel sei noch bemerkt, dass auch
Kuhnt, ebenso wie Ziem, nach Entfernung des Eiters aus der
Stirnhöhle und nach wiederholten Ausspülungen eine Besserung der
(sesichtsschärfe konstatieren konnte.
Dass Trübung des Glaskörpers durch Erkrankung einer
Nebenhöhle, besonders der Kieferhöhle entstehen kann, zeigte eben-
falls Kuhnt; er beobachtete Fälle, in denen nach Behandlung des
Antrumempyems die Mouches volantes entschieden an Zahl und In-
tensität abgenommen haben, und konnte einmal auch objektiv fest-
stellen, dass grosse Glaskörpertrübungen kleiner, ihre Anzahl geringer
und die Sehschärfe stärker wurde. Die Vermittlerrolle zwischen dem
1) Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1893. p. 231, 261.
2) Deutsche med, Wochenschr. 1908. Nr. 37 u. 38.
214 Ä O. Frankenberger. [8
Nebenhöhlenempyem und der Katarakta bezw. der Glaskörpertrübung
kann nach Kuhnt nur dem Corpus ciliare zukommen. Da aber in
diesem Organe Zeichen entzündlicher Prozesse fehlen, so kann es sich
bei einer auf diese Weise entstandenen Trübung nur um Zirkulations-
störungen handeln, in deren Folge eine ungenügende Menge der zur
Ernährung der Linse und des Glaskörpers nötigen Nährflüssigkeit
ausgeschieden wird, was eben sich durch Trübungen der erwähnten
Organe äussert.
So wie die eben behandelten Tatsachen Erkenntnisse neueren
Datums sind, so ist auch insbesondere der Zusammenhang zwischen
den Krankheiten der Nebenhöhlen und dem Nervus opticus erst in
den letzten Jahren durch die eifrigen Bemühungen der Ophthalmologen
und Rhinologen erkannt und bis zu einem gewissen Grade beleuchtet,
und insbesondere haben Onodis Arbeiten sehr wesentlich zu dieser
Klärung beigesteuert. Onodi!) studierte speziell die anatomischen
Verhältnisse, in welchen die Orbita und das Sehorgan überhaupt zu
den Nebenhöhlen der Nase stehen kann, insbesondere das anatomische
Verhältnis zwischen Chiasma, Traktus und Nervus opticus, und dem
Sinus sphenoidalis, beziehungsweise den hinteren Siebbeinzellen. Er
fand die allermannigfaltigsten Möglichkeiten. Einmal war der Traktus
und Nervus opticus in der ganzen Länge seines Verlaufes im Sulcus
und Canalis opticus durch eine mächtige, einige Millimeter dicke
Knochenwand von der Keilbeinhöhle getrennt, ein anderes Mal bildete
die Keilbeinhöhle beziehur.gsweise die hintere Siebbeinzelle die untere
und innere, oder auch die obere Wand des Canalis opticus, der von
den genannten Höhlen nur durch eine dünne, manchmal papierdünne
Knochenwand getrennt sein kann, so dass ein grösserer oder kleinerer
Teil des optischen Kanales mehr oder weniger durch die Nebenhöhle
selbst verläuft; ja die Wände desselben können Dehiszenzen aufweisen,
so dass dann die Schleimhaut der Nebenhöhle dem Perineurium des
Sehnerven direkt aufliegt. Allerdings sind die Dehiszenzen sehr selten.
Galmaerts beobachtete sie unter 300 Fällen zweimal, Holmes
unter 50 Fällen ebenfalls zweimal, Onodi selbst unter 300 Fällen
nur einmal.
Es ist klar, dass in den Fällen, wo der Sulcus oder Canalis op-
ticus von der Siebbeinhöhle, bezw. dem Siebbeinlabyrinth nur durch
eine dünne Knochenlamelle getrennt ist, oder wo sogar in dieser La-
melle sich eine Dehiszenz befindet, ein entzündlicher Prozess, insbe-
sondere eine eiterige Entzündung in der betreffenden Nebenhöhle sich
leicht auf den Nerven ausbreiten und einen Druck auf denselben,
1) Der Sehnerv und die Nebenhöhlen der Nase. Wien. Alfr. Hölder. 1907.
9J Augenstörungen bei Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase. 215
eine Perineuritis oder selbst eine Neuritis retrobulbaris erzeugen kann.
Daraus kann dann eine Gesichtsfeldeinschránkung, Amblyopie, zentrales
Skotom und Amaurose der ergriffenen Seite resultieren.
Gegenüber dieser Auffassung hebt Hajek*) hervor, dass man in
Fällen, wo die Neuritis optica mit einem reinen Empyem, oder wie
in seinem Falle, mit einer Mukocele der Keilbeinhöhle, ohne entzünd-
liche Veränderungen in derselben, vergesellschaftet ist, nicht so
sehr auf die Fortpflanzung der Entzündung von der Keilbeinhöhle
auf den Nerven schliessen darf, als vielmehr auf einen Druck, den
der Höhleninhalt ausübt, teils auf die innere Wand des Canalis
opticus, teils auf den Venenkomplex der Keilbeinhöhle, welcher in
kollateraler Beziehung zu dem Venengebiet des Nervus opticus steht,
und infolgedessen zu Zirkulationsstörungen im letzteren führt. Nur
diese Annahme könne die merkwürdige Erfahrung erklären, dass in
manchen Fällen von Eiterung der Keilbeinhöhle, welche mit Neuritis
opticus kompliziert sind, schon kurze Zeit nach Eröffnung der Keil-
beinhöhle, zu einer Zeit, wo die Eiterung der Höhle noch in voller
Blüte steht, eine erhebliche subjektive und objektive Besserung der
Neuritis optica sich einstellt.
Neben diesen anatomischen Tatsachen, welche in den letzten
Jahren bekannt geworden sind, sorgten die Rhinologen, und unter
ihnen besonders Hajek, Ziem, Kuhnt u.a. um die Vervollkomm-
nung der Diagnostik eiteriger Prozesse in den Nasennebenhóhlen, ins-
besondere bei den latenten Formen. Durchleuchtung, Anwendung
des Kokains und Adrenalins, um die Schleimhaut zum Abschwellen
zu bringen und dadurch die tieferen Teile der Nasenhóhle dem Ge-
sichte zugänglicher zu machen, Resektion der mittleren Muschel, Be-
nützung des Killianschen Nasenspekulums, explorative Eröffnung
des Siebbeinlabyrinths und der Keilbeinhöhle, Röntgenoskopie und
Röntgenographie, das sind die Behelfe, welche zur Diagnosenstellung
in den letzen Jahren eingeführt und ausgestaltet wurden. Dadurch
ist wiederum das Verhältnis zwischen Sehorgan und Nebenhöhlen ganz
bedeutend beleuchtet worden.
Die Frage, wie oft sich okulo-orbitale Komplikationen bei Er-
krankungen der Nasennebenhóhlen einstellen, wird von verschiedenen
Autoren verschieden beantwortet. Lapersonne gibt im Jahre
1903 39/o an, dagegen beobachtete Rollet unter 2700 Kranken diese
Komplikation nur einmal. Nach Kuhnt sind bei entzündlichen endo-
nasalen Prozessen Augenkomplikationen nur in 0,29?/o, nach Berlin
sogar bloss in 0,0079/o.
1) Mukocele der Keilbeinhóhle, kompliziert durch Neuritis optica. Operation.
Heilung. Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. XLIV. 3. H. 1910. S. 331.
216 O. Frankenberger. [10
Trotz dieser relativen Seltenheit ist bis jetzt eine ganze Anzahl
Falle von Sehnervenerkrankung infolge von eitrigen Entzündungen
der hinteren Nebenhöhlen beschrieben worden.
So berichtete Paunz!) über einen Fall, wo es sich um eine Pa-
pilitis n. optici, hervorgerufen durch Empyem der hinteren Sieb-
beinzellen handelte. Objektiv liess sich in der Fissura olfactoria
etwas schleimig-eiteriges Sekret nachweisen. Nach Eröffnung und
Ausspülung der vorderen, später auch der hinteren Siebbeinzellen
besserte sich die Papillitis wesentlich und die Sehschärfe nahm zu.
Pollatschek?*) teilt den Fall einer beiderseitigen Papillitis mit,
die nach Auskratzen der hinteren Siebbeinzellen und Eróffnen der
Keilbeinhóhle heilte.
Interessant ist die Beobachtung von W. Glegg und Perceval
J. Hay?), in welcher es sich um Empyem der hinteren Siebbein-
zellen und zugleich um Paralyse der Ássoziationsbewegungen und bi-
temporale Sehfeldeinschránkung bei einem seit einem Monat kranken
Mädchen handelte. Die Krankheit begann plötzlich mit Schmerzen
hinter dem rechten Auge, und mit heftigen neuralgischen Schmerzen
in der rechten Kopfhälfte. Eine Ursache war nicht sicher nachzu-
weisen. Objektiv war kein Zeichen einer Nebenhöhlenerkrankung zu
finden, nur hinten am Dach der rechten Choane fand sich etwas
Eiter. Nach Resektion des hinteren Drittels der mittleren Muschel
und nach Eröffnung des hinteren Siebbeinlabyrinthes schwanden die
Kopfschmerzen, die Asszoiationsbewegungen stellten sich wieder ein,
Gesichtsfeld und -schärfe wurden wieder normal.
Delneuville*) beobachtete einen Fall von Neuritis retrobul-
baris bei einem 46 jührigen Patienten, dessen Visus stark herabge-
setzt war. Objektiv wurde ein akutes Empyem der Keilbeinhóhle
konstatiert, nach dessen Heilung (konservativ) das Gesicht auf beiden
Seiten wieder normal wurde.
Alexander?) teilte einen Fall mit von beiderseitiger Neuritis
optica bei einem 41 jährigen Mann, der vor zwei Jahren plötzlich an
Influenza mit heftigen Kopfschmerzen erkrankt war. Als Ursache
der Neuritis fand sich ein Empyem der hinteren Siebbeinzellen und
der Keilbeinhöhle. In einem anderen Falle desselben Autors handelte
es sich um einen Abszess des Corpus vitreum bei einem 13 jährigen
1) Zentralbl. f. Laryngol. XXII. 1906. p. 48.
2) Ibidem p. 173.
3) Archiv f. Laryngol. XVIIL 1905. p. 525.
4) La Presse oto-rhino-laryngol. Belge 1906. Nr. 1. Ref. in Zentralbl. f.
Ohrenheilk. Bd. IV. 1906. p. 383.
5) Verhandl. d. deutsch. otol. Gesellsch. 1905.
11] Augenstórungen bei Erkrankungen der Nebenhóhlen der Nase. 211
Madchen, der infolge eines Empyems der linken Kieferhóhle und der
vorderen Siebbeinzellen entstanden war. J
Einen interessanten Fall latenten Empyems mit Exophthalmus
und Amaurose teilte Grönbäk!) mit: Ein 51 jähriger Mann wurde
dem Autor vom Augenarzte zur Untersuchung geschickt. Es bestand
ein Leiden des linken N. opticus und mehrerer motorischer Nerven-
äste des linken Auges samt Exophthalmus; vollständige Amaurose.
Die Ophthalmoskopie zeigte nichts Abnormes. Er hat niemals Sym-
ptome eines Nasenleidens gespürt, nur das Gefühl von Drücken und
Spannen hinter dem Auge. In der linken Nasenhälfte findet man
Schleimpolypen, nach deren Entfernung ein grosses kariöses Stück
der linken unteren Muschel abgetragen wird; jetzt erst sieht man
dicken, stinkenden Eiter aus den Siebbeinzellen herabsickern. Es
wurden allmählich die Zellen und die Keilbeinhöhle ausgeräumt, wo-
nach die Beweglichkeit des linken Bulbus jetzt fast normal und der
Exophthalmus nur sehr gering ist; die Amaurose ist unverändert. Es
steht noch zurück, ein vorhandenes Empyem der Kieferhöhle zu er-
öffnen.
Schmiegelow?) teilt zwei Fälle retrobulbärer Neuritis optica
bei latentem Empyem der Keilbeinhöhle und der hinteren Siebbein-
zellen mit. Der erste Fall betraf einen 11 jährigen Knaben, der an
einer schleimigen Sekretion im Nasenrachen und an zeitweisen
Scheitelkopfschmerzen litt. Vor drei Wochen bekam er plötzlich
Fieber, Magenüblichkeiten und Erbrechen. Nach einigen Tagen
schwanden diese Beschwerden, dafür stellten sich Schmerzen im linken
Auge ein, und vor acht Tagen bemerkte der Knabe, dass er mit dem
Auge nichts sehe. Der Ophthalmologe Prof. Bjerrum diagnostizierte
eine linksseitige Neuritis optica und nach drei Tagen wurde der
Kranke in der oto-laryngologischen Abteilung aufgenommen, woselbst
bei der vorderen Rhinoskopie konstatiert wurde, dass das hintere
Ende der linken mittleren Muschel etwas hypertrophisch ist; nach
Applikation von Kokain-Adrenalin sah man etwas Eiter in der Rich-
tung zur Keilbeinhóhle. Am nächsten Tage wurde Resektion des
hinteren Endes der mittleren Muschel mit der Grünwald schen
Zange ausgeführt und dann die Mündung der Keilbeinhöhle erweitert.
Die Nase wurde täglich ausgespült, und von der Zeit an besserte sich
das Gesicht.
Es ist zweifellos, dass es sich um eine retrobulbäre Neuritis
optica gehandelt hat, die durch Entzündung der Keilbeinhóhle und
des Siebbeinlabyrinths hervorgerufen wurde.
1) Verhandl, d. dänisch. oto-laryngol. Vereins, 2. IV. 1904. Ref. in Monate-
schr, f. Ohrenheilk. Bd. 88. p. 286.
2) Archiv f. Laryngologie XVIII. 1906. p. 478 u. ff.
218 O. Frankenberger. [12
Der 2. Fall ist etwas komplizierter: ein 18 jahr. Madchen wurde
am 2. IV. 1906 von Prof. Bjerrum an Schmiegelow geschickt.
Vor sieben Jahren hatte sie Diphtherie überstanden, seit 2!/» Jahren
hat sie starke Kopfschmerzen, besonders in der linken Schläfe, zu-
gleich bemerkte sie, dass das rechte Auge schwächer wurde. Später
nahmen die Schmerzen ab und hörten im Jahre 1905 links ganz auf,
dafür stellten sich Schmerzen in der rechten Schläfengegend ein; das
Gesicht nahm auf beiden Seiten ab. Ophthalmoskopisch werden weisse,
atrophische Papillen konstatiert, ohne Zeichen einer vorhergegangenen
Neuritis optica. Behandelt wurde sie mit Roborantien und Strychnin-
injektionen. — Ausserdem hatte die Patientin einen eitrigen Ausfluss
aus beiden Nasenhöhlen, besonders bei: Vornüberbeugen des Kopfes;
der Eiter war nie fötid gewesen. Temperatur normal. |
Laut Bericht der Augenklinik wurde am 206. II. 1906 folgender
Bericht aufgenommen: Àm rechten Auge Lichtempfindung bei inten-
siver Beleuchtung, links Sehschärfe = !/ee. Rechte Pupille reagiert
gut auf Licht. Die Gefässe nicht verengt, ihr Verlauf unverändert,
Papille weisslich mit verhältnismässig wenig Gefässen. Augenbewe-
gungen normal. Therapie antiluetisch.
Nach Eröffnung der hinteren Siebbeinzellen und der Keilbein-
höhle auf beiden Seiten, wobei sich Eiter entleerte, fühlte sich die
Kranke wohler, insbesondere hörten die alten Kopfschmerzen auf,
die Gesichtschärfe besserte sich, und zwar links mehr, rechts etwas
weniger. Die Kranke fuhr nach Hause, woselbst sich jedoch eine
starke Eiterung aus der Nase, besonders links, einstellte, und in den
letzten drei Tagen verschlimmerte sich die Sehkraft wieder derart,
dass sich die Kranke gezwungen sah, wieder das Krankenhaus auf-
zusuchen. Daselbst wurde bei der Untersuchung viel Eiter in beiden
Recessus sphenoethmoidales konstatiert.
Am 4. IV. wurde in der Narkose der hintere Teil der mittleren
Muschel und die Vorderwand der Keilbeinhöhle reseziert, hierauf die
Nase und die Nebenhöhlen täglich ausgespült, wobei dicker Eiterschleim
herausbefördert wurde. Nach diesem Eingriff schwanden die Kopf-
schmerzen, das Gesichtsfeld am linken Auge erweiterte sich, und auch
rechts nahm die Sehkraft zu.
Wie latent eine Eiterung im Sinus sphenoidalis und ethmoidalis
verlaufen kann, zeigen auch zwei Fälle von C. R. Holmes?!) In
beiden handelte es sich um eine Sinuitis sphenoidalis mit Erkrankung
des Nervus opticus. Im ersten Falle blieb das Nasenleiden lange un-
erkannt. Erst als der Kranke nach Influenza Sehstörungen bekam,
1) Archives of ophthalmology. Bd. XXV.'1896.
13i Augenstörungen bei Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase. 219
suchte er ärztliche Hilfe auf. Weder in der Nase, noch im Rachen
fand man Eiter; die mittlere Nasenmuschel war hypertrophiert. Nach
Entfernung eines Teils dieser Hypertrophie trat subjektive Erleichte-
rung ein, aber bald darauf starb der Patient infolge Blutung an der
Basis crani. Bei der Sektion fand sich Nekrose des Keil- und Sieb-
beins, Eiter in allen Nebenhóhlen.
Im zweiten Falle hatte ein Empyem der linken Keilbeinhóhle
heftige Kopfschmerzen und totale Erblindung des linken Auges zur
Folge. Auch hier fehlte jedes Zeichen eines Nasenleidens, aber nach
Eröffnung der Keilbeinhöhle entleerte sich eine Menge Eiter und der
Patient wurde gesund, das Gesicht kehrte wieder.
Einer der letzten Autoren, die kasuistische Beiträge zu dieser
Komplikation brachten, ist v. d. Hoeve!). Der erste Fall dieses
Autors betraf einen 24 jährigen Mann, bei dem die Entzündung der
hinteren Nebenhöhlen beider Seiten zu einer Entzündung der
Axialbündel des Nervus opticus geführt hatte, so dass bereits, als der
Kranke in die Behandlung trat, die Atrophie der Papillen ausge-
sprochen war. Die Operation der linken Nasenhälfte war resultat-
los, dagegen besserte sich der Zustand gleich nach Eröffnung der
Nebenhóhlen der rechten Seite, und die Besserung nahm noch durch
fortgesetzte Ausspülungen allmählich zu.
Im zweiten Falle mit rechtsseitiger Erkrankung der Neben-
höhlen und retrobulbärer Neuritis wurde jeder operative Eingriff ver-
weigert. Im dritten Falle handelte es sich um Erkrankung des
Nervus opticus bei Ethmoiditis posterior mit Veränderungen des
blinden Flecks als einzigen Augensymptoms, welches sich durch Be-
handlung des Nasenleidens vollständig verlor.
Hajek hat kürzlich?) einen einzigartigen Fail von Mukocele der
linken Keilbeinhöhle mitgeteilt, der mit einer bedeutenden Sehstörung
des linken Auges kompliziert war. Die Papille war rot, verschwom-
men und leicht geschwollen. Lichtbewegungen vor dem Auge werden
wahrgenommen, dagegen können die dem Auge vorgehaltenen Finger
nicht gezählt werden. Nach Eröffnung der Mukocele entleerte sich
eine Menge serös-schleimiger Flüssigkeit; die Öffnung wurde erweitert.
Alsbald hörte die seit Monaten bestehende ununterbrochen andauernde
schmerzhafte Spannung in der linken Kopfhälfte auf, eine halbe Stunde
nach der Operation gab die Patientin an, dass sie mit dem linken
Auge Gegenstände unterscheiden könne, was in den letzten Monaten
niemals der Fall gewesen ist. Das Gesicht besserte sich weiter, und
!) Archiv. f. Augenkeilk. BJ. 64 1909. Ref. in. Zentralbl. f. Laryngol. 1909.
p. 909.
2) ]. c.
220 O. Frankenberger. [14
nach drei Wochen war der Spiegelbefund vollkommen normal, Seh-
schärfe betrug 4,50 D. Sie,
Ich selbst hatte Gelegenheit einen Fall zu beobachten und zu
behandeln, der von der Augenklinik des Herrn Prof. Deyl in unser
Ambulatorium geschickt wurde.
K. F., 28 Jahre alt, aus K., aufgenommen am 18. III. 1909. Eltern gesund,
von vier Geschwistern starben zwei in zarter Jugend. Patient selbst hatte Nasen-
polypen, welche ihm dreimal anderwärts operiert wurden, zuletzt am 27. Februar
1909. Bald darauf bekam er heftige Kopfschmerzen, die einige Tage anhielten.
Nach vier Tagen verlor er plötzlich das Gesicht am linken Auge, nur von der
Seite sah er etwas. Deswegen suchte er die Augenklinik auf, von wo er in unser
Institut geschickt wurde. In der letzten Zeit ist das Nasenatmen wieder etwas
beeinträchtigt.
Somatischer Befund normal. Die Sehkraft des linken Auges war so herab-
gesetzt, dass er die Bewegungen der Hand kaum wahrnahm; perimetrisch wurde
konstatiert, dass ein Teil des Gesichtsfeldes auf der nasalen Seite nur für Weiss
erhalten war. Ophthalmoskopisch war eine müssige Hyperümie des ganzen
Augenhintergrundes zu konstatieren; die Papille scharf abgegrenzt.
Bei der vorderen Rhinoskopie sah man vor der Insertion der linken
mittleren Muschel einen Polyp von der Grósse einer Bohne, kein Sekret in der
Nasenhóhle. Nach Adrenalisieren der linken Nase und darauffolgender Frünkel-
scher Position zeigte sich auf der mittleren Muschel etwas schleimig-eiteriges
Sekret. In der rechten Nasenhóhle ein Polyp von der Grósse einer Bohne, aus-
gehend aus dem mittleren Nasengang, kein Sekret.
Bei der hinteren Rhinoskopie ist ausser der müssig hypertrophierten
mittleren Muschel nichts Pathologisches wahrzunehmen.
Bei der Durchleuchtung zeigten sich beide Kiefer- und Stirnhóhlen gleich-
mässig durchleuchtet.
In der Mundhöhle, dem Rachen und Kehlkopf nichts Pathologisches.
Am 19. III. 1909 wurden aus der linken Nasenhöhle zwei Polypen entfernt,
darauf mit Schere und kalter Schlinge der vordere Teil der mittleren Muschel
rezesiert. Gleich nach diesem Eingriff gibt der Kranke spontan an, dass er
besser sehe.
22. III. Im linken mittleren Nasengang ein auf der Labyrinthwand auf-
sitzender kleiner Polyp, der mit dem scharfen Löffel entfernt wird. Hierauf
werden die vorderen Siebbeinzellen eröffnet, ausgekratzt und ausgespült, wobei
schleimig-eiteriges Sekret herausgeschwemmt wurde.
27. III. Die eröffneten Siebbeinzellen werden täglich ausgespült. Der Polyp
in der rechten Nasenhöhle wird heute entfernt.
29. III. Im rechten mittleren Nasengang noch ein erbsengrosser Polen,
der mit kalter Schlinge exstirpiert wird.
5. IV. Es wird täglich ausgespült, wobei jedesmal etwas schleimig-eiteriges
Sekret entleert wird. Der Kranke wurde röntgenoskopiert und vom Schädel ein
Skiagram angefertigt, an dem man an der Stelle des Sinus sphenoidalis einen
Schatten erkennt.
6. IV. Die ganze mittlere Muschel wird entfernt; hinter und unter ihr sieht
man zahlreiche polypoide Wucherungen, die mit der Hajek schen Kürette aus-
gekratzt werden.
15] Augenstórungen bei Erkrankungen der Nebenhóhlen der Nase. 22]
7. IV. Unter Kokain-Adrenalinsnästhesie wird zunächst eine Sonde in das
Ostium sphenoidale eingeführt, dann wird dieses Ostium mit Hajeks Haken und
Stanze nach unten und aussen erweitert.
Einige Tage nach diesem Eingriff bekam der Kranke Fieber (89,2?) und
Halsschmerzen.
13. IV. Beide Tonsillen byperämisch, auf denselben graugelbliche, punkt-
fomige Belage (Tonsillitis lacunaris ac.), Die Mandeln werden mit Pyocyanin be-
stáubt und ein Gurgelwasser ordiniert.
14. IV. Sümtliche Halssymptome geschwunden.
16. IV. Vor der vorderen Siebbeinwand noch einige Polypenreste, die ent-
fernt werden. Durch die Offnung im Sinus sphenoidalis sieht man die polypoid
veränderte Schleimhaut desselben. Die Öffnung wird noch mit dem H aje k schen
Haken nach unten, aussen und innen erweitert, wobei sich unter der erwähnten
Hypertrophie etwas Eiter zeigt. Zugleich werden heute die hinteren Siebbeinzellen
eróffnet, ausgekratzt und ausgespült.
19. IV. Vor dem Corpus ossis sphenoidalis noch zwei kleinere Polypen,
welche mit der Zange enifernt werden. Im Sinus sphenoidalis haben sich
Granulationen gebildet, die ausgekratzt werden.
15. V. Der Kranke stellt sich regelmässig einigemal in der Woche in der
Aınbulanz ein, woselbst der Sinus sphenoidalis und ethmoidalis ausgespült und
dann und wann mit ö°/oiger Lapislösung tuschiert wird. Das Gesicht bessert sich,
so dass er Blumen erkannte, jedoch konnte er die Farben der Blüten und Blätter
nicht unterscheiden, alles erschien ihm gleichfarbig. Heute erkennt er bereits
alle Farben, ausser rot, das ihm eher wie gelb erscheint.
9. VI. Aus der Keilbeinhóhle und den Siebbeinzellen wird noch immer
etwas schleimiges Sekret ausgespült. Da der Kranke über Verstopfung der linken
Nase, sowie über vermehite Sekretion und üblen Geruch auf dieser Seite klagt.
wird heute der vordere Teil der rechten mittleren Muschel reseziert und die
vorderen Siebbeinzellen eróffnet und ausgespült.
Am A VII. 1909 wurde das Visus notiert, und betrug dasselbe rechts s,
links 5/10. Links zentrales Skotom für grün und rot.
2. IX. Der Kranke besucht uns regelmässig zweimal in der Woche. Er
sieht mit dem linken Auge nahezu normal. nur die rote Farbe erkennt er bei
direktem Fixieren nicht, während er dieselbe von der Seite richtig sieht.
2. XI. Die Öffnung in der Keilbeinhöhle hat sich wieder verengt, weshalb
selbe mit dem scharfen Löffel erweitert und der Höhleninhalt ausgekratzt wurde.
Eine weitere Besserung des Sehvermögens ist aus den ophthalmoskopischen
Befunden vom 2. XI. und 18. XII. 1909 ersichtlich. Wir sehen, dass noch ein
relatives Skotom für rot und grün zurückgeblieben ist, die Papille ist weisslich,
sonst keine Veründerungen.
22. I. 1910. Der Kranke wird zweimal wöchentlich ausgespült, jedesmal
entleert sich mit der Spülflüssigkeit etwas schleimiges Sekret. Seit einiger Zeit
klagt der Kranke über üblen Geruch in der rechten Nase und zeitweise auf-
tretende Hinterhauptkopfschmerzen.
9. II. 1910. Das Ostium sphenoidale, welches sich allmählich wieder verengert
hat, wird heute abermals erweitert und die Höhle mit dem scharfen Löffel ausgeräumt.
16. III. 1910. Sekretion aus dem linken Sinussphenoidalis und ethmoidalis
unbedeutend.
Ophthalmoskopisch wurde der Kranke auf der Augenklinik zuletzt am 18.
II. 1910 untersucht und folgender Befund notiert: Linke Papille ein wenig
blasser als die rechte.
222 O. Frankenberger. [16
Der Patient muss noch weiter unter unserer Kontrolle bleiben, da einerseits
noch immer von Zeit zu Zeit Polypen hervorsprossen, andererseits die Sekretion
aus der Siebbeinhóhle und den Keilbeinzellen, wenn auch minimal, doch fortbesteht.
Wir haben also eine Erkrankung des Sinus sphenoidalis und des
Siebbeinlabyrinths vor uns, die zur Neuritis optica und in deren
Folge zur Erblindung geführt hat. Durch rechtzeitige Eróffnung,
. Entleerung und Ausräumung der Höhlen trat auch hier wie in anderen,
oben zitierten Fällen Heilung ein. Wenn freilich die richtige Zeit
verpasst wird, und sich einmal bleibende Veränderungen des Nervus
opticus herausgebildet haben, dann kann natürlich jeglicher endo-
nasaler Eingriff nichts nützen. Auch einen solchen Fall habe ich be-
obachtet: er betraf eine ältere Dame, die ebenfalls infolge einer
Sinuitis sphenoidalis auf dem linken Auge erblindete, und welche,
nachdem sie anderwärts behandelt worden war, erst nach einem Jahr
zu mir kam; ich resezierte die mittlere Muschel, eröffnete die Keil-
beinhöhle und die hinteren Siebbeinzellen, räumte dieselben aus, leider
jedoch ohne Erfolg, das linke Auge blieb blind.
Aus den in der Literatur niedergelegten, sowie auch aus meinen
beiden Fällen geht klar hervor, wie notwendig es ist, in allen Fällen
von Neuritis optica retrobulbaris, in denen eine andere Ursache nicht
nachweisbar ist, auch rhinologisch zu untersuchen, beziehungsweise,
da die Ethmoiditis und Sinuitis sphenoidalis nicht selten latent ver-
laufen können, in solchen Fällen nach diesen Sinuitiden, wenn nötig,
auf operativem Wege zu fahnden, da nur durch Behandlung derselben
eine Besserung des Gesichts zu erwarten ist.
Interessant und auffallend ist in unserem Falle, dass gleich nach
dem ersten endonasalen Eingriffe, nachdem ich nämlich aus der linken
Nase zwei Polypen entfernt und das vordere Stück der mittleren
Muschel reseziert hatte, die Sehkraft sich besserte. Einen ähnlichen
Fall teilte Kofler!) mit, in dem es sich um eine 22 jährige Kranke
mit rechtsseitiger Neuritis retrobulbaris, schlechtem Sehen (Finger-
zählen auf etwa 40 cm Distanz), zentralem Skotom für alle Farben,
Kopfschmerzen in der rechten Schläfe- und Stirngegend, sowie star-
kem Schwindel handelte. Der rhinoskopische Befund war negativ.
Trotzdem ging Vortragender daran, das Siebbein und eventuell auch
das Keilbein zu eröffnen, resezierte jedoch bloss das vordere Ende der
mittleren Muschel, da die Kranke keinen weiteren Eingriff zuliess.
Am nächsten Tage meldete sie, dass die Kopfschmerzen und der
Schwindel bald nach der Operation nachgelassen hätten und die Seh-
1) Sitzung d. Wien. laryngol. Gesellsch. 20. I. 1910. Monatsschr. f. Ohren-
heilk. Bd, 44. 1910. Nr. 8. p. 847.
17] Augenstörungen bei Erkrankungen der Nebenhóhlen der Nase. 223
kraft des rechten Auges sich gebessert habe. Acht Tage später war
die Kranke frei von Schwindel und Kopfschmerzen und sah wieder
so gut wie früher. Nach weiteren zwölf Tagen lautete der Augen-
befund folgendermassen: „Normale Sehschärfe, zentrales Skotom ver-
schwunden, nur noch eine Abblassung der temporalen Hälfte der
rechten Papille vorhanden.“
Hier sind also nach einem verhältnismässig unbedeutenden Ein-
griff alle Symptome der Neuritis im Verlaufe von zwei bis drei
Wochen vollkommen verschwunden. Es hat sich gewiss nach der
oben erwähnten Ansicht Hajeks um eine Zirkulationsstörung gehan-
delt, welche durch diese an sich geringfügige Operation ausgeglichen
wurde. In meinem Falle trat ebenfalls nach Resektion der mittleren
Muschel eine Besserung der Sehkraft ein, jedoch waren zur vollkom-
menen Heilung weitere Encheiresen in der Keilbeinhöhle und den
Siebbeinzellen notwendig.
Zeitschrift für Laryngologie. Rd. III, H. 3. 16
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226 Felix Blumenfeld. [?
lohnt es sich, den Ursachen dieser Wachstumseigentümlichkeit nach-
zugehen.
Epitheliale Tumoren breiten sich aus, indem sie den Lymphbahnen
ihrer Umgebung folgen. In ihrer Ánordnung wird man daher den
Weg, den sie bei ihrem Wachstum nehmen, gegeben sehen.
Über die submukósen Lymphráume der Stimmlippe wie des Kehl-
kopfes überhaupt liegen eine Reihe wertvoller Arbeiten vor. Sie sind
vorwiegend zum Studium des Ódems des Kehlkopfes gemacht worden.
M. Hajek!)?) sagt über das Ódem des Stimmbandes:
„Um die Eigenartigkeit des Ödems der Stimmbänder gut auf-
fassen zu können, ist es notwendig, ein wenig auf die Struktur des
Stimmbandes einzugehen.
Der freie Rand des Stimmbandes mit einem Teil seiner
inneren Fläche, besteht aus einem dichten, elastischen Maschen-
werk, in welchem es keine Schleimdrüsen und unter welchem es nur
sehr spärliches submuköses Gewebe gibt.
Erst am unteren Teil des Stimmbandes treten wieder Schleim-
drüsen und auch locker gefügtes Bindegewebe auf, wo deshalb auch
für die Ansammlung einer grösseren Menge Flüssigkeit günstigere
Bedingungen vorhanden sind. Mit dem elastischen Rand des Stimm-
bandes ist der unter ihm gelegene Musculus thyreoarytaenoi-
deus internus innig verwebt. Auch lagert die Muskelschichte
des Stimmbandes ohne Zwischengewebe auf dem Perichondrium des
Schildknorpels, so dass auch hier keine lockere Gewebsschichte, die
zu ödematöser Infiltration geneigt wäre, vorhanden ist. Nur zwischen
den einzelnen Bündeln des Musculus thyreo-arytaenoideus internus
und externus gibt es Zwischenräume und in letzteren lockeres Binde-
gewebe. Dass dieses spärliche intermuskuläre Gewebe nicht sehr
geeignet ist grössere Mengen einer Flüssigkeit in sich aufzunehmen
und der Fortpflanzung des Ödems Vorschub zu leisten, ist ein-
leuchtend“.
Dementsprechend zeigt auch die Abbildung Hajeks (Tafel 2,
Figur 8, in Heymanns Handbuch Figur 6, Seite 512) die die Stimm-
lippe im Querschnitt darstellt, dass die Schleimhaut der Stimmlippe
an der oberen Fläche dem elastischen Bande direkt aufliegt. Die
Schwellung der Stimmlippe ist daher nicht durch Abhebung der
Schleimhaut von ihrer elastisch-muskulären Unterlage bedingt sondern
1) M. Hajek, Anatomische Untersuchungen über das Larynxódem. Arch.
f. klin. Chirurgie. Bd. 42. 1891.
2) Derselbe, Heymanns Handbuch. Bd. 1. 1. Seite 511.
3] Zur pathologischen Anatomie der Stimmlippe. 291
durch Volumzunahme des Stimmbandmuskels. Die Angaben Logan
Turners!) decken sich vielfach mit denen Hajeks, doch gelang
es ihm, eine submukóse Infiltration herzustellen. Er beschreibt das
Ergebnis seiner Versuche wie folgt:
„If the needle of the syringe be introduced beneath the mucous
membrane covering the upper surface of the cord, at a point imme-
diately in front of the vocal process, the injection passes forwards
without opposition. It finds its way also outwards into the inferior
and outer wall of the ventricle, and in doing so ends to conside-
rably occlude the entrance to that space. If only moderate pressure
be employed, the fluid is confined to this aspect of the cord, and
does not pass below its free margin. If, however, further injection
be made in the same situation, the under surface of the cord and
the subglottic area also become injected, a rounded swelling being
formed, such as is represented in Fig. 8, Plate IX. If the injection
be made beneath the inner free margin of the cord, similar changes
are observed, that is to say, the fluid is at first confined to the
subchordal area, but under increased pressure will extend to the
upper surface of the vocal cord“.
Paul Heymann?) betont, gestützt auf die älteren Autoren
Teichmann, Sappey, Poirrier, Klein) dass, während die
Lymphgefásse an anderen Stellen des Kehlkopfes, wie an den ary-
epiglottischen Falten und an den oberen Teilen der Zungenbänder
zwei übereinanderliegende Netze bilden, auf den wahren Stimmbändern
das Netz der Lymphgefässe spärlicher wird und nur eine Schicht
langgestreckter weitläufiger Maschen bildet.
Noch sei Most?) zitiert.
„Nahe den wahren Stimmbändern nehmen im Kehlkopf Grösse
und Dichtigkeit der Gefässe rasch ab und auf den Ligamenta vocalia
sind sie am zartesten und spárlichsten. Hier gelingt es nur wenige,
einander parallele äusserst zarte Kapillaren höchst unvollkommen
darzustellen. Über die Ligamenta vocalia hinweg lässt
sich die Injektionsmasse nicht treiben“.
Die feinere anatomische Erklärung des letzten, für die Aus-
breitung des Stimmbandkrebses sehr wichtigen Satzes, geben die
1) The submucous areolar tissue of the larynx, and its significance in the
spread of oedema. Edinburg. Medical journal. May 1902. p. 430.
2) P. Heymann, Heymanns Handbuch. Band 1. 1. S. 157.
3) Most, Die Topographie des Lymphgefüssapparates des Kopfes und des
Halses. S. 119. Berlin. Hirschwald 1906.
228 Felix Blumenfeld. [4
Arbeiten Reinkes!)?, die in der laryngologischen Literatur wohl
nicht überall die verdiente Würdigung gefunden haben. Reinke
zeigte,
„dass es leicht gelingt, in der Schleimhautfalte der Stimmlippe,
zwischen dem elastischen Bande einerseits und dem Epithel anderer-
seits, durch Leim- oder Luftinjektion, ein künstliches Ödem zu er-
zeugen, dessen untere scharfe Grenze durch eine nach oben stark
konkave Falte der Schleimhaut, Linea arcuata inferior, begrenzt
wird. Diese Linie ist an jedem normalen Kehlkopf als mehr oder
minder deutliche Falte sichtbar und steigt rückwärts bedeutend
weiter als das Ödem selbst zur Spitze der Arytänoidknorpel empor.
Bei dieser Umbiegung nach oben entspricht ihr Verlauf genau der
vorderen Kante des Arytänoidknorpels, wie man sich nach Ab-
präparierung der Schleimhaut leicht überzeugen kann. Sie bildet
im wesentlichen auch die untere Grenze der Plattenepithelzone, und
stellt den Rand der Rima glottidis dar, die eben dorsalwärts stark
emporsteigt. Die obere Begrenzungslinie des Ödems, Linea arcuata
superior, bildet ebenfalls im wesentlichen die laterale Grenze des
Plattenepithelterritoriums. Beide Linien stellen Verwachsungslinien
des Perimysiums des M. vocalis mit der Schleimhaut dar und setzen
der Injektionsmasse eine fast undurchdringliche Barriere, während
sich jenseits dieser beiden Linien, wie namentlich M. Hajek ge-
zeigt hat, sehr leicht künstliche Ödeme der Schleimhaut erzeugen
lassen“.
Das Bild Figur 2 zeigt diese Verhältnisse ohne weiteres;
Figur 3 zeigt die nach Luftinjektion durch sagittalen Querschnitt er-
öffnete Schleimhaut. Man kann durch Injektion mit Pravazscher
Nadel sehr leicht die Abhebung der Schleimhaut bewirken. Wir
haben es also am Stimmband mit einem in sich geschlossenen Lymph-
raum zu tun, dessen Begrenzungsfläche einerseits das elastische Band
bildet, andererseits die Jeistentragende Schleimhaut. Sie ist durch
eine Art feiner elastischer Membran mit längs verlaufenden Fasern
mit dem elastischen Bande verbunden.
Kehren wir zu unserem Präparat zurück. Das Karzinom hat,
wie schon bemerkt, die ganze Stimmlippe ergriffen, ohne deren ana-
tomische Grenzen zu überschreiten. Die Grenzlinie nach oben und nach
unten entspricht wie die Schnitte Fig. 4 und Tafel XIII, XIV, XV, Figur
1) Reinke, Friedrich, Untersuchungen über das menschliche Stimm-
band. Fortschritte d. Medizin 1895.
3) Derselbe, Über die funktionelle Struktur der menschlichen Stimmlippe.
Anatomische Hefte 1897 (Festschrift f. Merkel).
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d Zur pathologischen Anatomie der Stimmlippe. 231
Offenbar verharrt das Karzinom des primür ergriffenen Stimmbandes
in der Richtung, die seiner Wucherung einmal gegeben ist, wodurch
die zirkuläre Form vielleicht ihre Erklärung findet. Eine ringförmige
Ausbreitung des Krebses ist übrigens auch sonst an röhrenförmigen Or-
ganen (Speiseröhre, Mastdarm) sehr häufig; sie findet sich jedoch nirgends
in einer so eng umschriebenen, durch natürliche, anatomische Grenzen
vorgezeichneten Bahn, wie am Stimmband. Man wird daher den Bau
des Epithels als solchen kaum für die Richtung, die das Karzinom
bei seinem Fortschreiten nimmt, bestimmend ansehen können, sieht
man doch gerade im Kehlkopf häufig Krebse ohne den geringsten
Widerstand von dem Gebiet der einen Epithelart auf das der anderen
übergreifen.
Nach dem Gesagten kann man nicht umhin, dem Stimmband-
karzinom eine gewisse Sonderstellung unter den Kehlkopfkrebsen,
ja vielleicht unter den Schleimbautkrebsen überhaupt zuzuerkennen,
die von eminenter praktischer Bedeutung ist. Während der Weiter-
entwickelung der Karzinome der aryepiglottischen Falten der Inter-
arytänoidalgegend und der pharyngealen Fläche des Kehlkopfes, auf
deren besonders üble Prognose ich schon früher hinwies!), ein sehr
reiches, ein- oder zweischichtiges submuköses Lymphgefässsystem offen-
steht und dadurch eine schrankenlose Entwickelung in continuo und
frühzeitige Lymphdrüsenmetastasen bedingt sind, liegt beim Stimm-
bande die Sache anders. Hier wird durch natürliche Schranken des
Lymphraumes, bis zu einem gewissen Grade der Entwickelung das
Tiefenwachstum des Krebses durchaus auf das Ligamentum vocale ge-
richtet. Es befällt also zunächst wesentlich einen Teil, der über die
Seitenwand des Kehlkopfes hervorragt und dadurch dem operativen
Vorgehen einen besonders geeigneten Angrifispunkt bietet. Wie die
Querschnitte des Präparates zeigen, würde es sehr wohl möglich ge-
wesen sein, dieses Karzinom endolaryngeal zu operieren, wenn man
nur das ganze Stimmband resp. das Karzinomgewebe, welches es er-
setzt hat, abgetragen hätte, was technisch durchaus ausführbar ist.
Die Entfernung dieses Karzinoms durch Laryngofissur, wie sie Felix
Semon?) in erster Linie empfohlen hat, würde ebenfalls erfolgver-
sprechend sein können, ohne dass, abgesehen allenfalls von einem
Teil des Aryknorpels, das Knorpelgerüst des Kehlkopfes hätte an-
gegriffen werden müssen. Man braucht sich nur einmal einen Krebs
von gleicher Ausdehnung statt am Stimmband an den aryepiglottischen
Falten lokalisiert zu denken, um sich der verschiedenen Wertung, die
1) Blamenfeld, Zur Diagnose des tiefsitzenden Pharynxkarzinoms. Ver-
handlungen des Vereins süddeutscher Laryngologen. Bd. 2. S. 287.
3) Felix Semon, Archiv f. Laryngologie. Bd. 6. S. 375.
232 Felix Blumenfeld. [8
bei der Indikationsstellung dem Sitz des Karzinoms zukommt, bewusst
zu werden.
Die Trennung der äusseren und inneren Larynxkarzinome ent-
spricht der alten Einteilung Krishabers. Ich möchte aber weiter
gehen und darüber hinaus eine Trennung der übrigen inneren Larynx-
karzinome von denen des Stimmbandes vorschlagen. Den inneren
Karzinomen des Kehlkopfes kommt die Eigenschaft, dass sie wenig
zu Lymphdrüsen und anderen Metastasen neigen, gleichmässig zu, im
Gegensatz zu den Karzinomen der oberen Kehlkopfumrandung. Da-
gegen kommen für das Kontinuitätswachstum der nicht am Stimmband
lokalisierten Karzinome annähernd gleich günstige Momente der Aus-
breitung im submukösen Lymphgefässsystem in Betracht, während
das Wachstum des Stimmbandkarzinoms, wie auseinandergesetzt, ganz
anderen Bedingungen unterliegt.
Es ist von verschiedenen Seiten (Preysingu. A.) betont worden, dass
das, was man unter dem Namen „Kehlkopfkarzinom‘‘ zusammenfasst,
in bezug auf klinischen Verlauf und Malignität ganz heterogene Dinge
umfasst. Ich glaube einen wesentlichen Grund hierfür, wenn auch
nicht den einzigen, in den anatomischen Verhältnissen des Mutter-
bodens, speziell in der differenzierten Anordnung der submukösen
Lymphgefässe am Stimmband einerseits und an der übrigen Kopf-
schleimhaut andererseits sehen zu sollen. Selbstverständlich erklärt
sich der mehr oder minder progrediente Verlauf eines Kehlkopf-
karzinoms nicht aus diesen Verhältnissen allein, es kommt auch
wesentlich der Typ des betreffenden Karzinoms in Betracht. Von
Navratil!) gibt auf eine über 100 Fälle umfassende Erfahrung ge-
stützt, an, dass der verhornte Plattenepithelkrebs viel gefährlicher ist
als der nicht verhornte. Im übrigen sind die Angaben über die ver-
schiedene Wachstumsenergie der Karzinome im Kehlkopf wenig be-
stimmt. Ein grosser Zellreichtum der Karzinome wird im allgemeinen
auf eine grössere Neigung zur Progredienz gedeutet, wie das auch
anderswo der Fall ist, jedoch handelt es sich auch hier um keine
absolut feststehende Regel, sah doch Herxheimer?) z. B. vollkommenen
Stillstand des Wachstums eines zellreichen Mammakarzinoms. Eine
gesonderte Stellung nehmen vielleicht die Adenokarzinome, von denen
Krieg und Kraus?) und Schmiegelow*) Fälle beschrieben, ein,
1) von Navratil, Über die Indikationen und Methode der Operationen
des Kehlkopfkrebses. Archiv f. klin. Chirurgie. Bd. 76. S. 695.
2) Gotthold Herxheimer, Neuere Ansichten über Geschwulst(Karzi-
nom)genese. Zeitschr. f. ärztliche Fortbildung. Bd. 6. 1909. Nr. 16.
3) Krieg und Kraus, Archiv f, Laryngologie. Bd. I. S. 150 ff. 1898.
4) Schmiegelow, Klinische Beiträge zur Pathologie des Kehlkopfkrebses,
Daselbst. Bd. 23. S. 203 und ff. 1910.
9] Zur pathologischen Anatomie der Stimmlippe. 233
soweit sie eine Neigung zur Stielbildung haben. Will man daher,
was aus praktischen Gründen sehr wünschenswert ist, die Karzinome
des Kehlkopfes nach ihrer Verlaufsart trennen, so wird man neben
dem Sitz auch die Gattung des Karzinoms berücksichtigen müssen.
Was ersteren betrifft, so möchte ich folgende Einteilung vorschlagen:
1. Äussere Kehlkopfkrebse (aryepiglottische Falten, Interarytänoi-
dalgegend, pharyngeale Kehlkopfwand) ;
2. Innere Kehlkopfkrebse (ohne Stimmlippenkrebse);
3. Krebse, die auf eine oder beide Stimmlippen beschränkt sind.
Eine derartige Einteilung wird besonders für die Statistik von
Wert sein und damit für die auf sie zu beziehende Beurteilung der
Heilerfolge der verschiedenen Operationsmethoden. Es bleibt selbst-
verständlich noch eine Gruppe von ausgedehnteren Larynxkarzinomen,
deren Ausgangspunkt nicht mehr festzustellen ist.
Die besondere Stellung, die man, wie ich glaube, den Stimm-
ippenkrebsen einräumen muss, ist nicht aus dem hier vorliegenden
Präparat und klinischer Erfahrung allein hergeleitet, auch nicht aus
den zu Grunde liegenden anatomischen Verhältnissen konstruiert
sondern sie findet in der Therapie des Kehlkopfkrebses deutlichen
Ausdruck, namentlich dadurch, dass diejenigen Karzinome, die zur
endolaryngealen Operation geeignet sind, so gut wie ausschliesslich
der Stimmlippe angehören. B. Fränkel!) der hervorragendste
Vertreter der endolaryngealen Behandlungsweise, hat unter seinen
9 Fällen keinen einzigen endolaryngeal operiert, der nicht dem Stimm-
band angehörte und die 5 Fälle, die geheilt sind, betreffen mit einer
Ausnahme (3. Rezidiv in Fall 1) die Stimmlippe allein.
Hansberg?) sieht unter 18 endolaryngeal behandelten Fällen
4 für definitiv geheilt an. Unter diesen 18 sind 6 B. Frünkels,
ohne diese bleiben 3 definitiv geheilt (von ihnen betreffen zwei
Schnitzler, M. Schmidt) eine oder beide Stimmlippen, eines
(Schech) war ein gestieltes Epitheliom der aryepiglottischen Falten.
Sendziak?) will nur 4 definitive, auf endolaryngealem Weg geheilte
Fälle anerkennen. Er führt ausser den schon genannten (Fränkel,
Schnitzler, M. Schmidt) ein Karzinom der Epiglottis (Bronner)
als geheilt an. Dass isolierte Karzinome der Pars libera der Epig-
lottis eine besondere Stellung einnehmen, bedarf nicht der Erwähnung.
Schmiegelow l. c. führt 5 Fälle an, davon 3 gestielte Adeno-
1) B. Fränkel, Intralaryngeale Behandlung des Kehlkopfkrebses. Archiv
f. Laryngologie. Bd. 6. S, 361 und ff.
?) Hansberg, T. W., Beiträge zur Operation des Kehlkopfkrebses. Da-
selbst. Festschrift f. Bernhard Frünkel 1896.
3) Sendziak, Die bösartigen Geschwülste des Kehlkopfes. Wiesbaden 1897.
234 Felix Blumenfeld. [10
karzinome des Kehlkopfeingangs; von denen eines nach 7 jahriger
Heilung órtlich rezidiviert, 2 Stimmbandkrebse, davon einer vollstándig
geheilt. Ferner 2 Fälle von Jurasz!) die beide auf die Stimm-
bänder beschränkte Karzinome betrafen. Heilung. Auch W. K.
Simpson?) operierte einen Fall von Stimmbandkarzinom, nach drei
Jahren kein Rezidiv. Von Navratil l. c. operierte 2 Fälle von
Stimmbandkrebs endolaryngeal, davon einen mit dauerndem Erfolg.
Es ist also nicht zu verkennen, dass, wenn man von den Fällen
von gestieltem Karzinom (Schech, Schmiegelow) und der Epi-
glottis (Bronner) absieht, das Karzinom der Stimmlippe dasjenige
ist, das ausschliesslich zur endolaryngealen Entfernung aufgefordert
hat und am ehesten Erfolge verspricht. Dass diese Ausnahmestellung
des Krebses der Stimmlippe auf ihrer Armut an Lymphgefässen be-
ruht, geben auch Jurasz und v. Navratil an. Ich will mit dem
Vorstehenden mich keineswegs zur Indikation der endolaryngealen
Therapie des Karzinoms geäussert haben, es ist aber wohl unbestreit-
bar, dass man in den mit der endolaryngealen Methode erzielten Er-
folgen den Ausdruck dafür sehen muss, dass der Stimmlippenkrebs
besonderen Wachstumbedingungen unterliegt, solange er eben auf das
Stimmband beschränkt ist.
Ich fasse zusammen: Das Karzinom der Stimmlippe
breitet sich bei seinem Wachstum zunächst in der
Längsrichtung der Stimmlippe aus; es ergreift diese
ganz oder zum grössten Teile, ehe es auf die Umgebung
der Stimmlippe übergreift und richtet demgemäss sein
Tiefenwachstum bis zu einem gewissen Stadium aus-
schliesslich auf das elastische Band. Diese Wachstums-
eigentümlichkeit des Stimmbandkrebses ist bedingt
durch die Anordnung des submukösen Lymphraumes,
der in sich geschlossen ist. Die obere und untere
Grenzlinie des beginnenden auf die Stimmlippe be-
schránkten Karzinoms bilden die Lineae acuatae supe-
rior und inferior (Reinke) denen entsprechend der sub-
mukóse Lymphraum der Stimmlippe gegen die des
Morgagnischen Ventrikels und der subglottischen
Schleimhaut abgegrenzt ist.
1) Jurasz, Verhandlungen d. Vereins süddeutscher Laryngologen, Demon-
strationen. Bd. 1. S. 2083 und Bd. 2. S. 43.
2) W. K. Simpson, Report of a case illustrating the importance and
possibilities in the early recognition and treatment of malignant growths of the
larynx. Laryngoscope, March 1906.
11] Zur pathologischen Anatomie der Stimmlippe. 235
Diese anatomischen Verhältnisse bedingen für das
Stimmbandkarzinom eine gewisse Ausnahmestellung in
klinischer und therapeutischer Beziehung, die in den
endolaryngeal erzielten Heilerfolgen ihren Ausdruck
findet.
Es liegt die Frage nahe, ob die gedachte Anordnung der
Lymphgefässe an den Stimmlippen nicht auch auf die Entwickelung
anderer pathologischer Vorgänge bestimmendenen Einfluss hat, ins-
besondere drängt sich die Frage auf, ob die nicht sehr selten iso-
lierten tuberkulösen Infiltrate und Ulzerationen der Stimmlippe nicht
auch in diesen Verhältnissen eine Erklärung ihres Verlaufes finden.
Ich bin aber nicht in der Lage, hierfür irgend welche anatomische
Beweise bringen zu können. Einige Schnitte, welche von tuberkulösen
Kehlköpfen gemacht wurden, haben etwas Typisches nicht ergeben,
doch wird man in Erwägung ziehen müssen, dass Fälle wie die ge-
nannten von isolierter tuberkulöser Infiltration und Ulzeration recht
selten zur Autopsie kommen, da meistens die Tuberkulose sich bis
zum Ende weiter und regellos im Kehlkopf ausbreitet. Man wird da-
her Aufschluss in dieser Beziehung wesentlich von solchen Kehlkopf-
tuberkulosen erwarten dürfen, bei denen der Exitus durch eine inter-
kurrente Krankheit oder durch eine akute Wendung der Lungen-
tuberkulose herbeigeführt wird.
Auf die Bedeutung der Anordnung der Lymphgefasse fiir die
Entstehung des Glottisódems brauche ich nicht mehr einzugehen, da
diese Dinge vielfach gewürdigt sind (Hajek, Logan Turner),
hingegen finden wohl die submukósen Dlutungen, welche man nicht
selten nach Stimmanstrengungen, Erbrechen etc. findet, fraglos in dem
von Reinke beschriebenen submukósen Raum statt.
Zum Schluss spreche ich Herrn Professor Reinke fiir die An-
fertigung der Präparate meinen verbindlichsten Dank aus.
Erklärung der Bilder auf den Tafeln.
Fig. 1—4, Taf. XIII—XV stellen bei ganz schwacher Vergrösserung das
Wachstum des Stimmlippenkrebses dar, Fig. 1 und 2 im vorderen Drittel, Fig. 3
etwa in der Mitte, Fig. 4 am hinteren Ende der Stimmlippe. Fig. 5 (Tafel XV)
zeigt das Karzinom bei stärkerer Vergrösserung.
Intubation und Tracheotomie bei akuten Larynx-
stenosen der Kinder.
Von
Prof. Citelli,
Prof. der Oto-Rhino-Laryngologie an der Kgl. Universität zu Catania.
Seitdem die Intubation in die praktische Therapie eingeführt
wurde, haben beinahe alle Autoren, die sich mit der operativen Be-
handlung der akuten Larynxstenosen beschäftigt haben (oft in einem
speziellen Kapitel oder in einem besonderen Abschnitt), Vergleiche
angestellt, zwischen den Vorzügen und Nachteilen der Tracheotomie
einer- und der Intubation andererseits und haben schliesslich einer
oder der anderen Methode den Vorzug eingeräumt. Sehr viele Autoren,
die sehr geübt in der Technik der Intubation sind, und vielleicht
nicht ganz so erfahren in der Ausführung einer dringlichen Tracheo-
tomie, sind zu dem Schluss gekommen, dass in allen Fällen (aus
vielen Gründen) die Intubation der Tracheotomie vorzuziehen sei.
Demgegenüber haben relativ wenige (meist sind es Vertreter der all-
gemeinen Chirurgie, mehr geübt in der Tracheotomie und weniger
gewöhnt an die Intubation) der Tracheotomie vor der Intubation den
Vorzug gegeben; vor allem weil die Intubation mit einer gewissen
Häufigkeit chronische, recht schwierig und langwierig zu behandelnde
Verengerungen hinterlasse. Einige möchten aus diesem Grunde die Intu-
bation überhaupt völlig verwerfen. Die Frage, wie sie bisher immer
wieder diskutiert und behandelt worden ist, lautet also Intubation
oder Tracheotomie, d. h. welcher von den beiden Methoden ist der
Vorrang einzuräumen? Ich meinerseits bin, auf Grund ausgedehnter
Erfahrungen mit der Intubation und meiner immerhin nicht ganz
unbedeutenden Erfahrungen mit der Tracheotomie, überzeugt, dass
beide Lager, sowohl die hartnäckigen Verteidiger der Intubation als
238 Prof. Citelli. [2
auch die gleich hartnäckigen und einseitigen Verfechter der Tracheo-
tomie, zu weit gehen und denke, dass die beiden Operationen, weit
entfernt, sich gegenseitig auszuschliessen, im Gegenteil sich in ganz
ausgezeichneter Weise ergänzen, so dass man, häufiger als man bis-
her getan hat durch Kombination beider Methoden weit bessere
Resultate erzielen könnte: Daher der Titel meiner Arbeit: Intubation
und Tracheotomie.
Die Intubation stellt zweifellos eine therapeutische Methode dar,
die einen bemerkenswerten Fortschritt in der operativen Behandlung
der uns beschäftigenden Affektionen bedeutet. Verdientermassen hat
sie deshalb in der Praxis weitverbreitete Anwendung gefunden.
Man bedenke nur, dass man in wenigen Sekunden ohne geschulte
Assistenz (unter alleiniger Mithilfe von Laien, meist Familienmitgliedern)
durch die Intubation imstande ist (selbstverständlich einen geschickten
und erfahrenen Operateur vorausgesetzt) einem Kind, das im Begriff
ist zu ersticken, oder schon direkt asphyktisch, wie es mir in zahl-
reichen Fállen passiert ist, das Leben zum mindesten eine Zeitlang
wieder zu ermóglichen, und das ohne einen Tropfen Blut und ohne
das Kind durch den Akt des Vorgehens selbst irgend einer Gefahr
auszusetzen! — und man wird ohne weiteres für derartige Fälle
die Überlegenheit der Intubation gegenüber der Tracheotomie zu-
geben und O' Dwyer für seine geniale Erfindung begeisterten Dank
und schuldige Anerkennung nicht versagen. Diese gewiss berechtigte
Begeisterung für die Intubation darf aber nicht zu dem allzu
weitgehenden und gefährlichen Schluss verleiten, dass
man bei akuten Stenosen bei Kindern immer die Intubation er-
zwingen müsse und (wie O’Dwyer und viele Anhänger der Intuba-
tion wollen) die Tracheotomie völlig zu verwerfen sei. Mit dieser ge-
fáhrlichen und über das Ziel hinausschiessenden Ansicht habe ich bei
anderer Gelegenheit auf dem italienischen Laryngologenkongress in
Mailand 1906 mich beschäftigt. Ich hob damals hervor, es sei in
manchen Fällen nötig, die. Tracheotomie der Intubation folgen zu
lassen, und zwar einmal, wenn 4—8 Tage nach der Intubation und
nach völliger Heilung des diphtheritischen Prozesses die Kehlkopf-
stenose noch fortdauert und weiterhin, wenn häufige spontane Ex-
tubation erfolge, die das Leben des Kindes gefährde und eine Quelle
beständiger Sorge und Störung für den Arzt bilde. Um in solchen
Fällen einen befriedigenden therapeutischen Erfolg zu erzielen, zeigte
ich damals eine sichere und einfache Methode zur Befestigung der
Tube im Larynx durch die Trachealwunde hindurch, ein Vorgehen,
das mir in meiner Praxis schon sehr gute Dienste geleistet hat.
Jetzt bin ich zu der Ansicht gekommen, dass die Tracheotomie
der Intubation noch viel häufiger angeschlossen werden sollte als
3] Intubation u. Tracheotomie bei akuten Larynxstenosen der Kinder. 239
ich es damals annahm, und zwar um noch besser die mancherlei Un-
zuträglichkeiten zu verhüten, die mit einer gewissen Regelmüssigkeit
im Gefolge einer lànger dauernden Intubation sich einstellen.
Die Intubation, selbst mit grósstem Geschick und mit der best-
entsprechenden Róhre ausgeführt, veranlasst in einer grossen Anzahl
von Fällen, speziell bei solchen von schwerem primärem Larynxcroup,
von post-morbillöser Laryngitis etc., recht unangenehme Folgeerschei-
nungen sowohl für den Patienten und dessen Familie als auch für
den Operateur selbst. Ist — wenn es sich um akute Stenose bei
Diphtherie gehandelt hatte — nach 4—8 Tagen die Diphtherie ab-
geheilt, so kann man eventuell nicht extubieren, da die Stenose sich
(gewöhnlich nach einigen Stunden) wieder herstellt; meist infolge
Ödems der Subglottis (einfaches oder von oberflächlichen oder tieferen
Ulzerationen begleitetes Ödem). Es lässt sich das leicht verstehen,
wenn man einerseits die geringen Dimensionen des kindlichen Larynx
und die Leichtigkeit der Entstehung von subglottischen Ödemen bei
Kindern bedenkt und andererseits den Reiz erwägt, den die tagelang
liegende Tube ausübt. Manchmal passiert es auch (wie mir in zwei
Fällen), dass man extubiert und die Stenose 5—8 Tage lang nicht
wieder kommt; man hält das Kind schon für völlig geheilt, da tritt
plötzlich wieder die Stenose auf, wahrscheinlich durch subglottisches
Ödem oder im Gefolge einer Tracheobronchitis oder Bronchopneumo-
nie, die so oft den Croup begleitet oder ihm folgt. Verlässt man
sich in solchen Fällen nochmals auf die Intubation, so gelingt die
Extubation eventuell überhaupt erst nach langwieriger und mühevoller
Behandlung wie sie etwa bei der Laryngotracheostomie indiziert ist.
In einer bestimmten Anzahl von Fällen bleiben nach der Intu-
bation akuter Larynxstenosen bei Kindern, wenn die Tube 3—5 oder
mehr Tagen gelegen hat, chronische Larynxstenosen zurück, die,
wie allgemein bekannt, eine Qual für die Familie des Patienten und
den Arzt bedeuten. Es ist richtig, dass man jetzt durch die Laryn-
gotomie und auch durch meine eigene Methode (Tracheotomie und
Einlegung und Befestigung einer leichten und kleinen Tube mit oder
ohne Bauch durch die Tracheotomiewunde hindurch) oft völlige und
definitive Heilung der Stenose erzielt; aber es ist auch sicher, dass
die Nachbehandlung von solchen Stenosen, speziell in der Privat-
praxis den Patienten und den Arzt physisch und psychisch ganz
ausserordentlich ermüdet und anstrengt, selbst wenn ausser dem
nötigen Geschick die Geduld eines Hiob zu Hilfe kommt. Für mich
bedeutet ein Kind, das nach Intubation wegen akuter Larynxstenose
eine chronische Stenose zurückbehält, das schlimmste Kreuz, das einem
Operateur auferlegt werden kann.
Zeitschrift für Laryugologie: Bd. III, H. 8. 17
240 Prof. Citelli. [4
Auf der anderen Seite kann auch die Tracheotomie, abgesehen
davon, dass sis nicht in allen Fällen möglich ist, sie verlangt schliess-
lich doch gewisse Vorbedingungen an Örtlichkeit und Assistenz, ab-
gesehen weiter davon, dass in einer gewissen Anzahl von Fällen das
Kind unter dem Messer oder kurz nachher zugrunde geht, entweder
an Herzschwiche (der Operationsshock ist bei der Tracheotomie
zweifellos grósser als bei der Intubation) oder durch Eindringen von
Blut in die Luftwege etc. — abgesehen von all diesen Eventualitäten
kann auch die Tracheotomie sehr wohl eine chronische
Stenose hinterlassen, die ein grosses Hindernis für die definitive
Heilung bietet. Und das um so eher, als bei der oft so nötigen Eile
des Vorgehens häufig eher eine Cricotracheotomie als eine richtige
Tracheotomie gemacht wird, denn nach oben liegt die Luftröhre ober-
flächlicher und ist dort schneller zu eröffnen. In solchen Fällen kann
man schliesslich durch verschiedene Vorkommnisse gezwungen sein,
die schon entfernte Kanüle entweder sofort oder nach einigen Tagen
wieder einzuführen. Es kann durch den Reiz der Kanüle bei der
Nähe der subglottischen Gegend leicht ein dauerndes Glottisödem
entstehen oder aber es bilden sich Granulationen in der Tracheotomie-
wunde oder sogar in der ganzen Zirkumferenz der Trachea in der
Höhe der Wunde, die an sich oder durch narbige Schrumpfung nach
Entfernung der Kanüle eine neue Stenose hervorbringen.
Gerade das ist der Ausgang eines Falles, den ich kurz berichten
will, vor allem auch, um noch besser zu demonstrieren, wie man nicht
nur durch die Tracheotomie nach der Inkubation, sondern
in manchen Fallen auch durch die Intubation nach der zuerst
ausgefiihrten Tracheotomie Heilerfolge zu erzielen vermag,
die weder das eine noch das andere Operationsverfahren fiir sich
alein hátte ergeben kónnen. Im folgenden die Krankengeschichte
des betreffenden Falles:
Am 21. Juni 1909 wurde in einem Städtchen der Provinz Syrakus
von einem dortigen Kollegen an einem Kind von 4 Jahren wegen
drohender Erstickung durch anfangs nicht diagnostizierten Larynx-
croup die Nottracheotomie ausgeführt. Nach der gutgelungenen Ope-
ration wurden dem Kind mehrfache starke Dosen Diphtherieserum
eingespritzt und nachdem dadurch der diphtherische Prozess sehr gut
zur Heilung gekommen war, wurde am 29. d. Mts. (am 8. Tag nach
der Operation) die Kanüle entfernt. Nach einigen Stunden jedoch
musste man die Kanüle wieder einführen, da von neuem Stenosen-
symptome auftraten. Am 4. Juli (13 Tage nach der Operation) nahm
man abermals die Kanüle heraus, aber nach einem Tage, während
dessen das Kind gut atmete, begann die Atmung abermals geräusch-
5] Intubation u. Tracheotomie bei akuten Larynxstenosen der Kinder. 241
voll zu werden. Am 6. Juli wurde ich von Catania herübergerufen,
und fand am Abend das Kind schlecht atmend vor. Die Tracheo-
tomiewunde begann sich zu schliessen. Da es sich um ein sehr ver-
ständiges und braves Kind handelte (das mich inständig bat, es zu
heilen) versuchte ich die Laryngoskopie. Der kleine Patient hielt
sehr gut bis zu einer gewissen Grenze: d. h. er liess sich ruhig in
die geeignete Position bringen, óffnete den Mund, streckte die Zunge
heraus und liess sich ruhig den Spiegel in den Mund stecken. Aber
dann, anstatt zu atmen oder e zu sagen, presste der Kleine und hielt
den Átem an. Beim zweiten Versuch machte das Kind, genótigt zu
atmen, nach einer gewissen Dauer krampfartigen Pressens, plótz-
lich eine tiefe Inspiration und ich konnte mit grosser Klarheit die völlig
gesunden in Abduktion stehenden Stimmbänder sehen und ein paar
Zentimeter unterhalb dieser am unteren Rande der Cartil. cricoidea
einen elliptischen Narbenring, der die Lichtung der Luftröhre be-
trächtlich verengerte. Die Tracheotomiewunde lag ein wenig hoch (es
war auch der Cricoidknorpel eingeschnitten worden) und der innere
Narbenring entsprach ungefähr dem höchsten Punkt des Tracheal-
schnittes. Dieser fibröse Ring musste das Hindernis des Decanulements
darstellen. Mit der Erweiterung der Trachealwunde und dem Wieder-
einlegen der Kanüle hätte man unter diesen Umständen nichts er-
reicht, wenn man nicht eventuell hätte eine T-Kanüle einlegen wollen,
die aber ihrerseits wieder hätte den Reiz zu neuer Granulations-
bildung oder sogar zu hypoglottischem Ödem abgegeben und damit die
Heilung noch für wer weiss wie lange hätte verzögern können. Nach
meinem Dafürhalten war in diesem Falle die Intubation das ideale
Heilmittel. Ich intubierte also und es gelang mir sofort, eine O’Dwyer-
tube Nr. 2 einzuführen, die sehr gut lag; aber beim letzten Vor-
schieben hatte ich die Empfindung, unter den Stimmbändern einen
leichten Widerstand zu fühlen, den ich durch einen leichten Finger-
druck auf den Kopf der Tube überwand. Das Kind atmete nach der
Intubation sofort sehr gut und ich konnte nach Catania zurückkehren.
Die Tube sass vorzüglich an ihrer Stelle bis ich das Kind nach 14
Tagen nach Catania kommen liess und dort mit der Enukleations-
methode extubierte. Das Kind atmete ohne die Tube vollkommen
frei und die Heilung blieb eine endgültige. Das ist in kurzen Zügen
die interessante Geschichte eines klinischen Falles, der demonstriert,
wie nützlich es sein kann, nach der Tracheotomie noch zu intubieren.
Übrigens sind in der Literatur eine ganze Reihe von Fällen beschrie-
ben, in denen sich die Intubation als Nachoperation der Tracheo-
tomie sehr wertvoll erwiesen hat, insbesondere in Fällen schwierigen
Decanulements teils wegen Granulationswucherung um die Tracheal-
17*
242 Prof. Citelli. [6
wunde, teils wegen subglottischen Odems, teils wegen narbiger Ste-
nose oder schliesslich wegen Lähmung oder Krampf der Glottis
(Ranke, Bokai, Killian, Schwalbe, Baginski, Anderson,
Chiari, Ferrond, Massei, O’Dwyer, Longo etc.). Es lohnt
daher kaum der Mühe, weiter dabei zu verweilen.
Nach meiner Ansicht würde man im Falle der dringenden opera-
tiven Behandlung einer bedrohlichen akuten Larynxstenose beim Kinde
am besten folgendermassen vorgehen:
Wird man zu einem Kind (insbesondere zu einem Kinde der
Privatpraxis) gerufen, das infolge Croup oder Masern oder Typhus
etc. an Larynxstenose zu ersticken droht, so muss man zur Intuba-
tion schreiten, die in solchen Fällen zweifellos der Nottracheotomie
vorzuziehen ist. Mit der Intubation (natürlich mit dem nötigen tech-
nischen Geschick ausgeführt) gelingt es fast immer, dem Kind, das
an Asphyxie zugrunde zu gehen droht oder anscheinend schon tot
ist, das Leben zu erhalten. Die Tube bleibt, wenn sie gut liegt, 24
Stunden an ihrem Platze, dann wird man extubieren. Tritt die Ste-
nose von neuem auf, so wiederholt man die Intubation und lässt die
Tube weitere 24 Stunden liegen. Wenn dann nach der Extubation
die Stenosenerscheinungen abermals wiederkehren, dann tut man gut,
wieder zu intubieren und direkt die Tracheotomie zu machen. Die
Tracheotomie am intubierten Kind gestattet nicht nur (falls
keine anderweitige Kontraindikation vorliegt) die Narkose des Kindes
und ist damit nicht nur eine der leichtesten und sichersten Opera-
tionen (man hat Zeit und kann durch die einzelnen Gewebsschichten
sukzessive und fast ohne Blutung vorgehen), sondern sie gestattet
auch, die Trachea möglichst weit vom subglottischen Raum entfernt
zu eröffnen (wo gerade die schwersten Entzündungserscheinungen sich
zu lokalisieren pflegen, die eine Heilung der Stenose hintanhalten).
Es ist deshalb zu empfehlen, die Trachea entsprechend dem 2.— 3.
Trachealring zu eróffnen, so dass Trachealwunde und Kanüle in ge-
nügender Entfernung von der erkrankten Larynxregion sich befinden.
Diese Larynxregion, in vólliger Funktionsruhe, ohne den Druck der
Intubationstube und verschont von dem Reiz der Kanüle, wird in den
meisten Füllen rasch heilen und damit wird die Stenose behoben sein.
Ich ziehe die Eróffnung der Trachea am 2. und 3. Trachealring
der eigentlichen tiefen Tracheotomie (die ja an sich der Forderung,
die Trachea móglichst weit vom erkrankten Kehlkopf zu eróffnen, am
besten entspricht) vor aus dem Grunde, weil, falls die Stenose einmal
nicht heilen will, dann (wie ich weiter ausführen werde) zur Intu-
bation durch die Trachealwunde zurückgegriffen werden und
die Tube nach meiner oder einer anderen Methode fixiert werden kann.
1] Intubation u. Tracheotomie bei akuten Larynxstenosen der Kinder. 243
Wenn nun aber die Tube während der 24-48 Stunden, für die
ich, wie oben auseinandergesetzt wurde, auf die Intubation sich zu
beschränken rate, nicht gut liegt, sondern sıch öfters spontan extu-
biert, dann halte ich es für ratsam, 'statt den schon entzündeten
hypoglottischen Raum noch mehr zu malträtieren und zu irritieren
(ganz abgesehen von dem Risiko, dass das Kind erstickt, ehe man zur
Reintubation da sein kann), nach 2—3 Spontanextubationen so bald
als möglich die Tracheotomie auszuführen, und zwar in der oben be-
schriebenen Weise am wieder intubierten Kind. Falls schliesslich ein
Kind ausserhalb des Wohnsitzes des Arztes zu behandeln wäre und
man könnte nicht 1—2 Tage zur Überwachung des zum erstenmal
intubierten Patienten dort bleiben, dann ist es besser, die Tracheotomie
einige Stunden nach der Intubation auszuführen und die Überwachung
des Kindes einem anderen Arzt oder ev. der Familie zu überlassen.
Ich habe mich bislang zweimal in solcher Lage befunden (wegen pri-
märem Larynxcroup) und habe mit diesem Vorgehen zwei glänzende
und dauernde Erfolge erzielt. Man hat nach 6—8 Tagen die Kanüle
herausnehmen können und die Kinder sind prächtig geheilt. Im all-
gemeinen bin ich überzeugt, dass, je eher die Tracheotomie nach der
Intubation gemacht wird, desto sicherer eine schnelle und definitive
Heilung zu erwarten ist. Und wenn ich für angebracht gehalten
habe, vorzuschlagen, bei gut sitzender Tube und bei der Möglichkeit
das Kind selbst zu überwachen, ev. 1—2 Tage mit der Tracheotomie
zu warten, so habe ich das getan, weil man in einer ganzen Reihe
von Fallen auf diese Weise mit der Intubation allein die Heilung
wird erzielen kónnen und um in etwa den Vorwürfen zu begegnen,
die mir (wie ich auf dem Kongress in Rom erfahren habe) vielleicht
von seiten der „hartnäckigen Intubationsanhänger“ gemacht werden.
Im übrigen ist es, falls man schwerere entzündliche Alterationen der
Larynxschleimhaut befürchtet oder falls nach einigen Tagen schein-
barer Heilung durch Intubation die Stenose rezidiviert, zu empfehlen,
die Tracheotomie der Intubation baldigst folgen zu lassen.
Wenn wegen einer der bekannten Ursachen, nach der Ausführung
der Tracheotomie das Decanulement nach der gewöhnlichen Frist von
6—10—12 Tagen auf Schwierigkeiten stossen sollte, dann lässt man
die Kanüle länger in der Trachea liegen und führt etwa jede Woche
einmal eine Tube in den Larynx ein, um Verwachsungen zwischen
beiden Larynxhälften zu verhüten. Man kann so 1—2 Monate ab-
warten, bis die akute Entzündung der Larynxschleimhaut völlig ab-
geheilt ist. Wenn nach dieser Zeit die Stenose noch immer nicht
ausgeglichen ist, dann kann man eventuell nochmals intubieren und
die Tube im Larynx durch die Trachealwunde hindurch
244 Prof. Citelli. [8
fixieren (nach meiner oder irgend einer anderen Methode) Auf
diese Weise wird man auch selten gezwungen sein, zur Laryngo-
stomie zu greifen, die, wie ich zu Anfang ausführte, nicht sowohl wegen
der Operation an sich, sondern wegen der sehr langwierigen Nach-
behandlung (speziell wenn es sich um ein Kind aus der Privatpraxis
handelt) stets besser vermieden wird. Ich halte es schliesslich für
geboten, davor zu warnen, in solchen Fällen gefensterte Kanülen ein-
zu legen, da gerade durch diese leicht in der Umgebung des Fensters
Granulationsbildung veranlasst wird, abgesehen davon, dass sie nicht
die genügende Funktionsruhe des erkrankten Organs gewährleistet.
Das sind im grossen und ganzen die Prinzipien, die ich bei der
operativen Behandlung akuter Larynxstenosen für die besten halte.
Es versteht sich von selbst, dass jeder Operateur, je nach Lage des
Falles, die ihm geeignet scheinenden Modifikationen vornehmen kann;
die fundamentalen Grundsätze der Methode sollten aber möglichst ge-
wahrt bleiben. Diese meine Methode besteht im wesentlichen darin,
so oft als irgend möglich, die Intubation mit der
Tracheotomie zu verbinden, vor allem in der Absicht, die
nicht geringe Zahl chronischer Stenosen zu vermindern,
die der alleinigen Anwendung sowohl der Intubation
als auch der Tracheotomie zur Last zu legen sind. Frei-
lich setzt meine Methode voraus, dass der Arzt, der akute Larynx-
stenosen zu behandeln übernimmt, sowohl die Intubation als auch
die Tracheotomie technisch durchaus beherrscht, eine Voraussetzung,
die eigentlich auch bei der bisherigen Behandlungsweise der Larynx-
stenosen zu Recht besteht, aber leider nur zu oft nicht erfüllt ist
Meine Methode bildet einen Vermittlungsvorschlag zwischen den allzu
enthusiastischen Befürwortern der Intubation, die der Tracheotomie
das Urteil sprechen wollen und den — weniger zahlreichen — Autoren,
die in zu weitgehender Übertreibung der sicherlich vorhandenen
Schattenseiten der Intubation diese so wertvolle Operation zugunsten
der Tracheotomie völlig verwerfen. Aufgebaut auf praktische Be-
obachtungen und vernünftige Überlegungen sucht die Methode die
einseitige Übertreibung sowohl des einen als auch des anderen Stand-
punktes zu vermeiden. Und ich bin überzeugt, dass sie in der Praxis
die besten Resultate geben wird, wie auch ich sie in den bisher 9
Fällen, die ich nach diesen Grundsätzen behandelt habe, erzielen
konnte. Ich weiss wohl, dass bei Befolgung meiner Behandlungs-
prinzipien eine gewisse Anzahl von Tracheotomien ausgeführt wird,
die man sich hätte ersparen können; denn eine ganze Reihe von
Fällen wird man sicher in 3—8—15 Tagen oder auch selbst noch
nach einigen Monaten mit der Intubation allein heilen können. Aber
9] Intubation u. Tracheotomie bei akuten Larynxstenosen der Kinder. 245
man wird den grossen Vorteil haben, eine beträchtliche Zahl von
chronischen Larynxstenosen zu verhüten, für die in erster Linie zweifel-
los der schädliche Reiz der Tube auf die entzündete Schleimhaut
verantwortlich zu machen ist. Übrigens sind die Tracheotomie am
intubierten Kind und die von geübter Hand ausgeführte Intubation
fast gefahrlose Operationen und es ist schlimmstenfalls sicherlich kein
Unglück, wenn bei einigen Patienten statt einer die beiden Opera-
tionen vorgenommen werden.
Meine Behandlungsmethode bezweckt nicht, die Intubation in der
Praxis zu diskreditieren, sondern erstrebt im Gegenteil ihre Fórde-
rung, denn sie sucht die hauptsüchlichsten Unzutrüglichkeiten, die
in ihrem Gefolge auftreten kónnen, zu verhindern.
Meine Ausführungen werden sicherlich bei einem Teil der Kolle.
gen (wie das schon auf dem Kongress in Rom geschah) entschiedenen
Widerspruch finden. Aber ich bin seit langem an wissenschaftliche
Kampfe gewóhnt und ich bin überzeugt, gestützt auf die rationelle
Begründung meiner Anschauungen, dass (wie schon so manchesmal)
so auch diesmal die Zeit mir schliesslich Recht geben wird.
Deutsch v. Dr. Brühl, Gardone, Riviera.
Ein Fremdkórper im rechten Sinus piriformis,
Tuberkulose resp. Tumor vortäuschend.
Von
Dr. med. H. Dencker,
I. Assistent bei Prof. Dr. G. Spiess, Frankfurt a. Main.
Die Kasuistik von Fremdkörpern, die in den verschiedensten
Buchten des Schlundes und Kehlkopfes gefunden werden, ist eine
derartig reichhaltige, dass die Wiedergabe eines neuen Falles wohl
nur durch einige besondere, allgemein interessierende Nebenumstände
gerechtfertigt erscheint.
Ein 51 jähriger Landwirt suchte die Sprechstunde am 10. März
d. J. auf, weil er über folgende Beschwerden klagte. Seit ca. sechs
Wochen bestand nach seiner Angabe eine zunehmende Heiserkeit,
seit längerer Zeit vor dem litt er an heftigem Husten und Auswurf.
Irgend einen Grund für das Auftreten der Heiserkeit wusste er nicht
anzugeben. Nur erklärte er, dass seit einiger Zeit, vielleicht seit
dem Bestehen der Heiserkeit, das Schlucken Beschwerden machte.
Über grössere Schmerzen wurde jedoch nicht geklagt. — Die Inspek-
tion des Larynx ergab ein eigenartiges Bild. Es bestand ein hoch-
gradiges Ödem der Larynxhinterwand und des rechten Aryknorpels.
Das Kehlkopflumen war enorm verengert, von den Stimmbändern
gar nichts zu sehen, beide Taschenbänder, besonders das rechte, waren
gerötet und sehr stark geschwollen. Trotz der laryngoskopisch un-
zweifelhaft bestehenden Stenose war nur eine geringe Dyspnoe vor-
handen. — Die Untersuchung der Lungen ergab eine Bronchitis und
zwar fand sich Giemen R. H. U. L.H.O. waren einzelne trockene
Rhonchi hörbar. In der Annahme, dass die entzündliche Infiltration
wahrscheinlich von einem unter der ödematösen Schwellung liegenden
Tumor oder aber eventuell von einer tuberkulösen Affektion herrühren
248 H. Dencker. [2
müsse, wurden zur Stellung einer sicheren Diagnose intralaryngeal
mit der Doppelkürette Stückchen aus den Schwellungen am rechten
Aryknorpel und am rechten Taschenband herausgeschnitten. Eine
vorhergegangene Sondierung hatte sowohl in bezug auf die Druck-
empfindlichkeit wie auch auf die Resistenz kein besonderes Resultat ge-
zeitigt. Durch diese Exzisionen hoffte man gleichzeitig eine Ent-
spannnung und damit eine Abschwellung des ódematósen Gewebes
herbeizufiihren. — Die mikroskopische Untersuchung der Stiicke er-
gab eine chronische, speziell subepitheliale Entzündung, aber absolut
keinen Anhaltspunkt fiir die Annahme einer spezifischen Erkrankung.
Dasselbe Resultat zeitigten im Laufe der nachsten Wochen wieder-
holt vorgenommene Probekiirettagen. Bei einer Untersuchung mit
dem bronchoskopischen Rohre sah man sehr stark infiltrierte Taschen-
bander mit höckeriger Oberfläche; dieselben liessen sich beiseite
drücken, und das Rohr konnte dann die Rima glottidis glatt
passieren. — Nach den ersten beiden Kürettagen war bereits eine, wenn
auch geringe Abschwellung der Larynx-Hinterwand zu konstatieren.
Ebenso war die Infiltration des linken Taschenbandes deutlich zurück-
gegangen. Nur der rechte Aryknorpel und das rechte Taschenband
blieben noch stark angeschwollen. Subjektiv war gleichfalls eine Besse-
rung eingetreten, die Stimme war klarer geworden, und die Schluck-
beschwerden hatten abgenommen.
So war der Status, als der Patient nach zirka einmonatlicher
Pause sich vormittags in der Sprechstunde vorstellte. — Zwecks Vor-
nahme einer nochmaligen Kürettage kam er am Nachmittage des-
selben Tages wieder und erzählte, dass nach dem Essen ein starker
Hustenreiz aufgetreten sei, und zwar, ohne dass er sich im geringsten
verschluckt habe. — Bei der gleich vorgenommenen laryngoskopischen
Untersuchung sah man ein längliches gelb-bräunliches Gebilde in sa-
gittaler Richtung. ‚über dem Kehlkopfeingang liegend, zwischen der
Unterseite der Epiglottis und dem Hypopharynx. Der extrahierte
Fremdkórper erwies sich als ein 3,5 cm langer, 3 mm breiter vier-
kantiger Holzpflock, an einem Ende zugespitzt, wie sie zum Fest-
stecken der gerollten Heringe (Rollmópse) gebraucht werden. Auf
Befragen erzählt nun der Patient folgendes:
Bei einer kleinen Vorfeier zu Kaisers Geburtstag am 24. oder
25. Januar habe er nach reichlichem Alkoholgenuss Rollmöpse gegessen.
Seit jenem Abend, so erinnerte er sich nachträglich, hätten seine Be-
schwerden begonnen. Dass er aber etwas verschluckt habe, dessen
sei er sich nicht bewusst, auch Hustenreiz sei nicht verspürt worden.
— Eine sofort nach der Extraktion des Fremdkörpers nochmals vor-
genommene Untersuchung des Kehlkopfs und Schlundes ergab absolut
3] Ein Fremdkórper im rechten Sinus periformis etc, 249
keinen besonderen Anhaltspunkt in bezug auf den früheren Sitz des
Holzes. Irgendwelche durch den Pflock verursachte Schleimhaut-
verletzungen waren nicht zu sehen. — Bei der, acht Tage später
vorgenommenen Kehlkopfuntersuchung war das Bild vollkommen ver-
ändert. Die Taschenbänderschwellung war bis auf eine kleine,
rechtsseitige, höckerige Verdickung verschwunden. Die Stimm-
bänder waren von normalem Aussehen und normaler Beweglichkeit.
Wiederum acht Tage später war auch eine vorher noch vorhandene
Schwellung des rechten Aryknorpels und der Hinterwand beinahe
völlig zurückgegangen. Die Sprache war wieder klar, Beschwerden
beim Schlucken bestanden überhaupt nicht mehr. Das Kehlkopfbild
war, bis auf die vorher erwähnte kleine Schwellung am rechten
Taschenband, die wohl als Folgeerscheinung der vorhergegangenen
Kürettagen aufzufassen ist, ein durchaus normales. Auffallend: er-
schien nur noch eine stärkere Vorwölbung der Hinterwand des Hypo-
pharynx, die, wie bei der Röntgendurchlenchtung sich herausstellte,
von einer leichten Deformität der Halswirbelsäule herrührte. — Als ur-
sprünglicher Sitz des Fremdkörpers kommt wohl nur der Sinus piriformis
nach dem ganzen Verlaufe der Affektion in Betracht, und zwar der
rechte, denn auf dieser Seite waren die Schwellungen entschieden die
stärksten. Irgendwelche ulzerative Prozesse, Schleimhautverletzungen
etc. waren jedoch in ihm nicht nachweisbar, nachdem das Abschwellen
des Aryknorpels eine genauere Inspektion des Sinus ermöglichte.
— Man könnte noch an den Sinus Morgagni denken, aber wie hätte
ein Fremdkörper von solch respektabler Grösse in ihn hineingelangen
können, ohne die heftigsten Hustenstösse auszulösen, — trotz der
vielleicht infolge reichlichen Alkoholgenusses herabgeminderten Emp-
findlichkeit der Schleimhaut. Der im Sinus piriformis steckende
Holzpflock rutschte, wahrscheinlich infolge der Schluckbewegungen
beim Essen nach oben und nahm die bereits beschriebene Lage ein.
Vermutlich wurde diese Lageänderung noch befördert oder erleichtert
durch die Abschwellung des Gewebes infolge der Entspannung durch
die mehrfachen Kürettagen. Zum Glück für den Patienten geschah
dies gerade zu einer Zeit, in der spezialärztliche Hilfe sofort zur
Stelle war.
Vom Standpunkte der Diagnosestellung aus erscheint dieser Fall
von nicht ganz gewöhnlichem Verlaufe. Die erhaltenen anamnesti-
schen Daten mussten zunächst den Verdacht auf Tuberkulose lenken.
Auch das klinische Bild liess dies sehr wohl möglich erscheinen. Man
findet ja so oft bei einer Phthisis laryngis, dass das eigentliche tuber-
kulöse Geschwür selbst von den sekundären Ödemen und Infiltrationen
so überlagert ist, dass von ihm selbst anfangs nichts entdeckt werden
250 H. Dencker: Ein Fremdkörper im rechten Sinus piriformis etc. [4
kann. Oder die Tuberkulose tritt überhaupt anfangs mehr in infil-
trativer Form auf und führt erst später zum Zerfall des Gewebes.
Auch an das Vorhandensein eines Tumor von wahrscheinlich
maligner Natur konnte gedacht werden. In der Tat ist auch, soweit
man sich auf die Angaben des Patienten verlassen kann, von einem
noch konsultierten Arzte eine dahingehende Wahrscheinlichkeits-
diagnose gestellt, und eine Operation von aussen vorgeschlagen worden.
Gewissheit konnten bei beiden Annahmen nur wiederholte Probe-
kürettagen schaffen. Eine Rontgenaufnahme resp. -Durchleuchtung
wurde nicht gemacht. Nebenbei bemerkt hätte eine solche auf Grund
unserer nachträglich mit dem Pflocke probeweise vorgenommenen
Untersuchungen mit aller Wahrscheinlichkeit nur ein negatives Re-
sultat gehabt. Da der rechte Sinus piriformis von dem enorm ge-
schwollenen Aryknorpel vollkommen überlagert und verdeckt war, bot
auch dort das laryngoskopische Bild keinen Anhaltspunkt. Nirgends
war eine Wunde zu sehen. Auch subjektiv wurde nur ein allgemeiner
Druck im Halse angegeben, und der Schmerz nicht etwa rechts lo-
kalisiert. Auffallend erscheint ferner, dass trotz 31/s monatlichen
Verweilens des Holzpflockes es nicht zu stürmischen Erscheinungen
oder zur Abszessbildung kam. Bestärkt werden musste man noch in
seiner Annahme vom Bestehen einer eventuell tuberkulösen Affektion
durch die unbestreitbare, bereits geschilderte Besserung, die sowohl
objektiv wie subjektiv nach den verschiedenen Eingriffen eintrat.
Jedenfalls beweist dieser Fall, dass die Diagnose eines Fremd-
körpers unter Umständen trotz aller Untersuchungmittel eine ausser-
ordentlich schwierige sein kann.
Über nasale Fortsätze hypertrophischer Rachen-
mandeln.
Von
Dr. Arthur Meyer, Berlin.
Der Sitz der adenoiden Vegetationen ist das Gewölbe des Pharynx.
In der grossen Mehrzahl der Fälle erreicht der Tumor die Choanen
nicht ganz, und nach einer gründlichen Kurettage mit dem Messer
von Gottstein-Beckmann, dessen oberer Rand gegen den Winkel
zwischen dem freien Vomerrande und dem Rachendach gedrückt wird,
erweist sich das letztere und die Choanen als frei.
Bisweilen jedoch erstrecken sich kleine Verlängerungen des
adenoiden Gewebes an der unteren Fläche des Keilbeins nasalwärts.
Hier sind sie durch das Septum nasi gegen die breite Klinge des
Adenotoms geschützt. Und nach der Operation, auch wenn sie sorg-
fältig ausgeführt ist, sieht man im postrhinoskopischen Bilde — bei
weiter Nase auch vorn — kleine, etwa erbsengrosse Reste, wie
Granulationen aussehend, vom Dache beider Choanen symmetrisch
herabragen.
Diese Reste sind nicht immer gleichgültig; sie kónnen Schwellungs-
zustánde der Muscheln oder auch eiterige Katarrhe der Schleimhaut
unterhalten und so die Erreichung des Zweckes der Operation ver-
eiteln. Ihre Existenz wird oft übersehen, da nach einer anscheinend
erfolgreichen Operation die postrhinoskopische Untersuchung, wenn
sie nicht sehr leicht gelingt, erklürlicherweise nicht forciert zu werden
pflegt.
Das adenoide Gewebe des Rachendaches ist ja sehr häufig nicht
scharf begrenzt, sondern lässt sich oft seitlich in die Rosen-
müllerschen Gruben hinein verfolgen, und erstreckt sich oft in
Form gehäufter Follikel, bisweilen sogar in kompakter Masse, an der
Hinterwand herab bis in die pars oralis. So kann es nicht wunder-
nehmen, dass eine allmáhliche Abflachung auch nach der Nase zu
252 Arthur Meyer. [2
vorkommt. Ich habe sie nur bei Erwachsenen und grósseren Kindern
gesehen, und stets nur bei erheblicher Grósse der hypertrophischen
Mandel.
Das Vorhandensein solcher nasalen Fortsütze kann vor der
Operation nicht erkannt werden. Bestehen nach der Adenotomie
die Beschwerden fort, so wird die Rhinoscopia posterior Aufschluss
über die Ursache geben.
Die Operation der Reste kann vom Munde aus mit der stark
abgebogenen schmalen Kurette von Grünwald erfolgen, nach
Anästhesierung des Rachens und unter Leitung des Spiegels, eventuell
nach Einlegung eines Velitraktors oder Gaumenhakens. Wenn aber
die Nase weit ist oder mit Adrenalin-Kokain sich erweitern lässt,
dann operiert man besser von vorn. Man kann dann die Wuche-
rungen mit einer einfachen Nasenkürette oder mit der kalten Schlinge
abtragen. Genügt die Weite der Nase zwar zum Einführen des
schlanken Instrumentes, aber nicht zu ausreichendem Einblick, so
kann man die Kürette oder Schlinge von vorn einführen und post-
rhinoskopisch ihre richtige Lage kontrollieren.
In den Lehrbüchern, so weit sie mir zugänglich waren, fanden
sich keinerlei Hinweise auf die Vorbereitung der adenoiden Substanz
am Choanendach nach vorn zu. Nur Onodi und Rosenberg
sagen: „Entdeckt man, dass nahe den Choanen noch Reste zurück-
geblieben sind, so kann man sie meist von der Nase aus mit der
kalten Schlinge fassen und abreissen‘. — Luc!) und Sallard?),
der ihn zitiert, sprachen gleichfalls von Fragmenten, die wegen ihrer
Lage dicht an den Choanen der Kürette entgangen sind; sie raten
sie durch ein nochmaliges Kurettement zu entfernen, woraus hervor-
geht, dass sie nicht innerhalb der Choanen sitzende Reste meinen
können.
Trotz dieser spärlichen Hinweise ist das Vorkommen intra-
choanaler Reste nicht ganz selten. Bei einem Material von
3000 —4000 Patienten habe ich sie etwa 2—3mal jährlich gesehen.
Daher glaube ich auch, dass das Vorkommen choanaler Reste der
Rachentonsille vielen Fachgenossen geläufig sein wird, und würde
mir nicht erlaubt haben, das Thema zu behandeln, wenn ich nicht
kürzlich einen Fall von sehr bedeutender Grösse solcher Reste be-
obachtet hätte, der mir der Mitteilung wert erscheint. Sie reichten
hoch an der vorderen Keilbeinfläche hinauf, bis nahe an das
Nasendach.
Ein 35jähriger Kaufmann suchte mich auf mit Klagen über
1) Luc, Opérations incomplétes des tumeurs adénoides. Arch. de Lar. 1889.
2) Sallard, Hypertrophie des amygdales. Paris 1894.
3] Über nasale Fortsätze hypertrophischer Rachenmandeln. 253
starke Kurzatmigkeit und Verstopfung der Nase. Er hatte sich be-
reits einer Adenotomie unterzogen, sowie einer Kauterisation der
unteren Muscheln, jedoch ohne Erfolg. — Patient litt an starker
Adipositas und an erheblicher Dyspnoe. Letztere war kardialer
Natur; der Puls war klein und frequent, die Herzdämpfung ver-
breitert, besonders nach rechts. Die Lungenuntersuchung ergab keine
Erkrankung, speziell bestand kein Asthma. Digitalis brachte keine
Besserung. Diagnose: Myokarditis.
Die Nase war beiderseits sehr eng, die unteren Muscheln
kissenförmig geschwollen, besonders links. Postrhinoskopisch erwies
sich der Nasenrachenraum als frei von adenoiden Vegetationen; in
den Choanen dagegen hing beiderseits ein kegelförmiger Zapfen vom
Choanaldach herab, den Raum zwischen Septum und mittlerer Muschel
‚grösstenteils füllend. Er war von der Farbe normaler Schleimhaut,
flachhöckerig. — Mit Kokain-Adrenalin liess sich die Nase so gut er-
weitern, dass man nun auf beiden Seiten das Rachengewólbe und die
vordere Wand des Keilbeins übersehen konnte. Letztere war bis
wenige mm unterhalb des Nasendaches hinauf von einem flach-
hóckerigen Tumor bedeckt, der, wie Sondenpalpation ergab, von
weicher, tonsillenartiger Konsistenz war und breitbasig aufsass.
Es bestand kein Zweifel, dass es sich um in die Nase entwickelte
Reste der Rachenmandel handelte. Die Entfernung gelang beiderseits
in einer Sitzung leicht, indem von unten her eine Schlinge um jeden
Tumor gelegt wurde, der in einem Stück abgetragen werden konnte.
Die Operation hatte den erwarteten Erfolg; der Patient konnte nach
9 Tagen mit gut durchgängiger Nase entlassen werden.
Die beiden entfernten Stücke sind fast genau gleich gross, von
1.8 cm Höhe, 1: cm Breite, 8 cm Dicke; Gewicht zusammen 1.2 g.
Schon makroskopisch lässt sich die follikuläre Struktur erkennen.
Die histologische Untersuchung ergibt den typischen Bau der
hypertrophischen Rachenmandel. Das Deckepithel ist ein hohes
Flimmerepithel, in mässigem Grade mit Rundzellen durchsetzt. Die
Substanz besteht grösstenteils aus wohlentwickelten Follikeln mit
schönem Keimzentrum, welche stellenweise auch konfluieren; reichlich
sind Drüsenausführgänge vertreten, deren eine Wand oft durch in ihr
entwickelte Follikel in das Lumen vorgewölbt wird. Zahlreiche kleine
Gefásse sind zu sehen, eine Art Hilus bildend.
Der mikroskopische Befund bestätigte also, dass es sich um
intranasal aberrierte Teile der Rachenmandel handelte.
Die beträchtliche Grösse derselben und ihre breite Anheftung an der
vorderen Sphenoidalwand scheinen mir diese kurze Mitteilung des
Falles zu rechtfertigen.
Die Nasenheilkunde des Altertums.
Von
Dr. med. Karl Kassel, Posen.
Einleitung.
Gelegentliche Notizen, welche ich mir im Laufe der Jahre beim
Studium der alten Meister ärztlicher Kunst machte, betrafen vor-
wiegend das Gebiet der Nasenheilkunde Sie wuchsen allmählich
zu stattlichem Umfange heran, aber es fehlte ihnen schliesslich
der innere Zusammenhang und, was mir noch wichtiger erschien,
sie gaben als Notizen kein rechtes Bild des Arztes selbst und seiner
Zeit, trotzdem doch gerade die alte Rhinologie kaum jemals ausser-
halb des innigsten Konnexes mit der Physiologie und Pathologie
des gesamten Körpers gestanden.
Das Ganze zu schaffen ward nun mein Streben, so dass ich
mich bemühte, in systematischer Reihenfolge die Quellen der ärzt-
lichen Wissenschaft zu studieren und hierbei so vollständig, als
es eben in meinen Kräften stand, die Lehren zu sammeln, welche
das Gebiet der Nasenheilkunde betrafen. Es ist klar, dass ich dabei
weite Strecken öden Brachlandes durchwandern musste. Aber auch
sie als Spiegelbilder ihrer Zeit entbehren kulturhistorisch nicht
immer eines gewissen Interesses. Andererseits fühlt man gerade
im Laufe des systematisch-chronologischen Studiums mit Bedauern
1) Die Geschichte der Nasenheilkunde wird in einzelnen Abschnitten inner-
halb von drei Jahren an dieser Stelle erscheinen. Das Altertum und das Mittel-
alter sind von Kassel-Posen, die Neuzeit von Imhofer-Prag bearbeitet. Das
Ganze erscheint darauf im Verlage der Zeitschrift als Buch.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. IIT, H. 3. 18
256 Karl Kassel. [2
den Verlust der ältesten Schriftdenkmäler als Grundlagen für die
spätere Entwickelung. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde ein
Teil von ihnen der forschenden Welt wiedergegeben. Durch sie
erhalten wir allmählich ein klareres Bild von dem langsamen Auf-
bau unserer Kunst bis zu dem Augenblicke, in welchem das Riesen-
werk des göttlichen Hippokrates fertig vor uns steht. Die Zauber-
sprüche der Ägypter, einige Krankheitsschilderungen der Babylonier,
die in ihrer Zeitbestimmung viel umstrittenen Werke Susrutas geben
uns eine Andeutung von der allmählichen Entstehung der humoralen
Lehren. Viel enger wird die Kette, wenn wir die Entwickelung
physiologischer Gesetze verfolgen. Die Kenntnis dieser Dinge, für
welche allerdings kulturhistorisches Interesse vorausgesetzt werden
muss, hilft uns über jene óden Wanderungen hinweg, zu denen
uns das Studium der Jahrhunderte nach Galen zwingt.
Wir begegnen da dickleibigen Bänden medizinischer Werke,
in denen nicht ein Funken origineller Geistesarbeit zu finden ist,
oft geistloser Abschreiberei ohne Nennung der Quellen, anderwärts
wieder recht geschickten Exzerpten aus alten Schriftstellern, wiederum
anderen, welche auf diesen fussen, dabei aber dem Alten manches
hinzufügen, was der Zeitgeist geboren. —
Dementsprechend wird die Rhinologie des Mittelalters mancherlei
Wiederholungen als lästigen Ballast mit sich bringen — auch der
medizinische Kulturhistoriker muss es sich gefallen lassen, nicht
immer Neuem und dadurch Interessantem zu begegnen. Wenn ich
nun auch in der Wiedergabe der alten Texte an manchen Stellen
Halt vor meiner Ungeduld und derjenigen des Lesers gemacht und
mich nach genauer Quellennotiz mit abgekürzter Inhaltswiedergabe
abfand, so wollte ich doch von meiner Absicht nicht abgehen, zu-
nächst alle mir zugänglich gewordenen rhinologischen Quellen zu-
sammenzufassen. Soweit mir bekannt ist, liegt eine derartige Samm-
lung noch nicht vor.
Es ist mir klar, dass das reichhaltige Material Anlass und
Stoff genug zu vielseitigen Ausblicken bietet. Diese sollen in diesem
Werke nur soweit berücksichtigt werden, als sie zur Darstellung
historischer Kontinuität dienen. —
Übersetzungen der alten Werke ins Deutsche existieren nur
in sehr beschränktem Masse. Soweit sie mir zur Verfügung standen
und von mir benützt wurden, sind sie in der ausführlichen Literatur-
angabe erwähnt. — Noch ein Wort über die im Interesse des ganzen
Werkes notwendig gewordene Arbeitsteilung.
Ursprünglich beabsichtigte ich, ausschliesslich die Nasenheil-
kunde des Altertums herauszugeben. Bei der Grenzbestimmung
3] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 257
zwischen diesem und dem Mittelalter stiess ich auf Schwierigkeiten,
welche mir nicht lösbar erschienen. Sollte ich das Jahr 476, in
welchem das weströmische Reich zu Grunde ging und welches als
die historische Grenze zwischen Altertum und Mittelalter angesehen
wird, auch als Teilgrenze für grosse Abschnitte der medizinischen
Entwickelungsgeschichte annehmen? War nicht vielmehr der Ein-
tritt des Christentums in die Weltgeschichte von einschneidendster
revolutionärer Bedeutung für sie, so dass hinter ihr jahrhundertelang
alle entwickelungsfördernden oder entwickelungshemmenden Momente
für die Medizingeschichte in den Hintergrund treten ? Selbst Galen,
aus dessen Werken das Arzttum bis spät in die Neuzeit hinein
geistig schöpfte, tritt hinter der Umwälzung der ärztlichen Wissen-
schaft durch das Christentum zurück.
Doch alle Zweifel zeitlicher Abgrenzung wurden durch das
Interesse des Studiums der Dekadenz überholt. So kam es, dass
meine Sammlung allmählich das grosse Gebiet des Mittelalters um-
fasste.
Jetzt wurde mir aber die Notwendigkeit der Arbeitsteilung
immer klarer. Ich fand in dem Kollegen Imhofer (Prag) den
Mitarbeiter, welcher seine auf dem Gebiete historischer Medizin be-
währte Kraft in dankenswerter Weise durch Bearbeitung der Nasen-
heilkunde der Neuzeit zur Verfügung stellte und die begonnene
Arbeit zu einem Ganzen abzurunden half.
Dr. med. Karl Kassel, Posen.
Ägypten — Assyrien — Babylonien.
Ägypten ist die Wiege aller ärztlichen Kunst. Die Papyri und
die Inschriften auf Steinmälern sind die Quellen, welche uns all-
mählich ihre Kenntnis vermitteln. Das reichhaltigste Material für
die Erforschung der Nasenheilkunde bietet der Papyrus Ebers. Ebers
selbst verlegt die Entstehung der Handschrift auf die Jahre 1553
bis 1550 v. Chr., während Joachim, der Übersetzer, für die Nieder-
schrift wohl diese Zeit annimmt, sie aber für ein medizinisches
Sammelwerk hält, das in seinen einzelnen Teilen mehr oder weniger
älteren Zeitepochen angehört. Eine Mischung von ärztlicher Beob-
achtung, Phantasie und Zauberei bilden den Grundzug des Ganzen.
Trotz der Beschäftigung der Ägypter mit den Leichen sehen
wir, dass ihre anatomischen Kenntnisse ganz geringfügig sind und
dass an ihre Stelle vielfach die Phantasie tritt.
18*
258 Karl Kassel. [4
Das Herz ist das Zentrum aller Gefásse. Von diesen sind
vier in den beiden Nasenlöchern, zwei geben Schleim und zwei
geben Blut. , Wenn der Hauch in die Nase geht, so dringt er
zum Herzen und zum Mastdarm hin; sie (die Gefásse) geben dem
Leib reichlich (davon). An späterer Stelle lesen wir von nur zwei
Gefässen, die zum Nasenloch gehen. Alle Gefässe der Nase, der
Ohren und Augen kommen vom Herzen und verteilen sich in der
Nase, um sich in den beiden Hinterbacken zu sammeln.
Von Krankheiten sind erwähnt die Verstopfung der Nase, eine
Geschwulst und der Schnupfen.
„Wenn du eine Person untersuchst, die das Leiden an ihren
ro-áb (Herzgrube, Herz-, Magengegend) hat, sie bricht oft und du
findest es (als etwas) Hervorragendes immer auf der Vorderseite,
seine beide Augen sind ermattet und seine Nase verstopft; sag
du zu ihr: „es ist Fäulnis seiner Exkremente; es geht nicht durch
seine Weichen ab als Exkremente von ihm. Mach ihm dafür (folgendes
Mittel) :
Weizenbrot, Absinth in besonders grossen Mengen; dazusetzen
ein kleines Gefáss voll mit Knoblauch nebst saatet (Gebrochenes ?),
dann mit Bier; fettes Ochsenfleisch vom Patienten zu essen und
mit Bier, das aus mehreren Ingredienzien gebraut ist, zu trinken,
um seine beiden Augen zu óffnen, seine Nase zu óffnen und Abgang
für die Exkremente zu schaffen." — Zu den Symptomen der Krank-
heit gehórte also Verstopfung der Nase, deren Lósung durch eine
Absonderung aus ihr erfolgt. —
Als Geschwulst in der Nase, xent in fent, ist eine Neubildung
erwähnt, die Ebers als Dakryozystitis erklärt.
Bei res (Schleim) der Nase wird die Öffnung (kann heissen der
Nase oder Mund) mit Dattelsaft gefüllt. Auch wird empfohlen,
Pfefferminz in Datteln zu reiben und auf die Nase zu tun.
Ein Mittel gegen Näa; dieses Wort übersetzt Brugsch mit
„schnaufen, verschnupft sein, Schnupfen“, während Joachim an Stink-
nase denkt. Es soll die Krankheit bezaubern: Spuck du Schleim
aus, Sohn des Schleimes! Fass die Knochen, berühre den Schädel,
bestreiche mit Talg, gieb dem Kranken 7 Öffnungen im Kopf, diene
dem Gott Ra, danke dem Gott Thoth. Denn ich brachte deine
Mittel für dich, deinen Trank für dich: Milch einer Frau, die
einen Knaben geboren hat und wohlriechendes Brot vertreiben, heilen
es. Noch einmal. Es trete hervor auf die Erde die Fäulnis, die
Fäulnis! Viermal. Zu sprechen über Milch einer Frau, die einen
Knaben geboren hat und wohlriechendes Brot; in die Nase tun.“
I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 259
ge
—
Ein Mittel, eine Geschwulst in der Nase zu vertreiben:
Collyrium 1, fauliges Holz 1, trockene Myrrhen 1, Honig 1. 4 Tage
damit salben. —
Der Papyrus des ägyptischen Museums Nr. 1558 stammt aus
dem 14. Jahrhundert v. Chr. In ihm finden wir eine für die
Atmungslehre interessante Stelle: „Es gehören zwei Adern zu seinem
linken Ohre, durch welche der Atem des Lebens (oder um zu leben)
geht, es gehören zwei Adern zu seinem rechten Ohre, durch welche
der Atem geht.“
Jüngeren Datums ist der grössere Berliner Papyrus. In ihm
begegnen wir folgenden Heilmitteln fiir die Nase: ,,Dattelwein, den
Mund damit füllen." , Ein anderes (Rezept), um zu vertreiben das
Niesen: Pfefferminze (eigentlich Nieskraut) anwenden mit Datteln,
auf die Nase zu tun." Den Schluss der Rezepte bildet eine Be-
sehwórung oder Besprechung gewisser Mittel, die gegen Stinknase
angewandt werden, námlich: Milch einer Frau, die einen Knaben
geboren hat und ,,wohlriechendes Brot“.
In dem ersten Traktat des Papyrus ,,Geheimbuch des Arztes“
erhalten wir Kenntnis vom Gange des Herzens. Das Herz als Zentrum
schickt Gänge zu allen Gliedern, im ganzen 48, davon 4 in die
Nasenlöcher. Von diesen geben 2 Schleim, 2 Blut (Papyr. Ebers:
2 Gänge nach dem Nasenloche). —
Nach dea Berichten Herodots sind die Kenntnisse der Ägypter
ın der Chirurgie sehr gering gewesen, trotzdem die komplizierte
Tätigkeit des Einbalsamierens von Leichen zu den Verrichtungen
der Ärzte gehörte Ein Teil der vornehmsten und teuersten Art
des Einbalsamierens bestand darin, dass man vermittels eines
krummen Eisens durch die Nase das Gehirn herauszog und in die
Höhle Gewürze und Spezereien schüttete. — Die Verbindung zwischen
Nase und Gehirn war den Ägyptern also bekannt.
Hierauf und auf, der stechenden Wirkung scharf riechender
Substanzen beruht wohl der alte ägyptische Glaube, dass die Nase
der Weg zum Sitze der Dämonen, dem Gehirn, ist. Daher wählten
sie auch diesen Weg, um durch scharf riechende Räuchermittel
die Dämonen zu vertreiben. Als solche wurden Schwefel, Asphalt,
Weinranken, Weinrebenholz, Majoran u. a. m. benützt. —
In bezug auf den Aussatz schreibt Iwan Bloch (Zeitschr.
f. Ethnologie 1899):
„Ägypten muss vorläufig als der älteste Aussatzherd auf der
ganzen Welt bezeichnet werden. Dies bezeugen schon übereinstimmend
die Schriftsteller des Altertums. Die ersten sicheren historischen
Nachrichten über die Existenz der Lepra in Ägypten weisen un-
260 Karl Kassel. [6
gefähr auf die Jahre 1550—1300 v. Chr. Der Papyrus Ebers wurde
um 1550 v. Chr. niedergeschrieben. Seinem Inhalte nach aber stammt
er aus viel älterer Zeit. In ihm haben Schenthamer und Joachim
unzweifelhafte Beschreibungen des Aussatzes nachgewiesen, so die
Schilderung der Lepra maculosa, der Lepra tuberculosa, des Haar-
ausfalls, der Hyperästhesien, der Kontagiositä. Auch die Lepra
mutilans wird erwähnt. Dem an Lepra erkrankten Gotte Chensu
fällt die Nase plötzlich ab, wie von unsichtbarem Schwerte ge-
troffen.... Dieses plötzliche Abfallen der Nase kann nur bei
Lepra vorkommen und ist schon von vielen kompetenten Beobachtern
geschildert worden.“ —
In der ägyptischen Heilkunde treffen wir schon Spuren der
Humoralpathologie. So berichtet das medizinische Keilschriftfragment
aus Niffer in Konstantinopel üfer die Lösung von Krankheiten durch
Ausscheidung schlechter Säfte, u. a. durch Niesen.
Der ägyptische Papyrus P 3027, Spalte II, 6—10, enthält
folgende von Erman übersetzte Beschwörung:
„Laufe aus, du Asiatin, die aus der Wüste kommt, du Negerin,
die aus der Fremde kommt. Bist du eine Dienerin? so komme
ein Erbrechen! Bist du eine Vornehme? so komme in seinem Harn!
Komme ein Niesen (?) seiner Nase! Komme ein Schweiss seiner
Glieder etc. etc.“
Ähnlich lautet eine babylonische Beschwörung (Nr. 583), welche
Scheil übersetzt hat, so dass eine Abhängigkeit der ägyptischen
Form von der babylonischen unverkennbar ist.
Schliesslich sei noch eine babylonische Beschreibung eines rätsel-
haften Krankheitsbildes wiedergegeben, in welchem die Verstopfung
der Nase als eines der Symptome erwähnt wird:
Kopfweh ist von der Unterwelt hinweggegangen, ausgehend
von dem Aufenthalt of Bel. Ein gewaltiger Hexen-Teufel keine
Ruhe gebend, noch gütigen Schlaf. Es ist die Krankheit von Nacht
und Tag, deren Kopf ist gleich einem Dämon, deren Gestalt ist
wie der Wirbelwind. Sein Aussehen ist wie der verdunkelte Himmel,
und sein Gesicht wie der tiefe Schatten des Waldes. Seine Hand
ist eine Schlinge, sein Fuss ist eine Falle (?)... Eine glühende
Muskel raiseth. Die Glieder sengend, die Beine erschütternd, den
Körper verwüstend. Eine Krankheit, welche die Glieder zerbricht
gleich einem eisernen Topf, die Muskeln untergrabend, die Nerven
entkräftend, den ganzen Menschen entkräftend gleich...... ?
Untergrabend d..... Die Nasenlöcher wie mit Pech verstopfend,
durch die Rippen sprengend wie ein Schlepptau, die Finger zer-
brechend wie ein Seil vom Winde. Es zerstört die Weichen gleich
1] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 261
einem Flussdamm, es sprengt die Brust entzwei gleich einem Stengel
des Hennabaumes, es zerquetscht die Seiten gleich einem alten
Schiff, es greift an den tapferbeherzten gleich kleinen . . . Es biegt
die Hohen gleich einem Schilfrohr nieder, es köpft den Mächtigen
gleich einem Ochsen. Ochsen zerschmetternd, es verschont nicht
die Herden, wilde Bullen zerschmetternd, es giebt ihnen keine Ruhe,
die Bergziege zerschmetternd so, dass sie nicht ihre Hörner behält. —
Für die Abhängigkeit der hippokratischen Chirurgie von der
assyrischen spricht ein assyrischer Brief (K 519) des Hofchirurgen
Aradnana Dieser schreibt an den König gelegentlich einer anderen
geschäftlichen Mitteilung: ,,Betreffs des Patienten mit den Blutungen
aus der Nase sagte der Rabmugi zu mir, dass gestern gegen Abend
eine Blutung auftrat. Der Verband des Patienten ist nämlich ein
chirurgischer Kunstfehler. Denn auf die Nasennüstern ist er be-
festigt, so dass sie die Atmung behindern und die Blutung dennoch
durch den Mund nach hinten erfolgen kann. Lasse doch die Nase
tamponieren, so wird der Luftdurchtritt ganz gehemmt und die
Blutung wird abgeschlossen. Wenn es vor dem König, meinem Herrn,
angenehm ist, so will ich morgen entsprechende Anweisungen geben.
Nun möchte ich Antwort, was daraufhin beschlossen wird.“ —
Die assyrischen Papyri K 8089, K 9072, K 10733, K 13388,
K 13831 besprechen die Dyspnöe als Folgen der Erkrankung von
Mund und Nase (von Öfele: Vorhippokr. Medizin Westasiens,
Ägyptens und der mediterranen Vorarier in Neuburger-Pagel,
Handbuch der Geschichte der Medizin, Bd. I).
Juden.
Ebensowenig wie wir heute schon in der Lage sind, aus den
Sammelwerken ägyptischer, babylonischer und assyrischer Überliefe-
rung für die einzelnen Epochen der Geschichte den jeweiligen Stand
der medizinischen Kenntnisse genau abzugrenzen, ebensowenig ge-
lingt uns dies mit Sicherheit bei der Bestimmung medizinischer
Kenntnisse im alten Judentum.
Darüber ist doch die Geschichtsforschung sich einig, dass das
alte Testament in seiner Entstehung kein einheitliches Werk ist.
Wenn es nun auch erst fernerer Zukunft vorbehalten bleibt, seine
einzelnen Teile genetisch zu bestimmen, so dürfen wir dies für
einige Teile doch schon heute mit ziemlicher Sicherheit tun.
So verlegt Kautzsch, der bedeutendste Forscher alttestament-
lich-historischen Schrifttums, die Schlussredaktion des Pentateuchs
auf die Zeit um 400 v. Chr. Wenn wir dieser Zahl das Geburts-
262 Karl Kassel. [8
jahr von Hippokrates, um 460 v. Chr., an die Seite stellen, so
ergeben sich gar manche interessante Vergleichspunkte für den
Kenner griechischer und jüdischer ärztlicher Wissenschaft.
Neben der hochstehenden, bis weit in die neue Zeit hinein
unerreichten hygienischen Volksgesetzgebung der Juden finden wir
im Gegensatz zur gleichzeitigen griechischen Medizin im alten Testa-
ment wenig nennenswerte medizinische Kenntnisse niedergelegt, was
allerdings bei der hervorragenden Bedeutung ihrer Träger, der
Priester, und ferner bei der historisch feststehenden Wechselwirkung
ägyptischer und jüdischer Kultur einigermassen auffallend ist.
Dem Glauben der Juden und Ägypter ist die Anschauung ge-
meinsam, dass die Nase der Weg ist, durch welchen der Lebens-
geist in den vorher seelenlosen Körper einzieht. „Gott bliess dem
Menschen den lebendigen Odem in die Nase“ (1. Mos. 2, 7). Die
Ägypter nahmen allerdings als zweiten Weg für den Lebensgeist
noch die Ohren an.
Salomo ermahnt, die Jugendzeit gut zu benützen und durch
moralische Lebensführung sich darauf vorzubereiten, dass die Ge-
brechen des Alters uns nicht unerträglich werden. Unter diesen will
der talmudische Erklärer in einer poetischen Schilderung der Ver-
finsterung der Sonne und des Lichtes die Verunstaltung der Stirn
und der Nase, die im Alter faltenreich und unansehnlich werden,
sehen. „Die Lippen und die Nasenflügel, als äusserste Organe des
Geschmackes und Geruches, werden hier die äusseren Türen ge-
nannt, welche diese beiden Sinne wegen der verminderten Ess- und
Geruchlust im Alter verschliessen.“
Wichtig ist eine Stelle (Sprüche 30, 30), welche sich auf die
Entstehung von Nasenbluten bezieht:
„Wenn man Milch stösst, so machet man Butter daraus; und
wer die Nase hart schneuzt, zwingt Blut heraus; und wer den
Zorn reizet, zwingt Hader heraus.“
Inder.
Es kann nicht Aufgabe dieses Buches sein, sich eingehend mit
der Streitfrage über das Alter und die Selbständigkeit der Werke
indischer Medizin zu beschäftigen. Die vielen Anklänge an die
hippokratische Medizin werden uns auch in dem Gebiete der Nasen-
heilkunde auf eine Wechselwirkung zwischen indischer und griechi-
scher Heilkunde hinweisen. Und gerade weil wir den Werdegang
einer einzelnen Disziplin kennen lernen wollen, ist es von Interesse,
das reichhaltige Material zu betrachten. Die indische ärztliche Kunst
9] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 263
finden wir noch innig mit dem religidsen Kultus verwachsen, dabei
aber in mancher Hinsicht einen die griechische Kunst überragenden
Hochstand. Allerdings fehlt ihr im Gegensatz zu der griechischen
Heilkunde völlig die Kenntnis anatomischer und physiologischer
Dinge.
Susrutas Werk stammt nach Pagel aus der brahminischen
Zeit, also aus der Zeit der Griindung des Buddhismus, etwa 550—500
v. Chr. Die Lehren Susrutas, soweit sie sich auf die Nasen-
heilkunde beziehen, gebe ich in der Reihenfolge seiner Schriften
wieder.
Wer Wohlgeriiche als unangenehme empfindet und diese als
Wohlgerüche oder wer überhaupt den Geruch verloren hat, der
ist nach dem Urteile des Arztes der fünf Lebensgeister beraubt.
Susrutas tritt der Ansicht vieler entgegen, dass Nerven,
Blutgefässe und Kanäle dasselbe seien und dass sich aus den Blut-
gefässen durch Umwandlung auch Nerven und Kanäle bilden. Da-
gegen schliesst er sich der alten Lehre an, dass 24 Nerven aus
dem Nabel entspringen, von denen 10 nach aufwärts, 10 nach ab-
wärts und 4 quer durch den Körper gehen. Zu den ersten gehört
auch der Geruchnerv. — Susrutas erklärt die irrige Auffassung
von jener Umwandlung damit, dass tatsächlich die Funktion der Ge-
fässe, Nerven und Kanäle einander so verwandt ist, dass, trotzdem
alle drei verschiedene Gebilde sind, sie doch in ihrer Zweckbestim-
mung einander gleichen. —
In der Pathologie finden wir eine innige Vermischung der
humoralen und der pneumatischen Lehren, wobei die Beobachtung
der Krisen und insbesondere der kritischen Entleerungen im Mittel-
punkte der klinischen Beobachtungen steht. Hierbei scheint mir
die geringe Schärfe der Deskription im Verhältnis zu dem auffallend
grossen Wissensumfange des indischen Arztes nicht dafür zu
sprechen, dass Susruta von Hippokrates abhängig gewesen. Viel-
mehr sprechen gerade die Berührungspunkte zwischen beiden in
(remeinschaft mit der präziseren Beobachtung und Darstellung bei
dem letzteren für eine höhere Entwickelung der griechischen Medizin
auf der Grundlage der indischen Kenntnisse.
Krankheiten, welche durch die Nase zum Durchbruch kommen.
Schnupfen, übler Geruch, Kochung der Nase, blutige und gallige
Erkrankung, eitrige und blutige Erkrankung, Niesen, Ausfluss, Ent-
zündung, Verstopfung, Ausfluss und Trockenheit — das sind 11
Krankheiten. Dazu kommen 4 Arten von Knoten, 4 von Anschwel-
lung, 7 schmerzlose Anschwellungen, 5 Katarrhe. Diese Krankheiten
204 Karl Kassel. [10
der Nase und zugleich ihre Heilung werden beschrieben, zusammen
31 Krankheiten der Nase.
Wenn die Nase verstopft ist, wenn es in ihr pocht, sie haufig
kocht oder auch, wenn sie austrocknet, wenn der Patient angenehme
Geriiche nicht wahrnimmt, dann stellt der Arzt Schnupfen fest.
Er soll sagen, dass dieses Leiden von der Luft und von der Feuchtig-
keit im Kórper herrührt und dass es mit dem Katarrh áhnliche Er-
scheinungen habe.
Wenn einem an der Stelle, wo Gaumen und Rachen zusammen-
stossen, die Luft durch verbrannte Säfte verdorben ist und aus
Nase und Mund übler Geruch sich entleert, diese Krankheit soll
der Arzt Stinknase bezeichnen. |
Tritt Galle in die Nase und erzeugt eine heftige Kochung Ge-
schwüre in ihr, dann soll man dieses Leiden das Kochen der Nase
nennen.
(Dieser Satz wird nun fast wortgetreu wiederholt mit dem Zu-
satz: wenn hierbei das Auge durch verdorbene Säfte gequält ist.)
Nun will ich 4 Arten von galligen Blutungen der Nase be-
schreiben, námlich 2 nach ihrem Ursprung und 2 nach dem Wege
verschieden.
Wenn die Sáfte aber verbrannt sind, ein Stoss gegen die Nase
in der Stirngegend erfolgt ist, dann kann Eiter mit Blut vermischt
sich aus der Nase ergiessen. Diese Krankheit soll man blutig-
eitrigen Ausfluss nennen.
Wenn die Geruchswahrnehmung gestört ist, wenn Luft aus der
Nase mit Flüssigkeit vermischt unter grossem Geräusch austritt,
diese Krankheit nennen die Gelehrten das Niesen.
Hat man scharfe Heilmittel verwendet oder hat man an stechen-
den Substanzen scharf gerochen, oder in die Sonne gesehen, oder
hat man die zarten Nasenknochen mit Fäden gequält, so entsteht
das Niesen. (Wir finden bei Susruta noch keine Differenzierung
der inneren Nasengebilde.)
Wenn sich aus der Nase dicke, scharfe, saure Flüssigkeit ent-
leert, die schon vorher im Kopfe sich angesammelt hatte, dann sagt
man, es liege ein Schnupfen vor, der durch Verbrennung von Galle
verursacht ist. Aus einer sehr heissen Nase kann sich Rauch ent-
leeren, welcher der Luft ähnlich ist; hierbei ist die Nase des
Patienten entzündet: man spricht von Entzündung der Nase.
Ist die Luft im Kopfe mit Flüssigkeit vermengt, ist ferner
diese auf ihrem Wege verdorben und hat sie keinen Abfluss, so
liegt eine Verstopfung der Nase vor.
11] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 265
Wenn die Nase immer durchgängig, die Absonderung wie Wasser
so klar ist, gleichsam eine wohldurchwärmte Flüssigkeit, besonders
nachts, dann soll der Arzt Nasenfluss feststellen.
Ist Flüssigkeit in die Nase getreten, dann aber durch Luft
und Galle sehr eingetrocknet, wenn dabei der Patient die Luft nur
mit Mühe nach aufwärts und hinten zieht, dann liegt Trockenheit
der Nase vor. Wenn die Säfte verdorben sind, jeder Saft für sich,
dann soll der Arzt blutige Knoten und Anschwellungen feststellen
oder auch eine gefühllose allgemeine Geschwulst (entstanden da-
durch, dass alle Säfte verdorben sind)....
Der Katarrh kann nach meiner Beschreibung ein sieben-
facher sein.
„Die Anschwellungen in der Nase sind bei der Beschreibung
der Geschwülste überhaupt erwähnt.“ Mit dieser Bemerkung wird
im Text auf Bd. 2, Kap. 23 hingewiesen. In ihm wird ausgeführt,
dass die Geschwülste durch Verderben der Luft, Galle und Flüssig-
keit, ferner der drei Körpersäfte zugleich im Körper, schliesslich
durch den Einfluss von Gift entstehen.
Behandlung der Nasenkrankheiten.
Bei Stinknase: Einsalbung, Schwitzen, Erbrechen, (für) Abfluss
(sorgen). Geeignete scharfe, mässige und leichte Nahrung. Warmes
Wasser, Einatmen von Dämpfen zur richtigen Zeit. — Teufelsdreck,
langer Pfeffer, schwarzer Pfeffer, trockener Zimt, Wrightea anti-
dysenterica, Celtis orientalis (Narde?), Lacca, Samen von Michelea
Campacea, Cayaphat, Morunga hyperanthera, arabische Angelina,
wohlriechender Pandanus und schwarze Beeren (einer tropischen
Stachel- oder Johannisbeerart), das sind die besten Mittel. In ganz
schlimmen Fällen nimmt man noch dazu Galedupa arborea. Diese
Medikamente werden mit zwei Teilen Senföl gemischt, dazu wird
Urin gegossen, das Ganze wird von einem erfahrenen Arzte gekacht
und in die Nase gebracht.
Bei Kochung der Nase werden innerlich und äusserlich die
Mittel verwendet, welche sich auf die Galle beziehen: Aderlass und
Feigenschalen werden zusammengepresst und aufgelegt, ferner werden
Pulver (aspersiones) und Salben verwendet.
Ich will jetzt zuletzt die Behandlung der blutigen und galligen
Erkrankung besprechen. Eiter und Blut behandelt man mit Röhr-
chen (Medikamente, welche durch Kanülen in die Nase gebracht
werden). Dann verwendet man Brechmittel und sogleich scharfen
Rauch für die Nase und damit Reinigung derselben.
266 Karl Kassel. (12
Bei Niesen und Schnupfen blase man mit einem Röhrchen
Pulver in die Nase, welche den Kopf reinigen. Man verwende
Dämpfe für den Kopf, welche die Krankheiten der Luft beseitigen,
angenehme Dämpfe und sonstiges Heilsames.
Bei Entzündung muss «nan die Galle bekämpfen und zwar mit
angenehmen und abkühlenden Mitteln.
Bei Verstopfung der Nase trinke man Öl, verwende man Wohl-
gerüche. Einwickelungen des Kopfes sind sehr gut. Das Öl der
Pavonia odorata ist irgendwie zu verwenden und was sonst gut
ist bei Erkrankung der Luft.
Bei Nasenfluss sorge man durch Pulver, welche mittelst Röhr-
chen eingeblasen werden, für den Geruch und zwar durch zusammen-
ziehende und scharfe. Ferner sollen die Ärzte scharfen Rauch aus
indischer Fichte und rotem Zucker, sowie Fleisch und helle Butter
empfehlen.
Bei Trockenheit der Nase ist Butter das beste Mittel; sie wird
mit orientalischem Sesamöl vermengt und mit einem Naseninstrument
eingeführt. Flüssige Butter zum Trinken. Fleischnahrung. Salbungen,
Schwitzen, fette Dämpfe zum Einatmen.
Behandlung des Katarrhs.
Als Ursachen des Katarrhs gelten: Beischlaf, Kopfschmerz,
Rauch, Staub, Kälte, grosse Hitze, Harn- und Stuhlverhaltung.
Wenn Säfte, Luft und Blut, jedes für sich oder auch alle zu-
sammen im Kopfe sich anstauen, wenn die Säfte irgendwie krank-
haft verändert sind, so erzeugen sie Katarrh.
Schwere des Kopfes, Niesen, Unbehaglichkeit in den Gliedern,
Schauer und andere Erscheinungen gehen dem Ausbruch des Katarrhs
voran.
Verengung und Verschluss der Nase, dünner Ausfluss, Trocken-
heit des Rachens, Gaumens und der Lippen, Pochen in den Schläfen,
Atembeschwerden können beim Katarrh infolge der (erkrankten) Luft
eintreten.
Warmer, gelber Ausfluss aus der Nase tritt bei galligem Katarrh
ein. Der Patient kann abmagern, er wird blass, fühlt sich sehr
krank, leidet an Durst. Ein solcher speit gleichsam Rauch und
Feuer (ist sehr heiss).
Der wässrige Ausfluss beim wässrigen Katarrh kann hell und
gleichzeitig kalt sein. Der Patient ist gewöhnlich blass, hat ge-
schwollene Augen, schweren Kopf und ernstes Gesicht. Oft tritt
am Kopf, in der Kehle, an den Lippen und am Gaumen ein heftiges
Jucken ein, wenn der Katarrh plötzlich einsetzt. Der reife und
13] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 267
der unreife Katarrh können alle möglichen Erscheinungen zeigen.
Bei demjenigen Katarrh, bei welchem alle Säfte verdorben sind, sind
die Symptome aller Arten von Schnupfen vorhanden. Wenn das
Blut den Katarrh erzeugt, so tritt Nasenbluten ein. Die Augen
sind kupferfarben, der Patient hat Beschwerden in der Brust. Es
tritt übler Geruch und schwere Atmung ein. Der Kranke nimmt
keinen Geruch wahr und er wird geistig matt. Hierbei bilden sich
kleine weisse und schwarze Würmer. Das Krankheitsbild ähnelt
dem bei der Wurmkrankheit und der Erkrankung des Gehirns.
Die Nase wird abwechselnd nass und trocken; bald ist sie ver-
stopft, bald offen. Beim Einatmen und Ausatmen ist übler Ge-
ruch vorhanden. Der Kranke riecht nichts. So kann auch der bös-
artige Katarrh entstehen. Dieser ist schwer heilbar. Alle diese
Katarrhe aber sind unheilbar.
Zuweilen entstehen aus dem bösartigen Katarrh andere Krank-
heiten: Verwirrung, Blindheit, Verlust des Geruchs, schreckliche
Augenleiden, Husten, Entzündung, Abzehrung und Anschwellungen.
Ist ein frischer Katarrh vertrieben, so soll der Arzt die übrigen
Symptome durch Trinkenlassen von flüssiger Butter, verschiedene
Dämpfe, Brechmittel, welche zeitgemäss sind und zusammenziehen,
bekämpfen. Denn es ist heilsam, unreife Katarrhe durch Schwitzen
zum Reifen zu bringen; scharfe Nahrung aber ist ungesund. Sehr
dienlich ist auch Milch und eine Abkochung von Ammon, Ingwer
und Zuckerrohr. Wenn beim reifen Katarrh sich dicke Flüssigkeit
aus dem Kopfe entleert, so soll man Mittel anwenden, welche die
Entleerung befördern, Rauch einziehen lassen und Latwergen reichen,
welche die verdorbenen Säfte beseitigen. Das Lager darf den Winden
nicht ausgesetzt sein, ebensowenig soll man im Winde sitzen und
gchen. Die Kleidung sei schwer und warm. Man reiche scharfe
Abführmittel, dämpfe den Kopf, gebe kräftige Nahrung aus Fleisch
und Hanf. Der Patient vermeide Frauen, sehr kalte Bäder, Nach-
denken, sehr scharfe Speisen, Stuhlverstopfung, Trauer und jungen
Wein.
Ist der Kranke von Schlaffheit in den Gliedern, Fieber und
Schwere (im Kopfe) geplagt, fehlt der Appetit, besteht zornige Auf-
regung und Diarrhöe, so soll der Arzt mit schmaler Diät und Heil-
mitteln, welche zerteilen und erwärmen, behandeln.
Junge Patienten, welche durch häufige Kochungen Schnupfen
bekommen haben, soll man von der (kranken) Luft und Feuchtig-
keit durch Brechmittel befreien. Wenn man erkannt hat, dass der
Fall leicht liegt, so soll man durch geeignete Medikamente und
Diät die Symptome bekämpfen.
268 Karl Kassel. [14
Bei Katarrh, welcher von (kranker) Luft entstanden ist, trinke
man flüssige Butter, welcher fünf Arten Salz zugesetzt sind. Für die
Nase soll man diejenigen Medikamente anwenden, welche man bei
halbseitiger Lähmung gebraucht.
Bei Katarrhen, die von Galle und Blut entstanden sind, gibt
man flüssige Butter mit Heilkräutern zu trinken. Einpulverungen
und Salbungen, welche abkühlen. Fichtenharz und Harz der Shorea
robusta, rotes Sandelholz, italienischer Buchweizen, Honig und Zucker
mit Weintrauben, Aloe, Goji, Erdstachelnuss und geschältes Süss-
holz. Entleerungs- und Abführmittel mit Syrup.
Aus der Schale des Mauerkrauts, drei Salbeneicheln, schwarzen
Turgetsblüten, Alaunbaum, geschültem Süssholz, Erdstachelnuss und
Indigofarbstrauch und Milch koche man ein Öl. Dies ist zu rechter
Zeit bei blutigem und galligem Katarrh ein gutes Heilmittel.
Wenn der Schnupfen von der Feuchtigkeit entstanden und ge-
lockert ist, dann reibe man helle Butter ein, verordne orientalisches
Sesam mit türkischer Bohne als Brechmittel. Dann wende man die
Heilmittel gegen den Fluss an.
Die beiden stark wirkenden Nachtschattenarten, schwarze Beeren
(einer tropischen Stachel- oder Johannisbeerart), langblättriger
Ruellia, Svetamula, weisser Barleria, Tragant und Kröten werden
zusammengebracht. Hieraus koche man ein Öl zur Behandlung der
Nase.
Aus langblättriger Kiefer, Achyrante aspera, indischer Fichte,
bläulicher Euphorbie und indischer Myrobalane mache man Kügel-
chen zum Räuchern.
Stechende und bittere Butter, scharfer Rauch, stechende Medi-
kamente können jeden Katarrh beseitigen, welcher von einer Reizung
herrührt.
Ein Öl, gekocht aus Gelbwurzel und rundem Cyperngras sowie
indischer Kiefer ist ein gutes Nasenmittel.
Rundes Binsengras, Pothum officinalem, Cysampelum hexandram,
Cayaphal, scharfe Rinden, Senf, Pfeffer, Bergsalz, Haselnuss, blaues
Vitriol, Galedupae arboreae semen, Meersalz und indische Fichte
nelıme man und bereite daraus durch Aufguss Latwerge.
Zur Reinigung des Kopfes dient ein aus diesen Mitteln ge-
kochtes Öl.
Man koche Milch, zur Hälfte mit Wasser vermischt, mit dem
Fleische vom Hirsch und von Vögeln, mit Blumen und mit Wasser-
kräutern, welche (erkrankte) Luft vertreiben. Die Mischung lasse
man kalt werden und bereite sorgfältig mit Milch eine Butter aus
dem Ganzen. Dann setze man Benzoegummi, weissen Zucker, Dattel-
15] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 269
fleisch, geschältes Süssholz und myrtenfórmigen Beifuss zu und koche
von neuem. Das ist eine aus zwei Mal Milch zubereitete Butter.
Als Nasenmittel angewandt, ist sie ein treffliches Mittel gegen
Katarrhe.
Zur Behandlung verdorbener Säfte soll der Arzt sorgfältig ein
geeignetes Öl zubereiten.
Bezüglich der Nasenerkrankungen, welche im Urin und in der
Galle ihren Grund haben, soll ein erfahrener Arzt Wurmmittel ver-
wenden, nämlich anthelminthica zur Vertreibung der Würmer.
Über die Heilmittel für die Nase.
Heilkraut oder ein aus Heilkraut bereitetes Öl. Dieses Nasen-
mittel wirkt in doppelter Weise: es ist ein Reinigungsmittel für
den Kopf und dient zum Einsalben. Diese beiden wiederum haben
eine fünffache Wirkung: für die Nase, sie reinigen den Kopf, er-
regen Niesen, wirken gegen die Spannung und schlechte Luft. Da-
her hat die nasale Verwendung eine fünffache Kraft.
Da nun dieses Öl, in den Hohlräumen des Kopfes angewendet,
den Nacken, die Schultern und die Brust kräftigt, dabei auch die
Augen stärkt, spricht man hiervon hauptsächlich als von einem
Nasenmittel.
Dieses Nasenmittel ist aber zu gebrauchen: wenn der Kopf
durch Luft voll und gedrückt ist, bei Ausfall der Zähne, des Haupt-
haars und des Bartes, bei starkem Ohrschmerz, bei Ohrklingen,
bei Erblindung, bei Heiserkeit, bei Nasenleiden, bei Trockenheit des
Mundes, bei Speichelfluss, bei zeitweiligem Fluss, wenn die Haare
grau werden, bei schwerer Schlaflosigkeit, bei Erkrankungen des
Mundes, die von der Luft und von der Galle herkommen u. a. m.
Man muss dabei nämlich ein Öl gebrauchen, welches aus solchen
Substanzen bereitet ist, durch welche Luft und Galle beseitigt werden.
Das Nasenmittel ist zur Reinigung des Kopfes zu reichen, wenn
der Gaumen vom Fluss voll ist, bei Erkrankungen der Kehle und
des Kopfes, bei Hunger, Schwere und Schmerz des Kopfes, Schnupfen,
Gaumenspalte, bei Würmern, Katarrh, Epilepsie, schlechtem Geruch.
Man nimmt hierbei reinigende Mittel oder ein aus ihnen bereitetes
Öl. Dieses doppelt wirksame Mittel ist nüchtern zur Zeit der Haupt-
mahlzeit zu reichen; den am Fluss Leidenden vormittags, den an
der Galle Leidenden mittags, den an der Luft Leidenden nach-
mittags.
Zunächst soll der Kopf des Kranken gereinigt werden, darauf
dessen Mund und Nase durch ein Mittel, welches die Zähne be-.
trifft und durch Rauch. Dann bringt man Hals, Wangen und Stirn
zum Schwitzen und reibt sie. Der Kranke hält sich im Hause auf,
270 Karl Kassel. (16
dem Luftzug, dem Sonnenbrand und Staub nicht ausgesetzt. Er
wird hochgelagert, hält Hände und Beine gestreckt, den Kopf etwas
gesenkt, die Augen sind mit einem Tuch bedeckt. Nun hebt man
die Nasenspitze etwas mit der Spitze des linken Zeigefingers. In
die vorher gereinigte Nase soll dann der Arzt mit der rechten Hand
mässig warmes Öl, das in einem silbernen, goldenen, kupfernen oder
irdenen Gefäss oder einer Muschel aufbewahrt war, mittelst einer
Muschel oder einem mit Wolle umwickelten Stabe langsam, hinter-
einander tropfenweise so eingiessen, dass nichts davon in die Augen
kommt.
Während das Öl einfliesst, soll der Patient nicht den Kopf
bewegen, nicht zornig werden, nicht sprechen, nicht niesen, nicht
lachen. Hierdurch wird nämlich das Öl ausgetrieben und es kann
nicht in die Tiefe der Nase dringen. Ausserdem entstehen infolge-
dessen Husten, Katarrh, Kopf- und Augenleiden.
Was die Menge des Öls betrifft, so giesse man zunächst acht
Tropfen ein und zwar so, dass sie von den beiden vorderen Gliedern
des Zeigefingers aus hinabtráufeln. Beim zweiten Male fülle man
eine Muschel, beim dritten Male eine Muschel von der Grösse einer
Hohlhand. Diese drei Quantitäten bemesse man je nach den Kräften
des Kranken. Das Nasenöl darf man keineswegs verschlucken.
Ist der Rachen trocken, so dass das Nasenöl aus dem Munde
austritt, so soll der Patient aus Besorgnis vor (einem dadurch ent-
stehenden) Fluss das Öl ausspeien und nicht bei sich behalten.
Nach dem Eingiessen des Öls soll der Arzt den Hals, die
Wangen usw. schwitzen lassen, Rauch einziehen lassen, eine Brühe
dem Patienten zum Trinken geben, darauf ihm die heilige Ein-
richtung lehren. Dann soll der Kranke Staub, Rauch, Öl, Sonnen-
brand, Wein, Bewegung, Trank, Waschen des Kopfes, Zorn usw.
vermeiden.
Die Zeichen dafür, dass das Nasenöl gut gewirkt hat, sind
folgende:
Der Kopf ist leicht, der Schlaf und das Erwachen sind an-
genehm, die Krankheitserscheinungen hören auf, die Sinne sind klar,
der Geist ist wieder heiter.
Starker Fluss, Kopfschwere und Erregtheit sind Zeichen dafür,
dass zuviel Öl eingegossen wurde. .....
Bei Unwirksamkeit ist die Beschaffenheit der Sinne eine
schlechte, die Krankheit ist heftig und unheilbar. Der Arzt soll
noch einmal ein geeignetes Nasenmittel versuchen.
Er soll 4, 6 oder auch 8 Tropfen je nach den Kräften zur
Reinigung des Kopfes bestimmen.
17] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 271
Gelehrte Arzte, welche in der heiligen Wissenschaft bewandert
sind, haben drei besondere Zeichen festgestellt fiir Anwendung des
Ols: dass es richtig oder nicht genug oder zu sehr reinigend wirkt.
Jucken, sehr starker Fluss, Schwere in den Sinnesorganen, Zu-
sammenstrómen des Kopfes deuten auf zu geringe Reinigung.
Erregung, Zunahme der Luft (im Kopfe?), Aufregung der Sinne,
Leere des Kopfes deuten auf zu starke Reinigung.
Ist der Kopf zu wenig oder zu stark gereinigt, so muss der
Arzt Mittel verwenden, welche den Fluss und die Luft vernichten.
Wenn der Kopf richtig gereinigt ist, soll man flüssige Nasen-
butter eingiessen. |
Der behandelnde Arzt soll nach einem, zwei oder sieben Tagen
oder dann wieder nach einundzwanzig Tagen oder je nachdem er
es für richtig hält, dem mit Luft allzuvollen Patienten, auch zwei-
mal das Nasenmittel eingiessen.
Das zerteilende Nasenmittel soll der behandelnde Arzt zur
Reinigung des Kopfes denen geben, die an Schnupfen oder Schlangen-
biss leiden. Er soll nàmlich ein Mittel zur Reinigung des Kopfes
zerdrücken und zerreiben und als Pulver denen in die Nase blasen,
welche an Irresein oder Würmern leiden oder vergiftet sind. Heil-
zucker oder roher Zucker oder flüssige Butter oder Fleischbrühe
ist für gallige Patienten gut, die durch Nasenbluten abgemagert
sind.
Mageren, schwachen, furchtsamen und zarten Männern und
Frauen sind nach Reinigung des Kopfes ölige Beruhigungsmittel gut.
Das Nasenmittel soll man nicht geben gesättigten und nüchternen
Patienten, sehr jungen, katarrhalischen, schwangeren Frauen, die
Öl, Wasser oder Wein getrunken, die Nahrung noch nicht ver-
daut haben, ein Klystier bekommen haben, zornig, krank, durstig,
traurig, müde, jung, sehr alt, verstopft sind und danach sich sehnen,
den Kopf zu waschen. In der trüben Jahreszeit soll man kein
Nasenmittel anwenden und den Rauch vermeiden.
Aus zu grosser oder zu kleiner Menge, aus zu kalter, zu warmer
und zu plötzlicher Anwendung, wenn der Kopf zu sehr hängt, wenn
der Patient durch die Nase aufzieht, wackelt oder schluckt, und
wenn das Mittel ohne Grund gebraucht wird, dann entstehen Be-
schwerden, z. B. Durst, Erbrechen usw., die dafür sprechen, dass
die Säfte verdorben sind oder zu verderben beginnen. —
Die üblen Folgen des Nasenmittels und der Kopfreinigung sind
die erwähnten zweifachen. Sie sind gewöhnlich aus der Verände-
rung und den Beschwerden seitens der Säfte zu erkennen. Der
Arzt bekämpfe die Beschwerden mit Erfolg durch Beruhigungs- und
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. 111. H. & 19
272 Karl Kassel. [18
Reinigungsmittel. Die Folgen der krankhaften Veränderung aber be-
seitigt er insbesondere durch ein nährendes Medikament.
Niesemittel muss man in vierzehn Fällen nehmen: wenn man
vom Ruhebett aufsteht, wackelnde Zähne hat, aus dem Hause geht,
von Arbeit, Beischlaf und Reisen ermüdet ist, nach Ufin- und Stuhl-
entleerung, Mundspülen, nach Gebrauch von Augensalbe, nach Fasten,
Erbrechen, wenn man nach langem Schlaf aufsteht und abends.
Das Niesemittel, nach dem Aufstehen genommen, zerteilt den
während der Nacht angesammelten Schleim, der in die Nase sich
ergossen hat und beruhigt den Geist. Wackelnde Zähne macht es
fest und dabei macht es den Mund wohlriechend. Nimmt man es
beim Ausgehen aus dem Hause, dann reizt es den Nasengang so,
dass Staub und Rauch ihn nicht schädigen. Dem durch Arbeit
und Beischlaf Ermüdeten verscheucht es die Abspannung. Nach
Harn- und Stuhlentleerung angewendet, beseitigt es die Schwere
der Augen. Nach Salben der Augen und Mundspülen angewendet,
ist. es den Augen dienlich. Nach Fasten reinigt es die Sinnesorgane
und gibt dem Menschen ein leichtes Gefühl. Dem durch Erbrechen
Erschöpften gibt es dadurch, dass der in den Sinnesorganen haftende
Schleim losgerissen wird, Appetit. Dem nach langem Schlafe Auf-
gewachten verscheucht es die Müdigkeit und Schwere, es beseitigt
die Säfte und macht den Geist scharf. Abends angewandt lässt
es gut schlafen und gut aufwachen.
Der Arzt soll die Wirkung des Nasenmittels kennen lernen,
wenn man nur wenig von dem Öl durch die Nase in den Mund
zieht. Es dämpft alle die Krankheiten, welche oberhalb der Schlüssel-
beine entstehen und vermag die Sinnesorgane zu reinigen und den
Mund wohlriechend zu machen!). Es kräftigt Kiefer, Zähne, Kopf,
Nacken. Schulterblätter, Arme und Brust. Dabei bilden sich nicht
Säfte, graue Haare, Haarausfall und schwarze Gesichtsflecken.
Orientalisches Sesamöl sei das Universalmittel bei (erkrankten)
Säften und Luft. Bei letzterer gebe der Arzt auch Fett; flüssige
Butter stets bei Galle; Mark auch bei Luft. Auch das vierfache
Öl ist empfehlenswert. Bei Verstopfung am Sitze der Säfte ist,
wenn jene Symptome eintreten, das orientalische Sesamöl gut.
In dem Buche von den Gegengiften spricht Susrutas von
den verschiedenen Arten und Gelegenheiten der Vergiftung: ver-
giftete Waffen im Kriege, übelwollende, schöne und rachsüchtige
Frauen, Zauberinnen, welche dem Manne schnell wirkendes Gift nach
Geschlechtsverkehr beibringen. Neben anderen Sympomen wird der
1) Hippokrates reicht gegen schlechten Geschmack im Munde Niesemittel !
19] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 273
Verlust des Geruchs erwähnt. Ein Gift, das die Zähne zerstört
und auf dem Wege durch die Zähne in den Körper eindringt, zer-
stort den oberen Teil der Nase. —
Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, dass wir hier an syphi-
litische Infektion zu denken haben. —
Die Ursache der Lepra findet Susrutas in falscher Lebens-
weise. Wer ungesunde, unverdauliche Nahrung zu sich nimmt, wer
viel Fett und Galle in sich hat, wer erbricht, die abspannenden
Lebensgewohnheiten der Schlemmer pflegt, Schweine- und Rinder-
fleisch oder Milch in grosser Menge zu sich nimmt usw., dessen
Säfte verderben und es kommen am ganzen Körper runde Flecken
zum Vorschein. Im Verlaufe der Krankheit kommt es unter dem
Einflusse der Galle zur Zerstörung der Nase. Auch können übler
Geruch und eitrige Absonderung eintreten.
Bei Susruta findet sich eine Beschreibung des plastischen Er-
satzes der Nase, Ohren und Lippe, eine Erfindung, zu der wahr-
scheinlich die in Indien sehr gebräuchliche Strafe des Abschneidens
der genannten Teile Veranlassung gab. Die Stelle lautet in der
Übersetzung von Haeser:
„Nun will ich die Wiederherstellung der getrennten Nase ge-
nau erklären. Der Arzt nimmt ein Pflanzenblatt von der Grösse
der Nase und schneidet nach der Grösse des daraufgelegten (Blattes ?)
aus der Seite der Wange heraus; dann ritzt er den festen vorderen
Teil der Nase ein und vereinigt schnell mit gutem Verbande, sorg-
fältig. Nachdem er dann das richtig Angesetzte mit zwei Röhren
(Rohrstengeln ?) genau prüfend verbunden und (die Nase) aufge-
richtet hat, überzieht er sie mit Salbe von rotem Sandel- und Süss-
holz, und nachdem er sie mit weisser Baumwolle bedeckt, befeuchtet
er sie wiederholt mit Öl von Sesam. Wenn der Mann gute Ver-
dauung gehabt hat, gibt man ihm zerlassene Butter zu trinken;
einen Korpulenten lässt man nach Vorschrift purgieren. Wenn es
geheilt und zur Vereinigung gelangt ist, schneidet man das, was
über das Genügende hinausgeht, wieder ab; eine zu kleine (Nase)
bemüht man sich, wieder grósser zu machen, und eine solche, deren
Fleisch zu stark gewachsen ist, macht man gleichmässig. — — —
Wer da weiss, dass die Herstellung der Lippe ebenso ist, wie die
der Nase, mit Ausnahme der Anwendung der Röhren, der kann
sie an einem Könige vollziehen.“
Eine Zeitbestimmung für die Anwendung dieser Plastik ist nicht
möglich. Der Abschnitt Susrutas von den plastischen Operationen
wird in einer Berliner Handschrift als unechter Zusatz bezeichnet.
19*
274 Karl Kassel. [20
Die Methode war Celsus nicht bekannt; die von diesem beschriebene
kommt nur bei geringen Defekten in Betracht.
Bei Bruch und Quetschung der Nase soll der Arzt diese
zunächst mit Hilfe eines Stabes (sagitta) gerade stellen. Dann führe
er in jede Nasenhöhle eine auf beiden Seiten offene Röhre, um-
wickle die Nase mit einer Binde und verwende flüssige Butter.
(Aspersiones, das kann wegen der Bedeckung der Nase mit einer
Binde doch nur heissen, die Butter wird in die Nase gegossen.)
Es darf als feststehend betrachtet werden, dass den indischen
Ärzten schon der Lupus, die Lepra und Syphilis mit ihren kon-
sekutiven Nasenzerstörungen bekannt waren. Mit deutlicher Sicher-
heit spricht das Kapitel über die Hämorrhoiden für die Bekannt-
schaft mit der Syphilis. „Kranke Säfte greifen den Penis an, er-
zeugen durch krankhafte Veränderung des Fleisches und des Blutes
Jucken (Pruritus). Hierdurch entsteht ein Geschwür. Auf ihm
wachsen Fleischwarzen, welche eitriges Blut absondern. Diese zer-
fressen den Penis. Ausserdem erzeugen sie auch am Ohr, an den
Augen und der Nase Hämorrhoiden. Hierbei entstehen Katarrhe
in der Nase, wobei die Atmung schmerzhaft ist, die Nase übel
riecht und die Sprache nasal wird.“
Dieser kurze Einblick in die alte indische Medizin zeigt uns
zwar nicht die imposante hippokratische Darstellungsweise, dabei
aber doch einen teilweise bedeutend höheren Stand der Medizin als
derjenige war, den wir in der Glanzperiode der griechischen und
römischen ärztlichen Kunst kennen lernen werden. Bei den Indern
liegt die Quelle für diese.
Sicher einer alten Periode der indischen Geschichte, nämlich
der Vedischen Literatur (etwa 1500—500 v. Chr.) gehört das Ge-
setzbuch Yäjnavalkyas an. Dieser selbst ist der Schöpfer des ortho-
doxen Brahmanentums des Ostens von Indien. — Ihm sind folgende
Notizen entnommen:
Aus der Schöpfungsgeschichte: Von der Erde bekommt der
Mensch (Fötus, Geist) im dritten Monat Duft und Geruch, Schwere
und Form; dann bewegt er sich. Der Nasenknochen wird als ein-
heitliches festes Gebilde beschrieben.
Geruch, Gestalt, Geschmack, Gefühl und Laut werden als Gegen-
stände der Sinne genannt. Nase, Augen, Zunge, Haut und Ohr
aber sind die Werkzeuge der Wahrnehmung. — An anderen Stellen:
Heiliges Wasser, aus einem See geschöpft, wird als Mittel zur
ewigen Vertilgung aller Leiden am Haupte gepriesen.
Einer Frau, welche einen Mord begangen, durch Gift oder Feuer,
oder an ihrem Manne, Guru oder Kinde, soll zunächst Ohren, Hand,
21] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 215
Nase und Lippen abgeschnitten werden. Dann soll sie durch Stiere
getötet werden.
„Wer verläumdet hat, bekommt eine stinkende Nase...... ein
Ankläger wird einen stinkenden Mund haben.“
Übersicht über die Entwickelung der griechischen und
römischen Philosophie und Medizin’).
Heraclitus von Ephesus, etwa 535—475, begründet die
Lehre von Antagonismus.
Alles ist aus dem Feuer entstanden und wird wieder zu Feuer.
In allen Dingen sind entgegengesetzte, einander entgegenwirkende
Prinzipien — Krieg und Uneinigkeit ist der Ursprung aller Dinge.
Die Erde zerschmilzt, so entsteht das Wasser. Aus diesem wird
durch Verdunstung Feuer.
Die Lehre Hippocrates von Cos, geb. um 460, hat viele
Ähnlichkeit mit der des Heraklit. Die bisher herrschende. Empirie
verwarf er und begründete die auf Semiotik sich stützende Klinik.
Die Natur heilt die Krankheiten. Ausleerungen, Atmung, Puls,
Hautfarbe, Verhalten des Patienten usf. lassen die Art der Krank-
heiten erkennen. — Sie entstehen durch Veränderung in der Zusammen-
setzung und Menge der Körpersäfte, welche erst in Kochung geraten
müssen, bevor ihre Ausscheidung erfolgt. Diese kritische Erscheinung
bedarf einer gewissen Zeit, ist also im Beginne der Krankheit nicht
möglich. Deshalb vermied Hippokrates therapeutisch alles, was
den Eintritt der Krise beschleunigen könnte. In fieberhaften Krank-
heiten sind der 4., 7., 11., 14., 17. und 20. Tag von der wichtigsten
kritischen Bedeutung. Durch diese Beobachtung wurde Hippo-
krates der Schöpfer der Prognose. In der Therapie spielte die
Diätetik die Hauptrolle. Sie berücksichtigte jede kleinste Erschei-
nung am Kranken, baute also die Forderung nach Individualisierung
weitestgehend aus. — Seine anatomischen Kenntnisse waren gering.
Er schöpfte sie wahrscheinlich aus Zergliederungen von Tieren. Als
Quellen der paarigen Blutgefässe sah er Nacken, Kopf, Schläfen,
Stirn und Augen an, während Milz, Leber und Genitalien ihre
Endorgane sind. — Venen und Arterien unterschied er nicht. Das
Wesen von Nerven, Sehnen und Bändern war ihm unbekannt. —
Die Grundstoffe des Körpers sind Blut, Schleim, gelbe und schwarze
Galle. Auf ihrem qualitativen und quantitativen Verhältnisse beruht
seine humorale Lehre.
1) Ich hielt es für angebracht, für denjenigen Teil der Leser, welche in der
Geschichte der Medizin nicht ganz bewandert sind, diese Übersicht einzuschalten.
276 Karl Kassel. |22
Nach dem Tode des Hippokrates ging die griechische
Freiheit zugrunde. Die Wissenschaft fand einen neuen Boden in
Alexandrien und in Rom.
Trennung der Arzneiwissenschaft in drei Teile: die diätetische,
chirurgische und pharmazeutische.
Die pharmazeutische Wissenschaft teilte sich in zwei Seiten:
die dogmatische: Vorausbedingung für ärztliche Tätigkeit
sind physiologische Kenntnisse und Erforschung der Ursachen der
Krankheit: |
die empirische: nur die hervorstechenden Ursachen sind
von Bedeutung; das Wichtigste ist die Erfahrung. Der Skeptizismus
ist von grösstem Einfluss.
Asklepiades aus Prusium in Bithynien, um 100 v. Chr.
Er trug, trotzdem er nicht frei war von Charlatanismus, viel dazu
bei, das Ansehen der in Rom wirkenden griechischen Ärzte zu
heben. Er versuchte einen Ausgleich und lehrte: das richtige Ver-
hältnis der Gefässweite zu ihrem Säfteinhalt ist Gesundheit, die
Störung des Verhältnisses ist Krankheit. — Zur Beurteilung der
Krankheit stützte er sich auf die Empiriker, therapeutisch schloss er
sich mehr den Dogmatikern an. Seine Schriften existieren nicht
mehr. Die Sekte, deren Haupt er wurde, hiess die mechanische.
Die Schüler des Asklepiades erweiterten seine Lehre und
gründeten die Schule der Methodiker. Sie lehrten, dass Krank-
heit nicht nur durch ein Missverhältnis in den Gefässen entstehe,
sondern auch durch ein solches in allen anderen Kórperteilen.
Ihre Folge wáre Erschlaffung, Einschnürung oder beides. Die Heil-
methode zerfiel in meist dreitägige Cyklen. In dem einen wurden
Medikamente gereicht, in dem darauffolgenden -wurde die Lebens-
ordnung geregelt.
Gegen Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. entstanden drei
neue Sekten:
1. Pneumatiker (Stifter Athenaeus). ‚Die Luft (Spiritus) ist
Bestandteil des Körpers; ihre Veränderungen sind Ursachen der
Krankheiten.“
2. Eklektiker (Stifter Archigenes aus Apamea). Grundsatz, alles
zu prüfen und das beste zu behalten.
3. Episynthetiker versuchten, die streitenden Parteien zu ver-
söhnen.
23] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 277
Griechenland.
Es ist auffallend, dass in den Gesängen: Homers (ungefähr
900 v. Chr.) weder bei der Schilderung der Schönheit, noch bei
derjenigen hässlicher Personen die Nase erwähnt ist: Kopfhaar,
Kopfform, Stirn, Augen, Zähne, Kinn werden beschrieben, nicht
dagegen die Nase. Auch finden wir kein Beispiel von ihrer Ver-
wundung. In einem Falle dringt der Speer an der Nase neben dem
Auge ein, zerbricht Zähne, zerschneidet die Zunge an ihrer Wurzel
und dringt unter dem Kinn heraus. An einer anderen Stelle der
Ilias lesen wir von einem Eindringen des Speeres in den Mund
mit Blutung aus Mund und Nase. In der Odysse wird erzáhlt, dass
Odysseus dem Antinous einen Pfeil durch den Hals schiesst, dessen
Spitze hinten wieder heraustritt. Dem Getroffenen sinkt der Kopf
nach der anderen Seite, ein Blutstrom dringt ihm aus der Nase.
Von physiologischem Interesse ist das dgeuv pevog (Od. AXTV. 32).
Es gibt mannigfachen Anlass zu Kommentaren: es ist das scharfe,
stechende Gefühl, welches dem Odysseus beim Anblick seines Vaters
in der Unterwelt in die Nase stieg.
J. B. Friedreich (die Realien in der Iliade und Odyssee)
erklärt diese Stelle mit dem durch ‚‚Consensus der Nerven der Tränen-
drüse mit jenem der Nasenschleimhaut bedingten Gefühl in der
Nase, welches daselbst entsteht, wenn man weinen will.“ Aristoteles
nimmt an, dass mit dgsuv uevog eine Empfindung bezeichnet wird,
welche man in der Nase bei starkem Affekte und besonders im
Zorne hat. Daher übersetzt auch Voss: „Es schnob ihm in die
Nase der erbitterte Mut." Thiersch dagegen sagt: ,,Odysseus
konnte sich, als er seinen Vater in der Unterwelt jammern sah,
nicht halten, das Gefühl stieg ihm so heftig empor, dass ihm dquuv
utvog jenes heftige Gefühl, welches oben in der Nase empfunden
wird, wenn wir plötzlich von überwallendem Mitleide oder sonst
einem heftigen Gefühle bewegt werden, den Atem mit Gewalt heraus-
drängt," (Odyss. XVI. 345—347. — V. 290—293.)
Die auffallende Erscheinung, dass bei Homer der Nase gar
nicht Erwähnung getan wird, finden wir in der ganzen ältesten
Geschichte.
Bei Besprechung des Solonischen Zeitalters (Solon 639—559
v. Chr) schreibt Daremberg:
„Man darf sich nicht wundern, dass in der alten Medizin die
Physiologie und Pathologie des Kopfes und seiner Teile so sehr
vernachlässigt wird, gegenüber den Betrachtungen des Magens, der
Brust und der Füsse. Denn in die Gesundheit dieser legte man
278 Karl Kassel. [24
damals das Wesen kräftiger Gesundheit, der Kopf spielte damals
nicht die Rolle wie in der modernen Lehre." — —
In der Zeit von Solon bis Hippokrates machte die Physiologie
und Anatomie keine nennenswerte Fortschritte. . . Die Nomenklatur
dagegen wächst, so dass Hippokrates diese fast fertig vorfindet."'
„Euripides (Aristoph. Vesp. 1480) ist wohl der erste (480—406)
v. Chr), der das Wort uwerne —= Nasenloch, Nasenflügel, Nüster
braucht. Sophocles (496—406 v. Chr.) und besonders Aristophanes
(452—388 v. Chr.) scheinen hiermit auch den aus ihr sich ent-
leerenden Schleim bezeichnet zu haben.“
Auf dem Gebiete ärztlichen Wissens war es eine unfruchtbare
Zeit, die einige Hundert Jahre währte und fast bis zum Pelo-
ponnesischen Kriege (431—404) anhielt. Apollos Nachkommen, die
Aeskulapiden, hüteten den Schatz. Eine Schule löste die andere
ab, bis endlich die von Cnidus und Cos den Grund für künftige
Entwickelung legten. Aus der letzteren soll ja der hippokratische
Eid stammen, die erstere versuchte wenigstens die höhere Bewertung
der Krankheitszeichen.
Die Empirie trat aber doch wieder immer mehr in den Hinter-
grund, die Philosophie wurde herrschend und aus ihren Vertretern
erstanden die ärztlichen Berater. Pythagoras, 580 v. Chr. auf Samos
geboren, der als erster den Begriff der chronischen Krankheiten
und auch den der kritischen Tage aufgestellt haben soll, wurde
der Stifter der Schule von Croton. Aus ihr ging Empedocles aus
Agrigent in Sizilien (492—432 v. Chr.) hervor. Er soll als erster
die vier Urstoffe alles Seins aufgestellt haben. Und als erster hat
er sicher der Philosophie den realen Boden wiedergegeben. Genial
stellt er Lehrsätze auf, deren Richtigkeit zu beweisen späteren Zeiten
vorbehalten blieb.
Der Geruch entsteht, wie er lehrt, durch Einatmen der Luft.
Cf. Plutarch?), Naturgeschichte:
aL xvveg, we qol» 'Euredoxige, xéupara
Orosio» usiéov uvxizgou egevvwoat.
Empedokles folgt der Pythagoreischen Lehre: similia non nisi
a similibus comprehendi, wie es auch bei Homer (Odyss) heisst:
Oe aiei tov duotov ayee 9e0g Og vÓv Ouolov.
Ferner lesen wir in Empedoclis carmina v. 275 ff.:
„So atmen alle Lebewesen die Luft ein und aus. Allen ziehen
blutleere fleischige Röhren durch den Körper bis zur Oberfläche.
1) Plutarch, bedeutendster griechischer Schriftsteller der Kaiserzeit. Er
stammte aus Chaeronea in Böotien, lebte 50 bis 120 n. Chr.
25] L Die Nasenheilkunde des Altertums. 279
Die oberste Haut an dieser ist mit zahlreichen Lóchern wie mit
Miindchen durchbohrt, so dass sie zwar Blut nicht durchlassen,
für Luft dagegen leicht durchgängig sind.“
Es liegt, wie auch die meisten alten Erklärer annehmen, eine
Beschreibung der nasalen Atmung vor (Gei Eoxara). V. 300 ff.
erzählen vom Hunde, der mit der Nase die Spur der wilden Tiere
verfolgt.... Es kommt im Text dann eine Lücke... und hierauf
heisst es:
Õde uëy on oe va Aslöyxacı navra xal ouv,
d. h. so sind Atmung und Geruch in Einem vereint.
Empedokles sieht die Atmung nicht aussschliesslich als eine
Funktion der Nase, des Mundes und der Lunge an. Nach ihm ver-
mittelt sie vielmehr der ganze Körper durch die Poren der Haut.
Den Geruch betrachtet er als eine Folge der dampfartigen Aus-
dünstungen, welche sich durch die Luft ausbreiten. Diese Erklärung
nimmt später auch Plutarch auf, der die Geruch erregenden Partikel-
chen (arsogßoag) als ganz dünne Substanzen ansieht. Daher, schreibt
dieser, ist bei erschwerter Atmung z. B. bei Katarrhen und anderen
Flüssen, der Geruch gestört. — —
Wenn wir nun noch in Kürze erwähnen, dass aus der Zahl
der ältesten griechischen Philosophen Thales von Milet (636—546
v. Chr.) das Wasser, Diogenes von Apollonia (zwischen 530 und
460 v. Chr.) die Luft als Grundprinzipe alles Seins aufstellten,
während Heraclit aus Ephesus (ungefähr 500 v. Chr.) das Feuer
als das Grundelement ansah, so finden wir alle die Grundbedingungen
vor, auf denen die ganze Zukunft der ärztlichen Philosophie und
Kunst sich aufbaute.
Hippokrates.
Wir begegnen jetzt Hippokrates, der ungefahr 460 v. Chr. auf
der Insel Cos geboren ward.
Die Lehre Heraclits von dem Feuer als Grundprinzip, aus dem
alles entsteht und zu welchem alles wieder zurückkehrt, enthält
ihrerseits die Lehre von der angeborenen Warme und vom Antagonis-
mus als Ursache aller Erscheinungen.
Der Erwähnung dieser philosophischen Grundgedanken sei auch
noch die Bemerkung beigefügt, dass zu Hippokrates Lebzeiten
Demokrit von Abdera (460 bis etwa 370 v. Chr.) ein eifriger Zer-
gliederer war und dass schon vor ihm Anaxagoras von Klazomenae
(500—428), ein Schüler von Pythagoras, diese Kunst geübt.
So wird es uns klar, dass Hippokrates keineswegs der Ur-
schópfer der griechischen Heilkunst gewesen.
Er fasste allerdings die Kenntnisse seiner Zeit zusammen, die
ihrerseits eine Jahrhunderte alte Geschichte hatten; er hatte sie
280 Karl Kassel. [26
auf seinen Reisen kennen gelernt und wurde als der revolutionäre
Ordner des Ganzen und geniale Arzt der Gründer wissenschaftlicher
Heilkunst. So wirkte er in seiner Art schöpferisch in allen Einzel-
heiten der ärztlichen Kunst, der Diagnostik und Prognostik, der
inneren Medizin und der Chirurgie.
Und auch bei der Darstellung des Spezialgebietes der Rhino-
logie des Hippokrates werden wir die Grundzüge seiner Lehre zu
berücksichtigen haben. Seine Kenntnisse von dem Bau und den
natürlichen Funktionen der Nase bedeuten zwar einen Fortschritt
in dem Gange der Entwickelung, sie bewegen sich aber noch in
recht vagen Vorstellungen. Wir finden das Nasenbein, die Scheide-
wand und die Knorpel, nicht aber die Muscheln erwähnt. Er kennt
die Verbindung der Nasenhöhle mit dem Rachen. Über seine An-
schauung vom Geruch klärt uns eine Stelle in dem Buche „Das
Fleisch“ auf: „Das Gehirn, welches selbst feucht ist, riecht das
Trockene, indem es durch die trockenen Nasenkanäle den Geruch
zugleich mit der Luft einzieht; denn das Gehirn erstreckt sich bis
in die Nasenhöhlen. An dieser Stelle ist ihm nicht ein Knochen
vorgelagert, sondern ein Knorpelstück, weich wie ein Schwamm,
welches weder Fleisch noch Knochen ist. Wenn die Nasenhöhlen
trocken sind, nimmt das Gehirn den Geruch der trockenen Sub-
stanzen genauer wahr. Wasser riecht es nicht, denn es ist viel
feuchter als das Gehirn, ausser wenn es faulig ist. Das faulige
Wasser wird nämlick nicht minder als all das andere, sobald es
faulig wird, dicker. Wenn die Nasenhöhlen hingegen feucht sind,
vermag das Gehirn nicht zu riechen, da es dann die Luft nicht
mehr einzieht. Wenn das Gehirn auf diesem Wege einen beträcht-
lichen Teil von sich selbst nach dem Gaumen, der Kehle und nach
dem übrigen Körper abtropfen lässt, so erkennen die Menschen darin
einen Katarrh und nennen es so.“
Nun ist diese ganze Auffassung nichts anderes als die folge-
richtige Spekulation auf Grund der Beobachtungen am Kranken und
der Lehre von den Säften, welche er in ihren Grundzügen über-
nommen und dann allerdings ausgebaut hat. Sie zeigt uns dabei
einen Fortschritt, indem sie auf die Bedeutung der Gebilde hinweist,
welche zwischen Gehirn und Nasenhöhle liegen. Diese sind aber
in dem sicher zwar apokryphen Kapitel von der Zergliederung eben-
sowenig erwähnt, wie die Nase überhaupt. Weder Galen, der uns
eine genaue Beschreibung der Nase gibt, kennt das Fragment, noch
Erotian, welche beide die echten Bücher des Hippokrates von den
unächten geschieden haben; der Ruf des grossen Mannes hatte näm-
lich nach seinem Tode die Habsucht des Ptolemäer angestachelt,
21] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 281
jenem gefalschte Werke unterzuschieben und sie als seltene Bücher
für die Alexandrinische Bibliothek den Pergamenischen Regenten
zu verkaufen. Ein Teil eines solchen Buches scheint das Fragment
Zu sein.
Um nun den Zusammenhang zwischen der hippokratischen Lehre
von den Krankheiten des Kórpers und denjenigen von den physio-
logischen Funktionen zu erkennen, dürfte es ratsam sein, einige
markante Gesichtspunkte aus der Pathologie anzuführen, sofern sie
im weiteren für die Krankheiten der Nase in Betracht kommen.
Die Ausscheidungen (Blut, Schleim, Galle, Eiter etc.) sind ent-
weder Symptome einer Krankheit oder sie wirken entscheidend auf
deren Verlauf (kritisch) und zwar im günstigen Sinne oder im
ungünstigen. Sie gelten als eine Art Reinigung, die den kürzesten
Weg von der Stelle der Erkrankung bis zur Entleerungsstelle
nehmen muss. Z. B.: ,Wer am Kopf leidet und rund herum
Schmerzen hat, bei dem hebt sich die Krankheit, wenn Eiter oder
Wasser oder Blut durch Nase, Mund oder Ohr abfliesst.‘
Und zwar gilt der Satz, dass Krankheiten, welche oberhalb
des Zwerchfells ihren Sitz haben, durch eine Ausleerung nach oben
(Nasenbluten, Erbrechen, Auswurf usw.) gelöst werden. Diejenigen
Krankheiten, welche unterhalb des Zwerchfells entstehen, werden
durch Ausleerungen nach unten gelöst (Stuhl, Urin, Hämorrhoiden,
Menses, Lochien).
Regelmässige Ausleerungen, wozu auch Nasenbluten gehören
kann, darf man nicht beeinflussen. Vorbedingung der Heilung ist
die Trennung der kranken Säfte von den gesunden. „Kopfschmerz
wird durch Eiterfluss aus der Nase behoben.“ An anderen Stellen
wird Nasenbluten oder Schleimfluss aus der Nase genannt.
Die beste Krise ist die Vereiterung. Auch wirkt starkes Nasen-
bluten kritisch in günstigem Sinne. Den Unterschied, den Hippo-
krates und seine Schüler zwischen gutartigen und bösartigen Kopf-
schmerzen machen, führt auch zu der kritischen Differenzierung
des Ortes der Blutentleerung: bei gutartigen Kopfschmerzen hilft
Nasenbluten, während in den bösartigen Fällen, in welchen der
Schmerz nach Hals und Rücken zieht, hämorrhoidale Blutungen
von Nutzen sind.
Zur Unterstützung dieser Selbstheilung werden warme Um-
schläge und Blutentziehung in der Nähe der kranken Stelle ver-
ordnet. .—
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen ist es einfacher, sich
in den Geist der hippokratischen Pathologie einzuarbeiten.
282 Karl Kassel. [28
Unter Katarrhen versteht Hippokrates den Abfluss der nach
Menge und Art der Zusammensetzung krankhaft veränderten Körper-
säfte. Sie entstehen durch übermässige Erhitzung und Erkältung,
sowie durch Anschwellung des Körpers. (Von den Teilen des Körpers.)
Der Nasenkatarrh zählt zu den Kopfflüssen, die ihre Quelle im
Gehirn haben. — In den Lehrsprüchen finden wir die Ätiologie
eines Symptoms, des Niesens, besonders erwähnt. Es erfolgt, sobald
das Gehirn erwärmt oder der leere Raum des Kopfes mit Feuchtig-
keit angefüllt ist, denn die darin befindliche Luft wird hinaus-
gestossen. Das Geräusch entsteht hierbei dadurch, dass die Luft
durch die enge Öffnung zwischen Nase und Gehirn plötzlich aus-
gepresst wird. — Winde und Jahreszeiten haben auf die Entstehung
von Katarrhen besondere Einflüsse. Nordwinde und gleichzeitige
Trockenheit im Sommer, Südwinde und gleichzeitiges Regenwetter
im Herbst zeitigen Schnupfen, Husten, Heiserkeit und bei einigen
auch Schwindsucht. Nordwind dagegen im trockenen Herbst be-
kommen zwar Leuten mit feuchter Natur, also der Jugend, und
auch dem weiblichen Geschlechte gut, die übrigen leiden an Schnupfen
und Fieber. Der Frühling bringt alten Leuten Fliessen der Nase.
(Lehrsprüche.) Diese Neigung der Greise beruht darauf, dass ihre
Gefässe dünn und ausgedehnt sind. „Denn wenn die Körper sich
in einem warmen Winter, in welchem Südluft vorherrscht, nicht
zusammenziehen, so wird das Gehirn bei eintretendem kaltem Früh-
ling, in welchem Nordluft vorherrscht, noch dichter und noch mehr
zusammengezogen, anstatt dass es sich zugleich mit demselben hätte
auflockern und vom Schnupfen und von der Heiserkeit hätte reinigen
sollen.“ (Von der Luft, dem Wasser und den Gegenden.)
Als veranlassende Momente für alle Katarrhe kommen vorzüg-
lich kalte Dinge, Schnee und Eis, in Betracht. (Lehrsprüche.) In
den Vorhersagungen lesen wir: „Diejenigen, welche nach heftiger
Erhitzung in starken Winden und in der Kälte Schmerzen am Kopf
und in der Stirn bekommen, werden von diesen vorzüglich durch
einen fliessenden Schnupfen gänzlich befreit. Auch hilft ihnen Niesen
und in der Nase sich einfindender gekochter Schleim und zwar
hauptsächlich, wenn er von selbst sich einstellt, ausserdem aber
auch, wenn er durch Kunsthilfe herbeigeführt wird.“ Als Folge
feuchter Beschaffenheit der Nase z. B. beim Schnupfen bezeichnet
Hippokrates die Verminderung der Geruchsempfindung. (Von den
Muskeln.)
Dafür dass Hippokrates den Schnupfen als die Ursache von
Erkrankungen der tieferen Luftwege ansieht, spricht vor allem eine
Stelle in den Vorhersagungen: „Der Schnupfen verursacht manch-
29] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 283
mal auch Husten. Wenn das Niesen den Schmerz (im Kopfe) nicht
hebt, so sind Lungengeschwüre und schlechtes Aussehen zu be-
fürchten.“ Trotzdem sieht er im allgemeinen den Schnupfen als
eine harmlose Erkrankung an, da die Wege, auf welchen sich so
die schlechten Säfte entleeren, weit sind und diese Entleerung an
sich schon einen Heilungsprozess bedeuten. Dagegen „wenn sich
der Fluss durch den Gaumen nach hinten zieht und der Schleim
in den Darmkanal wandert, so erfolgt ein Durchfall, der ohne
Schaden ist. Wenn aber der Schleim unten sitzen bleibt, so ent-
steht die Darmgicht, eine langwierige Krankheit.‘ (Von den Drüsen.)
— In den Vorhersagungen heisst es: ,,Róte der Nase (bei Katarrhen)
ist ein Zeichen des Durchfalls; sie ist bedenklich, wenn zugleich
Schmerz des Unterleibs und der Lunge da ist, der mit Eiterung
endet.“ — — — ‚Die fliessenden Schnupfen breiten sich so aus,
dass sich auch Husten damit verbinde. Notwendig müssen da
Lungenknoten und kachektische Farbe entstehen, wo das sich ein-
findende Niesen die Schmerzen nicht stillt.“ — Mittelohrentzün-
dungen im Anschluss an Schnupfen beschreibt Hippokrates sehr
häufig.
Auf Nebenhöhlenerkrankung scheint eine Stelle (von den Krank-
heiten) hinzuweisen. Er spricht da von galliger Unreinheit, die
Kopfschmerz verursache. „Manchmal fliesst eine gallige Schärfe aus
der Nase, bei sehr vielen nimmt der Schmerz den halben, bei anderen
den ganzen Kopf ein." — Die Beziehung der Hypersekretion der
Nase zur ganzen Körperkonstitution ist in den Landseuchen er-
wähnt: „Diejenigen geniessen schwächere Gesundheit, welche von
Natur eine fliessende Nase haben.“
Schnupfen mit halbseitigem Kopfschmerz, Fieber und Frost
finden wir mehrfach erwähnt. Hierbei deutet das gleichzeitige Auf-
treten von Schnupfen und Fieber darauf, dass nach Heilung nicht
leicht ein Rückfall zu erwarten ist. —
Kritische Bedeutung ist auch dem Niesen beizulegen. Es kann
Schmerzen im Kopfe oder auch Schlucken beseitigen (Volkskrank-
heiten), Mutterkrampf heilen und schwere Entbindungen erleichtern
(Lehrsprüche) — Niesemittel verordnet Hippokrates auch, um
schlechten, salzigen Geschmack aus dem Munde zu beseitigen (von
den Krankheiten), sowie bei starkem Weinrausch (Il. c.).
Für die Therapie gilt der Lehrspruch als leitender Satz: „Wenn
eine kritische Ausleerung eben eintreten will oder schon eingetreten
ist, so darf man sie weder durch abführende Mittel, noch durch
andere Reizmittel in Bewegung setzen, sondern man verhalte sich
ganz ruhig." Sonst werden ableitende Mittel in die Nase gebracht,
284 Karl Kassel. [30
um dadurch zu verhindern, dass der Fluss wieder in den Kopf
zurück und ins Ohr zieht. Das souveräne Mittel scheint das
Schwitzen gewesen zu sein. In den Volkskrankheiten wird von
einem Timochares erzählt, er habe im Winter Katarrh besonders
in der Nase gehabt. „Als er der Liebe pflegte, hörte jenes ganz
auf. Es erfolgte Müdigkeit, Hitze, Schwere und starker Schweiss
am Kopfe; denn er war selbst in gesunden Tagen sehr zum Schweisse
geneigt. Am dritten Tage war er wieder gesund.“
In dem Buche „Von der Einrichtung der Gelenke“ handelt
es sich doch wohl um die Syphilis: „Wo sich der Knochen vom
Gaumengewölbe ablöst, da sinkt die Nase ein.“
Es wäre nun ein vergebliches Unternehmen, das überaus reich-
haltige Material, welches sich auf den Zusammenhang des Nasen-
blutens mit inneren Erkrankungen bezieht, in ein System bringen
zu wollen. Trotz der vielen Widersprüche, denen wir in der hippo-
kratischen Schriftensammlung begegnen, wäre es wohl möglich, die
hippokratische Diagnostik zu rekonstruieren und auch wohl über-
sichtlich darzustellen, aber ein klares Bild im Sinne der modernen
Klinik ist schon deshalb unmöglich, weil uns die Bekanntschaft
mit Krankheitsbildern fehlt, welche in damaliger Zeit zu den tag-
täglichen gehört haben mögen.
Wir stehen da vielfach vor diagnostischen Rätseln hinsichtlich
der Beziehungen des Nasenblutens z. B. zum Erbrechen, zur Gelb-
sucht, Schlaflosigkeit, Kachexie, zum Schweiss, Frösteln, zur Epi-
lepsie usf., hinsichtlich der Tageszahl, an der es mit guter oder
böser prognostischer Bedeutung auftritt, ob es schliesslich nur ein-
mal oder öfters und tropfenweise oder reichlich auftritt.
Es ist nicht einmal möglich, an der Hand der Werke des
Hippokrates, die Krankheiten kritisch zu sichten, die „vom Kopf
aus entstehen.“ Das wäre doch für unseren Zweck um so wichtiger,
als nach Hippokrates das Bluten der Nase durch Wallung des
Blutes im Kopfe entsteht. — Wir beobachten Nasenbluten im Initial-
stadium von Typhus, bei Malaria, Stauungen, hämorrhagischer Dia-
these, als Frühstadium der progressiven Paralyse, bei Arterio-
sklerose usw. Aber trotzdem lassen sich die hippokratischen klini-
schen Bilder nur mit grosser Unsicherheit in eine moderne klinische
Erfahrung einreihen.
Eine der wesentlichsten Ursachen für die Unmöglichkeit einer
Übertragung der hippokratischen Lehre auf moderne Beobachtungen
beruht im vorliegenden Punkte darin, dass, wie wir annehmen
dürfen, im Mittelpunkte der ganzen damaligen Lehre, die Malaria,
der Typhus, die Influenza und andere Infektionskrankheiten stehen,
13] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 285
und zwar in einer uns heute durchaus unbekannten Schwere und
Erscheinungsart.
Wir begegnen da den schwersten Komplikationen seitens des
Gehirns, der Lunge, der Leber, der Milz — immer wieder das
Nasenbluten als kritisches Moment, stets auch therapeutisch ver-
schieden zu behandeln; z. B. soll man im remittierenden Fieber
dem Nasenbluten einige Zeit freien Lauf lassen, in anderen Fallen
es bald stillen.
Es genügt nunmehr, einige kurze Zitate anzuführen, welche
für jene Unmöglichkeit Belege sein mögen:
Wenn in Hitzfiebern oder anderen Fiebern ein Schmerz im
Genick, eine Schwere an den Schläfen, Dunkelheit vor den Augen
oder eine unschmerzhafte Spannung des Unterleibs entsteht, so tritt
Nasenbluten ein (Volkskrankheiten).
Wenn in hitzigen Fiebern, besonders in den eigentlichen Hitz-
fiebern, die Tränen unwillkürlich fliessen, so ist ein Nasenbluten
zu erwarten, im Falle sich der Kranke nicht sehr schlecht be-
findet. Ist aber dies der Fall, so bedeutet jenes nicht Nasenbluten,
sondern Tod (Volkskrankheiten).
Starkes Bluten während des kritischen Frierens ist sehr ge-
fährlich (Volkskrankheit). — Bei Fieber sind folgendes die Vor-
zeichen bevorstehenden Nasenblutens: Kopf- und Ohrschmerz, Ohren-
sausen und -Klingen, Dunkelsehen, Tränen der Augen, Schwere ın
den Schläfen und in der Nase, Halsschmerz, Zittern der Hände,
Spannen im Hypochondrium.
Wenn sich der Hüftschmerz nach Kopf und Händen zieht,
Schläfrigkeit und Magenschmerz entsteht und gallige Säfte ange-
häuft werden, so erfolgt reichliches Nasenbluten, manchmal auch
starker Durchfall.
Aus den Vorhersagungen:
Sparsames, galliges Erbrechen ist böse, zumal mit Schlaflosig-
keit des Kranken. Ein bei solchen Krankheiten eintretendes Nasen-
bluten ist verderblich.
Nasenbluten mit unbedeutenden Schweissen und allgemeiner
Kälte zeigt bösartige und verderbliche Krankheit an.
Schmerz im Nacken und sehr rote Augen verkünden Nasen-
bluten.
Profuses ungestüm und oft eintretendes Nasenbluten führt bis-
weilen zu Krämpfen; ein Aderlass hilft dagegen.
Wird reichliches Nasenbluten gewaltsam unterdrückt, so ent-
stehen bisweilen Krämpfe; Aderlassen hebt diese. — Wenn Leute,
denen zu bestimmten Zeiten die Nase blutet, Durst bekommen, sich
286 Karl Kassel. [32
schwer krank und erschópft fühlen, wenn dann kein Nasenbluten
bei ihnen eintritt, so bekommen sie Fallsucht. — — —
Die Nase ist einer der Ausscheidungswege für die Sáfte. Und
das Blut, welches durch sie auftritt, kommt aus dem Gehirn. Das
Nasenbluten entsteht nämlich, wenn jenes in Wallung gerät und
aus dem Kopfe in die Nase durchbricht. (Von den Krankheiten.
Aphorismen.) So kann es’ in vielen Krankheiten lösend wirken,
z. B. Kopfschmerzen, Taubheit, Finstersehen aufheben.
Die Beziehungen des Nasenblutens zu den Veränderungen in
den Sexualorganen beider Geschlechter kannte schon Hippokrates.
So bezeichnet er es als ein Leiden der Kinder, welche sich der
Mannbarkeit nähern (Vorhersagungen). Es findet sich ein, „sobald
man angefangen hat, der Liebe zu pflegen oder sobald infolge der
eintretenden Mannbarkeit die Stimme rauh zu werden anfängt.“
(Landseuchen.)
Er beschreibt das vikariierende Nasenbluten bei Frauen: ‚Es
ist gut, wenn bei einer Frauensperson, die ihre Zeit nicht hat,
Nasenbluten entsteht." (Aphor.)
Hierher gehört auch sicher die Bemerkung in den Volkskrank-
heiten: „Wenn Frauenspersonen Fieberschauer mit Ermüdung haben,
so ist ihre Zeit auf dem Wege. Ein schmerzhafter Hals (hierbei)
deutet Nasenbluten an.“
In diesem Buche wird auch von der Tochter des Leonides er-
zählt, dass bei ihr die Natur zum ersten Male durchbrechen sollte,
sich aber einen anderen Weg wählte (d. h. wohl, sie hatte starke
Beschwerden irgendwelcher Art). Sie warf sich auf die Nase und
erzeugte Nasenbluten. Dieses wurde von dem Arzte, der die Kunst
nicht verstand, gestopft und das Mädchen musste sterben.
An verschiedenen Stellen finden wir Bemerkungen darüber,
dass bei Erkrankungen der Leber das Nasenbluten aus der rechten
Seite erfolgt, bei denen der Milz aber linksseitig. Und in den Vor-
hersagungen lesen wir: ,,Blutfliisse aus (dem erkrankten Organe)
gegenüberliegenden Teilen sind böse, wie Nasenbluten aus dem
rechten Nasenloche bei Anschwellen der Milz. Bei den Krankheiten
der übrigen zwischen dem unteren Rippenrande und dem Darmbein
gelegenen Eingeweiden verhält es sich ebenso. Noch schlimmer aber
ist es, wenn der Blutfluss mit geringem Schweisse auf der Stirn
und an der Brust eintritt." — Hippokrates erwähnt das Nasen-
bluten nach kórperlichen Überanstrengungen, ferner an wiederholten
Stellen das Verschwinden von Taubheit nach Nasenbluten. — Von
prognostisch schlimmer Bedeutung ist die Entleerung dicken Blutes
aus der Nase nach einem Schädelbruch am Hinterhaupt, besonders
33] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 287
wenn es reichlich fliesst und wenn der Patient Kopfschmerzen hat.
Hierbei tritt Frost ein, wenn vorher die Augen schmerzen.
Die Therapie des Nasenblutens (Lebensordnung in akuten Krank-
heiten) besteht in Tamponade der Nase mit Wolle, welche mit dem
scharfen Safte der unreifen Feigen getrünkt ist. Auch kann man
zusammengeballten Käselab in die Nase stecken, roten Atrament-
stein so zurechtdrücken, dass er in sie hineinpasst und dann die
Nasenflügel von aussen fest zusammenpressen.
Ferner Abführen mittelst gesottener Eselsmilch, nach Abscheren
des Kopfes in heisser Jahreszeit kühlende Umschläge. Eine Mischung
von Oxymel und Sesam soll Patient zum Brechen einnehmen. Da
dieses Mittel Brustbeklemmungen verursacht, kann man ihm auch
weissen Elleborus zusetzen.
Bei vikariierendem Nasenbluten der Frauen empfiehlt Hippo-
krates Schröpfköpfe. Während sonst bei den wiederholt und zu be-
stimmten Zeiten eintretenden vikariierenden Nasenblutungen der
Männer und Frauen jede Therapie untersagt ist, lautet für die
prognostisch schlechten Fälle von tropfenweise, öfter hintereinander
sich zeigenden Nasenblutungen die Lehre, dass bei ihnen der Arzt
sofort eingreifen muss.
Chirurgie.
Bei der Besprechung der Nasenbrüche lehnt Hippokrates
zünächst die Neigung unkluger Wundärzte ab, die nicht schnell genug
die kunstvollsten Verbände um die Nase bringen können (vgl. den
assyr. Brief des Aradnana). Er sagt, dass Patient und Arzt wohl
ein oder zwei Tage Freude an diesem schliesslich doch sinnlosen
Verfahren haben, dass dann aber die Schäden deutlich zutage treten;
denn offenbar werden durch den Druck des Verbandes breit ge-
schlagene Nasen noch breiter, während bei seitlicher Verletzung
der Schiefstand noch verstärkt wird. Höchstens dann billigt Hippo-
krates den Verband, „wenn das Fleisch über dem Knochen auf
dem Nasenrücken längs der Kuppe von beiden Seiten zusammen-
gequetscht wird, oder, wenn das Nasenbein nur wenig beschädigt
worden ist. In diesen Fällen bekommt die Nase eine Knochennarbe
und eine längliche runde Unebenheit." Doch auch bei dieser Ver-
letzung begnügt sich Hippokrates damit, eine mit Wachs bestrichene
Kompresse über den Bruch zu legen und sie mit einer Binden-
tour zu befestigen. Als beste Heilart empfiehlt er das Auflegen
eines aus gutem Weizenmehl und Wasser angerührten klebrigen
Breiumschlages. Ist das Weizenmehl nicht klebrig genug, so rühre
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 3. 20
238 Karl Kassel. [34
man zerstossenen Weihrauch mit Wasser und schütte dann Mehl
hinein. Auch kann man Gummi verwenden.
Nun unterscheidet Hippokrates den Bruch der unteren (vorderen)
Nase und den Querbruch der Nase.
Findet man einen Bruch des vorderen Teils und dadurch eine
Breitdriickung der Nase, so kommt es darauf an, ob sie vorn am
Knorpel eingesunken ist oder nicht. Im ersteren Falle soll man
etwas in die Nase stopfen, was diese hebt, im anderen Falle fiihrt
man die Finger oder eine Sonde in die Nasenlócher bis dahin, wo
sie eingesunken ist, umfasst die Nase von beiden Seiten und bringt
sie durch Drücken und Heben in die richtige Lage. Zur Tampon-
behandlung und Stütze benützt man Leinenscharpie oder kartha-
giniensisches Leder. — Bei hóher gelegenen Brüchen führt dieser
Weg nicht zum Ziele; denn die Tampons sind dann noch beschwer-
licher zu tragen als bei den vorderen Brüchen. Vielmehr muss man
mit den Fingern so tief als möglich in die Nase gehen und mit
ihnen sowie durch Druck von aussen die Nase einrichtep. Hierbei
ist es, wofern der Patient sich dazu hergibt und es aushält, am
besten, dass er selbst seine beiden Zeigefinger in die Nase einführt
und sie so lange er es nur vermag, ruhig in der Nase hilt, bis
der Knochen fest ist. Sonst soll man dies wegen der Zartheit ihrer
Finger durch einen Knaben oder eine Weibsperson machen lassen.
So hat er stets Heilungen gesehen. Die Kallusbildung in der Nase
erfolgt innerhalb von zehn Tagen, wofern nicht vorher der Brand
in die Wunde getreten. —
Bei Querbruch muss man mittelst der eingefiihrten Finger die
nach innen gesunkenen Stiicke heben, bis die Reposition beendet
ist; dann mit den Fingern von aussen die Nase an der Stelle, die
vorher die Hervorragung gezeigt, komprimieren oder durch einen
Gehilfen festhalten lassen, bis der Knochen vernarbt ist. Mit dem
kleinen Finger muss man von Zeit zu Zeit in die Nase eingehen,
um die Bruchstelle zu reponieren. Tritt eine Entziindung auf, so
werden Umschlage mit Weizenbrei gemacht, ohne dass aber die
Finger ihre Aufgabe der Reposition unterbrechen.
Ist der Knorpel in transversaler Richtung gebrochen, so wird
die Nasenspitze schief. Daher soll man diese mittelst Tampons auf-
richten. Hierzu nimmt man Material, das geruchlos ist und nicht
nachgibt, z. B. Schafslunge, Schwamm. Hiernach kann man aus
weichem karthaginiensischen Leder einen Riemen von etwa einem
Daumen Breite äusserlich am eingesunkenen Nasenloch kleben und
den Riemen, soweit es vertragen wird, stark anziehen, bis die Nase
35] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 289
frei und gerade absteht. Der Riemen wird unter dem Ohre weg
um den Kopf herumgezogen und das Ende an der Stirn befestigt.
Oder der Riemen wird noch weiter um den Kopf geführt und dann
verbunden. Diese Methode bezeichnet Hippokrates als eine sehr be-
queme, denn sie gestattet, den Zug an der Nase nach Belieben
stärker oder schwächer zu gestalten.
Besteht neben dem Bruche eine Verletzung der Weichteile, so
wird diese mit Pech oder einem blutstillenden Pflaster zur Heilung
gebracht, welche dadurch schnell vonstatten geht. Falls der Knochen
sich loslösen will, so muss die Reposition unverzüglich und sorg-
fältigst erfolgen, im übrigen bleibt das Vorgehen mit den Fingern,
allerdings mit gelindem Druck dasselbe, weil die Einrichtung der
Nase von allen Körperteilen am leichtesten auszuführen ist. Dabei
kann man sich unbeschadet etwaiger Hautwunden oder Entzün-
dungen, der Klebepflaster und des Riemens bedienen; denn dies
geschieht schmerzlos. —
An anderer Stelle finden wir eine weitere interessante Vor-
schrift fiir die Knochenbruchbehandlung, der er den lehrreichen Satz
vorausschickt, die Reposition nicht mehr (sc. in derselben Sitzung)
zu versuchen, wenn sie einmal missglückt ist. — Hippokrates ver-
bietet den Genuss fester Speisen. Dagegen reicht er einen milden
Trank aus weissem Eleboros. Kranken galliger Konstitution giesst
man etwas wohlriechendes Honigwasser in das Wasser und be-
schränkt sie auf dieses Getränk. Ist aber kein Überfluss an bitterer
Galle vorhanden, so bekommen sie blosses Wasser. Bei Fieber wird
diese Diät vierzehn Tage beibehalten, sonst nur sieben Tage. Nach-
her geht er zu seiner gewöhnlichen Diät über. — Hippokrates warnt
vor kalten Umschlägen. Dagegen lässt er alle drei Tage nachsehen,
ob der Verband in Ordnung ist, nach erfolgter Konsolidation die
Schiene entfernen und warmes Wasser auf den gebrochenen Teil
giessen. „um die Säfte herbeizuziehen und den Kallus zu nähren.“
— Über das Abstossen von Knochenstücken schreibt Hippokrates:
Dieses geht langsam vonstatten. „Solchen Krankheitszuständen musst
du am meisten ausweichen, wenn es nur auf eine anständige Weise
geschehen kann, da hier wenig Hoffnung auf Wiederherstellung
und viel Gefahr vorhanden ist; und, wenn du nicht einrichtest,
so kommst du in Gefahr, als unerfahren in der Kunst zu gelten;
richtest du ein (sc. wenn Knochenteile sich ablösen), so führst du
den Kranken schneller zum Tode als zur Gesundheit.“
Über die Nasenpolypen spricht Hippokrates nur an wenigen
Stellen.
20*
290 | Karl Kasse. ` [36
„Die Leiden“, Kap. 5 (die Zitate aus Hippokrates gebe ich
nach der vorzüglichen Übersetzung von Dr. Robert Fuchs
wieder).
„Wenn sich in der Nase ein Polyp bildet, so entsteht eine Art
Emphysem (Schwellung) und es ragt ein Tumor schräg aus der
Nase hervor. Der Polyp wird entfernt, indem man ihn vermittelst
einer Schlinge aus der Nase in den Mund herunterzieht, andere
faulen unter Einwirkung eines Arzneimittels ab. Der Polyp ent-
steht aber durch den Schleim.
(Dies sind die Krankheiten, welche vom Kopfe ausgehen.) „Die
Krankheiten" 2. Kap. 33 ff.
»Wenn ein Polyp in der Nase auftritt, so hangt er mitten aus
den Knorpelmassen heraus, sowie ein Zapfchen. Wenn der Betreffende
den Atem ausstösst, geht der Polyp nach aussen und ist weich,
wenn er den Atem einzieht, geht der Polyp nach hinten. Patient
hat eine gedämpfte Stimme, und wenn er schläft, schnarcht er.
Unter solchen Umständen schneide man ein Stückchen Schwamm
rund, forme daraus ein Bällchen, umwickl& es mit einem ägyptischen
Linnenfaden und mache es (auf diese Weise) fest. Die Grösse des-
selben aber sei so, dass es in die Nasenóffnung hineinpasst. Man
binde das Schwämmchen mit einem vierfachen Faden fest; die
Länge eines jeden derselben aber soll eine Elle betragen. Diese
Fäden vereinige man hierauf an dem einen Ende, nehme einen
dünnen Zinnstab, welcher an dem einen Ende ein Öhr hat und
stecko den Stab mit seiner Spitze (durch die Nase) bis in den
Mund. Nachdem man ihn erfasst hat, fádle man den Faden in
das Öhr ein und ziehe so lange (nämlich an dem Zinnstabe), bis
man den Anfang (der Fäden) fassen kann. Darauf lege man einen
Geisfuss unter das „Zäpfchen“, zerre in entgegengesetztem Sinne
und ziehe so lange, bis man den Polyp herausgezogen hat. Nach-
dem man ihn aber herausgezogen und das Blut zu fliessen auf-
gehört hat, wickle man um eine Sonde trockne zu Scharpie zer-
zupfte Leinwand. Im übrigen aber koche man (Kupfer =) Blüte
in Honig auf, bestreiche die Scharpie damit und lege sie in die
Nase. Wenn die Wunde bereits in Heilung übergeht, mache man
sich eine Bleistange, welche bis zur Wunde hinaufreicht, bestreiche
sie mit Honig und führe sie so lange ein, bis der Betreffende
wieder gesund geworden ist.“
Ein anderer Polyp.
„Es füllt sich die Nase mit Fleischstückchen. Das Fleisch er-
scheint, wenn man es anfühlt, hart, und Patient vermag nicht
81] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 201
durch. die Nase zu atmen. Unter solchen Umständen muss man
eine Röhre einführen und mit drei oder vier Eisenstüben brennen.
Nachdem man aber gebrannt hat, lege man zerriebene schwarze
Nieswurz in die Nase, und wenn das Fleisch verfault und heraus-
gefallen ist, bestreiche man Leinwandscharpie mit Honig und mit
(Kupfer =) Blüte und führe sie ein. Sobald aber die Wunde in
Heilung übergeht, lege man. das mit Honig bestrichene Blei ein,
bis Patient genesen ist.“
Ein anderer Polyp.
„Innen ragt aus dem Knorpel ein rundes Fleischstück her-
vor; wenn man es befühlt, erscheint es weich. Unter solchen Um-
stinden mache man einen Sehnenfaden, mache an demselben. eine
kleine Schlinge, wickle einen dünnen Faden darum, hierauf stecke
man das andere Fadenende durch die Schlinge hindurch, wobei
man eine gróssere Schlinge macht (als die andere war) Darauf
fädle man das Ende der Schnur durch den Zinnstab, lege alsdann
die Schlinge in die Nase ein, lege die Schlinge mit Hilfe einer
mit einem Einschnitt versehenen Sonde um den Polyp herum, ziehe,
sobald der Faden herumgelegt ist, den Stab nach dem Munde durch,
erfasse ihn und ziehe in der nämlichen Weise, indem sich die
Schlinge dagegenstemmt. Nachdem man den Polyp herausgezogen
hat, behandle man den Patienten, wie den vorigen.“ |
Ein anderer Poly p.
„Innen am Knorpel entlang wächst aus irgendwelcher Ver-
anlassung etwas Hartes, es hat das Aussehen von Fleisch; wenn
man es aber berührt, klingt es wie Stein. Unter solchen Umständen
spalte man die Nase mit einem Messer, reinige sie und gebrauche
dann das Glüheisen. Nachdem man das getan, nähe man die Nase
wieder zu und heile die Wunde durch Bestreichen mit der Salbe;
man lege ein Stück Zeug ein, und wenn es ringsum faulig wird,
streiche man die dem Honig beigemischte Kupferblüte auf. Die
Heilung führe man aber mit Hilfe des Bleistabes herbei.“ Es handelt
sich vermutlich um einen Nasenstein.
Ein anderer Polyp.
„Es wachsen aus dem Knorpel und an der Spitze eine Art
kleiner Krebsgeschwüre hervor. Alle diese muss man aber weg-
brennen. Nachdem man sie weggebrannt hat, streue man Nieswurz
darauf.“ —
Das umfangreiche rhinologische Material, welches uns in den
hippokratischen Werken überliefert ist, bleibt auch für ung von
292 Karl Kassel. (38
mehrfachem Interesse. Der chirurgische Fortschritt, die Beziehungen
lokaler Erkrankungen zu den übrigen Veränderungen am Körper,
die ins kleinste eingehende Differenzierung der Symptome, die thera-
peutische Umsicht und Vorsicht, die Vermeidung scharf wirkender
Mittel, alles dies gibt uns schon ein Bild, welches gegenüber den
vielfach unklaren und phantastischen indischen Darstellungen einen
ausserordentlichen Fortschritt bedeutet.
Nachfolger des Hippokrates.
Aus der Lehre eines unmittelbaren Schülers des Hippokrates,
Dexippos aus Cos, berichtet der Anonymus Londinensis: ,, . . . indem
die Galle und der Schleim schmelzen und fliissiger werden, ent-
stünden daraus Lymphe und Schweiss.
Wenn sie aber faul würden und sich verdicken, entstünden
Ohrensausen, Schnupfen und Triefaugen.“
Unter dem Werke des Anonymus Londinensis verstehen wir
kollegheftartige Auszüge, welche ein sonst Unbekannter aus Aristo-
teles-Menons Handbuch der Medizin und aus älteren Ärzten gemacht
hat. Es handelt sich um den Papyrus Nr. 137 aus dem Britischen
Museum, dessen Entstehung von Diels an die Wende des 1. Jahr-
hunderts, etwa in die Zeit des Domitian und Trajan gesetzt wird.
Wiewohl die Zeitbestimmung für die einzelnen in dem Papyrus
genannten Autoren nicht genau móglich ist, sollen diese doch hier
der Reihe nach angeführt werden, da sie einen interessanten Ein-
blick in die Wandlungen der hippokratischen Lehre gewähren.
Trotzdem uns von einigen der für uns in Frage kommenden
Ärzte, z. B. Timotheos, Abas, Aeginos sonst nichts bekannt ist,
bleiben ihre Ansichten, eben weil sie in einer Art von Kollegheft
niedergelegt sind und weil ihnen in jener Zeit einiger Wert bei-
gelegt worden zu sein scheint, immerhin von historischem Interesse.
»limotheus von Metapont sagt, dass die Krankheiten auf
folgender Weise zustande kämen: Wenn der Kopf gesund ist und
sauber, wird auch die Nahrung von ihm aus dem ganzen Körper
zugeführt und das Geschöpf ist gesund.
Wenn er aber nicht gesund ist, bringt er Krankheiten dadurch,
dass die Durchgänge sich verstopfen. Wenn diese verstopft sind,
bleibt der nach den Stellen im Kopf aufsteigende Überschuss, so
lange er keinen Ausweg hat, darin und dann verwandelt er sich
in salzige und scharfe Flüssigkeit, und wenn er dann noch länger
darin bleibt und durchbricht, dringt er in irgend einen Teil und
führt je nach dessen Verschiedenheit verschiedene Krankheiten
herbei.‘
39] L Die Nasenheilkunde des Altertums. 293
Abas!) meint, abweichend von den übrigen, die Krankheiten
entstünden durch Reinigung des Gehirns. Es reinige sich aber das
Gehirn durch Nase, Ohren, Augen und Mund.... Infolge dieser
Reinigungen aber, sagt er, entstünden fünf Katarrhe.“
Aeginos von Elis erkennt in den Ausscheidungen durch den
Darm, die Blase, die Ohren, die Nase und den Mund ein natür-
liches Hindernis für die Überfüllung des Körpers mit Nahrungs-
säften.
Wir finden die Lehre des Hippokrates von den Flüssen ver-
zeichnet.
Lehre von der Atmung.
Philistion ?) lehrt: „Wenn der ganze Körper richtig atmet und
die Luft ungehindert durchgeht, entsteht Gesundheit: denn nicht
nur durch den Mund und die Nase geschieht die Atmung, sondern
am ganzen Körper.‘ (Hautatmung.)
Erasistratos®) nimmt das Pneuma als Ursache von Allem an.
Es „wird von aussen durch Mund und Nase eingezogen und
kommt durch die Luftröhre in Lunge und Herz, ferner in die Brust-
höhle.“ Der Anonymus fügt dem zu: „Etwas sickert auch durch
den Schlund in den Magen nach unserer Anschauung, nicht jedoch
nach der des Erasistratos.‘‘ Nach diesem wird durch Mund und
Nase mehr Pneuma ausgeatmet als eingeatmet. Er beschreibt dann
die Erwärmung der Inspirationsluft und ihre Verwendung im kórper-
lichen Haushalt, besonders zur Abkühlung der Hitze des Herzens.
Über die Ursache der Atmung: ,,Grundlage ist also die Luft,
indem sie dureh Mund und Nase gezogen wird; sie bildet den Stoff
für das Atmungsbedürfnis, wobei sie nach zwei Seiten verteilt wird;
1) Unbekannter Arzt.
2) Zeitgenosse des Platon (429—348 v. Chr.).
3) Erasistratos in Julis auf der Insel Kos geboren (8. Jahrhundert v. Chr.),
war ein Enkel und Schüler Aristoteles'. Bedeutender Anatom. Er darf wohl
als der Begründer der Physiologie angesehen werden. Seine Bedeutung wurde
erst durch Pagels Forschungen bekannt. Celsus, Galen, Oribasius,
Aetius u. a. teilen — freilich mit Variationen — eine Verordnung des Era-
Sistratos mit, welche für Nasen., Ohren-, Rachen- und andere Leiden pro-
phylaktisch und therapeutisch bestimmt war. Er nannte es 5ypoxoAAoUQiov =
Feuchtmittel. Es bestand aus:
Rp. Geröstetem Kupfer 180,0
Geróstetem Misy 90,0
Myrrhe 90,0
Safran 45,0
Mf. s. Honigdicke. — Zum Einreiben.
294 . Karl Kassel. [40
zum einen, kleineren Teil geht sie durch die Nase ins Gehirn, zum
anderen grösseren durch die Luftröhre in die Lunge.‘
Über den Geruch lesen wir: „Man sucht nachzuweisen, dass
der ganze Körper fortwährend Stoff abgibt, wobei man etwa von
folgenden Erwägungen ausgeht: man beruft sich auf die Wohl-
gerüche; diese, sagt man, riechen wir auch, wenn sie weit weg-
liegen, weil von ihnen Körper zu uns gelangen. Dagegen wird man
vielleicht einwenden, dass die Wohlgerüche keine Körper abgeben,
sondern dass die Luft eine Änderung ihrer Zusammensetzung er-
fährt durch die Wohlgerüche und wir auf diese Weise beim Ein-
atmen eine Empfindung für den von den Wohlgerüchen herrühren-
den Einfluss auf die Luft bekommen und dass keine Abgabe
statthat. |
Das erscheint recht schwach. Denn es sind eben nicht mit
den Sinnen wahrnehmbare Kórper, was von den Wohlgerüchen aus-
geht. Das sieht man bei den alt gewordenen Riechmitteln; deren
Kraft ist schwach und unwirksam, weil durch die lange Zeit eine
starke Abgabe erfolgt ist, woraus sich das Gesagte ergibt.‘
Diese Anschauung wird später noch durch die Beobachtung
der Spürhunde gestützt: man schickt sie nur bei feuchtem Wetter
auf die Jagd, weil eine Ausdünstung nötig ist, um den Riechstoff
der Spur in die Nase des Hundes zu leiten.
Der Asklepiadeischen Lehre von den Ausscheidungen fügt der
Anonymus eine therapeutische Notiz bei: „Die Nieswurz dient zur
Entfernung des Galligen und zwar die weisse, um es nach oben
zu treiben, die schwarze nach unten.“ Die Purgiergurke, „durch
die Nase aufgenommen oder auch auf den Nabel des kleinen Kindes
gelegt, reinigt sie bald nach oben und bald nach unten und bald
vom Galligen und bald vom Wässrigen. Offenbar dringt die darin
befindliche Kraft durch die unsichtbaren Poren bis zu diesen Flüssig-
keiten. Führt ja doch die weisse Nieswurz, als Räuchermittel ge-
braucht, bei den Frauen aus derselben Ursache den Monatsfluss
herbei.‘ |
Des weiteren wird der Geruch des Brotes als Mittel gegen
Krämpfe und als Analeptikum erwähnt. — —
Fast die gleiche Zeit, welche durch Hippokrates einen Um-
schwung in der Heilwissenschaft brachte, wurde auch für die Philo-
sophie von grundlegender Bedeutung.
Plato (429—348 v. Chr.), einem Schüler von Sokrates ver-
danken wir eine Reihe physiologischer und pathologischer Betrach-
tungen, lebensfrisch schöpferisch zwar, aber doch vorwiegend speku-
41] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 295
lativ, wührend Aristoteles (384—322 v. Chr), sein Schüler,
in seinen Betrachtungen am Lebewesen stellenweise mehr den Boden
der Nüchternheit betritt und dabei mit seinem Riesengeiste das
irdische Sein in einer bisher ungeahnten Klarheit erfasste. Er packte
förmlich die philosophischen Gemüter. Aber gerade dadurch, dass
seine Lehre, die naturwissenschaftlich-medizinische, das Verständnis
der Gelehrtenwelt auch der kommenden Jahrhunderte fand, trat später
zwischen ihr, der Lösung der Rätsel diesseitigen Lebens, und dem
Dogmatismus des Christentums, der Lösung der Rätsel des Jen-
seits, jene unheilvolle Verbindung ein, die sich zur Scholastik ver-
dichtete.
Aristoteles (384—323), geb. zu Stagyra auf der Halbinsel
Chalcidice, wurde der Lehrer Alexanders des Grossen. Auf den
Feldzügen lernte dieser die weit ausgebildeten naturwissenschaft-
lichen Kenntnisse und Schätze Indiens kennen. Und diese blieben
nicht ohne Einfluss auf die Forschungen seines Lehrers. Es ist
wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass er sich mit anatomischen
Studien am menschlichen Körper beschäftigte, deren wichtigstes Er-
gebnis die Entdeckung der Nerven (mogot to éyxeqadov) ist.
Da wir hier zum ersten Male auf tiefere Studien physiologischer
Art stossen, erscheint es mir angebracht, diese in ihren allgemeinen
Grundzügen darzustellen:
Eine Unterscheidung der Nerven, Sehnen und Bänder war bis
zu Aristoteles unbekannt. Während ferner bei Plato die Lungen den
Durchgangskanal für die zu den Nieren und der Blase gehenden Ge-
tränke bilden und ausserdem die Aufgabe haben, die zum Herzen
gehende Luft abzukühlen, nimmt Aristoteles nur die letztere Funktion
als die Aufgabe der Lungen an. Das Gehirn ist nach ihm eine blut-
leere feuchte Masse, die mit dem Rückenmark im Zusammenhang
steht. Wegen dieser blutleeren, also kalten Natur ist das Schleim
absondernde Gehirn die Ursprungsstelle aller Flüsse. Das Empfin-
dungszentrum ist das Herz. Das Gehirn kann es wegen seiner kalten
Natur nicht sein. Es ist empfindungslos und hat die Aufgabe, das
aufwallende Herzblut abzukühlen und somit zu mässigen. Die mittlere
Temperatur des Körpers kommt auf diesem Wege der Mischung
durch das kalte Gehirn und das warme Herz zustande.
Flüsse aus dem Kopfe entstehen nun dadurch, dass die das
Gehirn umgebende Teile des Körpers unter das Mittel sich ab-
kühlen. |
Diese Veränderung der Säfteregulierung spielt sich nach
Aristoteles so ab, dass die aus der aufgenommenen Nahrung ge-
206 | Karl Kassel. [42
bildeten Säfte durch die Gefässe nach oben steigen und im Gehirn
erkalten. Die Absonderung (Fluss) tritt schliesslich als Schleim
oder Jauche nach aussen. Das aus den Nahrungssäften durch Ver-
dauung entstandene Blut kann erkranken und Blutflüsse (Nase, Darm,
Krampfadern) erzeugen. —
Im Gegensatz zu Hippokrates nimmt er an, dass nicht das Ge-
hirn der Sitz des Geruchsinnes ist, sondern dass die Funktion des
Riechens ausschliesslich der Nase zukommt. Das Gefühlszentrum
freilich ist das Herz. Zu diesem hin strömt durch die Nase die
Atmungsluft. Und nur durch die Einatmung durch die Nase ent-
steht die Sinnesempfindung des Geruchs. Diese wiederum stellt den
Regulierungsapparat für die Atmung dar. Unter Riechen versteht
Aristoteles das Wahrnehmen von Dünsten mit Hilfe der nasalen
Einatmungsluft.
Während die Ohren unbeweglich sind, ist die Nase leicht be-
weglich. Er erwühnt anatomisch nur die Nasenscheidewand, welche
die Nase in zwei Hohlkanäle teilt.
Von pathologischen Bemerkungen sind zu erwähnen die über
das Niesen, der Schnupfen und das vikariierende Nasenbluten.
Das Niesen ist ein Hervorpressen angesammelten Atems durch
die Nase. Aristoteles bezeichnet es als ein ominöses und heiliges
Zeichen. |
Über das vikariierende Nasenbluten sagt er, es trete bei Aus-
bleiben der Menses ein. Andere Frauen bekommen Aderbrüche oder
goldene Ader. „Wenn dergleichen sich ereignet, so ist die Monats-
zeit nicht in Ordnung.“
Die Entstehung des Schnupfens vergleicht er recht interessant
mit derjenigen des Regens; „indem die Dünste von der Erde auf-
steigen und von der Wärme emporgetragen werden, so werden sie,
in der über der Erde befindlichen Luft angelangt, durch die Kälte
wieder zu Wasser verdichtet und strömen zur Erde hernieder." -—
Der Niedergang der griechischen Macht und ihre Ablösung
durch die römische Weltherrschaft bereitete sich auf allen Gebieten
kultureller Arbeit deutlich vor.
Immer unruhiger wird die Entwickelung, Sekte kämpft gegen
Sekte — nur Bruchstücke ihres Wissens sind uns erhalten. Auf
fremdes Gebiet flüchtet die griechische Gelehrtenwelt.
Kurz nach dem Tode des Hippokrates ging Griechenlands
Freiheit zugrunde Alexandrien wurde der Sammelpunkt und die
Stütze aller Wissenschaft, daneben aber auch Pergamus. Und schon
43) I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 297
begann, wenn auch vereinzelt, die Wanderung griechischer Arzte
nach Rom.
Wer das Verhältnis zwischen Rom und Griechenland kennen
lernen will, der beachte die Wut, mit der schon M. Porcius Cato
(gestorben 149 v. Chr.) die erste Niederlassung eines griechischen
Arztes in Rom begrüsste. In einem uns erhaltenen Fragmente, Libri
ad Marium filium, schreibt er:
„Über jenes Griechenvolk schreibe ich dir noch an geeignetem
Orte nach den Erfahrungen, welche ich mit ihm in Athen gemacht
habe. Man soll ihre Werke kennen lernen, aber man soll sich
nicht in sie vertiefen. Sicher ist jenes Volk überaus nichtswürdig
und ungebildet. Und das hat, glaube es mir, jener Seher voraus-
gesagt, dass jener Stamm dereinst mit seiner Wissenschaft alles
verderben wird und das nicht zum wenigsten, wenn er uns seine
Ärzte hierher schickt. Geschworen haben sie es unter sich, mit
ihren Arzneien die Barbaren umzubringen. Sie werden es getreu-
lich um Sold tun, um uns völlig zu vernichten. Auch uns noch
schimpfen sie Barbaren, besudeln uns mit der Bezeichnung Dumm-
köpfe. Ich warne dich vor den Ärzten!“
Gegen den Widerspruch Catos wurde auf öffentliche Kosten
der erste griechische Arzt, Archegathus, in Rom angesiedelt. Er
war Arzt und Tabernenwirt. Durch sein Schneiden und Brennen
machte er sich allerdings bald unbeliebt. Man gab ihm den Bei-
namen Carnifex, Schlächter. ...
Auf solchem Boden, welcher trotz der langen Zeit seit Catos
Tode für die Wissenschaften derselbe geblieben, begegnen wir jetzt
der Kunst Aeskulaps. Wenig Lichtpunkte nur bietet sie uns, am
wenigsten natürlich die autochthonrómische, soweit von einer solchen
überhaupt die Rede sein kann. Daher erscheint es ratsam, die Reihe
der griechischen Ärzte zunächst weiter zu verfolgen. Allerdings
finden wir da jetzt eine grosse Lücke, bis wir bei Galen Spuren
aus den medizinischen Werken dieser Zeit wieder antreffen. —-
Um das Jahr 47 n. Chr. schrieb Seribonius Largus, der
Leibarzt des Kaisers Claudius seine Compositiones von 271 Rezepten.
Allerhand Volksmittel finden Eingang in diese Sammlung, worunter
u. a. die Elektrizität des Zitterrochens bei hartnickigem Kopf-
schmerz und Podagra Erwähnung verdient. Er rühmte den Nutzen
der Stahlbäder.
Scribonius Largus zählt den Herophilus!) zu den grössten
ET Herophilus aus Chalcedonia, um 800 v. Chr, war neben Erasistratos,
(gest. 280 v. Chr.), der bedeutendste Arzt der Alexandrinischen Schule, jedoch
208 c - A Karl Kassel. E [44
Ärzten. Von ihm berichtet er das Wort, Heilmittel gleichen den
Händen Gottes, deren Berührung wirke wie ein Medikament aus
erfahrener Hand. Für ein und dasselbe Leiden müssen mehrere
Mittel zur Verfügung stehen, da wegen der verschiedenen Beschaffen-
heit der Körper nicht jedes Mittel für alle Körper passt. Dabei
empfiehlt er zunächst die einfachen, da diese zuweilen wirkungs-
voller sind als die zusammengesetzten. Er preist die Lehre . des
Hippokrates und auf sie stützt er auch seine Therapie.
Anhaltenden Kopfschmerz, Ohr- und Zahnsehmerz, plótzlichen
Schwindel, Epilepsie, geistige Verwirrung behandelt er mit Ableitung
der Kopfsáfte durch die Nase und den Mund. — Tags vorher muss
der Patient fasten, an den folgenden Tagen darf er nur Wasser
bekommen.
Die Reinigung der Nase geschieht mittelst eines Horns,
Rhinenchytes, aus dem das Mittel tropfenweise in die Nase fliesst.
Bei Juvenal!), Satyr. 14, ist ein gleiches Instrument erwähnt:
magno cum rhinocerote lavari, d. h. das Badehorn oder Olglas,
welches die Barbiere beim Baden zur Durchspülung der Nase be-
nützen.
Der Medikamentenschatz ist ein sehr umfangreicher: Efeusaft
oder Rübensaft, diese allein oder mit geringer Menge Kupferblüte,
ferner Erdápfelsaft (cyclamen) mit Milch oder Wasser zu gleichen
Teilen.
Eine gute Mischung, die Safte durch die Nase abzuleiten, be-
steht auch aus Salz, Soda, Honig, Essig, altem Ol zu je zwei
Denargewichten, Erdäpfelsaft, Läusekraut — womit man die Läuse
tötet — zu je einem Denargewicht. Das Ganze wird zusammen-
gemischt und mittelst des Hornes oder einer langen Feder in die
Nase gebracht. Hat man hiervon genug eingegossen, so spüle man
längere Zeit mit klarem Wasser nach oder mit Wasser, in welchem
ein Tag lang zerschnittener Crocus gelegen.
Wenn die Ableitung durch die Nase schmerzhaft ist, so leite
man durch den Mund ab.
Die Kur bei langanhaltendem Kopfschmerz ist eine vorwiegend
ableitende. Der Kopf wird rasiert und massiert. Gleichzeitig wird
schon vorwiegend Empiriker. Beide sind die Begründer wissenschaftlicher Anatomie
und Physiologie. Beide haben menschliche Leichen zu Studienzwecken zerkleinert.
— Herophilus durchforschte im besonderen den Bau des Gehirns (Torcular Hero-
phili). gt | |
!) D. Junius Juvenal, römischer Satyriker, 47—188 n. Chr.
45] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 299
folgendes Niesemittel mit einer Feder oder einem Schreibgriffel in
die Nase gebracht: es besteht aus weisser Nieswurz, Bibergeil,
Seifenkraut, weissem Pfeffer zu je einem Denargewicht. Das Ganze
wird fein zerstossen und gesiebt. Auch kann man einen Pinsel in
Wasser tauchen, dieses abschütteln und jenen dann in die Nase
führen. Schliesslich erregt Nieswurz allein Niesen. :
Scribonius Largus bespricht die Behandlung der Ohrpolypen
und erwähnt zum Schluss, dass sie die. námliche ist wie die Ge-
schwürsbildung der Nase und bei Ozaena. Er hebt besonders her-
vor, dass seine Therapie schmerzlos ist und auf das Glüheisen ver-
zichtet. Er lässt Pastillen anfertigen, welche aus je drei Gewichts-
teilen gespaltenem Alaun, Grünspan, gebranntem gelben Atrament-
stein, sinopischem Rótel, Commi zu sechs Teilen. Dies wird mit
scharfem Essig verrieben, bis es Salbenkonsistenz angenommen;
dann wird Commi zugesetzt. Hieraus schliesslich werden Pastillen
gefertigt.
Starkes Nasenbluten muss schnell gestillt werden, da es sonst
geführlich ist. Hierbei hilft Wasser oder Essigwasser, unerwartet
ins Gesicht gespritzt oder mit einem Schwamm ans Gesicht ge-
klatscht, um dieses abkühlen. Scharfen Essig giesst man in das
Ohr der blutenden Seite, oder, wenn die Blutung eine doppelseitige
ist, in beide Ohren. Mit Gips bestreicht man dick das ganze Ge-
sicht und die Stirn, hauptsächlich aber die Nase. Über den Kopf
giesst man reichlich kaltes Wasser aus einem darüber gehaltenen
Gefáss. Ans Hinterhaupt legt man einen Schröpfkopf. In die Nase
aber bringt man das Fleisch einer lebenden Muschel oder dieses
verrieben mit pulverisiertem Weihrauch oder auch Blutkraut, das
ja tiberall zu finden ist, ferner Mauerkraut. Auch empfiehlt es
sich, ein Stiickchen eigens fiir die Nase zugeschnittenen Schwamm,
in Essig getaucht, einzuführen. Zuweilen ist es gut, Gallapfel oder
fein zerstossenen gelben Atramentstein oder beides zusammen zu
gleichen Teilen mit Wasser vermischt in die Nase zu führen; denn
dies wirkt sicherer.
Nach Aufzählung anderer längst bekannter Blutstillmittel be-
spricht Scribonius die Beschwerlichkeit der Therapie: der Erfolg
ist zuweilen kein voller, dabei hat es den Anschein, als ob die
Patienten ersticken, wenn beide Seiten dicht verschlossen sind und
die Atmung erschwert ist. Deshalb muss man wissen, auf welchem
Wege trotz Tamponade der Nase man die Blutung stillt, ohne
dass die Atmung verlegt wird. Man nehme eine möglichst dicke
Gänsefeder oder ein Schreibrohr, das innen genügend hohl ist, be-
schneide sie der Tiefe der Nase entsprechend, so dass beide Enden
300 Karl Kassel. — — - [46
offen sind, umwickle sie mit Leinwand, so dass das Ganze in die
Nase passt, tauche es in scharfen Essig oder ausserdem noch in
irgend eines der genannten Medikamente. Diese Methode empfiehlt
sich am meisten, wenn beide Seiten bluten.
Gegen Geschwüre in der Nase: Bleischlacke, mit Wein und
Myrthenöl verrieben und eingedickt, dann mittelst Feder in die Nase
gebracht.
Auch folgendes ist gut: Hüttenrauch 4 Denargewichte, Wachs 12,
Ysop 3. Dieses wird mit Falernerwein und Rose zur Honigdicke
vermengt.
Gegen Ozaena: Grünspan und Kupferhammerschlag werden zu
je sechs Unzen mit Honigschaum gekocht und flüssig durch eine
Feder in die Nase gebracht.
* Gegen Nasenpolypen werden die alten Medikamente empfohlen.
Das wichtigste Leiden ist der Nasenfluss, welcher aus der An-
schwellung in der Nase entsteht. Hiergegen hilft eintägige voll-
ständige Ruhe und Enthaltung von aller Arbeit. Die Schleimhaut
der Nase ist einzusalben mit flüssigem Judenpech oder Myrrhenöl
oder flüssigem Pech. Am folgenden Tage gibt man dem Patienten
zur Nacht ausser der gewöhnlichen Nahrung eine jener Pastillen,
und wenn es erforderlich ist, drei Tage hintereinander zur selben
Zeit. Ausserdem erhält er folgendes Medikament: 3 Teile Sellerie-
samen, Anis 4, Schierlingsamen 3, Opium 1 Unze. Hiervon werden
Pastillen zu 3 Teilen gemacht und mit 3 Zyathen Wasser gegeben.
Es wird das sogenannte grüne Irispflaster des sonst unbekannten
Chirurgen Glyco beschrieben. Scribonius bezeichnet es als das beste
in seiner Art. Es ist beinahe ein chirurgisches Allheilmittel. U. a.
stillt es Nasenbluten und heilt es Geschwüre in der Nase, wenn man
es auf die Stirn legt. Es enthält: Gebranntes Kupfer, Cyprisches Erz
(Kupfer), Grünspan, Salz (sal fossium), Ammoniaktropfen, männ-
lichen Weihrauch, rundes Osterluzei (malum terrae, aQuoroàoxía
oteoyyvAn), kretisches Osterluzei, wie es die Salbenmacher brauchen,
runden Alaun, von allem je 1 Unze, Myrrhe, Galbanumharz, Aloe
je 2 Zyathen, Wachs 4 Unzen, Kolophoniumharz 4, Öl 1 Sextarius.
Das Ganze wird auf Feuer in einem Mörser unter Essigzusatz
flüssig gemacht und gemischt und schliesslich wird ein Pflaster
daraus bereitet. —
So bedeutungsvoll Pedanios Dioskurides aus Anazarbros
in Kilikien für die Geschichte der Pharmakologie ist, so kommt er
doch für unsere Spezialgeschichte nur wenig in Betracht. Er war
der Erste, welcher die Arzneimittellehre wissenschaftlich vorgetragen
41] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 301
hat. Für die Behandlung der Nasenkrankheiten übernahm er alle
Heilmittel aus vergangener Zeit. Von Bedeutung bleibt es, dass in
seinem umfangreichen Werke de medicinali materia jedes einzelne
derselben wissenschaftlich erórtert ist. Er lebte zur Zeit des Kaisers
Nero, um 54 n. Chr. |
Das erste Jahrhundert nach Christus brachte uns ferner einen
der trefflichsten Árzte des Altertums, Aretaeus von Kappa-
dozien!), der in seiner Diagnostik und Beschreibung der hitzigen
und langwierigen Krankheiten dem Altvater Hippokrates sehr wohl
an die Seite gestellt zu werden verdient. Vom Aderlass macht er
den weitestgehenden Gebrauch und während Hippokrates lehrte, man
solle möglich weit vom kranken Orte die Ader öffnen, um das
Blut von ihm abzuleiten, stellt er sich, wie vor ihm schon Celsus,
auf den entgegengesetzten Standpunkt und entzieht bei Krankheiten
der Nase das Blut aus der Cephalaea. Ferner bedient er sich zur
Blutentziehung einer originellen chirurgischen Methode und zwar
mittelst eines schneidenden Instruments (xavidótov) oder eines
stumpfen Löffels (zogvvn). Ist ein solches nicht zur Hand, so
beschneidet man eine Gänsefeder derart, dass der Rand sägeförmig
wird. Ein derartiges Instrument führt man bis zum Siebbein und
skarifiziert hier die Schleimhaut. Aretaeus erzählt, dass im Volke
ein noch einfacherer Weg Sitte wäre: rauhe Kräuter oder trockene
Lorbeerblätter bringt man in die Nase und reibt diese so lange,
bis die Blutung erfolgt. — Er erwähnt, dass bei der Gicht die Nase
ergriffen werden kann.
In dem Kapitel über Blutflüsse beschreibt er die aus dem
Kopfe stammenden Blutungen der Nase, die ihren Weg teils vorn-
heraus, teils zum Gaumen hinunter nehmen. Ich gebe diesen Teil
in der Übersetzung von Mann wieder:
„Der Kopf ist schwer und tut weh, die Ohren klingen, das
Gesicht ist gerötet, die Venen sind strotzend angefüllt, vor den
Augen drehen sich die Gegenstände. Oft haben diese Erscheinungen
eine ganz bestimmte Ursache: einen Schlag, Erkältung, Erhitzung,
Trunkenheit. Durch den letzteren Umstand wird der Kopf schnell
angefüllt, aber auch ebenso schnell durch Ruptur eines Gefässes
wieder entleert. Bei einer nur geringen Trunkenheit geschieht die
Ptysis durch Auflockerung. Bisweilen hört ein gewohntes Nasen-
1) Aretaeus aus Kappadozien, etwa 100 n. Chr., Zeitgenosse des Archigenes.
Er war Pneumatiker, wurde aber im Altertum so wenig geschützt, dass Galen,
dessen Werke für uns doch eine Fundgrube an damaligen, uns leider verloren
gegangenen Literarschätzen ist, ihn gar nicht erwähnt,
302 Karl Kassel. > -— [48
bluten auf, das Blut aber läuft nach dem Gaumen hin und bewirkt
so anscheinend eine Anagoge (Blutung aus der Tiefe). Kommt es
aber vom Kopfe, so entsteht am Gaumen ein kitzelndes Gefühl mit
häufigem Räuspern und schnell dringt das Blut hervor. Damit ist
immer Hustenreiz, aber nicht viel Husten verbunden. Fliesst da-
gegen das Blut vom Gaumen her in die Luftröhre, so wird es mit
Husten heraufgebracht, und dann gewinnt es den trügerischen An-
schein, als käme die Blutung aus den tiefer gelegenen Eingeweiden.
Auch ergiesst sich zuweilen das Blut vom Kopf in den Schlund
und wird dann ausgebrochen, wodurch man ebenfalls zu der falschen
Meinung verleitet werden kann, dass das Blut aus dem Magen
stamme. Bei der Ptysis pflegt das Blut nicht sehr dick, schwarz
von Farbe, glatt, eben und ohne andere beigemischte Stoffe zu sein.
Beim Räuspern löst es sich leicht und kommt sofort in Form eines
geballten Sputums auf die Zunge. Sieht man sich aber den Gaumen
an, so erscheint dieser rauh, hat hie und da Geschwüre und ist
blutig. Daraus kann man schliessen, dass das Blut vom Kopf
herrühre.
Eine einfache Behandlung reicht in diesem Falle aus. Die an
den Gaumen zu applizierenden Mittel müssen adstringierend und
kalt sein; denn bei Anwendung erwärmender, erschlaffender, er-
weiternder Substanzen wird die Blutung noch grösser. Den Kopf
aber entleere man durch Blutentziehung an den Venen oder an
der Nase oder auf einem anderen Wege. Dies muss aber schnell
geschehen; denn ist das Blut erst längere Zeit geflossen, so ge-
wöhnt sich der Körper an die Blutung und aus Gewohnheit nehmen
die betreffenden Teile immer von Neuem wieder Blut auf.“
Aretaeus beobachtete bei dem halbseitigen Kopfschmerz (Hetero-
crania) auch eine Erkrankung des Geruchsorgans: der Patient flieht
angenehme wie auch unangenehme Gerüche. Er beschreibt ferner
im Verlaufe der Paralyse halbseitige Lähmungen, die auch eine
Hälfte der Nase bis zur Mittellinie treffen. —
Die Melancholie entsteht durch Überschwemmung des Körpers
mit schwarzem galligem Blute. Wenn bei Frauen die Menstruationen
ausbleiben, bei Männern die gewohnten hämorrhoidalen Blutungen
und wenn das Blut sich keinen anderen Ausweg (z. B. Nase) verschafft,
so treten Konvulsionen, Wahnsinn, Paralyse oder Melancholie ein.
In der Aretaeischen Therapie spielt die Ableitung und Ent-
leerung durch die Nase eine grosse Rolle.
Neben den anderen Massnahmen bei der Behandlung der Lethargie
verordnet sie Einatmung von Castoreum durch die Nase. Es erregt
Niesen und dadurch Blähungen. Es verstärkt die Absonderung von
49] I. Die Nasenheilkunde des Altertums. 308
Urin und von Nasenschleim. Es hat vor den übrigen Niesemitteln
(Pfeffer, Helleborus, Saponaria off., Euphorbiensaft) den Vorzug,
dass es den Körper erwärmt und dass es nicht wie diese unangenehme
Reizerscheinungen und Erschütterungen in Nase und Kopf ver-
ursacht. Er rät, die Reizmittel für die Nase in feuchter Form in
diese zu bringen und hierzu scharfe, aber wärmende Substanzen
zu wählen, z. B. Castoreum, Satureia thymbra, Mentha pulegium,
Thymus serpyllum, entweder grün oder mit Essig angefeuchtet.
Archigenes (um 100 n. Chr), ein Pneumatiker!) Für
Nasengeschwüre stellt er folgende fette Salbe her: zerstossene Blei-
schlacke wird mit altem Wein und Myrthenól zu gleichen Teilen
vermischt, in einem irdenen Gefásse auf Kohlenfeuer gekocht und
dabei fortwáhrend gerührt. Wenn das Medikament nun die Konsistenz
des Kotes erlangt hat, hebe man es in einer bleiernen Büchse auf.
Archigenes sucht die wesentlichste Ursache für die Entstehung
der Nasenkrankheiten in der Abkühlung der Nase und ihrer be-
nachbarten Teile durch Einatmung kalter Luft.
Gegen Verstopfung der Nase und Stórung des Geruchs ver-
ordnet er Reinigung des Leibes mittelst Kürbissaftes. — Ferner
das schwarze Mittel aus dem Safte von Meerlattich, Meerzwiebelsaft
und ähnlichem. Dieses muss man aber 15 Tage lang benützen.
Bei Schmerzen in der Nase und Ozäna soll man den Saft
von wildem Poley oder den Poley getrocknet und zerstossen mittelst
eines Halmes in die Nase blasen. Den Saft muss man hintereinander
längere Zeit eintropfen. Auch kann man Honig in die Nase bringen
und dann durch Niesemittel die Borken entfernen. Darauf lässt man
weissen Nieswurz mit reichlichem Kressensamen durch die Nase
aufziehen und schliesslich Ölschaum mit Honig einführen.
Bei Rufus von Ephesus?), einem Eklektiker, aus dessen
Werken uns durch Rhazes (850—930 n. Chr.) Fragmente über-
liefert sind, finden wir folgende Beschreibung:
Die vorspringenden knöchernen Teile (des Schädels) unterhalb
der Augen nennt man die Regio subophthalamica. Sie bildet den
vorderen Teil des Oberkiefers und wird von anderen Regio suboptica
(Ow) genannt. — Die Nase nimmt das Gebiet zwischen den Augen.
brauen ein. Die Hohlraume der Nase heissen bei den einen die
Abzugskanäle, Reinigungskanäle für den Nasenschleim, oder wie die
Athener sie bezeichnen, für die Feuchtigkeit überhaupt. Hippo-
krates versteht unter Nasenabsonderung die Verschleimung der Nase,
während die Athener hierfür das Wort Schnupfen (xogv.e) setzen.
1) Von Aetius überliefert. 2) Mitte des 1. Jahrhunderts.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. Il!, H. 3. 21
304 Karl Kassel. [50
Die beiden Nasenhóhlen sind durch eine knorplige Scheidewand ge-
trennt. Auf jeder Seite des Knochengerüstes zieht ein Dorn in der
Richtung zur Wange. Die fleischige Bedeckung nennt man Nasen-
flügel. Diese bewegen sich bei starker Atemnot aber auch sonst,
wenn man will. Die Nasenscheidewand geht nach unten in die
Lippen tiber. Die Nase endet nach vorn in einer kleinen Rundung.
Uber der Oberlippe und unterhalb des unteren Teiles der Scheide-
wand ist ein grubenartiges Gebilde. Unterhalb der Nase dehnt sich
die Oberlippe aus.
Zwischen den Augenhohlen ragt das Nasengeriist hervor, welches
in sich das Siebbein einschliesst. Dieses hat seinen Namen daher,
dass es von einer grossen Anzahl von Löchern durchbohrt ist. —
Dureh die Siebbeinlócher ziehen Nerven hinab zur Nase.
Rufus sagt: Gegen Nasengeschwüre hilft eine eingedickte Ab-
kochung von Galläpfeln, Honig, Myrtensamen, Wein und Saft von
Granatäpfeln.
Bei Bruch der Nase füllt man diese kräftig mit Seide voll,
darauf stellt man sie von aussen richtig und zieht die Seide nicht
eher heraus, als bis die Nase die normale Gestalt behält. Hierbei
empfiehlt es sich auch, mittelst Röhrchen zernagende und beissende
Mittel in die Nase einzuführen. Dann soll man durch Niesemittel
das aus der Nase herausbefördern, was durch jene Medikamente
zerfressen worden ist.
Salbe gegen Nasengeschwüre: Bleischlacke, Blei und alter Wein
werden mit Myrtenöl verrieben und auf Feuer langsam gekocht,
umgerührt bis zur Eindickung, darauf in einem ehernen Gefässe bis
zum Gebrauch aufbewahrt. Oder: Gebranntes Blei wird mit Wein
und Myrtenöl zubereitet. Oder: Silberglätte, Wachs, Rinde von
Granatäpfeln werden mit Myrtenöl und Wein gemischt und zur
Salbe verrieben.
Gegen Fleischgewächse in der Nase: Schwefelsäure (vitreolum),
Grünspan (aes viride) und Teufelsdreck werden gut verrieben und
fünf Tage lang wiederholt aufgelegt. Dann wird das Gewächs mit
einem geeigneten Instrument herausgezogen. Bleibt etwas davon in
der Nase, so muss man es durch stark wirkende Niesemittel heraus-
befördern.
Über den Geruch aus der Nase: Besteht der Fötor erst kurze
Zeit, so träufle man. den Saft der wilden Minze ein oder lasse
diesen eintrocknen und blase das Pulver ein. Oder: man mische
Zyperngras, Alaun, Myrrhe, Safran und Auripigment mit Essig und
lege es auf. Oder: Der Saft des siissen und des herben Granat-
apfels wird in einem ehernen Gefässe durch Kochen eingedickt,
51] I. Die Nasenbeilkunde des Altertum. 30
wehlrieckenie Mitte} werden zuzesetzt. hiermit wird ein Leinen-
tamper testrichen. weieher in die Nase zebraetit. wird. --
In der zesamten Therapie des Caelius Aurelianus"
spielen. die Oderamente eine. zrosse Rolle. Er wendet sieh gecen
Asklepiades. welcher deren Wert bestritt und z. B. die Verwendung
der Haut, bei Irresein. deswezen ablehnte, weil sie. dureh. die. Nase
einzeatmet. das (Gehirn allzusehr reize. Aber gerade wegen dieses
Einflusses ist Aurelian fur die Reizmittel der Nase. Er hält dem
Asklepiages die Wirkung des Bibergeil vor und zwar habe er oft
beim Eintritt ins Krankenzimmer geroehen. dass der Patient Biber-
geil benützt habe. Er habe dabei diesen von Schwindel befallen ge
funden. Daher frazt er: .Was kann es also Wirksameres für das
Gehirn geben?”
Bei Herzkrämpfen wirken Riechmittel krafugend wie zugefuhrte
Nahrunz. Bei Epilepsie hilft der Geruch von Essig, Rosenol und
Bibergeil Es treibt die schlechten Säfte zurück.
In der Beschreibung und Behandlung des Katarrııs schliesst
Aurelian sich vorwiezend Celsus und Galen an. Jedoch finden wir
von ihm den Luftwechsel als Heilfaktor hervorgehoben und zwar
den Aufenthalt am Meere und das Baden in ihm.
Aus einer Polemik gegen Erasistratus und Asklepiades erfahren
wir einiges Interessante aus deren Therapie: sie bevorzugen eine
zusammenziehende Therapie und Diät, ohne zu sehen, dass die Er-
krankung selbst auf Zusammenziehung beruht. Daher geben sie
bei verschiedenen Krankheiten reichlich Schwefel, beschütten damit
auch die Wolle, mit welcher der Patient warm eingewickelt wird,
zeben illyrische Iris, gestossen und in öliger Mischung als Riech-
mittel. Auch lassen sie Balsam und Schwarzkümmel lange vor die
Nase halten; sie verordnen ferner Anis, Kronkümmel, Raute, Myrrhe
mit Weihrauch, Schwefel usf. — Dabei füllen diese doch noch
mehr den Kopf und sind deshalb zu vermeiden. Dagegen helfen
sie und sind sie zu empfehlen, wenn man sie mit Unterbrechung und
vorsichtig anwendet. — In einer sehr eingehenden Besprechung
der Paralyse erwähnt Aurelian auch den Verlust des Geruchs im
Verlaufe dieser Erkrankung. Er unterscheidet diesen Verlust sehr
scharf von dem Geruchsverlust bei der Ozäna. Im Gegensatz zu
der Paralyse tritt bei der Ozäna weder eine Reaktionslosigkeit des
Organs selbst, noch ein Erblassen der inneren Nasenwand, noch eine
Ernáhrungsstórung ein, welche die Griechen Atrophie bezeichnen.
— — — — ete
1) 8. Jahrhundert (jedenfalls nach Galen), Methodiker, aus Sicca in Numidien,
lebte in Rom.
21*
306 Karl Kassel. [52
Aus dem Codex Augiensis CXX s. IX/X. veröffentlichte Val.
Rose Bruchstücke, von denen es nicht feststeht, ob sie von Caelius
Aurelianus oder von Soranus (Methodiker um 100 n. Chr.)
stammen.
Die Notiz 58 handelt von dem Zeichen des Wahnsinns, unter
denen Kopfschmerz mit Schnupfen, Ohrensausen und Ohrenklingen
genannt werden.
Notiz 71ff., von denen die einleitenden Sätze im Texte wieder-
gegeben sein mögen:
Quid est catarrus. Fluens variis et faucis et pulmone. —
Unde catarrus dictus est afluere. Greci enim catarrum fluorem
vocant. |
Quibus aliis speciebus in omnibus catarrus appellatur. Anares
factus bronceosa faucis corrigiam (der sich hinzieht nach) ad pul.
monem tisis. d
Hieraus erhellt, so lesen wir weiter, dass die Nase der Ur-
sprung des Katarrhs ist. Es besteht Schnupfen und Verstopfung
der Nase und der Stirn, dabei fortwährender Abfluss dünner oder
dicker oder grüner Säfte. Der Geruchsinn ist sehr geschwächt.
Im Pseudo-Soranus (122/123) wird das Nasenbluten als
kritische Erscheinung erwähnt. Die Stelle sei wegen der neuen Nomen-
klatur erwähnt:
Quid est nothros febris? quae cum carebaria fit id est capitis
gravitate et proprie ex naribus sanguinis facit fluxum et ventris
solutionem constricti.
Quid est phricodes febris? quae fit cum carebariis et per nares
sanguinis facit fluxum et ventris solutionem, habens rigorem cum
calore et pulsus valde tenues et imbecilles.
(Fortsetzung folgt.)
II. Referate.
l. Allgemeines, Geschichte usw.
175. Hasslauer, München, Ein Taschenbesteck für den prakti-
schen Arzt und Militärarzt für Behandlung von Ohren»,
Nasen- und Halskrankheiten. Münch. med. Wochenschr. 1910.
Nr. 20. S. 1070.
Inbalt aus Überschrift. Illustration. Katz.
176. S. A. Pfannenstill, Ein Fall von vorgeschrittener Tuber-
kulose des Sehlundes und des Kehlkopfes, welcher durch
eine neue Behandlungsmethode geheilt wurde. Hygiea 1910.
Nr. 5. S. 472.
177. Derselbe, Demonstration von neuen Fallen, mit Jodnatrium
und Ozon behandelt, sowie einige weitere Worte über diese
Behandlungsmethode. Hygiea 1910. Nr. 5. S. 492.
178. Derselbe, Weitere Fülle von Tuberkulose und Lupus der
oberen Luftwege, mit Jodnatrium und Ozon behandelt.
Hygtea 1910. Nr. 6. S. 619.
Die Methode von Pfannenstill besteht darin, dass er innerlich Jod-
natrium verabreicht und gleichzeitig die Patienten Ozon inhalieren lässt;
es soll hierdurch auf der Oberfläche von Geschwüren Jodnatrium gespalten
werden, so dass Jod freigemacht wird und in statu nascendi wirken kann.
Die betreffende Methode ist natürlich nur dann verwendbar, wenn Ge-
schwüre vorliegen und auch dann nur, wenn der ganze Prozess nicht zu
sebr in die Tiefe geht. Pfannenstill berichtet im ganzen über 4 ge-
heilte Fülle; in einem Fall von Kehlkopftuberkulose wurde jedoch vorerst
eine Exzision mit Doppelkürette gemacht; zwei der anderen Fälle gaben
positive Wassermann ’sche Reaktion, eine Tatsache, die Verf. nicht
recht zu erklären vermag; trotzdem meint er aus dem ganzen Aussehen
und Verlauf der Krankheit schliessen zu können, dass es sich um Tuber-
kulose, bzw. Lupus handle, u. a. zeigte sich energische Behandlung mit
Jodnatrium allein sowie mit Hg völlig wirkungslos. Jörgen Möller.
308 Referate. [2
179. Schmuckert, Freiburg i. Br., Zur endoskopischen Unter-
suchung des Nasenrachenraumes u. des Kehlkopfes. Münch.
med. Wochenschr. 1910. Nr. 11. S. 876.
Uber den Wert des Schmuckert’schen Pharyngoskopes kann man
geteilter Ansicht sein. In einzelnen Fállen mag es sich als ganz nützlich
erweisen, in anderen kann es auch zur Verflachung der gewohnten Unter-
suchungsmethoden führen. Auch scheint das optische System nicht ganz
richtig zu sein, insofern man vielfach verzeichnete Bilder erhalt, die den
dem Orginal beigegebenen Abbildungen absolut nicht gleichwertig sind.
Katz.
180. A. v. Sokolowski, Zur Klimatotherapie Madeiras und der
kanarischen Inseln. Zeitschr. f. Tuberkulose. Bd. XVI. Heft 1.
Diese Schilderung des bekannten Warschauer Klinikers ist auch für
den Halsarzt von Interesse. Aus eigener Anschauung schildert der Verf.
die klimatischen Vorzüge der Inseln für Kranke mit katarrhalischen
Affektionen der oberen Luftwege und der Lungen.
Schröder, Schömberg.
181. Wells, W. A., Washington, The hygienic, economic and
sociologic aspect of the throat. (Die Erkrankungen des Halses
in hygieniseher, ökonomischer und soziologischer Hinsicht.)
The Laryngoscope 1910. Nr. 1
Die Sterblichkeit infolge Erkrankungen des Halses ist verhältnis-
müssig gering, doch ist kein Organ von grösserer hygienischer Wichtigkeit.
Halserkrankungen bedeuten ökonomischen Verlust (Redner, Sänger etc.),
ihrer Verbreitung Einhalt zu tun, ist die soziologische Aufgabe des
Staates.
Neben Erkältung ist das Entweichen von Gasen aus Kanälen für
die Háufigkeit der Halskrankheiten verantwortlich.
Industrielle Betriebe sollen gut ventiliert, von schädlichem Staube
und giftigen Gasen freigehalten sein, wozu staatliche Aufsicht, guter Wille
der Fabrikanten und intelligente Mitarbeit der Angestellten nötig ist.
Otto Glogau, New-York.
2. Nase und Nebenhóhlen.
182. Casselberry, W. E., Chicago, A new method of packing
the nostril, designed to prevent post-operative hemorrhage
and a new quadrivalue self-retaining nasal speculum. (Neue
nasale Blutstillungsmethode, Beschreibung des dabei ver-
wendeten Speculums.) The Laryngoscope 1910. Nr. 1
Ein Gummifinger mit keulenfórmigem Ende wird in der Nase nach
rückwürts geschoben und mit Gaze gefüllt nach deren glatter, leichter
Entfernung die Hülle von selbst aus der Nase gleitet. Das dabei ver-
wendete Speculum besteht aus vier Spangen und halt von selbst fest.
Ref. sah die Methode am vorjährigen amerikanischen Ärztekongress in
Atlantic City von D. Casselberry demonstriert und findet sie
genial einfach. Otto Glogau, New-York.
183. von Eicken, Transplantation bei Synechien in der Nase
und bei Verwachsungen des Gaumensegels mit der hinteren
Rachenwand. Zeztschr. fiir Ohrenhetlkunde etc. LXI. Bd. 2. H.
3] Referate. 309
In der Siebenmannschen Klinik wird bei Synechieen in der Nase und
bei Verwachsungen des Gaumensegels mit der hinteren Rachenwand mit
günstigem Erfolg die Transplantation angewendet. — Nachdem, wenn er-
forderlich, die submukóse Septumresektion ausgeführt ist, wird die Synechie
durchtrennt und ein zu einem derben Tampon mehrfach zusammengelegter
und mit Borsäurelösung getrünkter Gegenstreifen zwischen die Wund-
flächen eingelegt, nachdem er von einem dem Oberarm oder Oberschenkel
entnommenen Thiersch’schen Hautlappen überzogen ist, so zwar, dass
die Hornschicht nach innen und die Schnittfläche nach aussen liegt. —
Der Lappen muss doppelt so lang sein wie der Tampon und so breit
wie der Umfang desselben, damit sich beim Einschieben der Lappen
nicht umkrempt. — Nach 3—6 Tagen wird der Tampon nach Aufweichen
mit Wasserstoffsuperoxyd vorsichtig aus der Nase entfernt; im Bereich
der ehemaligen Synechie haftet der Lappen der Unterfläche meist fest
an, doch auch bei Lösung desselben trat stets schnelle Überhäutung und
voller Erfolg ein. — Die Gefahr, dass das geschichtete Plattenepithel des
Epidermislappens zu Epitheldesquamation und Krustenbildung führen
könnte, besteht kaum, da das Epithel des Lappens allmählich sich in
dem Sinn umzuwandeln scheint, dass keine Verhornung der Epithelien
mehr eintritt. Möglicherweise kann das Siebenmannsche Verfahren
auch bei analogen Veränderungen im Kehlkopf von Erfolg sein.
Oertel, Dresden,
184. Hirsch, Prag, Demonstrationen von Augenaffektionen bei
Hydrops der Nebenhöhlen der Nase. Wiener klin. Wochenschr.
1910. Nr. 29.
1. 58 jähriger Kranker mit Hydrops des rechten und linken Sinus
frontalis wie des linken Sinus ethmoidalis und des linken Antrum Highmori.
Beiderseitige Sehnervenatrophie. 2. Röntgenbild einer 46 jährigen Frau
mit Hydrops der linken Stirnhóhle. Unbedeutende Augenbeschwerden,
jedoch seit 20 Jahren Migräne mit Erbrechen. Sippel, Würzburg.
185. Jouty, Kritik der pathogenetischen Theorien der Ozüna.
(Critique des théories pathogéniques de l’ozene.) Archives
internat. de laryngologie. Mar. Junt. 1910. Nr. 3.
Nach einer eingehenden Kritik der verschiedenen Ozänatheorien, neigt
Verf. zur Annahme einer neurotrophischen Ursache Er vergleicht den
Ozánaprozess mit der Entwickelung des Ekzems, welches auch mit einer
Kongestion beginnt und als Endstadium eine Atrophie mit Schuppen-
bildung, manchmal Bildung von nässenden Borken aufweist. Und dabei
(nämlich beim Ekzem) ist nur die fehlerhafte Trophizität (Gewebsernährung)
und nicht die Infektion verantwortlich. Vielleicht liegt bei der Ozäna die
Ursache weit entfernt von der affizierten Stelle und es ist vielleicht die
mangelhafte Funktion irgend eines Organs oder eine Störung irgeud einer
Drüsenfunktion, die den Prozess veranlasst oder unterhält. Menier.
186. Kyle, John J., Indianapolis, Die Erkrankungen der Nase
in sozialer, hygienischer und ökonomischer Hinsicht. (The
social, hygienic and economic aspect of the nose.) The
Laryngoscope. 1910. Nr. 1.
Der auegeströmte Körpergeruch und die Form der Nase ist ein
Rassencharakteristikum. Geruchssinn und Geschlechtstrieb sind untrennbar.
310 Referate. [4
Bei vielen Allgemeinerkrankungen ist das Verhalten der Nase von diag-
nostischer Bedeutung. Erkrankungen und Missgestaltungen der Nase sind
kriminalogisch nicht verwertbar. Unter den hygienischen Verhaltungs-
massregeln ist das ausschliessliche Verwenden von papiernen Taschen-
tüchern die wichtigste. Die Allgemeinstörungen bei adenoiden Wucherungen
kommen dadurch zustande, dass deren toxische Exkretionen mit Nasen-
und Rachenschleim verschluckt werden. Das Fernbleiben nasenkranker
Kinder von der Schule bedeutet für den Staat einen ökonomischen Verlust.
Mangelhafter Geruchssinn ist für viele Berufe ein Hemmnis deren Appli-
kanten daher einer nasalen Untersuchung unterworfen werden sollten.
Otto Glogau, New-York.
187. Marx, Fetttransplantation nach Stirnhöhlenoperation. Zeitschr.
für Ohrenheilkunde etc. LXI. Bd. 1. H.
Verf. hat in einem Fall von Kuhntscher Operation bei auffallend
grosser Stirnhöhle mit tiefen Orbitalbuchten die granulierende Wundhóhle
leicht angefrischt, in dieselbe einen dem Oberschenkel entnommenen Fett-
pfropf eingepflanzt und die Haut darüber geschlossen. — Das Resultat
war 1 Jahr nach der Operation ein Vorzügliches; in der Stirnhöblengegend
war nur eine ganz seichte, keine auffallende Mulde vorhanden. — Nach
Tierexperimenten geht das Fettgewebe allmählig zugrunde und wird durch
Bindegewebe ersetzt. Oertel, Dresden.
188. Mounier, De la cure radicale dans la sinusite maxillaire
(Uber die Radikalbehandlung des Empyems der Highmors-
höhle.) Archives internat. de laryngologie. Mai. Juni. 1910.
Die Vereinfachung der Technik, die die Operation in einer Zeit er-
laubt, ohne Resektion der unteren Muschel welche intakt bleibt, mit einer
sehr kleinen Verbindung zwischen Oberkieferhóhle und Nase, und ohne
jede postoperative Spülung ist durch die Stanze des Verf. ermöglicht.
Das Instrument hat einige Vorzüge unter welchen die einer leichten Hand-
habung und einer raschen Ausführung der kleinen verbindenden Öffnung.
Menier.
189. Nobl, Wien, Demonstration zweier mit Kohlensäureschnee
behandelten Fälle von Epitheliom des rechten Nasenflügels
bezw. der linken Retroaurikulargegend. Wiener klin.
Wochenschr. 1910. Nr. 29.
Der erste Fall wurde zur vollständigen Heilung gebracht, beim zweiten
wurde der kindshandtellergrosse Herd mit Ausnahme einzelner Ver-
dichtungen in eine zarte, im Hautniveau der Umgebung liegende, seit
Monaten unveränderte Narbe umgewandelt. Sippel, Würzburg.
190. Wassermann, München, Uber die kosmetische und thera-
peutische Anwendung des Paraffins auf dem Gebiete der
Nasenkrankheiten. Minch. med. Wochenschr. 1910. Nr 20.
S. 1066.
Nach einleitenden theoretischen Erörterungen über die Einheilung
von Fremdkórpern in den Organismus bespricht Wassermann die
technische Seite der Paraffininjektion. Er selbst bedient sich der Ler-
moyez-Mahuschen Spritze, durch die es ermöglicht wird, das Paraffin
von höherem Schmelzpunkt als Körpertemperatur in kaltem Zustand in
5] Referate. 311
fester Form dem Organismus einzuverleiben. Er verwendet Paraffin vom
Schmelzpunkte 42—45°. Demgegenüber hält Ref. nach wie vor daran
fest, nur Hartparaffin von über 50? Schmelzpunkt zu benützen. Als
Hauptanwendungsgebiete bezeichnet dann Wassermann die Sattelnase
und die Ozäna. Katz.
191. J. Zange, Über Pyämie nach Kieferhöhleneiterung. Zeitschr.
für Ohrenheilkunde etc. LX. Bd. 3. u. 4. H.
Genauer Bericht über 2 Fälle von Pyämie im Anschluss an akute
Kieferhöhleneiterung mit Sektionsprotokollen und bakteriologischem Befund.
Oertel, Dresden.
3. Rachen.
192. Bergmann, Berlin, Zur Selbstdesinfektion der Rachenhöhle.
Arztl. Vierteljahrsrundschau 1901. Nr. 11.
Der Speichel, und besonders der beim Kauen entleerte wirkt auf
die Bakterien entwicklungshemmend und zwar ist diese Fähigkeit an seine
Alkaleszenz gebunden. Es entspricht daher einer rationellen Prophylaxis,
die Umgebung von infektiös Erkrankten die vom Verfasser angegebenen
Hals-Kaupastillen gebrauchen zu lassen. Sippel, Würzburg.
193. Dionisio, Sopra un caso di careinoma del palato e delle
tnosille curato con radiazioni finora non usate in medicina.
(Uber einen Fall von Karzinom des Gaumens und der Ton-
sillen, geheilt durch bis jetzt ungebrauchte Radiationen.)
Gazzetta medica italiana 23. Juni 1910.
Der Patient wurde zuerst durch Radiumemanationen und Róntgen-
strahlen erfolglos behandelt Es gelang Dionisio den Patienten zu
heilen mittels der Radiationen, die er schon in der Ozäna und in den
Mittelohreiterungen angewandt hatte; die Radiationen, über welche er keine
weitere Auskunft gibt sind Radiationen von bestimmten Wellenlüngen
(Radiazioni di determinate lunghezze). Menier.
194. Hubrich, Nürnberg, Ein Rachentonsillotom. Miinch. med.
Wochenschr. 1910. Nv. 12. S. 644.
Ein nach dem Prinzip des Schütz-Passowschen Instrumentes
gebautes Adenotom mit Vorrichtung zum Auffangen der entfernten Rachen-
tonsille. Abbildung ist beigegeben. Katz.
195. Ragnvald Ingebrigtsen, Ein Fall von Fibroma naso-
pharyngeum. Medicinsk revue 1910. Nr. 6. S. 312.
Die Geschwulst war ein Lymphangiofibrom von 121 g Gewicht, das
eine Fortsetzung in die rechte Nasenhóhle und eine in die rechte Wange
hinein sendete; der daumendicke Stiel der letzteren passierte zwischen den
Mm. Pteryg. ext. und int. an den Ramus ascend. mandibulae vorüber.
Der Haupttumor und seine nasale Fortsetzung wurden durch eine osteo-
plastische Nasenresektion entfernt, die Wangenfortsetzung in einer späteren
Sitzung durch einen Hautschnitt. Heilung. Jörgen Möller. `
312 Referate. [6
196. A. Meyer, Die Hamorrhagien nach der Tonsillotomie.
(Les hémorragies après l'amygdalotomie.) Archives internat.
de laryngologie. Mai-Juni 1910. Nr. 3.
Ausführliches Sammelreferat über die Häufigkeit, den Verlauf, den
Ursprung, die Ursachen und Behandlung der post-operativen Blutungen.
Der interessanteste Abschnitt scheint uns derjenige zu sein, welcher die ein-
zelnen der Blutungen beschuldigten Arterien behandelt. Die Maxillaris
externa, die Lingualis, die pharyngea ascendens, die palatina ascend. und
die Art. tonsillaris sind als die häufigsten Quellen der Blutungen zu be-
trachten. Menier.
197. Pickenbach, Berlin, Mandelentziindung und Rheumatis-
mus. Mtinch. med. Wochenschr. 1910. Nr. 14. S. 748.
An der Hand von 2 Fällen bespricht Pickenbach die Beziehung
zwischen abscedierender Tonsillitis und Rheumatismus, worauf in letzter
Zeit der unlängst verstorbene Leipziger Kliniker Cursch mann und
Schichold aufmerksam gemacht. Als Therapie wird mit Recht gründ-
liche Behandlung der Tonsillen gefordert. Katz.
198. L. Tenzev, Über die Radikaloperation der Tonsille (Ton-
sillektomie). Wiener klin. Wochenschr. 1910. Nr. 27.
Die Tonsillektomie, die nach dem Verf. in einem hauptsächlich
stumpfen Herauslösen der Tonsillen aus ihrem Lager besteht, ist für jene
Fälle indiziert, wo es sich um chronisch-eitrige Tonsillen bei Erwachsenen
handelt, die nicht zwischen den Gaumenbögen hervorragen und die zu
fortwährenden Rezidiven von Anginen und peritonsillären Abszessen führen,
ferner für jene prominenten Tonsillen, bei denen die konservative Behand-
lung keinen Erfolg erzielte. Die Enukleation ist in diesen Fällen die
zweckmässigste Methode. Wegen Blutungsgefahr ist von ambulatorischer
Behandlung abzusehen. Sippel, Würzburg.
199. Ernst Wikner, Über adenoide Vegetationen und Tuber-
kulose. Hygiea 1910. Nr. 4. 8. 345.
Wikner hat 27 Fälle untersucht und nur einmel Tuberkulose ge-
funden und zwar bei einem Patienten, bei dem keine Tuberkulose sonst
nachweisbar war; vielleicht handelt es sich nur um an der Oberfläche
der Rachenmandel haftende Bazillen, indem in diesem Falle die Oberfläche
nicht vor der bakteriologischen Untersuchung abgespült wurde. Die ent-
fernten Rachenmandeln wurden unter Beimengung von physiologischer
Kochsalzlösung zerrieben und dann auf Meerschweinchen geimpft. —
Jedenfalls sei eventuell vorhandene Tuberkulose einer Rachenmandel
nicht als Ursache der Hyperpiasie sondern als eine Komplikation aufzu-
fassen. Jörgen Möller.
4. Kehlkopf.
200. W. Albrecht, Zur chirurgischen Behandlung der Kehl-
kopftuberkulose. Ze:tschr. für Ohrenheilkunde etc. LXI. Bd.
2. H.
Auf Grund von klinischen Beobachtungen und Tierversuchen kam
Verf. bei der chirurgischen Behandlung der Kehlkopftuberkulose zu folgen-
7] Referate. 313
den Resultaten: die scharfe Abtragung des erkrankten Gewebes mittelst
Küretten hat nach Klinik und Experiment nur in Ausnahmefällen aus-
heilenden, Erfolg. — Sie vermag den Krankheitsherd wohl zu verkleinern
und zu begrenzen, doch in den: begrenztem Infiltrat keine Heilungsvorgänge
zu entwickeln. — Dugegen vermag die Galvanokaustik weit über den
direkt zerstörten Bezirk hinaus eine destruktive und reaktiv entzündliche
Wirkung auszuüben und verspricht dadurch auch in den stehengeblie-
benen Infiltrationsresten Ausheilung. Die Gefahr allzustarker Ent-
zündung und Ödembildung, lässt sich durch Verwendung des „galvano-
kaustischen Tiefenstichs“ vermeiden, der für eine grosse Anzahl von Fällen
ausreicht. — Genügt er nicht, so ist radikaleres Brennen am Platze,
wobei sich die Energie des Eingriffs nach der auf den Tiefenstich erfolgten
Gewebsreaktion zu richten vermag. — Oertel, Dresden.
201. W. Benni, Über die Behandlung der Larynxtuberkulose
. durch Elektrokaustik. Zeitschr. für Ohrenheilkundeetc. LXI. Ba.
2. T.
Verf. berichtet über die in der oto-laryngologischen Klinik in Basel
gebräuchliche Methode der kaustischen Behandlung der Larynxtuberkulose.
— Es wird, eventuell in Verbindung mit der Doppelkürette, womöglich
in einer Sitzung mit dem Knopfbrenner alles krank erscheinende Gewebe,
— Infiltrate und Ulzera — bis an dessen äusserste Grenze und bis in
die Nähe des Knorpels weggebrannt. — Der reichlich sich entwickelnde
störende Rauch wird mittelst Wasserstrahlgeblàse herausgeblasen. — Der
Erfolg ist anscheinend ein recht günstiger, doch kann ein derartig eingreifen-
des Verfahren natürlich nur für die Krankenhauspraxis geeignet sein, zumal
üble Zufälle, ein Larynxödem, Hautemphysem etc., nicht selten als Folge-
erscheinungen beobachtet wurden. — Der anderweitig mit günstigen Er-
folgen verwendete ungefährliche „Tiefenstich“ scheint nicht verwendet zu
werden. Verf. warnt vor galvanokaustischen Eingriffen bei vorgeschrittenen
Lungenveränderungen und vor subchordaler Kaustik bei Nichttracheo-
tomierten. — Oertel, Dresden.
202. Biondi, Svustamento del laringe con asportazione dell’ epi-
glottide. (Kehlkopfsausräumung mit Abtragung der Epi-
glottis.) Gazzetta degli ospedali 17. Juli 1910.
Die Residuen der ary-epiglottischen Bänder wurden durch Plastik
mit der Pharynxschleimhaut vereint, so dass sie sich zusammenziehen und,
nach der medianen Linie gehend, den Eingang zum Larynx schliessen
und Flüssigkeiten und feste Nahrung werden ohne Husten oder andere
Beschwerden verschluckt. Menier.
203. Cantas, Über die Radiumtherapie bei den narbigen Ste-
nosen des Kehlkopfes und der Trachea. (Sur la radium-
therapie dans les stenoses eicatricielles du conduit laryngo-
tracheal.) Arch. internat. de laryngologie Mai-Juni 1910. Nr. 3.
Theoretische Betrachtungen über die Möglichkeit der Radiuman-
wendung; sie soll der Laryngostomie nachfolgen wenn die Intubation
unmöglich ist und das Lumen beinahe verschwunden ist; sie wird die
Operation ersetzen, wenn die Intubation noch geschehen kann und die
Radiumanwendung wird die Intubation unterstützen. Menier.
314 Referate. [8
204. Juan Cisneros, Madrid, Resultados del tratamiento ope-
ratorio del cancer laringeo. (Resultate der operativen Behand-
lung des Kehlkopfkrebses.) Bolelin de Laringologia, Mai-
August 1910.
Unter den 320 Patienten, die Cisneros beobachtet hat, waren 7
in einem Zustand, wo die Operation unterlassen wurde, da sie ohne jede
Hoffnung war; 138 verweigerten den Eingriff; bei 78 wurde die Tracheo-
tomie gemacht. (Der Patient der am längsten überlebte, lebte noch 2 Jahre);
bei fünf wurde der Tumor endolaryngeal opetiert. (Längste Lebensdauer
nach der Operation 14 Monate); bei 13 führte man die Thyrotomie aus
(1 Patient lebt ohne Rezidiv, nach 5 Jahren); die Pharyngotomie bei
14 (keine sehr günstige Resultate); mehr weniger ausgedehnte Kehlkopf-
resektion, 42 Falle (9 Heilungen: 1 bis 11 Jahre); totale Larynxexstir-
pationen; 23 (2 Heilungen nach anderthalb und 2 Jahren). Nach der
Operation blieb man ohne Nachrichten über 33 Patienten. Menier.
205. H. Clarus, Zur Behandlung der Kehlkopftuberkulose in der
Volksheilstütte. Brauers Beiträge zur Klinik der Tuber-
kulose. Bd. XV. Heft 2.
In dankenwerter Weise redet Verf. einer gründlichen Behandlung
noch besserungs- und heilungsfähiger Lungentuberkulöser auch in der
Volksheilstätte das Wort. — Er gibt eine Übersicht über die von ihm
angewandten Behandlungsmethoden. Neben den Atzungen mit Acid.
lactic. verwendet er vorwiegend den kaustischen Tiefenstich nach Grün-
wald. — Von mehr symptomatischer Bedeutung ist die Besonnung der
erkrankten Teile. — Dass sonstige mehr konservative therapeutische Ver-
fahren zur Anwendung kommen müssen, ist selbstredend. Das Alt-
tuberkulin und die Bazillenemulsion brachten ihm nie Besserung, im
Gegenteil zuweilen Verschlimmerungen. (Einschmelzung von Infiltraten.)
Er warnt direkt vor dem Gebrauch der Tuberkulinprüparate bei der
Lungentuberkulose. Schröder, Schömberg.
206. Ferrari, Un caso di Sindrome Longhi-Avellis, (Ein Fall
von Longhi-Avellisschem Syndrom.) Riforma medica 1910.
Nr. 24.
Patient hatte eine Láhmung des Gaumensegels, des Sternokleido-
mastoideus und des Cuccularis. Verf. meint dass der Zustand mit einer
toxischen, infektiósen Neuritis der Gaumen- und Kehlkopfsäste des Nervus
accessorius begann; von diesem an schritt der Prozess rückwärts bis
zum Kern dieses Nerven. Die Annahme eines zirkumskripten meningi-
tischen Herdes scheint ihm unbegründet. Menier.
207. Graff, Bonn, Bericht über zwei Fülle von Larynxstenose.
Med. Klinik. 28. 1910.
Im ersten Falle handelte es sich um Druck von der Wirbelsäule
aus, die eine ganz abnorme Lorddse aufwies, im zweiten um einen Fremd-
körper, ein Metalldeckelchen einer Mineralwasserflasche, das sich zwischen
Wirbelsäule und Kehlkopf bezw. Trachea eingeklemmt hatte. Beide Fälle
durch Operation geheilt. Sippel, Würzburg.
9] Referate. 315
208. Hansberg, Dortmund, Demonstration eines Falles von
partieller Laryngoflssur bei Chorditis voc. infer. hypertroph.
chronica. Med. Klinik 30. 1910.
Siebenjähriger Knabe wegen Diphtherie tracheotomiert. Nach 4 Monaten
hochgradige Atemnot. Bei der Phonation war das linke leichtgerötete und
geschwellte Stimmband unbeweglich, die subglottische Gegend derselben
Seite stark geschwellt. Partielle Laryngotomie im Anschluss an die
Tracheotomie, Zerstörung des subglottischen Wulstes mittes Paquelin. Völlige
Heilung. Sippel, Würzburg.
209. Kaspar, Nürnberg, Fortschritte in der Intubationsbehand-
lung der diphtheritischen Larynxstenose. Münch. med.
Wochenschr. 1910. Nr. 11. S. 874.
In dieser lesenswerten Arbeit werden genau Indikation und Kontra-
indikation der Intubierung besprochen unter Berücksichtung der Kompli-
kationen besonders der Dekubitalgeschwüre. Bemerkenswert sind die
Intubationserfolge der Zurückdrüngung der Tracheotomie gegenüber, die
im Knopfschen Kinderspital i. J. 1909 nur 3 mal gegenüber 47 Intu-
bationen ausgeführt wurde. Katz.
210. K. M. Menzel, Wien, Demonstration von Rüntgenbildern
und eines histologischen Prüparates von einem Hypernephrom
des Kehlkopfes. Wiener klin. Wochenschr. 26. 1910.
Der kurz gestielt aufsitzende, kugelige Tumor ging aus vom vorderen
Ende des rechten Taschenbandes oberhalb der vorderen Kommissur. Es
bestand seit 3 Monaten Heiserkeit und Abmagerung seit 4—5 Monaten
Ischias der rechten Seite, der Lungenbefund sowie Hamoptoe und Ab-
magerung liessen auf Tuberkulose der linken Spitze schliessen. Erst die
histologische Untersuchung des endolaryngeal entfernten Tumors gab der
Diagnose eine andere Richtung. Die infolgedessen unternommene radio-
logische Untersuchung ergab Metastasen in den Hilusdrüsen rechts und mit
linken Spitzenfelde der Lunge, sowie eine Metastase in den oberen An-
teilen der Massa lateralis des rechten Kreuzbeins. Der primäre Tumor
konnte nicht konstatiert werden.
Der Fallstellt vom Standpunkt des Laryngologen und des Anatomen
ein Unikum dar, insofern eine Hypernephrom-Metastase im Larynx noch
nie beobachtet wurde. Sippel, Würzburg.
211. Holger Mygind, Störungen der Singstimme mit besonderer
Rücksicht auf ihre Ursachen. Ugeskr. for Läger 1910. Nr. 25.
S. 731. |
Mygind hebt die Bedeutung der Allgemeinerkrankungen hervor,
Chlorose, Verdauungskrankheiten, Bronchitis usw., ferner Malmenage, bzw.
Surmenage und fehlerhafte Klassifikation der Stimme und gibt dann
einen Überblick über die verschiedenen pathologischen Zustände der
oberen Luftwege, welche Stimmstörungen bedingen können.
Jörgen Möller.
212. Nadoleczny, München, Beobachtungen an Gesangschülern.
Monatsschr. f. Ohrenheilk. 6. 1910.
316 Referate. [10
Bericht einer Reihe von Untersuchungen über Fehler bei der Sing-
stimmbildung die hauptsächlich auf falsche Atmung und Kehlkoptbewegung
zurückzuführen sind. (Vergl. Bericht der Verhandlungen Vereins Deut-
scher Lar. diese Zeitschr. Bd. III. S. 63. Bl.) Sippel, Würzburg.
213. Sanz, Un caso de hemiplegia gloso-laringea (Sindrome de
Tapia). (Ein Fall von glosso-laryngealer Hemiplegie [Tapia-
sches Syndrom].) Revista Espanola de Laringologia, otologia
y Rinologia Juli- August 1910.
Ein Patient hatte einen ulzerierten Tumor, der die Epiglottis und
die glosso-epiglottische Falte rechterseits ergriffen hatte; er wurde tracheo-
tomiert; bis zu dieser Zeit war die Bewegung der Stimmbänder normal.
Nach einiger Zeit und infolge der Lymphdrüsenmetastase konnte man die
Lähmung der rechten Zungenhülfte, mit beginnender Atrophie derselben,
sowie Lähmung des rechten vom Tumor ergriffenen Stimmbandes kon-
statieren.
Es handelt sich, wie man sieht um eine Lähmung peripheren Ur-
sprungs die ihre Ursache in den Druck- und Zerrungserscheinungen seitens
des Vagus und des Hypoglossus (durch die Drüsenmetastasen) hatte.
Menier.
214. Tapia, Algo acerea de las paralisis laringeas de origen
bulbar con ocasión de un caso de parálisis bilateral del
laringeo superior y del hipogloso. (Etwas über die Kehl-
kopfslähmungen bulbären Ursprungs auf Grund eines Falles
beiderseitiger Lühmung des N. laryngeus sup, und des N.
hypoglossus.) Archivos Espanoles de Neurologia psiquiatria
y fisioterapia. Juni 1910.
Erörterung der verschiedenen Ursachen einer solchen Lähmung. Verf.
glaubt, dass die Läsion isoliert und solitär ist und am Boden des vierten
Ventrikels sitzt, Es handelt sich wahrscheinlich um eine Blutung.
Menier.
215. Derselbe, Consideraciones anatomo-patologicas y clinicas
acerea de algunas formas de leucokeratosis laringea (Paqui-
dermia) con motivo de cuatro casos clinicos, (Anatomo-
pathologische und klinische Betrachtungen über einige Formen
von Leukokeratosis des Kehlkopfes (Pachydermie) auf 4
Fülle gegründet.) Rewista Espanola de laringologia, otologia
y rinologia Juli-August 1910.
Die Läsionen die flach und gekörnt sind (flache Form von Rosen-
berg) haben eine gutartige Prognose. Diejenigen dagegen, die warzen-
artig, wuchernd, papillomartig sind, lassen nicht so viel Hoffnung zu.
Verf. berichtigt einen landläufigen Irrtum, nach welchem der Farbe solcher
Keratosen die Bedeutung eines Zeichens der Malignität zugeschrieben wird.
Menier.
216. A. Winternitz und M. Pauncz, Budapest, Neue Bei-
träge über den Wert der direkten Laryngotracheoskopie und
Bronchoskopie. Orvosi Hetilap. 1910. Nr. 23.
Winternitz und Pauncz berichten über jene Fälle, welche sie
seit ihrer letzten Publikation 1908 mit den verbesserten Instrumenten
11] Referate. 317
und mehr entwickelter Technik behandelt hatten. Die Kinder wurden in
tiefer Chloroformnarkose, verbunden mit lokaler Anästhesie untersucht.
Der Kehlkopf wird in sitzender Lage aufgesucht, was die Aufgabe sehr
erleichtert; dem ist zu verdanken, dass die Verf. die obere Tracheobroncho-
skopie öfter mit Erfolg anzuwenden in der Lage waren, sie konnten
aber die Tracheotomie nicht immer entbehren. Nach Einführung der
Róhre bis zur Bifurkation wurde die weitere Untersuchung in der Rücken-
lage fortgesetzt. Durch direkte Laryngoskopie sind zweimal (5 und 3 J.)
multiple Papillome und einmal (1 J. alt) ein Knochen entfernt worden,
Die obere Tracheobronchoskopie kam 3mal zur Anwendung: 1. Patient
41/2 Jahre alt, Knopfteil mit Öse im linken Hauptbronchus, Entfernung,
Heilung. 2. Patient 1 Jahr alt Bohne in dem rechten Hauptbronchus,
Entfernung Heilung. 3. Patient 14 Monate alt, Bohne in dem rechten
Hauptbronchus, Entfernung, Heilung. Es folgen berout A Falle von
unterer Tracheobronchoskopie bei 1!/sz 2, 9 und 27 Jahre alten Patienten,
die Entfernung des Fremdkörpers gelang in jedem Falle und sämtliche
Patienten wurden nach Abklingen der Reaktionserscheinungen geheilt
entlassen.
Verf. legen grosses Gewicht darauf dass die Lage des Fremdkórpers
vor der Röhrenuntersuchung aktinoskopisch festgestellt sei und erklären den
Umstand, dass sie keinen Todesfall zu verzeichnen hatten, damit, dass
mit Ausnahme eines Falles, sie stets mit Fremdkörpern, welche aus einem
Stücke bestanden, zu tun hatten und diese daher unzerstückelt entfernen
konnten. Polyäk.
5. Mundhöhle.
217. A. Austoni, Über die Zungentumoren thyroider Natur.
(Sui tumori linguali di natura tiroidea.) Gazzetta degli ospe-
dali 5. Juni 1910.
Ein junges Mädchen mit Schluck-, Atmungs- und Phonationsstörungen
hatte einen Tumor, von der Grösse eines Taubeneies, an der Zungenbasis
(foramen coecum). Die Schilddrüse war nicht am Halse zu fühlen.
Der Tumor wurde teilweise durch den oralen Weg abgetragen. Die
histologische Untersuchung zeigte, dass der Tumor aus Schilddrüsengewebe
bestand, welches den Charakter einer byperplastischen Struma hatte. Es
existierte eine bindegewebige Umhüllungskapsel. Die Zeichen der fehlen-
den thyroiden Funktion beweisen, dass dieser Zungentumor die ganze
Schilddrüse darstellte. Menier.
218. Castelli, Sull’ Etiologia della parotidite epidemica. (Über
die Etiologie der epidemischen Parotiditis.) Gazzetta degli
ospedali. 3. Juli 1910.
Nach Verf. Versuchen soll die Parotitis epidemica einem filtrierbaren
Virus, einem Chlamytozoon im Sinne Prowazecks, ihre Ursache verdanken.
Menier.
219. Buceolini, Eseissione di un tratto del dotto di Stenone
e reintegrazione di esso, (Exzision einer Strecke des Duc,
tus stenonianus und Plastik desselben.) Gazzetta degli ospe-
dali 19. Juni 1910.
318 Eeferate. [12
Ein Epitheliom der Wange nótigte zur Abtragung eines Stückes des
Ductus Stenonianus. Die Stümpfe wurden gesucht und über einen metal-
lenen Stift zusammengenäht, der durch den Mund ausging; der Stift
wurde nach 8 Tagen entfernt. Die Restitutio ad integrum ward in
12 Tagen vollständig. Der Erfolg wäre ein besserer gewesen, sagt Verf.
wenn der Stift durch eine entsprechende Kanüle ersetzt worden wäre, so
hätte man auch die Naht der Stümpfe entbehren können. Menier.
220. Pagliai, Sulla seerezione interna delle ghiandole salivari.
(Über die innere Sekretion der Speicheldrüsen.) Rivista
critica di clinica medica 25. Juni 1910.
Die vollständige Entfernung der Speicheldrüsen beim Kaninchen hat
immer eine Abmagerung und Kachexie zu Folge, welche in etwa 20 Tagen
das Tier zum Tode führen. Die Opotherapie (Einspritzungen vom frischen
Extrakt der Drüsen, intraperitoneale Pfropfung) beseitigt diese Erschei-
nungen und bewirkt Überleben der Versuchstiere. Wenn diese
Opotherapie selbst im Anfangsstadium der Kachexie vorgenommen wird,
kann man das Tier retten; Hauptbedingung ist immer, dass der Zustand
nicht vorgeschritten sei. Diese Tatsachen berechtigen zur Annahme einer
inneren, dem Organismus nützlichen Sekretion. Menier.
6. Trachea, Bronchien, Ösophagus.
221. Juan Garcia 6 Jlurre, Estrechez cicatricial del esófago
consecutiva á ingestión de acido nitrico. Dilatación lenta
y progresiva con esofagoscopia. Curación. (Narbenstenose
des Osophagus nach Ingestion von Salpetersiure. Langsame
und schrittweise Erweiterung durch Osophagoskopie. Heilung.)
Clinica y Laboratorio. Juni 1910.
Nach 56 Sitzungen von Erweiterung durch Bougies, nach voran-
gehender Ösophagoskopie ist man imstande eine Bougie der Nummer 25
einzuführen. Menier.
222. v. Hacker, Steiermark, Demonstration einer operativ ge-
heilten usophagus- und Mediastinumhalsfistel. Wiener klin.
Wochenschr. 32. 1910.
Die Mediastinalfistel wurde durch eine Lappenbildung aus dem
Sternokleido zur Heilung gebracht. Sippel, Würzburg.
223. Kern, Walter, Beiträge zur Pathologie des Ösophagus.
Virchows Archiv. Bd. 201. H. 1.
Anatomische Beschreibung von Fällen von Ösophagusatresie und von
Ösophaguszysten. Bl.
224. Mandel, München, Zur Osophagotomia externa. Miinch.
med. Wochenschr. 1910. Nr. 9. S. 460.
An der Hand eines Falles — es handelt sich um eine im Osophagus
stecken gebliebene Piéce — führt Mandel den chirurgischen Eingriff
aus, ohne überhaupt eine ösophagoskopische Untersuchung vorgenommen
zu haben, nachdem ein Extraktionsversuch mit dem „Münzenfänger“
13] Referate. 319
erfolglos war. Die ganze bronchoskopische und ösophagoskopische Literatur
scheint immer noch, soweit meine Erfahrung reicht, vielen Chirurgen un-
bekannt zu sein. K atz.
225. Tapia, Monede detenida en el esófago durante tres anos
y tres meses. Extracción por esofagoseopia. (Münze, die
drei Jahre und drei Monate im Osophagus verblieb. Ex-
traktion durch das usophagoskop.) Pieza dentaria detenida
en el esofago circa de diez anos, (Gebiss, das zirka 10 Jahre
im usophagus verweilte.) Revista Espanola de laringologia,
otologia y rinologia. Juli-August 1910.
Der erste Patient batte keine spontanen Schmerzen; und während
längerer Zeit hatte er keine Schluckbeschwerden.
Im zweiten Fall, verschluckte Patient im Jahre 1901 ein Gebiss,
dessen Vorhandensein und Lage durch Radiographie bestätigt wurden.
Seit dieser Zeit, verblieb der Fremdkörper im Ösophagus, und Patient
verträgt ihn wundervoll; keine Abmagerung; er hat sich so sehr an
seinen Gast und an eine flüssige und weiche Nahrung gewöhnt, dass er
jeden Extraktionsversuch verweigerte. Menier.
7. Grenzgebiete.
226. Berliner, Berlin, Zur Therapie des Stickhustens. Eine
Behandlung mit Chininsalbe auf dem Wege durch die Nase,
Miinch. med. Wochenschr. 1910. Nr. 7. S. 360.
Der Verf. empfiehlt bei jedem Falle von Keuchhusten Chininsalbe,
je nach dem Alter 1—2,6 auf 10—15 g Adip. suill, 3—4 mal pro die
mit Glasstab in jedes Nasenloch eingeführt. Katz.
227. Joh. Fein, Zur Operation der Hypophyse, Wiener klin.
Wochenschr. 28. 1910.
Darstellung einer Operationsmethode, die es ermöglicht durch die
Kiefer- und Siebbeinhöhle an die Hypophyse zu gelangen.
Sippel, Würzburg.
228. Kocher, Albert, Die Behandlung der Basedowschen Er-
krankung. Münch. med. Wochenschr. 1910. Nr. 13. S. 676.
Die Quintessenz dieser zusammenfassenden Abhandlung liegt in dem
Satz: ,,Der Schwerpunkt der Behandlung der Basedowschen Erkrankung
ist in der chirurgischen Behandlung zu erblicken.* Zum Beweis werden
die Statistiken der Internisten und Chirurgen verglichen. Dabei ergibt
sich die Tatsache, dass durch die chirurgische Behandlung in ca. 70—809/o
der Fálle Heilung erzielt wird, wührend die Internsiten nur gelegentlich
von Heilungen berichten. Auch ist die interne Therapie heutzutage noch
eine unbestimmte, mitunter planlose, was auch aus der grossen Zahl der
bisher empfohlenen Mittel hervorgeht. Katz.
229. Mohr, Bielefeld, Stauungshyperämie nach Exstirpation
tuberkulóser Halsdrüsen,
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 3. 22
320 Referate. [14
Die Kombination der Exstirpation tuberkulóser Halelymphome mit
postoperativer Stauungsbehandlung erscheint nach den Erfahrungen des
Verfassers geeignet, Komplikationen durch Zurückbleiben tuberkulösen
Materials zu beseitigen, vielleicht auch Recidiven vorzubeugen. Katz.
230. L. Nielsen, Kopenhagen, Generalisierte Pityriasis rubra
pilaris — Ausgebreitete leukoplasiforme Aftektion ver-
schiedener Schleimhäute — Syphilis. Monatsschr. f. prakt.
Dermatologie 11 u. 12. Bd. 50.
Vorliegender Krankheitsfall muss nach allen seinen Erscheinungen
aufgefasst werden als eine Pityriasis rubra pilaris mit einer bisher un-
bekannten Lokalisation auf verschiedenen Schleimhäuten in Gestalt leuko-
plasiformer Veränderungen, welche klinisch im ganzen mit den Schleim-
hautaffektionen bei Lichen ruber planus übereinstimmen. Die Schleim-
hauterkrankung erstreckte sich bei ihrer grössten Ausbreitung auf fast
die ganze Innenseite der Wangen und auf sehr grosse Partien der
Schleimhaut der Zunge, auch auf die Prolabien, auf Teile des harten und
des weichen Gaumens, auf die rechte Tonsille, die hinteren Gaumenbögen
Zungenwurzel, auf Pharynx sowie auf die Carunculae lacrimales. Ob die
gleichzeitig bestehende Syphilis nur disponierende Bedeutung oder partiellen
Anteil au der Leukoplasie hat, lässt sich nicht entscheiden.
Sippel, Würzburg.
231. D. Winter, Bad-Reichenhall, Zur Pathogenese des bron-
chialen Asthma, Monatsschr. f. Ohrenheilk. 6. 1910.
Im Gegensatz zu den gewöhnlich angenommenen Ursachen des
bronchialen Asthma, dem bronchialen Muskelkrampf oder den sekretori-
schen Störungen der Bronchialschleimbaut, sieht der Verf. in den vasodila-
tatorischen Prozessen der Atemschleimhaut den letzten Grund der asthma-
tischen Symptome und kommt am Ende einer längeren Abhandlung zu
folgenden Schlüssen:
»Eine von den peripheren Endigungen des Vago-Sympathicus der
Schleimháute oder der &usseren Haut oder eine vom Grosshirn ausgehende
Erregung ruft reflektorisch Gefässdilatation der Atemschleimhaut hervor.
Die damit einhergehende Erweiterung der Lungenkapillaren veranlasst
subjektive Dyspnoe durch Verlangsamung der Zirkulation sowie besonders
durch Herabsetzung des Gasaustausches in den Alveolen infolge ver-
minderter Sauerstoffaufnpahme und Kohlensäureabgabe.
Die erhöhten Atemmuskelanstrengungen werden bedingt hauptsächlich
durch eine mit der Lungenhyperämie einhergehende Herabsetzung der
Dehnbarkeit des Atemorganes, nicht durch ein mechanisches Hindernis in
Gestalt einer Verengerung der feinen Luftwege.
Zwerchfelltiefstand und Lungenblabung sind die Folge der dyspnoe-
tischen Reizung des Atemmuskelzentrums und des dadurch verstärkten
Inspirationstonus. Sippel, Würzburg.
15] Bücherbesprechungen. 321
Ill. Bücherbesprechungen.
Wilh. Fliess, Über den ursüchlichen Zusammenhang von Nase und Ge-
schlechtsorgan. Zugleich ein Beitrag zur Nervenphysiologie. 2. verm.
Aufl. Halle 1910. Carl Marholds Verlagsbuchhandlung. 60 S.
Einleitend bemerkt Verf., es sei das Schicksal seiner Forschungen, dass sie
über die Grenzen der Spezialwissenschait hinaus in neue Zusammenhänge führen.
In der Tat sind es wesentlich biologisch-philosophische Probleme, die Fliess in
seinem umfangreichen Werke „Vom Ablauf des Lebens (1906), in seinem Buche
„Vom leben und Tod“ (1909) und in anderen Arbeiten zu lösen sucht. Auch in
dem vorliegenden Aufsatze versucht Fliess eine biologische Lösung der zweifel-
los vorhandenen Beziehung der Nase zu vielen fern liegenden Organen und er
sieht dieselbe in der Lehre von dem segmentären Aufbau des Körpers, dessen
Spuren sich noch heute in der Nase finden. Er findet, dass die Schmerzempfin-
dung gewöhnlich in einen segmentären, und einen nicht segmentären Teil ge-
spalten ist, von denen der erstere von der Nase her ausgelöscht werden könne.
Er zeigt die Bedeutung seiner Lehre im einzelnen, anknüpfend an frühere Arbeiten,
insbesondere an den Beziehungen der Nase zu den weiblichen Geschlechtsorganen.
Vor allem gewisse Formen der Dysmenorrhoe haben nach Fliess ihre Repräsen-
tation in der Nase (Tuberkulum septi und untere Muschel) und können von dort
aus vorübergehend durch Kokain, dauernd durch Ätzung oder Ähnliches beseitigt
werden.
lm Gegensatz zu der ungeheuren Literatur, welche durch Hacks Lehre
von der nasalen Reflexneurose ausgelöst wurde, sind die Fliessschen Veröffent-
lichungen von den Rhinologen verhültnismüssig wenig beachtet worden, wübrend
die Gynükologen ihnen weit mehr Aufmerksamkeit gewidmet haben. Bei den
zahireichen Erfolgen jedoch, die eine nasale Behandlung gewisser Dysmenorrhoe-
formen und anderer Unterleibsbesch werden gezeitigt hat und zwar in den Händen
einwandsfreier Beobachter, und die gewiss nicht ausnahmslos auf suggestive Ein-
flüsse zurückgeführt werden können, werden sich die Rhinologen der Pflicht nicht
entziehen dürfen, die Fliessschen Methoden in weiterem Umfange vorurteilelos
nachzuprüfen, als es bisher der Fall gewesen. Umsomehr, als diese Nachprüfung
eine ausserordentlich einfache Sache ist. Wir können daher den Kollegen das
Studium der neuesten Fliessschen Veröffentlichung und in Konsequenz davon
die Prüfung seiner Behapdlungsmethode nur empfehlen. Kronenberg.
Dr. M. Saenger, Über Asthma und seine Behandlung. Berlin 1910.
S. Karger.
Über wenig Krankheitsformen haben die Anschauungen und Meinungen seit
langem so zahlreiche Wandlungen erfahren, wie bei der Beurteilung des Asthma.
Glaubte man auf irgend eine Weise eine befriedigende Erklürung gefunden zu
haben, so entschlüpfte plötzlich dieser Proteus und stand ebenso rütselhaft und
unverstanden wie vorher da. Dasselbe Schicksal erlitten die verschiedensten Be-
handlungsmethoden, sowohl die medikamentósen, wie die mechanischen und
chirurgischen, von denen zahlreiche mit grossem Enthusiasmus aufgenommen
wurden, bis man allmählich dahinter kam. dass sie auch nicht wesentlich mehr
leisteten, als die früheren. Kein Wunder, dass gerade auf dem Gebiete der Asthma-
behandlung die Kurpfuscherei und Ausbeutung des kranken Publikums wahre
Orgien gefeiert haben.
Indes ist man in den letzten Jahren fast allgemein zu der Ansicht ge-
kommen, dass jedes Asthma zum mindesten eine starke psychische Komponente
hat, dass infolge dessen die Beeinflussung der Psyche bei der Behandlung neben
der somatischen eine sehr wesentliche Rolle spielt. Auch Saenger steht auf
dem Boden, dass die meisten der asthmatischen Erscheinungen psychisch erklart
228
325 Bücherbesprechungen. [16
werden kónnen; die schweren Stórungen der Atmung lassen sich, wo keine
tieferen organischen Veränderungen vorhanden sind, fast restlos auf psychisch
bedingte Momente zurückführen. Wo gemischte Krankheitsformen vorliegen,
lassen sich die psychisch zu erklärenden rein asthmatischen Störungen von den
übrigen trennen.
Die Behandlung geht darauf aus, den Asthmatiker zu einer richtigen At-
mung innerhalb und ausserhalb des Anfalls durch mechanische Methoden, deren
Einzelheiten im Original studiert werden müssen, zu erziehen. Dabei darf natür-
lich im übrigen die allgemein körperliche Behandlung nicht vernachlässigt werden.
Im ganzen gehört die Saengersche Arbeit zu dem verständigsten, was ich seit
langem über Asthma gelesen habe. Auch die Behandlung, die allerdings Geduld
und Liebe erfordert, verdient Anwendung in weiteren Kreisen. Auch im übrigen
finden sich in Saengers Arbeit beherzigenswerte Bemerkungen, z. B. seine
sehr vernünftigen Anschauungen über die sog. Abhärtung, mit der reichlich viel
Unfug getriehen und Unheil gestiftet worden ist. Nicht nur ın den Kreisen der
Naturheilkundigen, sondern auch der Ärzte.
Widersprechen muss ich Saenger bezüglich seiner Geringschätzung der
Nasenatmung. Wir stehen ja längst nicht mehr auf dem Standpunkt, als könnten
wir Asthma durch Behandlung der Nase heilen. Es ist aber auch zweifellos,
dass jede Erschwerung der normalen Atmung, und dazu gehört doch vor allem
eine ungenügende oder behinderte Nasenatmung, die Heilung asthmatischer Zu-
stände beeinträchtigt. Wir beseitigen krankhafte Erscheinungen der Nase nicht,
um das Asthma zu heilen, sondern, abgesehen von anderem, um eine gesund-
heitlich richtige Atmung durch die Nase zu ermöglichen, die auch für die Asthma-
heilung, wenn auch nicht in jedem Falle durchaus notwendig, so doch immer
nützlich ist. Wenn Saenger bei Hunderten von Asthmakranken kaum bei
einem Dutzend eine Behandlung der Nase vorzunehmen hatte und wenn er auch
bei reichlich vorhandenen Polypen eine dagegen gerichtete Behandlung unterliess,
so möchte ich ihm darin nicht folgen, sondern vorschlagen, mit Saenger das
Asthma und den asthmakranken Menschen, aber auch seine kranken Organe, be-
sonders die zur Atmung in Beziehung stehenden zu behandeln. Dazu gehört
aber gewiss in sehr wesentlichem Masse auch die erkrankte Nase.
Kronenberg.
Bandelier und Röpke, Lesebuch der spezifischen Diagnostik und
Therapie der Tuberkulose. 4. erweiterte und verbesserte Auflage mit einem
Vorwort von W. Geh. Rat Prof. Dr. R. Koch Erz. 250 S. Würzburg bei Curt
Kabıtzsch 1910, brosch. Mk. 6.—, geb. Mk. 7.—.
Kam auch das Bandelier und Rópkesche Buch zweifellos einem lange
gefühlten Bedürfnis entgegen, der überraschend grosse buchhündlerische Erfolg
des Werkes (4 Auflagen in 2'/s Jahren) darf sicherlich in erster Linie als ver-
diente Anerkennung der geschickten Darstellung des Stoffes vonseiten des Verf.
betrachtet werden. Mag auch gar mancher in der Tuberkulosebehandlung er-
fahrener Arzt den Verf. nicht in allen ihren Ausführungen und Folgerungen bei-
stimmen können, mag auch gar manchem das kritische Urteil und die grosse Er-
fahrung bekannter älterer Phthisiater doch etwas gar zu gering eingeschätzt er-
scheinen, mögen ferner auch manchem die z. T. unnötig scharfen Seitenhiebe auf
wissenschaftliche Gegner (die doch schliesslich auch den Glauben an ihre bona
fides verlangen können!) die Freude an dem Buch hin und wieder etwas stören,
so wird doch jeder gerne zugeben, dass die Verf. mit bewunderungswertem Fleiss
und in bemerkenswert übersichtlicher und klarer Darstellung den Leser durch das
schier unübersehbare Chaos der Ansichten und Erfahrungen über die spezifische
Therapie der Tuberkulose hindurchzuführen verstanden haben. Entsprechend dem
praktischen Zweck des Buches ist die Technik der Behandlung, sowie die Indi-
kationsstellung besonders ausführlich erörtert. Ob freilich die Tuberkulintherapie
z. Z. schon so fest fundiert ist, dass sie wirklich ohne Schaden für die Kranken
17] Bücherbesprechungen. 323
in die allgemeine Praxis eingeführt werden kann, darüber werden viele Tuberkulin-
therapeuten in Klinik und Anstalt und nicht zuletzt viele Praktiker selbst, die
den Versuch gemacht baben, doch etwas anderer Ansicht sein als die Verfasser.
Den Laryngologen interessieren vor allem die Kapitel über Tuberkulindia-
gnostik und Tuberkulintherapie der Kehlkopftuberkulose. Die Möglichkeit, den
Ablauf der Lokalreaktion direkt zu beobachten und damit eine ev. Allgemein-
reaktion und subjektive Angaben von Schmerz etc. direkt zu kontrollieren, macht das
Tuberkulin (in subkutaner Applikation) zweifellos für manche diagnostisch dunklen
Fülle von leichten Larynxveründerungen ohne anderweitigen tuberkulösen Befund
zu einem sehr wertvollen diagnostischen Hilfsmittel. Ganz besondere Bedeutung
gewinnt diese Möglichkeit einer raschen Sicherstellung der Diagnose bei Verdacht
auf Neoplasma. Der naheliegende Einwand ev. gefahrdrohender Stenose durch
reaktive Schwellung ist nach Bandelier und Röpke durch die Erfahrung, be-
sonders auch B. Fränkels widerlegt. S
Die therapeutischen Erfolge der spezifischen Behandlung der Tuber-
kulose der oberen Luftwege sind nach Bandelier und Rópke sehr gute, ob-
wohl der spezifischen Behandlung durch die stets notwendige Rücksicht auf die
Lungentuberkulose und durch die erfahrungsmüssige Abhüngigkeit der Heilerfolge
überhaupt von dem Lungenzustand relativ enge Grenzen gezogen sind. Es ge-.
lingt durch Tuberkulinbehandlung, allerdings stets unterstützt durch Allgemein-
behandlung und vor allem Ruhigstellung des Larynx (Schweigegebot, Disziplinie-
rung resp. Unterdrückung des Hustens etc.), leichte und mittelschwere Fälle von
Lungentuberkulose oft obne jede Lokalbehandlung zur Heilung oder zu weit-
gehender Rückbildung zu bringen. Schwere diffuse Infiltrate und tiefgehende
tuberkulöse Veränderungen, die, meist mit schwerer Lungentuberkulose vergesell-
schaftet, selbst bei chirurgischem Eingreifen meist nur symptomatische Erfolge
erhoffen lassen, wollen Bandelier und Röpke im allgemeinen von der Tuber-
kulinbehandlung ausgeschlossen wissen. Vereinzelt haben sie aber auch in solchen
Fällen mit Tuberkulin bemerkenswerte Besserung erzielt.
So überzeugt auch die Ausführungen Bandelier und Röpkes lauten
— die bislang von verschiedenen Seiten ad hoc veröffentlichten an und für sich
wenig zahlreichen Fälle sind kaum beweiskräftig genug, die behauptete Über-
legenbeit der spezifischen Behandlung der Kehlkopftuberkulose überzeugend dar-
zutun. Vorzügliche unter Umständen auch dauernde Erfolge werden viele Laryn-
gologen und Lungenärzte auch ohne Tuberkulin aufzuweisen haben. Leichte Fälle
und selbst mittelschwere heilen erfahrungsgemäss bei geeignetem Verhalten und
nicht zu schwerem Lungenzustand oft ohne jede Lokalbehandlung von selbst.
Bei einer gewissen Schwere der Erkrankung hilft aber schliesslich nichts mehr,
wie Bandelier und Röpke selbst zugeben, auch das Tuberkulin nicht mehr.
Sehr beachtenswert und für die gesamte Tuberkulinfrage von fast ausschlag-
gebender Bedeutung ist die Behauptung, mit der Bandelier und Röpke die
grosse Wichtigkeit des Tuberkulins für die Prophylaxe der Kehlkopftuberkulose
begründen d. i.: „Aassesniemalsbeobachtetist, dass unter der Tuber-
kulinbehandlung einer selbst vorgeschrittenen Lungentuberku-
lose eine Kehlkopftuberkulose frisch entstanden sei“. Wenn sich
dieser lapidare Satz wirklich bestätigen sollte, dann ist Nicht-
spritzen ein Verbrechen. Des Referenten eigene Erfahrungen reichen zu
einer Kritik für oder gegen diese Behanptung nicht aus. Dass aber Fälle von
Lungentuberkulose unter und trotz lange lege artis durchgeführter Tuberkulin-
behandlung sich verschlechtert haben, dafür wird selbst der begeistertste
Tuberkulinfreund Zeugnis ablegen müssen.
Sei dem aber wie ihm wolle, der neuen auf langjährige intensive, die Er-
fahrungen früherer Misserfolge weise nutzende Arbeit ernster Forscher gegründeten
Tuberkulinäre wird sich auch der Laryngologe nicht entziehen können und bei
dem Einarbeiten in die Materie und der Anwendung der spezifischen Diagnose
324 Bücherbesprechungen. [18
und Therapie wird ihm das Bandelier und Röpkesche Buch ein wertvoiier
und fast unentbehrlicher Führer sein. Brühl-Gardone, Riviera.
Lorenzo B. Lockard M. D., Tuberculosis of the Nose and Throat.
St. Louis bei C. V. Mosby 1909. 384 S.
Lockard gibt in diesem Buche wohl die umfassendste Monographie über
Tuberkulose der oberen Luftwege, die bisher erschienen ist und die grosse Auf-
gabe, die er sich gestellt hat, ist gut gelöst. Offenbar stützt sich Verf. auf eine
grosse klinische Erfahrung; das kommt besonders auch in den ausserordentlich
lebenswahren Abbildungen der verschiedenen Formen der Tuberkulose der oberen
Luftwege zum Ausdruck, die den Wert des an sich trefflichen Buches erhöhen.
Ihre Ausführung ist vorzüglich.
. Auf alle Einzelheiten des umfangreichen Buches kann nicht eingegangen
werden; es sei nur einiges hervorgehoben. — Die historischen Einleitungen der
einzelnen Teile bringen das auch sonst bekannte Material. — Bei der Besprechung
der Átiologie der Larynxtuberkulose würe es entschieden wünschenswert gewesen,
wenn eine Trennung des kindlichen Alters vom Erwachsenen stattgefunden hátte.
Es ist wohl eine der wenigen wirklich sicheren Ergebnisse der modernen Tuber-
- kuloseforschung, dass es sich in den verschiedenen Lebensaltern um ganz ver-
schiedene Vorgünge handelt.
Damit würe auch Gelegenheit gegeben, die Frage der Immunität und Über-
empfindlichkeit zu berühren, ohne die die Atiologie der Tuberkulose nicht mehr
vollstandig abgehandelt ist. — Unter den prüdisponierenden Ursachen (S. 58 ff)
sollte der Diabetes nicht fehlen. Eine etwas zu ausführliche Besprechung haben
die subjektiven Symptome der Larynxphthise, zu der Verfasser auch das Fieber
rechnet, gefunden ; das Kapitel könnte statt auf 14 Seiten auf drei bis vier ab.
gehandelt werden. Auf S. 107 spricht Lockard von „Chorditis vocalis inferior“
oder, Laryngitis subglottica". Es muss daran erinnert werden, dass diese Namen
ganz allgemein für ein wohl umschriebenes Krankheitsbild gebraucht werden, das
mit Tuberkulose nichts zu tun hat. Dass subglottische tuberkulöse Infiltrationen
selten seien, kann man, auch wenn man nur im klinischen Sinne spricht, nicht
zugeben. — Ebenso muss die Behauptung, dass bei Pachydermie niemals wirk-
liche Ulzeration vorkomme, entschieden bestritten werden, auch möchte ich die
diagnostische Bedeutung der Tuberkulinreaktion nicht zu hoch einschätzen, selbst
bei den heroischen 'l'uberkulindosen, die im Beginn der spezifischen Therapie ge-
geben worden, habe ich keine sicheren lokalen Reaktionen im Larynx gesehen.
Die Therapie Lockards ist die gebrüuchliche, eine etwas straffere Indi-
kationsstellung würe im allgemeinen erwünscht, besonders auch bei der Frage
der endolaryngealen Eingriffe bei drohender Stenose. Die Galvanokausiik be-
handelt Lockard recht kurz und gibt ihr m. Er. nicht die gebührende Stellung,
der Tiefenstich ist nicht erwähnt. — Während man sich der im ganzen ablehnen-
den Haltung Lockards der „kurativen‘“ Tracheotomie gegenüber anschliessen
muss, ist die Behandlung der übrigen äusseren Eingriffe bei Loc kard wenig be-
friedigend; er führt nach eifriger Durchsicht der Literatur 48 Fälle von Laryngo-
tomie an, während ich (Handbuch der Therapie der Lungen- und Keblkopftuber-
kulose) schon 1903 44 Fälle aufzählen konnte, Grünwald in seiner Monographie
später noch mehr; die Zahl der veröffentlichten Fälle dürfte heute annähernd das
doppelte erreichen. Bei der Laryngektomie sind, soweit ich sehe, nur solche Fälle,
die wegen falscher Diagnose operiert worden sind, angeführt ; die neueren guten
Erfolge (Gluck) werden nicht angeführt. — Eine etwas eingehendere Berück-
sichtigung der deutschen Literatur hätte gerade im therapeutischen Teil ent-
schieden nützlich gewirkt. Das gilt auch von der diätetischen Therapie.
Lockard sagt da, der Umfang der Nahrung müsse möglichst reduziert werden.
Ganz recht! Aber daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit anzugeben, welche
Gruppen von Nahrungsmitteln ihrem Kalorienwert nach besonders geeignet sind;
19] Gesellschafts- und Kongressberichte. 325
eine wissenschaftliche Grundlage muss in diesen Fragen entschieden gegeben
werden.
In den folgenden Kapiteln Rachen, Nase ist weniger zu bemerken, doch
vermisst man dort, wie auch sonst eine ausführlichere Besprechung des Lupus;
dieser gehört zur Tuberkulose und müsste daher vollwertig behandelt werden.
Die vorstehenden Bemerkungen sollen nicht hindern anzuerkennen, dass
Lockard in seinem Werke eine ganz vorzügliche Darstellung der Materie ge-
geben hat, die jedem, der auf dem Gebiete der Tuberkulose des Halses und der
Nase arbeiten will, ein äusserst nützliches Hilfsmittel sein wird. Bl.
IV. Gesellschafts- und Kongressberichte.
Jahresversammlung der American-Mecical Association zu St. Louis.
Die Verhandlungen der rhino-laryngologischen Sektion derselben.
4. bis 9. Juni 1910.
Nachdem die aus allen Staaten der Union herbeigeströmten 4000 Ärzte am
Dienstag 17. Juni Vormittag vom Bürgermeister und vom Gouverneur, sowie von
den ärztlichen Gesellschaften der Stadt und des Staates aufs herzlichste will-
kommen geheissen waren, wurde anı Nachmittag die wissenschaftliche Arbeit be-
gonnen. Die rhino-laryngologische Sektion wurde von dem Vorsitzenden, Dr.
Chevalier Jackson (Pittsburg), eröffnet, der in seiner liebenswürdigen Be-
scheidenheit nicht von seinen bewundernswerten bronchoskopischen Arbeiten sprach,
sondern bloss kurz auf die kaustischen Gifte hinwies, die in gewissen käuflichen
Putzpulvern enthalten sind, ohne dass auch nur ein: zur Vorsicht warnende An-
deutung vorhanden sei. Die von ihm beobachteten Fälle von Ösophagus-Ver-
ätzung bei Kindern, die Teile der in den Wohnungen offenstehenden Produkte ge-
schluckt hätten, sollten die Aufmerksamkeit der Behörden auf diesen Missstand
lenken.
Prof. Holger Mygind (Kopenhagen), aufs herzlichste als Gast der Sektion
begrüsst, sprach in memoriam: Wilhelm Meyer. In ergreifenden Worten’
schilderte er den Lebenslauf seines verehrten Lehrers, der, von deutschen Eltern
stammend, auf Seite der Deutschen im schleswig-holsteinischen Kriege gegen seine
eigene Heimat zu Felde zog, und auf italienischem Boden seine letzte Ruhe fand.
In seiner Tätigkeit als praktischer Arzt entdeckte er im Jahre 1869 zufällig durch
diagitale Untersuchung die adenoiden Wucherungen, auf deren Bedeutung für
Ohrenerkrankungener in vielen wissenschaftlichen Arbeiten hinwies.
Dr. Dunbar Roy (Atlanta) sprach über klinische Beobachtungen
bei Nasendiphtherie.
Als Hauptsymptom betrachtet er eine auf andere Weise unerklürliche Nasen-
blutung, die sich als fast unstillbar erweist. Er verlor einen Patienten durch
Asphyxie, wührend er sich bemühte, die diphtherische Nasenblutung zu stillen.
Daher sollte bei allen derartigen Füllen sofort die ''racheotomie vollzogen werden,
ehe an die Stillung der Nasenblutung gedacht wird. Der Vortragende wies auf
die zahlreichen Fälle ,,chronischer Nasendiphtherie' hin, die erst beim Aultreten
einer Exazerbation als solche erkannt werden.
Diskussion:
Dr. Horn (San Franzisko) weist auf Pyocyanase als erfolgreiches Mittel bei
Nasendiphtherie hin.
326 Gesellschafts- und Kongressberichte. (20
Dr. Cott (Buffalo) befürwortet sofortige Tracheotomie nur bei Nachweis von
ausgedehnter Membran.
Dr. Miller (Richmond) berichtet über ein Kind, das wegen Fremdkörpers
in der Nase kam. Der Vater — ein Arzt — wollte Untersuchung auf Diphtherie-
bazillen nicht zulassen, bis 18 Schulkinder angesteckt waren.
Dr. Glogau (New York) berichtet über einen Fall von ,,chronischer
Diphtherie*, wo eine Woche nach Entfernung des hypertrophischen hinteren Endes
der unteren Muschel starke Blutung und eiteriger Nasenfluss erfolgte, der, ebenso
wie der Eiter der einige Tage spüter auftretenden doppelseitigen Mastoiditis
Diphtheriebazillen enthielt. :
Dr. R. H. Skillern (Philadelphia) illustrierte seinen Vortrag über „ver-
gleichende Pathologie der hyperplastischen und suppurativen Ethmoiditis‘“ durch
zahlreiche vortreffliche Projektionsbilder mikroskopischer Präparate.
Klinisch zeigt die hyperplastische Form klare wässerige Sekretion ohne
Krusten, Hypertrophie der unteren Muscheln, heftigen Kopfschmerz, der wegen
des von der hypertrophierten Schleimhaut auf Blut- und Lymphgefässe ausgeübten
Druckes besonders mit Augenbeschwerden verbunden ist. Neurasthenische
Spmptome beherrschen das Bild.
Bei der suppurativen Form ist der Ausfluss eiterig, wir finden stets Krusten-
bildung und Atrophie der unteren Muscheln. Kopfschmerzen gering, Augen-
symptome nur bei eiteriger Infektion. Neurasthenische Symptome unbedeutend.
Mikroskopisch: Bei hyperplastischer Ethmoiditis: ungeheure Rundzellen-
infiltration mit Hypertrophie der Drüsen- und Blutgefüsse, bei der suppurativen
Form: Bindegewebswucherung, Atrophie der Drüsen und anderer Gebilde.
Dr. H. Smith (New York) war verhindert, seinen Vortrag über „intra-
okuläre Komplikation bei Pansinusitis" zu halten, doch wurde auch darüber die
Diskussion zugelassen.
Diskussion:
Dr. Ballenger (Chikago): Ein Patient, der die Tasche voll Augengläsern
hat, leidet an Ethmoiditis. Durch Entfernung der mittleren Muschel werden
meistens die „Reflexphänomene‘‘ behoben.
Bei einem Falle von zehntägiger Blindheit trat nach Ausräumung der
Ethmoidalzellen und der Keilbeinhöhle vollkommene Sehschärfe auf.
Bei einer Blindheit von viermonatlicher Dauer wurde Patient durch dieselbe
-Operation zum Lesen der Zeitungsaufschriften gebracht.
Eine Neuritis optica von 18monatlichem Bestande blieb trotz beiderseitiger
Ethmoidal-Ausräumung unbeeinflusst.
Dr. Casselberry (Chikago) verweist auf einen Fall, wo im Laufe der
Jahre sich aus byperplastischer eine suppurative Ethmoiditis entwickelte. Für
atrophische Rhinitis schlägt er den Namen Ethmo-rhinitis atrophicans vor.
Dr. Markus (Chikago) spricht sich für eine Ausräumung der in den
Ethmoidalzellen vorhandenen hyperplastischen Granulationen aus, selbst wenn in
der Nähe weder Eiter noch Polypen nachweisbar sind. Er stimmt der Ansicht
bei, dass die Ethmoidalzellen erkrankt sind, wenn sich die äussere Wand der mitt-
leren Muschel als besonders weich erweist.
Die Mittwochsitzung eröffnete Dr. H. Horn (San Franzisko) mit seinem Vor-
trage über „Die bronchoskopische Behandlung von Bronchial-Asthma“. Von acht
während des asthmatischen Anfalles untersuchten Fällen wurden fünf durch
direkte Applikation von Adrenalin und Kokain auf die Bronchialschleimhaut
behandelt.
In einem Falle wurde vollständige Heilung, in den anderen bedeutende
Besserung erzielt. Der Erfolg besteht in Behebung des vom Vortragenden be-
obachteten Bronchiospasmus.
21) Gesellschafts- und Kongressberichte. 327
Diskussion:
Dr. Fletcher Ingals (Chikago) warnt vor Bronchoskopie wegen der
damit verbundenen Gefahr und empfiehlt im gegebenen Falle Ipecacuanhapulver
zur Insufflation.
Dr. Chevalier Jackson (Pittsburg) glaubt, dass ausgewählte Fälle durch
diese bronchoskopische Methode geheilt werden können.
Dr. Justhus Mathews (Rochester) sprach über den „Stimmbänderbefund
in tausend Strumafällen“. Zahl und Art der Stimmbandlähmungen sind abhängig
von Grösse und Beschaffenheit der Struma. Die Feststellung einer Rekurrens-
lähmung vor der Operation ist von grósster Wichtigkeit. Vorher bestandene
Lähmungen werden durch die Operation meist günstig beeinflusst. In der
Diskussion wiesen Dr. Horn und Dr. Markus auf die Wichtigkeit einer
bronchoskopischen Untersuchung vor Strumaoperation hin.
Die Vortragsserie ,,Halsmandel" wurde durch Dr. Robert Levy (Denver)
eröffnet, der über „Die tuberkulöse Tonsille‘ sprach, womit er die', Tonsille beim
Tuberkulösen“ meint. Pharyngeale 'l'uberkulosis kommt nur in 1!/3?/o der Fülle
vou Lungenschwindsucht vor. Weit wichtiger als diese meistens „manifeste“
Tonsillentuberkolosis ist die so häufige „latente“, die sich klinisch von der ge-
wöhnlichen hypertrophischen Tonsille und durch das Vorhandensein erkrankter
Halsdrüsen unterscheidet. In anderen Füllen sind die Tonsillensymptome nur als
eine lokale Reaktion der tuberkulósen Allgemeininfektion zu betrachten.
Die Therapie besteht im Anfang in Galvanokauter und Antituberkulin, spüter
in Tonsillektomie.
Dr. Joseph C. Beck (Chikago) sprach über „Indikation der Tonsill-
ektomie“. Die peinliche Ausschälung der Tonsille ist erforderlich bei folgenden
Komplikationen:
a) Lokal: chronische Tonsillitis, besonders wenn mit peritousillirem Abszesse
verbunden, Chancre, tuberkulöses Geschwür, bösartige Geschwulst oder akute
Infektion.
b) Region&r: Tubenkatarrh, chronische Pharyngitis, Halsdrtisen, Bronchitis.
c) Allgemein: Rheumatismus, Arteriosklerosis, Septikimie, Magen-Darm-
stórungen, Nephritis, Hepatitis und phiyktänuläre Konjunktivitis- Durch Tonsill-
ektomie werden toxische Substanzen aus dem Blute entfernt, sein opsonischer
Index gehoben.
Durch rechtzeitige Tonsillektomie bewirkte er: Unterdrückung von Allgemein-
symptomen bei primärem Chancre, Heilung von lokaler 'Tuberkulose und Sarkom,
Heilung bei Scharlach und Diphtherie, Besserung von unkompensiertem Herzfehler
und Hüftgelenkstuberkulose.
Einen mehr konservativen Standpunkt vertrat Dr. B.R. Shurley (Detroit),
er wies in seinem Vortrage über „Schwierigkeiten und Kontraindikationen der
Tonsillektomie‘ darauf hin, dass in Europa fast ausschliesslich nur tonsillotomiert
wird. Die Tonsille hat eine ung noch unbekannte Funktion, daher ist Erhaltung
eines Teiles derselben nötig, ausser sie ist schwer erkrankt wie bei Tuberkulosis,
Rheumatismus, Halsdrüsen etc. Tonsillektomie ist wegen der langen Narkose
(Status lymphaticus!) und der Gefahr von Hämoırhagie gefährlich und ist mit
postoperativen Schmerzen verbunden. Tonsillektomie ist nur sehr selten indiziert,
soll aber dann nur von Spezialisten und stets im Hospitale ausgeführt werden.
Diskussion: Dr. A. H. Andrews (Chikago): Bei einfacher tonsillärer Hyper-
trophie genügt Ausreinigung der Krypten, um die Entzündung zum Stillstand zu
bringen. Tonsillitis ist oft durch schlechte Zähne oder Sphenoiditis hervorgerufen.
Dr. W. E. Sauer (St. Louis) spricht über die Gefährlichkeit der Tonsillen-
operation an Kindern, die vorher an Scharlach oder Diphtherie litten.
Dr. Welty (San Franzisko) ist für Tonsillektomie. Bei einer Diphtherie-
epidemie blieben die Pflegerinnen, an denen diese Operation vorher einmal voll-
zogen war, immun.
328 Gesellschafts- und Kongressberichte. |22
Dr. O. Freer (Cbikago) warnt vor Ausschülung mit dem Finger und rüt
auch vom Gebrauche der Schlinge ab.
Dr. Onghton (Danville) vertritt radikalsten Standpunkt.
Dr. Goldstein (St. Louis) vollführt Tonsillektomie nur bei besonderer
Indikation.
Dr. Sheedy (New-York) weist darauf hin, dass in New-York 8 Todesfälle
bei Tonsillektomie unter Lokalanüsthesie vorkamen. Er warnt daher vor Kokain.
Dr. Horn (San Franzisko) bemerkte nach Enukleation der Tonsille Exa-
zerbation eines bestehenden Tubenkatarrhs.
Das Thema „Septum“ leitete Dr. F. P. Emerson (Boston) mit seinem Vor-
trage über ,Resultate der in Privatpraxis vollführten submukósen
Septumresektionen“ ein. Die Operation soll immer unter Allgemeinnarkose
gemacht werden. Sogenannte Kokain-Intoxikation ist bloss Shock. Nicht jede
Deviation ist pathologisch. Die Indikation ist keine mechanische, sondern eine
klinische (Funktionsstörung der Muscheln und des Nasopharynx), daher ist meist
eine andere nasale Operation mit der Resektion des Septums zu verbinden. An
245 Patienten wurden Briefe betreffs Befinden nach der submukösen Septum-
resektion geschickt. Die Antworten ergaben: 2 Nasenbluten, 4 Nasenkatarrhe,
43 Verschwinden der vorherigen Nasenbeschwerden, 43 keinerlei nervöse
Symptome, 1 nervöse Reaktion, 39 Besserungen des Allgemeinbefindens, 15 Ge.
hörverbesserungen, 1 Bestehen der Gehörsverminderung, 1 Narbe am vorderen
Septumabschnitt, 2 Perforationen, die sich jedoch vollständig wohlbefinden.
Dr. Clyde E. Purcell (Paducah) sprach im allgemeinen über „Sub-
mukóse Septumresektion". Eine Deviation kann Komplikation im Auge,
(Refraktionsstórungen), Ohr, Pharynx und Larynx hervorrufen. Selbst bei sieben-
jährigen Kindern rät er, lieber zu operieren als durch Zuwarten sie zu Mund-
atmern zu stempeln. Bei sehr alten Leuten ist Indikation fraglich. Infektions-
gefahr ist allgemein unterschätzt. Der Vortragende hatte einen Fall von Ery-
sipelas nach submukéser Resektion, der eine Perforation zur Folge hatte (die neben-
bei die einzige unter 123 operierten Fällen war). Seine Inzision geht vom Septum
auf den Nasenboden über und dann ein Stück nach vorwärts.
Diskussion: Dr. J.O. Roe (Rochester) befürwortet zuerst die hypertrophischen
Muscheln zu entfernen. Er hat eigene Instrumente, den Knorpel „gerade zu
quetschen“.
Dr. O. Freer (Chikago) beginnt zuerst mit horizontaler Inzision nahe dem
Nasenboden, eleviert nach oben und rückwürts und macht danu meist rückwürts
de vertikale Inzision. Während der weiteren Operation wird der so geformte
Lappen vom Assistenten nach vorne gezogen. Er benützt kein Knorpelmesserchen.
Dr. Scholz (St. Louis) heilte epileptische Anfälle durch submuköse
Septumresektion.
Dr. Pheedy (New York) sah bei Kindern stets gute Resultate.
Dr. Ballenger (Chikago) bewahrt nach Goldsmith den entfernten Knorpel
in physiologischer Kochsalzlösung auf, um ihn bei Perforation zwischen die beiden
Schleimbäute zu schieben. Bei Kindern wendet er Dr. Schluders Methode an,
die in 3 horizontalen Inzisionen (am obersten, mittleren und untersten Teile der
Deviation) und Überlappung durch Druckverband besteht.
Dr. Tydings (Chikago) entfernt den Verband bereits nach 12 Stunden.
Dr. Sluder (St. Louis) weist auf die Koinzidenz von gebogenem Nasen-
rücken und traumatischer Septumperforation hin.
Den letzten Vortrag hielt Dr. F. C. Todd (Minneapolis) über ,Neuralgien
und funktionelle Störungen in Kopf und Hals nach tonsillären
Infektionen“. Die von den Tonsillen ausgehende Infektion greift auf die Ge-
bilde des Halses über und ruft durch Mitbeteiligung der Nerven verschiedenartige
Neuralgien, Funktionsstörungen und Reflexsymptome hervor. Die Kopf-, Ohr- und
Zahnbeschwerden sind oft bloss auf der Seite der erkrankten Tonsille vorhanden.
23] Gesellschafts- und Kongreesberichte. 329
Von den laryngealen lieizsymptomen sind Husten, Heiserkeit und vollständiger
Stimmverlust hervorzuheben.
Folgende Instrumente wurden vorgestellt:
Dr. Casselberry (Chikago): schneidende Zange zur bronchoskopischen
Entfernung von in die Schleimhaut versenkten Nadeln.
Dr. E. Cutter (West Falmouth): Oraler Tubenkatheter.
Dr. Otto Glogau (New York): Submuköse Septumsägen zur gefahrlosen
und präzisen Entfernung der knöchernen Deviation.
Dr. H. Horn (San Franzisko): Apparat zum Nachweis von Eiter in den
Nasennebenhöhlen vermittelst negativen Druckes.
Dr. Sluder (St. Louis): Tonsillotom, zur Tonsillektomie geeignet.
Dr. H. W. Loeb (St. Louis) hatte eine wunderschóne Sammlung von ana-
tomischen Präparaten der Nase und ihrer Nebenhóhlen ausgestellt.
Société Belge d'otologie, de rhinologie et de laryngologie.
XX. Congrés. Bruxelles 11., 12., 13. Juni 1910.
Nach dem offiziellen Bericht des Dr. E. Labarre.
Präsident: Herr A. Capart sen.
Sonnabend, 11. Juni.
Aus der Geschüftssitzung ist hervorzuheben: Die Versammlung nimmt ein-
stimmig den Vorschlag des Herrn Delsaux an, eine internationale oto-rhino-
laryngologische Vereinigung zu gründen. Sie ernennt, um sie in der künftigen
Vereinigung zu vertreten, die Herren: Broeckaert-Gand, Delsaux-Brüssel und
Trétróp-Antwerpen.
Der Vorstand besteht für die Amtsführung des Jahres 1910—1911 aus den
Herren: Broeckaert, Präsident; Capart sen., stellvertretender Präsident;
Labarre, Vizepräsident; Delsaux Geneneralsekretir; Merckx, Sekretär,
Maloens, Schatzmeister; Beco, Cheval und Goris, Beisitzer,
Es wurde beschlossen, dass jährlich zwei Versammlungen stattfinden sollten.
1. Anatomische oder anatomisch-pathologische Demonstrationen.
Jauquet, Brüssel.
Ein Fall von Pansinusitis mit okulären, endokraniellen und pharyngealen
Komplikationen.
Der Kranke zeigt eine Anschwellung der rechten Orbita, eine milchige
Trübung der Kornea dieser Seite, links Papillitis (Untersucher Prof. Galle-
maerts).
Die Untersuchung der Nase zeigt das Vorhandensein einer Polysinusitis der
linkeu Seite und eines weichen Rachentumors, der das Ausseben eines kalten
Abszesses hat. Das vollständige einseitige Evidement der rechten Seite wird aus-
geführt. Es findet sich keine direkte Verbindung mit dem Gehirn. Nachdem die
Operation gemacht und der Verband angelegt ist, scheint der Patient sich in sehr
gutem Zustand zu befinden; aber nach einer Viertelstunde tritt plötzlich Atem-
stillstand ein und auch sofortiges Eingreifen konnte keine Hilfe bringen.
Die Autopsie ergibt: Meningitis der Basis, thrombosierter Sinus lateralis und
medianus, der mit Eiter gefüllt ist, starke Kiteransammlung in der Keilbeingegend.
Keine direkte Verbindung mit dem Operationsfeld.
Es entspinnt sich eine längere Diskussion über die Frage, ob es sich hier
um einen kalten Abszess oder einen entzündlichen Senkungsabszess des Rachens
handelte und ob angesichts der Papillitis nicht eine Lumbalpunktion der Operation
hätte vorausgehen sollen. An der Diskussion beteiligen sich die Herren: Cheval,
Broeckaert, Trétrôp, Delie, Capart jun, Jauquet. .
330 Gesellschafts- und Kongressberichte. [24
Broeckaert (Gent).
Voluminöse Dermoidzyste des Mundbodens.
Ein durch den Mund entfernter, abgerundeter, flacher, zystischer Tumor in
Form einer Schote. Ein längs der Zahnreihe gemachter Einschnitt liess ihn mit
grösster Leichtigkeit ausschälen.
Diskussion: Goris: Eine Operation muss immer so viel als möglich aseptisch
gemacht werden. Ich operiere immer nur von aussen oberhalb des Zungenbeins,
denn wenn eine Infektion in dieser grossen Höhle stattgefunden hätte, so hätte
das zu schweren Störungen führen können.
Broeckaert. Da die Zysten dieser Art sich immer oberhalb des Myo-
hyoideus befinden, so hielt ich es nicht für nötig, ihn zu durchschneiden, um den
Tumor zu erreichen, der sich unter der Mundschleimhaut befand.
Fernandes, Brüssel.
Ein Stein im Ductus Stenonianus.
Bei diesem Manne hatte sich wiederholt eine Anschwellung der Parotisgegend
gezeigt. Bei der Palpation konstatierte der Verfasser einen kleinen Knoten; es
war ein Stein, der 25 Zentigramm wog.
Capart, sen. Ein Fall ‘von pharyngo-laryngealer Sporotrichose. Mikro-
skopische Präparate.
Der Patient batte einen Tumor des Pharynx und Larynx, die man für
maligne Affektionen halten konnte, denn im vorigen Jahre hatte er einen Tumor
am Arm und einen in der Achselhöhle, welche man als Sporotrichose erkannt hatte,
Capart betont die Schwierigkeit der mikroskopischen Untersuchung uud
hebt dagegen die grosse Leichtigkeit hervor, den Keim auf geeigneten Nährböden
zu finden. Die Verabreichung von Jodkali genügte, um diesen Kranken zu heilen.
Diskussion.
. Trétróp. Über den ersten Fall dieser Affektion berichtete Schlenck in
Amerika 1898. Bis 1903 fanden sich keine Anzeichen derselben in Europa.
Gewöhnlich nimmt die Krankheit im Munde oder im Pharynx ihren Anfang; und
dann verbreitet sie sich. Es scheint, dass die Gemüse, namentlich der Salat, als
die hauptsächlichsten Träger der Sporotrichose anzusehen sind.
Goris. Beitrag zur plastischen Chirurgie des Gesichtes.
Ein Mann, bei dem die Wange, der Unterkiefer, die submaxillaren Drüsen-
pakete der Karotis der rechten Seite, wie auch die linken submaxillaren Drüsen
von epitheliomatöser Ulzeration befallen waren. Ligatur der Jugularis interna,
Entfernung der Drüsenpakete an der Karotis, des linken Unterkiefers und der an-
liegenden Drüsen, sowie derjenigen der rechten Seite.
Plastik. Ein oberer Lappen wurde von der Stirnhaut genommen uud zu-
rückgeschlagen, die blutige Seite nach aussen, die Epidermis folglich nach innen;
nach Möglichkeit wird ein unterer Lappen genommen, und zwar dass er nicht nur
die Haut, sondern auch das Unterzellengewebe mit erfasste.
Dieser Lappen wird auch auf das Operationsfeld gelegt, die blutige Seite
nach aussen. Man bildete auf diese Weise eine Wangenschleimhaut auf Kosten
der äusseren Haut.
Der Patient lebte noch-drei Monate und starb dann an Bronchopneumonie.
Delaaux, Brüssel.
Eine Sammlung von Stereo-Photogrammen. Zirka hundert Stereo -Photo-
gramme, die sich beziehen auf: 1. die Anatomie, speziell die Anatomie der Nasen-
héhlen und des Sinus (Nasenphantom von Killian), 2. auf die Pathologie der
Nase, des Larynx und der Ohren; und zwar wurden alle in Betracht kommenden Fülle,
welche in der Poliklinik der oto-laryngologischen Abteilung des Hospitals Saint-
Jean und in der privaten Praxis des Verfassers vorkamen, untersucht, 3. auf die
oto-rhino-laryngologische chiurgische Technik und auf die Operation der Poly-
sinusitis des Gesichts.
Delsaux betont die Dienste, welche die polychromen Stereogramme der
"Wissenschaft leisten.
25] Gesellschafts- und Kongressberichte. 33l
III. Krankenvorstellung.
Fernandés, Brüssel.
Einige Fülle von Nasenlupus.
Der Verfasser stellt drei Patientinnen vor, die von deutlich festgestellteu
Anzeichen von Nasenlupus befallen waren, und bei denen der Versuch mit
Kochschem Tuberkulin ein positives Resultat ergeben hattte. Diese Kranken
wurden durch Bestreichen mit reinem Parachlorophenal behandelt. Der Verfasser
macht darauf aufmerksam, dass bei der ersten Kranken die Heilung eine voll-
ständige ist; die zweite ist bedeutend besser, obgleich die Behandlung seit einem
Jahre ausgesetzt ist; die dritte endlich, welche erst seit zwei Monaten in Behand-
lung ist, scheint ebenfalls durch den Modus Faciendi gewonnen zu haben.
Merckx, Brüssel.
Modifikation des Verfahrens, das gewöhnlich zur Heilung der Polysinusitis
angewandt wird.
Die meisten Chirurgen führen zur Eröffnung der Nebenhóhlen wegen Poly-
sinusitis eine Resektion der Nasenknochen aus, entweder definitiv oder temporär.
Die temporäre Resektion mit einem Hautknochenlappen, satzt die Gefahr der Infek-
tion und selbst der Nekrose. Und dann ist die Kallusbildung an dieser Stelle
Behr entstellend. Schliesslich machen sich infolge der Narbe Zirkulationsstórungen
fühlbar.
Die definitive Resektion gibt vielleicht bessere ästhetische Resultate, es
bleibt aber häufig ein Mangel an Symmetrie der vorderen, oberen Wand der
Nasenhöhle zurück.
Der Verfasser empfiehlt, nach einem einzigen Hauteinschnitt eine getrennte
Öffnung für den Sinus frontalis zu machen; dann eine zweite untere Öffnung,
welche die Öffnung des Nasenloches und einen Teil der äusseren Wand des
Sinus maxillaris umfasst. Diese Öffnung, welche die Nasenknochen nicht berührt,
gestattet, das Siebbein und das Keilbein sowie auf dem transmaxillaren Wege zu
operieren und es hat keine der oben angeführten Unbequemlichkeiten zur Folge.
Collet, Brüssel. Operation an Kranken, die an Polysinusitis des Gesichtes
litten.
Collet stellt zuerst eine Patientin vor, die zweimal wegen doppelseitiger
Polysinusitis operiert wurde, rechts und links mit einem Zwischenraum von zwei
Wochen. Die Operation war fast blutleer, dank der dreimaligen Anwendung von
Adrenalin, zuerst als Tamponade in die Nasenhöhle, dann vor der Narkose und
schliesslich in subkutanen Injektion in der Gegend der Einschnitte. Der Zugang
zum Siebbein und zum Keilbein wurde dadurch erreicht, dass man den Processus
frontalis und die innere Orbitalwand entfernte, die eigentlichen Nasenknochen
blieben dabei intakt. An den Sinus maxillaris gelangte man durch die vordere
innere Wand. Collet führt dann eine zweite Patientin vor, welche vor viel
Jahren wegen beiderseitiger Siebbeineiterung auf intranasalem Wege operiert
wurde und die als geheilt betrachtet wird. Seitdem wurde diese Kranke, und
zwar wiederholt, von Stirnhöbleneiterung befallen und deswegen operiert, ohne
dass die Kieferhöhle, die Keilbein- und Kieferhöbleneiterung mit beteiligt gewesen
wären. Der Verfasser hebt die sukzessive Entwickelung dieser Sinusiten hervor
und ist der Ansicht, dass es sich hier um eine fortschreitende Knochenaffektion
handelt, einer Osteomyelitis.
Was seine Ansicht bestätigt ist, dass sich bei dieser Patientin noch zeitweise
entzündliche Erscheinungen mit Schmerzen und Anschwellungen zeigen, entweder
in der Gegend der Stirn, in der Nähe des eigentlichen Nasenknochens, oder des
harten Gaumens.
Van den Wildenberg, Antwerpen.
Bruch der Schädelbasis, des Stirnbeins und der Gesichtsknochen. Schwere
Verletzung des Gehirns. Polysinusitis. Schliesslich Heilung.
Wie der obenstehende Titel zeigt, hatte die Kranke, welche der Verfasser
vorstellt, vielfache Verletzungen des Schädels, des Gehirns und des Sinus, folglich
332 Gesellschafts- und Kongressberichte. [26
ein Trauma. Fünf Operationen wurden nacheinander im Laufe von 8 Monaten
gemacht, um endlich zu vollständiger Heilung zu führen. Der Verfasser betont
besonders die grosse Widerstandsfähigkeit des Gehirns und der Meningen bei den
ausgedehnten Eingriffen, die er zu machen gezwungen war.
Beco, Lüttich.
Vorstellung von Kranken, an denen die Laryngotomie wegen Papillome ge-
macht wurde.
Der erste dieser Kranken wurde am 2. Mai 1908 tracheotomiert; er nahm
am 1. Juni seine Arbeit wieder auf. Der Verschluss der Wunde wurde 9 Monate
später gemacht.
Der zweite, bei dem drei Thyreotomien erfolglos gewesen waren, trug seit
6 Jahren eine Fistel und dann eine Trachealkanüle. Dank der Laryngotracheo-
tomie erfolgte die Heilung der Papillome in 3'2 Monaten. Dieser Kranke ist
seit 20 Monaten geheilt, bebält aber noch seine Öffnung.
Beim dritten Patienten kann man ein Aufhören der Papillombildung erst jetzt
nach zwei Jahren sehen; aber im Verlaufe des zweiten Jahres ist er nicht mit
der nötigen Genauigkeit beobachtet worden, man hat Zeit verloren.
Der Verfasser macht darauf aufmerksam, dass er bei den beiden ersten
Laryngotracheotomierten den Larynx sich sehr bald wieder schliessen liess, und
nur die Trachealöffnung blieb offen.
Beim dritten Patienten wurde in Anbetracht der Ausbreitung der Krankheit
die Laryngotracheotomiewunde bisher offen gehalten.
Blondiau, Charleroi.
Eine junge Frau mit stenosierenden Larynxpapillomen.
Die Kranke, 21 Jahre alt, trägt seit 6 Jahren eine Trachealkanüle.
Grosse Papillome obstruieren von allen Seiten die Glottis. Vor 3 Jaliren
wurde infolge einer Aussaat der Papillome auf die Umgebung der Trachealóffnung
und in die Trachea, eine Operation nötig. Nach kurzer Anästhesie mit Kokain
wurden die Papillome mit galvanokaustischer Schlinge entfernt.
Die Debandlung, welche in diesem Falle deutlich vorgezeichnet erscheint, ist
die Laryngotomie mit dauerndem Offenbleiben der Offnung. Diese Operation wire
schon längst gemacht worden, wenn die Familie sich nicht jedem Eingriffe wider-
setzt hätte.
Bei der Vorstellung dieser Patientin hatte der Verfasser hauptsächlich im
Auge, einer erst kürzlich geäusserten Ansicht von Saint-Clair Thomson eine
kritische Beleuchtung entgegenzusetzen, dass nämlich die Papillome die Tendenz
haben, gegen das sechste Jahr plötzlich zu verschwinden, und dass die Tracheo-
tomie, mit endolaryngealen Eingriffen verbunden, genügt, die Papillome zu heilen.
Jauquet, Brüssel.
Vorstellung eines geheilten Laryngotomisierten.
Dieser Patient wurde im Oktober 1907 operiert und dem Kongress vor zwei
Jahren vorgestellt. Er war von der laryngotrachealen Verengerung vollständig
befreit, (siebe die damals von diesem Falle gegebene detaillierte Beschreibung);
eine Fistel, die zu keinerlei Störungen führte und durch ein Heftpflaster geschlossen
gehalten wurde, wurde erst in diesem Jahre durch eine einfache Naht geschlossen.
Das Resultat, das plastische sowohl, als auch das physiologische, war ein
vollkommenes. |
Delsaux, Brüssel.
Fünf Fülle von laryngo-trachealer Stenose, welche auf verschiedene Weise
behandelt wurden.
Es handelt sich zunächst um einen Fall von narbiger laryngo-trachealer
Stenose, die mit Laryngotomie, sowie Erweiterung durch Kautschukröhrchen be-
handelt und geheilt wurde. Dieser Patient wurde in zwei Sitzungen der Société
Belge d'oto-laryngologie vorgestellt, er ist vollständig geheilt und wäre in ganz
normalem Zustande, wenn seine Stimme nicht infolge von Unbeweglichkeit des
linken Stimmbandes durch das Narbengewebe heiser wäre.
21] Gesellschafts- und Kongressberichte. 333
Es folgen dann zwei Kanülenirüger, von denen der erste in einem Dorfe in
Flandern tracheotomiert war und den der Arzt nicht dekanülieren konnte.
Nachdem der Verfasser sicb durch die untere Tracheoskopie und die retro-
grade Laryngoskopie überzeugt hatte, dass kein körperliehes Hindernis für die
Atmung vorhanden war, nahm der Verfasser eine Reihe von Kokainisierungen der
Trachea vor, welche es dem Kinde ermöglichten, die sofortige Entfernung der
Kanüle zu ertragen, sowie auch ihren Verschluss während einer Zeit von fort-
schreitend längerer Dauer. Die Trachealwunde wurde zunächst mit Hilfe des
Fingers geschlossen und dann mit einem Pflaster, welches das Kind mehr als eine
Stunde auf der Wunde hatte. Schliesslich schlief es ohne eine Kanüle ein und
war seitdem gesund. Seine Stimme ist ganz normal.
Der zweite Fall ist ein Mädchen von 13 Jahren, welches vor ungefähr
l'j Jahren im Hospital tracheotomiert worden war, wegen einer spezifischen
laryngotrachealen Verengerung; sie wurde unter Adrenalin-Kokain tracheoskopiert
und laryngoskopiert. Die Behandlung durch Verschluss der Kanüle und Auflegung
des Pflasters machte der spastischen Stenose, welche zusammen mit der wahren
Stenose eintrat, als man dieses Kind dekanülierte, ziemlich bald ein Ende.
Die zwei folgenden Patienten sind noch mit Kanülen versehen; ein Kind von
9 Jabren wurde eines Abends mit drohender Asphyxie ins Hospital gebracht.
Man machte wiederholt eine Tubage des Larynx und wegen dringender Gefahr
die Tracheotomie, welche die Eröffnung eines subglottischen Abfzesses mit
Streptokokken herbeiführte. Dieses Kind hatte ausserdem eine Narbe im Rachen,
welche ein ın der Folge hervortretender Lupusknoten als Folge einer tuber-
kulösen Lokalisation erkennen liess. Von seiner subglottischen Affektion geheilt,
konnte es dekanüliert werden. Dieses gute Resultat erwies sich als nicht von
Dauer. Das Kind musste wieder tracheotomieit werden und trotz zahlreicher und
mit Geduld ausgeführten Versuche der Dekanülisation verliess es das Hospital mit
seiner Kanüle. Unglücklicherweise hat sich der Lupus der Nase, trotz des Land-
aufenthaltes und vielleicht wegen Mangel an Pflege, derart entwickelt, dass dıe
ganze rechte Nasenhöhle mit Schorf und lupösen Wucherungen angefüllt ist.
Die Kanüle, die es trägt, wird nur von Zeit zu Zeit gereinigt; der Verfasser ist
der Ansicht, dass es in diesem Falle von grossem Vorteil wäre eine Trachealfistel,
zu machen Später könnte man sie wieder schliessen, nachdem der Nasenlupus
in genügender Weise behandelt und so weit in Besserung wäre, dass man wenig-
stens von dieser Seite nichts mehr zu fürchten hätte.
Die letzte Beobachtung betrifft ein Kind von 9 Monaten, das asphyktisch ins
Hospital gebracht wurde, die Eltern glaubten, dass es ein Stück von einer Nuss-
schale verschluckt hatte.
Es wurde ein vergeblicher Versuch einer oberen Tracheo-Bronchoskopie ge-
macht und einer unteren Tracheotomie.
Seitdem atmete das kind wieder und das Gesicht färbte sich wieder. Weder
die untere Tracheoskopie noch die Auskultation und die Radioskopie liessen einen
Fremdkörper erkennen. Delsaux glaubte sich berechtigt, den Versuch der Er-
ziehung zur normalen Atmung zu machen und liess den Verscliluss der Kanüle
unter fortgesetzter Überwachung ausführen.
Unglücklicherweise bekam das Kinü plötzlich einen Erstickungsanfall, wäh-
rend eines dieser Versuche, als man die Kanüle mit einem Pfropfen geschlossen
hatte und man musste zur Einatmung von Sauerstoff seine Zuflucht nehmen, um
es aus seiner gefahrvollen Lage zu befreien. Seitdem stellte der Verfasser die
Versuche mit der Methode der Erziehung zur normalen Atmung ein; er schickte
das Kind aufs Land und wird dann auf ein Mittel sinnen, das angewandt werden
könnte, um die physiologische Respiration wieder herzustellen.
Zum Schiusse betont Delsaux die Notwendigkeit, den Versuch der pro-
gressiven Dekanülisation zu machen, bevor man zur Tracheotomie schreitet, welche
das letzte Mittel bleiben muss, um die Stenose der oberen Luftwege zu beseitigen.
334 Gesellschafts- und Kongressberichte. [28
Ledoux, Huy.
Palatoplastik nach totaler Resektion des Oberkiefers.
Das von Ledoux anempfohlene Verfahren besteht in der Verwendung eines
fronto-temporalen Lappens, dessen äusserster Teil dazu dient, das Gaumengewölbe
wieder herzustellen und der Rest soll zur Deckung des Defektes des Oberkiefers
verwandt werden.
Ist die Resektion des Oberkiefers beendet, so schneidet man:
1. Einen Hautmuskellappen von 3—4 cm Breite und 10—15 cm Länge.
2. Man näht seinen äusseren Rand (nachdem man ihn um seinen zwischen
den Brauen liegenden Stiel gedreht hat) an das was vom Gaumensegel noch
bleibt, oder er bleibt lose hüngen, wenn dieses geopfert worden ist.
3. Man näht die beiden betreffenden Ränder an das was von der Schleimhaut
des Gaumens noch bleibt längs den Zähnen und von der anderen Seite an den
unteren Lappen.
4. Hinter der Oberlippe frischt man den Rücken des Lappens an und macht
die Naht.
In einer zweiten Sitzung, 2 Wochen nach der ersten, durchschneidet man
den Lappen an seinem Stiel zwischen den Augenbrauen und dreht ihn so, dass
er den Wangenlappen unterfüttert. :
Füllt auf diese Weise den Kieferdefekt, ohne jedoch die korrespondierende
Nasenhóhle- zu berühren, die ganz offen bleibt.
Jauquet, Brüssel.
Partielle Entfernung der Parotis wegen Endothelioms. Vorführung von
Prüparaten und Vorstellung der geheilten Frau.
Es handelt sich um eine Kranke mit lokalisiertem Tumor der Parotis.
Während der Operation schien es, als wäre der Tumor nicht zu entfernen
und von malignem Aussehen. Als man jedoch fand, dass der hintere, untere Teil
der Drüse gesund wer, wurde der kranke Teil vorsichtig entfernt, aber erst nach
Entfernung des vorderen Teiles mit dem Ductus Stenonianus. Die Mündung des
Kanals wurde häufig sondiert, um den ununterbrochenen Durchgang zur Drüse zu
erhalten.
Vollständige Heilung seit mehreren Monaten.
Delsaux, Brüssel.
Lymphadenom der beiden Parotiden.
Eine Frau von 67 Jahren kam in die Sprechstunde wegen Eiterung des
linken Ohres mit Fungositen des Mittelohres. Zugleich hatte sie eine schmerzlose
Anschwellung der beiden Parotiden. Die mikroskopischen Untersuchungen der
Granulationen im Ohr ergaben zweimal gutartige Wucherungen. Der Verfasser
löste das Ohrläppchen und machte eine Kürettage des Ohres. Eine grosse Drüse
befand sich unter dem Ohr und schien mit der Affektion des Ohres in Verbindung
zu stehen. Auf der rechten Seite wurde diese Kranke von Jauquet operiert, der
die Parotis und die anliegenden Drüsen ausschnitt. Die mikroskopische Analyse
des Stückes ergab Lymphadenom.
Deisaux machte dann eine Untersuchung des Blutes, wobei sich ergab,
dass Leukämie und Pseudo-Leukämie ausschieden, er machte dann die Operation
an der linken Seite und schnitt in einer folgenden Operation ein Drüsenpaket
von der Grösse einer halben Faust aus. Die von Dr. Steinhaus gemachte
mikroskopische Untersuchung zeigte das Vorhandensein tuberkulöser Herde in der
Drüse selbst und in den Lyınphdrüsen.
Die Patientin befindet sich gegenwärtig auf dem Wege der Heilung.
Der Verfasser betont schliesslich die Notwendigkeit der Differentialdiagnose
der Krankheit.
Steinhaus, Brüssel.
Gibt einige histopathologische Erláuterungen das symmetrische Lymphom der
Parotis betreffend, welche Delsaux vorlegte und demonstriert die mikro-
skopischen Schnitte, welche er Gelegenheit hatte bei diesem Falle auszuführen.
29) Gesellschafts- und Kongressberichte. 335
Van den Wildenberg, Antwerpen.
Ein bemerkenswerter Fall von Gangrün des Gesichtes und des Halses.
Es handelt sich um einen Fall von Gangrün von ausserordentlich rapidem
Verlauf, vermutlich als Folgeerscheinung einer Angina derselben Art. Die
Affektion war sehr ausgebreitet und hatte sich tief bis zum Larynx fortgepflanzt,
indem sie sich im Zellgewebe verbreitete und die Speicheldrüsen ergriff. Grosse
Arterien, wie die Lingualis und die Fazialis waren bis zur Karotis durch in den
gangränösen Prozess einbezogen.
Die Heilung des Kranken wurde durch weitgehende Erweiterungen und die
Anwendung von Wasserstoffsuperoxyd, wie auch aromatischen Weins erzielt.
Delsaux, Brüssel.
Tumor des Mediastinums mit Kompression des Rekurrens.
Ein Patient, der von rechtsseitiger Rekurrenslähwung befallen war und bei
dem die Radiographie das Vorhandensein eines enormen Tumors des Mediastinums
enthüllte. Dieser Kranke wurde einer antisyphilitischen Behandlung unterworfen,
obgleich er alle spezifischen früheren Vorgänge leugnete. Gegenwärtig ver-
schwindet der Schmerz wie auch die Schlaflosigkeit und sonstigen Störungen,
aber die Lähmung dauert fort, was den Verfasser veranlasst, sich über die Heilung
dieses Kranken mit einigem Vorbehalt zu äussern.
Verhandlungen der Dänischen oto-laryngologischen Gesellschaft,
67. Sitzung vom 16. März 1910.
Vorsitzender: Dr. Kiär.
Schriftführer: Dr. Blegvad.
I. P. Tetens Hald: Fall zur Diagnose,
20 jähriges Mädchen, seit 6 Tagen Schluckschmerzen; in der rechten Ary-
gegend ein tiefes, scharf abgeschnittenes Geschwür, in der Umgebung einige gelbe
Flecken. Keine syphilitischen Manifestationen.
Diskussion: Schmiegelow, Kiär u. a. meinen, es handle sich wahr
scheinlich um einen Gummiknoten.
(Späterer Zusatz: Wassermann positiv, Geschwür durch antiluetische
Behandlung geheilt.)
II. Wilhelm Waller: Fall von tiefliegendem Fremdkörper in der Lunge.
Bronchoskopische Extraktion.
Ein 12 jähriger Knabe inhalierte das Mundstück einer Kindertrompete;
Wohlbefinden; bei schnellem Respirieren hört man zwei trompetenähnliche Töne.
In Chloroformnarkose wird Bronchoskopie gemacht und der 25 cm vom Zungen-
bein entfernte Fremdkörper wird mittels einer platten Brüningsschen Zange
entfernt.
Übrigens otologische Mitteilungen.
68. Sitzung vom 11. Mai 1910.
I. Gottlieb Kiür: Dilatation des Oberkiefers.
Kiar empfiehlt in Fällen, wo auch nach Entfernung der adenoiden Vege-
tationen die nasale Respiration sich nicht ausbilden lässt, mechanische Dilatation
des Oberkiefers vorzunehmen; es lüsst sich in dieser Weise die schmale, hohe
Eorm des Gaumens, sowie die Deviation der Nasenscheidewand beseitigen.
II. E. Schmiegelow: Beitrag zur operativen Behandlung der Hypophysen-
leiden.
Schmiegelow hat eine Dame wegen Hypophysistumors operiert; die
äussere Nase wurde aufgeklappt, Nasenscheidewand, vordere Keilbeinhöhlenwand.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 3. 28
336 Gesellschafts- und Kongressberichte. [30
Septum sphenoidale und schliesslich vordere Wand der Sella turcica entfernt,
wonach Tumor teilweise entfernt wurde. Nachher Wohlbefinden, Symptome
gebessert.
(Späterer Zusatz: 8 Wochen nach der Operation plötzlich Hirnödem, binnen
weniger Stunden Exitus; keine Meningitis.)
Diskussion: P. Tetens Hald.
III. E. Schmiegelow: Fülle von Mukozele der Stirnhöhle und der Sieb-
beinzellen.
1. 63jährige Frau stiess vor 3 Jahren die Stirne gegen eine Ofentür;
2 Tage später ein kleiner Knoten, der fortwährend gewachsen; gleichzeitig
Doppelsehen. Inmitten der Stirne ein hühnereigrosser Tumor, der das linke
Auge beträchtlich disloziert hat; bei der Operation zwei voneinander völlig ge-
trennte Zysten, die eine in der Stirnhöhle, die andere in der Orbita und dem
vorderen Teil des Siebbeins; die Wand fibrös, der Inhalt dick, gelatinös, dunkel-
braun, gibt starke Blutreaktion. Interessant ist das traumatische Entstehen,
wahrscheinlich durch einen Bluterguss in die Stirnhöhle.
2. 5ljährige Frau bemerkte vor 1 Jahre einen kleinen zystischen Knoten
im linken Augenwinkel, der sehr langsam bis zur Kirschengrösse anwuchs. Bei
der Operation walnussgrosse Zyste im Siebbein, ohne Verbindung mit der Nasen-
höble; die Wand fibrös, der Inhalt grünlich, gelatinös.
IV. E. Schmiegelow: Larynxstenose von narbiger Natur, nach Selbst-
mordversuch; die Stenose wurde mittels Drain & demeure dilatiert; Patient wird
als geheilt vorgestellt. Jörgen Möller.
Rhino-laryngologische Sektion des Kgl. Ärztevereins zu Budapest.
III. Sitzung vom 3. November 1909.
1. D. v. Navratil. Mittelst Tracheoskopie diagnostizierter
Fall von Aneurysma.
Die 28 Jahre alte Patientin klagte über Kurzatmigkeit. Objektiv liess sich
eine mässige Vergrösserung der Schilddrüse, deren linker Lappen substernal
endete, nachweisen. Die Tracheoskcpie wies eine Pulsation rechts nach. Geringe
Dämpfung l. über dem Manubrium sterni, radioskopisch ]. an dem sternalen An-
satze der 2. Rippe ein ungefähr nussgrosser Aneurysma,
Sonstige Erscheinungen, wie Geräusche, Pulsdifferenz fehlen. Merkwürdig
ist, dass das links sitzende Aneurysma tracheoskopisch rechts eine Pulsation zeigte.
Verfasser nimmt an, dass das links sitzende Aneurysma an der Aorta ascendens
sitzt, und dass dieses der erste Fall ist, wo bei der tracheoskopischen
Untersuchung im Lumen der Trachea eine derartig starke Pulsation sichtbar war,
welche die Diagnose des Aneurysma mit Wahrscheinlichkeit annehmen liess.
v. Navratil sen.: Der Fall rechtfertigt die Bedeutung der Tracheoskopie
in der Diagnostik der Aneurysmen, besonders in jenen Fällen, wo die laryngealen
Symptome nur mässig entwickelt sind.
2. E. Baumgarten. Empyem und Osteomyelitis der Kieferhöhle.
Baumgarten hat dem Patienten vor7 Jahren die linke Kieferhóhle vom unteren
Nasengang breit eröffnet und ausgekratzt, worauf nach einem Jahre Heilung erfolgte.
Nach 7 Jahren traten wieder Schmerzen und eiteriger Ausfluss auf. Die frühere
Öffnung war ganz verheilt, sie musste aufgefrischt werden. Nach 3 Tagen r. Odem
der Oberlippen und des Augenlides und der Wange. Baumgarten schnitt unter dem
r. Arcus zygomaticus tief ein, worauf sich viel Eiter entleerte. Entfernung der
Vorderwand. Nach 8 Tagen frische Infiltration, Phlegmone, Elimination eines
nekrotischen Knochensplitters, hierauf Heilung in 3 Wochen. Es ist schwer zu
entscheiden, ob die Osteomyelitis hier primär oder sekundär war.
8. E. v. Navratil. Rückblick auf die Tütigkeit der XV. Sektion
des XVI. internat. med. Kongresses.
31] Gesellschafts- und Kongressberichte. 337
4. Diskussion über die Indikation der Eröffnung der Stirn-
hóltlen.
C. Lang ist für die konservative Therapie, komplizierte Fälle aber, in
welchen der Knochen affiziert ist, sollen operiert werden. Die bisherige Statistik
ist richt ganz verlässlich, bei Obduktionen sollten die Stirnhöhlen stets untersucht
werden, um zu sehen, wie häufig Komplikationen vorkommen.
F. Tovolgyi. Die chirurgische Eröffnung ist unbedingt indiziert, wenn
Knochenleiden, Dilatation, orbitale oder Gehirnkomplikationen vorliegen; bei hoch-
gradigen Kopfschmerzen soll zuerst die intranasale Therapie versucht werden.
Vor der radikalen Operation ist die genaue Diagnose zu stellen, wozu die Röntgen-
untersuchung uns verhelfen kann.
L.Polyák hat vor8 Jahren auf dem Chirurgenkongresse mehrere nach Killian
und Hajek operierte Fälle demonstriert und seinen Standpunkt klargelegt. Heute ist
die Richtung jedenfalls viel konservativer wie in früheren Jahren. Es lässt sich
wenig Neues über die Frage sagen. Die Stirnhöhlenempyeme sind nicht selten; selten
sind nur jene Fälle, wo ein äusserer Eingriff notwendig ist. Polyäk hat in den letzten
2 Jahren keinen solchen Fall gesehen. Schmerzen und Radioskopie sichern allein
die Diagnose nicht, man muss sich von dem Vorhandensein der Eiterung durch
Sondieren, Aspiration und Durchspülung überzeugen. Ein Eingriff von aussen ist
nur dann zu gestatten, wenn wir endonasal nicht zum Ziele kommen. Die
Operation nach Killian ist zweckmässiger als die osteoplastische Resektion.
A. Onodi. Die ultraradikalen Operateure sind wegen den postoperativen
Meningitiden mässiger geworden. Es sind schon Fälle auf intranasale Behand-
lung ausgeheilt, bei welchen die radikale Operation beabsichtigt war. Die
Komplikationen entscheiden, ob radikal operiert werden soll.
E. Baumgarten. In England und Norddeutschland sind die Stirnhöhlen-
eiterungen häufiger wie bei uns, da dort die Schädelknochen dünner sind. Die
Czechen haben dickere Schädelknochen wie die Einwohner von Bosnien. Redner
hat unter 4500 Patienten jährlich nur 10—12 Stirnhöhlenempyeme und ist höchst
selten gezwungen, den Sinus zu eröffnen.
Z. Donogäny. In akuten Fällen muss ein Eingriff schnell entschlossen
werden, während bei chronischen Erkrankungen man konservativ vorgehen kann.
Es lassen sich keine engen Grenzen für die Indikation stellen, der Zustand der
Patienten und die klinische Erfahrung des Operateurs entscheiden. In dringenden
Fällen soll nicht lange überlegt werden.
I. Sitzung vom 25. Januar 1910.
1. D. v. Navratil. Vor Sin Jahrenendonasaloperiertes Septum-
karzinom.
Die Krkrankung war sehr geringen Umfangs, nur auf die Schleimhaut be-
grenzt und hat seither nicht rezidiviert.
2. Z. v. Lénárt. Zitterbewegungen des Kehlkopfes und der
Zung e.
J. V., 90 Jahre alt, verheiratet, Schiffskapitün, wurde am 7. Januar 1910 im
Sankt Stephansspital aufgenommen.
Zwei Schwestern seiner Mutter starben an Paralysis agitans. Von seinen
8 Kindern ist das eine nervös. Ä
Vor 2 Jahren sah er 2 Monate hindurch alles doppelt mit dem rechten
Auge, welches Symptom von selber verschwand. Vor 10 Monaten traten an der
linken, etwas später auch an der rechten Hand Zittern und Muskelzuckungen auf;
einen Monat darauf verlor er die Stimme und seitdem kann er nur flüsternd
sprechen, da er bei lauter Sprache angeblich Schmerzen in der Maygengegend
lmpfindet, Zeitweise ist er imstande eine bis zwei Silben auch laut zu äussern. Vor
10 Jahren Ulcus am Penis und nachfolgend monatelang dauernde und vereiterte
Bubonen. Schmierkur gebrauchte er keine, duch nahm er vor Jabren Jodkali.
23*
338 Gesellschafts. und Kongressberichte. [32
Status praesens. Abducens der rechten Seite etwas paretisch. In den
Fingern zeitweite fibrilläre Zuckungen. Argyll-Robertson-Symptom. Kniereflexe
etwas gesteigert. Romberg fehlt. Analgesie, Anästhesie besteht nirgends;
rheumaartige Schmerzen fehlen ebenfalls. Wassermann-Reaktion positiv,
Patient ist fast stimmlos; Sprache flüsternd, einige Silben manchmal laut.
Es hat den Anschein, als könnte er die Glottis nicht schliessen und spricht daher
mit viel Luftverschwendung. Auffallend ist das Zittern der Zunge; besonders
die Zungenwurzel und der Zungenrücken machen ständig kleine, rhythmische,
fibrilläre Zuckungen; solche sind auch an der Epiglottis wahrzunehmen.
Ständige Zitterbewegungen wie an der Zunge, sind an den aryepi-
glottischen Falten, an den Giesbecken-Knorpeln und an den falschen
Stimmbündern; dieses Zittern ist intensiver auf der linken Seite. Die wahren
Stimmbänder machen auch in der Inspirationsstellung kleine, fibrilläre Exkur-
sionen, welche bei der Phonation auffallender erscheinen. Bei der Adduktion ist
ihre Berührung nicht vollkommen, dabei ist das Zittern weniger bemerkbar als
bei der Abduktion, wo die zitternden Exkursionen der wahren Stimmbänder in
Form von Ab- und Adduktionsbewegungen schärfer hervortreten. Auffallend ist
der Umstand, dass der Patient während der Spiegeluntersuchung einen Ton ver-
lautbaren kann, wie auch, wenn der Kehlkopf auf beiden Seiten etwas zusammen-
gedrückt wird; das Zählen geht in diesem Falle mit reiner Stimme vonstatten ;
doch tritt dann wieder Aphonie ein.
Im vorliegenden Falle stehen wir einer derartigen parakinetischen Stórung
des Kehlkopfs gegenüber, wo der Kehlkopf rhythmische Zitterbewegungen macht,
die von dem Willen des Patienten unabhüngig sind.
Dass diese Bewegungen unwillkürlich sind, unterscheidet dieselben von
ataktischen Zuckungen, welche am heftigsten bei willlkürlichen Bewegungen auf-
treten. Zwischen diesen zwei Formen stehen als Übergangsform jene Bewegungs-
stórungen, welche bei Chorea im Kehlkopf zu sehen sind und auf welche
Ziemssen die Aufmerksamkeit lenkte.
Die rhythmischen Zitterbewegungen des Kehlkopfes beobachtete man bei
verschiedenen Krankheiten, doch sind dieselben nicht so charakteristisch, dass
aus ihnen das Grundleiden zu diagnostizieren würe. lm ganzen genommen, sind
ähnliche Fälle selten und daher die Beobachtungen spärlich.
P. Heymann sah ähnliches an der Epiglottis nach Verkühlung;
Scheimann bei Gehirnsyphilis; Spencer und Oppenheimer bei Gehirn-
tumoren, verbunden mit gleichzeitigem Nystagmus der Augen. Bei Hysterie haben
Fälle von Schrötter, Baginsky, Mackenzie und Löri beschrieben.
Krause, Kussmaul, Schulze sahen Zittern am Keblkopf bei Blei-, Queck-
silber- und Alkoholvergiftungen. Am häufigsten zeigt sich dieses Symptom bei
Tabes, Paralysis agitans und Sclerosis multiplex.
In meinem Falle ist die Diagnosis Lues cerebrospinalis mit der Möglichkeit
beginnender Tabes. Die Aphonie, desgleichen die Zitterbewegungen der Zunge
und des Kehlkopfes glaube ich als hysterische Erscheinungen aufzufassen.
Z. Donogány: Bei Tabes sind zumeist ataktische Bewegungen, in diesem
Falle sind sie rhythmisch. Chorea kann auch ausgeschlossen werden, so bleibt
nur das Gerhardtsche Zittern anzunehmen. Es ist kein selbstündiges Symptom,
bloss eine Teilerscheinung einer Nervenerkrankung.
E. Baumgarten: Bei Tabes ist oft ein Intentionszittern zu beobachten und
nicht ein Oszillieren wie hier. Hält den Fall nicht für Tabes; Sclerosis multiplex,
Syringomyelie, sogar Alkoholismus sind nicht ausgeschlossen.
Mohr: Das Argyll-Robertsonsche Phänomen und Abducens-
labmung sind frühzeitige Symptome bei Tabes; erhóhte Patellarreflexe sprechen
nicht dagegen im Aufangsstadium.
Z. v. Lénárt: Die Augensymptome sprechen für Tabes. Lokale Behandlung
wurde nicht vorgenommen, Wassermannsche Reaktion war positiv und es
wird antiluetische Kur begonnen werden.
33] Kongresse und Vereine. 339
3. D. v. Navratil. Prolapsus der Schleimhaut zwischen dem
Taschenbande und der Stimmlippe der linken Seite.
Entfernung mit der kalten Schlinge in zwei Sitzungen.
4. D. v. Navratil. Papillome der Nasenschleimhaut.
In Ermangelung der klinischen Beschreibung und des histologischen Be-
fundes kann es Referent nicht entscheiden, ob es sich hier um papillüre Hyper-
trophieu der Muschelschleimhaut oder um hartes Papillom gehandelt hat.
II. Sitzung vom 28. Februar 1910.
l. E. Pollatschek stellt einen Fall von primürem Pemphigua des
Kehlkopfes vor.
2. D. v. Navratil. Über die extra- und intranasale Paraffin-
Technik.
Injektionen von kaltem Paraffin mit der Broeckaertschen Spritze. Verf.
lenkt die Aufmerksamkeit der Fachkreise auf verschiedene von ihm erdachte
Griffe, welche zu schönen kosmetischen Erfolgen führen. Solche sind: Korrektur
der chamaeoprosopischen Sattelnase und subkutane Durchmeisselung der Basis
der Nasenbeine und Anwendung des Gipsverbandes; ferner die Abprüparierung
der Septumschleimhaut durch eine kleine nung zum Zwecke der Paraffin-
einspritzung. Noch eine bis jetzt nicht beschriebene Anwendung des kalten
Paraffins wird erwühnt in einem Falle, wo die normale untere Muschel von
ibrer Lage abgerutscht, schlaff am Nasenboden lag. Die aus erwühntem Grunde
entstandenen und von ausländischen Autoritäten erfolglos behandelten Be-
schwerden der Patienten sind vom Vortragenden mittelst Anwendung der kalten
Paraffintechnik mit einem Schlage behoben worden.
M. Steiner ist mit den Erfolgen des kalten Paraffins bei Ozäna zufrieden,
kennt auch die submukösen Injektionen nach kleinen Kinschnitten in das Septum,
das Paraffin kam aber später heraus.
L. Polyák. Die Anwendung der subperichondrialen Paraffindepots ist nicht
dem Vortragenden, sondern Weleminsky zu verdanken; Paraffinstücke sub-
perichondrial aber werden seit 2—8 Jahren von Hutter bei Hajek mit Erfolg
implantiert.
E. Pollatschek wendet dio Brüningssche Spritze an, deren Vorteil er
darin findet, dass wir das Paraffin vor der Anwendung selbst sterilisieren. Die
subperichondralen Depots hat er bei Hajek von Hutter kennen gelernt. Was
die Theorie der Frage betrifft, so es ist noch unentschieden, ob bei der Ozüna das
geringere Quantum der durchströmenden Luft oder trophische Störungen eine Rolle
spielen? Vom ersteren Standpunkte betrachtet ist die Richtung der durch-
strömenden Luft von Bedeutung. Nach Réthi strömt die Exspirationsluft vom
Nasenrachenraume gegen die Mitte der mittleren Muschel und von hier nach dem
vorderen Pole der unteren Muschel; es ist deshalb überflüssig, die Nase mit
Paraffin vollzupfropfen, es genügt, die zwei Punkte des Septums, welche den er-
wähnten Stellen gegenüberliegen, mit Paraffin zu verdicken.
C. Läng meint ebenfalls, dass das Brüningssche Instrument besser ist,
er hat auch die Bouracksche Methode versucht, aber grosse Dekubitus erhalten.
K. Morelli berichtet über Unfälle nach der Anwendung des warmen
Paraffins. Polyák.
V. Kongresse und Vereine.
ITI. Internationaler Laryngo-Rhinologenkongress Berlin.
28. August bis 2. September 1911. Vorträge sind zu melden bei Herrn Professor
A. Rosenberg, Berlin NW., Schifbauendamm 26.
340 Personalia. [34
VI. Personalia.
Herr von Eicken ist zum Professor der Ohrenheilkunde an der Universität
Giessen ernannt, Herr Ledermann zum Professor der Laryngologie.
Die Herren D. v. Navratil und Markus Pauncz haben sich als Dozenten
der Laryngologie in Budapest habilitiert.
Herrn Dr. Fr. Rópke in Solingen ist der Professortitel verliehen.
Herr Professor Dr. med. O. Körner Rostock, ist zum korrespondierenden
Mitgliede der Dänischen Oto-Laryngologischen Gesellschaft ernannt worden.
Gestorben: Professor Sch wartze-Halle.
Neu gegründet wurde von Herrn A. G. Tapia-Madrid die Revista es-
pagnola de laringologia, otologia y rinologia. Wir wünschen dem
Uzternehmen, dessen erstes Heft vorliegt, bestes Gedeihen.
Aus der Kgl. Universitüts-Poliklinik für Hals- und Nasenkranke
(Direktor: Prof. Dr. Gerber) und aus dem Lepraheim zu Memel
(leitender Arzt: Kreisarzt Dr. Gessner, Memel).
Die oberen Luftwege bei den Leprósen des
Memeler Lepraheims.
(Vortrag, gehalten auf der 82. Versammlung Deutscher Naturforscher
u. Ärzte zu Königsberg i. Pr.)
Von
Dr. Georg Cohn,
I. Assistent der Poliklinik.
Mit 1 Tafel.
Wir sehen in jedem Jahr in den Grenzbezirken des Ostens akute
Infektionskrankheiten, deren Ursprungsherd das Nachbarland ist, auf-
flammen, die Ärzte und Laien zu umfangreichen Schutzmassregeln,
strenger Überwachung der Grenze veranlassen, während chronische
Krankheiten trotz ihrer hohen Kontagiosität und der damit ver-
bundenen Gefahr für Volk und Land sich meist unbeachtet etablieren
und ebenso unbeachtet langsam aber stetig fortschreiten. Auf diese
Weise konnte z. B. das Sklerom, dessen Infektiosität seit längerem
bekannt ist, trotz warnender Stimmen in Ostpreussen festen Fuss
fassen, auf diese Weise konnte vor 35 Jahren die Lepra, deren Kon-
tagiositat noch besser gekannt und gefürchtet war, sich in Ostpreussen
einnisten. Beide, für unsern Osten so wichtigen Krankheitsformen
geben uns, da ihr Eindringen und Einnisten in Deutschland auf
demselben Wege und in derselben Art erfolgte, bei ganz verschie-
denem Vorgehen der zuständigen Behörden gegen sie interessante
Aufschlüsse über ihr Fortschreiten, ihr Bestehen, ihren eventuellen
Rückgang. Das Sklerom, unbeachtet von der Behörde, unkontrolliert,
verbreitet sich in den letzten Jahren deutlich und in vermehrtem
Masse. Die Lepra, gegen welche seit 12 Jahren umfangreiche Schutz-
massregeln ergriffen sind, nimmt ab. Das Sklerom, dessen einzelne
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 4. 24
—
—
342 Georg Cohn. [2
Herde wir in seinem Umfange nicht genau kennen, streckt heute
seine Fühler bereits in das Innere Deutschlands. Die Lepra, isoliert,
ist augenblicklich nur auf einen Flecken, das Memeler Leprosorium
und einzelne von der Behórde genau gekannte und bewachte Punkte
beschränkt. Demgemäss ist mit einem Erlöschen der Lepra in ab-
sehbarer Zeit in Deutschland zu rechnen, resp. ihrem Fortschreiten
ist durch Gesetze ein Damm gesetzt, während für das Sklerom
das Gegenteil gilt.
Wir wissen genau, dass die Lepra in Deutschland, speziell des
Memeler Kreises, zu uns aus den benachbarten Gouverneinents Kowno
und Kurland eingeschleppt worden ist und zwar auf dem Wege des
Grenzverkehrs. Sie hat sich dann im Laufe der letzten 35 Jahre
allmählich von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf, nur selten grössere
Strecken überspringend, im nachbarlichen Verkehr weiter verbreitet,
wie dieses schon 1897 Blaschko nachgewiesen hat.
Weniger bekannt resp. umstritten ist die Frage des Infektionsmodus.
. Wir wissen wohl, dass der Hansensche Bazillus der Erregerder Krank-
heit ist, wir wissen auch, dass er in allen Ausscheidungs und Absonde-
rungsprodukten enthalten ist, wir wissen, jedoch nicht einwandfrei, wie
er in den menschlichen Kórper gelangt. Geil glaubt, dass er vom
Boden aus in das dazu disponierte Individuum inokuliert wird, dass
also der Mensch den Erdboden infiziert und letzterer den Zwischen-
wirt spielt, wührend von anderer Seite angenommen wird, dass die
Lepra eine Inhalationskrankheit sei, dass die Schleimhäute der oberen
Luftwege, besonders der Nase, die Eingangspforte für das Virus ab-
geben. Diese Annahme ist gestützt durch die Tatsache, dass das
Nasensekret stets massenhaft Bazillen beherbergt, dass ferner von
Leprósen beim Sprechen, noch weit mehr aber beim Husten und Niesen
enorme Mengen von Bazillen verstreut werden, was auch in s&mtlichen
von mir untersuchten zehn Fällen sich als richtig erwies. Sie wird
weiter gestützt durch die allerdings bestrittene Annahme des Primär-
affektes der Lepra von Sticker, als welchen er „eine spezifische
Läsion der Nasenschleimhaut meist in Form eines Geschwürs über
dem knorpeligen Teil des Septums“ anspricht. Er nimmt weiter an,
dass die Übertragung der Krankheit auf den Gesunden meist un-
mittelbar von Nase zu Nase, in innigem Verkehr, seltener mittelbar
durch Tücher, Finger etc. erfolgt und dass die Weiterverbreitung
der Bazillen vom Primäraffekt der Nase aus auf den übrigen Orga-
nismus in der Regel auf dem Lymphwege, weit seltener auf dem
Blutwege erfolgt. — Wenn diese Thesen auch nicht mit einwandfreier
Sicherheit durch das Experiment nachgewiesen werden konnten, so
haben sie doch bei der überaus häufigen Manifestation in den oberen
3] Die oberen Luftwege bei den Leprósen des Memeler Lepraheims. 343
Luftwegen, die schon im frühesten Altertum bei der Konstatierung
des Áussatzes zur Gruppe der sogenannten pathognomischen Zeichen
der Lepra zählte, sehr viel fiir sich. Bei dem Material des
Memeler Leprosoriums, von dem ich durch das liebenswiirdige
Entgegenkommen des Leiters, Herrn Kreisarzt Dr. Gessner, zehn
Falle untersuchen konnte, sprach fiir diese Annahme Stickers
folgende eklatante Beobachtung. In einem Falle (Karl Grimmeisen)
wurde lediglich als erstes Krankheitssymptom erschwerte Nasenatmung
angegeben, die vor zehn Jahren zu einer Nasenuntersuchung bei
Prof. Jurasz Veranlassung gab. Bei der Rhinoskopie wurde dann
eine auf lepröser Basis beruhende Infiltration der Schleimhäute, die
zur Verengerung des Lumens geführt hatte, konstatiert, ohne dass
sonst am Körper irgend eine für Lepra verdächtige Stelle zu sehen
war. Wir werden also, vorsichtig gefasst, sagen dürfen: Bei der
Lepra tuberosa manifestieren sich — ebenso wie beim Lupus
— in einer Reihe von Fällen die Initialerscheinungen
nicht auf der äusseren Haut, sondern auf der Schleim-
haut der oberen Luftwege. In den weiteren fünf Fällen von
tuberöser Lepra, die ich untersuchte, war als erstes Krankheitszeichen
anamnestisch angegeben:
] mal Unterarm,
] mal Fussrücken,
3 mal Gesicht,
davon bestand in einem Falle schon lange vor Konstatierung der
Gesichtslepra Heiserkeit. Bei der klinischen Untersuchung der
zehn Fälle ist zunächst hervorzuheben, dass die sechs tuberös
Leprösen in allen Teilen der oberen Luftwege hoch-
gradige Veränderungen darboten, abgesehen von den Ver-
änderungen der äusseren Nase, die sich teils als platte Hakennase,
teils als Negernase oder Rüsselnase dokumentierte.- Auch auf die
Veränderungen an den vorderen Nasenöffnungen soll, da sie zur
äusseren Haut gehören, nicht näher eingegangen werden. Diese
Häufigkeit der Mitbeteiligung der oberen Luftwege steht in Überein-
stimmung mit der Statistik. So fand Sticker in der Nase nur
2,8°/o unter 153 Leprösen ohne Leprose der Nasenschleimhaut,
Lima und De Mello fanden in 95,8°/o typische Nasenaffektionen
und Dorendorff solche in 94,3?/o. Bei unserem kleinen Material
handelte es sich fast nur um Kranke, die schon jahrelang ihr Leiden
hatten und infolgedessen waren es stets Spätstadien der Nasenlepra.
Kurz skizziert soll sich im allgemeinen das klinisch - makroskopische
Bild so gestalten, dass sie mit einer Epistaxis einsetzt, welche
Gerber als ein Symptom der initialen leprösen Rhinitis sicca an-
24”
344 Georg Cohn. [4
spricht. Später treten anfangs harte, weiterhin teigig werdende
Schleimhautinfiltrate auf, welche ein widerlich -süsslich riechendes,
leimartiges Sekret absondern. Ich fand, dass der Geruch lebhaft an
den, welchen der Skleromkranke ausströmt, erinnert. Endlich finden
sich Knotenbildungen an den unteren Muscheln, am knorpeligen
Septum, deren Endstadium Schrumpfung mit Verengerung des Nasen-
lumens oder geschwüriger Zerfall mit Perforation bildet.
In allen Fällen, bei denen seit Beginn der Erkrankung schon
mehrere Jahre zurücklagen, fanden sich in geringer Entfernung von
der narbig veränderten Nasenöffnung Verengerungen, die nach der
Tiefe zu sich trichter- oder spaltförmig zuspitzten, so dass sie an
der engsten Stelle kaum für die Sonde durchgängig waren. Die
Schleimhaut selbst war mit grau-grünen, stinkenden Borken oder
mit blutigem Schleim bedeckt, nach dessen Entfernung sich am
Septum flache Ulzerationen oder Perforationen fanden, während an
anderen Stellen die Schleimhaut grau -weiss atrophisch war. Eine
Prüfung des Geruchvermögens ergab keine Herabsetzung desselben,
während die Sensibilität vermindert war.
Wenn wir von diesen Spätstadien, bei denen narbige Schrumpfung
und der mit dieser Hand in Hand gehende Zerfall in Ulzerationen
bereits weit vorgeschritten, die Schleimhaut kutiziert und konzentrisch
verengt ist — bei denen also der Krankheitsprozess seine Arbeit
vollbracht hat — absehen, so bieten die weniger vorgeschrittenen
Erkrankten — ebenfalls drei Fälle — folgende Befunde im Nasen-
innern. Bei einem 20jährigen Patienten sind in beiden Nasenseiten
am Septum wie an den unteren Muscheln Knoten verschiedener
Grösse sichtbar. Dieselben fühlen sich derbe an, haben dunkelrotes
Kolorit und sind scharf abgrenzbar. Ähnliche Bilder liefern zwei
andere Patienten, bei denen sich ebenfalls teils abgrenzbare Knoten,
die das Nasenlumen verengten, teils Schleimhautschwellungen zeigten.
Wenn wir demnach von einer Rhinitis leprosa als einer wohlcharak-
terisierten Erkrankungsform sprechen dürfen, so geht aus dem Ge-
sagten hervor, dass wir drei scharf voneinander getrennte Stadien
unterscheiden dürfen, und zwar 1. das Stadium initiale, charak-
terisiert durch trockenen Katarrh und Nasenblutung, 2. das Stadium
infiltrationis, charakterisiert durch Knotenbildung und Verengerung,
3. das Stadium terminale, charakterisiert durch konzentrische
Narbenverengerungen, narbige Schrumpfung oder Zerfall. Anders liegen
die klinischen Merkmale bei der anästhesierenden Form der Lepra,
von der ich vier Fälle untersuchte. In keinem dieser fand ich Ver-
änderungen, die irgend eine typische Form hatten, doch soll sich
5] Die oberen Luftwege bei den Leprósen des Memeler Lepraheims. 345
eine solche, die der Lepra tuberosa in ihren Erscheinungen gleich-
kommt, nach einer statistischen Zusammenstellung von Gliick in
19?/o der Fálle finden.
Weit seltener als die Nase soll der Rachen affiziert werden,
wenn auch in meinen Füllen sich bei allen Erkrankten typische Ver-
ünderungen fanden. Nach statistischen Zusammenstellungen soll die
Mundhöhle bei der tuberösen Lepra in 33,7, der Rachen in 52,7°/o
beteiligt sein. Jedenfalls weicht das klinische Bild im allgemeinen
nicht von dem der Nase ab. Auch hier war die Schleimhaut trocken,
wir sehen Knotenbildungen von verschiedener Grösse, wir sehen die
Wand mit Borken belegt, nach deren Beseitigung teils trockene weisse
Narben, teils flache Ulzera sichtbar werden. Alle meine Fälle boten
diese Bilder. Die Sensibilität war bei einigen Fällen herabgesetzt, bei
anderen war eine genaue Untersuchung wegen heftiger Schmerzen
und des Unvermögens, den Mund weit zu öffnen, unmöglich. Ob die
einzelnen Teile des Rachens, Uvula, Segel, Tonsillen in gleicher Weise
befallen werden, resp. die Reihenfolge ihrer Erkrankung festzustellen,
war mir bei meinem kleinen Material unmöglich.
Am wichtigsten und für den Kranken eine Quelle furchtbarer Leiden
ist die pathologische Umformung, die der Kehlkopf durch die Lepra
erleidet. Meist frühzeitig wird — wie auch in meinen Fällen angegeben —
die Stimme rauh und heiser oder es tritt sogar Aphonie ein. Die
im Anfang erschwerte Atmung steigert sich allmählich zu Atemnot; in
nicht wenigen Fällen tritt, wenn nicht die Tracheotomie ausgeführt
wird, Erstickungstod ein. Diesem subjektiven Zustande entsprechen
natürlich die Veränderungen des Kehlkopfs selbst. In meinen fort-
geschrittenen Fällen war stets der Larynx bei der Lepra tuberosa
mitbeteiligt, während Glück in seiner Zusammenstellung für die
Lepra tuberosa 64?/o, für die Lepra mixta 519/o, für die Lepra
anaesthetica 5°/o mit Erkrankung des Larynx angibt. Die einzelnen
Teile des Kehlkopfes scheinen nicht gleichmässig bei der tuberösen
Form in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Besonders prädisponiert
ist, wie ich auch aus meinen Fällen feststellen konnte, die Epiglottis.
Nie war entweder gleichmässig verdickt, geschwellt, mit glatter, ge-
röteter Oberfläche, so dass der Untersucher im ersten Augenblick
an Ödem denken musste, oder sie zeigte einen oder mehrere Knoten
auf ihrer lingualen oder laryngealen Oberfläche; in anderen Fällen
wiederum war sie durch Folgeerscheinungen wie Ulzerationen und
mnarbige Schrumpfung sowohl in ihrer Gestalt verändert, wie auch
durch Narbenzug völlig verlagert, so dass es vorkam, dass infolge
Rigidität und Difformität der Epiglottis der Einblick in den Larynx
zur Unmöglichkeit wurde. In zweiter Linie wird die Aryregion ver-
346 Georg Cohn. [6
ändert. Ich fand die Knorpel resp. ihre Schleimhaut teils diffus
geschwellt, teils mit einem oder mehreren Knoten bedeckt, während
Ulzera nirgends festgestellt werden konnten. In einem Falle bestand
am rechten Aryknorpel eine kleine weisse Trübung und endlich fanden
sich infolge Narbenschrumpfungen Verkleinerungen und ganz enges
Beieinanderliegen der Knorpel, so dass dadurch allein die Rima
glottidis stark eingeengt war. Seltener als an diesen Punkten und
den mit ihnen innig verknüpften Ligamentum glosso - epiglotticum
und ary-epiglottischen Falten scheinen die Stimmlippen und die
Taschenbänder erkrankt zu sein. Hier fand ich in Fällen, bei denen
die Epiglottis bereits narbige Schrumpfungen zeigte, oft nur die
Zeichen eines trockenen Katarrhs. In anderen Fällen waren die
Stimmlippen teils verdickt, teils geschwellt oder gerötet, oder, wie in
einem Falle, durch Narbenbildung so verändert, dass sie mit Sicher-
heit nicht mehr als Stimmlippen angesprochen werden konnten. Die
Veränderungen an den Taschenbändern bestanden in meinen Fällen
teils in Verdickungen und Schwellungen, teils in Knotenbildungen,
wie auch in flachen Ulzerationen. Wenn nun ausser diesen hier
erwähnten Prozessen noch Narbenschrumpfungen die Passage ver-
engern, wenn zähe Schleimmassen sich stauen, so ist es selbstver-
ständlich, dass eine beträchtliche Atemnot eintritt. Besonders auf-
fällig schien mir in einem Falle eine sich anscheinend nach unten zu
zuspitzende subglottische Verengerung, ähnlich den subglottischen
Wülsten des Skleroms. o
Über die Frage, in welcher Reihenfolge die einzelnen Teile der
oberen Luftwege, Nase, Rachen und Larynx befallen werden, welche
Teile bevorzugt werden, konnte ich aus meinem Material keine
Schlüsse ziehen. Anamnestische Angaben können hier nicht verwendet
werden und auch die klinischen Untersuchungen lassen im Beginn
der Erkrankung bei dem vieldeutigen Bild des trockenen Katarrhs,
wenn also noch keine spezifischen Veränderungen vorhanden sind,
wohl stets im Stich. Infolgedessen ergeben auch die bisherigen
Publikationen kein eindeutiges Resultat, doch scheint es, als ob zu-
nächst die Nasenschleimhaut, die ja auch den Insulten am meisten
ausgesetzt ist, dann in zweiter Linie der Kehlkopf und zwar speziell
der Kehldeckel und dann erst die Mundrachenhöhle von dem Virus
befallen wird.
Beweist uns schon das klinische Bild die ausserordentliche Häufig-
keit der Erkrankung der oberen Luftwege bei der Lepra, ja ihre
fast stete Mitbeteiligung, so ergeben auch in Übereinstimmung hier-
mit die mikroskopischen Untersuchungen ihrer Sekrete fast stets die
Anwesenheit des Hansenschen Bazillus. Im Nasenschleim, in den
7] Die oberen Luftwege bei den Leprósen des Memeler Lepraheims. 347
Borken war er stets in meinen Fillen in enormer Menge vorhanden.
Ebenso findet er sich, wenn auch nicht in solchen Mengen, im
Speichel der Erkrankten. Der Lepröse verstreut, genau wie der
Tuberkulöse, bei jedem Niesen, beim Sprechen, wenn er nicht peinlich
sauber ist, beim Schneuzen stets infektiöses Material und wir finden
deshalb in einzelnen Familien und weiter in bestimmten Bezirken
abgegrenzte Krankheitsherde. So sind also die oberen Luftwege
nicht nur für den Kranken selbst ein Sitz seines schwersten Leidens,
sondern auch für seine Umgebung mit grösster Wahrscheinlichkeit
die Quelle, die die Infektionsstoffe weiter trägt und weiter verbreitet.
Am Schlusse spreche ich Herrn Kreisarzt Dr. Gessner-Memel
für sein liebenswürdiges Entgegenkommen und seine Unterstützung,
sowie meinem hochverehrten Chef Herrn Prof. Gerber für seine
Ratschläge bei Abfassung der Arbeit meinen verbindlichsten Dank aus.
Abtellung für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten der
Akademie zu Cóln.
Spongiosierung der Stirnhóhlen.
Von .
Prof. Preysing, Coln.
Mit 2 Tafeln.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass wir bei Untersuchungen von
Stirnhöhlen stets einer Anzahl Individuen begegnen, welchen die Stirn-
höhlen fehlen. Je nach der Art der Untersuchung und der Ver-
schiedenheit des Materials wird der Prozentsatz fehlender Stirnhöhlen
sehr verschieden angegeben.
Als uns zur Bestimmung der Stirnhöhlengrenzen beim Lebenden
von aussen nur erst die Durchleuchtung mit elektrischen Glüh-
lampen zur Verfügung stand, fand man unter sonst gesunden Menschen
vielfach bei 20°/o aller Untersuchten keine Stirnhéhlen. Das war
offenbar eine bedeutende Überschätzung, welche in der Unsicherheit
der Methode beruhte. Wenigstens ergaben anatomische Vergleichungen
einen weit geringeren Prozentsatz. Oppikofer!) stellte unter 200
Leichenuntersuchungen 7 mal beiderseits fehlende Stirnhöhlen fest,
also 3'/2°o, und ähnliche Angaben macht Onodi?), welcher mit Hilfe
der Röntgendurchleuchung 1200 Schädel untersuchte. Er fand bei
59?/o Fehlen der Stirnhóhlen.
Unter normalen Verhältnissen werden wir also mit einem Prozent-
satz von 3—5°/o rechnen müssen.
Es ist nun einigermassen auffallend, dass sich in der Literatur
auch sonst diese Tatsache einfach registriert findet. Von Autoren
aus den letzten Jahren führt z. B. Burger?) sowohl wie Jansen‘)
1) Oppikof er, Beiträge zur Anatomie der Nase und Nebenhöhlen. Arch.
f. Laryngologie 1906. Bd. XIX. S. 35.
2) Onodi, Die Stirnhöhle 1909. Wien bei A. Hölder.
3) Burger, Was leisten die Róntgenstrahlen in der Rhino-Laryngologie.
Wiesbaden, 1908. J F. Bergmann.
4) Jansen, Was leistet das Róntgenverfahren etc. Festschr. f. B. Bar-
denheuer, 1909, Leipzig. F. C. W. Vogel.
350 Prof. Preysing. [2
die Möglichkeit als selbstverständlich an, dass eine Stirnhöhle fehlt.
In diesem blossen Anführen der Tatsache liegt doch stillschweigend
die Annahme, dass die Stirnhöhle ın solchen Fällen einfach nicht
ausgebildet ist, dass nur ein Defekt vorliegt, welcher wohl bei der
Indikationsstellung für die Frage einer Operation wichtig sein kann,
aber sonst klinisch weiter keine Rolle spielt.
Und doch glaube ich aus einigen Beobachtungen
schliessen zu dürfen, dass in gewissen Fällen dieser
„Defekt“ doch vielleicht das Produkt eines patholo-
gischen Vorganges ist, dass es sich dabei auch um ein
wirkliches Leiden im klinischen Sinne handeln kann.
Wie sich diese Ansicht bei mir festgesetzt hat, lässt sich am
besten darstellen, wenn wir einen Blick auf die entsprechenden Ver-
hältnisse am Warzenfortsatze werfen: Die Zellausbildung am
Warzenfortsatz ist ja ebenfalls etwas sehr Inkonstantes. Wir be-
gegnen neben reichster Entwickelung pneumatischer Hohlráume doch
Warzenfortsützen bei sonst gesunden Ohren, wo Zellräume fehlen, wo
sie einfach nicht ausgebildet worden sind.
Zweitens sehen wir aber fast als regelmässigen Vorgang bei
chronischer Mittelohreiterung einen Schwund der Zellen des Warzen-
fortsatzes und eine Ersetzung durch solide Knochenbildung
(Knochen-Sklerosierung). Hier haben wir also einen offenbar
pathologischen Vorgang: es haben Zellen bestanden, aber sie bilden
sich unter der jahrelang bestehenden Entzündung in der Umgebung
zurück. Diesen Prozess kennt jeder operierende Ohrenarzt. Ich weiss
aber nicht, ob anderen Kollegen auch so häufig aufgefallen ist, wie
mir, dass in einem mittleren Stadium dieser Sklerosierung der
Warzenfortsatzzellen, oder besser gesagt, in einem Vorläuferstadium
der Sklerosierung, ein Prozess zu beobachten ist, welcher darin
besteht, dass die Zellräume des Warzenfortsatzes ersetzt sind durch
eine blutreiche Spongiosa. Nach der Häufigkeit, in welcher ich
dies Nebeneinander von Spongiosierung und Sklerosierung
besonders bei jugendlichen Individuen mit Otitis med. chron. sehe,
möchte ich diesen Spongiosierungsprozess sogar für einen ziemlich
regelmässigen pathologischen Vorgang halten, welchem dann erst
Schritt für Schritt die Knochensklerose folgt. Das sind Befunde,
wie ich sie als bekannt voraussetzen kann.
Nun verfüge ich im Laufe der Jahre aber über eine grosse Reihe
von Beobachtungen, wo bei sonst intaktem Mittelohr sich eine
Spongiosierung des Warzenfortsatzes fand, meist bei jugendlichen
Personen (um das 20. Jahr herum) und wo diese Spongiosierung der
einzige Grund sein musste für ausgesprochene subjektive Schmerz-
3] Spongiosierung der Stirnhöhlen. 351
empfindungen und objektiven Druckschmerz am Warzen-
fortsatz. Wenn einem die ersten derartigen Fälle begegnen, denkt man,
da alle Entzündungserscheinungen am Mittelohr fehlen, zunächst an
Neuralgie oder an hysterische Affektionen. Lässt man sich bei an-
haltenden Klagen und bei anhaltender Druckempfindlichkeit zu einer
Probeöffnung des Warzenfortsatzes herbei, so findet man ihn, wie ge-
sagt, aber erfüllt von einer obliterierenden mächtigen Spongiosaschicht,
ohne jede Zellbildung und man hat sofort den Eindruck: Das ist kein
normaler Warzenfortsatz. Wird die Spongiosa gründlich ausgeräumt,
am besten der ganze Proc. mast. reseziert, so habe ich in allen
bisher operierten Fällen erlebt, dass die Schmerzen endgiltig weg-
blieben.
Ein rechtes Bild von der Ätiologie dieses Vorganges der
krankhaften Spongiosierung habe ich mir allerdings niemals
machen können; jedenfalls kann es sich bei den ganz bestimmten
Beschwerden nicht bloss um einen zufälligen Defekt der Warzenfort-
satzzellen handeln. In 2 Fällen hatte ich allerdings einen wertvollen
Hinweis auf die Ätiologie; das war ein mit aller Sicherheit festzu-
stellendes schweres Trauma des Warzenfortsatzes, jahrelang zu-
rückliegend. Ob das aber auch bei den anderen Fällen die Ursache
gewesen ist, das kann man doch so ohne weiteres nicht annehmen.
Ähnliche Vorgänge, habe ich mir nun vorgestellt, müssten auch
die Ursache bilden für nicht sehr häufige, aber auch nicht so seltene
Fälle von Stirnbeschwerden. Die Gründe einer solchen Vorstellung
sind in folgende kurze Schilderung zu fassen: ich fand vereinzelte
Kranke mit starken Stirnkopfschmerzen, genau im Gebiet-der Stirn-
höhlen, bei welchen das Röntgenbild mit Sicherheit anzeigte, dass
beide Stirnhöhlen fehlten, während Siebbein und Kieferhöhlen
gesund erschienen. Zunächst nahm ich natürlich an, es handle sich
um ein Nebenhöhlenleiden, ev. um eine Eiterung. Aber Anamnese
sowohl wie lange klinische Beobachtung!) ergaben niemals Anhalte-
punkte für eine Nebenhóhleneiterung, auch nach Resektion der mittleren
Muschel war niemals Eiter festzustellen. Es bestand niemals Fieber,
keine Druckempfindlichkeit an der Austrittsstelle des Nerv. supra-
orbitalis, keine hysterischen Stigmata usw. Und so habe ich denn schliess-
lich angenommen, da ich die entsprechende Erfahrung am Warzen-
fortsatz gemacht hatte, es müsste sich wohl um einen ähnlichen Vorgang
der krankhaften Spongiosierung handeln und nicht um einen zufalligen
Defekt der Stirnhéhlen. Therapeutisch bin ich in allen beobachteten
Fällen nicht weiter gegangen (bis auf einen noch zu erwähnenden)
o 1) Ich habe in den letzten 2 Jahren 7 derartige Fälle gesehen und jeden
monatelang beobachtet.
352 Prof. Preysing. [4
als bis zur Resektion der mittleren Muscheln. Zunächst hatte die
Resektion gewissen Erfolg, wohl durch die Blutentziehung; aber nach
kurzer Zeit waren die Beschwerden wieder da. Ich habe wohl wieder-
holt daran gedacht, mir die Stirnhöhlen von aussen freizulegen; aber
wenn ich mit meiner Vermutung einer Spongiosierung recht hatte,
und da nach dem Röntgenbilde die Höhlen sicher fehlten, so konnte
ich mich nicht für berechtigt halten, zu trepanieren, da der Erfolg
doch nicht sicher genug erschien.
So hatte ich denn in diesen 6 ersten Fällen wohl meine Über-
zeugung, aber doch keinen Beweis, dass der vermutete Krankheits-
prozess vorläge. Bestätigt fand ich meine Annahme dann in einem
7. Falle, in welchem ich zum ersten Male die oben geschildert n Be-
schwerden und Veränderungen einseitig fand: Stirnkopfschmerz und
Fehlen der Stirnhöhle auf der linken Seite. Zwar liess sich bei
dieser Patientin trotz 4 Monate langer Beobachtung ebenfalls niemals
feststellen, dass Eiter aus der Stirnhöhlengegend kam, auch nicht
nach Resektion der mittleren Muschel; aþer bei der Einseitigkeit des
Leidens hielt ich doch eine Schleimhautaffektion der linken Stirn-
höhle für möglich und entschloss mich zur Probeaufmeisselung der
kranken Seite. Aus dem Róntgenbilde (Fig. 4) sprach ich noch vor
der Operation die Vermutung aus, es kónnte sich doch um einen
Veródungsvorgang handeln, wie ich ihn bei anderen Gelegenheiten
doppelseitig gesehen zu haben glaubte!) nnd siehe da, die Aufmeisse-
lung ergab vollständige Spongiosierung des linken Stirn-
beins und zwar Spongiosa, ebenso tiefblaurot aussehend und ebenso
stark blutend, wie ich sie in solchen Fällen stets am Warzenfortsatze
geseben hatte. (Es wurde bis an die Lamina vitrea ausgeräumt.)
Ich nehme an, dass ich das uns beschäftigende Krankheitsbild
in diesem Falle in einem früheren Stadium zu sehen bekam und
darum einseitig, während in den zuerst beobachteten Fällen ein
späterer Zustand in der pathologischen Entwickelung angenommen
werden müsste. Dem würde entsprechen, dass die letzte Pat. erst
15 Jahre alt war, die ersten dagegen alle über 20 Jahre. Auch das
Róntgenbild (Fig. 4) zeigt, dass wir es vielleicht mit einem Prozesse
zu tun haben, welcher die linke Stirnseite eben ergriffen hat und
noch auf die rechte übergehen will.
Nach diesen Erfahrungen halte ich mich für be-
rechtigt, anzunehmen, dass es einen krankhaften Pro-
zess der Stirnhóhlen-Spongiosierung gibt, einen sozu-
sagen aktiv pathologischen Prozess im Gegensatz zu
1) Meine Annahme gründete sich auf bestimmte unten noch zu besprechende
Eigenschaften des Röntgenbildes (Fig. 4).
5] Spongiosierung der Stirnhóhlen. 353
der Abnormität einer zufällig fehlenden Stirnhöhlen-
ausbildung. Die Erkrankung ist anscheinend nicht sehr häufig,
aber man muss doch mit ihr rechnen.
Über die Ätiologie ist nicht viel zu sagen. Während ich bei
den Warzenfortsatzerkrankungen doch zweimal eine schwere Verletzung
als Ursache finden konnte, habe ich für die Entstehungsursache einer
aktiven Spongiosierung der Stirnhöhle durchaus keine Anhaltepunkte.
Es wäre ja zu denken zunächst an einen von den Höhlen aus-
gehenden Entzündungsreiz; aber dafür fehlt die Bestätigung.
Oder man müsste gewissen kongestiven Zuständen schuld geben,
wie sie vielleicht während des Wachstums der Höhlen im umgebenden
Knochen vorhanden sind. Dass diese Entstehungszeit der Stirnhöhlen
eine Rolle spielt und gerade um die Zeit der Pubertät, dafür spricht
vielleicht der mitgeteilte Fall eines 14—15jährigen Mädchens. Viel-
leicht ist es auch kein blosser Zufall, dass alle von uns beobachteten
Fälle weibliche Individuen waren!)
In einem Falle bestanden die Schmerzen während der
Menstruation in besonders verstärktem Grade; aber das finden
wir ja schliesslich bei anderen Erkrankungen auch. Zusammenhänge
der Erkrankung mit Allgemeinleiden irgendwelcher Art (Lues, Dia-
thesen etc.) haben sich niemals finden lassen, obgleich die Patienten
z. T. jahrelang in Behandlung von Ärzten aller Spezialitäten waren.
Es ist ja selbstverständlich, dass ich auch den Röntgenauf-
nahmen mein besonderes Augenmerk daraufhin schenkte, ob nicht
Unterschiede festzustellen waren gegen eine Beschattung der Stirn-
höhlen, wie sie ja bei schweren Eiterungen zu sehen sind. In der
Beziehung ist ein gewisser Unterschied allerdings angedeutet: Sehen wir
in Fig. 1 z. B. das schematische Röntgenbild der normalen Stirnhöhlen
in mittlerer Grösse, so würde Fig. 2 ein schematisches Bild von der
Beschattung einer Stirnhöhle geben, welche ein Empyem enthält.
Wesentlich ist ja erstlich der Unterschied in der Durchleuchtung der
kranken und der gesunden Höhle. Daneben sieht man aber doch
zweitens sehr häufig eine besondere Beschattungszone in der Um-
gebung, welche ich gewöhnlich als Ausdruck einer umgebenden ent-
zündlichen Hyperämie angenommen habe. Anders ist das Bild bei
den mir zur Verfügung stehenden Spongiosierungen der Stirnhöblen.
Hier fehlt der „Entzündungsschatten“ in der Umgebung, dafür springen
aber ganz besonders deutlich und verdickt die oberen Orbitalränder
und das Septum hervor (Fig. 3). Diese Verdickung ist bei den ver-
schiedenen Patienten verschieden stark, aber doch auch bei den
ı) Während bei den Warzenfortsatzerkrankungen das männliche Geschlecht
in der Mehrzahl war.
354 Prof. Preysing. (6
schwächsten immer noch stärker, als es dem sonst zarten Gesamt-
Röntgenbild bei diesen jugendlichen weiblichen Personen entspricht.
Immerhin móchte ich dieses Merkmal nur mit Vorsicht verwertet
wissen; denn es ist ja bekannt, dass man sich auf feinere Unter-
schiede am Röntgenbild des Schädels nicht immer verlassen kann.
In Abbildung 4 gebe ich das Bild des letzten operierten Falles
wieder (vor der Operation). Das Septum springt stark verdickt und
zackig in die noch nicht ergriffene Stirnhöhle vor, und wenn man will,
kann man das, wie eben schon gesagt, vielleicht als Zeichen hinnehmen,
dass wir hier den Prozess noch in seiner Entstehung überrascht haben.
Zwei Befunde möchte ich noch besonders hervorheben: 1. dass
in einem Falle fehlender Stirnhöhlen, bei einem ca. 27jährigen
Mädchen, die Orbital- und Septumwülste (Fig. 3) ganz überaus stark
waren und dass ich bei dieser Patientin auf der zur Kontrolle ge-
machten seitlichen Röntgenaufnahme eine so mächtige Verdickung
des Orbitaldaches und des ganzen Bodens der vorderen Schädelgrube
fand, wie ich es nur noch zweimal wiedergesehen habe bei echter
Elfenbein-Exostosenbildung im ganzen oberen Nebenhöhlen-
gebiet zweier älterer Patienten, welche auch äusserlich nachweisbare
Exostosen hatten. Bei dem Bilde musste man sich unwillkürlich die
Frage vorlegen, ob nicht vielleicht aus der einen oder der anderen
Spongiosierung der Stirnhöhlen auch im Laufe der Jahre sich solide
Exostosen der bekannten Art bilden könnten.
2. Ein anderer Fall, eine über 40 Jahre alte Patientin mit leb-
haften Stirnschmerzen und Verödung der Stirnhöhlen, ohne Eiterung,
hatte eine ausgesprochene sog. Mittelohr-„Sklerose“. Es lässt
sich aus dem einen Falle natürlich kein Zusammenhang schliessen;
aber immerhin muss man doch an solche Möglichkeiten denken.
Therapeutisch habe ich weder mit intranasaler Behandlung
(Muschelresektion) noch mit den verschiedensten Arzneimitteln einen
Erfolg gehabt. Auch der von aussen trepanierte Fall hatte nach
2 Monaten seine Schmerzen wieder. Ich erwähnte auch schen, dass
fast alle Patienten jahrelang schon in Beobachtung und Behandlung
von Allgemeinärzten und Nervenärzten standen, immer ohne Erfolg.
. Nach den Erfahrungen am Warzenfortsatze muss ich annehmen,
dass eigentlich nach gründlicher Ausräumung der Spongiosa die
Schmerzen wegbleiben müssten.
Es wird weiterer Beobachtung bedürfen, um das klinische Bild
dieser eigenartigen Fälle schärfer zu fassen und vielleicht ein Heil-
mittel zu finden.
Nachtrag bei der Korrektur: Der Zufall will es, dass ich vor zwei
Tagen wieder bei einem jungen Mädchen von 20 Jahren eine verödete Stirn-
1] Spongiosierung der Stirnhóhlen. 355
hóhle operativ feststellte (gleichzeitig allerdings mit einer Operation einer sicheren
chronischen Oberkiefereiterung). Hier war seit dem 18. Lebenajahre Stirnschmerz,
auch objektiver Druckschmerz, vorhanden. Auf dem Róntgenbilde schienen obere
Grenzen einer Stirnhóhle angedeutet und bei der vorhandenen Oberkieferhöhlen-
eiterung wurde eine Stirnhöhleneiterung aus der Beschattung der Höhle diagnostiziert.
Die Trepanation bis tief nach der Nasenwurzel ergab vollständige Verödung
durch Spongiosa. Und zwar war hier die Blutung so stark, dass sie ausser-
ordentlich störend wirkte: es sprudelten direkt aus der Spongiosa, aus einer Art
kavernösem System von Venen kleine „Springquelle“, ein Bild, wie man es sonst
nie an dem Knochen der Stirn sieht. Um sicher zu gehen, habe ich hier nicht
bloss die Lamina vitrea freigelegt, sondern diese auch noch an der tiefsten Stelle,
dicht an der Nasenwurzel weggemeisselt und fand unzweifelhafte Dura, nirgends
auch nur eine Andeutung einer Stirnhöhle oder auch nur eine Ausbuchtung des
Siebbeines etc.
Zur Anásthesie bei der Adenotomie.
Von
Dr. Lautmann, Paris.
Mit 1 Abbildung im Text.
Die Frage, ob die adenoiden Vegetationen mit oder ohne Narkose
zu operieren sind, lässt keine bestimmte Antwort zu. Vom Tem-
perament des Chirurgen abgesehen, spielt das Alter des Patienten
eine wichtige Rolle. Bei Säuglingen und kleinen Kindern, bis zu vier
Jahren ungefáhr, die man bequem halten kann, werden auch die
begeisterten Anhänger der Anästhesie diese nicht anwenden, da die
Operation auch ohne Anästhesie ausgeführt werden kann. Was wir
hierbei an Schmerz dem Patienten zumuten, spielt sicherlich nur eine
untergeordnete Rolle; denn wenn wir ältere Patienten anästhesieren,
so geschieht es ja nicht, um diesen Schmerz zu ersparen, sondern
um dieselben zum ruhigen Stillehalten zu zwingen. Nun ist es, wie
man sich leicht überzeugen kann, schwer, durch Drohungen oder
Überredung die Patienten, zumeist ältere Kinder, zum Ruhighalten
zu bewegen, und ist ein energisches Festhalten der Kinder gewöhn-
lich durch 2 Gehilfen oder ein noch barbarischeres Festschnüren in
den allermeisten Fällen nicht zu umgehen. Auch da noch hält das
Kind wenig ruhig und muss die Operation sozusagen eskamotiert
werden. Von einem ruhigen, wenn auch raschen Operieren ist in
den allerseltensten Fällen die Rede. So kommt es, dass gerade die
Mandel- und Adenoid-Operation vielfach so schlechte funktionelle
Resultate geben. Von den Gaumenmandeln wird gerade nur die
oberste Kuppe abgetragen und von den adenoiden Vegetationen wird
vielfach so viel stehen gelassen, dass es nicht selten vorkommt, dass
Kinder wiederholt adenotomiert werden müssen. Man spricht gerne
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 4.
358 Dr. Lautmann. [2
in diesen Fällen von Rezidiven, tatsächlich handelt es sich aber
nicht um wieder nachgewachsene Adenoide, sondern nur um Adenoide
die das erste Mal kaum oder höchst unvollkommen abgetragen worden
sind.
Selbstverständlich kann man durch die Anästhesie diesen Nach-
teilen abhelfen, die Operation auch äusserlich zu einer, den neueren
chirurgischen Formen angepassten umwandeln. Zwei Umstände sind
es jedoch, die sich der allgemeinen Anwendung der Anästhesie ent-
gegenstellen: 1. der Zeitverlust, der durch die Anästhesie bedingt
wird, 2. die Gefahren, die mit jeder Anästhesie verbunden sind.
Es ist nicht zu leugnen, dass in grossen poliklinischen Instituten,
wo während jeder Ordination mitunter mehrere Adenoid-Operationen
vorgenommen werden müssen, der durch die Anästhesie notwendige
Zeitverlust mit in Rechnung kommt. Selbstverständlich könnte man
diesem Übelstande einigermassen abhelfen, indem man die zur Adeno- und
Amygdalotomie bestimmte Patienten zu bestimmten Stunden wieder-
kommen lässt, wo man die Operation sozusagen „en gros“ macht.
Jedenfalls ist mit diesem Übelstande nicht zu rechnen, wenn es sich
um ein kleineres Material und namentlich um Privat-Patienten handelt.
Hat man aber aus seiner poliklinischen Praxis die Gewohnheit über-
nommen, ohne Narkose zu operieren, so fällt es schwer, in der
Privatpraxis unter Narkose zu operieren und entschliesst man sich
wenigstens nur in selteneren Fällen hierzu, zumeist nur auf Drängen
der Eltern. Dazu kommt noch, dass die jungen Praktikanten, die
an solchen poliklinischen Instituten ihre Ausbildung geniessen, nicht
in die Lage kommen, die Operation unter Anästhesie zu üben, was
sicherlich für dieselben sehr in die Wagschale fällt, wenn sie dann
später ihre eigenen Patienten zu operieren haben.
Unstreitig der wichtigste Einwand gegen die Anästhesie ist dessen
Gefährlichkeit. Die Gegner jedweder Anästhesie bei Adenotomien
stützen sich auf folgende Schlüsse. Die Adenotomie als solche
ist gefahrlos; die Anästhesie ist gefährlich. Weshalb also eine ge-
fahrlose Operation in eine gefährliche verwandeln? In diesem Syllo-
gismus sind beide Prämissen nicht richtig und so kann die Schluss-
folgerung auch nicht akzeptiert werden. Was zunächst die Gefahr-
losigkeit der Adenotomie anlangt, so ist es allerdings richtig, dass
dieselbe lege artis ausgeführt als vollständig gefahrlos gelten kann,
wenn man die beiden Hauptfaktoren jeder chirurgischen Intervention,
die Infektion und die Blutung, berücksichtigt. Lege artis können
die Instrumente unter allen Umständen sterilisiert werden, aber ob
dieselben während des Kampfes mit dem Kinde auch vor unabsicht-
licher Infektion steril gehalten werden können, ist schon zweifelhaft.
3] Zur Anästhesie bei der Adenotomie. 359
Sicher aber ist, dass es während des Kampfes mit dem zu operie-
renden Patienten zu allerlei Nebenverletzungen auch der schwersten
Art kommen kann. Ein rasches Ábschaben der Adenoiden kann be-
dingen, dass Adenoidreste an Schleimhautfetzen haften bleiben, aus
denen es dann zu lebensgefährlichen Blutungen kommen kann. Ein
nachheriges Abtragen dieser Reste ist am nicht narkotisierten Kinde,
nachdem es aus der Umklammerung des Assistenten entlassen ist,
nur in den allerseltensten Fällen möglich. Aus den Statistiken ist es
nicht ersichtlich, aber es ist höchst wahrscheinlich, dass die meisten
Blutungen nach Adeno- und Amygdalotomie an Patienten erlebt
worden sind, die nicht unter Anästhesie operiert worden sind. Operiert
man hingegen unter Anästhesie, so ist die Operation sicher viel ruhiger
durchführbar, es kommt nicht zu Nebenverletzungen, das Operations-
feld kann durch Tupfer, namentlich wenn man zuvor die Gaumen-
mandeln entfernt hat, übersichtlich gemacht werden. Man könnte
daher im Gegenteil behaupten, dass die Operation vom rein tech-
nischen Standpunkt aus durch die Narkose ungefährlicher wird als
ohne dieselbe.
Was nun die zweite Prämisse anlangt, die Gefährlichkeit der
Anästhesie, so ist nicht zu läugnen, dass dieselbe vielen Spezialisten
als ein solches Gespenst erscheint, dass sie derselben alle Vorteile
opfern, die die Anästhesie anderen temperamentvolleren Chirurgen
bietet. Es ist a priori nicht zu läugnen, dass jede Anästhesie eine
Gefahr in sich schliesst und dass von einer absolut ungefährlichen
Methode der Anästhesie nicht die Rede sein kann. Doch ist es
andererseits feststehend, dass alle Methoden der Anästhesie unter-
einander nicht gleichwertig sind und dass grosse Unterschiede zu
machen sind. Zunächst ist schon zwischen der allgemeinen und der
lokalen Anästhesie zu unterscheiden und verlohnt es sich der Mühe
zu untersuchen, inwieweit die lokale Anästhesie, an die sich die
allgemeine Chirurgie jetzt auch in erster Linie wendet und der wir
sozusagen unsere Spezialität verdanken, für die Adenotomie in Be-
tracht kommt.
Um den Ausbau der lokalen Anästhesie, bei der Adeno- und
Amygdalotomie hat sich Ruprecht in wiederholten Publikationen
(Monatsschrift für Ohrenheilkunde 1910, S. 81ft., 213ff., 247 ff.) und
auf dem letzten Budapester Kongress sehr verdienstvoll bemüht.
Die Ausführungen Ruprechts waren so überzeugend, dass ich
mich ebenfalls an die lokale Anästhesie behufs Adenotomie gemacht
habe. Technisch bietet die Anästhesie der Adenoiden viel weniger
Schwierigkeiten als die genügende Anästhesierung der Gaumen-
mandel Wenn auch die Zahl der von mir unter lokaler Anästhesie
25*
360 Dr. Lautmann. [4
gemachten Ádenotomien keine sehr grosse ist, so hat sie mir doch
gestattet, ein Urteil über die Methode zu bilden. Da übrigens bisher,
wie ich ersehe, noch keine Nachprüfung der Ruprechtschen Methode
veróffentlicht ist, so gehe ich um so lieber daran, die Notizen zu ver-
öffentlichen, die ich im unmittelbaren Anschlusse an jede Operation
gemacht habe. Ich übergehe die ersten Fälle, da meine Technik
vielleicht keine tadellose war und wo mir namentlich das psychische
Moment fehlte, auf das Ruprecht mit Recht aufmerksam macht,
nämlich das vollkommene Zutrauen in die Sicherheit der Anästhesie,
die sich dem Patienten mitteilt und denselben zum ruhigen Sitzen
bestimmt. Meine ersten drei Patienten gaben an, Schmerzen gefühlt
zu haben, blieben nicht ganz ruhig, liessen jedoch die Operation zu
Ende führen. In der Folge ging es dann besser, namentlich seit ich
selber beherzter das Adrenalin in das Kavum einrieb. Es handelt
sich um folgende Fälle:
l. Jeanette &, 7jührig. 3 Pinselungen auf jeder Seite. Zuerst mit dem
Feinschen Instrument Abtragung des grössten Teiles der Mandel und dann Nach-
schabung mit dem Adenotom von Gottstein. Wenig Schmerzen und kaum merk-
liche Blutung.
2. Maurice P., 15jührig. 4 Pinselungen jederseits, zunächst mit Fein und
nachher mit Gottstein. Keine Blutung, keine Schmerzen. Der Patient räusperte,
schneuzte sich während der Operation.
3. JeannetteG., 8jährig. Fein und Gottsteininstrumente. Keine Schmerzen.
4. Gusti W., 7';sjährig. Ähnlich wie die vorhergehende.
5. Germaine D., 17jahrig. Schon anderwärtig adenotomisiert. Beiderseits
drei dicke Alypin- +- Adrenalintampons. Beginn. 15 Minuten nach Einführung
des letzten Pinsels. Während der Operation wurde fortwährend postrhino-
skopisch untersucht. Keine Blutung, keine Schmerzen.
6. Joll., 16'%jährig. Eberso wie früher anüsthesiert. Nausea nach der
Operation. Wiederholte Schmerzensäusserung während der Operation. Wieder
wurde mit Fein und Gottsteins Adenotom operiert.
7. Marie L., 22jührig. Schon vor einem Jahre adenotomisiert. Man findet
im Kavum noch immer ein ansehnliches Paket von Adenoiden, 4 Tampons
Jederseits. Keine Schmerzen, doch ausgesprochene Ermüdungssymptome, die offen-
bar auf Aufregung zu setzen sind.
8. 8., 7/2 jihriger Knabe. Zuerst mit Alypin 20?» abwechselnd je 3 Tam-
pons, dann mit Adrenalin ein Tampon. Zuerst ein Versuch mit Schütz-Passow,
dann mit Curette. Das Schützsche Instrument wurde gut vertragen. Beim Schaben
mit dem Gottstein äusserte der Knabe Schmerzempfindungen.
9. X.. 23jähriges Mädchen. Ähnlich anästhesiert wie der vorhergehende
Fall. Operiert mit Fein und Gottstein’scher Curette. Keine Schmerzen, keine
Blutung.
10. Rache] Sch., 12jährig. äusserst nervöses Mädchen. 3 Tampon Alypin
und ein Tampon Adrenalin. Es wurden der Reihe nach eingeführt das Feinsche
Instrument, eine grosse Gottstein-Curette und eine kleinere Curette für seitliche
Adenoiden. Keine Schmerzen, keine Blutung.
5] Zur Anüsthesie bei der Adenotomie. 361
11. Jetty, 12jührig. Es wurde nur Alypin 20°/ aufgetragen. 4 Tampons
jederseits eingeführt. Keine Schmerzen beim raschen Abschaben mit der Gott-
steinschen Curette. Äusserst nervöses Mädchen.
12. Marcelle Sch., 14 jährig. Jederseits 4 Tampons mit Alypin 20°/o und
jederseits ein Tampon mit reinem Alypin eingerieben. Es wurde mit Fein und
Gottstein operiert und jedesmal postrhinoskopiert. Nach der vollkommen
schmerz- und blutlosen Operation wurde das Madchen blass und leicht synkopisch.
Exzitantien und Ruhiglagerung brachten die Patientin nach einer Stunde zu sich.
18. Jean W., 15jührig. War schon mit 6 Jahren ohne Narkose adenotomi-
siert. 4 Alypintampons nachdem Adrenalin. Operation nach 15 Minuten be-
gonnen. Patient verspürte Schmerzen.
14. Jacques Dro, 8!'/jühriger Junge. Adrenalin und Novocain (20°/,),
Schmerz mässig. Knabe hielt ruhig beim Schaben mit dem Gottsteinschen
Adenotom.
15. Pot., 30jährig. Alypin und Adrenalin, vom ersteren 5 Tampons, vom
letzteren 2 Tampon jederseits. Postrhinoskopie unmóglich wührend der Operation.
Patientin lässt jedoch ruhig das Beckmannsche Messer einführen. Das Kavum
wurde genau curettiert und ein kleines Gottsteinsches Adenotom so gut als
möglich in die Rosenmüllersche Bucht geführt. Absolut keine Blutung und kein
Schmerz, es wurde reichlich 10 Minuten lang operiert.
Aus dieser kurzen Zusammenstellung ist ersichtlich, dass die
Operation sich schmerzlos durchführen lässt, dass die Patienten ruhig
halten, den Mund so oft öffnen als man dies verlangt. Es ist möglich,
mit dem Spiegel im Mund den Effekt des Eingriffes zu kontrol-
lieren und die Ausrottung der Adenoiden, ganz nach Art der Tumoren,
bis ins Gesunde zu verfolgen. Man bringt es bald dazu, dass die
ganze Operation mit derselben Ruhe, wie unsere übrigen rhino-
logischen Operationen sich machen lässt. Nichtsdestoweniger halte
ich die lokale Anästhesie nur in Ausnahmsfällen bei der Adenotomie
für angezeigt. Zunächst sind alle Kinder unter 8—10 Jahren wegen
der Intoxikationsgefahr von dieser Methode auszuschliessen. Ob man
mit Kokain, Alypın oder Novokain, Stovain etc. anästhesiert, es ist
immer gefährlich bei Kindern, viel von diesen Mitteln in die stark
resorbierende Kavumschleimhaut einzureiben. Ob das Adrenalin hier-
bei wirklich als resorptionshinderndes Agens oder als ein Toxikum
für sich mitwirkt, bleibe dahingestellt. Ruprecht will von der
Anästhesie absolut keinen Schaden gesehen haben, wir haben einen
sicheren Intoxikationsfall gesehen bei einer verhältnismässig kleinen
Anzahl von Fällen; aber auch sonst wissen wir aus der rhinolaryngo-
logischen Praxis, dass Kinder für die gebräuchlichen Anästhesierungs-
mittel sehr empfindlich sind und daher lieber nicht lokal anästhesiert
werden sollen. Was nun die älteren Patienten anlangt, so nimmt
zwar die Intoxikationsgefahr mit den Jahren ab, jedoch bleibt auch
für diese Patienten die lokale Anästhesie nur eine Ausnahmsmethode.
Schon Ruprecht hat angegeben, dass von der lokalen Anästhesie
362 Dr. Lautmann. [6
abgesehen werden muss, wenn neben den Adenoiden auch die Gaumen-
mandeln zu operieren sind. Dann ist aber nicht zu läugnen, dass
die lokale Anästhesie eine äusserst umständliche Methode ist, die viel
Zeit erfordert. Wir haben immer noch nach dem Vorgange Ruprechts,
während wir einen Patient lokal anästhesierten, noch nebenbei einen
anderen Patienten abgefertigt, aber eine solches Vorgehen ist
auch nicht immer tunlich, und man muss tatsächlich mit einer länger
dauernden Intervention rechnen, wenn man die Adenoiden unter
lokaler Anästhesie entfernen will. Endlich ist ein Nachteil, dass die
Adenoiden unter der Adrenalinwirkung stark schrumpfen. ÖOperiert
man mit dem Feinschen Messer, so kann es sehr leicht passieren,
dass man ansehnliche Reste am Rachendach übrig lässt. Ich habe
gleich nach den ersten Operationen, so oft es anging, mit dem Spiegel
kontrolliert und mich von der Möglichkeit überzeugt, eine unvoll-
kommene Operation zu machen. Handelt es sich um um eine grosse
Rachenmandel, die man auch mit dem sonst so wenig praktischen
Instrument von Schütz-Passow entfernen kann, dann allerdings
ist dieser Nachteil der lokalen Anästhesie wenig auffallend.
Selbstverstándlich kann dieses Schrumpfen der Adenoiden nicht
vermieden werden, da man auf das Adrenalin nicht verzichten kann,
wenn man mit Alypin oder Novokain arbeiten will, und hat dies
Ruprecht in seiner Arbeit des näheren ausgeführt und kann ich
hierüber sowie in bezug auf die Technik auf seine Arbeiten
verweisen. Wir haben die Technik insofern modifiziert, als wir auf
den Kokainspray ganz verzichtet haben. Statt dessen haben wir den
ersten Pinsel am sitzenden Patienten eingeführt. Dieser Pinsel war
in eine 10°/oige Kokainadrenalinlösung getaucht. Es erfolgte hierauf am
liegenden Patienten mit überhängendem Kopfe die Anästhesie nach
Ruprecht. Nur in den letzten Fällen haben wir insofern modifi-
ziert, als wir Alyin und Adrenalin gesondert eingepinselt haben.
Merkwürdigerweise haben sich unsere Alyin-Adrenalinlösungen nicht
gehalten und schnell ihre anästhesierende Wirkung eingebüsst. Wir
mussten deshalb zur extemporären Bereitung der Lösung unsere
Zuflucht nehmen, die aber so umständlich war, dass wir es vorzogen,
gesondert mit Alyn und Adrenalin zu pinseln.
Die lokale Anästhesie nach Ruprecht ist, dort wo sie ange-
zeigt ist, tatsächlich eine sehr sichere Methode der Anästhesie. Bei
Erwachsenen, die sich die Adenoiden im Operationszimmer des Arztes
herausnehmen lassen wollen, bietet die Methode unzweifelhafte Vor-
züge. Bei Erwachsenen ist sie sicherlich weniger gefährlich als die
allgemeine Anästhesie und gestattet eine bessere Kontrolle über die
Gründlichkeit des erfolgten Eingriffes.
7] Zur Anästhesie bei der Adenotomie. 363
Wenn somit die lokale Anästhesie als eine Ausnahmsmethode zu
bezeichnen ist, so bleibt für die Anästhesie bei der Adenotomie nur
die Möglichkeit der allgemeinen Anästhesie übrig. Dieser Anästhesie
haftete bisher der grosse Mangel an, dass sie am sitzenden Patienten
vorgenommen werden musste, denn das Operieren am liegenden
Patienten mit hängendem Kopfe hat sich kaum einbürgern können.
Es braucht kaum gesagt zu werden, dass das Chloroform sich für
die Adenotomie kaum eignet, der Ätherrausch allerdings ungefährlich
ist, aber nur für eine beschränkte Anzahl von Patienten nach Zaniko
verwendbar ist, „namentlich für durchaus Gutartige und einiger-
massen Standhafte“, mit anderen Worten für Patienten, bei denen
die lokale Anästhesie bessere Dienste leistet. So kam es, dass das
Bromäthyl trotz seiner unläugbaren Mängel sich bald allgemeiner
Verbreitung erfreuen konnte und heute noch bei vielen Spezialisten
das einzige Mittel ist, das dieselben zur Narkose bei der Adenotomie
verwenden.
In Frankreich ist das Bromäthyl vollständig verlassen und an
dessen Stelle ist das Äthylchlorid getreten. Den deutschen Zahn-
ärzten ist dasselbe als allgemeines Narkotikum auch schon lange be-
kannt. Als erster unter den Deutschen empfahl es für die Anästhesie
in der Hals-Nasenpraxis Neuenborn in der XIV. Sitzung der
Westdeutschen Hals- und Ohrenärzte 1904 in Köln und später in
einem Aufsatz, der im Archiv f. Laryngologie Bd. 17, S. 14 erschienen
ist. Es scheint aber, dass das Äthylchlorid trotz der warmen
Empfehlung von seiten Neuenborns sich in Deutschland nicht
verbreitet hat. Die Ursache davon wird wohl gewesen sein, dass
die Technik, die Neuenborn empfahl, weder eine genügende Anästhesie
gestattet, noch vor schweren Gefahren schützt.
In Frankreich hat das Äthylchlorid durch Camus eine sehr
eingehende Studie erfahren und ist durch denselben die Technik der
Narkose mittels Äthylchlorid so ausgearbeitet worden, dass diese Nar-
kose tatsächlich als eine ideale bezeichnet werden muss. Dies ist
erreicht durch den von Cam us konstruierten Apparat, der, eine Mo-
difikation älterer Inhalationsapparate, gestattet, mit einer unglaublich
kleinen Dosis von Äthylchlorid, 1 bis maximum 3 g, auszukommen
und es ermöglicht, dass das Äthylchlorid nicht plötzlich in das
Blut einströmt, sondern ganz allmählich das Nervensystem sättigt.
Lemaitre, der als einer der ersten den Apparat von Camus be-
nützt hat, hat seine überaus zufriedenstellenden Resultate in Annales
des maladies de l'oreille tome XXXII, No. 10, 1906 veröffentlicht
und sich sogar verleiten lassen zu schreiben, dass er überzeugt ist,
dass die Athylchloridnarkose mit dem Apparat von Camus ausge-
364 Dr. Lautmann. [8
führt niemals durch Intoxikation den Tod des Patienten verursachen
kann, was tatsächlich auch die Ängstlichsten zu einem Versuche
mit der Äthylchloridnarkose bewegen konnte.
Wir selbst haben die Narkose mit Äthylchlorid und dem Camus-
schen Apparat in mehr als 200 Fällen teils selbst ausgeführt, teils
von Camus an unseren Patienten ausführen lassen und jedesmal
eine zufriedenstellende Narkose erzielt. Wir narkotisierten gewöhn-
lich erst vom 4 Jahre aufwärts. In so jugendlichem Alter genügt
1 g Äthylchlorid vollständig, um Adenoide und wenn nötig die
Mandeln abzutragen. Bei älteren Kindern sind 2 g nötig. Die
Äthylchlorid-Tuben von 3 g habe ich seltener Gelegenheit zu benützen,
da man mit 2 g die Narkose tief genug machen kann, um eine
genaue Abtragung der Mandeln und Adenoiden bei Patienten von
12—14 Jahren zu gestatten. Bei Erwachsenen muss man allerdings
zu den Tuben mit 3 g greifen. Der Apparat von Camus ist äusserst
handlich, robust und in seiner ursprünglichen Form äusserst
leicht zu manipulieren. Seit einigen Monaten hat Camus einen
zweiten Apparat angegeben, der eine Modifikation des ersten ist und
für längerdauernde Interventionen der allgemeinen Chirurgie be-
stimmt ist. |
Das einfache Modell besteht aus drei Teilen: der Kautschuk-
Maske, dem Verdampfungsraum und einer Schweineblase. Die Kaut-
schuk-Maske besitzt einen aufblasbaren Rand, mit dem die Maske
luftdicht über Mund und Nase des Patienten aufgesetzt wird. Der
Abschluss muss hermetisch sein, damit der Patient nicht mit dem
Äthylchlorid gleichzeitig auch Luft einatmet. Auf diese Weise
wird namentlich das Exzitationsstadium vermieden und tritt die
Narkose viel rascher ein. Der Verdampfungsraum ist eine Metall-
kugel, die einerseits in die Maske, andererseits in die Schweinsblase
übergeht. Seitlich trägt die Metallkugel eine Hülse aus Kautschuk
in die der Äthylchloridtubus eingesteckt wird. Im gegebenen Momente
wird der Tubus durch Knickung gegen die Hülse gebrochen und
rinnt der Inhalt der Tube in die Metallkugel hinein. Damit nun
das Äthylchlorid nicht plötzlich verdampfe, ist es angezeigt die
Tuben vor dem Gebrauch in Eis zu kühlen. Merkt man, dass
die Verdampfung nicht rasch genug vor sich geht, so kann man
während der Narkose die Metallkugel mit einem in warmes Wasser
getauchten Wattetampon erwärmen und auf diese Weise die Ver-
dampfung beschleunigen. Oft genügt es, die Kugel mit der warmen
Hand zu fassen. Anfangs ist es nötig, die Patienten zum Atmen
aufzufordern. Die ersten Atemzüge können oberflächlich sein. Bald
sieht man, wie die Schweinsblase sich aufbläht und immer mehr sich
9] Zur Anüsthesie bei der Adenotomie. 365
aufrichtet bei jeder Expiration. In den allermeisten Fallen ist nach
Verlauf von 50 Sekunden eine vollständige Anästhesie erreicht. Es
tritt vor dieser brauchbaren Anästhesie ein rasches analeptisches
Stadium ein mit Erschlaffung der Muskulatur, das äusserst flüchtig
ist und für die Operation nur in den allerseltensten Fällen ausreicht.
Man muss die Maske noch länger liegen lassen bis die Augen zu-
nächst nach innen und oben konvergieren und bis der Kornealreflex
verschwunden ist. Jetzt ist eine genügend tiefe Anästhesie erreicht,
so dass man bequem die Mandeln aus den Nischen schälen, sie mit
dem Tonsillotom oder der kalten Schlinge fassen kann und dann die
Adenoiden mit einem der gebräuchlichen Adenotome entfernen kann.
Vielleicht beginnen die Patienten, wenn die Operation etwas länger
gedauert hat, Zeichen des Erwachens zu zeigen. Man braucht sich
dann nicht zu überhasten; es tritt Jetzt wieder eine Art psychischer
Indifferenz auf, in der die Patienten noch immer schmerzhafte Ein-
griffe ausführen lassen. Das Erwachen ist ein ziemlich rasches, mit-
unter allerdings müssen sich die Patienten noch eine längere Zeit
besinnen, bis sie zu sich kommen. In den allermeisten Fällen klagen
die Patienten höchstens über den Wundschmerz, den sie im Halse
verspüren, geben aber übereinstimmend an, von der Operation nichts
verspürt zu haben. Die Patienten erheben sich selbst vom Operations-
sitz und verlassen guter Laune das Operationszimmer. Es ist aber
immerhin angezeigt, dieselben eine Weile noch nach der Operation
hinzulegen, um Brechbewegungen zu vermeiden. Über Kopfschmerzen
nach der Operation hat keiner meiner Patienten geklagt; ein einziges
Mal behauptete ein sehr nervöser 13jähriger Knabe, den ganzen Tag
hindurch Schwindelanfälle gehabt zu haben.
Der Apparat und dessen Manipulation nehmen sich in der Be-
schreibung sehr kompliziert aus, sind jedoch praktisch äusserst ein-
366 Dr. Lautmann. 10]
fach. Ein Blick auf vorstehende Figur macht dessen Manipulation
sofort verständlich. Wie gesagt, hat Ca mus in letzter Zeit den
Apparat modifiziert, um einerseits das Erwärmen der Äthylchlorid-
. tuben zu vereinfachen, und ein Ventil angefügt, durch das es möglich
ist, dem Patienten Luft zuzuführen, um so zu gestatten, dass die
Narkose längere Zeit dauert. Für unsere Zwecke ist das ursprüng-
liche Modell das einzig nötige und ist in jedem Falle die erzielte
Anästhesie andauernd und tief genug, um eine Adeno- und doppel-
seitige Amygdalotomie zu gestatten.
Trotzdem bisher keine Todesfälle bekannt sind, die bei Ver-
wendung des Camusschen Apparates vorgekommen sind, so ist es
nicht ausgeschlossen, dass bei Ausserachtlassen der nötigen Vor-
schriften, die bei jeder allgemeinen Anästhesie zu beobachten sind,
solche vorkommen können. Herzkranke und nervöse Personen sind
von uns schon mit dem Apparat eingeschläfert worden ohne den
leisesten Zwischenfall. Starke Aufregung vor der Operation muss
durch Zuspruch beruhigt werden. Bei vollem Magen ist es im
allgemeinen nicht gut zu narkotisieren, da Erbrechen wiederholt
von uns während der Operation in äusserst störender Weise kon-
statiert worden ist. Wir würden dringend raten, nicht bloss mit
einem Gehilfen zu operieren. Am besten ist es, den Rumpf des
Kindes von einem Gehilfen fixieren zu lassen und die Narkose wenn
möglich dem Assistenten anzuvertrauen, der sich vom Erlöschen des
Kornealreflexes zu überzeugen hat. Der Operateur überwacht das
Gesicht des Patienten und hält sich bereit, sobald die Maske entfernt
ist, die Operation mit bedächtiger Eile (festina lente) zu vollführen.
Selbstverständlich muss zuvor immer am wachen Kinde irgend einer
der gut sitzenden Mundöffner eingeführt sein, um nicht Zeit mit dem
Öffnen des Mundes zu verlieren. Den bekannten Trismus des Bromäthyls
sieht man beim Athylchlorid nicht. Während der Operation darf
die Zungenspatel nicht fortwährend ohne Unterlass auf die Zunge
drücken, da hierdurch Atemstörungen verursacht werden. In den
Momenten, wo nicht operiert wird, muss die Spatel gehoben werden.
Um ein Herabfallen der abgeschabten Adenoiden in den Larynx zu
verhindern, ist es angezeigt, den Spatel so tief als möglich in den
Rachen einzuführen, am besten bis an die hintere Rachenwand, und
den Kopf des Patienten eher nach vorne als nach rückwärts zu
neigen.
In letzter Zeit ist neben dem Äthylchlorid noch das Somnoform
gerühmt worden. Compaired widmet dem Somnoform einen Auf-
satz in den Archives Internationales de Laryngologie tom. XXX, Nr. 1,
1910, und erklärt sich von dessen Resultaten höchst zufrieden. Das
11] Zur Anästhesie bei der Adenotomie, 367
Somnoform ist im Gemisch von 60% Äthylchlorid, 35*/o Methyl-
chlorid und 5°/o Bromäthyl. Es scheint, dass Compaired sich
nur mit einer flüchtigen Anästhesie begnügt, er spricht selber von
einer Halb-Anásthesie. Compaired hat 2000 Adenotomien in dieser
Halbanästhesie, ausgeführt ohne jeden Zwischenfall. Zu einer voll-
ständigen chirurgischen Anästhesie lässt es Compaired nicht kommen,
weil er offenbar seinem Mittel nicht recht traut. Hierbei verwendet
er Dosen von 5 g also mindestens ebensoviel, als man mit dem Camus
Apparat an Chloräthyl verwendet. Es scheint auch, dass Compaired
nur Adenotomie in dieser Halbnarkose ausführen kann, wenigstens
spricht er nicht von Amygdalotomien und namentlich nicht von einer
gleichzeitigen Abtragung der 3 hypertrophischen Mandeln. Tatsächlich
aber ist die allgemeine Narkose, wenn man sie schon als schweren
Eingriff betrachten will, hauptsächlich in diesen letzten Fällen in-
diziert, wo neben den adenoiden Vegetationen auch die hypertrophischen
und manchmal recht versteckt sitzenden Gaumenmandeln zu ent-
fernen sind. Für diese Operation ist aber nur eine echte chirur-
gische Narkose genügend und für diese bis jetzt am gefahrlosesten
das Äthylchlorid.
Chirurgische und funktionelle Behandlung der
Stimmlippenknötehen mit besonderer Berück-
sichtigung der Frage der Berufsschádigung.
Von
Theodor S, Flatau in Berlin.
In den Zeiten der Laryngologie, da die endolaryngeale Ent.
fernung der gutartigen Stimmbandtumoren noch eine Besonderheit
darstellte, war man schwerlich auf den Gedanken gekommen, dass
in funktioneller Beziehung damit etwas anderes sich ergeben würde
als eine Wiederherstellung, zum mindesten aber eine Verbesserung
der Stimme. (Gegenwärtig ist wohl das Gefühl der Vorsicht den
knötchenförmigen Bildungen gegenüber ziemlich allgemein, namentlich
seitdem von verschiedenen Seiten Berichte gekommen sind, die von
der Verschlechterung der Funktion, ja von dem Verlust der Sing-
stimme nach solchen Eingriffen an den Stimmlippen zu melden
wussten.
Nach meinen Beobachtungen waren früher in der Tat Fälle nicht
ganz selten, in denen Laryngologen eine Stimmverbesserung, und das
bedeutete in der Regel eine Heilung von Singstimmstörungen ver-
mittels der operativen Beseitigung von Stimmlippenknötchen, in Aus-
sicht gestellt haben, während zum Entsetzen beider Teile schwere
Funktionsstörungen die Folge waren. Ich habe selbst schon auf die
peinlichen Möglichkeiten hingewiesen, wenn unter solchen Verhält-
nissen der Arzt schadenersatzpflichtig gemacht wird. In der Gegen-
wart scheint denn nun ein Umschlag nach der anderen Seite hin
eingetreten zu sein. Von einigen Seiten wird mir berichtet, dass
Laryngologen vor dem Eingriff sich einen Revers ausstellen liessen,
worin der Patient durch seine Unterschrift bekennt, dass er im Falle
einer Funktionsverschlechterung oder auch bei der Nichtheilung keine
370 Theodor S. Flatau. [2
Ersatzansprüche stellen wolle: Andere Kollegen lehnen bei Sängern
die Operation der kleinen Gebilde grundsätzlich mit Rücksicht auf
diese Verhältnisse ab.
Ich habe daher geglaubt, einige Folgerungen über diesen Gegen-
stand hier mitteilen zu sollen, die zu schärferen Richtlinien unseres
Handelns und Unterlassens führen.
Zuerst möchte ich feststellen, dass kleine und kleinste ganz
symmetrische Stimmlippenknötchen bei Sängern ohne funktionelle
Störung vorkommen. Ich sehe sie z. B. häufig bei Kehlköpfen kleiner
Dimension, namentlich bei hohen Sopranen und kann mich da des
Eindrucks nicht erwehren, dass diese kleinen symmetrischen Promi-
nenzen eine Art Anpassungserscheinung bedeuten. Sie wären dann
entweder hervorgegangen aus den berufs- und übungsmässig herbei-
geführten Übergangs- und Ausgleichsstellungen, womit der Künstler
die sogenannten Naturregister in der Höhe zu überwinden trachtet,
oder sie dienen in ähnlicher Weise zur erleichterten Gewinnung der
Positionen mit der spindelförmigen und verkürzten Glottis, wie ich
sie für das Hochregister beschrieben habe. Noch eine Beobachtung
scheint mir für eine Anpassung zu sprechen. In mehreren Fällen
konnte ich mich überzeugen, dass solche kleinsten Gebilde völlig deut-
lich bei und nach Phonation gesehen werden konnten, wenn man
den Kehlkopf mit einem Endoskop beobachtete und zwar ohne jede
Störung der Phonation auch beim piano. Laryngoskopierte man die-
selben Personen, so verschwanden die Bildungen leicht für das Auge,
namentlich bei einem gewissen Zungenzuge, die Intonation wurde häufig
erschwert und durch ein hauchendes Geräusch bedeckt. Ganz ähn-
liche Beobachtungen kann man anstellen, wenn die kleinen symmetri-
schen Prominenzen durch Hemisin vorübergehend zum Verschwinden
gebracht werden.
Dass für diese Fälle ein Versuch, gegen solche Bildungen operativ
einzuschreiten, geradezu als Kunstfehler bezeichnet werden müsste,
liegt auf der Hand. Es ereignet sich aber doch, dass das friedliche
Bild sich ändert und dass dann mit einem grösseren Schein von
Berechtigung ein Eingriff vorgeschlagen wird. Erkranken die Sänger
an einem diffusen Katarrh, dessen Resorption zögert, so vergröbert
sich bei längerem Bestande die Affektion der gesamten Kontur und
auch die vorderen kleinen und spitzen Prominenzen werden gröber
und grösser. Wird der Katarrh durch Schonung und Ruhigstellung
des Organs zur Restitution gebracht, so tritt auch die Verkleinerung
der Gebilde auf den früheren Zustand ein. Ich möchte hierbei er-
wähnen, dass eine vorsichtige aber exakte mechanisch-elektrische Ton-
behandlung im piano eine ganz hervorragende Beschleunigung der
3] Chirurg. u. funkt. Behandlung der Stimmlippenkndtchen etc. 371
Restitution gewährleistet. Wird aber statt dessen die Beseitigung
der Knótchen durch Schnitt oder gar durch den Elektrokauter vor-
genommen, so tritt bei dem Sänger in der Regel eine dauernde Be-
einträchtigung der Intonation ein. Wird vor der Restitution des
Katarrhs die Singstimme beruflich verwandt, so führt das sehr häufig
zu Erscheinungen der Stimmschwäche. Wenn in diesem Stadium der
Patient den Laryngologen konsultiert, so kommt dieser — ohne be-
sondere Prüfung des Funktionsausfalls — leicht in die Lage, die
Prominenzen für die Ursache der Stimmstörung zu halten. Wird
dann operiert, so ist die oben geschilderte Situation herbeigeführt,
wobei die Therapie sich als schlimmer erweist als die Krankheit.
Hierbei möchte ich schon hervorheben, dass wir gerade den
phonasthenischen Erscheinungen gegenüber ein recht zuverlässiges
diagnostisches Schutzmittel in der funktionellen Untersuchung des
phonischen Ausgleichs, namentlich in der elektrophonischen Unter-
suchung besitzen. Sie wird jetzt am exaktesten nach der Methode
angestellt, die ich als isochrone mechano-elektrische Tonbehandlung
beschrieben habe!) Gelingt dabei in irgend einer Kombination der
Ausgleich, so ist schon festgestellt, dass die Prominenzen nicht die
Ursache der Stimmstórungen bilden kónnen. Und dann heisst es für
den Laryngochirurgen: noli tangere.
Ganz anders ist das optische wie das funktionelle Bild, wenn
Knötchen der Stimmlippe wirklich eine mechanische Ursache von
Funktionsstórungen sind. Einmal handelt es sich vorwiegend um
einseitige Bildungen. Dann bietet ein Teil davon sehr einfache thera-
peutische Verhältnisse, so wenn bei näherem Studium das „Knötchen“
sich als kleine Zyste oder als ein noch minutiöser Polyp entpuppt,
der sich durch Farbe, Konsistenz und Stilbildung differenziert. Weiter-
hin lehrt die funktionelle Untersuchung der Ausgleichserscheinungen,
dass solche ausbleiben, jedenfalls nicht in der deutlichen, über
zeugenden — ich möchte fast sagen — erlösenden Weise wahrnehm-
bar werden, wie bei der ersten Gruppe. Solche Prominenzen, die
um so mehr Funktionsstörungen machen, je mehr sie auf dem freien
Rande sitzen, müssen und können auch leicht genug in der üblichen
Weise chirurgisch behandelt werden. Es ist nun sehr merkwürdig,
dass auch in solchen Fällen neuerdings diese chirurgische Behandlung
bei Sängern — aus Furcht oder Vorsicht — abgelehnt wird. Und
da liegt sicher eine ganz richtige — auf den ersten Blick sonderbar
anmutende — Erfahrung zugrunde. Jedermann weiss, dass in den
meisten Fällen sogleich mit der Punktion einer Zyste, nach der
1) Die Heilung der Singstimme durch elektro-mechanische Tonbehandlung.
Die Stimme. Bd. V, Heft 1.
312 Theodor S. Flatau. [4
kunstgerechten Entfernung eines kleinen Randfibroms die Stimme,
namentlich die Sprechstimme klar wird. Und doch passiert es, dass
nach einigen Wochen — trotz glatter Heilung und Ruhepause —
der Sänger wieder erscheint und angibt, die Störungen der Ton-
gebung seien noch da. Wir laryngoskopieren — ein Rezidiv fürchtend
— und können nichts dergleichen feststellen. Das operierte Stimm-
band zeigt völlig normale Verhältnisse, der freie Rand ist glatt; wir
stehen vor einem Rätsel. Hier kann wieder die endoskopische und
weiterhin wieder eine funktionelle Untersuchung der Tonbildung
klärend wirken. Wo die Laryngoskopie keinen deutlichen optischen
Ausdruck der Tonstörung zu geben vermag, liefert ihn die Endo-
skopie. Wir sehen eine funktionelle Hypokinese oder — was gar
nicht selten ist .— eine kleine wellenfórmige Konkavitát an der der
Prominenz gegenüber liegenden Stelle. Sie — das Ergebnis des
früheren Druckes vom Knoten, womit das Hindernis in der Glottis
überwunden wurde, — liefert schliesslich durch allmählige Usur
der oberflächlichen Gewebsschichten eine bis auf die Muskulatur
durchgreifende Formveränderung als Kompensation. Die Prognose
dieser Veränderung ist, wenn jetzt eine exakte Tonbehandlung
einsetzt, im allgemeinen günstig. Sie kann in der Regel in einigen
Wochen ausgeglichen werden, erfordert aber eine sehr aufmerksame
stimmgymnastische Behandlung, die auch die Aufhebung der habituell
gewordenen Pressbewegung anzustreben hat. Denn diese beiden
Grundfehler der gestörten Intonation bestehen in der Tat dann noch
fort und haben vor dem genauen Studium zu dem üblen Ruf der
laryngochirurgischen Eingriffe bei Sängern geführt. Beim piano der
optische und akustische Ausdruck des insuffizierten Schlusses, beim
mezzoforte und forte die durch die berufliche Arbeit während der
mechanischen Hinderung habituell gewordene Pressbewegung. Sie
sind jetzt die eigentlichen Feinde, ohne deren Beseitigung die funk-
tionelle Störung auch hier noch beim Singen fortbesteht, selbst wenn
die Sprechstimme gebessert ist.
Nun ein Wort noch von den breit am Rande oder dicht darunter
sitzenden Prominenzen. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass sie
am wenigsten gern angegriffen werden. Wenn wir vorurteilsfrei unser
therapeutisches Rüstzeug mustern, so müssen wir sagen, dass die
schneidenden Werkzeuge bei allem technischen Fortschritt des In-
strumentbaues und bei allem Respekt vor der persönlichen Geschick-
lichkeit des Operateurs nicht jene ideale Schnittführung gewährleisten,
die — selbst wenn wir die Narbenbildung noch vernachlässigen —
den für die Funktion nötigen glatten freien Rand herstellt. Es wird
leicht zu wenig fortgenommen, dann haben wir funktionell nichts
7 Chirurg. u. funkt. Behandlung der Stimmlippenknótchen etc. 313
gewonnen oder zu tief geschnitten, dann haben wir viel verloren,
indem die vorher geschilderten Stórungen der Tongebung sich dann
in sehr dauerhafter Weise einstellen. Solche Zustände sind es, die ich
unter dem warnenden Titel „Stimmverlust nach Eingriffen an den
Stimmlippen“ beschrieben habe. Da ich in neuerer Zeit wieder einen
sehr traurigen Fall dieser Art zu begutachten hatte, wo eine enorme
Verschlechterung der Funktion sich nach einer solchen Operation
eingestellt hat, so möchte ich hier nochmals erinnern, dass es in
diesen Fällen nicht auf die Gewinnung eines Präparates zu patho-
logisch-anatomischen Untersuchungen ankommt, sondern auf die Er-
haltung und Aufbesserung der Funktion. Ich möchte nun mitteilen,
wie ich mich in solchen — wie jeder Eingeweihte zugeben wird —
schwierigen Situationen verhalte und die Behandlungsmethode be-
schreiben, wodurch ich in solchen Fällen von einseitig breit auf-
sitzenden Knoten der Stimmlippen die Gebilde entferne und die
Funktionsstörung beseitige.
Von der Verwendung schneidender Zangen sehe ich aus den
oben angeführten Gründen ab, auch die feinsten sind für unsere
Zwecke noch zu grob und vielfach wirken sie in den oberflächlichen
weichen Bedeckungen zerrend und quetschend; auch das verdeckte
Kehlkopfmesser ist mir nicht sicher genug, da es vertikal federt und
hier nur eine sagittale Bewegung, glatte Ränder geben kann. Sie
sehen hier die von mir angewendeten Instrumente. Sie schauen aus
wie in der Pfeilnahtebene abgestumpfte Sonden und haben eine —
der zu entfernenden Prominenz entsprechende — scharfe Öffnung an
der Seite, jedoch über dem unteren Rande. In die Öffnung selbst
wird etwas Chromsäure gebracht und zwar so, dass das Medikament
ein wenig über der Seitenfläche des Metalls übersteht. Bringt man
nun das Instrument — nach ausreichender und geduldiger Vorübung des
Patienten — genau auf die Prominenz, so wird diese unter sanftem
Andrücken in eine bröcklige und wenig widerstandsfähige Masse ver-
wandelt und durch leichte polierende Bewegungen unter den Hohl-
raum des Instruments gebracht, während ein völlig glatter Rand er-
zielt wird.
Ich möchte sagen, dass bei diesem Verfahren eine Funktions-
schädigung so gut wie ausgeschlossen ist, weil die der Prominenz
benachbarten Partien der Stimmlippen durch die glatte Seitenfläche
des Instrumentes geschützt sind und mit ihm eine Art Schiene bilden,
so dass der Operateur ohne Irritation der Teile in der Linie des
freien Stimmlippenrandes bleibt.
Zeitschrift für Laryngologie, Bd. IIL, H. 4. 26
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Fig. * Tadoktionsapparat tar zahnärztliche Untersuchung rik Prof. Sch röden. Ku CG
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Mitleidenachatt gezogen ist, durch mehr oder weiger starke se Schwellung ` UNA
‚der, Weichteile ‚erkennbar. GE EE EH m nas i
i. & Steier mach Prof. Schröder.
en de Bei. eite. grössten. Teil: seiner. guida Tätigkeit `
ek der Zahnarzt. mit der. Unterscheidung. zweier Erkrankungs- Eur
formen ans: der Pulpitis und der Periodontitis, der Ero DOT
krankung des Zahnmarks und der Wurzelhaut.: Ist der Zabn auf
- Klopfen ` empfindlich, so liegt. eine Periodontitis vor; ‚vermag. ‚der
"Patient. den. schmerzenden Zahn. nicht ‚genau anzugeben, wird der `
-Schmerz besonders durch Temperaturwechsel ausgelöst, so ist. die Dia-
gnose Pulpitis wohl gesichert. Selbst bei fehlenden grossen Kariesherden
wird der. gewissenbaft untersuchende Zahnarzt durch ‚eine exakte
Sondenuntersuchung - irgend. einen ‚versteckten Herd ‘sehr oft noch _
‚aufzudecken. SEHEN. Diese algemein | üblichen. Untersuchungs- a
318 Oskar Weski. (4
methoden: der Aspekt, die Sondenuntersuchung, die Prü-
fung mit kaltem und heissem Wasser, die Perkussion
der Zähne, sie alle versagen aber dann, wenn es sich um latente
Erkrankungen der äusserlich intakten Zähne handelt. Und solche
Situationen finden sich nur zu häufig dann, wenn der Zahnarzt
von dem Vertreter eines anderen Spezialgebietes in schwierigen
differentialdiagnostischen Situationen herangezogen wird.
Hier setzt die moderne zahnärztliche Diagnostik ein; denn
nur da, wo das Zahnsystem mit Hilfe des Induktionsstromes
auf seine Sensibilität geprüft ist, nur dort, wo eine Röntgen-
untersuchung einen genauen Aufschluss über das Verhalten
des Zahninnern, seiner Wurzeln und des ihn umgebenden Knochens
geliefert hat, nur dort trägt die zahnärztliche Diagnose das ge-
nügende Schwergewicht in sich.
Besonders bei der Beurteilung zweier Krankheitsformen wird
der Rhino- und Otologe auf die zahnärztliche Diagnostik angewiesen
sein, bei Neuralgien im Gebiet des Kopfes und bei Erkrankungen
der Kieferhohle. In beiden Fállen muss man genau über den
Zustand des Zahnsystems orientiert sein, weil sonst sehr leicht
irrtümliche Diagnosen gestellt werden und das therapeutische Vor-
gehen der genügenden Exaktheit entbehrt.
Bei den Neuralgien wird es sich vor allem darum han-
deln, festzustellen, ob etwa eine entzündete Zahnpulpa die Ursache
der schmerzhaften Sensationen sein könnte. Sobald ein offen-
sichtlicher Kariesherd nicht vorhanden ist, der Patient überhaupt
über die Zähne nie zu klagen hat, kann, wie gesagt, nur der In-
duktionsstrom die Situation klären. Wir bedienen uns bei unseren
Untersuchungen eines Schlittenapparates, welcher durch besondere
Montierung eine bequeme Veränderung des Rollenabstandes ermög-
licht. Die positive Elektrode wird mit der Hand des Patienten
verbunden, die negative Elektrode, welche gegen die Mundschleim-
haut durch Glas gesichert ist, wird auf den zu untersuchenden,
durch Gummi’ isolierten Zahn gesetzt. Die verschiedensten Stadien
der Entzündung der Pulpa, das Stadium der beginnenden Hyperämie,
der Exsudation, des eiterigen Zerfalles lassen sich durch diese
Methode in einwandsfreier Weise feststellen. Nehmen wir an, dass
die normale Empfindlichkeit eines Zahnes bei 3,5 cm Rollendeckung
liegt, so ist derselbe Zahn bei Beginn der Entzündung im Zustand
der ersten Hyperämie schon bei 2,0 cm empfindlich. Wir nennen diesen
Zustand der beginnenden Entzündung die Irritation der Pulpa.
Der Schmerz bei irritierter Pulpa zeichnet sich dadurch aus,
dass er nur so lange anhält, als der Zahn der Wirkung des Stromes
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ändert: sich das Verhalten des Zahnes. gegenüber dem elektrischen i cae
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wird derselbe Zahn Jetzt. schon bet 1.0 om sich schmerzhaft, Aussern dec
— nimmt, a w à — eg SCC ka uud ët ` Am
350 Oskar Weski. [6
Bei dem dritten Stadium der Entzündung, das durch eiterigen
Gewebszerfall ausgezeichnet ist, ist die Empfindlichkeit des Zahnes
gegen den elektrischen Strom bedeutend herabgesetzt. Dieselbe
würde bei demselben Zahn erst bei 5 oder 6 cm Rollendeckung
auftreten, erst nach gewisser Einwirkung des Stromes einsetzen und
langsam nach Ausschaltung des Stromes abklingen. Entsprechend
den durch den elektrischen Strom exakt nachgewiesenen krankhaften
Vorgängen im Innern des Zahnes wird auch die einzuschlagende
Therapie eine verschiedene sein. Im Zustand der Pulpairritation wird
man versuchen, durch ableitende Fuss- und Handbäder und durch
schmerzstillende Einlagen die Empfindlichkeit herabzusetzen und die
Pulpa lebend zu erhalten. Sobald es sich jedoch um eine Pulpitis
im zweiten oder dritten Stadium handelt, ist die Ätzung der Pulpa durch
arsenige Säure die gegebene Therapie. Ist der Zahn selbst auf die
stärksten Ströme, die auf die Haut appliziert, äusserst starke Muskel-
zuckungen zur Folge haben, nicht mehr empfindlich, so wissen
wir mit Bestimmtheit, dass das Zahnmark ,abgestorben‘ ist. So
mancher Zahn, welcher äusserlich absolut intakt ist, keinerlei Ver-
färbung zeigt, beim Klopfen absolut nicht schmerzhaft ist, kann so
einer rechtzeitigen Therapie zugeführt werden, ehe sich aus der Pulpa-
gangrän die weiter unten zu schildernden Erkrankungen der Wurzel-
haut entwickeln. |
Abgesehen von diesen ausgesprochenen Entzündungserschei-
nungen des Zahnmarkes kónnen aber auch physiologische Ver-
änderungen desselben die Ursache schwerster neuralgischer Zustände
sein. Es sind das die als Dentikel bekannten Neubildungen der
Zahnpulpa. Wenn wir uns das normale Bild des Zahninneren vor
Augen führen, so erkennen wir als seine anatomische Besonderheit,
dass ein Weichgebilde, bestehend aus Bindegewebe mit schmerzemp-
findenden Nervenfasern reichlich ausgestattet und von zahlreichen
Gefässen durchzogen, von einer starren Wand rings umgeben ist;
durch die feine, an der Wurzelspitze befindliche Öffnung hindurch
vermitteln Nerven und Gefässe den Verkehr mit den Zentralorganen.
Wie wir wissen, tritt durch jedes Foramen apicale nur eine Arterie
hinein, so dass in den einwurzeligen Zähnen der kollaterale Kreislauf
fehlt, in den mehrwurzeligen wegen der völligen Abgeschlossenheit des
Zahnes sehr erschwert ist. Hieraus, den Verhältnissen der Organe
mit Endarterien, wie Niere, Grosshirn, nicht unähnlich, erwächst für
den normalen Ablauf der innerbalb der Pulpa sich abspielenden Lebens-
vorgänge eine grosse Gefahr. Jede vasomotorische Störung des
Körpers wird sich hier besonders geltend machen müssen. Kom-
pliziert werden diese Vorgänge besonders dann noch sein, wenn Ab-
7] Die moderne zahnärztl. Diagnostik im Dienste der Rhino- u. Otologie. 381
lagerungen der oben genannten Art im Zahnmark vorhanden sind.
Entweder finden sie sich als sandkorngrosse isolierte Kügelchen oder
sie haben sich an den engen Wänden der Wurzelkanäle derartig ab-
gelagert, dass eine fast völlige Verkalkung der Pulpa vorliegt.
Auf sie als die versteckte Ursache langwieriger Neuralgien muss
daher stets gefahndet werden. Hier setzt bereits bei sonst mangelnder
Ätiologie die Hilfe der Röntgenstrahlen ein. Man war bisher bei
diesen Zuständen lediglich auf die Vermutungsdiagnose angewiesen ;
denn es ist bekannt, dass Zähne mit stark abgekauten Kauflächen und
grossen Füllungen zur Dentikelbildung neigen und sie sich besonders bei
Personen mit starkem Knochenbau finden. Anstatt wie früher den ver-
dächtigten Zahn versuchsweise zu extrahieren, sind wir heute in der Lage,
uns durch eine Röntgenuntersuchung über das Verhalten des Zahn-
inneren ein klares Bild zu machen und durch Ätzung der ver-
kalkten Pulpa dem schmerzhaften Zustande ein Ende zu machen.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die heftigsten Gesichts-
neuralgien auch durch andere an sich nicht schmerzhafte Erkran-
kungen des Zahnes oder seiner Umgebung hervorgerufen werden
können. Vor allem sind es die Erkrankungen der Wurzelhaut, dann
die Hyperzementosen, Auftreibungen der dünnen Knochen-
schicht, welche die Zahnwurzel überzieht.
Weiterhin können retinierte Zähne, besonders hoch im
Kiefer steckende Weisheitszähne, welche in falscher Richtung durch-
brechen und gegen die Wurzel eines benachbarten Zahnes drücken,
zu langdauernden Neuralgien Veranlassung geben. Hier versagt die
allgemein übliche zahnärztliche Untersuchung völlig, und der nega-
tive Befund einer nicht mit Induktionsstrom und Röntgenapparat
vorgenommenen Untersuchung besagt in solchen Fàállen gar nichts’).
Wie in diesen Fällen nur die Röntgenstrahlen exakten Aufschluss
geben können, so sind sie vor allem berufen, bei den Erkrankungen
der Kieferhöhle die entscheidende Rolle zu spielen, sobald die Frage
zu entscheiden ist, ob Eiterungen der Kieferhöhle durch eventuelle
Zahnerkrankungen unterhalten werden. Die zahnärztliche Röntgeno-
graphie ist wohl der jüngste Zweig des Röntgenverfahrens und zeichnet
sich vor den in anderen Spezialgebieten üblichen Methoden durch
eine ganz besondere Einfachheit aus. Ein 25cm Induktor genügt
für unsere Zwecke völlig, da die Strahlen ja nur relativ geringe
1) Diejenigen Leser, welche diese Fragen näher interessieren, verweise ich
auf meine diesbezügl. Arbeiten: „Kritische Bemerkungen zur Ätiologie und
Diagnostik der dentalen Trigeminusneuralgie“. Korrespondenzblatt für Zahn-
ärzte 1910, H. 2 und „Kasuistischer Beitrag zur dentalen Trigeminusneuralgie.“
Korrespondenzblatt für Zahnärzte 1910, H. 3.
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11] Die moderne zahnärztl. Diagnostik im Dienste der Rhino- u. Otologie. 385
hältnisse gelegentlich von Empyemoperationen nachzuprüfen, wird die
vorherige Deutung der aus dieser Gegend gewonnenen Bilder eine
noch präzisere sein.
Wohl erkennen wir deutlich den unteren Rand der Kieferhöhle
in einer nach unten konvexen Linie sich von der Spongiosastruktur
des Knochens abheben. Wir werden bei fehlender Alveolarbucht
mit Bestimmtheit verneinen können, dass krankhafte Prozesse an
den Zähnen überhaupt als ein ursächliches Moment für Empyem in
Frage kommen; dort jedoch, wo die Alveolarbucht sich tief in das
Gebiet der Zahnwurzeln hineinsenkt, müssen wir zunächst versuchen,
uns über die gröberen topographischen Beziehungen der Zahnwurzeln
zur Kieferhöhle Klarheit zu verschaffen. Bei den Molaren gilt es
daher festzustellen, ob ihre drei Wurzeln gespreizt sind oder konisch
zusammenliegen. Im ersteren Falle umgreifen sie die tiefe Alveolar-
bucht, indem die palatinale Wurzel in der Innenwand, die beiden
buccalen Wurzeln in der Aussenwand der Kieferhöhle liegen. Sind
die Wurzeln dagegen nicht gespreizt, sondern stellen sie ein einheit-
liches konisch zugespitztes Gebilde dar, so werden sie naturgemäss
den Boden der sich tief in den Alveolarfortsatz hineinsenkenden
Kieferhöhle emporheben. Die Prämolarenwurzeln sind schlanke Ge-
bilde, welche zumeist in der Aussenwandung der Kieferhöhle liegen.
Da im Röntgenbilde bekanntlich die in verschiedener Höhe liegenden
Gebilde in einer Ebene projiziert erscheinen, so sehen wir sehr häufig
sowohl Molaren- wie Prämolarenwurzeln tief in die Kieferhöhle hinein-
ragen, welche de facto in deren Wandungen eingebettet sind (Fig 11).
Nach meinen Erfahrungen müssen wir besonders jenen Fällen unsere
Beachtung schenken, wo wir den Boden der Kieferhöhle unmittelbar
über die konisch zugespitzten Wurzeln der Molaren oder über die
der Prämolaren hinwegziehen sehen. Da kommt es dann vor allem
darauf an, festzustellen, ob das Periodontium, das die Zahnwurzel
umfasst, sich in deren ganzer Zirkumferenz besonders an der Wurzel-
spitze als einheitliche Linie verfolgen lässt. Überall dort, wo diese
Linie unterbrochen ist, wo die Konturen der Wurzeln nicht scharf
hervortreten, besteht der dringende Verdacht, dass eine Infektion
der Kieferhóhle durch den benachbarten Zahn erfolgt ist. Man wird
in solchen Fallen gut tun, ehe man zur Extraktion des Zahnes
schreitet, nach Einführung einer feinen Millernadel in den Wurzel-
kanal eine zweite Aufnahme zu machen, welche die oft bestehende
direkte Verbindung zwischen der Wurzelspitze und der Kieferhöhle
uns deutlich erkennen lässt. — Dass tief versteckte Wurzelreste,
welche trotz zahnärztlicher Untersuchung nicht festzustellen waren,
durch ein Röntgenbild als die Grundursache langwieriger Empyeme
leicht erkannt werden, beweist ein unten zitierter Fall.
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13] Die moderne zahnürztl. Diagnostik im Dienste der Rhino- u. Otologie. 387
Wie ich aus der Literatur ersehe, ist auch von seiten der
Rhino- und Otologen auf die Bedeutung moderner zahnärztlicher
Diagnostik für diese beiden Spezialgebiete hingewiesen worden.
Friedrich Müller berichtet in seiner Arbeit „Über dentale Neur-
algien, insbesondere über die dentale Otalgie^ (Zeitschr. f. Ohren-
heilkunde etc. 1909 H. 2 u. 3) über einen Fall jahrelanger Ohren-
schmerzen, welche durch einen gangránósen Zahn unterhalten wurden.
In diesem Falle war von verschiedenen Seiten bereits eine Therapie
vergeblich eingeleitet worden, schliesslich wurde die Aufmeisselung
des Warzenfortsatzes vorgenommen, ohne dass die Schmerzen ge-
schwunden würen. Erst die Entfernung des mit gangrünóser Pulpa
behafteten Zahnes nach vorheriger zahnürztlicher Diagnose brachte
Heilung. Müller sagt daher mit Recht (p. 144): ,Ich glaube, dass
aus dieser Krankengeschichte evident hervorgeht, wie wichtig es für
uns ist, dass wir wenigstens auf dem Gebiete der Diagnostik der
Zahnheilkunde beschlagen sind.^ Als Seitenstück hierzu móchte ich
auf die Ausführungen Henricis in seiner Arbeit: „Der Wert der
Röntgenaufnahmen zum Nachweis von Zahnerkrankungen bei Kiefer-
höhlenempyem“ (diese Zeitschrift Bd. 2, H. 1) hinweisen und mit
wenigen Worten der Frage näher treten: Inwieweit ist der Nasen-
oder Ohrenarzt imstande, die feineren Untersuchungen des Zahn-
systems selbst vorzunehmen.
Ich möchte zunächst betonen, dass selbst die einfachste Mani-
pulation an den Zähnen eine gewisse Handfertigkeit voraussetzt.
Schon die Feststellung eines selbst bis zur Pulpa reichenden Zahn-
defektes kann oft grosse Schwierigkeiten bereiten. Der Untersuchende
muss verstehen mit der Spritze, dem Spiegel, der Sonde im Munde
umzugehen, wobei die richtige Lagerung des Patienten von nicht zu
unterschätzender Bedeutung ist. Die Sensibilitätsprüfung der Zähne
mit Hilfe des Induktionsstroms bereitet natürlich dem Ungeübten
noch viel mehr Schwierigkeiten. Nur in seltenen Fällen, dort wo
die Zähne sehr weit voneinander getrennt stehen, darf die Unter-
suchung ohne Cofferdam vorgenommen werden, sonst ist Isolation
des zu untersuchenden Zahnes unbedingt geboten, wenn nicht der
Strom durch die Mundfeuchtigkeit auf das Zahnfleisch oder einen
Nachbarzahn geleitet werden soll; bekanntlich ist das Anlegen des
Cofferdam erst nach längerer Übung in einer den Patienten nicht
allzusehr belästigenden Weise möglich. Ich möchte daher die oben
aufgeworfene Frage dahin beantworten, dass der Nasen- oder Ohren-
arzt dort, wo der Verdacht auf dentale Neuralgie vorliegt, die dies-
bezügliche Untersuchung dem Zahnarzt überlässt, allerdings aus-
drücklich von ihm die Prüfung mit dem Induktionsstrom verlangen
388 Oskar Weski. [14
sol. Nur in vereinzelten Fallen, besonders bei getrennt stehenden
Zähnen, wird es auch dem in der Untersuchung des Zahnsystems
Ungeübten gelingen, durch Anlegen einer einfachen knopfartigen
Elektrode auf den Zahn sich davon zu überzeugen, ob dieser eine
„lebende“ oder „tote“ Pulpa in sich trägt.
Was die Röntgenuntersuchung der Zähne betrifft, so wies ich
schon eingangs darauf bin, dass Aufnahmen des ganzen Schädels so-
wohl in frontaler wie sagittaler Projektion keine Details des Zahn-
systems zeigen. Nur die Filmaufnahmen bieten sie. Und so geläufig
schliesslich dem darin Bewanderten die diesbezügliche Technik wird,
erleichtert durch die sehr bequeme Anordnung des Instrumentariums,
so erfordert die richtige Einstellung der Röhre, das schonende Ein-
führen des Films, die gleichzeitige Fixierung des Kopfes ein solches
Mass von Erfabrung und Geschicklichkeit, dass die zahnärztliche
Röntgenaufnahme nur in der Hand des Geübten ein den Patienten
nicht belästigendes Verfahren ist. Weiter ist zur Deutung der ge-
wonnenen Bilder genaue Kenntnis der Pathologie des Zahnsystems
unbedingt erforderlich. Wie in keinem andern Zweig der Röntgen-
diagnostik kommt es hier auf Erkennung von Detailverhältnissen und
richtige Bewertung feiner Strukturen an; es dürfte sich daher für
den Nasenarzt empfehlen, die Róntgenuntersuchung der Zähne immer
von einem auf diesem Gebiete erfahrenen Kollegen vornehmen zu lassen.
Erklárung der Bilder auf Tafel XIX und XX.
Figur 1. Aufnabme vom skelettiertcen Schädel. Tiefe Kieferbucht. Die
palatinale Wurzel des l. Molaren reicht scheinbar in die Kieferhóhle hinein, liegt
jedoch in der Jnnenwand eingebettet; die weisse Linie des (hier durch Mazeration
zerstörten) Periodontiums erkennbar, ebenso bei der Wurzelepitze der in der
Aussenwand der Kieferhöhle liegenden Wurzel des 1. Prüámolaren; die Wurzel-
spitze des 2. Prämolaren hebt den Boden der Kieferhöhle empor, liegt nicht in
den Seitenwänden der Kieferhöhle, daher das Periodontium nicht erkennbar.
Figur 2. Aufnahme vom skelettierten Schädel. Im 2. Molar — der erste
Molar extrahiert — in der Pulpakammer ein isolierter Dentikel.
Figur 3. Aufnahme vom Patienten. Die Pulpa des in der Mitte gelegenen
seitlichen Schneidezahns infolge wandständiger Dentikel fast ganz geschwunden.
Figur 4. Aufnahme vom Patienten. Auf der Höhe des 1. Molar senkt sich
ein fingerhutartiger Rezessus der Kieferhöble tief in den Alveolarfortsatz hinein
Die infolge Empyems notwendige Operation wurde von der Fossa canina aus vor
genommen. Trotzdem gelang es nur schwer den Rezessus auszukratzen.
15] Die moderne zahnürztl. Diagnostik im Dienste der Rhino- u. Otologie. 389
Figur 5. Aufnahme vom Patienten. Akute idiopatbische — nicht von den
Zähnen — ausgehende Osteomyelitis des Oberkiefers; zwischen der links gelegenen
Wurzelspitze des Eckzahns und den rechts liegenden beiden Wurzelspitzen des
1. Prämolaren der sich sequestrierende Knochen erkennbar. Patient erkrankte
unter heftigen Schmerzen und Schwellung der Wange. Die Pulpen der intakten
aber periostitisch empfindlichen Zähne zeigten schwache Reaktion ; die Zähne wurden
so locker, dass sie mit dem Finger hätten extrahiert werden können. Die Dia-
gnose der idiopathischen Osteomyelitis indizierte möglichste Schonung der Zähne
Therapie: Aufklappung und Auskratzung der Abszesshöhle ; die Pulpen der Zähne
wurden abgeäzt, die Kanäle gefüllt; heute sind die Zähne völlig fest.
Figur 6. Aufnahme vom Patienten. Alveolarbucht; der 2. Prämolar trägt
an der Wurzelspitze infolge marginaler Infektion ein Granulom;; die Wurzel liegt
in der Aussenwand der Kieferhöhle, ragt nur scheinbar in dieselbe.
Figur 7. Ein gleicher Fall.
Figur 8. Anfnahme vom Patienten. Der 2. Molar ist wurzelkrank — Auf-
hellung an der Wurzelspitze — die feine Millernadel dringt durch das Foramen
apicale in den Granulationsherd — die Kieferhöhle steht nicht in Kommunikation
mit ihm.
Figur 9. Aufnahme vom Patienten. Vor ca. 1'/s Jahren wegen Empyem
Eröffnung der Kieferhöhle von der Alveole aus. Seit dieser Zeit tägliche Aus-
spülungen. Akute Exazerbation des Empyems führt zur endonasalen Radikal-
operation — die Eiterung eistiert, stellt sich nach einiger Zeit in geringem Um-
fang wieder ein. Die Röntgenaufnahme zeigt einen Wurzelrest des 1. Molaren
dicht neben der noch offenen Kommunikation zwischen Alveole und Kieferhöhle;
nach Extraktion der Wurzel völlige Heilung.
Figur 10. Aufnahme vom Patienten. Vor mehreren Jahren wegen Kopf-
schmerzen und Eiterung aus der Nase an der Kieferhöhle von der Nase aus be-
handelt; im mittleren Nasengang Eiter. Durch eine feine der bisherigen zahn-
ärztlichen Untersuchung verborgen gebliebene Fistel des Zahnfleisches dringt die
Sonde durch eine Höhle in die Nase. Das Röntgenbild zeigt einen umfangreichen
fungösen Erweichungsherd, verursacht durch eine winzige Eckzahnwurzel.
Figur ll. Aufnahme vom Patienten. Patientin leidet seit ca. 8 Jahren an
heftigsten Neuralgien, die von verschiedenen Seiten mit keinem endgültigen Erfolg
behandelt wird; die elektrische Untersuchung zeigt, dass der linke obere 2. Molar
pulpatot ist. Die Röntgenaufnahme lässt erkennen, dass eine tiefe Kieferbucht
vorliegt — dass die konisch zugespitzten Wurzeln der Molaren in ihrer unmittel-
baren Nähe sich befinden und ihre Konturen — im Gegensatz zur Prämolaren-
wurzelspitze — verschwommen sind. Die Vermutung einer Infektion der Kiefer-
höhle war naheliegend und wurde bestärkt dadurch, dass nach Eröffnung des
Zahnes ein stinkender Faden aus einem Kanal entfernt wird. Die Millernadel
dringt nach Überwindung eines geringen Widerstandes leicht in die "Tiefe, wo-
durch ziehende Schmerzen hervorgerufen werden, so dass die gestellte Diaguose:
dentale Infektion der Kieferhöhle die richtige zu Sein scheint; eine zweite Avf-
nahme zeigt aber, dass die Millernadel sich nicht in einem Wurzelkanal und
nicht in der Kieferhóhle befindet; der Wattefaden war, da der betr. Zahnarzt die
Wurzelkanäle des Zahnes nicht hatte finden kónnen, in den spongiósen Knochen
nach kanalartiger Ausbohrung desselben gelegt worden; die Folge war eine chro-
nische Osteomyelitis, deren Sekrete sich zwischen Zahn und Zahnfleisch unmerk-
lich entleerten, so dass keinerlei subjektive Beschwerden auftraten. Die Neur-
algien, verursacht durch diesen Prozess, schwanden wenige Tage nach
Zeitaehrif für Laryngologie. Bd. Ill, H, 4. 27
390 Oskar Weski. [16
der Extraktion des Zahnes; eine Kommunikation der Alveole mit der Kiefer-
hóhle bestand nicht.
Figur 12a und 12b. Aufnahme vom Patienten. Patientin ist durch endo-
nasale Radikaloperation wegen Empyems behandelt worden; Eiterung besteht
weiter. Patientin trügt eine Brücke (festsitzenden Zahnersatz), dem der mit
Goldkronen versehene Eckzahn wie der 2. Prämolar als Stütze dienen. Da wegen
der Goldkappen eine Untersuchung mit dem Induktionsstrom nicht möglich ist,
vermag lediglich die Röntgenaufnahme die Frage zu entscheiden, ob die Zähne
mit der Kieferhöhle in Konnex stehen; Kieferbucht geringen Grades vorhanden.
Die Wurzelspitze des 2. Prämolaren reicht bis dicht zur Kieferhöhle heran, die
Konturen sind verschwommen. Nach Entfernung der Brücke wird aus der Pulpa-
höhle ein stinkender Wattefaden extrahiert; die Millernadel dringt obne Schwierig-
keit tief hinein. Fig. 16b zeigt, wie die Nadel in die Kieferhöhle hineinragt.
Der extrahierte Zahn zeigt eine scharf abgeschnittene Wurzelspitze; wahrschein-
lich ist dieselbe gelegentlich der oben erwähnten Operation abgemeisselt worden.
Figur 13. Aufnahme vom Patienten. Endonasale Radikaloperation wegen
chronischen Empyems. Die Eiterung bestand fort. Im Röntgenbilde sieht man
die konisch zusammengedrückten Wurzeln des 1. Molaren bis an die Kieferhöhle
reichen; die Wurzelspitze duıch Hyperzementosen als Ausdruck chronischer Ent-
zündung verdickt — erkennbar an der Periodontiumlinie; auf der Höhe der
Wurzelkappe ist die Linie unterbrochen, ebenso die die untere Begrenzung der
Kieferhóhle darstellende Linie. Nach Extraktion des Zahnes dringt die Sonde
leicht in die Kieferhóhle. Schnelle Ausheilung des Empyems.
Figur 14a und 14b. Aufnahme vom Patienten. Endonasale Radikaloperation
wegen chronischen Empyems der Kieferhóhle. Nach vorübergehender Besserung
Wiederauttreten der Eiterung. Patientin trägt ein Kautschukgebiss auf Wurzeln.
Der Alveolarfortsatz ist von grossen fungösen Herden völlig durchsetzt. Nach
Extraktion sämtlicher Wurzeln und des lockeren 2. Molaren dringt die Sonde
leicht in die Kieferhóhle hinein. (Figur 18 b.)
Figur 15a und 15b. Aufnahme vom Patienten. Patient kommt in De
handlung wegen ziehender Schmerzen im oberen 2, Molaren. Derselbe ist völlig
intakt; die buccalen Wurzeln liegen in geringem Umfang frei — die Pulpa er-
weist sich als irritiert — nicht entzündet. Beim Abheben der Wange entleert
sich zwischen Wurzel und Zahnfleisch dünnflüssiger Eiter; es lässt sich eine dünne
Sonde unter Schmerzen an dieser Stelle in die Höhe schieben. Die Sensibilitäts-
prüfung sämtlicher Zähne ergibt, dass die beiden seitlichen Schneidezähne des
Oberkiefers pulpatot sind. Auf Befragen gibt Patient an, vor 3 Jahren einen
Faustschlag ins Gesicht erhalten zu haben. Die Röntgenaufnahme zeigt eine
kolossale Zyste, welche den mittleren Schneidezahn umfassend bis zum 2. Molaren
reicht. (Die Figur 15 a und 15b aneinandergelegt, geben die Zyste in ihrem
ganzen Umfang wieder — nur die höher gelegenen Partien sind nicht mehr ge-
troffen.) Durch den Röntgenbefund erweist sich der Prozess als eine Radikulär-
zyste, welche in die Kieferhöhle hineingewachsen ist, dieselbe völlig ausfüllend.
Naclı Extraktion des 2. Molaren und des 2. Prämolaren und Abtragung des papier-
dünnen Knochens — Pergamentkaittern bestand nicht — ergiesst sich eine Un-
menge äusserst stark stinkenden Kiters. Der intakte seitliche Schneidezahn wird
trepaniert, der Pulpenkanal desinfiziert und mit Guttapercha abgefüllt; die Schleim-
haut oberhalb der Wurzelspitze sowie das Periost werden hochgeklappt und nach Ab-
tragung der erodierten Wurzelspitze die hier vorhandenen Granulationen ausge-
loffelt. Die Schleimhaut der Kieferhöhle ist entzündlich gerötet. Keine Sekretion.
17] Die moderne zahnärztl. Diagnostik im Dienste der Rhino- u. Otologie. 391
Patient erhält 2 Obturatoren, einen kleineren zum Verschluss des Fensters im
Knochen oberhalb der Wurzelspitze des seitlichen Inzisivus, einen grösseren zur
Deckung des durch Abtragung des Alveolarfortsatzes im Gebiet des Prämolaren
und Molaren geschaffenen Defektes. Der Eckzahn, der normale Pulpa enthält,
ist völlig fest. Interessant ist, dass derselbe Prozess an der Wurzelspitze des
anderen seitlichen Schneidezahns sich zu entwickeln beginnt; doch ist hier die
Zyste noch nicht in die Kieferhóhle hineingebrochen.
Figur 16. Aufnahme vom Patienten. Patientin kommt in Behandlung, da
sie ein etwa erbsengrosser blauer Fleck, zwischen dem seitlichen Schneidezahn
und Eckzahn des Oberkiefers auf dem Zahnfleisch gelegen, stórt. Schmerzen sind
nicht vorhanden; Patientin bemerkt den Fleck seit ca. !'/, Jahr. Der Knochen
ist im Umfange des blauen Flecks geschwunden. Darüber besteht eine leichte
Auftreibung des Alveolarfortsatzes ungefähr in Markstückgrósse. Bei stürkerem
Druck lässt sich der Knochen hier eindrücken — Pergamentknittern. Der Ver-
mutungsdiagnose: Zyste widerspricht das Röntgenbild. Auffallend ist die an den
Kronen nicht wahrnehmbare Divergenz der Wurzeln des Eckzahns und seitlichen
Schneidezahns; es sieht aus, als ob eine Gewalt dieselben auseinanderdrängte.
Entsprechend dem blauen Fleck ist ein scharf umgrenzter Defekt des Alveolar-
knochens sichtbar. Darüber nur durch eine schmale Spange von Knochensubstanz
getrennt eine Aufhellung im Knochen, welche lateralwärts in die Kieferhöhle
reicht; der Bezirk der Aufhellung zeigt aber — ebenso wie die Kieferhöhle —
eine gewisse Struktur. Die Aufklappung der Schleimhaut und Aufmeisselung des
Knochens lässt eine Höhle zutage tıeten, welche von bräunlich-roten Massen er-
füllt war; dieselben reichen in das Kavum der Kieferhöhle hinein. Die mikro-
skopische Untersuchung der ausgekratzten Massen lässt diese eigenartige Geschwulst
als Riesenzellensarkom erkennen; die Radikaloperation wird von anderer Seite
vorgenommen.
27°
II. Referate.
L Allgemeines, Geschichte usw.
232. 0. Chiari, Zum hundertsten Geburtstag Ludwig Tiircks.
Monatsschr. f. Ohrenheik. 7. 1910.
Am 22. Juli waren es 100 Jahre, dass Ludwig Türck in Wien
geboren wurde. 1836 zum Doktor promoviert wählte er zu seinem Lieb-
lingsstudium das Gebiet der Nervenkrankheiten, das er durch viele be-
deutende und grundlegende Arbeiten ausbaute.
Im Sommer des Jahres 1857 als Primararzt kam er auf die Idee,
das Kehlkopfinnere mit einem gestielten Spiegel zu untersuchen, ohne
von den Erfolgen Garcias im Jahre 1855 zu wissen. Er hat dann weiter-
bin die Laryngoskopie im edlen Wettstreit mit Czermak, dem das
grosse Verdienst gebūhrt, die Beleuchtung mit Hilfe eines Reflektors und
einer künstlichen Lichtquelle bewerkstelligt zu haben, zu klinischen und
diagnostischen Zwecken vervollkommt. Sippel, Würzburg.
233. Delavan, D. Bryson, New York, The Influence of the Use
of the Automobile upon the upper air passages. (Die oberen
Luftwege des Automobilisten.) Medical Record 1910. 1.
Vol. 78. Nr. 8.
Der erhóhte Luftdruck im Lungeninneren beim Sausen gegen den
Wind schädigt auf die Dauer die normale, besonders aber die emphyse-
matóse Lunge. Besonders schädlich sind die im Strassenstaube vor-
kommenden kleinen Insekten, Pflanzenreste und Pferdemistteilchen. Er-
kältung der oberen Luftwege ist besonders häufig, da Hals und Füsse
meist nicht genügend bedeckt sind und oft vom warmen Zimmer oder
überhitztem Zuge aus eine Automobilfahrt unternommen wird. Leichte
akute Erkrankungen der Nase, besonders der Nebenhöhlen werden zu
chronischen gemacht. Doch fand Autor oft subakute und chronische
Katarrhe, vasomotorischen Schnupfen, bronchiales Asthmas und beginnende
Lungenschwindsucht günstig beeinflusst. Doch hat Autor einen Fall,
wo eine latente Tuberkulose durch grosse Automobilfahrt manifest wurde.
Die amerikanischen Versicherungsgesellschaften betrachten den Automobil-
sport nicht als Erkrankungsfaktor der oberen Luftwege.
304 Referate. [2
Persónliche Vorsichtsmaseregeln, besonders Respiratore, gedlte Strassen,
wie Glasautomobile mit „Windschilden“ können fast alle Gefahr ent
fernen von einem Sport, der als solcher vom Arzte nur als gesundheits-
fördernd betrachtet werden kann. Otto Glogau, New York.
234. Dreuw, Berlin, Lichtträger mit chirurgischem Ansatz. Med.
Klin. 1910. 41.
Zur Verwendung bei den verschiedenen Körperöffnungen; ein weiteres
Glied in der fast überreichen Anzahl „selbstleuchtender“ Instrumente.
Ernst Seifert, Würzburg.
235. Edwards, Bournemouth, Die wachsenden Schwierigkeiten
der Diagnose von Diphtherieträgern. Practitioner. August 1910.
Der Gegenstand wird hier vom medizinischen Standpunkte der Sani- `
tátsoffiziere behandelt. Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass der mor-
phologisch unzweifelhafte Klebs-Löffler-Bazillus im Halse von Gesunden
vorhanden sein kann ohne ihn pathologisch zu affizieren und ohne Per-
sonen, die mit dem Tráger in Berührung kommen, zu infizieren. Ferner
kann der morphologisch unzweifelhafte Klebs-Löffler-Bazillus bei Fällen
von post-Diphtherie Patienten vorkommen, bei Ötorrhöen und Rhinor-
rhöen und bei Hauterkrankungen in demselben milden und harmlosen
Zustande Nachdem er Erklärungen in Betracht gezogen, wie verminderte
Virulenz der Bazillen und veränderte Widerstandskraft des Trägers, neigt
der Verfasser zu der Ansicht, dass obgleich morphologisch ähnlich, die
Bazillen in solchen Fällen nicht mit dem Diphtherie-Erreger identisch
sind. Er hofft, dass es den Bakteriologen bald möglich sein wird, den
jetzigen morphologisch unzweifelhaften Klebs-Löffler-Bazillus in Klassen
zu differenzieren, was uns ermöglichen würde, die Träger gewisser Klassen
als der öffentlichen Gesundheit insofern nicht schädlich anzusehen, als
ihre Bazillen nicht Diphtherie-Erreger sind. Guthrie, Liverpool.
236. Theodor S. Flatau, Laryngoskopie und hintere Rhino-
skopie bei geschlossenem Munde. Deutsche med. Wochenschr.
1910. Nr. 30. Bericht der Berl. otol. Ges.
Angeregt durch die Versuche Hays in New York und namentlich
durch die zystoskopischen Fortschritte Ringlebs hat Flatau einen
Apparat konstruiert, der in natürlicher Stellung der Teile eine laryngo-
skopische und rhino-pharyngoskopische Untersuchung mit grossem Ge-
sichtsfeld und mit ausserordentlicher Deutlichkeit gestattet. Weitere Be-
arbeitung stellt Flatau in Aussicht. Hirsch, Magdeburg.
237. W. Lamann, St. Petersburg, Zum ferneren Ausbau meiner
Theorie des oberen Schutzvorrichtungssystems: VIII. uber
den Zusammenhang zwischen der artikulierten menschlichen
Sprache und den Gesetzen der Peristaltik. Monatsschr. f.
Ohrenheilk. 7. 1910.
Aufbauend auf die von ihm aufgestellten Gesetze der Peristaltik
bringt Lamann folgende Definition für die artikulierte Sprache: Die
artikulierte Sprache stellt diejenige Art kooperativen Aktes der Peristaltik
des Respirations- und der des oberen Digestionstraktus dar, welcher durch
3] Referate. 395
die Unterdrückung des Antagonistengesetzes durch einen Willensimpuls
charakterisiert wird. Sippel, Würzburg.
238. A. Mori, L’Infezione difteriea nei lattanti. (Die diphtherische
Infektion der Säuglinge.) Il Morgagni. Nr. 17. 1910.
Der Bazillus lokalisiert sich mit Vorliebe in der Nase; die von ihm
verursachten Erscheinungen sind sehr ernst (Mortalität 38,30). In
verdächtigen Fällen muss die bakteriologische Untersuchung in Kraft
treten. Die schwerste Komplikation ist die Bronchopneumonie; die
Albuminurie wird weniger häufig bei Brustkindern als bei anderen
beobachtet. Es scheint auch, dass die Brustkinder eine grössere Wider-
standskraft den Toxinen gegenüber besitzen, weil von 23 an Diphtheritis
gestorbenen Säuglingen nur 4 Brustkinder waren. Menier.
239. H. K. Offerhaus, Groningen, Schmerzlose Operationen
im Gebiet des Gesichtsschädels und des Mundes unter
Leitungsanästhesie. Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 33.
Von den vom Verf. beschriebenen und erprobten Methoden zur Her-
stellung einer Leitungsanästhesie im Trigeminusgebiet verdient besonders
die Injektion von Kokain-Suprareninlösungen in den Stamm des 2. Astes
die Aufmerksamkeit der Rhinologen.
„Um den zweiten Ast zu erreichen, messe man vorher (mit dem vom
Verf. konstruierten Zirkel, Ref.) die Distanz zwischen der Mitte des einen
Jochbogens und der des anderen — die Distancia interzygomatica (a^ und
die Distanz zwischen dem Proc. alveolaris sup. hinter den letzten Back-
zähnen und an deren Innenseite — die Distancia interalveolaris interna (b/)
(diese Distanz ist gleich der Distanz zwischen den Foramina rotunda).
a ist also die Entfernung des 2. Trig.-Astes von der Oberfläche,
und bis zu dieser Tiefe muss man mit der Nadel an der oberen Seite
des Jochbogens in der Richtung der Linea interzygomatica eindringen
(oder an der Unterseite des Jochbogens, aber dann muss die Nadel ein
wenig nach oben gerichtet werden)“. Die Ergebnisse, die Verf. erzielt
hat, lauten sehr günstig. „Nach Verlauf von einer Viertel- bis Drei-
viertelstunde, je nachdem man in oder um den Nerven injiziert bat, jet
das ganze Verbreitungsgebiet vollständig analgetisch.“ Eine Stunde
vor der Operation erhält der Patient 15 mg Morphium und !/ mg Sco-
polamin subkutan. Hirsch, Magdeburg.
240. Derselbe, Schmerzlose Operationen im Gebiete des Gesichts-
schädels und des Mundes unter Leitungsanästhesie. Ned.
Tydschrift voor Geneeskunde. 18. Juni 1910.
Offerhaus hat durch Messungen an getrockneten Schädeln eine
einfache Methode gefunden, zur Injektion der Trigeminusäste, um bei
Neuralgien tiefe Alkoholininjektionen machen zu können. (Diese Methode
wurde ausführlich publiziert in derselben Zeitschrift vom 10. März 1910,
Nr. 12. Die Arbeit muss in Original gelesen werden, da sie nicht zum
Referat geeignet ist.)
Wenn die Trigeminusäste für Injektionen zu erreichen sind, muss
ihr ganzes Ausbreitungsgebiet durch Kokaininjektion unempfindlich zu
machen sein und in der Klinik von Prof. Koch in Groningen hat man
396 Referate. [4
die Kokaininjektion der Trigeminusáste versucht bei elf Operationen an
Kieferknochen und in der Mundhóhle.
Bei acht Fällen gab diese Leitungsanästhesie völlige Unempfindlich-
keit des Operationsgebietes, während man in drei Füllen durch besondere
Umstände schliesslich allgemeine Narkose macben musste.
Im Anfange wurden 2—2,5 gr 0,5°/o Kokain in physiol. Salz-
solution mit 1 Tropfen 1/1000 Suprarenin injiziert. Die Anästhesie trat
1/,—1!/s Stunde nach der Injektion auf und dauerte ungefähr eine Stunde.
Später wurde ®/s°/o Kokain gebraucht und dauerte die Analgesie viel
lünger, bei einem Patienten sogar 4 Stunden.
Als Beweis von vollkommener Analgesie erwähnt O fferhaus, dass
in zwei Fällen der Ramus mandibularis schmerzlos gefasst und durch-
geschnitten wurde.
In drei Fällen gelang die Injektion der Trigeminusäste nicht, ein
Mal durch grosse Nervosität der Patientin, welche allgemeine Narkose
verlangte.
Im zweiten Falle blieb die Analgesie aus und bei der Operation,
welche unter Chloroformnarkose geschah zeigte sich, dass das Karzinom
die ganze Fossa pterygomaxillaris ausfüllte und den Nervenast verdrängt
hatte. Auch im dritten Falle war der Ramus maxillaris von einem
Tumor verdrängt.
Die folgenden Operationen wurden nach der Methode von Offer-
haus schmerzlos gemacht:
22 cariöse Zähne und Backzähne wurden in zwei Sitzungen ent-
fernt bei einer Patientin von 41 Jahren.
Ein Karzinom der Mundschleimhaut und des rechten Processus
alveolaris breit entfernt mit Durchmeisselung des Processus alveolaris und
der Lamina externa pterygoidei bei einem 54jahrigen Manne.
Ein Karzinom der rechten Concha ethmoidalis bei einem 64 jährigen
Manne exstirpiert mit doppelseitiger temporärer Resektion des Oberkiefers
nach Kocher.
Ein Karzinom des rechten unteren Augenlides und der Orbita ent-
fernt bei einem Manne von 74 Jahren.
Ein perforierender Krebs der Wangenschleimhaut links auf den
Unterkiefer übergehend mit darunter liegenden Drüsenmetastasen entfernt
bei einem Manne von 70 Jahren mit Resektion eines Teils des Unter-
kiefers und Plastik der Zungenschleimhaut.
Rezidiv eines Karzinoms rechts mit Ausbreitung auf Ober-, Unter-
kiefer und in die Fossa temporalis operiert bei einem Manne von
55 Jahren mit Resektion des Oberkiefers, des Jochbogens, partieller Re-
sektion des Unterkiefers und breiter Umschneidung der Geschwulst aus
der Schläfengegend.
Radikaloperation des rechten Antrum Highmori wegen chronischer
Eiterung bei einem 17jährigen Mädchen.
Auch wurden 12 Patienten behandelt mit Injektion von 80°/o Alko-
hol wegen Neuralgien des Trigeminus.
In 10 Fällen wurden völlige Heilung erzielt, in einem Falle besserte
sich die Neuralgie bedeutend, während in einem Falle mit zentraler
Affektion die Injektionen keinen Erfolg hatten.
5] Referate. 397
241. H. Stern, Wien, Grundzüge der Pathologie und Therapie
der Sprachstörungen. Med. Klin. 1910. 41.
Eine orientierende Zusammenstellung der wichtigsten Sprachstórungen
mit Betonung der Átiologie. Die knappen therapeutischen Angaben werden
besonders dem Nichtspezialisten einen willkommenen Überblick geben.
Ernst Seifert, Würzburg.
2. Nase und Nebenhóhlen.
242. E. Baumgarten, Budapest, Sehstórungen, durch Affektionen
der Nase bedingt. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1910. IV. 9.
Verf, berichtet über 7 Fälle, bei denen seröse und eiterige Keilbein-
affektionen, bullöse Auftreibungen der mittleren Muschel und luetische
Ulzera die Ursache verschiedener akuter und chronischer Sehstörungen
war: Papillitis, Skotom, Amblyopie, sogar Erblindung. Durch Eröffnung
der vorderen Sphenoidalwand bzw. Entfernung der path. Veränderungen
im Cavum nasi wurden die Zirkulationsstörungen beseitigt und z. T.
glänzende Erfolge erzielt. Ernst Seifert, Würzburg.
243. Bourak, Über die Ausgleichung der eingesunkenen Nase
bei Kindern mittelst Paraffin. (De la restauration des
affaissements du nez chez les enfants par la paraftine
plastic.) Annales des maladies de l'oreille. Tome XXXVI.
Es scheint, dass bei Kindern die Einsenkung des Nasenrückens nicht
so selten ist, wie wir es im ersten Momente glauben würden. Wir denken,
wenn wir von Sattelnase, Lorgnettennase sprechen, immer an die Syphilis,
die allerdings bei Kindern ibren so sehr markierenden Stempel nicht so
bäufig aufdrückt als wie bei Erwachsenen. Traumen. Verbrennungen
osteomyelitische Prozesse aller Art, Ozäna können aber auch schon bei
Kindern das Nasengerüst hinreichend entstellen, dass bei den Eltern
dieser unglücklichen Patienten ein lebhaftes Reparationsbedürfnis erwacht.
Bourak hat in 9 Fällen bei Kindern derart zu intervenieren gehabt und
zwar waren die jüngsten seiner Patienten ein Mädchen von 3 und zwei
Mädchen von 6 Jahren.
Was die Technik anlangt, so verwendet Bourak natürlich nur
Hartparaffin, oder wie er sagt, ein Gemisch von Hart- und Weich-
paraffin, das zwischen 43 und 48° schmilzt. Er benutzt ein eigenes
Instrumentarium und zwar 1. einen kleinen Sterilisator für das Paraffin,
um ein so homogenes Gemisch wie móglich zu erhalten, 2. eine von ihm
ersonnene einfache Spritze bei Hoffmann Deonge in Charkow erhält-
lich, 3. einen Kompressor, der auf die Nase gelegt wird und bestimmt
ist, die Prothese die gegebene Form einhalten zu lassen.
Was diese Paraffinprothesen anlangt, so hat Bourak Gelegenheit ge-
habt, einen Teil derselben ungefähr 3 Wochen nach erfolgter Injektion
mikroskopisch zu untersuchen. Beim makroskopischen Anblick sah man
keine Spur von Paraffin mehr und überall zeigte sich, wie der Autor
sagt, „die tote Prothese ersetzt durch ein neugebildetee Bindegewebe.“
Diese Kombination ist sehr wichtig, da man Zweifel hegen könnte darüber,
ob die Prothese in so jugendlichem Alter gemacht, Schritt halten würde
mit dem späteren Wachstum der Nase. Dadurch, dass das Paraffin von
398 Referate. [6
lebendem Gewebe ersetzt wird, ist dies nicht zu befürchten. Was das
Detail der histologischen Untersuchung anlangt ist die Schilderung, die
Bourak von derselben macht, in wörtlicher Übersetzung folgende: „Man
sieht auf den Präparaten ein Netz von runden ovalen, und myelinartigen
Maschen (Alveolen, die nach Anstossung des Paraffins durch Xytol ent-
stehen) umgeben von einem dichten Haufen neu gebildeter Zellen von
rundem, spindelförmigem oder epithelialem Typus, untermischt mit Riesen-
zellen von 6 bis 10 Kernen, von denen die einen zentral, die anderen
peripheriewarts gelagert sind. Hie und da sieht man, namentlich um die
Riesenzellen, mikroskopische Teile von Paraffin angelagert. Einige der
Alveolen sind fast nur mit Riesenzellen gefüllt, an anderen Stellen kann
man aus der Schichtung der Riesenzellen nur das ursprüngliche Vor-
handensein der Alveolen mutmassen, während man endlich an einer
anderen Stelle sieht, wie die Alveole von neugebildeten Zellen geteilt wird.
Mit anderen Worten, man sieht wie überall sich ein neues Gewebe zu
bilden und zu organisieren beginnt. An einem anderen Präparat, 3 Monate
nach erfolgter Prothese herrührend, ist diese Armee von Zellen in junges
Bindegewebe verwandelt, während das Paraffin immer und mehr peri-
pherwärts verdrängt sich von Fibroblasten umgeben findet, die bald
ihrerseits sich in Fasergewebe umwandeln werden. Nur dort, wo das
Paraffin in grossen Klumpen abgelagert worden ist, hält es der Trans-
formationsarbeit des Organismus langsam Stand, weshalb es praktisch
angezeigt ist, das Paraffin nicht in grossen Klumpen unter die Haut
zu spritzen, sondern sie lieber in die Gewebsspalten in so dünner Form
wie nur möglich zu verteilen.
Es folgen hierauf in der Arbeit von Bourak einige Krankenge-
schichten, von denen die erste eben das 3 jährige Mädchen betrifft, das
infolge von Scharlach eine weitgehende Nekrose des Oberkieferknochens
durchgemacht hat, die mit grosser Verunstaltung des Gesichtes geheilt
ist, Bourak musste ein künstliches Nasenloch herstellen, fehlerhafte
Narben korrigieren und den eingesunkenen Nasenrücken mittels Paraffin
aufrichten, Das Endresultat scheint ein befriedigendes gewesen zu sein.
Eine Lorgnettennase bei einem 8jährigen Kinde infolge von hereditärer
Lues und eine Korrektion bei einem 13jährigen Knaben bilden die zwei
nächstfolgenden Falle, Merkwürdigerweise hat sich dort, wo gleichzeitig
Ozüna bestand, dieselbe nach Korrektur des eingesunkenen Nasenrückens
gebessert, wie z. B. bei eipem 14jährigen Mädchen, bei dem die Korrektur
wegen einer kongenitalen Defformitüt, offenbar echte Ozünanase gemacht
worden ist.
Einen Schaden an Gesundheit hat keiner der Patienten zu beklagen
gehabt, wenn auch die Möglichkeit vorhanden ist, dass ein Teil des
Paraffins in die Umgebung dringt und von da wieder herausgeholt werden
muss. Vorsicht und Übung werden die Fehler am besten verhindern.
Lautmann.
244. Alfred Braun, New York, A Case of Rhinoskleroma.
(Ein Fall von Rhinosklerom.) The Laryngoskope. 1910. V.2.
Bei einem 27 jährigen Italiener war die rechte Nasenhöhle von einer
traubenartigen, leicht blutenden Masse erfüllt, die zuerst mikroskopisch
als Lympho-Sarkom, später jedoch als Rhinosklerom diagnostiziert wurde.
Therapie: Radium. Otto Glogau, New York.
1] Referate. 399
245. H. Burger, Die Behandlung der Kieferzysten. Ned. Tyd-
schrift voor Geneeskunde. 11. Juni 1910.
Wahrend im allgemeinen die franzósischen Autoren bei der Operation
von Kieferzysten die ganze Wand zu entfernen suchen, wird in Deutsch-
land nach dem Beispiel von Partsch nur die Aussenwand entfernt.
In der Praxis werden die Zysten oft noch mit Auskratzen und
Atzen behandelt.
Burger empfiehlt bei grösseren Oberkieferzysten die Operation von
Partsch.
Die vóllige Entfernung der ganzen Kieferzyste ist meist unmóglich
und wenn die Zyste sich teilweise in die Oberkieferhóhle hinein ent-
wickelt hat, kann man bei der Exstirpation des Sackes die Kieferhöhle
öffnen und eine Eiterung hervorrufen.
Durch Auskratzen, Ätzen und nachher Ausfüllen der Zyste mit
Jodoformgaze kann schliesslich Heilung erreicht werden, aber die Be.
handlung fordert oft Monate und Jahre und ist sehr unangenehm.
Viel einfacher ist die Operation nach Partsch. Die Aussenwand
der Zyste wird entfernt und wenn an dem Rande der gemachten Öffnung
die Mundschleimhaut in Verbindung treten kann mit der Epithelbedeckung
der Zystenwand, folgt meist sehr bald Heilung und Aufhören der Se-
kretion. Die Zyste ist eine Einsenkung der Kieferwand geworden.
Burger gibt drei Krankengeschichten von von ihm operierten Fallen
und zwei von Fallen, welche von Dr. Campagne in Amsterdam be-
handelt sind.
In zwei Fallen befand sich die Zyste an der linken Seite, bei zwei
Männern von 29 und 65 Jahren und in den anderen drei Fällen rechts,
bei zwei weiblichen Patienten von 36 und 53 Jahren und bei einem
. 36jährigen Manne.
In allen Fällen waren die Zysten infiziert und entzündet, Gewöhn-
lich genügt die einfache Entfernung der äusseren Wand, aber wenn sich
bei der Operation zeigt, dass die innere Wand als ein grosser schlaffer
Sack die Oberkieferhöhle teilweise ausfüllt, ist ea besser diesen Sack zu
entfernen.
Die Operation kann in solchen Fällen, nach Entfernung des Sackes
beendigt werden auf dieselbe Weise, wie das geschieht bei der Operation
nach Luc-Caldwell, Drainage nach der Nase und primäre Ver-
schliessung der Schleimhautinzision in der Fossa canina.
Kan, Leiden.
246. Otto T. Freer, Chicago, Nasal Tuberculosis, two cases,
one involving the right ethmoidal bone, with recovery after
operation. (Zwei Fülle von Nasentuberkulose; erfolgreiche
Ausschaltung des tuberkulósen Herdes in den Ethmoidal-
zellen.) Annals of Ot. Rhin. and Larg. 1910. Nr. 1.
Lupus der Nasenschleimhaut tritt zur Pubertätszeit und fast nur bei
Frauen auf, bildet Granulation, Infiltration und bindegewebige Narbe, ist
oberflächlich, schreitet langsam vorwärts, greift häufig auf die äussere
Haut über und ruft selten Sekundärerscheinungen hervor.
Die eigentliche Nasentuberkulose tritt zwischen dem 25. und 60.
Lebensjahre, gleichmässig bei Männern und Frauen, auf.
400 Referate. [8
Sie ist selbst oft sekundär und hat, wenn primär, häufig sekundäre
Komplikationen und ist durch rasches Auftreten käsigen Zerfalles, Zer-
störung von Knorpel und Knochen charakterisiert.
Verf. unterscheidet folgende vier Unterabteilungen:
Tuberkulöses Geschwür,
Tuberkulöser Tumor,
Tuberkulöse Infiltration und
Proliferation von tuberkulösen Granulationen.
Des Verf. erster Fall betrifft ein 25jähriges Fräulein, das sich über
Verstopfung der rechten Nasenhälfte und schleimig eitrigen, geruchlosen
Nasenfluss beklagt. Untersuchung ergibt hahnenkammartige Leiste blass-
roter Granulationen, in der Höhe der mittleren Muschel am Septum ent-
lang den Choanen zu strebend, Rhinoskopia posterior zeigt unregel-
mässige, haselnussgrosse, oberflächlich geschwürige Geschwulst, in die das
hintere Ende der mittleren Muschel einbezogen. Diese Geschwulst wird
mittels winkligem Messer, die Masse am Septum und ebenso die ganze
mittlere Muschel mittels scharfer Instrumente entfernt. Mikroskopische
Untersuchung: Zahlreiche Riesenzellen. Keine Tuberkelbazillen.
Nach einigen Wochen bilden sich Krusten und polypöse Granu-
lationen an der Operationsstelle der mittleren Muschel. Nochmalige
gründliche operative Reinigung. Nach einigen Monaten erneuert sich die
Granulationsbildung, diesmal deutlich auf die Ethmoidalzellen deutend.
Die ganze Ethmoidalkapsel wird mittelst speziellen winkligen Meisseln
von den Laminae cribrosa und papyracea gelöst und ausgeschält; in ihr
sind Tuberkelbazillen nachweisbar. Zwei Jahre nachher noch kein
Rückfall.
Der zweite Fall ist eine beiderseitige Nasenverstossung und Schwel-
lung der &áusseren Nase bei einer 50jáhrigen Frau. Anamnese und :
Lungenbefund negativ. Am Septum beiderseitig unregelmässige Schwel-
lungen, teilweise fungöse Granulationen mit oberflächlichen käsigen Ge-
schwüren, auf die unteren Muscheln übergreifend und Adhäsionen bildend.
Die äussere Nasenschwellung ist durch Verbreiterung des knorpeligen
Septums bedingt. Exzidiertes Stück weist Tuberkelbazillen und Riesen-
zellen auf. Da Radikaloperation nicht mehr ratsam, wird Obstruktion
durch Wegschneiden der Granulationen behoben und Tuberkulininjektion
vorgenommen. Patient zwei Monate beschwerdenfrei, kam nicht mehr
zurück. Ausführliche Literatur beschliesst diesen interessanten Bericht,
in dem Ref. nur die Ausmeisselung der Ethmoidalkapsel als zu gefähr-
lich erscheint, um als nachahmenswert empfohlen zu werden.
Otto Glogau, New York.
247. E. E. Foster, New Bedford, Intranasal measurments which
indicate that palatal expansion increases the width of the
nasal fossae. (Vergrösserung des Nasenhöhlenraumes durch
Dehnung des Gaumenbogens.) Annals of Ot. Rhin. and Larg.
1910. Nr. 1.
Unregelmässigkeiten in Gaumenwölbung und Zahnwuchs sind ge-
wöhnlich mit ungenügender Nasenatmung verbunden und können ent-
weder die Ursache oder Folge der letzteren sein. Durch spezielle In-
etrumente wurden zahlreiche Nasenhóhlen vor und nach der orthodentisti-
9] Referate. 401
schen Behandlung des Gaumenbogens gemessen und so die im Titel auf-
gestellte Behauptung bewiesen. Otto Glogau, New York.
248. Halle, Das Ansaugen der Nasenflügel und seine operative
Beseitigung. Arch. f. Lar., Bd. 23. H.3.
Vgl. das Ref. über den gleichnamigen Vortrag in der Berl. lar.
Ges, Bd. III, S. 182 d. Ztschr. Arth. Meyer.
249. Halle, Berlin, Orale oder nasale Methode der Operation an
der Nasenscheidewand. Monatsschr. f. Ohrenhetlk. 7. 1910.
Verfasser wendet sich gegen die orale Operationsmethode Loewes
zugunsten der nasalen Eingriffe und nennt dieses Verfahren einen un-
nötig grossen und durch die dabei unumgänglich längere Narkose nicht
ungefährlichen Eingriff, Berechtigung habe die orale Methode nur in den
überaus seltenen Fällen, wo bei Kindern bis zu etwa 4 Jahren eine
Operation an der Nasenscheidewand sich als unvermeidbar erweist. Bei
grossen plastischen Operationen oder bei Entfernung maligner Tumoren
aus der Nase könne die Methode unter Umständen mit grossem Nutzen
Anwendung finden. Dagegen sei mangelnde Technik eher eine Kontra-
indikation als eine Indikation. Sippel, Würzburg.
250. A. Heermann, Kassel. Ein neues Instrument zur Nasen-
massage. Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 27.
Das einfache Instrument stellt einen vorn abgeplatteten Glasstab
dar, der den Vorzug der Glátte und Reizlosigkeit beim Gebrauch besitzt.
Hirsch, Magdeburg.
251. Hosch, Unsere Erfolge der Radikaloperationen der Sinusitis
frontalis. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. LXI. H. 3 u. 4.
Bericht über die Resultate von 34 Füllen von Stirnhóhlenradikal-
operationen, welche von 1898 bis Eude 1909 an der oto-laryngologischen
Klinik in Basel ausgeführt wurden. Ortel, Dresden.
252. E. Fletcher Ingals, Chicago, Intranasal Drainage of the
Frontal Sinus. (Freier Abfluss des Stirnhóhleneiters in die
Nase.) The Laryngoskope 1910. Nr. 2.
In die Stirnhöhle wird eine Stahlsonde eingeführt; über die letztere
wird eine in der Mitte durchlochte Drillvorrichtung geschlüpft, die den
Ductus nasofrontalis auf 6 mm erweitert. In den so erweiterten Kanal
wird eine Kanüle gebracht, die zufolge ihrer Konstruktion nicht heraus-
fallen kann und gewöhnlich 4 Monate an Ort und Stelle gelassen wird.
Diese Methode soll in 95°/o aller chronischen und in der Mehrheit
aller akuten Fälle am Platze sein, vorausgeseizt, dass vorher das
vordere Ende der mittleren Muscheln entfernt und ein Röntgenbild ge-
nommen worden ist. Otto Glogau, New-York.
253. Lake, London, Chlorkalzium bei Rhinorrhöe. Brit. Med.
Journ. 9. Juli 1910.
In der Voraussetzung, dass Rhinorrhöe auf anormale Beschaffenheit
des Blutes zurückzuführen ist, hat der Verfasser in den letzten zwei
Jahren in diesen Fällen während zwei Wochen jeden Tag 2—2,5 g
402 Referate. [10
Chlorkalzium gegeben. Mit kaum einer Ausnahme hörte die Rhinorrhoe
vollständig auf. Dazwischen kehrte sie nach einer langen Zwischenzeit
wieder, verschwand aber wieder nach der Behandlung. In keinem Falle
reagierte die Rhinorrhoe auf die Behandlung hin gar nicht, obgleich der
eine Fall sehr schwer zu behandeln war. Der Verfasser hat keinen Ver-
such gemacht, die Pathologie des Zustandes zu erläutern, aber er ist der
Meinung, dass das im Blute enthaltene Chlorid der ursächliche Faktor
sein könnte. Guthrie, Liverpool.
251. Masip, Pólipos hemorrágieos de las Fosas Nasales. (Über
die blutenden Polypen der Nasenhöhle.) Revista de Ciencias
médicas de Barcelona. Juli 1910.
Nach Erörterung der verschiedenen Symptome: Starke Blutungen,
schnelles Wachstum der Tumoren, Gutartigkeit, häufiges Vorkommen beim
weiblichen Geschlecht (und bei Schwangeren Frauen) studiert Verfasser
die Lokalisation der Neubildungen am vorderen Teile der Nasenhöhle
und speziell auf dem Septum. Er beschreibt zwei eigene Fälle, die er
operierte. Für den Eingriff zieht er die kalte Schlinge der glühenden
vor, weil die Rezidive mit der ersteren seltener sein sollen. Falls eine
ziemlich lang dauernde postoperative Blutung entsteht, kauterisiert er,
aber nur in diesem Falle, die Implantationsstelle des Tumors. Citelli
nimmt, um Rezidive zu verhindern, seine Zuflucht zur Auskratzung.
Menier.
255. Dan Mackenzie, London, Schleimpolypen der Nase und
ihre Behandlung. Practitioner. August 1910.
In bezug auf die Atiologie der Nasenpolypen berichtet der Verfasser
über die verschiedenen Theorien, welche vorgebracht wurden und dass
seine Ansicht die ist, dass ein Polyp das Resultat von übermässigem
Ödem der Schleimhaut ist, veranlasst durch Störung der venösen- und
Lymphzirkulation bei Entzündungen und, dass die mittlerd Muschel und
die Siebbeinregion am meisten zur Bildung von Polypen neigen, auf
Grund gewisser anatomischer Eigentümlichkeiten, welche dem Vorkommen
dieses übermässigem Ödems günstig sind. Er findet es nötig, um Rück-
fällen vorzubeugen, bei der grossen Mehrheit der Fälle, den katarrhali-
schen sowohl, ala auch den eiterigen, das ganze polypoid entartete Ge-
biet zu entfernen und findet, dass es am besten durch Kurrettage des
Siebbeins geschieht, die zuerst durch Lambert Lack eingeführt wurde.
Durch diese Operation, die er hier eingehend beschreibt, hat der Ver-
fasser äusserst zufriedenstellende Resultate erzielt, Er möchte die Radi-
kaloperation nach Killian auf die geringe Anzahl von Fällen be-
schränkt wissen, bei welchen nach regelmässigen Spülungen keine An-
zeichen bemerkbar sind, dass die Eiterung des Sinus geringer wird und
die Polypentwickelung trotz Kurrettierens fortbesteht.
Guthrie, Liverpool.
256. Dan Mackenzie, London, Dermatitis des Naseneinganges,
wahrscheinlich durch Menthol verursacht. Journ. of Laryngo-
logy. Vol. XXV. Nr. 6.
Der Verfasser fand, dass ein bestimmter Nasenspray bei einer An-
zahl von Patienten ein fast akutes Ekzem der Haut des Naseneinganges
11] Referate. 408
und der Oberlippe hervorrief. Es wurde Rötung der Haut mit etwas
Infiltration, sowie Platzen der Haut beobachtet, zugleich mit Exudation
eines serósen Ausflusses.
Der Spray bestand aus folgendem:
Menthol 2'/2%o; Kampher 2'/2°/o; Chloretone 1%; Ol. cin-
ammonii 1°/o in flüssigem Paraffin. — Nachdem jedes der Ingredentien
für sich versucht worden war, kam man zu dem Resultat, dass der Fehler
darin lag, dass das prozentuale Verhältnis von Menthol zu gross war,
während man Grund zur Annahme hatte, dass das Ol. cinammonii in der
Stärke von 1 °/o auch leicht irritierend war. Eine Reduktion des Menthols
auf eine Stärke von 1°/o und des Ol. cinammonii auf !/4?/o erwies sich
als befriedigend. | Guthrie, Liverpool.
257. P. J. Mink, Paradentüre Zysten (Zahnwurzelzysten). Ned.
Tydschrift voor Geneeskunde. 28. Mai 1910.
Bei einem 25jährigen Mädchen entdeckte Mink an der rechten
Wange eine Schwellung, welche sich so langsam und schmerzlos ent-
wickelte, dass die Patientin sie kaum gemerkt hatte. Bei Druek konnte
Pergamentknistern gefühlt werden.
Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Zahnzyste wurde befestigt durch
Punktion in der Cingivo-labialfalte, wobei eine trübe, seröse, leicht fötide
Flüssigkeit zum Vorschein kam. Bei der Palpation mit der Sonde konnte
Mink feststellen, dass die Zyste sich im hinteren Teil der Oberkiefer-
höhle entwickelt hatte.
Bei der rhinoskopischen Untersuchung wurden keine Abweichungen
gefunden.
Patientin verweigerte eine radikale Operation, nur wurden einige
krankhafte Molares entfernt und dabei bildete sich eine breite Öffnung
nach der Zyste.
Von hier aus wurde die Höhle mit Weasserstoffsuperoxyd gereinigt.
Es wurde versucht die Zyste von der Öffnung aus zu exstirpieren, aber
das gelang nicht.
Durch Kürettieren, Ätzen mit verschiedenen Causticis und Einreiben
mit Jodtinktur gelang es Mink nach einer Behandlung von mehreren
Monaten die Sekretion zu beendigen, nachdem auch mit gutem Erfolg
heisser Dampf angewendet war.
Mink glaubt durch seine Behandlung eine bleibende Heilung er-
reicht zu haben, die Wand der Höhle hat ihren Charakter als sezernierende
Membran verloren und die Höhle kann später durch eine Plastik ge-
schlossen werden. Kan, Leiden.
258. Pfeiffer, Frankfurt a. M., Rüntgenographische Darstellung
der Keilbeinhöhlen. Arch. f. Laryng. XXIII. H. 3).
Zur Darstellung der Keilbeinhöhlen, die bisher das Stiefkind der
Röntgenographie gewesen sind, schlägt Pfeiffer Aufnahmen in senk-
rechter Richtung vor, indem entweder die Röhre auf dem Scheitel und
die Kassette in der Regio submentalis liegt oder umgekehrt. Pfeiffer
betrachtet die Methode als Ergänzung der transversalen Röntgenographie
und der klinischen Methoden Arth. Meyer.
404 Referate. | | (12
259, 0. Piffl, Prag, Über nasale Reflexneurosen. Med. Klin.
35. 1910.
Die Abhandlung. disponiert nach der sehr zweckmässigen Einteilung der
Reflexneurosen von Jurasz, gibt une für die erste Gruppe, zu welcher
als bekannteste Formen das Asthma bronchiale, der Reflexhusten, der
Glottiskrampf, Pharynxkranıpf gehören, einige sehr interessante Beispiele
von-Choanalatresie verbunden mit sekretorischen Anomalien der betreffen-
den Gesichtshalfte. In einem anderen Falle handelt es sich um Ver-
legung beider Nasenhöhlen durch hochgradige Schwellung der Nasen-
schleimhaut die eine unbezwingliche Schlafsucht nach sich zog. Bei der
zweiten Gruppe, bei der sowohl Anfangs- als Endpunkt des Reflexbogens
in der Nase liegt, ist vor allem die Coryza nervosa zu nennen. Die
dritte Gruppe bei der im Gegensatz zur ersten der Endpunkt des Reflex-
bogens in der Nase liegt, bilden hauptsächlich die Beziehungen zwischen .
Nase und Genitalapparat. Sippel, Würzburg.
260. Scheier, Berlin, Über das Vorkommen von Zühnen in der
Nasenhóhle. Arch. f. Laryng. XXIII. H. 3.
Demonstration eines Patienten und 3er Schädel, welche aberrierte
Zähne in der Nase aufweisen. Wenig bekannt dürfte die von Scheier
zitierte Beschreibung sein, welche Goethe von einem Präparat, das diese
Anomalie enthielt, gegeben hat. Sie findet sich in seinen Berichten über
eine Reise in die Schweiz vom 6. Sept. 1797. Arthur Meyer.
261. Skillern, Ross Hall, Philadelphia, A discussion of the
various inflammations of the ethmoid Bone as advanced by
Uffenorde in his work „Die Erkrankungen des Siebbeins“.
(Uber Uffenorde's Auffassung der Siebbeinerkrankungen.)
Annals of Ot. Rhin. and Laryng. 1910. Nr. 1.
Die Entzündung des Siebbeins ist akut, chronisch hyperplastisch
(mit Polyposis) oder chronisch suppurativ.
Die hyperplastische Ethmoiditis entsteht durch dauernde Reizung der
Schleimhaut, jedoch ohne Infektion, deren Auftreten Empyem hervorruft.
Nach „Infraktion“ der mittleren Muschel kann stets Entzündung
des Siebbeins (zuerst an den Basalzellen auftretend) diagnostiziert werden.
Rhinorrhoe ist durch hyperplastische Rhinitis hervorgerufen.
Typische suppurative Ethmoiditis geht ohne Polyposis, einfache hyper-
plastische Entzündung ohne Eiterfluss einher; dieser kommt nur durch
Reizung und Infektion zustande. (Leider sind in dem Artikel die wunder-
schönen Präparate nicht reproduziert, die Verf. am heurigen Kongress
des A. M. A. in St. Louis zeigte. Ref.)
Otto Glogau, New York.
262. Stein, Otto J., Chicago, A Rapid and thorough Method
of opening into the Maxillary Antrum in selected ,,chronic*
cases. (Eine rasche und gründliche Eröffnungsweise der
Kieferhöhle.) The Laryngoskope 1910. Nr. 2.
Ein Instrument mit \/ förmiger Schneide, das mit Leichtigkeit die
ganze nasale Kieferhöhlenwand, die untere Muschel einbegriffen, in einem
Stücke entfernen kann.
13] Referate. 405
Indikation: Polypen, Granulationen, Zysten, Cholesteatoma, Lues und
maligne Geschwülste der Kieferhóhle. Otto Glogau, New York.
263. Tapia, Cuerpo extrano de la region superciliar simulando
una sinusitis frontal. Revista de Medicina y Cirugia practicas
de Madrid. 21. Febr. 1910. Nr. 1. 111.
20jähriger Kranker, welcher alle Zeichen einer eitrigen Erkrankung
der Stirnhóhle darbot. Bei der Operation zeigte sich, dass die Stirn-
höhle selbst intakt war und dass oberhalb des Knochens ein Abszess
sich befand, der einige Gerstenkórner enthielt. Der Kranke hatte vor
einiger Zeit einen Unfall dadurch erlitten, dass er auf einem Wagen
sitzend, mit dem er gerstengefüllte Sücke transportierte, mit diesem Wagen
umgestürzt war und dabei eine Stirnverletzung davongetragen hatte.
Stein, Wiesbaden.
264. G. Tiefenthal, Freiburg i. B., Totale Aplasie einer Nasen-
hälfte. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1910. XLIV. 9.
Beschreibung einer Hemmungsmissbildung der rechten Nasenseite
mit Einschluss der Nebenhóhlen und des Tränennasengangs. Ob allein
das Eintreten einer Atresie im fótalen Leben zur ätiologischen Erklärung
ausreicht, scheint dem Ref. zweifelhaft. Ernst Seifert, Würzburg.
265. & Trautmann, München, Nasendestruktionen infolge Er-
krankungen des Septum mit besonderer Berücksichtigung
der Hümatome und Abszesse. Arch. f. Laryng. Bd. 23. H.3.
Eine ausführliche Darstellung aller krankhaften Prozesse am Septum,
welche Zerstörungen der inneren und äusseren Nase herbeiführen können,
unter sorgfältiger Berücksichtigung der Literatur. Tuberkulose, Syphilis,
Rhinosklerom werden nur eben erwähnt. Das eigentliche Gebiet wird ein-
geteilt in 1. Propagierte Septumprozesse, die von Zähnen, Neben-
höhlen etc. fortgeleitet sind; 2. Posttraumatische Hämatome und
Abszesse; 3. hämorrhagische, seröse eitrige, ulzeröse und nekrotische Pro-
zesse im Gefolge akuter Infektionskrankheiten; 4. spontane
Hámatome, seróse Perichondritiden, akute Abszesse des Septum. Mehrere
eigene Fälle werden mitgeteilt. Arth. Meyer.
266. Voislawsky, Antonius und Braun Alfred, New York.
A Case of squamous Celled Epithelioma of the Antrum of
Highmore. (Ein Fall von Pflasterzellen-Epitheliom der
Kieferhöhle.) The Laryngoskope 1910. Nr. 2.
37jähriger Mann. Linke Nasenhöhle verstopft, Eiterfluss, Polypen.
Links Exophtbalmus, Verdrängung nach vorne und oben, Doppelsehen.
Ödem und Empfindlichkeit des linken Oberkiefers.
Der Eiter kommt aus der linken Stirnhóhle. Funktion des linken
Antrums negativ. Killian-Operation links. Eröffnung des Antrums
von der Fossa canina aus, es zeigt eine weiche Tumormasse, die sich
mikroskopisch als Pflaster-Zellen-Epitbeliom erweist.
Von einer radikalen Abtragung des linken Oberkiefers wurde Ab-
stand genommen, da sich das Gewebe der linken Wange bereits infiltriert
zeigte. Otto Glogau, New York.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. IIT, H. 4. 28
406 Referate. [14
267. Waxham, F. E., Denver, Diseases of the Accessory Sinuses
causing oeular symptoms. (Augensymptome bei Nebenhühlen-
erkrankungen.) The Laryngoskope 1910. Nr. 2.
Anführung der einschlägigen Literatur. Autors Fall:
Die rechte Nasenhöhle der 17jährigen Patientin war von einer
grossen Masse erfüllt, die sich mikroskopisch als eine Mischung von
Lymphangiomaca vernosum und Hamangioma hypertrophicum herausstellt.
Nach Entfernung der Geschwulst verschwanden die Augensymptome,
nämlich Hervorstehen und Auswärtsdrehung des rechten Auges, sowie
Verminderung des Sehvermógens. Augensymptome, besonders zentrale
Skotoma fübren, falla der intranasale Befund negativ ist, per exclusionem
zur Diagnose von Nebenhóhlenerkrankungen.
Otto Glogau, New York.
3. Rachen.
268. Bachhammer, Einiges über Tonsillitis und ihre Beziehungen
zu anderen Erkrankungen. Arch. f. Laryng. Bd. 23, H. 3.
Die Beziehungen zwischen Anginen, Abszessen der Mandeln zur
Sepsis, zum Gelenkrheumatismus, zu Erkrankungen des Herzens, der
Lunge, der Niere, endlich zur Appendieitis werden studiert auf Grund
von 37 Sektionsbefunden. Verf. empfiehlt eine prophylaktische „Ton-
sillartherapie.“ Arth. Meyer.
269. Cutore, Di un ramo faringeo del ganglio sottomascellare
del uomo. (Uber einen pharyngealen Ast des submaxillüren
Ganglions beim Menschen.) Rivista italiana di Neuropathologia.
August 1910.
Verfasser fand ein Nervenüstchen das von hinterer Flüche des Gan-
glions ausgehend bis zum Musculus glosso-staphylinus (Zungengaumen-
muskel) verfolgt werden kann, an welchen es Abzweigungen abgibt,
weiterhin kann man es bis zum Constrictor superior pharyngis verfolgen;
es geht durch diesen Muskel von innen nach aussen und dringt in die
Fossa pterygo-pharyngea ein; dann verláuft es, immer Zweige abgebend,
von unten nach oben bis zur Schädelbasis. Dieser Befund wurde bei
10 Leichen von Erwachsenen erhoben. Menier.
270. Damman, Berlin, Tonsillare Therapie und Prophylaxe.
Arel Viertreljahrs- Rundschau. 1. Okt. 1910.
Verf. berichtet über gute Erfolge der Bergmannschen „Hals-
kaupastillen*; ihre Anwendung empfiehlt er zur Behandlung von Angina
und chronischem Rachenkatarrh, sowie zur Prophylaxe bei Tonsillitis mit
Gelenkrheumatismus. Ernst Seifert, Würzburg.
271. Kyle, John J., The Rôle of Otology and Rhinology in
Preventive Medicine. (Die prophylaktische Aufgabe der
Ohren- und Nasenheilkunde.) Journ. A. M. A. 6. August 1910.
Eine Ausschälung der entzündeten Tonsille soll in jedem Fall von
beginnender Lungenschwindsucht vorgenommen werden. Mandelentzündung
kann verantwortlich sein für Rheumatismus, Endokarditis, Meningitis,
Nephritis und Appendizitis. Entfernung der entzündlichen adenoiden
Wucherungen verhindert das Auftreten von Infektionskrankheiten, Balnes
Husten, Sydenhams Chorea und fortschreitender Taubheit. |
Otto Glogau, New York.
15] | Referate. 407
272. R. Krämer, Wien, Über das Vorkommen von Anginen bei
der Anwendung von Tuberkulinpräparaten. Wien. klin.
Wochenschr. 1910. 40.
Unter 70 mit spez. Subkutaninjektion behandelten Fällen traten
16 mal fieberhafte Anginen auf. Da Zufall unwahrscheinlich ist, so
denkt Verf. an eine Herdreaktion, deren physiologische Erklärung in-
dessen Schwierigkeiten macht. Ernst Seifert, Würzburg.
273. Rethi, Zur Frage der vollständigen Entfernung der Gaumen-
mandeln (Tonsillektomie). Wien. med. Wochenschr. 1910.
Nr. 28.
Es gibt Fälle, in denen die neuerdings in Aufnahme gekommene
Tonsillektomie durchaus indiziert ist, so bei immer wiederkehrenden Ent-
zündungen, die durch Resektion oder Schlitzung nicht zu heilen sind,
oder in den Fällen, in denen Gelenkrheumatismus oder septische Pro-
zesse von den Mandeln ausgehen und energisches Einschreiten erfordern.
Jedenfalls ist nur auf strenge Indikation hin zu operieren. Während die
partielle Entfernung der Mandeln noch nie nachweisbar die Singstimme
schädigte, beobachtete Verf. zwei Fälle, hoffnungsvolle Gesangsschülerinnen,
die nach Tonsillektomie, vielleicht durch Bildung von störenden Narben,
die Singstimme verloren. ^. M. Levy, Charlottenburg.
274. Rolleston, London, Vincent's Angina. Brit. Journ. of
Childrens Diseases. Vol. XII. Nr. 19.
Dieser Bericht stützt sich auf die Untersuchung von 32 Füllen der
Krankheit, welche im Verlaufe von 5 Jahren im Fieberhospital beobachtet
wurden. Die Resultate, zu denen der Verfasser gekommen, sind folgende:
1. Vinzent’s Angina ist eine ungewöhnliche Krankheit, welche in
0,9?/o von allen Fällen von Halsentzündung und in 4,9°/o der Fälle
von nicht diphtherischer Angina vorkommt.
2. Während einer Zeit der Beobachtung von 5 Jabren, in einem
Hospital, in dem jedes Alter vertreten war, zeigte sich die Krankheit auf
Kinder im Alter von 2—16 Jahren beschränkt.
3. Wurde kein Fall von Contagiosität beobachtet.
4. Die Krankheitsfälle traten am häufigsten im Frühjahr, am wenig-
sten im Herbst auf.
5. Man hat nicht beobachtet, dass schwächliche Kinder, oder Fälle
mit Mundsepsis besonders dazu neigten.
6. Es zeigt sich nichts Charakteristisches in den Prodromal-Sym-
ptomen.
7. Es gibt nicht zwei ausgesprochene verschiedene Stadien der Krank-
heit; das ulzeröse ist nur ein späteres Stadium der membranösen Form,
8. Konstitutionelle Symptome sind gering, oder fehlen ganz, aber
die lokale Erkrankung ist ausgesprochener, als bei der Diphtherie.
9. Eine Verbindung mit anderen Krankheiten ist selten.
10. Die Prognose ist günstig. Komplikationen sind selten und ge-
wöhnlich nicht von Bedeutung.
11. Die Behandlung besteht in lokaler Anwendung von Jodtinktur
oder Methylen-Blau-Pulver. Innere Verabfolgung von Medikamenten ist
gewöhnlich nicht nötig. Guthrie, Liverpool.
28*
408 Referate. [16
275. Ein statistischer Beitrag zur Diphtherie-Sterblichkeit.
Aus dem vor kurzem erschienenen 31. Jahrgang des Statistischen
Jahrbuches für das Deutsche Reich (Berlin 1910) ist zu entnehmen, dass
im Jahre 1908, bis zu welcbem in diesem Band die statistischen Daten
reichen, in den deutschen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern die
Zahl der Todesfälle an Diphtherie und Krupp nicht nur absolut, sondern
auch relativ gegen das Vorjahr und den Durchschnitt der Jahre 1902
bis 1906 gestiegen ist. Im Durchschnitt der Jahre 1902—1906 starben
jährlich in den deutschen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern
4747 Individuen an Diphtherie und Krupp, im Jahre 1907 5076 und
im Jahre 1908 5625, also eine nicht unerhebliche Steigerung gegen das
Vorjahr. Von 100000 Einwohnern starben in den deutschen Orten mit
15000 und mehr Einwohnern im Durchschnitt der Jahre 1905/1906
jährlich 24,1, im Jahre 1907 23,4 und im Jahre 1908 25,1 an Diphtherie
und Krupp. Es ist also trotz der auf die segensreiche Entdeckung des
Diphtherie-Heilserums durch v. Behring zurückzuführenden enormen
absoluten Abnahme der Todesfälle an Diphtherie und Krupp (z. B. im
Jahresdurchschnitt des Jahrfünfts 1882—1886 11119 Todesfälle und
122,3 Todesfälle auf 100000 Einwohner) in den letzten Jahren wieder
eine unverkennbare Zunahme der absoluten und relativen Zahl der Todes-
fälle an Diphtherie und Krupp in den deutschen Orten mit 15000 und
mehr Einwohnern zu konstatieren. Fritz Loeb, München.
276. Erich Reuss, Über Angina als Infektionskrankheit, ins-
besondere als Ursache der Endokarditis, Inaug.-Diss. Giessen
1910. 30 Seiten.
1. Die Angina ist eine akute, durch Bakterien hervorgerufene In-
fektionskrankheit von unzweifelhaft kantagiösem Charakter.
2. Sie vermag, namentlich bei jugendlichen Individuen, Organer-
krankungen der verschiedensten Art nach sich zu ziehen: Polyarthritis,
Nephritis, Endokarditis, Sepsis, Appendizitis.
3. Es sind in Rücksicht darauf in Krankenanstalten sämtliche
Anginapatienten aus der Gemeinschaft mit anderen Patienten zu ent-
fernen und zu isolieren. Fritz Loeb, München.
277. Wilhelm Steffen, Neukirchen, Beitrag zur Kenntnis
der Wirkungsweise des v. Belhringschen Heilserums bei
Diphtherie. Inaug.-Diss. Giessen 1910. 15 8.
Von 89 an Diphtherie erkrankten und mit Behringschen Serum
behandelten Fällen starben nur 2, während von 5 in der gleichen Zeit
nicht mit Heilserum behandelten Fällen 3 starben. Von 411 Personen,
Angehörigen von Diphtheriekranken, erkrankten nur 16 in ausserordent-
lich milder Form. Fritz Loeb, München.
278. G. C. Bolten, Doppelseitige Posticus- und Accessorius-
lähmung nach Erhängungsversuch. Ned. Tydschrift voor
Geneeskunde. 27. Augustus 1910.
Seit sehr lange wird die Frage bearbeitet, woher die motorischen
Fasern des Vagus stammen, Hat der Vagus einen eigenen motorischen
Kern oder gehen die motorischen Fasern für die Larynxmuskulatur vom
Accessorius aus?
17] Referate. 400
In den letzten Jahren meinen verschiedene Untersucher, wie Gross-
mann, Grabower, Navratil und Onodi, durch Tierversuche ge-
zeigt zu haben, dass der Nervus accessorius nichts tut für die Inner-
vation der Kehlkopfmuskeln und Oppenheim meint, dass die motori-
schen Fasern für den Larynx aus dem mittleren Vaguskern stammen.
Dr. Bolten hat einen Fall beobachtet, der einigen Zweifel entstehen
lässt, ob der Nervus accessorius wirklich nichts zu schaffen hat mit der
Larynxinnervation.
Ein 53jähriger Mann wurde im April 1910 bewusstlos in das
Krankenhaus in Haag gebracht. Am nächsten Tag ist Patient compos.
mentis, aber er weiss sich nichts zu erinnern. Am selben Tag bekommt
er plötzlich starke Atemnot und musste die Tracheotomie gemacht werden.
Sehr bald nach der Tracheotomie entdeckte der Laryngologe eine doppel-
seitige Postikuslihmung. Aus Striemen am Halse und durch Nachfragen
in der Wohnung des Patienten konnte festgestellt werden, dass er am
vorigen Tage einen Versuch gemacht hatte, sich zu erhüngen, aber das
Seil zerriss und der Patient wurde bewusstlos am Boden gefunden.
Es wurde eifrig nach Ursachen der Postikuslähmung gesucht, aber
im Thorax wurden keine Abweichungen gefunden, auch nicht auf einer
Róntgenphotographie.
Als der Patient soweit wieder hergestellt war, dass er nicht mehr
im Bette zu liegen brauchte, zeigte sich, dass er beide Arme nur wenig
heben konnte und in beiden Musculi cucullares war starke Muskelatrophie
eingetreten,
Bei faradischer und galvanischer Reizung reagierten die Mm. cucul-
lares nicht, die Mm. sternocleidomastoidei nur sehr wenig. Der Nervus
accessorius Willisii zeigte beiderseits fast völlige Entartungsreaktion.
Durch Behandlung mit Faradisation und Massage heilte die Neuritis
langsam, so dass im Juli beide Postizi fast wieder hergestellt waren und
die Lahmung der Mm. cucullares und Sternocleidomastoidei war viel
besser.
In diesem Falle bestand eine totale Lahmung von beiden Nervi
accessorii mit beginnender Lahmung der Nervi recurrentes vagi.
Bolten meint, dass hier eine Druckneuritis des Nervus accessorius
bestanden hat, welche auch die Postikuslihmung zur Folge gehabt hat,
weil die Postikuslahmung das einzigste Vagussymptom war und Druck-
lähmung der Rekurrentes allein völlig auszuschliessen ist. Bolten
zitiert zwei ähnliche Fälle von Lermoyez und Laborde.
Kan, Leiden.
279. Portela, Curebilidad y tratamiento del e tuberculosis
laringea. (Behandlung und Heilbarkeit der Kehlkopfs-
tuberkulose.) Revista ibero-americana de Ciencias médicas.
September 1910.
Zusammenfassender Vortrag der vom Verfasser am 3. spanischen
oto-rhino-laryngologischen Kongress gehalten wurde. Er berücksichtigt
die modernen Arbeiten und die jetzigen Behandlungsmethoden, welche
die Therapie der Affektion umgestaltet haben. Menier.
410 Referate. [18
280. H. Burger, Kehlkopfluftsiicke beim Menschen, Ned. Tyd-
schrift voor Geneeskunde. 24. September 1910.
Ein 12jahriger Junge zeigte sich in Burgers Poliklinik mit
Husten und Asthma. Am Tage vorher traten beim Husten plötzlich
heftige Schmerzen auf und links am Halse entstand eine Schwellung,
welche wieder verschwand und sich jedesmal beim Husten und Pressen
wieder zeigte.
Die Schwellung ist gespannt und schmerzlos und die Stimme ist
normal.
Bei der Laryngoskopie sind keine Abnormalitäten zu sehen, doch
verschliessen die Taschenbänder beim Husten den Luftweg ganz.
Der Perkussionston der Schwellung ist matt und bei der Auskultation
werden verschiedene Geräusche gehört, welche nicht genau zu be-
stimmen sind.
Die Diagnose wird gestellt auf Laryngozele ausgehend von dem
rechten Ventriculus Morgagni. Es ist hier ein angeborener Luftsack,
welche sich bei einem heftigen Hustenanfall zum ersten Male entfaltet .
hat und sich hei jeder Luftdruckerhöhung wieder anfülll. Die bei
lebenden Menschen und an Leichen gefundenen Luftsäcke lassen zwei
Typen zu sehen, endolaryngeale und äussere Luftsäcke, während auch
beide Typen vereint wahrgenommen sind.
Ungefähr alle bei Menschen wahrgenommenen Luftsäcke gehen vom
Ventriculus Morgagni aus. Bei den endolaryngealen Luftsäcken findet
man eine Ausstülpung der Membrana quadrangularis, welche einer Zyste
sehr ähnlich ist.
Die äusseren Luftsäcke sind dünnwandige, au der Innenseite mit
Epithel bekleidete Säcke, welche mit einem Stiel, der die Membrana hyo-
thyreoidea durchbricht, mit dem Ventriculua Morgagni in Verbindung
stehen.
Burger beschreibt auch einen Larynx, welcher einer Leiche im
anatomischen Institut in Amsterdam entnommen wurde und an welchem
beiderseits ein mit Epithel ausgekleideter, hohler Stiel zu sehen war,
der, von dem Ventriculus Morgagni ausgehend, die Membrana hyo-
thyreoidea durchbohrte und 1 cm lateral von der Membrana durch-
schnitten war. Als die Abnormalität entdeckt wurde, war die Leiche,
welche ohne Zweifel die Luftsücke am Halse enthielt, nicht mehr zur
Verfügung. Man hat die Luftsäcke für atavistische Organe gehalten,
das Analogon der Luftsäcke der Affen.
Burger meint, dass die inwendigen Luftsäcke durch zufällige ana-
tomische oder pathologische Umstände später entstehen, dass aber die
äusseren Luftsäcke, welche mit ihrem Stiel die Membrana thyreo-hyoidea
durchbrechen immer angeboren sind.
Der Sack kann aber sehr gut viel später beim Husten mit Luft
gefüllt werden, wie auch in einem Falle von Herhold geschah.
Zum Schluss bespricht Burger die Luftsäcke der Affen und einige
in der Literatur veröffentlichte Fälle von Musehold, Cohen-Ter-
vaert und Kan, welche er nicht als teromorphe Varietät betrachtet.
Bei seinem Falle achtet Burger die Operation nicht für notwendig,
für inwendige Luftsäcke aber wird die Exstirpation wohl fast immer an-
gezeigt sein. Kan, Leiden.
19] Referate. 411
281. Collie und Barwell, London, Ein Fall von eitriger
Perichonditis des Larynx im Verlaufe von akuter Pneumonie;
Heilung. Lancet. Juli 23. 1910.
Der Fall ist von besonderem Interesse wegen der Seltenheit von
laryngealen Komplikationen im Verlaufe von akuter Pneumonie. Der
Patient war ein Mann von 28 Jahren, der an Anfallen von typischer
Lobär-Pneumonie litt. Er wurde mit Pneumokokken-Vakzine behandelt
und die Krisis trat ein, nachdem er fünf Tage unter Beobachtung des
Verfassers gestanden. 14 Tage später entwickelte sich ein Abszess in
Verbindung mit der rechten Tonsille. Nach Entleerung des Eiters ging
die Schwellung des Rachens allmählich zurück, aber eine schmerzhafte,
bräunliche Anschwellung zeigte sich am Halse von beiden Seiten des
Zungenbeins, des Larynx und der Trachea, auf der rechten Seite mehr
hervortretend. Der rechte Augknorpel war stark geschwollen und das
rechte Stimmband stand in Abduktionsstellung und mehr nach aussen als
in der gewöhnlichen Kadaverstellung. Später nahm die äussere, wie auch
die innere Anschwellung an Umfang zu und als die Dyspnoe bedroh-
lich wurde, machte man in die äussere Anschwellung einen Einschnitt
über dem rechten Flügel des Schilddknorpels. Die Gewebe waren in
ein gleichformiges hartes Oedem gehüllt, es fand sich aber kein Eiter.
Eine in dieser Zeit vorgenommene Untersuchung des Kehlkopfes zeigte
keine Eiterung. Einige Stunden nach der Operation aber wurde eine
Menge Eiter ausgebustet mit sofortiger Erleichterung der Dyspnoe. Es
trat dann in der Tat Heilung ein und als der Patient das Hospital
verliess hatte der Larynx ein ganz normales Aussehen und die Bewe-
gungen der Stimmbänder waren tadellos. Guthrie, Liverpool.
282. Dagnini, Sopra un caso di fonazione ispiratoria. (Über
einen Fall von inspiratorischer Phonation.) Bwullettino delle
Scienze Mediche. September 1910.
Der betreffende Patient zeigt eine vollständige Dissoziation zwischen
der Tátigkeit der Glottisschliesser und derjenigen der Ausatmungsmuskeln,
welche die Stimmritze in Schwingungen setzen sollten; dagegen, existiert
ein Synchronismus der Funktion zwischen zwei Muskelgruppen die von-
einander unabhängig wirken müssten d. h. zwischen den Glottisschliesser
und den Einatmungsmuskeln. Wenn der Patient einen Laut von sich
geben will werden die Stimmbänder einander genähert und angespannt;
aber ihre schwingende Bewegung wird durch eine oder mehrere In-
spirationen verursacht.
Der Zustand trat im Anschluss an eine Rhinitis auf. Es ist keine
Simulation im Spiel. Kurven wurden aufgenommen. Menier.
283. Leslie Davis, Philadelphia, Laryngeal Neoplasms (Kehl-
kopfgesehwülste). The Laryngoskop. 1910. Nr. 4.
Längerandauernde akute Heiserkeit erfordert genaue Kehlkopfunter-
suchung. Chronische Heiserkeit bei älteren Individuen ist Alarmsignal
für Krebs. Nur in diesem „Vorstadium“ ist sichere Heilung durch Ra-
dikaloperation möglich. Jedes gutartige Neugebilde muss sofort gründ-
lich entfernt werden, da es durch den chronischen Reiz Krebs hervor-
rufen kann,
412 "Referate. [20
Bei Individuen, die über die mittleren Jahre hinaus sind, muss jede
Kehlkopfgeschwulst als bösartig betrachtet werden, solange nicht das
Gegenteil erwiesen ist. Im Frühstadium ist Laryngotomie oder Laryng-
ektomie, bei Unheilbarkeit immerhin noch Tracheotomie am Platze.
Róntgenesierung, Serumbehandlung und Morphium sind gute Neben-
behelfe. Otto Glogau, New York.
284. Ebstein, Erich, Zur Schweigebehandlung der Kehlkopf-
tuberkulose. Therap. Monatshefte. XXIV. Jahrg. 1910. Mai.
S. 228 ff.
_ Sehr interessante, auf eingehenden historischen Studien beruhende
Übersicht. Hierzu Lublinski, W., daselbst. Juni S. 365. Bl.
285. Hal Foster, Report of two unusual and interesting cases
of acute edema of the larynx. The Laryngoscope XX. Nr. 2.
February 1910.
Foster berichtet über zwei Fälle von „Kehlkopfödem“ oder vielmehr
von mit Serum gefüllten Blasen (bleb) im Larynx, die er durch In-
zision entleerte und dadurch zur Heilung brachte.
In dem ersten Falle war die Affektion veranlasst durch den Stich
eines Insektes (Yellow Jacket, ein bienenartiges in Europa angeblich
nicht vorkommendes Tier) das bei hastigem Trunke in den Hals gelangt
war, im zweiten Falle soll die Affektion entstanden sein, durch den Ein-
fluss grosser Kälte. P. Heymann.
286. J. W. Gleitsmann, Cordectomy for bilateral abductor
paralysis with Demonstration of specimen. The Laryngo-
scope XX. Nr. 4. 1910. April.
Gleitsmann halt die Cordektomie fir eine empfehlenswerte Opera-
tion in den Fallen von kompletter doppelseitiger Abduktorlahmung, wenn
keine Aussicht besteht, dass der zugrunde liegende Prozess und somit
die Lähmung eine Besserung erfahren könne. — Die Exzision der
Stimmbänder müsse aber eine vollständige sein, vom vorderen Ansatz bis
zum Processus vocalis, der event. mit herausgenommen werden müsse. Es
sei Gewicht darauf zu legen ganz scharf schneidende Instrumente zu be-
nützen, damit das Gewebe nicht gequetscht und malträtiert werde, wo-
durch das Auftreten von Granulationen und Narbenzug begünstigt werde.
Bei der jedenfalls unsicheren Aussicht des Verfahrens hàált er die Zu-
stimmung des Patienten, dem die Verháltnisse klar gelegt werden müssen,
für notwendig. — Er belegt seine Ansicht durch einen Bericht über
einen Fall, in dem etwa 4 Wochen volle Freiheit der Atmung bestand,
dann traten Granulationen auf, die endolaryngeal entfernt wurden; dieser
Eingriff machte wiederum die Atmung frei. Etwa 1 Woche danach starb
der Patient an einer akuten Pneumonie. Die Ursache der Lähmung war,
dass Patient in den Kreis eines elektrischen Stromes von 220 Volt ge-
raten war; die Obduktion konnte aber eine sichtbare Läsion des Ge-
hirnes etc. nicht nachweisen. Gleitmann meint aber, dass im Bulbus
doch feine nicht nachweisbare Verletzungen vorhanden gewesen sein
müssen, P. Heymann.
21] Referate. 413
287. A.da Gradi, Pavia, Sul decorso della tubercolosi laringea
nei casi di tisi polmonare curati con il Pneumotorace arti-
ficiale. (Über den Verlauf der Kehlkopftuberkulose bei den
mit künstlichem Pneumothorax behandelten Schwindsucht-
fällen.) Gazzetita medica italiana. 21. Juli 1910.
Drei Fälle bewiesen, dass eine ausgedebnte und schwere tuberkulöse
Laryngitis, welche die Lungentuberkulose begleitet, in ihrem Verlauf ge-
hemmt werden und sogar (in einem Falle) zu einer scheinbaren Heilung
gelangen kann, mit Hilfe der gewóhnlichen Behandlung, wenn der
Pneumothorax eine klinische Heilung der Lungenphünomene bewirkt.
(Heilung des Hustens, Verschwinden des Auswurfs und der Bazillen,
Wiederherstellung des früheren guten Allgemeinzustandes).
Menier.
288. Hollinger J., Chicago, The Larynx of Mycetes Seniculus.
(Der Kehlkopf des Heul-Affen.) Annals. of Ot. Rhin. u. Lar.
1910 Nr. 1.
Das Hyoid bildet einen grossen knöchernen Resonator, der mit dem
trichterfórmigen Thyroid verbunden ist. Ein komplizierter Apparat im
Keblkopf ermöglicht das Vorbeistreichen der Luft hinter der Epiglottis
(ruhiges Atmen) oder Einziehen derselben in den Resonator (Heulen).
Otto Glogau, New York.
289. Howarth, London, Schmerzlinderung bei Tuberkulose des
Larynx. Practitioner. August. 1910.
Der Verfasser gibt einen Überblick über die verschiedenen Methoden
der Erleichterung, die uns zur Verfügung stehen, bei Husten, Dysphagie
und Schmerzen bei laryngealer Tuberkulose. Er hat Biers Methode
der Stauungs-Hyperämie von bedeutendem Werte gefunden und seiner
Ansicht nach sind auch chirurgische Massnahmen von grosser Bedeutung,
wie Amputation der Epiglottis, selbst in den späten Stadien der Krank-
heit, Bei vorgeschrittenen Fällen findet er eine Injektion von Alkohol
in den oberen Kehlkopfnerv von Nutzen, obgleich die Periode der An-
algesie bis jetzt sehr variiert hat. Guthrie, Liverpool.
290. 0. Laubi, Zürich, Nochmals die psychogenen Sprach-
stórungen.
H. Gutzmann, Berlin, Nochmals die psychogenen Sprach-
stürungen. Monatsschr. f. d. ges. Sprachheilk. 1910. Juli—Sept.
Polemik über den rein psychogenen Ursprung des aphatischen Stot-
terns, die im Grund auf Anerkennung (Laubi) und Ablehnung (Gutz-
mann) der Freudschen Neurosenlehre beruht, also auf Gegensätzen,
die bis jetzt noch nie ausgeglichen werden konnten.
Ernst Seifert, Würzburg.
291. Nicolai, Cannule da iutubazione laringeale, corte, trian-
golari. (Kurze, dreieekige Intubationskaniilen.) Gazzetta
degli ospedali, 4. September 1910.
Verfasser hat kurze dreieckige Intubationskanülen erdacht, die dem
Larynx besser angepasst sind; er gibt auch ein Instrument an, durch
dessen Gebrauch die Einführung leichter geschieht. Menier.
414 Referate. (22
292. Schmiegelow, Klinische Beiträge zur Pathologie des
Kehlkopfkrebses. Arch. für Laryng. XXIII. H. 3.
Schmiegelow bespricht seine Erfahrungen von 48 Fallen. Unter
den Kranken waren nur 8 Frauen. Nur 3 waren unter 40 Jahren, ?/s
zwischen 50 und 70. Die Diagnose und die Schwierigkeiten speziell der
Unterscheidung von Tuberkulose wird besprochen, die Wichtigkeit der
histologischen Untersuchung, trotz ihrer Fehlerquellen betont. Der häufigste
Sitz sind die Stimmbänder. Bei rechtzeitiger Operation geben namentlich
gestielte und Stimmbandkrebse ganz gute Prognose. 5 Fälle wurden
endolaryngeal operiert mit 1 Heilung, 3 Rezidiven nach 1!/» bis 7 Jahren,
1 Exitus an Ur&ámie. 20 wurden thyreotomiert mit 10 Heilungen; von
9 partiellen oder totalen Resektionen wurde nur 1mal Heiluug erreicht.
Die Thyreotomie bàlt Verf. für die beste Operationsmethode, wo sie
anwendbar ist. Arthur Meyer.
293. A. Sikkel, Ein Fall von Vago-Akzessoriuslihmung. Ned.
Tydschrift voor Geneeskunde. 24. Sept. 1910.
Ein 40 jähriger Patient hat vor 4 Tagen links im Halse Stechen
gespürt. Drei Tage spüter, 1 Tag vor der Untersuchung, sprach er sehr
nasal und hatte grosse Mühe beim Schlucken.
Bei der Untersuchung zeigt sich, dass der weiche Gaumen links ge-
lähmt ist, auch die Pharynxmuskulatur. Die Stimmbänder bewegen sich
normal. Der Pharynx und der Larynx sind katarrhalisch entzündet.
Am nächsten Tage fühlt der Patient sich sehr krank, das Schlucken
geht immer schwerer. Drei Tage später bemerkt der Patient, dass er
heiser geworden ist, das Sprechen ermüdet sehr und bei der Laryngo-
skopie wird entdeckt, dass das linke Stimmband unbeweglich in Hyper-
abduktion steht. Bei der Sondeuntersuchung ist das Gefühl und die
Reflexerregbarkeit beiderseits normal.
Der Patient hat Schmerzen links im Halse und bei Druck ist links
zwischen dem oberen Schildknorpelrande und dem Zungenbein eine sehr
schmerzhafte Stelle.
Der Musculus sternocleidomastoideus und der obere Rand des Mus-
culus cucullaris sind bei Berührung ebenfalls sehr schmerzhaft. Der
linke Arm kann nur schwer gehoben werden.
Der Katarrh der Schleimhaut hat sich verschlimmert. Die Tempera-
tur ist jedoch nur sehr wenig erhöht. Schliesslich wird das Allgemein-
befinden besser und der Katarrh heilt, aber die Lähmungen sind noch
anwesend.
Die Stimmbandlähmung geht am ersten zurück. Drei Wochen nach
den ersten Erscheinungen werden bei der Phonation einige Vibrationen
in der linken Seitenwand des Larynx wahrgenommen und das Stimm-
band kommt immer mehr zum Vorschein, um 8 Tage später die Median-
linie zu erreichen.
Auch die Gaumen- und anderen Lähmungen besserten sich und in
5 Monaten ist der Patient ganz geheilt.
Die Frage wirft sich auf, ob man in diesem Falle von einer Vago-
Akzessoriusläihmung sprechen kann. Nach den Untersuchungen von
Grabower besteht keine gemeinschaftliche Vago-Akzessoriuskerngruppe
und der Vaguskern besteht aus einem sensiblen und einem motorischen
— — — er
3| Referate. 415
Teil. Wenn das Grabowersche Gesetz richtig ist, muss man für die
Erklärung einer gleichzeitigen Lähmung von Larynx-, Gaumen- und
Nackenmuskulatur nach einer Stelle suchen, wo der Vagus und der
Akzessorius einander sehr nahe liegen.
In dem Foramen jugulare ist das der Fall und verlaufen beide
Nerven in einer gemeinschaftlichen Scheide.
Sikkel meint, dass die Infektion von dem Pharynx aus aufge-
stiegen ist nach einem Punkte von dem aus der Vagus und der Akzes-
sorius getroffen sind, so dass die Stimmbandlühmung, die Neuralgie in
dem Gebiete des Nervus laryngeus sup. und die Láhmung der Nacken-
muskulatur entstehen musste.
Sehr wichtig ist in diesem Falle der Stand des linken Stimmbandes,
abweichend von dem Gesetze von Rosenbach-Semon.
Das Stimmband stand unbeweglich in Hyperabduktion, einer Po-
sition, welche Sikkel allein zu erklären weiss aus einer Lähmung von
allen Adduktoren durch Affektion des Nervus recurrens und wobei allein
der Musculus posticus verschont ist und seinen Tonus behalten hat,
kombiniert mit Lähmung des Musculus cricothyreoideus, welcher von dem
Nervus laryngeus superior innerviert wird.
Wenn der Nervus recurrens durchschnitten wird und das Stimm-
band steht in Kadaverposition, gibt die Durchschneidung des Musculus
cricothyreoideus nach Burger keine nennenswerte Auswürtsbewegung
des Stimmbandes. Für eine Hyperabduktion, wie in diesem Falle be-
stand, ist aber notwendig, dass der Abduktortonus durch Defekt der
übrigen Muskeln, freies Spiel hat.
Die erhaltene Sensibilität der linken Larynxhälfte spricht nicht gegen
der Theorie von Grabower, dass die Innervationsbahnen des Larynx
aus dem Vagus stammen, weil der Nervus laryngeus superior auch über
die Medianlinie die andere Seite versorgt. Kan, Leiden.
294. Smith, Harmon, New York, A Case of Laryngeal Carcinoma
under Observation for thirteen years. Ultimate Laryng-
ectomy. (Ein Fall von Kehlkopfkrebs, dreizehn Jahre unter
Beobachtung.) The Laryngoskope. 1910. Nr. 2.
Patient, ein 33jahriger Russe, kam im Jahre 1895 in D. Gleits-
manns Behandlung, der eine grosse, schneeweise Masse feststellte, die
sich zwischen echtem und falschem Stimmband die ganze rechte Kehl-
kopfhälfte entlang erstreckte. Mikroskopische Diagnose: Papilloma durum
malignum, wahrscheinlich carcinomatosum.
Im Jahre 1907 sah Autor den Fall wieder. Ein neuerlicher mikro-
skopischer Versuch ergab zuerst die Diagnose Pachydermia laryngis, dann
jedoch die eines malignen Tumore. Nach vollzogener Laryngotomie wurde
der Tumor endgültig als Epithelioma erkannt.
Bemerkenswert ist das langsame Fortschreiten des Karzinoms selbst
und das Fehlen jeglicher sekundārer Manifestation während eines Zeit-
raumes von 12 Jahren. Otto Glogau, New York.
295. Spiess, Ein Fremdkörper 6 Jahre lang im Kehlkopf ein-
gewachsen. Arch. f. Laryng. Bd. 23. H. 3.
Ein 7jähriges Kind trägt seit 6 Jahren Trachealkanüle. Ein harter,
den grössten Teil des Larynx ausfüllender Tumor aus Narbengewebe
416 Referate. (24
wird in Narkose mübevoll entfernt. Hierbei scheint ein Hemdknopf, der
diese Wucherung verursacht hatte, in den Bronchialraum gefallen zu sein.
Es folgte rechtsseitige Bronchopneumonie ; Röntgenaufnahme zeigte den
Knopf (von dem man bisher nichts wusste). Bronchoskopische Entfernung
stiess auf Schwierigkeiten infolge blutender Granulationen, jedoch wurde
der Fremdkörper in den linken Bronchus verlagert; die Extraktion ge-
lang später. Beseitigung einer membranösen Narbe im Larynx und
endliche Heilung nach 2 Jahren. Arth. Meyer.
296. Tapia, Una observacion de hemiparalisis de la laringe y
de la lengua sin paralisis del velo. Revista Clinica de
Madrid. Nr. 12. 15. Juni 1910.
49 jähriger Mann, der infolge eines Epithelioms an dem unteren Pol
der rechten Tonsille, welche sich auf die gleichseitige gloeso-epiglottische
Falte ausdehnte, an einer halbseitigen Lähmung des Kehlkopfs und der.
Zunge litt, ohne dass dabei das Gaumensegel von der Lähmung ergriffen
war. Stein, Wiesbaden.
297. La Vigne, Alexander A., Laryngeal Tuberculosis. (Kehl-
kopftuberkulose.) N. Y. State Journal of Medicine. Vol. 10.
Nr. 8. 1910.
Neben primárer und sekundärer tuberkulöser Erkrankung des Larynx
unterscheidet Autor eine „pseudo-tuberkuloide“ bei der neben Kehlkopf-
katarrh, leichte Kongestion der Arytenoidknorpeln und quer über die
Stimmbänder streifenförmiger Schleim vorhanden ist. Die Stimmverände-
rung ist bedingt durch Erschlaffung der Muskeln.
Bei lokaler therapeutischer oder operativer Behandlung ist die Pro-
gnose der Kehlkopftuberkulose eine gute, wenn sich Lungenzustand
und Allgemeinbefinden bessert, wenn Infiltrat oder Geschwür auf die
echten oder falschen Stimmbänder oder auf die Arytenoidgegend be-
schränkt ist und wenn die Krankheit frühzeitig erkannt wurde. Bei ge-
besserten Lungenbedingungen ist Tuberkulin von Vorteil.
Bei starken Schluckbeschwerden empfiehlt Autor Wolfendens
Lage (Patient schlürft, Kopf über dem Bettrand gebeugt aus einem am
Boden stehenden Glase mittelst Schlauch die Nahrung ein).
Otto Glogau, New York.
298. 0. Weiss, Königsberg i. Pr., Über die künstliche Er-
zeugung von Sprachlauten. Med. Klinik. 38. 1910.
Weiss gibt verschiedene Metnoden zur Reproduktion von Sprach-
lauten an. Sippel, Würzburg.
299. A. Wettstein, Winterthur, Referat über die erste von
Shelton Horsley beim Menschen ausgeführte direkte Naht
der Rekurrensenden. Med. Klinik. 31. 1910.
Bei einer 40jährigen Farbigen Durchtrennung des linken Rekurrens
durch Pistolenschuss. Sofortige maximale Heiserkeit. Als sie zwei Monate
später Shelton Horsley zugeführt wurde, bestand absolute Flüster-
stimme und Atembeschwerden. Bei der Operation zeigte sich der linke
Rekurrens direkt vor seinem Eintritt in den Larynx fast vollkommen
durchtrennt, einige Nervenfasern stellten auf eine Länge von 1 cm die
25] Referate. 417
` Verbindung der Stümpfe dar. Einfache direkte Naht der Nervenenden
- mit Katgut. Io der nächsten Zeit nach der Operation Stimme und
Atmung unverändert. Nach 15 Monaten fast völlig normale Beweg-
lichkeit beider Stimmbänder, keine Atembeschwerden.
Sippel, Würzburg.
5. Mundhöhle.
300. S. L. Bogrow, Moskau, Zur Kenntnis der falschen Hut-
chinsonschen Zühne (Dentes Pseudo-Hutchinsonii). Arch. f.
Derm. 1910. CIV. 1.
Eine früher syphilitische Modistin batte infolge ihrer Angewohnheit,
Nähnadeln mit den Zähnen zu halten, Einbuchtungen an den beiden
gegenüberliegenden linken mittleren Schneidezähnen bekommen, die bei
genauer Vergleichung sich von dem Hutchinsonschen Typus in
mehreren Punkten unterschieden. Ernst Seifert, Würzburg.
301. Brown Kelly, Glasgow, Angeborene Insuffizienz des
Gaumens. Journ. of Laryngology. Vol. XXV. Nr. 6.
Dieser wichtige Bericht ist auf die Untersuchung von 19 Fallen
dieses Zustandes gegriindet, sowie auf Untersuchung von iiber 3500
Schädeln. Der Verfasser bezeichnet diesen Zustand als eine angeborene
Affektion, bei welcher der weiche Gaumen nicht den physiologischen
Schluss des Naso-Pharynx von der Mundhöhle bewirkt und es erfolgt
Rhinolalia aperta. Der unvollständige Schluss kann durch eine sub-
muköse Gaumenspalte oder durch muskuläre Insuffizienz des Gaumens
verursacht sein. Eine submuköse Gaumenspalte ist charakterisiert durch
einen Einschnitt oder eine Lücke unter der intakten Schleimhaut im
hinteren Teile des harten Gaumens und durch die unvollkommene Ver-
bindung in der Mittellinie der zwei Hälften des weichen Gaumens, wie
auch durch eine Verkürzung des harten und des weichen Gaumens.
Eine submuköse Gaumenspalte kann suffizient oder insuffizient sein,
je nachdem ob Rhinolalia aperta vorhanden ist, oder nicht und sie wird
ohne Insuffizienz bei zirka 20°/o der Patienten mit Uvula bifida ge-
funden. Unter den 3500 Schädeln, die untersucht wurden, fand man
nur zwei bei denen der anatomische Zustand des Gaumens damit über-
einstimmte, was in ausgesprochenen Fallen von submuköser Gaumen-
spalte vorhanden und das durch Palpation, Messungen und X-Strahlen-
Untersuchungen festgestellt ist, Schüdel mit leichtem Grad von Spaltung
fanden sich ziemlich häufig.
Kongenitale muskulüre Insuffizienz des Gaumens wird charakterisiert
durch eine unvollkommene Erhebung des Gaumens während der Phonation,
verursacht durch defekte oder anormale muskuläre Tätigkeit. Hier zeigen
sich keine Zeichen von Entwickelungshemmung, wie sie bei sub-
muköser Gaumenspalte sich zeigen, wie Lücke im harten Gaumen,
Nichtvereinigung der Muskeln in der Mittellinie, Uvula bifida oder
' Kürzung des barten und des weichen Gaumens. Die Ursache der mus-
kuláren Insuffizienz ist wahrscheinlich nicht Parese, sondern unvoll-
kommene und ungleiche Entwickelung, oder anormale Lagerung der
Muskeln des weichen Gaumens.
418 Referate. [26
Das Vorkommen solcher Zustände ist anatomisch bekannt, aber ihre
Beziehung zu der in Rede stehenden Krankheit ist noch nicht bewiesen
worden.
Die Sprache ist bei beiden Arten der kongenitalen Insuffizienz des
. Gaumens gleich beeinflusst, aber während bei submuköser Spaltung nur
Rhinolalia aperta vorhanden ist, kann es bei muskulärer Insuffizienz
auch vorkommen, dass einzelne Buchstaben unvollkommen ausgesprochen
werden.
Das Fehlen von Regurgitation in allen diesen Fällen zeigt, dass das
Schlucken sehr gut bewerkstelligt werden kann mit einem Gaumen, der
entweder zu kurz ist um die Hinterwand des Pharynx zu erreichen, oder
bei dem das Muskelspiel zu ungenügend ist, um ihn mit der Hinterwand
des Pharynx in Berührung zu bringen.
Funktionelle Rhinolalia aperta, welche Monate hindurch dauert, ist
die einzige Krankheit, welche mit kongenitaler muskularer Insuffizienz
des Gaumens verwechselt werden kann. Den Verlauf des Falles er-
wügend wird eine Unterscheidung zugelassen werden müssen. Die beste
Behandlung ist wahrscheinlich die mit Gutz manns Methode der Massage
und Streckung des weichen Gaumens. Guthrie, Liverpool.
302. Freymann, Berlin, Zur Differentialdiagnose der Zahn-
retentionen. W. klin. Rdsch. 1910. 42.
Krankengeschichte dreier Falle bei denen anfangs die Erscheinungen
auf Lues, Osteomyelitis und Tumor orbitae oder Stirnhóhlenempyem
deuteten, die aber nach zahnärztlicher und Röntgen-Untersuchung sich
als durch Retention eines Eckzahnes verursacht herausstellten.
Ernst Seifert, Würzburg.
303. Hess, Thaysen, Über die entzündlichen Tumoren der
Speicheldrüsen. Virchows Archiv 1910. Bd. 201. p. 252.
Es handelt sich um die Beschreibung einer einfachen chronischen
Entzündung der Parotis, bestehend in Bindegewebsvermehrung und In-
filtration von Lymphozyten und Plasmazellen, weniger eosinophilen Zellen
und Leukozyten, sowie Atrophie und Degeneration des Drüsenparenchyme.
Die Wucherung des Iymphadenoiden Gewebes beherrscht das histologische
Bild. Zum Schlusse wird eine Parallele mit der Mikuliczschen Krank-
heit gezogen. G. Herxheimer, Wiesbaden.
304. E. Klausner, Prag, Über Lingua geographiea hereditaria.
Arch. f. Derm. Bd. 103. 1910.
Auf Grund seiner an drei Generationen (5 Fälle) gemachten Be-
obachtungen kommt Verf. zu dem Schlusse, dass die L. geographica eine
angeborene Anomalie der Zungenoberfläche darstellt. Gestützt wird
seine Annahme dadurch, dass in seinen 5 Fällen die Komplikation der
Lingua plicata (scrotalis) bestand. Die histologische Untersuchung macht
es wahrscheinlich, dass bei der Anomalie der Landkartenzunge es sich
um „eine angeborene Debilität und infolgedessen erhöhte Reizbarkeit des
Zungenschleimhautepithels“ in der Form einer chronischen Entzündung
handelt. Zu allenfallsiger therapeutischer Massnahme genügt eine ratio-
nelle Mundpflege. Ernst Seifert, Würzburg.
21] Referate. 419
305. Schestopal, Odessa, Die Spirochaeta pallida bei der
Syphilis der Mundhöhle. Monatshefte für prakt. Dermat.
Bd. 51. H. 4.
Während erfahrungsgemäss durch einfache Berührung und Betastung
von syphilitischen Primäraffekten, nässenden und trockenen Papeln, wie
sie bei der ärztlichen Untersuchung gang und gäbe sind, Syphilisüber-
tragungen ausserordentlich selten sind, scheint die Krankheitsübertragung
durch Gläser, Löffel, Gabeln, Servietten usw. viel leichter von statten zu
gehen. Verf. vermutet daher, dass die Spiroch. pall. sich in der Mund-
bóhle der Syphilitiker ganz oberflächlich befindet, so dass schon die blosse
Berührung, sogar der energisch abgesonderte Speichel des Kranken zur
Infektion genügen kann. Zum Beweis seiner Behauptung hat Verf. einegrössere
Anzahl von Fällen von Syphilis der Mundhöhle auf die Anwesenheit von
Spiroch. pall. untersucht. In 2 Fällen von Angina specifica mit beginnen-
den Plaques am weichen Gaumen werden keine Pallidae nachgewiesen,
ebenso nicht in 3 Fällen von gummöser Syphilis der Mundhöhle. Dagegen
konnten bei 19 anderen Kranken mit Sekundärerscheinungen im Munde
— Plaques — unabhängig von der Lokalisation des Prozesses die Spiroch.
pall. durch einfaches Abstreichen des Schleimes mit der Platinöse, in ge-
ringerer oder grösserer Anzahl nachgewiesen werden. In 4 Fällen wurden
mehr als je 100 Pallidae gefunden! Für die Praxis und für die Bekämpfung
der Syphilis erhellt aus diesen interessanten Feststellungen die Wichtig-
keit, die sekundären Erscheinungen in der Mundhöhle, die als äusserst
kontagiös aufzufassen sind, abgesehen von der Allgemeinbehandlung des
Kranken, besonders auch durch eine energische Lokalbehandlung mög-
lichst schnell zum Verschwinden zu bringen. Fendt, Wiesbaden.
6. Trachea, Bronchien, Ösophagus.
306. L. Aschoff, Über Tracheopathia osteoplastica. Verhandl.
d. deutschen pathol. Gesellsch. 14. Tagung. 1910. p. 125.
Nach den Untersuchungen des Aschoffschen Schülers Brickmann
handelt es sich bei den multiplen Ekchondrosen und Exostosen der Knorpel-
spangen der Trachea um eine besondere Erkrankung der in zwei Haupt-
systemen — äusseres Längsband uud innere Längsbänder — angeordneten
elastischen Fasern. Verbindungen mit den Knorpelspangen sind erst
sekundär. Aschoff konnte diese Befunde in zwei Fällen erheben und
hält die von ihm als Tracheopathia osteoplastica bezeichnete Veränderung
nicht für das Resultat einer Entzündung, sondern für eine Missbildung
des elatischen. Bandapparates. G. Herxheimer, Wiesbaden.
307. Botella, Intervenciones traqueales por traqueoscopia, con
una observacion, evista de Medicina y Cirurgia practicas
de Madrid. Nr. 1. 128. 28. Juni 1910.
Ein Kranker, der vor 2 Jahren halbseitig wegen Krebs laryng-
ektomiert worden war, erkrankte an einem Rezidiv, in Form eines Papilloms.
Dasselbe konnte durch die Trachealfistel unter Zuhilfenahme eines 14 mm
weiten Ösophagusrohres entfernt werden. Stein, Wiesbaden.
420 Referate. [28
308. Ernesto Botella, Cuerpo extrano de la entrada del
bronquio izquierdo extraido por broncoscopia superior.
Academia Medico- Quirurgica Espagnola. Sesion del dia 10
de enero de 1910. Revista de Medicina y Cirurgia practicas
de Madrid. Nr. 1. 111. 21. Febr. 1910.
Entfernung eines Pinienzapfens aus dem linken Bronchus mit Hilfe
der Bronchoskopie. Stein, Wiesbaden.
309. Ernesto Botella, Nueva técnica para las exploracions
esofagoscopicas. Revista de Medicina y Cirurgia practicas
de Madrid. Nr. 1. 107. 21. Junuar 1910.
B. glaubt, dass die heute im allgemeinen angewandten Lagerungen
des Kranken zur Vornahme der Osophagoskopie ungeeignet sind, da sie
verschiedene Nachteile mit sich bringen. Er schlägt daher eine Position vor,
welche zwischen der Roseschen Lagerung und der Operation in sitzen-
der Stellung des Kranken liegt. Der Kranke sitzt dabei auf einem kleinen
Lehnstuhl, welcher eine nicht hohe Lehne hat, die um etwa 120? gesenkt
werden kann; ein einfaches Kissen gestattet die Hóhe des Sitzes zu ver-
mehren oder zu vermindern. Der Hals des Kranken stützt sich bequem
auf den abgerundeten Rand der Stubllehne. Ein Assistent zum Halten
des Kopfes ist nicht nötig. Der Untersucher steht oder sitzt hinter dem
Patienten. Er drückt die Zunge mit der linken Hand mit Hilfe des Kirstein-
schen Spatels herunter und führt mit der rechten Hand das Osophagoskop ein.
Die Vorteile des Verfahrens bestehen nach B. in Bequemlichkeit für den
Kranken, Vermeidung eines Assistenten, leichte Anwendbarkeit sowohl im
Spital wie in der Sprechstunde, Anwendungsmöglichkeit anch ohne An-
ästhesie, Möglichkeit alles unter direkter Besichtigung machen zu können.
Der einzige Nachteil der Methode, den aber auch die anderen Methoden
haben, besteht in dem Umstand, dass sich während der Ösophagoskopie
im Grunde des Instrumentes die Sekrete anhäufen und daher von Zeit
zu Zeit auf irgend eine Art entfernt werden müssen.
Stein, Wiesbaden.
310. O. Chiari, Wien, Ein Todesfall bei der Bronchoscopia
superior. Monatsschr. f. Ohrenheilkunde. 8. 1910.
In vorliegendem Falle hatte ein 7 jähriges Kind ein Maiskorn aspiriert.
Dieses war im linken Bronchus eingekeilt. Mit Lokalanästhesie war
die Bronchoskopie wegen der Unruhe des Patienten nicht ausführbar. Bei
dem schon an sich schwächlichem Kinde bestand bereits eine eitrige Bron-
chitis der linken Lunge. Die feste Einkeilung erforderte langdauernde
Extraktionsversuche, so dass der schwache Oganismus dem in geringer
Menge angewendeten Chloroform erlag. Sippel, Würzburg.
311. Dreesmann, Cöln, Zwei Fälle von verschlucktem Gebiss.
Mediz. Klinik. 42. 1910.
In einem Falle konnte weder durch Sondierung noch durch Öso-
phagoskopie der Fremdkórper nachgewiesen werden, im anderen Falle lag
er 3/4 Jahr lang und auch hier verlief eine Sondenuntersuchung ergebnis-
los. Nach Orientierung mit Hilfe der Radioskopie in beiden Fállen Ent-
fernung durch Oesophagotomia externa mit glatter Heilung.
Ernst Seifert, Würzburg.
29] Referate. 421
312. Gaub, Otto C. und Chevalier Jackson, Pittsburg, Bron-
choscopic aid in Thoracotomy. (Bronchoskopische Einblasungen
bei Eröffnung der Brusthöhle. The Laryngoskope 1910. Nr. 2.
Mittelst „Aspirationsbronchoskopes“ wurde an Hunden eine Sauerstoff-
einblasung in beliebige Lungenlappen während Eröffnung des Thorax vor-
genommen, und stets ein Kollabieren der betreffenden Lungenteile verhindert.
Am Menschen angewandt, wird diese Methode, nach Meinung der
beiden Autoren die Eróffnung der Brusthóhle ebenso gefahrlos machen wie
es die der Bauchhöhle ist. Otto Glogau, New York.
313. Eidesheim, G., Ein Beitrag zum Vorkommen primärer
bósartiger Neubildungen in der Trachea (Cylindrom). 4naug.-
Diss. Leipzig 1909. |
Es handelt sich um einen nicht sehr ausgesprochen malignen Tumor
mit schleimig-hyalinen Massen, also ein sog. Cylindrom. Ein derartiger
Fall in der Trachea ist bisher nur einmal (Henrici) beschrieben worden.
Der vorliegende Fall wird als Endotheliom, wahrscheinlich von Lymph-
gefässendothelien ausgehend betrachtet, die schleimig-hyalinen Massen auf
eine sekretorische Tätigkeit der Zellen bezogen.
G. Herxheimer, Wiesbaden.
314. Gioseffi, Triest, L' intubazione nei casi di corpo estraneo
nelle vie respiratorie, (Die Intubation bei Fremdkürpern der
Atmungswege.) Gazzetta degli ospedali. 6. September 1910.
Wenn der Fremdkórper klein, frei, oder nur wenig fixiert ist, kann
man seine spontane Ausstossung nach der Intubation erhoffen. Verfasser
bringt keine eigene Beobachtung und stützt seine Ansicht auf einige
Fälle, die von anderen Autoren (immerhin vor der Einführung der broncho-
skopischen Technik) berichtet worden sind. Menier.
315. Chevalier Jackson. Esophagoscopie removal of open
safety pins by a new method. The Laryngoscope 1910. Nr. 4.
Die Schwierigkeiten eine Sicherheitsnadel zu entfernen, die nach oben
geöffnet im Ösophagus dieses Kindes steckt, veranlassten den Autor in
zwei Fällen die Nadel mit einer Zange zu fassen, dieselbe in den Magen
zu schieben, dort umzudrehen und dann herauszuziehen. Er hat zu diesem
Zwecke eine Zange mit runden Fassarmen konstruiert, welche die Drehung
besser ermöglicht.
In seinen Fällen ist die Operation ohne Schwierigkeiten und ohne
Blutverlust möglich gewesen. P. Heymann.
316. Johnston, Richard H., Baltimore, Extension and Flexion
in direct Laryngoskopy. A comparative Study. (Die Kopf-
haltung bei direkter Laryngoskopie.) Annals of Ot. Rhin.
und Laryng. 1910. Nr. 1.
Bei Jacksons Instrument sitzt Patient auf niedrigem Stuhle, Kopf
nach rückwärts gestreckt, bei Moshers Spatel hat Patient in linksseitiger
Lage den Kopf vorgebeugt. Verf. empfiehlt, besonders bei Kindern, Jack-
sons Instrument, jedoch soll der Kopf nach vorne gebeugt sein und
womöglich keine Narkose angewendet werden.
Otto Glogau, New York.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 4. 29
[30
422 Referate.
317. Massei, Sulla tecnica dell’ autoscopia. Considerazione
pratiche, (Uber die Technik der Autoskopie. Praktische
Erwägungen.) Archiv ital. de Laringologia. 1910. Nr. 3.
Auf Grund seiner reichen — völlig autodidaktischen — Erfahrungen
mit der Bronchoskopie empfiehlt Massei, einer der eifrigsten Bewunderer
und Förderer der Killianschen Untersuchungsmethode, an Stelle der von
Killian und seinen Schülern festgelegten klassischen Methode des Vor-
gehens — 1. Einstellung der lingualen Epiglottisfläche. 2. Herübergehen über
die Epiglottis. 3. Einführung des Rohres in den Larynx. —
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Die Prozedur in umgekehrter Reihenfolge vorzunehmen.
Er stellt sich zunächst unter Herabdrücken der Zunge durch den
linken Zeigefinger den Hypopharynx ein und geht dann unter vorsichtigem Zu-
rückziehen und langsam steilerer Aufrichtung des Röhrenspatels nach vorn
über die hintere Kehlkopfwand hinübergleitend in den Larynx hinein.
Diese Modifikation erleichtert nach Massei die Untersuchung für Arzt und
Patienten ganz erstaunlich und spez. der Widerstand, den der Röhrenspatel
31] Referate. | 423
bei der von Killian empfohlenen orientierenden Einstellung der lingualen
Epiglottisfläche so häufig an der oberen Zahnreihe findet und dessen Über-
windung oft sehr starke Anstrengung erfordert, ja nicht selten unmöglich
ist, wird durch das umgekehrte Vorgehen von hinten nach vorn fast stets
überraschend leicht unter beinahe automatischer Mitwirkung des Patienten
überwunden. Massei hofft, dass seine Modifikation dazu beitragen wird, die
Bronchoskopie noch mehr als bisher zum Eigentum des laryngologischen
Praktikers zu machen, insbesondere dass sie die immer sich mehrenden
Hilfsinstrumente zum grossen Teil entbehrlich mache.
Brühl, Gardone-Riviera.
318. D. v. Navratil, Budapest, Modell eines dilatierbaren
Gastroskops. Med. Klin. 31. 1910.
Das noch nicht im Handel befindliche Instrument hat N. mit Erfolg
an der Leiche versucht, wobei eine Schädigung von Rachen, Speiseröhre,
Kardia und Magen nicht nachgewiesen werden konnten.
Ernst Seifert, Würzburg.
319. Reinking, Bronchoósophagoskopie, Deutsche med. Wochen-
schrift Nr. 33. Bericht des Arztl. Vereins zu Hamburg.
Gegenüber verbreiteten Vorstellungen von den Gefahren der Methode
verweist Reinking auf zwei von ihm an Herzkranken mit gutem Erfolg
ausgeführte Extraktionen von Fremdkórpern der Bronchien.
Hirsch, Magdeburg.
320. Staehelin-Burckhardt, Über eine mit Magenschleim-
haut versehene Zyste des Osophagus. Arch. f. Verdauungs-
krankheiten. Bd. XV. H. 5. 1910.
Mitteilung einer der seltenen Osophaguszysten, wie solche bis jetzt
von Wyss, Roth, Stilling, Zahn, Rauh, Trespe, Hedinger,
Mohr, Skopnik, Dirck und Kraus beobachtet wurden. Unter diesen
liegt aber kein Fall vor wie der vom Verf. beschriebene, nämlich, dass
die Ösophaguszyste Magenschleimhaut enthielt. Da diese am unteren
Ende des Ösophagus lag, wird angenommen, dass es sich um eine entwicke-
lungsgeschichtliche Irrung einer sehr frühen Embryonalperiode handelt
und zwar um die Abschnürung eines Stückes der entodermalen Anlage,
welches noch die Möglichkeit der Differenzierung sowohl zur Magenschleim-
haut wie zu Osophagusepithel einschloss. Vielleicht handelt es sich hier
um die Abschnürung der häufigen Anlage der sog. oberen Magenschleim-
hautinseln, die sich bei ihrer Entwickelung zur Zyste völlig vom Öso-
phagus abtrennte und so weit hinab gegen das untere Ende des Öso-
phagus zu liegen kann. G. Herxheimer, Wiesbaden.
321. Staehelin-Burekhardt, Über Tuberkulose des Osophagus.
Arch. f. Verdauungskrankheiten. Bd. 16. H. 4. 1910.
Die Bibliographie dieser seltenen Erkrankung wird genau besprochen.
Im Anschluss hieran wird das Sektionsprotokoll und die Ergebnisse der
histologischen Untersuchung eines Falles von tuberkulösem Osophagus-
geschwür mitgeteilt, bei dem eine Inokulation durch infektiöses Sputum
angenommen wird. Sodann werden die wenigen (4) Fälle von auf dem
Blutwege entstandenem tuberkulösem Ösophagusgeschwür zusammengestellt
29*
424 Referate. (32
und ebenfalls ein eigener Fall, der zur Sektion kam, beschrieben. Zum
Schlusse wird der dritte Infektionsweg, nämlich die Fortleitung tuber-
kulöser Prozesse der Nachbarschaft auf den Ösophagus an der Hand der
Literatur kurz besprochen. G. Herxheimer, Wiesbaden.
322. Stropeni, Klinische und histopathologische Beobachtungen
an einem intra vitam diagnostizierten Fall von bronchialem
Adenokarzinom mit Hautmetastasen. Zeitschrift für Krebs-
forschung. 1910. Bd. 9. H. 1.
Die Sektion bestätigte die klinische Diagnose und stellte ein Adeno-
karzinom von den Drüsen der Bronchialwand ausgehend fest. Besonders
bemerkenswert sind die Hautmetastasen, die bei Lungenkarzinomen extrem
selten sind. G. Herxheimer, Wiesbaden.
323. Tapia Garcia, Estenosis infranqueable de esofago. Rev.
de Medicina y Cirurgia practicas de Madrid. Nr. 1. 127.
21. Juni 1910.
45jähriger Mann, der seit ca 2 Jahren Beschwerden beim Schlucken
verspürte, welche sich in letzter Zeit zur vollkommenen Unmöglichkeit
der Einnahme von fester Nahrung gesteigert hatten. Die Sondenunter-
suchung ergab vollkommene Undurchgängigkeit des Ösophagus für Sonden
allerkleinsten Kalibers. Da der Kranke einen ausgesprochenen kachek-
tischen Eindruck machte und auch die Ösophagoskopie eine geschwürige
Veränderung des Ösophagus erkennen liess, so wurde die Diagnose auf
Krebs der Speiseröhre gestellt und eine Magenfistel nach Witzel ange
legt. Der Kranke erholte sich nun im Laufe des nächsten Jahres in einer
ganz auffallenden und bei Karzinom eigentlich unerklärlichen Weise. Es
gelang ein Jahr später eine dünne Sonde durch den Ösophagus durchzu-
führen und im Anschluss daran in kurzer Zeit die Striktur nach und
nach bis zur normalen Durchgängigkeit zu erweitern. Der Kranke ist
vollkommen geheilt und ernährt sich wieder in gewohnter Weise, nachdem
sich die Fistel geschlossen hat. Tapia glaubt, dass es sich um ein pep-
tisches Geschwür der Speiseröhre gehandelt habe, Stein, Wiesbaden.
324. Tapia, Mis ultimos casos (inéditos) de cuerpos extranos
enel esófago. (Meine letzten bis jetzt nicht verüffentlichten
Fille von Fremdkürpern im Osophagus.) Rev. ibero-amer.
de Ciencias médicas. September 1910.
Tapia hat 24 Fälle behandelt, bei 17 konnte man den Fremd-
körper extrahieren, bei 4 fand man keinen. Bei den übrigen 3 Fällen,
wurde die Ösophagotomie einmal notwendig, in einen zweiten Falle, erregten
die ösophagoskopischen Hantierungen Erbrechen, welches den Fremdkörper
herausbeförderte; in dem letzten wurde der Fremkörper beim Anästhesieren
in den Magen geschoben. — Was die Art der Fremdkörper anbetrifft,
handelte es sich um Münzen in 4 Fällen um Knochenstücke in 2, um Fisch-
gräten in4 (3 Fälle davon waren nur eingebildet), um Knöpfe in 2 Fällen,
um Fleischstücke in 2; Stecknadeln in 3 Fällen, Zahnprothesen in einem
Falle und endlich um Fruchtkerne in einem Falle. Menier.
83] | Referate. 495
7. Grenzgebiete.
325. Alexander, Rhinogene Sehnervenaffektionen. Deutsche
med. Wochenschr. 1910. Nr. 32. Ber. d. Arztl. Vereins in
Frankfurt a. M.
Vortragender berichtet über 3 Fälle von retrobulbärer Neuritis, bei
denen er ein gleichseitiges Empyem der hinteren Siebbeinzellen feststellen
konnte; 'einmal war es mit Keilbeinhóhlenempyem vergesellschaftet. Be-
merkenswert war der äusserst geringe rhinologische Befund; erst nach Er-
‚öffnung eines Teiles der mittleren Muschel wurde Eiter sichtbar. Heilung
mit Herstellung einer normalen Sehschärfe. Hirsch, Magdeburg.
326. A. Baginski, Von den Tonsillen ausgegangene Appendizitis.
Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 28. Bericht d. Berliner
med. Gesellschaft.
Die Sektion eines 5jührigen, unter den Erscheinungen einer schweren
Sepsis gestorbenen Knaben ergab eitrig durchsetzte Tonsillen ; die Ap-
pendix war geschwollen, nicht perforiert. Im Blut und in der Appendix
Pneumokokken. Hirsch, Magdeburg.
327. W. M. Barton, Washington, The Elimination of Hexa-
methylenamin by the Mucous Membrane of the Middle Ear;
A Preliminary Note: Possible applications to the Treatment
of Otitis media. (Die Ausscheidung yon Hexamethylenamin
durch die Mittelohrschleimhaut. Therapeutische Möglich-
keiten.) Journ. A. M. A. 12. März 1910.
Die Tatsache, dass Hexamethylenamin im Urin, der Galle und der
Zerebrospinalflüssigkeit ausgeschieden wird, veranlasste Verf. bei einer
akuten Diplococcus pneumoniae-Mittelohreiterung, den Patienten 1 g des
Mittels in 5 Dosen innerhalb 12 Stunden einnehmen zu lassen. Der Eiter-
fluss liess in eklatanter Weise nach und an der Watte konnte nach
Crowes Methode Hexamethylenamin nachgewiesen werden.
Otto Glogau, New-York.
328. G. Bluth, Charlottenburg, Ein neuer Fall von erythematös-
vesiculo-pustulösem Hautausschlag nach Diphtherie. Med.
Klin. 35. 1910.
Den 7 bisher beschriebenen Fällen fügt Bluth einen weiteren hinzu, bei
. dem die Serumeinspritzung als Ursache ausgeschlossen ist, vielmehr auf
die Wirkung freigewordener Antitoxine bezogen werden kann, da die bak-
teriologische Untersuchung die Keimfreiheit des Bläscheninhaltes zeigte.
Ernst Seifert, Würzburg.
329. B. Bosse und E. Fabricius, Berlin, Ein Fall von meta-
statischer Appendizitis und Cholezystitis im Spätwochenbett,
nebst Bemerkungen über septische Infektionen von der
Mundhöhle aus. Wien. klin. Rundschau. 1910. 38. 39.
Vier Wochen ante partum setzte ein akutes Empyem der linken
Highmorshöble ein nebst Karies und Pulpitis mehrerer Zähne; zurzeit
426 Referate. [34
der Geburt nur noch geringe Symptome; nach sechs Wochen plötzlich
Appendizitis und Cholezystitis. Nach der Ansicht der Verf. konnte die
Entstehung dieser akuten Krankheit nur erklärt werden als hämatogene,
oder wahrscheinlicher intestinale Verschleppung der oralen Keime. Schluss-
folgerung: Allgemeine systematische Zahnpflege bei Säuglingen, Schul-
kindern und besonders bei Graviden. Ernst Seifert, Würzburg.
330. Cobbledick, London, Einige Zustände der Augen, welche
durch Krankheiten der oberen Luftwege verursacht oder
beeinflusst sind. Brit. med. Journ. 28. Mai. 1910.
Dieser Bericht handelt von einer Reihe von Zuständen in welchen
die Beziehung zwischen Nasen- und Augen-Erkrankung im allgemeinen
nachgewiesen und bestätigt wird. Der Verfasser hält die Adenoiden für
eine der hauptsächlichsten ursächlichen Faktoren der Hornhautgeschwüre
bei Kindern und er ist hiervon so überzeugt, dass seiner Ansicht nach
kein Fall — selbst leichter Hornhautgeschwüre — richtig‘ behandelt
worden ist, ohne Entfernung etwa vorhandener Adenoiden. Bei Kindern
entsteht Dakryozystitis durch Verschluss der nasalen Mündung, das Re-
sultat einer Entwickelungsstörung. Bei Erwachsenen findet man verschiedene
nasale Zustände, wie hypertrophische und atrophische Rhinitis, Knochen-
nekrose durch tertiäre Syphilis verursacht. Ethmoiditis anterior und möglicher-
weise Nasenpolypen.
In solchen Fällen ist die Behandlung der Nase von der grössten
Wichtigkeit. Viele Kinder mit chronischer Konjunktivitis und Blepharitis,
besonders nach einem Ausfall von akutem Exanthem, leiden auch an
Rhinitis mit einer scharfen Absonderung aus den hinteren Nasenlöchern.
In solchen Fällen ist die Erkrankung der Konjunktiva sekundär zu
denen der Nase, da das infektióse Material wahrscheinlich mit den
Fingern des Kindes der Konjunktiva zugeführt wird. Symptome von Asthen-
opie zeigen sich bei Kindern selbst nach Korrektur von Refraktions-
anomalien und schwinden nur nach der Entfernung der Adenoiden. Pyor-
rhoea alveolaris ist als Ursache einiger Fülle 'von Iridozyklitis anzusehen
und bei diesem Zustande sollte keine Operation des Auges vorgenommen
werden. Guthrie, Liverpool.
331. Donati, Contributo allo studio del serramento delle mascelle
da anchilosi ossea temporomaseellare. (Beitrag zum Studium
des Kieferverschlusses dureh Knochenankylose des Schlüfen-
beins und des Kiefers verursacht.) Gazzetta medica italiana.
28. Juli, 4. und 11. August 1910.
Verfasser beschreibt einen von ihm operierten Fall von beiderseitiger
Ankylose nach Otitis media und retroaurikulären Abszessen. Die Operation
war schwierig weil die Ankylosen sehr hart waren; trotzdem erlangte er
ein sebr gutes funktionelles Resultat.
Die Ursachen solcher Ankylosen können sehr verschieden sein:
Verletzungen, primäre Arthritiden des Kiefergelenkes, sekundäre Arthritiden
(Scharlach, Otitis), Abszesse, Osteomyklitis uud Osteoperiostitis mit Eiter-
bildung, ulzerós-entzündliche Prozesse der Mundhóhle.
Der Prozess der Ankylose ist ein zweifacher: Zusammenlótung (Ver-
wachsung) der Knochen und Invagination. Im ersten Falle, sind die
35] . Referate. 427
Knorpel zerstórt und die Gelenkfláchen sind verwachsen ohne dass man
eine Trennungslinie auffinden kann; in zweitem Falle sind die Gelenk-
kópfe von einer neugebildeten Knochenmasse umgeben und zusammen-
gekittet. Beide Arten können gleichzeitig auftreten.
Die Symptome sind: Unbeweglichkeit des Kiefers, Asymetrie des Ge-
sichts (sog. Vogelgesicht durch Atrophie des Kieferknochens).
Was die Operation anlangt gibt Verfasser der Resektion vor der
Osteotomie den Vorzug, da erstere besser gegen die Rezidive sichert.
Die präventive Tracheotomie soll der eigentlichen Operation voran-
gehen. Verfasser beschreibt die verschiedenen Inzisionen der Kiefergegend
und empfiehlt den bogenförmigen Schnitt mit vorderer-hinterer Konkavität,
die ihm die besten Resultate gab. Die Resektion der Knochen soll eo aus,
giebig als nur möglich sein. Er legt das Hauptgewicht auf die post-
operativen passiven und aktiven Kau-Bewegungen und -Übungen.
Endlich erörtert er die Möglichkeit von spät auftretenden Rezidiven.
Menier.
332. Lopez Durán, Deformidad del maxilar inferior por los
sopostes de cabeza en los espondiliticos. (Missbildung des
Unterkiefers durch die Tragapparate des Kopfes bei Spondy-
litiden.) Revista zbero-americana de Ciencias Médicas. September
1910.
Verfasser fand, wie schon Osten-Sacken, Spitzer und Wern-
dorff, artefizielle Deformierungen des Unterkiefers bei mit Wirbelkaries
affizierten und apparattragenden Patienten. Er beschreibt 3 Fülle unter
den zahlreichen die er beobachtete. Die Läsionen bestanden in einer
Störung des Kieferschlusses, durch eine leichte Verbiegung und Verdünnung
des Processus alveolaris durch eine starke Distension der temporo-maxil-
lären Gelenkkapsel verursacht. Immerhin sind diese Missbildungen un-
erheblich gegen den Vorteil, welchen die Patienten von den Apparaten
davontragen. Menier.
333. 0. Frankenberger, Störungen des Gesichtssinnes infolge
Erkrankungen der Nase besonders der Nebenhöhlen. Casopic
Likarew ceskych 1910. Nr. 9.
Neben kritischer Würdigung einer grossen Anzahl von Fällen der
neueren Literatur bringt Frankenberger 4 Fälle eigener Beobachtung
bei denen die rhinologische Therapie bezüglich des Augenleidens Erfolg
hatte und zwar handelte es sich in 3 Fällen um Erkrankung der Aus-
kleidung der Orbita resp. des Zellgewebes derselben ; bei Siebbeinerkrankung
im 4. Falle um Neuritis retrobulbaris des linken Auges infolge Erkrankung
des Sinus ethmoidalis ünd sphenoidalis. Verf. sieht im allgemeinen bei
Verdrängung des Bulbus nach unten, aussen den Schluss auf Stirnhöhlen-
erkrankung, bei Verdrängung nach vorn, aussen auf Siebbeinempyem ge-
rechtfertigt; bei Keilbeinhóhlenempyem soll eine Protrusion des Bulbus
direkt nach aussen stattfinden ; endlich bei den sehr seltenen Erkrankungen
des Auges infolge Empyem der Highmorshóhle ist der Bulbus nach innen
oben gedrüngt. Die Erkrankung des Uvealtraktes und des N. opticus
sieht Frankenberger konform der Ansicht Hajeks als durch Stau-
ung des physiologischen Blut. und Lymphkreislaufes bedingt an und weist
auf den Zusammenhang der Blut- und Lymphgefässe der Orbita mit denen
428 Referate. - [36
der Nase hin. Der Erfolg endonasaler Eingriffe bei diesen Affektionen ist
ein ausgezeichneter, wenn noch keine Atrophie des Optikus eingetreten ist,
ist solche bereits vorhanden, so kommt in den meisten Fällen der rhino-
logische Eingriff zu spät. Frankenberger rät dringend jeden Fall
von Neuritis retrobulbaris, deren Ursache nicht sofort klar ist, rbinologisch
untersuchen zu lassen. R. Imhofer.
334. W. Freudenthal, Iatracranial complications of nasal
origin. The Laryngoscope XX. Nr. 1. 1910. Jan.
Freudenthal hebt hervor, dass die rhinogenen Hirnerkrankungen
sehr viel häufiger sein müssten als der Zahl der berichteten Fälle ent-
spricht. Als Ursache davon bezeichnet er einmal die Scheu unglückliche
Fälle zu veröffentlichen, namentlich aber die mangelhafte Diagnostik. Bei
der Bebandlung der Fälle müsse man die postoperativen von den „idio-
pathischen", d.h. den direkt durch eine Nasenaffektion auf das Hirn über-
geleiteten Prozessen kennen. Die Infektion kann entweder auf dem Wege
durch die Lymphgefässe oder durch kleine Venen der Schleimhaut, oder
durch Knochenlücken erfolgen. Die Lymphgefässe und die Venen der
Nebenhöhlen müssten noch besser studiert werden, besonders die der
Stirnböhle Sieurund Jacob hatten einen Zusammenhang der Lymph-
gefässe der Keilbeinhöhle mit den intrakraniellen festgestellt. In bezug
auf die Venen sei zu beachten, dass nach den Untersuchungen von Mac
Ewen sowohl die Sinus als auch die Venen der Schädelhöble und der
Diploe keine Klappen hatten. Die Knochenwand der Keilbeinhóhle wurde
von Sicur und Jacob „wie ein Sieb“ durchlóchert gefunden. Ähnliches
habe Velsoux von der Stirnhöhle gesehen. Die Infektion könne also durch
solche Knochenlücken aber auch durch Ostitis zustande kommen. In
betref der Therapie ist er für möglichst frühzeitige und möglichst aus-
giebige Eröffnung der Schädelhöhle. Er selbst berichtet über 7 Fälle von
„idiopathischer“ Erkrankung, worin er einen, der rechtzeitig zur Operation
kam, geheilt hat; die übrigen gingen zugrunde, nach seiner Ansicht, weil
die Operation erst zu spät vorgenommen werden konnte. Er fügt dann
noch einen Fall von postoperativer Hirnerkrankung an und einen Fall, in
dem anscheinend von einer Nebenhóhlenerkrankung durch Metastase ein
Lungenabszess zustande gekommen ist. P. Hey mann.
335. Otto Glogau, New York, Nasenverstopfung und Lungen-
schwindsucht. New Yorker med. Monatsschr. Dez. 1909.
Die durch naturwidrige Benützung einer anderen Funktionen dienen-
den Öffnung zustande kommende „perverse“ Atmung führt, unreine, kalte,
trockene, oft mit übelriechenden Gasen und Substanzen vermengte Ein-
atmungsluft, der empfindlichen Alveolenfläche zu.
Der Ansturm von ungenügend erwärmter, verunreinigter und trockener
Luft verursacht beim perversen Atmer eine systematische Erkältung und
Reizung der unteren Luftwege, die sich in verschiedenen Graden von
Katarrhen, Störungen der Blutzirkulationen etc. kundgibt. Bei der Be-
ziehung zwischen Nasenverstopfung und Lungenschwindsucht bandelt es
sich wohl hauptsächlich um die direkte Schwächung des Lungengewebes,
auf dem die durch Stäubchen- und Tröpfchen-Inhalation, sowie auf andere
Weise eingeführten Tuberkelbazillen günstigen Boden zur Entwickelung
vorfinden. Doch haben wir es auch mit einer indirekten Wirkung zu
31] Referate. 429
tun, die auf die zweite Infektionsmöglichkeit — der Schluckinfektion —
Bezug hat; die durch mangelhafte Sauerstoffversorgung verursachte allge-
meine Zirkulationstörung äussert sich auch in einer Schwächung des Magen-
darmtraktes, derzufolge Tuberkelbazillen viel leichter aus der aufgenommenen
Nahrung durch die pathologisch veränderte Schleimhaut entweichen und
ihren Weg zu den in ihrer Vitalität herabgesetzten Lungen finden können.
Auf der Tuberkulosis-Abteilung des deutschen Hospitals untersuchte
Glogau wahllos eine bestimmte Zeit lang die neuen Patienten der Ab-
teilung. Auf diese Weise konnte die Beziehung zwischen Nasenverstopfung
und Lungenschwindsucht studiert werden, indem alle Stadien der durch
die Nichtfunktion der „nasalen Schutzapparate‘“ hervorgerufenen Lungen-
veränderungen nachzuweisen waren. Und so finden wir neben 5 Fällen
normalen Lungenbefundes (3 Kehlkopfinfektionen, 1 Hodentuberkulose,
1 Nasenverstopfung mit noch nicht nachweisbarer Lungenveränderung),
1 Grippe 1 Asthma und 4 Bronchitiden. In 30 Fallen lag bloss Ver-
dacht auf Lungenschwindsucht vor, 15 Fälle mussten als Anfangsstadium be-
zeichnet werden, während in 47 Fällen schon eine oder beide Lungen-
spitzen sich als angegriffen erwiesen. Ausgedehntere tuberkulöse Erkrankung
des Lungengewebes konnte nur bei 64 Patienten konstatiert werden.
Von den 167 Patienten weisen alle — mit Ausnahme von 5 —
eine Nasenabnormalität irgendwelcher Art auf, wobei natürlich eine An-
zahl der Veränderungen noch hart an die Grenze des „Normalen“ streift.
Besonders auffallend ist die Zahl der Deviationen und Spinae des Sep-
tums. Ich konnte insgesamt 125 Veränderungen des Septums feststellen,
wobei zu bemerken ist, dass 9 Spinae und 6 Deviationen die Nase voll-
ständig obstruierten. Von den Deviationen entfallen 18 auf Frauen und
61 auf Männer, von den Spinae 17 auf Frauen und 29 auf Männer, bei
denen auch 2 Septumpolypen sich vorfinden. Muschelhypertrophien fand
ich in 113 Fällen vor, wovon 79 auf Männer, 34 auf Frauen entfallen.
Beide untere Muscheln sind 30 mal bei Männern, 12 mal bei Frauen
vergrössert, je eine untere Muschel in 31 Fällen, 22mal bei Männern,
9mal bei Weibern. Das hintere Ende der unteren Muscheln ist beider-
seits in 14 Fällen, je auf einer Seite in 8 Fällen vergrössert und ausser-
dem in 4 Fallen stark polypoid degeneriert. Die mittlere Muschel kommt
in 16 Fállen als Atmungshindernis in Betracht. Adenoide Wucherungen
fand ich in 38 Fällen, in 8 weiblichen und 30 männlichen, vor. Die-
selben sind fast ausnahmslos Begleiterscheinungen von anderen primären
Nasenobstruktionen, was auch von den 37 Fällen (24 männlich, 13 weib-
lich) hypertropischer Tonsillen gilt. Zungentonsille ist in 4 Fällen aus-
geprägt.
An 19 Fällen nahm ich intranasale Operationen vor, die grösstenteils
Zunahme des Körpergewichts, Besserung des Allgemeinbefindens und manch-
mal sogar günstige Beeinflussung des Lungenprozesses zur Folge hatten.
Eine günstige Beeinflussung des Lungenprozesses fand in 11 von
den 19 operierten Fällen statt; sie umfassen die leichteren Erkankungen
des Lungengewebes (1 Bronchitis, 3 Verdacht auf Tuberculosis, pulmonum,
4 Tuberkulose eines Apex, .2 Tuberkulose beider Apices, 1 Tuberkulose
im Anfangstadium), mit einer Symptomendauer von 1 Woche bis zu 10
Monaten (9 Fälle unter 6 Monaten, 6 darüber).
430 Referate. [38
Den oben angeführten Reultaten gemüss kann eine günstigte Beein.
flussung des tuberkulósen Lungenprozesses durch eine Nasenoperation
nur dann erwartet werden, wenn die Erkrankung noch nicht einen
schweren Charakter angenommen hat; am sichersten wird es wohl sein,
nur im Anfangsstadium zu operieren, wobei vorausgesetzt ist, dass selbst
hier nur eine bedeutende Nasenverstopfung in Betracht kommt. Die
besten Resultate werden natürlich dort erzielt werden, wo nur Verdacht
auf Lungenschwindsucht oder bloss eineleichte katarrhalische Erkran kung
des Lungengewebes vorliegt. Autorreferat.
336. Harold, Hays New York, Observations on abnormalities
of the nose and throat in relation on to catarrhal deafness
and tinnitus. (Katarrhalische Taubheit und Ohrengeräusche,
hervorgerufen durch pathologische Veränderungen der Nase
und des Rachens.) N. Y. State Journ. of Medicine. Vol. 10.
Nr. 8. 1910.
Veränderungen der Muscheln, des Septums, hypertrophierte Ton-
sillen und adenoide Vegetationen, besonders die der Rosenmüllerschen
Grube, verursachen Verlegung der Tubenöffnung. In allen Fällen von
chronischer katarrhalischer Taubheit und von Ohrgeräuschen fand Autor
bei digitaler Untersuchung fibröse Adhäsion um die Tubenöffnung. Es
werden die Vorzüge des vom Autor angegebenen Pharyngoskops, einer
Modifizierung des Zystoskops, beleuchtet. Referent versuchte das Instru-
ment in zahlreichen Privat- und Ambulanzfällen, findet jedoch, dass die
Untersuchung mittelst Kehlkopfspiegel und die Rhinoscopia posterior
stets leichter auszufiihren und mehr anschaulich ist.
Otto Glogau, New York.
337. C. Hirsch, Prag, Augenaffektionen bei Hydrops der Neben-
höhlen der Nase. Fortschr. d. Med. 1910.
1. Hydrops des Antrum Highmori, Sinus frontalis und der Sinus
ethmoidales der linken Seite und des Sinus frontalis der rechten Seite;
beiderseitige Sehnervenatrophie und Bulbusverlagerung. Ob wegen der
beiderseitigen Optikusschädigung auch eine Keilbeinhöhlenerkrankung an-
genommen werden darf, scheint zweifelhaft.
2. Hydrops der linken Stirnhöhle als Ursache eines linksseitigen
Exophtbalmus und Verlagerung des Bulbus. Als Komplikation bestand
eine hartnäckige Migräne. Nasenbefund normal.
Ernst Seifert, Würzburg.
338. R. Hoffmann, München, Beeinflussung der Basedow-
symptome von der Nase aus. Monatsschr. f. Ohrenhetlkunde.
1910. XLIV. 9.
Theoretische Erórterungen im Anschluss an einen Fall von Base-
dow, bei dem nach Galvanokaustik der beiderseitigen unteren Muscheln
der Exophthalmus uud Puls zurückging, der Halsumfang 3,5 cm abnahm.
Ernst Seifert, Würzburg.
339. B. Hoffmann, München, Beitrag zur Lehre und zur
Therapie des Heuflebers. Monatsschr. f. Ohrenhelk. 8. 1910.
Nach den Ausführungen des Verfassers dürfte das Heufieber als
eine Vasodilatatorenneurose im Gebiete des sensiblen Trigeminus zu
39] Referate. 431
definieren sein, hervorgerufen durch den Kontakt der von ihm besorgten
Schleimhaut mit dem Pollentoxin. Prädisponierend wirkt vor allem die
Hypersekretion der Thyreoidea, das heisst eine Labilität der Vasomo-
toren, wie sie in Urticaria etc. zum Ausdruck kommt.
Therapeutisch empfiehlt Hoffmann besonders die Anwendung von
Extr. fluid. Hydrast. canad. 3 mal táglich 25 Tropfen (eventuell Extr.
fluid. Secal. cornut. aà), gegebenenfalls auch Antithyreoidin Moebius
und Anlegen der Stauungsbinde dicht über den Klavikeln. Für lokale
Behandlung Adrenalin, Suprarenin, Kokain. Sippel, Würzburg.
340. P. Th. L. Kan, Beitrag zur Kenntnis der Chirurgie der
Hypophysis Cerebri. Ned. Tydschr. v. Geneesk. 24. Sept. 1910.
Auf zwei Wegen kann man die Hypophysis cerebri operativ erreichen.
durch die Schädelhöhle, wie Krause, Killiani u. a. gemacht haben
und extrakraniell.
Der erste Weg ist heute ganz verlassen, weil er zu gefährlich ist,
während der extrakranielle Weg wohl der beste ist.
König hat dazu den Mund gewählt mit Trennung des harten
Gaumens nach Gussenbauer und andere Chirurgen haben sich einen
Weg gebahnt durch die Nase.
Ein 35jähriger Fabrikarbeiter ist seit Januar 1884 behandelt worden
wegen starker Myopie. Im September 1908 fing der Patientan sehr schlecht
mit dem rechten Auge zu sehen, und der Visus war beiderseits 5/10 mit
einem Glas —8.
In den letzten Jahren ist Patient sehr dick geworden und hat 18 kg
an Gewicht zugenommen. Er litt sehr viel an Kopfschmerzen, ist immer
sehr schláfrig, hat Polydipsie, Polyphagie und Polyurie.
Der Visus wurde immer schlechter und war in Dezember 1909
links !/so opd rechts Tag, Auch war rechts die ganze temporale Hälfte
des Gesichtsfeldes verschwunden, während links nur noch die obere Hälfte
des nasalen Gesichtsfeldes vorhanden war. Im Dezember 1909 unter-
suchte Kan die Nase des Patienten, aber, ausser einer Deviation des
Septums nach links, konnte in der Nase keine Abweichung gefunden
werden. Bei Durchleuchtung waren beide Gesichtshälften gleich hell.
Weil auch ohne Eiter in der Nase die hinteren Nebenhöhlen der Nase
entzündet sein können, wurde beschlossen diese Höhlen breit zu eröffnen.
Bei der Amputation der Conchae mediae und der Eröffnung der hinteren
Siebbeinzellen zeigte sich kein Eiter. Einige Tage später wurden auch
die Keilbeinhöhlen mit der Trephine und Meissel geöffnet und ein Stück-
chen Schleimhaut aus den Höhlen entfernt zur pathologisch-anatomischen
Untersuchung. Es stellte sich dabei heraus, dass die Schleimhaut
chronisch entzündet war.
Der "Visus verbesserte sich durch diese Operation nicht. Es
wurden einige Róntgenaufnahmen gemacht, weil man auf Grund der
doppelseitigen Hemianopsie und anderer Symptome einen Hypophysis-
tumor vermutete, aber auf den Photographien konnte nichts Abnormes
gefunden werden.
Im Januar 1910 wurde der Patient, bei dem man 62°/o Zucker im
Urin gefunden hatte, nach der Abteilung für innere Medizin übergeführt.
432 Referate. [40
Die Brust- und Bauchorgane sind gesund, die Fettsucht des Patienten
ist auffallend, und es werden deutliche Symptome von Akromegalie fest-
gestellt. Er hat Anfälle von sehr schweren Kopfschmerzen, wobei der
Puls immer sehr langsam wird und auch Schwindel und Erbrechen
auftreten.
Am 31. Januar wurde wieder ein Radiogramm gemacht, auf welchem
man eine Ausdehnung der Sella turcica zu sehen meint, aber diese war
nicht sehr deutlich, weil gerade an der Stelle der Sella und der Um-
gebung ein Schatten sichtbar war.
Auf Grund der verschiedenen Symptome wird die vermutliche An-
wesenheit eines Hypophysentumors angenommen, aber auch an die Mög-
lichkeit eines Gehirntumors mit sekundärem Hydrocephalus und Ausstül-
pung des dritten Ventrikels in die Sella turcica gedacht.
Als die Hirndrucksymptomen stark zunahmen wurde die Operation
vorgeschlagen und am 28. Februar ausgeführt.
Vorher wurden die verschiedenen Operationsmethoden in cadavere
versucht. Nach Besprechung der Ofperationsverfahren von Proust,
Lówe und Kocher gibt Kan als seine Meinung, dass die letztgenannte
Methode die beste ist, weil diese die, meist sehr starke Blutung zu um-
gehen weiss. |
Bei den anderen endonasalen Methoden werden, nachdem die áussere
Nase umgeklappt ist, das Septum und die Conchae im ganzen entfernt,
um nachher die Keilbeinhóhlen und die Sella turcica zu eróffnen.
Bei der Kocherschen Methode wird, nachdem die äussere Nase
geöffnet ist, die Schleimhaut vom Septum losgelöst, der Septumknochen
entfernt und mit einem Spekulum, welches man zwischen den Schleim-
hautblättern einschiebt und kräftig öffnet, wird Raum geschafft, damit die
Keilbeinhöhlen und die Sella turcica geöffnet werden können. Bei dieser
Methode wird die Blutung aus den grossen Septumarterien vermieden
und weil keine Nebenhöhlen der Nase geöffnet werden, wie z. B. bei der
Methode von Löwe, kann der Hautschnitt viel kleiner sein.
Bei dem Patienten wurde die Operation unter Chloroformnarkose
gemacht nach Injektion von 15 mg Morphium. Der Nasopharynx wurde
tamponiert und die ganze Nase genau mit Gaze ausgestopft, damit beim
Aufklappen der äusseren Nase kein Blut in die Tiefe fliessen könne.
Als die Nasenspitze nach unten und der Nasenrücken in zwei
Hálften nach beiden Seiten umgeklappt war, wurde die Gaze aus der
Nase entfernt und konnte die Schleimhaut beiderseits fast ohne Blutung
vom Septum losgemacht werden.
Das Septumskelett wurde soweit es nótig war mit der Zange ent-
fernt und zwei Langenbecksche Haken zwischen die Schleimhaut-
blütter geschoben
Da schon früher beiderseits die Concha media und die Siebbeinzellen
entfernt waren, fiel es nicht schwer so viel Raum zu schaffen, dass die
vordere Wand der Keilbeinhóhlen sichtbar wurde. Die früher darin
schon gemachten Öffnungen bildeten eine wertvolle Orientierung.
Die ganze vordere Wand der Keilbeinhöhlen wurde entfernt und
dabei zeigte sich, dass die hintere Wand nicht in die Höhle prominierte.
Die hintere obere Wand wurde geöffnet und die Dura inzidiert aber es
41] Referate. 433
zeigte sich kein Tumor, nur war eine weiche weisse Masse sichtbar, welche
Gehirngewebe sehr ähnlich war.
Der Versuch der Masse etwas zu entnehmen misslang und einige
Punktionen in verschiedenen Richtungen gemacht, fielen negativ aus.
Die Operation wurde beendigt, ein Jodoformgazestreifen in die ge-
machte Öffnung der Sella turcica eingelegt, die Nase reponiert und
genäht.
Die Heilung verlief ungestört und der Allgemeinzustand verbesserte
sich bedeutend.
Bald verschwand die Glykosurie, die Kopfschmerzen besserten sich
und das Erbrechen hörte auf, aber der Patient blieb immer ein wenig
schläfrig. Am 1. Mai konnte er entlassen werden und im Juni war der
Zustand noch sehr befriedigend, nur hat der Patient wieder geringe Kopf-
schmerzen, bisweilen auch Schwindel. Der Visus hat sich nicht gebessert.
Nach den klinischen Erscheinungen war es nicht ungereimt einen
Hypophysentumor zu vermuten; dieser wurde aber nicht gefunden bei
der Operation. Die Schleimhaut der Keilbeinhóhlen zeigte chronische
Entzündung, eine einfache Eróffnung der Dura in der Sella turcica hatte
für den Patient solch einen grossen Erfolg, vielleicht bestand eine zirkum-
skripte Meningitis in der Nàhe der Hypophysis, von der entzündeten
Schleimhaut der Keilbeinhöhlen ausgegangen, welche durch die Dura-
öffnung gebessert ist.
Obgleich man keinen Hypophysentumor gefunden hat, hat der Fall
jedenfalls die Erfahrung auf dem Gebiete der Hypophysenchirurgie ver-
grössert und gezeigt, dass die Kochersche Operationsmethode sehr zu
empfehlen ist.
In der letzten Zeit haben West und Hirsch versucht die Hypo-
physenoperation endonasal zu machen, Kan meint aber, dass man bei
lebensgefährlichen Affektionen als Hyophysentumoren und Zysten einer
kleinen Entstellung wegen sich bei der Operation nicht in seinen Be-
wegungen beschränken muss. Das Aufklappen der Nase verkürzt den
Weg nach der Hypophyse bedeutend und macht das Operationsfeld so
übersichtlich, dass diese Methode in allen Fällen vorzuziehen ist.
Autoreferat.
341. F. Kovacs und 0. Stérk, Wien, Uber das Verhalten des
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Physiologische und pathologisch-anatomische Befunde bei Kompres-
sion und Deviation des Osophagus durch Herz- (bes. Vorhof-)Hyper-
trophie. Doch scheint solchen Veranderungen eine wesentliche praktische
Bedeutung nicht zuzukommen. Ernst Seifert, Würzburg.
342. Römheld, Hornegg a. U., Jodbasedow. M. Corresp.- Bl. d.
Whirttemb. à. L.-V. 1910. 40.
Sechs Strumafülle bei denen durch Joddarreichung ein M. Based.
auftrat, welche durch geeignete Behandlung in fast allen der Fälle sich
besserte. Ernst Seifert, Würzburg.
434 Literaturverzeichnis. [42
343. Rémheld, Hornegg a. U., Basedow mit starker Hyper-
tension, M. Corr.-Bl. d. Württemb. ä. L.-V. 1910. 40.
Im Anschluss an einen solchen Fall werden fünf Untersuchungs-
ergebnisse mitgeteilt, bei denen die Blutdruckmessung zu verschiedenen
Zeiten und in verschiedenen Körperlagen verschiedene, bezw. gleiche
Werte ergab, woraus auf eine funktionelle bezw. organische Erkrankung
zu schliessen war. Ernst Seifert, Würzburg.
344. F. Sanz, Un caso de tumor de la fosa pterigo-maxilar.
(Ein Fall von Tumor der pterygo-maxillären Grube.) Rev.
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Sehr bemerkenswerter Fall bei einem 30jáhrigen Guardia muni-
cipal (Polizist welcher zuerst einen Abszess des Gaumensegels hatte;
dann beobachtete man eine Geschwulst der pterygo-maxillären Grube.
Wassermann negativ. Ende März, glaubte Verf. an ein nahes Ende,
da der Tumor enorm gewachsen war. Plötzlich, fand eine Entleerung
durch die Orbita und den Mund statt und der Zustand besserte sich so,
dass jetzt die operative Frage ventiliert wird. Es handelte sich nicht, sagt
Verfasser, um einen Abszess, da alle Zeichen fehlten. Mehr wie je meint
er, dass eine bösartige Geschwulst (Sarkom) im Spiele ist. Menier.
345. Edda Stoffel, Lokales Amyloid der Schilddrüse. Virchows
Archiv 1910. Bd. 201. p. 245.
Es wird der seltene Fall geschildert, dass sich in einem echten
epithelialen Tumor, nämlich in einem Karzinom der Schilddrüse lokales
Amyloid vorfand. Einmal neigt dies Organ wenig zur Ablagerung der
Substanz, sodann gehörten Tumoren mit lokalem Amyloid bisher stets
denen der Bindesubstanzgruppe an. G. Herxheimer, Wiesbaden.
346. Viollet, Le diabéte diagnostiqué par des lésions du nez
et de l'oreille. (Die Diagnose des Diabetes mellitus durch
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In einem Falle war die Nasenschleimhaut fleischig, weich und blutete
bei der geringsten Berührung; sie glich einem fungósen Gewebe; bei dem
zweiten, waren die Halsbeschwerden andauernd und wiederholten sich bei
dem geringfügigsten Anlass, dazu war die Zunge belegt; beim vierten
Patienten, waren die Muskeln, sowie das Septum, der Sitz von seichten
gelb umränderten Geschwüren. — Sämtliche Patienten waren Diabetiker.
Daraus erhellt die Notwendigkeit einer Harnuntersuchung bei allen hart-
näckigen und verdächtigen Fällen. Menier.
IIl. Literaturverzeichnis.
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Wolf, E., Meine Basedowsche Erkrankung. Miinchen 1909.
IV. Bücherbesprechungen.
Luc, Lecons sur les suppurations de l'oreille moyenne et des cavites
accessoires des fosses nasales et sur leurs complications intracráni-
ennes. Paris 1910. Bailliere et fils.
Der ersten Auflage dieses Werkes ist nach einem Zeitraum von 10 Jahren
die zweite gefolgt. Die hier za besprechenden Eiterungen der Nebenhóhlen der
Nase nehmen in dem 584 Seiten starken Buche bei etwas engerem Druck etwa
denselben Raum von gut 100 Seiten ein, wie in der ersten Auflage.
Luc tat recht daran, seinem Werke die Form von Vorträgen zu geben, denn
Luc ist von ausgesprochener Individualität, und in keiner Form tritt diese besser
zutage als in der des Vortrages. So sehen wir denn den Autor leiblich vor uns
stehen, und, wer die Berichte der französischen laryngologischen Gesellschaft
liest, wird in ihm ohne weiteres den Mann wiedererkennen, der in der Diskussion
seine Meinung unumwunden in kurzen, treffenden Worten zu sagen pflegt. Eigene
Erfahrung geht ihm naturgemäss über alles. Wo er von der Richtigkeit seiner
Meinung überzeugt ist, gilt ihm anderer Meinung nicht viel, wo diese mit der
53] Bücherbesprechungen. 445
seinigen übereinstimmt, erkennt er dies gelegentlich willig an, wo er aber gefehlt
hat, erklärt er dieses oft mit Freimut. So atmen seine Vorträge Überzeugung
und wirken überzeugend, und es ist ein Vergnügen, sie zu lesen.
In der ersten Auflage legte Luc bei der Diagnose des Kieferempyems
der Durchleuchtung entscheidenden Wert bei und bemängelte die entgegengesetzte
Ansicht der deutschen Fachkollegen mit derbem Ausdruck. In der zweiten Auf-
lage hat er sich der deutschen Ansicht angeschlossen, sieht also in der Durch-
leuchtung einen unterstützenden, in der Probeausspülung aber den entscheidenden
Weg. Letztere macht er ausschliesslich mittelst Punktion vom unteren Nasen-
gang. Führt die kurative Ausspülung von hier aus nach 6—12 Ausspülungen
nicht zum Ziel, so operiert er. Die intranasalen Methoden der Kieferhöhlener-
öffoung übt er als zu unsicher nicht aus. Die Alveole bohrt er auch bei dentalem
Empyem nicht mehr an. Er greift vielmehr jetzt gleich zum Caldwell-Lucschen
Verfahren, da dieses durch die Lokalanüsthesie weit weniger eingreifend für
den Patienten ist, als früher. Von dieser Methode scheint er sich stets sichere
Haltung zu versprechen, ohne aber hierfür zahlenmässig den Beweis zu führen.
Demgegenüber ergeben die Zahlen, welche von anderen Seiten veröffentlicht
wurden, in Summa nur eine Heilung von 87°/, (Referent).
Bei der Diagnose des Stirnhöhlenempyems verzichtet Luc auch heute
noch auf die Probeausspülung. In den seltenen Fällen akuten Stirnhöhlen-
empyems, die einen operativen Eingriff erfordern, macht Luc jetzt nicht mehr
die Operation nach Ogston-Luc, sondern, wie alle anderen Autoren, die ein-
fache Trepanation. Bei chronischem Stirnhóhlenempyem ist der intranasulen
Behandlung und ibres häufigen Erfolges nicht gedacht. Das Vorhandensein des
Empyems ist ihm Indikation zur Radikaloperation. Diese macht er wegen des
schlechten Heilresultates und der nicht geringen Gefahr der Osteomyelitis nicht
mehr nach der Methode Ogston-Luc, sondern nach der Methode Killian
oder Jansen-Jacques. Die erste Methode wendet er zweckmüssig bei hoher,
die letzte bei niedriger Stirnhóhle an. Meist operiert er nach der letzten Methode.
Er fand also mehr niedrige als hohe Stirnhöhlen, im Gegensatz zur allgemeinen
Erfahrung. Nach diesen beiden Metboden operiert Luc über 50 mal ohne Todes-
fall und mit gutem, doch nicht näher präzisiertem Erfolg. Von den Todesfällen
anderer Operateure, die sich auch nach der Killianschen Operation in der letzten
Zeit stark mehren, nimmt Luc keine Notiz, und das ist die bedenkliche Folge
seines ausschliesslichen Verlasses auf eigene Erfahrung. Die Beachtung der Er-
fahrung Anderer würde Luc dazu führen, der von ihm vernachlässigten intra-
nasalen Behandlung mehr Wert beizulegen. — Die geschichtliche Entwickelung der
Killianschen Operation, die Luc gibt, ist seine schwache Seite: Die Idee, die
Stirnhéhle durch Resektion und zwar der Vorderwand zur Verödung und Aus-
heilung zu bringen, sprach zuerst Kuhnt am 5. März 1894 im Königsberger
Verein für wissenschaftliche Heilkunde unter Demonstration einer Anzahl Ge-
heilter aus, Am 16. Juni 1894 publizierte Luc in der Semaine méd. einen auf
dieselbe Weise geheilten Fall. Ganz abgesehen aber hiervon wandte Kuhnt die
Methode als Normalmethode an, Luc jedoch nur dort, wo die Ogston-Lucsche
Methode versagt hatte.
Die Priorität gehört also voll und ganz Kuhnt, und das hätte Luc endlich
einmal klipp und klar aussprechen können, nachdem er schon im Jahre 1902 be-
hauptet hatte, Kuhnt hätte seine Methode „systematisch von ihm adoptiert“.
Ferner: Der Mann, welcher die ganze Killiansche Operation mit Ausnahme
der Spangenbildung schon vor Killian gemacht hatte, ist Riedel. Die Spangen
bildung aber erdacht zu haben ist das Verdienst von Killian, nicht von Taptas
und von Luc. Denn Taptas macht in die faziale Wand, die er ganz allein re-
seziert, zwei Öffnungen und lässt zwischen diesen eine Lücke stehen, und Luc
reseziert bei Fällen von orbitaler Fistel die orbitale Wand und macht von hier
aus bei grosser Höhle unter Schonung des Supraorbitalrandes eine Gegenöffnung
in die faziale Wand, um die Höhle gut kurettieren zu können. Das aber ist
doch ganz etwas anderes, als die Killiansche Spange!
416 Gesellschafts- und Kongressberichte. (54
Bei der Diagnose des Siebbeinempyems findet sich noch dieselbe Über
schätzung der Durchleuchtung wie seinerzeits beim Kieferempyem. Die Aus-
räumung des Siebbeinlabyrinthes macht Luc fast ausschliesslich mit seiner Pince
plate. Wenn er dabei den frontalen Siebbeinzellen nicht genügend beikommen
kann, so liegt das wohl an der Benutzung dieses Instrumentes. Auch die Keil-
beinhóhle eróffnet Luc mit seiner Zange.
Eine sehr eingehende und durchdachte Abhandlung über die Osteomyelitis
cranii und die intrakraniellen Komplikationen, deren bei weitem
grössten Raum indes natürlich die otitischen einnehmen, schliesst sich an.
Als Anhang findet sich ein Kapitel über die Behandlung der Larynx-
tuberkulose. Luc ist überzeugter Anhänger ausgedehnter Galvanokaustik,
wie er sie bei Mermod in Lausanne gesehen hat. Doch ist seine Indikations-
stellung bei weitem zurückhaltender — und das mit Recht.
Georg Boenninghaus, Breslau.
Rosenberg, Albert, Professor, Therapeutisches Taschenbuch der
Nasen-, Rachen- und Kehlkopfkrankheiten. Berlin 1910, H. Kornfeld,
102 S. Preis 3,50 Mk.
Dieses kleine Buch, das den IX. Band der Fischerschen Sammlung thera-
peutischer Taschenbücher bildet, erfüllt seinen, der ganzen Anlage nach be-
Bchrünkten Zweck, aufs glücklichste. Mit geradezu staunenswertem Geschick ist
es dem Verfasser gelungen, die umfangreiche Materie so zusammenzufassen, dass
dieses Buch das geworden ist, was es sein soll, eim dem praktischen Arzte in
der Sprechstunde und auf seinen Wegen allzeit zur Verfügung stehender hand-
licher Berater. Ohne einige anatomische und diagnostische Hinweise war das,
wie Rosenberg richtig erkannt hat, nicht möglich; der Schwerpunkt der Dar-
stellung liegt selbstverständlich in der Therapie, der Gefahr, hier durch eine zu
grosse Zahl angegebener Mittel und Wege die Straffheit der Darstellung zu be-
einträchtigen, ist Rosenberg glücklich entgangen. Er gibt offenbar im wesent-
lichen immer nur das Heilverfahren an, das sich ihm selbst bewährt hat.
Das Buch kann dem in der allgemeinen Praxis stehenden Arzte aufs wärmste
empfohlen werden. Bl.
V. Gesellschafts- und Kongressberichte.
Société Belge d'otologie, de rhinologie et de laryngologie.
XX. Congrés annuel: Bruxelles 11., 12., 13. Juni 1910.
Nach dem offiziellen Bericht des Dr. E. Labarre. Fortsetzung s. S. 335.
Prüsident: Dr. A. Capart sen. Demonstration von Instrumenten.
Vacher, Orléans, Kalte Schlinge, oder Amygdalotom. Dieser Apparat
ersetzt die feste Schlinge von Vacher, obgleich er in manchen Füllen weniger
leicht zu handhaben ist; er hat den Vorteil allgemein angewandt werden zu
kónnen und dass er nicht Hümorrhagien aussetzt, wie die gewóhnliche Amygda-
lotomie. Dieser Apparat, der seiner Form nach an das Amygdalotom erinnert,
besteht nur aus zwei Stücken, die leicht zu handhaben und einfach zu sterilisieren
sind. Er wird wie die kalte Schlinge gebandhabt, d. h. die Mandel muss mit
Hilfe einer Zange in den schneidenden Ring gezogen werden. Die Durchschnei-
dung der Mandel muss um so langsamer geschehen, je älter der Patient ist.
Koenig, Paris.
Neuer gedeckter Kauter zur Behandlung der Säugerknötchen.
55] Gesellschafts- und Kongressberichte. 447
Der Verfasser zieht die galvanokaustische Methode der Abtragung mittelst
einer Zange oder Doppelcurette vor bei Behandlung der Stimmbandknoten oder
polypoider Tumoren der Stimmbáünder. Sie hat den Vorteil, den Eingriff genau
beschränken zu können und den Kranken viel weniger sekundären Infek-
tionen auszusetzen. Bei dem vom Verfasser gebrauchten Kauter ist der Brenner
durch eine kleine flache Kupferschiene gedeckt, so dass er nur an einem Punkte
glüht, der sich durch seinen Glanz sehr deutlich vom kupfernen Boden abhebt,
und es daher leicht ist die Kauterisation zu lokalisieren.
Koenig, Verschiedene neue Instrumente für submuköse Resektion der
Nasenscheidewand.
a) Eine Zange mit zwei gekrümmten Enden und einem Halter, der bei der
Operation nach Freer und nach Killian verwendet wird.
j b) Ein Spiegel.
c) Eine Zange von Grünwald-Struycken mit modifizierter Krümmung
und wie eine Schere schneidend. |
Referate.
Die Funktion und der Nutzen der Gaumen-Mandel. Die Physio-Pathologie
dieses Organes.
Hicguet gibt, kurz zusammenfassend, einen Überblick über die verschiede-
nen Theorien, welche sich über diesen Gegenstand gebildet haben, seit jener von
Kölliker, welcher der Mandel gar keine physiologische Rolle zuschreibt, bis
zur ganz kürzlich von Frederici vertretenen Ansicht, dass dieses Organ die
Ausseheidung von infektiösen und schädlichen Substanzen bewirke. Eine Funktion,
durch welche die Mandel zum Schutze des Organismus mit tätig wäre.
Hicguet machte darauf aufmerksam, dass man den Arbeiten des Physio-
logen viel mehr Vertrauen entgegen bringen sollte, als denen der Spezialisten,
wenn diese im Laboratorium als Leute vom Fach auftreten. Er gibt einen Über-
blick über die Arbeiten von Stöhr und Flemming, wie auch über den Bericht
von Bickel, in denen die Verfasser die Ansicht vertreten, dass die Drüse selbst
im ganzen wenig Bedeutung hat, während das adenoide Gewebe, welches die
‚Acini umgibt, zur Hämatopoese beitragen könnte.
Die Leukozyten, die sich in der Mandel bilden, kommen zum Teil an die
Oberfläche des Organes; andere — im Vergleich die grössere Anzahl — gehen
durch die Vasa efferentia in die allgemeinen Lymphbahnen und dann ins Blut.
Goerke hat im Verfolge der Arbeiten von Brieger die Theorie — in der
Mandel gewissermassen einen Schutz zu sehen — ganz in Gegensatz zu ameri-
kanischen Verfassern gesetzt, welche in der Mandel ein schädliches und selbst
für den Organismus gefährliches Organ sehen, wegen der Infektionen, die auf diesem
Wege Eingang finden können.
Metschnikoff hat aber erwiesen, dass die Leukozyten gar keine phago-
zytäre Rolle spielen, dass sie keine amöboiden Bewegungen machen können und
dass sie ganz passiv an die Oberfläche der Mandel gebracht werden. Indem
Brieger die Ansichten des vorhergehenden Verfassers zusammenfasst, gründet
er darauf die Meinung, dass gerade die fortwährende Irrigation der Mandel es
verhindert, dass die Keime eindringen, dass das Lymphserum wahrscheinlich
eine bakterizide Fähigkeit besitzt, und dass, wenn die Lymphozyten, welche die
Mandel verlassen haben, vernichtet werden, es vielleicht geschieht, indem andere
bakterizide Substanzen dadurch frei werden..
Alles dieses müsste bewiesen werden, meint Hicguet, und er kommt zum
Schluss, dass bei dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens es sehr schwer ist
zu sagen, ob die normale Mandel nützlich ist oder schädlich. Zwei Theorien
stehen sich gegenüber; die eine sieht in der Mandel ein Mittel des Organschutzes ;
die andere eine Quelle der Infektion. Beide erscheinen ihm übertrieben, denn
es scheint ihm festzustehen, dass eine hypertrophierte und kranke Mandel nicht
zum Schutze des Organismus mithelfen kann, während die normale Mandel nicht
4.L3 Gesellschafts- und Kongressberichte. [56
eine Quelle der Infektion sein kónnte. In einer langeren Diskussion, an der sich
die Herren Cheval, Trétróp, Escat, Capart jun, Poli, Schiffers,
Hicguet beteiligten, wird die Frage der Funktion der Mandeln weiter erdrtert.
Vorteil und Nachteil des Entfernens der Gaumenmandeln.
Broeckaert, Gent, erklürt zum Beginne seines Berichtes, dass die bisher
vorgebrachten "Theorien ihn nicht befriedigen und dass, wie Levinstein sehr
richtig bemerkt, ,die Frage der wahren Rolle, welche die Mandeln spielen, noch
zu lósen ist*. Anfangs unterzieht der Verfassser die Argumente, welche man
zugunsten der Entfernung der Mandeln gelten lassen kann, einer Betrachtung;
er untersucht dann die verschiedenen Infektionen, denen die Gaumenmandel an-
scheinend als Eingangstor dienen und beschreibt dann die weiteren Stórungen,
welche diese Infektionen veranlassen.
Der zweite Teil der Arbeit ist der Untersuchung der Unbequemlichkeiten
gewidmet, welche infolge der Entfernung der Mandeln entstehen und die Mass-
regeln, welche ergriffen werden müssen, um die Komplikationen dieser Operation
zu vermeiden.
Vortráge.
Jaques, Nancy. Betrachtungen über die Entfernung der Mandeln.
Unter den vielfachen Anhäufungen Iymphoiden Gewebes in den Luft- und
Speisewegen haben die Gaumenmandeln, wie auch die Rachenmandeln eine ver
hängnisvolle Schwäche, welche sich in einer grossen Empfänglichkeit für Krank-
heitskeime und einer daraus folgenden Neigung zur Hyperplasie bemerkbar macht.
Auch müssen wir die verlockenden Theorien, nach welchen diese Organe unein-
nehmbare Schutzwehren für die Verdauungs- und Atmungswege sind, ins Reich
der Utopien verweisen, da sie in Wirklichkeit bei den meisten einen doppelten
Infektionsherd abgeben, mit der beständigen Gefahr des gewaltsamen Eindringens
der Infektion in die Lymphbahnen. Jede Mandel, die als chronisch entzündet
erkannt wird, muss radikal entfernt werden.
Die verschiedenen Verfahren der partiellen Entfernung sind unschädlich
oder gefährlich. Die Abtragung mit der Glühschlinge unter Vorziehen der Mandel,
sichert eine schnelle und vollständige Entfernung. Sie ist von keinen Unbequem-
lichkeiten begleitet, wenn sie mit einem mässig glühenden Draht ausgeführt wird,
dieser genau an den Ansatz der Tonsille und der Gaumenbogen angesetzt wird.
Trétróp, Antwerpen.
Die Amygdalektomie, ihre Indikationen und ihre Resultate.
Die Mandel ist der Sitz lokaler Entzündungen und Eingangspforte für All-
gemeininfektionen, Der Verfasser hat das bei Tuberkulose und Syphilis be-
obachtet.
Die chronischen Entzündungen bedingen ein Zusammenwachsen mit den
Gaumenbogen und bedingen so eine Pseudo-Tuberkulose.
Die Amygdalektomie ist bei Erwachsenen zu bevorzugen, um veraltete Ent-
zündungen und die Pseudo-Tuberkulose zu heilen. Trétróp gibt eine Übersicht
der am meisten angewandten Methoden und hebt die Vorteile einer jeden der-
selben hervor. Er betont besonders die Notwendigkeit einer vorbereitenden Be-
handlung vor der Operation.
Delis, Ypres.
Beitrag zum Studium der Angina Ludowici.
Nach einem sehr genauen anatomischen Überblick der sublingualen Region
berichtet der Verfasser über unvermeidlich eintretende Erscheinungen, wenn eine
Phlegmone sich in dem Bindegewebe zeigt, welches diesen Raum erfüllt; óde-
matóse Schwellung der Schleimhaut der seitlichen Mundfurche, Verdrängung der
Zunge nach aussen und nach oben, Infiltration mit brettharter Konsistenz der
Subhyoideal-Region, ohne grosse Veränderung der Färbung der Haut; rapide
57] Gesellschafts- und Kongressberichte. 449
Gangrän der Gewebe und Zurückhaltung der eiterigen oder serösen Flüssig-
keit wie Ausbruch allgemeiner Sepsis durch Eiterresorption. Die Behandlung
dieser Affektion muss eine chirurgische sein. Zwei Wege kann man zur Ent-
leerung des Eiters wählen: den Mund und den Hals.
Auf dem bukkalen Weg kann man entweder parallel der Zunge innen von
der Sublingualdrüse eingehen, oder zwischen dieser letzteren und dem Zahnfleisch.
Von aussen kann man über dem grossen Horn des Zungenbeins einen Ein-
schnitt machen ; man durchschneidet die Haut, den Hautmuskel, die Aponeurose
und gelangt so dazu die Phlegmone in ihrem tiefsten Punkt zu öffnen. Da eine
Orientierung wegen der äusserst starken Schwellung der unteren Kinngegend
nicht möglich ist, führt eine einfache Inzision seitlich unter dem Zungenbein
durch den Mylohyoideus in den Eiterherd. Um gegen die Allgemeininfektion
anzukümpfen, muss dem Organismus durch wiederholte Injektion starker Dosen
von polyvalentem Serum nachgeholfen werden.
Diskussion.
Goris, Brüssel, meint, dass um den Eiter bei Angina Ludowici sicher zu
finden, man die Mittellinie öffnen und den Finger bis zur Basis der Zunge führen
muss. Wenn man den Eiter nicht trifft, muss man einen Einschnitt in die
Muskeln, welche die mittlere Faszie von der seitlichen Faszie trennen, machen
und mit dem Finger hineingehen, bis man ihn findet.
Capartjun ist der Ansicht, dass es von Nutzen wäre, die Bezeichnung
„Angina Ludowici“ nur für die spezielle Form anzuwenden, welche Ludwig bei
Gelegenheit des Todes einer Königin von Würtemberg beschrieben hat. In der
Klinik von Tübingen, wo diese Kranken sich gelegentlich vorstellen, hat man
bemerkt, dass sie im allgemeinen aus denselben Gegenden kommen. Es haftet
also wahrscheinlich dieser Nekrose der submaxillären Gegend, von rapidem und
fast immer tödlichem Verlaufe, eine besondere Eigentümlichkeit an. Die weit-
gehendsten Eingriffe sind bei der Angina Ludowici doch nur ein recht unsicheres
Mittel.
Capart sen, Brüssel.
Über den Gebrauch von Coryfin bei nasalen Affektionen.
Coryfin ist ein Mentholüther, der in flüssigem Zustande, oder als Salbe an.
gewandt wird. Diese letztere ist bei Kindern vorzuziehen. Der Verfasser hat
das Coryfin mit Erfolg bei leichter hypertrophischer und atrophischer Rhinitis
angewandt, um das Gefühl der Trockenheit zu nehmen, wie auch bei Heufieber
Im Beginne des Schnupfens und besonders bei Personen, welche sich bei jeder
Gelegenheit erk&ülten, ist dieses Mittel von grossem Nutzen. Man hat die An.
wendung des Coryfin auch bei der akuten Pharyngitis angeraten, in Form von
Gurgelwasser, einige Tropfen in einem Glase lauwarmen Wassers. Und schliess-
lich gegen sebr schmerzhafte und hartnüáckige Entzündungen des Gehörgangs.
Jauquet, Brüssel.
W ie soll man Pansinusitiden operieren?
Der Verfasser ist der Ansicht, dass man eine Radikalkur ohne jede Ent-
stellung des Gesichtes erreichen kann und zwar auf folgende Weise.
Zuerst Offnung und Curettierung der fronto-ethmoido-sphenoidalen Hóhlen,
indem man ausschliesslich die äussere Wand des Sinus frontalis und die innere
Scheidewand der Orbita trepaniert, nachdem man mit einem Hohlmeissel den
Processus frontalis des Oberkiefers entfernt hatte. Keine Ausräumung der Stirn-
höhle, aber vollständige Ausräumung aller äusseren Ktbmoidalzellen, welche die
gewöhnliche Ursache der Rezidive bilden. Dann wird der Sinus maxillaris durch
den Mund operiert, auf diese Weise eine grössere Inzision im Gesichte ver.
mieden, ohne dass jedoch die Dauer der Operation verlängert würde. Dann eine
Naht der Inzision der Haut in zwei Flächen und ebenso der bukkalen Schleim-
haut. Dieses Verfahren ergibt ausgezeichnete therapeutische und ästhetische
Resultate, es sei denn ganz in Ausnahmefällen.
450 Gesellschafts- und Kongressberichte. [58
Diskussion.
Luc, Paris, meint, wie auch Jauquet, dass man danach streben soll die
Heilung der chronischen Stirnhöhleneiterung zu erreichen ohne Aufhebung der
Höhle, wie es auch bei der Kieferhöhle geschieht. Er ist aber anderer Ansicht,
als Jauquet, was die zu öffnende Wand anbelangt; und da man im allgemeinen
über die Vorteile einig ist, welche die Eröffnung von unten nach Taptas-Killian
bringt, für die Curettierung des Siebbeins und Drainierung nach der Nase scheint
es ihm einfacher die Eröffnung auf den Boden der Stirnhöhle auszudehnen und
von dort, von unten nach oben, die Curettage auszuführen.
Nur im Falle einer anormalen Höhenentwickelung der Stirnhöhle glaubt er,
an die untere Öffnung eine solche anschliessen zu sollen, welche an der vorderen
Wand ausgeführt wird, um die Gesamtheit der Schleimhautwucherungen zu er-
reichen, aber nicht um die Stirnhóhlen ganz aufzuheben.
Hennebert, Brüssel.
In einem Falle von Sinusitis frontalis, wo der Sinus sehr ausgedehnt war,
hat Hennebert gute Resultate damit erzielt, dass er an der vorderen Wand
zwei Öffnungen machte, welche durch eine Knochenbrücke getrennt und bestimmt
waren das Hautniveau zu erhalten. Die Kranke ist seit drei Jahren geheilt und
zeigt nicht die geringste Entstellung.
Humblé, Antwerpen, meint, dass es vorzuziehen ist, im Falle von Poly-
sinusitis den Sinus maxillaris durch die Nasenóffnung zu operieren.
Broeckaert, Gent, denkt, dass es von grossem Vorteile ist die Eröffnung
des Antram von der unteren Seite zu beginnen. Durch die auf diese Weise
gebildete Öffnung kann man sich leicht ein Bild von der Ausdehnung des Sinus
machen.
Ein zweiter Punkt von Wichtigkeit ist, das Ethmoidal-Labyrinth bloss zu
legen, welches fast immer an der Eiterung der Stirnhöhle mitbeteiligt ist.
Bei jedem besonderen Falle ist es angebracht eine Methode anzuwenden,
welche der Gestalt des Sinus angepasst ist.
Wenn das Verfahren nach Killian in Fällen angezeigt ist, in denen der
Sinus sehr umfangreich ist, so kann man diesen letzteren ganz veröden lassen,
wenn er sehr klein ist. In anderen Fällen dagegen muss man dem Verfahren
von Jauquet den Vorzug geben. Wir müssen uns daher in jedem Falle durch
die Umstände leiten lassen, und dürfen nicht immer dasselbe Verfahren an-
wenden.
Jauquet, Brüssel.
Antwortet Luc, dass er ganz auf dem Laufenden ist, was die moderne
Modifikation des Verfahrens nach Killian anbetrifft, dass er aber ganz mit Ab-
Sicht die Orbitalwand nicht mit dem Sinus frontalis in Verbindung setzen will.
Ím Gegenteil, indem er nur die vordere Wand durchbohrt, nachdem er das Periost
zurückgelagert hat, nimmt der Sinus seine Konfiguration ad integrum nach der
Operation wieder an. Andererseits ist die fibróse Kapsel des Auges sehr leicht
von der inneren Seite der Orbita wegzudrüngen, ohne irgend ein Organ zu
schüdigen.
Man erlangt dadurch einen idealen Zugang um mit Sicherheit alle Siebbein-
zellen und die Keilbeinhóhle zu öffnen und direkt in den Sinus frontalis zu
gelangen.
Wie Dr. Hennebert bemerkte, kann man in den Fällen, in denen der
Sinus frontalis sehr gross ist, zwei durch eine Brücke getrennte Öffnungen
machen, Jauquet ist der Ansicht, dass es — wie auch Broeckaert gesagt
hat — kein Verfahren gibt, welches bei jedem Falle anwendbar wäre, im allge-
meinen sei aber, bei einer nicht komplizierten Polysinusitis, bei nicht drohender
Lage, die von ihm oben beschriebene Operation wirklich ein ausgezeichnetes Ver-
fahren, das ausserdem vorzügliche praktische Resultate ergeben hat.
- 59] Gesellschafts- und Kongressbericbte. 451
Béco, Lüttich.
Laryngo-Tracheotomie beiFüllen von Papillomen im Kindes-
alter, die Erstickung bedingen.
Die drei Fälle betreffend, welche in der Morgensitzung vorgeführt wurden,
zieht der Verfasser zwischen der Tracheotomie und der Laryngo-Tracheotomie
eine Parallele, die man bei Behandlung des Kehlkopfes anwendet.
Er kommt zum Schluss, dass das endolaryngeale Verfahren jeder anderen
Methode vorzuziehen ist. Erweist sich dieses als unwirksam, so ist er mehr für
die Laryngostomie, als für die einfache Tracheotomie.
Obne mehr Unbequemes zu haben, bietet die Laryngostomie im Gegenteil
grosse Vorteile; sie gestattet ein sichereres und wirksameres Exstirpationsver-
fahren. Sie erleichtert die Kombination aller Untersuchungsverfahren, sowie der-
jenigen der Behandlung; sie wird besser ertragen und verlangt weniger Pflege
und wird deshalb von den Kranken und ihrer Umgebung vorgezogen.
Trétróp, Antwerpen. Kehlkopferscheinungen und Tuberkulose
des Hilus der Lunge.
Der Verfasser legt zwei Theorien, die Infektion der Lunge betreffend, vor:
1. Durch Ingestion von Tuberkelbazillen, die ihren Weg durch die intesti-
nalen Lymphwege bis zum Truncus brachio-cephalicus zum rechten Herzen nehmen
und dann zum Hilus der Lunge.
2. Durch Infektion der oberen Atmungswege und Ausbreitung der Lymphe
direkt bis zum Hilus der Lunge. Dann berichtet er über den Fall eines Diabetikers,
bei welchem: die radiologische und laryngoskopische Untersuchung, Tuberkulose
des Hilus der linken Lunge annehmen liess und der an foudroyanter Lungen-
blutung starb.
Tretröp lenkt die Aufmerksamkeit auf die Erscheinungen, welche die
Tuberkulose — die ihren Anfang am häufigsten vom Hilus der Lunge nimmt —
auf die Innervation des Larynx hervorrufen kann und die auf diese Weise eine
Hilfe für die Diagnose sind.
Ledoux, Huy.
Entfernung eines Fremdkörpers, der sich 10 Wochen in den
Bronchien eines Kindes befand, nach der Methode von Killian.
Radiogramm.
Es handelt sich um eine kleine Pfeife mit einem Mundstück von abge-
stumpfter Form, welche ein Kind vor 2!/» Monaten eingeatmet hatte und die
durch die Radiographie einige Zentimeter von der Mittellinie in Nähe der rechten,
Brustwarze lokalisiert wurde. Die Untersuchung mit Hilfe der Tube nach
Killian war sehr mübsam, wie auch die Entfernung. Dieser Fremdkörper sass
am Eingang der dritten Bronchialteilung. Wie man es durch Radiographie kon-
statieren konnte, war die ganze durch die obstruierten Bronchien entsprechende
Lungenregion atelektatisch. Die einen Monat nach der Entfernung vorgenom-
mene Untersuchung zeigte, dass das Kind gesund war, die Bronchien waren aber
undurchgüngig geblieben.
Broekaert, Gent.
Das Radium in der Oto-Rhino-Laryngologie.
Der Verfasser hat sich bei seinen Untersuchungen einer Radium enthalten-
den Platte bedient, die nach seinen Angaben angefertigt worden war. Sie besteht
aus einem Teil aus gehämmertem Silber, 15 cm lang. Das Stück, welches das
Radium enthält, ist auf diesem Teil durch ein Scharnier befestigt, welches man auf
verschiedene Weise biegen kann. Die Platte fast Radium in 500,000 Einheiten,
Sie wird direkt auf die erkrankte Stelle gelegt.
Die Filtration der Strahlen und die Zeit der Anwendung hängt von gewissen
Faktoren ab, auf welche der Verfasser augenblicklich nicht weiter eingehen kann.
Broekaert gibt dann einen Überblick über die hauptsächlichsten Affektionen,
welche er mit Radium behandelt hat und zeigt an Photographien, die vor und
nach der Behandlung gemacht wurden, die erhaltenen Resultate.
452 Kongresse und Vereine. (60
Cheval machte náhere Angaben über die Theorie der Radiumwirkung.
Guisez, Paris.
Was man von der lokalen direkten Anwendung des Radiums
beim Krebs der Speiseróhre halten soll.
Bei 11 unzweifelhaften Fällen von Speiseröhrenkrebs hat der Verfasser die
systematische lokale Behandlung mit Radium angewandt in Dosen, welche zwischen
5 und 10 cg variierten.
Die Wirkung war unsicher, in 7 Fällen jedoch ergab sie folgende Resultate:
a) Grössere Wegsamkeit des Osophagus.
b) Stillstand im Wachstum des Tumors.
c) Die Wirkung war eine um so bessere, je höher der Tumor sass.
Es handelt sich also im ganzen um ein wirksames Palliativ bei dieser
Affektion.
Guisez, Paris. `
Einige seltene Affektionen des Osophagus and der Bron-
chien, welche durch die Broncho-Osophagoskopie diagnostiziert |
und behandelt wurden.
Es handelt sich: 1. um eine neue Beobachtung eines durch Osophagoskopie
diagnostizierten Falles von Tuberkulose der Speiseróhre. Bei einem mit Dys-
phagie behafteten Tuberkulösen fand man durch Ösophagoskopie in der Gegend
des mittleren Drittels des Ösophagus ein oberflächliches sehr ausgedehntes Ge-
schwür mit einer Tracheo-Ösophagus-Fistel.
Der Ösophagus war in seiner ganzen Ausdehnung mit Granulationen bedeckt.
Die Diagnose wurde durch die mikroskopische und bakteriologische Untersuchung
und durch die Autopsie bestätigt. j
2. Über Beobachtungen von zwei Fällen von spontaner Narbenstenose der
Kardia infolge von veralteter Osophagitis. In den zwei Fallen hatte die Diagnose
geluutet: Epitheliom des Osophagus. Dank der Osophagoskopie konnte die
Diagnose verbessert und eine Behandlung mit wirksamer Dilatation ausgefthrt
werden, Die spontanen Narbenstenosen sind selten, aber sie kommen doch vor;
Der Verfasser hat genau sechs Falle diagnostiziert; 4 in der Gegend der Kardia,
2 auf der Hóhe des oberen Endes.
Diskussion:
Trétróp stellt an Guisez die Frage, ob ausser der Osophagoskopie, es
andere klinische Zeichen gibt, welche es ermöglichen die spontane narbige Ver-
engung der Kardia, vom Krebs dieser Organe zu differenzieren.
Guisez, es zeigen sich beim Krebs weder Schmerzen, noch sonst irgend
ein spezielles Anzeichen; der klinische Irrtum ist daher unmöglich zu vermeiden.
Das Daaa allein kann die Diagnose stellen.
VI. Kongresse und Vereine.
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte, 4. Dezember,
Nachmittags 4!/, Uhr, Bürger-Hospital, Cöln.
Zweiter Kongress der russischen Oto-Laryngologen.
Moskau, 8--12. Jannar 1911.
Themata: 1. Adenotomie und ihre Komplikationen — Referent Prof. Nikitin’
2. Die Obrenkrankheiten des Kindesalters — Referent Dr. med. Baron Spengler —
61] Personalia. 453
werden in gemeinsamer Sitzung mit der Gesellschaft der Kinderürzten zur Dis-
kussion gestellt.
Eine Sitzung wird zusammen mit dem Taubstumm-Lehrer-Kongress stattfinden.
Exekutivkomitee: A. Iwanoff, Vorsitzender, Swerschewky, Schrift-
führer, Probrajensky, Schatzmeister. Mitglieder: St. von Stein, Maljutin,
Resser, Ran, Spengler, Litschkuss.
III. Internationaler Laryngo-Rhinologen-Kongress.
Berlin, 28. August bis 2. September 1911.
VI. Personalia.
Herr Prof. Denker wurde für 1910-11 zum Dekan der Medizinischen
Fakultät der Universität Erlangen gewählt.
Herr Stabsarzt Dr. Bruno Oertel, bisher kommandiert zur Kaiser
Wilhelmakademie, ist zum Professor der Oto-Laryngologie an der Akademie in
Düsseldorf ernanns.
Herrn Stabsarzt, Privatdozent Dr. Isemer ist der Professortitel verliehen
worden.
Herr Geheimrat, Professor Dr. Arthur Hartmann hat seine Stellung
am Rudolf Virchow-Krankenhause niedergelegt und gedenkt im April dieses Jahres
nach Heidenheim in Württemberg überzusiedeln.
Gestorben: Herr Ednard Cresswell Baber.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 4. 30a
Über eine eigenartige Erkrankung der Mund-
und Rachenschleimhaut.
Von
Prof. 0. Frese, Halle a. S.
Auf dem Gebiet der entzündlichen Mund- und Rachenkrank-
heiten gibt es zahlreiche, selbst gewóhnliche Affektionen, die noch
wenig genau bekannt und namentlich ätiologisch dunkel sind, wie
jedem auffällt, der sich mit diesen Dingen näher beschäftigt. Die
Gründe liegen hierfür hauptsächlich in den eigenartigen Verhält-
nissen der Mund-Rachenhóhle. Atiologisch differente Erkrankungen
haben häufig eine grosse Ähnlichkeit miteinander, besonders wenn
man nicht die allerersten Entwicklungsstadien zu Gesicht bekommt.
Unter dem Einfluss der Körperwärme, der beständigen Benetzung
mit Flüssigkeit und der Reibung der Teile beim Sprechen, Kauen
und Schlingen verwandeln sich alle oberflächlichen Schleimhaut-
effloreszenzen gewöhnlich schnell in geschwürige Prozesse. Blasen-
bildungen z. B. sind meist nur von so kurzem Bestande, dass sie
leicht übersehen werden können. Die in jeder gesunden und noch
mehr in jeder kranken Mundhöhle zahlreich vorhandenen Mikro-
organismen erschweren die ätiologische Forschung, da man häufig
im Zweifel bleibt, ob es sich um die wirklichen. Krankheitserreger
handelt.
Kompliziert wird die Sachlage noch dadurch, dass nicht selten
Mischinfektionen eintreten, die das ursprüngliche Krankheitsbild
völlig verändern und damit die Deutung erschweren können. Bei
allen Mund-Rachenerkrankungen haben wir uns ferner die Frage
vorzulegen, ob es sich um eine Teilerscheinung einer allgemeinen
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 5. 81
456 O. Frese. [2
Erkrankung des Kórpers oder um eine rein lokale Affektion handelt,
eine Frage, die nicht immer leicht zu entscheiden ist.
Schliesslich erschwert die Verschiedenheit der Beobachter, denen
die einzelnen Fälle zugänglich werden (Halsarzt, Dermatologe, innerer
Kliniker), eine einheitliche Registrierung und Deutung.
So ist es zu verstehen, dass bisher in den meisten Fällen nur
eine Gruppierung nach klinischen, nicht nach ätiologischen Gesichts-
punkter möglich ist.
Bis in die neueste Zeit hinein sind ganz differente Erkrankungen
auf Grund einer gewissen äusseren Ähnlichkeit miteinander ver-
wechselt oder zusammengestellt worden.
Unser Bestreben muss demnach auf das Ziel gerichtet sein, —
mehr als bisher, klinisch scharf umschriebene und wo-
möglich ätiologisch gesonderte Krankheiten und
Krankheitsgruppen abzugrenzen. Hierzu ist notwendig eine
genaue Analyse und Registrierung einschlägiger Beobachtungen.
Einen Beitrag sollen nach dieser Richtung die folgenden Fälle
geben, die manches. Interessante darbieten und deren Einreihung
in das Schema der bekannten Erkrankungen Schwierigkeiten machte.
Bei allen Patienten, die sämtlich aus einem kleinen Dorf
stammten, handelte es sich um ein rezidivierendes Auftreten kleinerer
und grösserer Geschwüre auf der Mund- und Rachenschleimhaut.
Bei dem ersten Fall, den ich sah, waren alle Erscheinungen
am meisten ausgesprochen. Seine Krankengeschichte ist die folgende:
A. L. 19 J., Schneiderin.
Stammt aus gesunder Familie Die Eltern leben, die Mutter
hat dasselbe Leiden (siehe unten), ein Bruder lebt und ist gesund.
Patientin selbst ist, abgesehen von dem lokalen Leiden, stets ge-
sund gewesen. Seit dem 7. bis 8. Lebensjahre treten 1—2 mal
im Jahre kleine Geschwüre in der Mundrachenhöhle auf, besonders
an der Lippen- und Wangenschleimhaut. Jede Attacke dauerte
3—4 Wochen und war mit keiner Störung des Allgemeinbefindens
verbunden. Die Affektion trat nicht zu einer bestimmten Jahres-
zeit auf und zeigte späterhin keinen zeitlichen Zusammenhang mit
den Menses. Hauteffloreszenzen waren niemals vorhanden.
Seit 3/, Jahren hat sich das Bild insofern geändert, als seit
dieser Zeit ein dauernder Nachschub neuer Geschwiire stattgefunden
hat, während die älteren zum Teil abheilten, zum Teil aber viel
länger als früher bestehen blieben und auch grössere Dimensionen
annahmen. Als ich Pat. zum erstenmal sah, bestand ein Geschwür
an der Lippe bereits seit 8 Wochen, ein solches an der linken Mandel
3] Über eine eigenartige Erkrankung der Mund- u. Rachenschleimhaut, 457
seit 3 Monaten. Die Geschwüre entstehen nach Angabe der Pat.
aus kleinen roten, sich derb anfühlenden Flecken, die sehr bald
in der Mitte ein kleines gelbes Stippchen bekommen und sich dann
schnell in Geschwüre umwandeln. Blasenbildung ist, wie Pat. be-
stimmt versichert, niemals vorgekommen. Ihre subjektiven Be-
schwerden bestehen in sehr unangenehmen Schmerzen beim Kauen
und Schlingen. Das Körpergewicht hat infolge mangelhafter Nahrungs-
aufnahme in den letzten Monaten erheblich abgenommen. Fieber
soll niemals vorhanden gewesen sein. Eine Behandlung hat bis-
her nicht stattgefunden.
Der objektive Befund war folgender:
Grazil gebautes Mädchen; mittlerer Ernährungszustand, -Haut
und Schleimhäute etwas blass. Innere Organe o. Bes. An der Schleim-
haut der Oberlippe, entsprechend der Gegend des 1. rechten Prä-
molaris findet sich ein ca. 1 em langes, ovales Geschwür, das im
Niveau 1—2 mm tiefer liegt als die umgebende Schleimhaut, die
wenig gerötet, aber etwas gedunsen erscheint und sich weich an-
fühlt. Das Geschwür zeigt einen scharfen Rand und einen gelb-
grauen Belag, der sehr fest haftet und sich nur mit dem scharfen
Löffel entfernen lässt, wobei es blutet. Zwei ähnliche linsengrosse
Geschwüre finden sich auf der linken Wangenschleimhaut und rechts
auf der Zungenoberfläche. Ein grösseres Ulkus von reichlich 1!1/, cm
Länge, 1/ cm Breite und ca. 3 mm Tiefe nimmt den linken hinteren
Gaumenbogen ein und greift von da noch etwas auf die nicht ver-
grösserte Tonsille über.
Die Umgebung dieses Geschwürs ist gerötet und leicht in-
filtriert; auch der linke Seitenstrang ist deutlich geschwollen. Der
graugelbe Belag haftet dem Geschwürsgrunde fest an. Die Zunge
ist belegt und weist seitliche Zahneindrücke auf. Das Zahnfleisch
befindet sich in gutem Zustande. Das Gebiss ist vollzählig und ohne
jede Karies.
Auf der Wangenschleimhaut sind beiderseits einige, bis linsen-
grosse, flache Narben zu erkennen; hier sollen früher Geschwüre
bestanden haben. Foetor ex ore ist nicht vorhanden. Die Hals-
lymphdriisen sind nicht geschwollen. Der Nasen-, Nasen-Rachen- und
Kehlkopf-Befund ist normal.
8 Tage später war das Geschwür an der Zunge und an der
linken Wange abgeheilt; letzteres mit Hinterlassung einer flachen,
reizlosen Narbe. Das Ulkus an der Oberlippe hatte sich verkleinert,
das am Gaumenbogen dagegen sich noch erheblich nach der Mandel
zu vergrössert; es war gleichzeitig tiefer und schmerzhafter ge-
worden.
81*
458 . O. Frese. [4
An der Zunge war ein neuer erbsengrosser, gelbbelegter Sub-
stanzverlust aufgetreten. Foetor ex ore war auch diesmal nicht vor-
handen. Mehrtügige Messung der Körpertemperatur hatte normale
Werte ergeben.
14 Tage später war der Befund noch ein ähnlicher, nur war
der Zungenbelag geringer geworden.
Ich sah dann Patientin längere Zeit nicht, bis sie sich 3 Monate
später wieder vorstellte. Nach der Erzählung war der Verlauf der
Erkrankung derselbe wie früher geblieben. Seit einigen ‚Wochen
hatte sie über stärkere Schluckschmerzen, die ins linke Ohr aus-
strahlen, zu klagen.
Das grosse Geschwür an der linken Mandel war inzwischen
mit Narbenbildung abgeheilt, ebenso fand sich eine flache, etwas
strahlenfórmige Narbe rechts an der Oberlippe (das Geschwür gn
dieser Stelle soll vor 3 Wochen geheilt sein) Ein neuer Ulkus
von ca. 2 cm Länge und von mehreren mm Tiefe fand sich an
der unteren hinteren Rachenwand, in den Eingang des linken Sinus
piriformis sich erstreckend. Dasselbe zeigte in der Umgebung einen
mässigen Infiltrationswall und war mit fest anhaftendem gelbgrauem
Belage versehen. Der Kehlkopf war frei. Ferner fand sich ein
ca. 2 mm tiefes frisches Geschwür links an der Schleimhaut der
Unterlippe, ferner ein linsengrosser Defekt an der linken Zungenseite.
Als ich Pat. 4 Wochen später (zum letztenmal) wiedersah,
ging es ihr subjektiv und objektiv viel besser. Das grosse Ge-
schwür an der hinteren Rachenwand hatte sich völlig gereinigt,
doch sah man noch deutlich einen ziemlich tiefen rinnenförmigen
Substanzverlust der Schleimhaut. Die übrigen Ulzera waren sämt-
lich, zum Teil wieder mit flacher Narbenbildung, geheilt. Nur an
der Schleimhaut der Unterlippe, links, fand sich eine kleine frische
geschwürige Stelle.
Die Behandlung war eine rein symptomatische und bestand
neben Betupfung der Geschwüre mit Jodtinktur in reichlicher Ein-
streuung von Anästhesin resp. Zykloform, wodurch eine erhebliche
Milderung der Schmerzen herbeigeführt wurde.
Von den einzelnen Geschwüren wurden zu verschiedenen Zeiten
Abstriche gemacht, deren mikroskopische Untersuchung nichts
Charakteristisches ergab. Wurde das Material mehr aus der Tiefe
entnommen, so fanden sich nur spärliche Mikroorganismen in Ge-
stalt einzelner Kokken. Niemals fanden sich fusiforme Bazillen oder
Spirillen, ebenso keine Tuberkelbazillen. Aus Gewebspartikeln, die
vom Rande eines frischen Geschwiires steril entnommen waren,
wuchsen nur Staphylokokken.
5] Über eine eigenartige Erkrankung der Mund- u. Rachenschleimhaut. 459
Die anatomische Untersuchung eines, bis in die Submukosa
reichenden Gewebsstückes, das ebenfalls vom Rande eines Geschwürs
stammte, ergab im Bereich der Ulzeration einen völligen Verlust
des Epithels. Im Bereich der Mukosa fanden sich fibrinöse Massen,
die reichlich mit Leukozyten durchsetzt waren. Ziemlich starke
Vaskularisation und leukozytäre Infiltration mit dem Charakter
frischer Entzündung reichte bis zur basalen Schnittfläche (d. h. bis
in die Submukosa hinein).
Die Wassermannsche Reaktion ergab ein völlig negatives
Resultat. |
Die Mutter der Patientin, die naeh Aussage der Tochter das-
selbe Leiden haben sollte, habe ich zweimal gesehen.
Die 40 jährige Frau gab an, dass dasselbe seit etwa 15 Jahren,
also schon etwas länger als bei ihrer Tochter, bestehe. 3—4 mal
im Jahre treten jedesmal nur einige Geschwüre (oft nur 1—2) im
Munde auf, wo sie sich auf beiden Seiten, namentlich an der Wangen-,
Lippen- und Zungen-Schleimhaut zeigen. Die Entstehung der Ge-
schwüre schildert sie genau so wie die Tochter, d. h. dieselben
entstehen aus kleinen, derben, geröteten Stellen, in deren Mitte sich
bald ein kleiner gelber ‚Fleck zeigt, der sich schnell zu einem
Geschwür vergrössert. Hauterscheinungen sind niemals vorhanden
gewesen. Die Eruption der Flecken vollzieht sich ohne Störung des
Allgemeinbefindens. Nach 1—-3 Wochen tritt Heilung ein. So schwere
Erscheinungen wie in letzter Zeit bei der Tochter, sind” niemals
vorhanden gewesen. Ein Zusammenhang mit den Menses war auch
in diesem Falle nicht zu konstatieren. Der Gesundheitszustand soll,
abgesehen von dem lokalen Leiden, stets gut gewesen sein.
Es war nun interessant, dass ieh bei der ersten Untersuchung
gerade die Entstehung eines Geschwüres beobachten konnte. Auf
der Schleimhaut der Oberlippe, in der Mitte derselben, fand sich
ein linsengrosses, sich ziemlich derb anfühlendes Infiltrat, das bis
in die Submukosa reichte und über die Umgebung in geringem Grade
prominierte. Die Schleimhaut war im Bereieh des Infiltrats leicht
gerötet, ohne zyanotische Beimischung; eine scharfe Grenze war
nicht vorhanden. Genau in der Mitte des Infiltrats fand sich eine
stecknadelspitzgrosse, gelb belegte, ziemlich tiefe Einsenkung
( Nekrose). |
An der Unterlippe war eine flache, linsengrosse Narbe zu sehen
(hier .soll vor 6 Wochen on Geschwür gesessen haben).
Zähne und Zahnfleisch befanden sich in gutem Zustande; Foetor
ex ore war nicht vorhanden.
460 O. Frese. [6
8 Tage spüter war das, beim ersten Besuch erst in Entstehung
begriffene Geschwür, bereits wieder in Abheilung begriffen. Neue
Gesckwiire waren seitdem noch nicht wieder aufgetreten.
Nach den Erzáhlungen von Mutter und Tochter sollten in ihrem
Heimatdorf noch 3 Personen vorhanden sein, die an derselben Krank-
heit laborieren. Bisher habe ich erst eine derselben zu Gesicht
bekommen.
O Bech. Kaufmann, 40 Jahre alt, leidet seit ca. 1 Jahr daran.
Seit dieser Zeit hat er dauernd Geschwüre gehabt, indem sich
ungefähr alle 8 Tage eine neue Stelle bildete, während das voran-
gegangene Geschwiir nach 8—1l4tagigem Bestande abheilte. Er
schildert die Entstehung derselben in der gleichen Weise wie die
anderen Patienten, mit denen er übrigens in keinem. Verkehr ge
standen hat. Stórungen des Allgemeinbefindens sind auch bei ihm
nicht vorhanden. Als ich den Patienten sah, war je ein erbsengrosses
flaches Ulkus an Oberlippe und Zunge vorhanden von genau dem-
selben Aussehen wie bei den kleineren Geschwüren des jungen
Mädchens.
Rachen, Nasen-Rachen und Kehlkopf waren frei. Zahnfleisch
und Zähne boten nichts Besonderes dar. Foetor ex ore bestand
nicht.
Bei allen Patienten handelt es sich demnach um ein, sich zum
Teil über Jahre erstreckendes rezidivierendes Auftreten
disseminierter kleinerer und grösserer Geschwüre
auf der Schleimhaut der Mund- und Rachenhöhle
Dieselben bilden sich namentlich an der Lippen-, Wangen- und
Zungen-Schleimhaut; in einem Falle aber besonders ausgesprochen
auch an der Rachenwand. Das Zahnfleisch bleibt unbeteiligt. Foetor
ex ore fehlt. Die Geschwüre gehen hervor aus einem bis in die
Submukosa reichenden Infiltrat, in dem sich zuerst eine kleine zentrale
Nekrose bildet.
Die Ulzerationen sind meist lànglich gestaltet, linsen- bis erbsen-
gross, im allgemeinen von ziemlich geringer Tiefe, scharf um-
sehrieben, aber meist ohne stürkere entzündliche Reaktion der Um-
gebung. Eine Stórung des Allgemeinbefindens ist mit der Eruption
der Geschwüre nicht verbunden. Die Abheilung erfolgt bei den
tieferen Geschwüren mit. Hinterlassung von Narben. Die mikro-
skopische Untersuchung ergab im Bereich der Geschwiirsbildung
einen vollkommenen Verlust des Epithels und eine, mit Bildung
reichlicher fibrinóser Pseudomembranen einhergehende leukozytäre
7) Über eine eigenartige Erkrankung der Mund- u, Rachenschleimhaut. 461
Infiltration der Mukosa; die Entzündung setzte sich bis in den Be-
reich der Submukosa fort.
Bei der bakteriologischen Untersuchung fanden sich keine charak-
teristischen Mikroorganismen. Kulturell wuchsen Staphylokokken.
Auffällig war in einem Falle die seit ?/, Jahren eingetretene
bedeutende Verschlimmerung des sonst gleichartigen Leidens, die
sich einerseits in einer vermehrten Bildung von Geschwüren, anderer-
seits in einer grösseren Ausdehnung derselben nach der Fläche und
Tiefe zu und in ihrer geringen Heiltendenz ausdrückte. Es schien
sich dabei nur um eine Steigerung des ursprünglichen Krankheits-
prozesses zu handeln, da keine Anhaltspunkte für eine Mischinfektion
vorlagen.
Für das Auftreten der Geschwüre liessen sich weder lokale
Momente (Gebissdefekte, Prothesen etc.) noch Konstitutionsanomalien
verantwortlich machen. Bei den weiblichen Personen war ferner
kein zeitlicher Zusammenhang mit den Menses zu konstatieren.
Schliesslich erscheint noch bemerkenswert, dass es sich bei den
ersten Fällen um Mutter und Tochter handelt, und dass alle Patienten
aus einem kleinen Dorf von 700 Einwohnern stammten, ohne dass
sich aber bestimmte Anhaltspunkte für eine Übertragung von Person
zu Person oder besondere endemische Verhältnisse (in betreff Wasser-,
Milchversorgung usw.) nachweisen liessen.
Es fragt sich nun, unter welche Rubrik bekannter Mund- Rachen-
Affektionen die vorliegenden Fälle einzureihen sind.
Bei oberflächlicher Betrachtung, namentlich in den beiden Fällen,
wo der Verlauf ein milderer war, könnte man versucht sein, an sog.
rezidivierende Stomatitis aphthosa zu denken. Manche
Ärzte sind geneigt, kleinere entzündliche „Flecken“ und Geschwüre
in der Mund-Rachenhöhle ohne weiteres als ‚„Aphthen‘“ anzusprechen.
Bis in die neuere Zeit hinein wurde bekanntlich auch wissenschaft-
lich mit diesem Namen Missbrauch getrieben und ganz heterogene
Dinge unter demselben zusammengefasst. So war früher eine Ver-
wechslung resp. ‚Identifizierung mit Soor etwas Gewóhnliches.
Mackenzie hat z. B. in seinem bekannten Handbuch der Hals-
und Nasenkrankheiten beide Affektionen noch als identisch behandelt.
Selbst in Lehrbüchern neueren Datums findet sich gelegentlich keine
scharfe Trennung der gewóhnlichen Aphthen von der Stomatitis epi-
demica, der Maul- und Klauenseuche, einer spezifischen Infektions-
krankheit. Auch über die Entwickelung der Aphtheneffloreszenzem.
findet man nicht selten unrichtige Angaben, indem z. B. ihre Ent-
stehung aus Bläschen behauptet wird. |
162 O. Frese. [8
Bohn!) und E. Frankel?) verdanken wir eine scharfe Be-
griffsbestimmung der Stomatitis aphthosa, der sich die meisten
neueren Autoren?) angeschlossen haben.
. Naeh Bohn ist die Bezeichnung ,,Aphthen“ für diejenigen Bil-
dungen zu reservieren, die zu keiner Zeit ihres Bestehens Flüssig-
keit enthalten und typisch auch keine eigentlichen Geschwüre hinter-
lassen. Es handelt sich klinisch um schnell entstehende, hanfkorn-
bis linsengrosse grau-gelbliche Flecken, die wenig über die Schleim-
haut-Oberfläche prominieren und einen schwachen, roten Saum haben.
Der graugelbe „Belag“ lässt sich nur schwer entfernen; im weiteren
Verlauf bildet sich häufig eine flache Erosion, die nach einigen
Tagen ohne Narbenbildung abheilt. Stärkerer Foetor ex ore fehlt.
Nach E. Fränkel, der eingehende anatomische Untersuchungen
von Aphtheneffloreszenzen vorgenommen hat, liegt mikroskopisch eine,
mit Abtötung des Epithels einhergehende Bildung eines fibrinósen
Exsudats vor, an dessen Zustandekommen Leukozyten einen her-
vorragenden Anteil haben. Das darunterliegende eigentliche Schleim-
hautgewebe ist in den Prozess nicht mit einbezogen. Dadurch ist
es verständlich, dass nach Abstossung der auf die Epithelschicht
beschränkten Pseudomembran kein eigentliches Ulkus, kein aphthöses
Geschwür zurückbleibt, sondern dass eine flache, lediglich durch
das Fehlen des Deckepithels bedingte Erosion vorliegt. Dement-
sprechend fehlt Narbenbildung.
Bekanntlich tritt die Stomatitis aphthosa am häufigsten bei
Kindern, zur Zeit der ersten Dentition, auf und macht hier mit dem
fieberhaften Beginn und typischem Verlauf durchaus den Eindruck
einer Infektionskrankheit. Doch kommen Aphthen auch bei Er-
wachsenen vor und zwar nieht selten in rezidivierender Form, so
dass jahrelang von Zeit zu Zeit neue Eruptionen auftreten, bei
Frauen manchmal im Zusammenhang mit den Menses. In anderen
Fällen hat man in Konstitutionsanomalien, in lokalen Verhältnissen
der Mundhöhle (schadhafte Zähne, schlecht sitzende Prothesen) dis-
ponierende Momente für das wiederholte Auftreten der Aphthen
sehen wollen.
Ob freilich alle, in der Literatur als rezidivierende .Aphthen
bezeichneten Fälle wirklich Aphthen gewesen sind, im Sinne der
oben gegebenen Definition, erscheint mir recht zweifelhaft. Nament-
') Gerhardts Handb. d. Kinderkrankheiten. Bd. IV. II. Abt. S. 32.
*) Virchows Archiv. Bd. 113. S. 484.
3) Siehe u. a. Kraus: Die Erkrankungen der Mundhöhle und der Speise-
róühre Nothnagels spec. Path. und Therapie. Bd. XVI (hier auch weitere
Literatur).
9] Über eine eigenartige Erkrankung der Mund- u. Rachenschleimhaut. 163
lich mit rezidivierendem Herpes können leicht Verwechslungen unter-
laufen, zumal manche Autoren die Aphthen aus „Bläschen“ ent-
stehen lassen.
E. Fränkel hat gewiss recht, wenn er sagt, dass bei Er-
wachsenen Mundhóhlenerkrankungen vorkommen, die durch ihr herd-
weises Auftreten grosse Ähnlichkeit mit dem aphthösen Prozess dar-
bieten, aber anatomisch ein durchaus anderes Bild als Aphthen
geben.
Vergleichen wir nun das Verhalten unserer Fälle nut der oben
gegebenen Definition der Stomatitis aphthosa, so ist nur insofern
eine äussere Ähnlichkeit vorhanden, als es sich um rezidivierende,
meist kleinere Geschwüre handelt, die nicht mit Foetor ex ore ver-
bunden sind. Bei genauerer Betrachtung sind erhebliche anatomische
und klinische Unterschiede vorhanden. In den vorliegenden Fällen
handelt es sich um einen entzündlichen Prozess, der bis zur Sub-
mukosa reicht wie aus dem klinischen Befund und der ana
tomischen Untersuchung hervorgcht ; dementsprechend sind nicht nur
Erosionen, sondern eigentliche Geschwüre vorhanden, die zum Teil
sogar ziemlich erhebliche Flächen- und Tiefenausdehnung erlangten.
Auch die Entstehung der Geschwüre war eine andere als beihn
Aphthenplaque; während es sich bei diesem um eine ‚Abstossung
der oberflächlichen abgestorbenen Epithelschicht handelt, kam es
hier zuerst in der Mitte des Infiltrats zu einer punktförmigen, von
vornherein mehr in die Tiefe gehenden zentralen Nekrose. Ent-
sprechend der tiefergreifenden Gewebszerstórung war im Gegensatz
zu Aphthen nach der Heilung wiederholt Narbenbildung nachweis-
bar. Klinisch unterschied sich der erste Fall noch besonders dadurch
von Aphthen, dass die Geschwüre sich nachträglich noch vergrösserten
und eine sehr geringe Heiltendenz aufwiesen.
Differentialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen sind ferner
herpetischeErkrankungen der Mund-Rachenhöhle (Stomato-
pharyngitis herpetica). Auch in betreff dieser Affektionen machen
sich diagnostische Schwierigkeiten und divergierende Anschauungen
der Beobachter geltend. Die Ätiologie ist wahrscheinlich bei sym-
ptomatisch ähnlichen Formen verschieden; manchmal handelt es
sich nur um eine Begleiterscheinung eines anderen Leidens, manch-
mal um eine anscheinend selbständige Erkrankung. Ebenso wie bei
Aphthen kommen rezidivierende Formen vor, indem von Zeit zu
Zeit einzelne oder mehrfache Bläschen auftreten, die sich schnell
in seichte Erosionen verwandeln, z. B. bei Weibern während der
Menstruation.
454 O. Frese. [10
Nicht selten finden sich gleichzeitiz Herpesbläschen auf der
äussere: Haut. Flatau!, z. B. hat einen Fall beschrieben. wo
gleichzeitig ein Herpes prozenitalis vorhanden war.
Bei meinen Patienten ist eine Blasenbildung niemals zur Be
obachtung gekommen, die Entstehung der Geschwüre war vielmehr
eine ganz andere. Beim Herpes handelt es sich ferner um einen
vanz oberflächlichen Schleimhautprozess, der keine Narbenbildung
hinterlässt; auch stehen die einzelnen Effloreszenzen zewöhnlich
gruppiert, was hier niemals der Fall war. Tiefere Geschwüre können
beim Herpes zoster vorkommen; seine meist strenge Halbseitigkeit
und die ihn begleitenden neuralgischen Schmerzen unterscheiden ihn
hinreichend von meinen Fallen.
Aus denselben Gründen wie Herpes sind andere blasenbildende
Prozesse auszuschliessen, wie z. B. Pemphigus. Der letztere kann
unter Umstánden, bevor es zu Hauteruptionen kommt, die Mund-
Rachenhohle allein befallen. Wenn dabei die Blasen auch sehr
ephemerer Natur sind und daher leicht übersehen werden können,
80 bemerkt man doch stets Residuen derselben in Gestalt von weiss-
lichen Epithelfetzen; ferner ist der Entzündungsprozess in un-
komplizierten Fällen ein ganz oberflächlicher, und über kurz oder
lang stellen sich auch Blasen auf der Haut ein, womit dann die
Diagnose gesichert ist. Bekanntlich zeichnet sich ausserdem der
Schleimhautpemphigus durch einen besonders ungünstigen Verlauf
aus, alles Momente, die für die hier in Rede stehenden Fälle nicht
zutreffen.
Eine Abgrenzung ist ferner erforderlich von der Gruppe des
Erythema exsudativum multiforme.
Dasselbe tritt bekanntlich meist auf der äusseren Haut auf, wo
es die Streckseiten der Extremitäten bevorzugt und in symmetrischer
Weise besonders an Hand- und Fussrücken vorkommt. Daneben
wird nicht selten die Schleimhaut der Mund-Rachenhöhle befallen,
die zuweilen auch allein erkranken kann. Hier tritt das Erythema
multiforme mit Vorliebe an der Ober- und Unterlippe und den an-
grenzenden Wangenteilen auf. Wie sein Name besagt, kann der
äussere Anblick ein sehr verschiedener sein, und man unterscheidet
danach eine hyperámische, eine papulóse, eine vesikulóse und ulzeróse
Form. An der Schleimhaut ist das papulóse Infiltrat am haufigsten ;
es finden sieh dabei vorwiegend an der Lippenschleimhaut in be-
schránkter Zahl erbsengrosse Infiltrate, die leicht über das Schleim-
hautniveau prominieren und meist dunkelviolett gefärbt sind. Häufig
ist ein Rezidivieren der Erkrankung in regelmässigen Intervallen.
1) Deutsch. med. Wochenschrift. 1891.
11] Über eine eigenartige Erkrankung der Mund- u. Rachenschleimbaut. 465
In unseren Fällen könnte es sich lediglich um eine papulo-
ulzeröse Form handeln. Recht ungewöhnlich müsste es von vornherein
erscheinen,. dass in sämtlichen Fällen trotz zum Teil jahrelangen Be-
standes niemals Hauteruptionen vorgekommen sind, auch entspricht
das durch längere Zeiträume fortgesetzte, sukzessive Auftreten
einzelner Geschwüre, wie bei dem ersten und dritten Fall, nicht
den Verhältnissen beim Erythema multiforme. Ferner fehlte jede
Gruppierung der Infiltrate resp. Geschwüre, wie sie bei dieser Er-
krankung die Regel ist. Schliesslich ist die Entzündung der die
Papel oder das Geschwür umgebenden Schleimhaut beim Erythema
multiforme meist sehr ausgesprochen — es finden sich häufig dunkel-
rote oder blutig tingierte Säume —, während in den vorliegenden
Fällen die Reaktion in der Umgebung meist ziemlich gering war.
Beim Erythema urticatum, das dem Erythema multiforme
nahe steht, handelt es sich gewöhnlich um sehr kleine Effloreszenzen
mit dunkelrotem Saum, die ausserdem von flüchtiger Natur sind, also
eher mit Aphthen als mit der hier in Rede stehenden Erkrankung
verwechselt werden könnten.
Auszuschliessen bei der Differentialdiagnose sind alle Stoma-
titisformen, die mit einer Entzündung des Zahnfleisches
einhergehen (Stomacace, Stomatitis ulcerosa membranacea), denn in
meinen Fällen war das Zahnfleisch völlig intakt und fehlte jeder
Foetor, der sich regelmässig bei allen gingivalen Affektionen einstellt.
Schliesslich habe ich in dem ersten Fall auch eine Sporo-
trichosel) in Erwägung gezogen, wie sie neuerdings namentlich
von französischen Autoren beschrieben worden ist. Wenn ich auch
selbst noch keinen derartigen Fall gesehen habe,’ so passt doch
nach den Beschreibungen weder der klinische Verlauf noch das
Krankheitsbild zu diesem Leiden. Pilzelemente wurden in den Ge-
Schwüren nicht nachgewiesen (spezielle Züchtungsversuche sind
nicht angestellt worden). |
Bei dem jungen Mädchen hätte man allenfalls auch an Lues
denken können; die tieferen Geschwüre am Rachen hatten eine ge-
wisse Ähnlichkeit mit gummösen Prozessen, wenn das umgebende
Infiltrat und die Tiefenentwickelung der letzteren gewöhnlich auch
grösser ist. Gegen Lues sprach von vornherein das eigenartige
rezidivierende Auftreten der Effloreszenzen seit vielen Jahren und
der verhältnismässig kurze Bestand der meisten Geschwüre. End-
lich war in dem Fall I, der hier namentlich in Betracht kommt,
die Wassermannsche Reaktion völlig negativ.
1) Siehe Bruno Bloch: Die Sporotrichose. Beihefte der Med. Klin. 1909.
(Hier auch Literatur).
466 O. Frese: Üb. eine eigenart. Erkrank. d. Mund- u. Rachenschleimhaut. [12
Tuberkulose war nach dem ganzen Verlauf und Aussehen
der Fälle auszuschliessen, zumal keine Tuberkelbazillen nachzu-
weisen waren. |
Ich komme somit zu dem Schluss, dass die vorliegenden Fälle
sich keinem, der in der Literatur festgelegten Krankheitsbilder un-
gezwungen subsummieren lassen, womit ich aber keineswegs sagen
will, dass Ähnliches nicht auch sonst schon beobachtet wäre. Ich
bin sogar fest überzeugt, dass derartige Fälle manchem bekannt
sein, aber wohl meistens unter der Diagnose ,,rezidivierende Aphthen"
gehen werden. Zuweilen liest man auch von rezidivierenden ,.ent-
zündlichen Defekten" an der Mund- und Rachenscehleimhaut, wobei
es sich vielleicht um die hier beschriebene Affektion gehandelt hat.
Die Átiologie meiner Fille ist, wie bei den meisten entzünd-
lichen Mund-Rachenerkrankungen, Völlig dunkel. Dem Nachweis von
Staphylokokken möchte ich aus naheliegenden Gründen keine átio-
logische Bedeutung beimessen. Das Auftreten sämtlicher Fälle in
einem kleinen Ort erlaubt keine sicheren Schlüsse auf einen in-
fektiösen Ursprung, wie schon oben ausgeführt ist; das Vorkommen
bei Mutter und Tochter könnte auch als Ausdruck einer gemein-
samen Konstitutionsanomalie gedeutet werden, wofür sich aber weder
anamnestisch noch bei der körperlichen Untersuchung irgend ein
Anhaltspunkt gewinnen liess.
Die Diagnose einschlägiger Fälle muss daher vorläufig eine
klinische bleiben; da ich eine Identifizierung der vorliegenden Er-
krankung mit einer der in der Literatur beschriebenen entzünd-
lichen Mund-Rachenerkrankungen nicht für angängig halte, möchte
ich dieselbe vorläufig mit dem nichts präjudizierenden Namen einer
Stomatopharyngitis ulcerosa disseminata belegen.
Klinisehe und pathologische Beitráge zu den
Erkrankungen der oberen Luftwege.
II. Zur Pathologie der Kieferzysten !).
Von
Dr. R. Hoffmann.
Mit 2 lith. und 1 Buchdrucktafel, sowie 1 Abbildung im Text.
Über die Kieferzysten sind besonders in den letzten Jahren eine
grosse Reihe von Arbeiten erschienen, welche diesen Gegenstand
mehr oder weniger erschópfend zu behandeln streben. Ich móchte
im folgenden nur auf einige wenige Punkte aus der Pathologie dieser
Kieferzysten oder richtiger gesagt, Zahnzysten eingehen, die mir nach
dem Studium der Literatur beachtenswert erscheinen und die ich
glaube durch, eigene Beobachtungen stützen bezw. ergänzen zu können.
Da möchte ich mich zunächst im folgenden mit dem mikro-
skopischen Verhalten der Zystenwand und besonders noch mit dem
Epithelüberzug derselben beschäftigen. Dazu ist es nötig, dass ich
kurz auf die Pathogenie der Zahnzysten eingehe. Dabei werde ich
dann zugleich die bisherigen mikroskopischen Befunde anreihen.
Man scheidet die Zabnzysten bekanntlich nach dem Vorgang von
Magitot (1) in follikuläre und periostale, richtiger periodontale Zysten.
Die follikulären Zysten entstehen im Anschluss an Störungen, welche
den Zahnfollikel betreffen und je nachdem solche Störungen in der
embryoplastischen, odontoplastischen oder der Koronar -Periode der
Zahnentwickelung einsetzen, unterscheidet man Zysten dieser ver-
schiedenen Perioden. Die Wand dieser Zysten besteht aus einem
1) Nach einem Vortrage auf der Naturforscherversammlung in Kurlsbad 1902.
468 R. Hoffmann. [2
ziemlich derben fibrósen Balge, ihr Epithelüberzug ist zumeist ein
hóheres, mehr kubisches, manchmal zylindrisches, dem Schmelzepithel
ähnliches Zellstratum, seltener ist das Epithel flach. In der Zysten-
wand liegen entweder retinierte, im Gebiss fehlende Zähne voll oder
kümmerlich entwickelt, oder zerstreut liegende plättchenförmige Zahn-
rudimente, deren Zahl wechselt (Partsch (2). Diesen follikulären
Zysten im engeren Sinne, bei denen der betroffene Zahn in der
Zahnreihe fehlt, stehen die gleicher Art gegenüber, die aus einer
überzähligen Zahnanlage entstehen. Sie finden sich nicht bloss im
Alveolarfortsatze, sondern beliebig im Ober- oder Unterkiefer, in der
Nase, in der Kieferhóhle, am Gaumen, in der Orbita: paradentäre
Zysten, paradentüre heterotope Zysten. Hierbei ist die Zahnreihe
voll vorhanden.
Die zweite Form von Zysten, die periodontalen sind viel háufiger
als die follikuláren. Man bezeichnet dieselben besser als periodontale
Zysten, da sie nicht vom Periost der Alveole, sondern vom Perio-
dontium ausgehen. Sie entwickeln sich im Anschluss an chronisch
entzündliche Zustände der Zahnwurzeln und präsentieren sich in
ihren Anfängen klinisch als jene kleinen hanfkorn- bis kirschkern-
grossen Neubildungen an der Wurzelspitze, wie man sie so häufig
bei der Extraktion kariöser Zähne findet. Die Wand dieser Zysten
wird aussen gebildet von einem derben, ziemlich straffaserigen Binde-
gewebe. Das straffaserige Bindegewebe geht nach dem Zahn zu in
ein Granulationsgewebe über, das sich in Form von Vorsprüngen und
Wülsten erheben kann. In die Zyste ragt von unten her die Wurzel
des ätiologisch wirksamen Zahns hinein. Diese Verhältnisse demon-
striert Fig. B, auf Tafel XXI. Weiter innen ist die Zyste von Epithel
überkleidet, das, wie man jetzt allgemein annimmt, den Malassez-
schen (3) Epithelresten entstammt, Epithelresten, die bei der Bildung
des Schmelzorgans der Zähne nicht verwandt wurden und normaler-
weise im Periodontium zurückbleiben !).
Da diese Epithelreste Zellen verschiedenen Charakters enthalten,
platte, polygonale, unbestimmte, zylindrische, so erklürt sich der ver-
schiedene Befund der Beobachter bezüglich der Auskleidung der
Zystenhóhle (Lindt [5]. Das Epithel wurde entweder einschichtig
oder mehrschichtig befunden.
Einen Durchschnitt durch die Wand einer periodontalen Zyste
meiner Beobachtung gibt Fig. A auf Tafel XXI wieder. Die vom zweiten
Prämolarzalın ausgehende Zyste des 27 jährigen Mannes war sehr gross.
Sie hatte eine Vorwólbung der Vorderwand des Kiefers, des Gaumens,
1) Eine recht gute Darstellung dieser Epithelreste findet sich bei Fischer (4)
Seite 254.
3] Klin. u. path. Beitr. zu den Erkrankungen der oberen Lufiwege. 469
des Nasenbodens und der lateralen Nasenwand im Bereiche des
unteren Nasengangs veranlasst. Der Bau der Zystenwand entspricht
so ziemlich dem Befunde an einer periostalen Zyste, wie ihn H ug (6)
wiedergibt. Sie besteht aus drei Schichten, einer untersten, peri-
ostalen, derben Bindegewebes, einer intermediären lockeren Binde-
gewebes mit Rundzellen, dann folgt die Epithelschicht.
In die periostale Schicht sind Züge von Granulationsgewebe ein-
gesprengt, wie es die zweite Schicht bietet. Sie stammen aus dieser.
Diese besteht, wie erwähnt, aus lockerem Bindegewebe mit Rund-
zelleninfiltration von wechselnder Dichtigkeit. Der Übergang der
mittleren in die untere ist ein allmählicher, die Grenze gegen das
Epithel ist fast nirgends gradlinig, meist drängt sich die intermediäre
Schicht in Form von Papillen zwischen das Epithel, die Papillen
enthalten erweiterte Gefässe und sind mehr oder weniger von Rund-
zellen durchsetzt. Manchmal findet man Inseln, grössere, kleinere,
von lockerem stark infiltrierten Bindegewebe mit erweiterten Ge-
fässen allseitig von Epithel umschlossen, manchmal ganz nahe der
Epitheloberfläche : quergetroffene Papillen. Eine Basalmembran
lässt sich nicht nachweisen. Das Epithel ist ein mehrschichtiges
Plattenepithel mit kubischen Basalzellen. Stellenweis ist das Epithel
von Rundzellen durchsetzt. An anderen Stellen desselben Präparats
ist das derbfaserige Gewebe überwiegend und relativ frei von Granu-
lationsgewebe, während die intermediäre Schicht schmal ist. Eine
derartige wechselnde Mächtigkeit der tiefen und der intermediären
Schicht fand sich auch bei anderen Präparaten meiner Beobachtung.
Manchmal tritt an Stelle des intermediären Granulationsgewebes ein
straffes Bindegewebe mit zahlreichen erweiterten Gefässen, das offen-
bar aus dem ersteren hervorging. In einem Präparate von Unter-
kieferzyste, auf das ich unten zurückkomme, fand sich eine mächtige
derbfaserige Schicht und unter dem Epithel eine schmale von lockerem
Bindegewebe, beide Schichten sehr kernarm. (Seite 5).
Die Grenze gegen das Epithel kann auch geradlinig sein. Eine
deutliche Basalmembran konnte ich auch sonst nicht nachweisen. Sehr
interessant war der Befund an dem der periostalen Schicht benach-
barten Knochen in einem .Falle. Hier ist der Knochen fast durch-
weg nach der Zystenseite zu von einem Saum neugebildeten
Knochengewebes besetzt, auf den perlschnurartig aneinandergereihte
Osteoblasten folgen. Der neugebildete Knochen hebt sich durch
seine Farbe vom älteren ab. Stellenweise ragen neugebildete Knochen-
balken von Osteoblasten umsáumt in die periostale Schicht hinein.
Auch die Balken des spongiösen Knochens zwischen äusserer und
innerer Kortikalis zeigen allenthalben Säume neugebildeten Knochens
470 R. Hoffmann. [4
mit Osteoblasten. Die Kortikalis an ihrer Aussenseite zeigt keine Ver-
ánderungen. Osteoklasten konnte ich nicht finden (Fig. B, Tafel XXI).
Ähnliche Verhältnisse, wenn auch nicht so stark ausgesprochen, lagen
auch in einem weiteren Falle vor. Während in diesen beiden der
Knochen vom Vestibulum oris stammt, fanden sich in einer dritten
Beobachtung, wo ein Stück Zystenwand nach der Kieferhóhle zu vor-
lag, auch Osteoklasten, wenn auch sehr spärlich, die Osteoblasten
waren entschieden häufiger. Ein bestimmtes Verhalten in bezug auf
die Lokalisation der Osteoklasten bezw. Osteoblasten konnte ich nicht
konstatieren. Nach Zuckerkandl (7) findet, wenn eine im Alveolar-
fortsatz steckende Zyste sich nach der Kieferhöhle zu ausdehnt, eine
Resorption der Knochensubstanz an der äusseren Peripherie der
weichen Zystenwandung statt, während entsprechend an der periostalen
Schicht der Kieferhöhlenschleimhaut immer wieder neue Knochen-
schichten produziert werden.
Während in dem abgebildeten Falle (Tafel XXI Fig. A und
Tafel XXII Fig. D) ebenso wie in anderen meiner Beobachtung,
sich geschichtetes Plattenepithel mit kubischen Basalzellen fand,
konnte ich in einer etwas über kirschkerngrossen Zyste eines 40 jähr.
Mannes, die vom zweiten Backzahn ausging, Zylinderepithel kon-
statieren. Leider ist mir das Präparat verloren gegangen, so dass
ich Näheres nicht mehr sagen kann.
In einem jüngst operierten Falle, wo es sich um eine von der Wurzel
des linken oberen lateralen Schneidezahns ausgehende etwa walnuss-
grosse Zyste handelte, fand sich die Höhle mit mehrreihigem flimmernden
Zylinderepithel ausgekleidet. Den Befund gibt Fig. E Tafel XXII
wieder. Einen ähnlichen Befund erhob Kummer (8). Er fand in
der Gegend des Antrum Highmori eine Zyste mit intakter Wand,
nicht vereitertem Inhalt, die mit Zylinderepithel mit Flimmerhaaren
ausgekleidet war. Deshalb glaubt der Autor auch, sie stamme aus
dem Antrum selbst, ware also nicht paradentären Ursprungs. Da
die Mitteilung kurz und verschiedene, wie Lindt (5) sagt, diagnostisch
hier sehr wichtige Punkte unerórtert sind, auch nicht genau angegeben
ist, wie bei der Operation und bei der Entnahme des Materials zur
mikroskopischen Untersuchung vorgegangen wurde, hàlt Lindt es
für möglich, dass sich vielleicht ein Rest der wirklichen nur sehr
verdrängten, reduzierten Antrumwand unter das Mikroskop geschlichen
hat, allerdings dann gerade ein Stück Mukosa, das zufällig keine
Drüsen enthielt. Bei Durchsicht der Literatur finde ich aber nun
doch einen hierher gehörigen Fall, der unter dem Präsidium von
H. v. Luschka von Paul Faber (9) mitgeteilt ist. In dieser Arbeit
heisst es Seite 27: ausserdem machen sich aber auch an der Ober-
5] Klin. u. path. Beitr. zu den Erkrankungen der oberen Luftwege. 471
fläche unzweideutige Epithelialgebilde bemerklich, deren Natur sich
jedoch nicht durchgreifend gleich bleibt; man findet nämlich sowohl
polygonale kernhaltige Plättchen, als auch konisch gestaltete Körper,
deren verdicktes freies Ende reichlich mit Zilien besetzt ist usw.
Die beigegebenen Abbildungen lassen keinen Zweifel darüber, dass es
sich einmal um eine Zahnwurzelzyste handelte und dass dieselbe
andererseits Flimmerepithel trug. Auch in meiner Beobachtung ist,
wie ich noch besonders hervorheben will, ein Irrtum in der Entnahme des
Materials bezw. eine Verwechselung ausgeschlossen. Während meine
eigenen Beobachtungen ausschliesslich Oberkieferzysten betrafen, gebe
ich in Fig. C auf Tafel XXII noch den mikroskopischen Befund einer
Unterkieferzyste wieder, von dem ich das Präparat der Güte des
Herrn Kollegen Ritter in Berlin verdanke. Die Zyste war etwa
pflaumengross, nahm die hintere Hälfte des horizontalen Kieferansatzes
ein, war von einer dicken glatten Membran ausgekleidet. Die knöcherne
Wand war stellenweise papierdünn. Der Nervus mandibularis zog frei
.durch die Höhle. Der Inhalt der Zyste war wie dünner Honig und
enthielt kleine glitzernde Kristalle, die jedoch nicht untersucht worden
sind. Ein genauer Zahnbefund liegt nicht vor. Es ist aber wohl an-
zunehmen, dass es sich um eine Zahnwurzelzyste handelte, weil ein
etwa in der Höhle befindlicher Zahn bezw. Zahnrudimente kaum
dem Beobachter entgangen wären, andererseits spricht der mikro-
skopische Befund für eine solche Zyste: typisches geschichtetes
Pflasterepithel, hier aber mit basalen Zylinderzellen. Am Knochen
keine Veränderung.
Wenn der Inhalt der Zyste auf irgend eine Weise eitrig infiziert
wird, so kann der Epithelbelag teilweis oder ganz verloren gehen,
so dass es Mühe machen kann, Reste davon aufzufinden (Witzel [10)).
Derartiges beobachtete ich ebenfalls in einem meiner Fälle. Dieser
ist deswegen interessant, weil es sich um eine follikuläre Zyste
handelte. Nach der Extraktion der kariösen Wurzel des rechten
oberen ersten Backzahns zeigte sich, dass oberhalb dieser noch ein
zweiter kleiner Zahn sass, nach dessen Entfernung sich reichlich
Eiter aus der Alveole entleerte. Die Zyste hatte sich hauptsächlich
nach dem Antrum zu entwickelt, die Aufblähung an der Fossa canina
war kaum merklich, dagegen bestand eine starke Vorwölbung am
Nasenboden und am unteren Nasengang, entsprechend den hinteren
zwei Dritteln der unteren Muschel, und ein fistulöser Durchbruch
durch die Wand im unteren Nasengang. Das kleine Zahnrudiment
zeigte nach Mitteilung des behandelnden Zahnarztes eine Wurzel mit
starker Zementhypertrophie. Dieselbe war oben an dem in den Zysten-
raum ragenden Rande beinahe rechtwinklig abgeflacht, der Mitte
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 5. 82
472 R. Hoffmann. [6
dieser Abflachung sass ein kleiner ebenfalls in die Zyste hineinragender
Kegel auf (difforme Krone?) Leider ging das Objekt verloren. Da
die betreffende Zahnreihe vollständig war, so handelte es sich hier
um eine der seltenen paradentären follikulären Zysten. Das Epithel
war, wie schon angegeben, zum grossen Teil nicht mehr nachzuweisen,
da, wo es erhalten war, zeigte. sich geschichtetes Plattenepithel.
Die Zysten können, wenn ihre Umgebung unter dem steten
Druck zum Schwund gebracht und ihre Wandung stark verdünnt ist,
gelegentlich an einer oder mehreren Stellen platzen. Derartige Durch-
brüche kónnen nach dem Vestibulum oris, nach dem unteren Nasen-
gang, nach dem Nasenboden, in das Ántrum oder an einer anderen
Stelle erfolgen oder auch an mehreren Stellen z. B. ins Antrum und das
Vestibulum oris (Kuhnert (11)) Kleider (12) beobachtete Durch-
bruch einer von der Wurzel des rechten zentralen Schneidezahnes
ausgehenden Zyste durch die Haut des Kinns. Über Durchbruch
einer vom linken Augenzahn ausgehenden Zyste durch die Haut nach
aussen auf der Höhe der linken Nasolabialfalte berichtet Walther.
Schmidt (13) aus der Gerberschen Poliklinik in Königsberg. Ich
beobachtete unter 12 eigenen Fällen dreimal Durchbruch nach dem
Vestibulum oris, einmal Durchbruch am Gaumen, einmal Durchbruch
nach dem unteren Nasengang und dem Vestibulum oris (der oben
erwähnte Fall von follikulárer Zyste) Sehr merkwürdig lagen die
Verhältnisse in einem 13. Fall. Hier hatte sich der Zysteninhalt
nach dem mittleren Nasengang entleert. Der Fall bereitete mir
erhebliche diagnostische Schwierigkeiten, und ich möchte denselben
daher ausführlicher mitteilen!).
Es handelte sich da um eine 58jührige Frau, welche wegen
linksseitiger -Nasenobstruktion verbunden mit Kopfschmerzen und
eiteriger Absonderung aus dieser Seite zu mir kam. Die Unter, ©
suchung konstatierte Polypen aus dem mittleren Nasengang und poly-
póse Wucherungen an der unteren und mittleren Muschel, ausserdem
eine Eiterung der Stirnhóhle und von Siebbeinzellen des mittleren
Nasenganges. Weiterhin zeigte sich Eiterabsonderung von einer
Stelle, die vor dem halbmondfórmigen Spalt gelegen, etwa der Gegend
der vorderen Nasenfontanelle entsprach. Bei der Einführung eines
gekürzten Ohrenkatheters, wie ich solche zur Ausspülung der Kiefer-
hóhle vom mittleren Nasengang aus benutze, an dieser Stelle drang
man in einen Hohlraum und entleerte aus demselben Eiter. Ich
suchte mich nun zunächst darüber zu orientieren, in welcher Be-
ziehung der gefundene Hohlraum zur Kieferhöhle stehe, und bohrte
zu dem Zweck den Alveolarfortsatz und zwar in der Projektion des
1) Demonstration auf der Naturforscher-Versammlung in München 1899.
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474 R. Hoffmann. [S
die mikroskopische Untersuchung der Hohlenauskleidung unterlassen.
Ich habe die Frau erst vor kurzem gesehen, der Zugang zur Hohle
ist immer noch so weit, wie es auf der Abbildung zu sehen ist. Es
besteht seit fast 12 Jahren vollkommene Heilung. Der Hohlraum hat
sich nicht wesentlich verkleinert, er ist nur flacher geworden. Die
Zyste ist wahrscheinlich nach ihrem Durchbruch von der Nase aus
eitrig infiziert worden.
Zufällig fand ich beim Aufsägen einer Kieferhöhle meiner Samm-
lung einen Hohlraum in derselben, welcher dem in der soeben be-
sprochenen klinischen Beobachtung, wenn auch nicht völlig in bezug
auf seine Lage, entsprechen dürfte (s. Tafel XXIII). Sowohl an diesem
Präparat wie in der obigen klinischen Beobachtung fehlte jegliche
Auftreibung am Oberkiefer, auch in der Nase war eine solche nicht
vorhanden. Es handelte sich in beiden Fällen um eine echte innere
Kieferzyste im Gegensatz zu denen, welche mit einer Auftreibung
nach dem Vestibulum oris, dem Gaumen, der Nase oder an mehreren
Stellen zugleich einhergehen, den áusseren.
In der Therapie der Kieferzysten folgte ich, wo es sich um
nach der Mundhöhle entwickelte Zysten handelte, den Grundsätzen
von Partsch (2), d. h. Entfernung eines so grossen Stückes aus der
Zystenwand, dass eine Vereinigung der Zystenwunde nicht mehr
möglich ist, sondern dass an diesen Rändern, nach dem die Wund-
flächen granuliert, eine Benarbung derselben sowohl von seiten des
Zystenepithels wie von der des Mundes zustande kommt. In zweien
meiner in dem Jahre 1902 operierten Fälle, welche mit einer Vor-
blähung im Bereiche des unteren Nasenganges einhergingen, bin ich
derart vorgegangen, dass ich neben der Entfernung der Vorblähung
nach dem Vestibulum oris auch die im Bereiche des unteren Nasen-
ganges entfernte. Die Höhle wurde dann tamponiert, der Streifen
zur Nase herausgeleitet und die faziale Schleimhautwunde primär
genäht. Nach 14 Tagen wurde die Tamponade definitiv entfernt und
damit die Behandlung beendet. Während ich den einen der so ope-
rierten Patienten aus dem Gesicht verlor, habe ich den anderen erst
vor kurzem gesehen: die vor der Operation sehr grosse Höhle hat
sich wesentlich verkleinert, die Verbindung mit der Nasenhöhle ist
noch breit, Sekretion besteht nicht mehr. Keine Entstellung, keine
Beschwerden.
Gerber (15) empfiehlt bei kleinen Zysten, die sich wesentlich
nach dem Nasenkavum entwickeln, ein rein intranasales Verfahren
durch Abtragung der nasalen Zystenwand und Auslöffelung von dieser
Öffnung aus.
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SI Te po
Klin. v. path. Beitr. zu d. Erkrankungen der oberen Luftwege. 415
Literatur.
. Magitot, Archiv gén. de Médecine. 1872 u. 1873.
. Partsch, Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde. X. 7. 1892. Hand-
buch von Bergmann, Bruns und Mikulicz. 1900. S. 855 (Chirurgie des
Kopfes). Handbuch der Zahnheilkunde von Julius Scheff. 27. Lfg. 1909).
Malassez, Archive de physiologie normale et pathologique. 1885.
. Fischer, Bau und Entwickelung der Mundhöhle des Menschen. 1909.
Lindt, Korrespondenz-Blatt für Schweizer Ärzte. 1902. Nr. 13.
Hug, Archiv für Laryngologie. Bd. 13. S. 398.
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Bd. 2. S. 177.
. Kum mer, Revue médicale de la suisse romande 1893, zit. nach Lindt. 5.
. Faber, Die Cysten, welche mit den Alveolen der Zähne in Verbindung
stehen. Inaugural-Dissertation Tübingen. 1867.
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. Kuhnert, Archiv für Laryngologie. Bd. 7. H. 1.
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Walther Schmidt, Münchner Med. Wochenschrift. 1908. Nr. 45. S. 2383.
Gruber, Virchows Archiv. Bd. 113:
. Gerber, Archiv für Laryngologie. Bd. 16. H. 3. 1904.
Erklárung zu den Tafeln.
Tafel XXI:
Fig. A. Durchschnitt durch die Wand einer peridentalen Zyste (Zeiss A. Oc. 3).
a. Epithel.
b. Granulationsschicht.
c. Periostale Schicht.
d. Knochen.
Fig. B,. Zahnwurzelzyste (Lupe 5 X).
a. Zystenwand.
b. Granulationsgewebe.
c. Nekrotische Pulpa.
d. Caries.
Fig. By. Durchschnitt durch die Knochenwand einer Wurzelzyste (Zeiss A. Oc. 3).
a. Neugehildeter Knochen mit Osteoblastensüumen.
b. Alter Knochen.
c. Gefäss.
d. Corticalis (äussere).
e. Gegend der inneren Corticalis.
Tafel XXII.
Fig. C. Durchschnitt durch die Wand einer Unterkieferzy ste (Zeiss A. Oc. 3).
a. Epithelschicht.
b. Lockeres kernarmes Bindegewebe.
c. Straffes Bindegewebe.
d. Knochen.
Fig. D. Epithel von Tafel I Fig. A (Zeiss D. Oc. 3).
Fig. E. Mehrreihiges Flimmerepithel (Zeiss D. Oc. 3).
Tafel XXIII.
Innere Kieferzyste.
Zur Kasuistik der Komplikationen nach Adeno-
und Tonsillotomien.
Von
Dr. S, M. Burack - Charkoff.
Man betrachtet die Adeno- und Tonsillotomien als sehr leichte
und unschuldige Operationen, die von dem Chirurgen keine besonders
grosse Kunst erfordern und nicht die Notwendigkeit einer stationüren
Unterbringung der Kranken nach sich ziehen. Sehr viele, wenn
nicht die Mehrheit der Spezialisten entlassen die Kranken bald nach
diesen Operationen und verlieren sie gewóhnlich aus dem Auge.
Dadurch entziehen sich viele Abnormitáten im Verlaufe der Krank-
heit nach der Operation der Beobachtung der Ärzte, und nur dadurch
kann ich mir den relativen Mangel an Tatsachen über diese Frage
in unserer Literatur teilweise erklären.
In der Tat finden wir ein ziemlich umfassendes. aber noch
immer unvollständiges Bild aller möglichen Komplikationen und Zu-
fälligkeiten nach diesen Operationen nur in Ards letzter Arbeit.
Kobrak, Hertz, Heimann haben auch in der Literatur
genug Tatsachen gesammelt, aber bei alledem zieht diese Frage die
Aufmerksamkeit der Spezialisten meiner Meinung nach noch zu wenig
auf sich.
Deswegen halte ich es für passend, meine, einen ziemlich grossen
Stoff umfassende Beobachtungen (mehr als 2000 Fälle von Adeno-
und Tonsillotomien im Laufe von 12 Jahren) — wenn auch nur kurz
— vorzulegen. Ich muss bemerken, dass von dieser Zahl ca. 25°/o sich
auf die Operationen beziehen, welche ich stationär — in den Heil-
anstalten meiner Kollegen oder in meiner eigenen — ausgeführt hatte.
Die Kranken blieben nach diesen Operationen gewöhnlich einen Tag,
478 S. M. Burack. [2
bisweilen zwei bis drei Tage, im Bette liegen. Man hat das Augen-
merk auf die Temperatur und den Allgemeinzustand gerichtet. Als
Objekt für operatives Eingreifen dienten meistenteils Kinder, am
häufigsten im Alter von 7 bis 12 Jahren, manchmal aber auch sehr
kleine Kinder, ja selbst Säuglinge. Kranke mittleren Alters habe ich
verhältnismässig wenig operiert (ca. 3°/o aller Fälle) und von den
älteren Kranken noch weniger (nur fünf Kranke über 50 Jahre).
Von den von mir beobachteten Komplikationen nach Adeno- und
Tonsillotomien hatte ich drei Fälle von sehr ernsten lebensgefähr-
lichen Blutungen.
1. MädchenB. 13 Jahre alt, schlecht genährt, mit blasser Haut, geschwollenen
Drüsen der Kinngegend, der Achselhöhle und Leistengegend, leidet öfters an Hals-
bräune, ist sehr zur Erkältung geneigt. Herz und Lungen sind normal. Gefähr-
liche Blutungen sind früher nie vorgekommen. Am 13. November 1904 habe ich
mit einem Male die beiden stark vergrösserten Mandeln mit Hilfe des Mathieu-
schen Tonsillotoms weggeschnitten. Auf der rechten Seite wurde ein hinter den
Gaumenbögen liegender Teil der Drüse mitentfernt, da im Moment des Ab-
schneidens durch eine Brechbewegung der tiefe Teil der Mandel bis zur Mittel-
linie vorgewölbt wurde. Die Patientin wurde nach der Operation in liegender
Stellung gelassen. Die Blutung schien mässig. Die Kranke hat wenig Blut ge-
spieen.
Nach 4 Stunden fiel mir die immer steigende Blässe und Schwäche des
Kindes bei schnellem und schwachem Puls auf. Bei dem Versuche den Rachen
zu untersuchen, wurde plötzlich reines Blut erbrochen. Rechts aus der Tiefe der
Gegend zwischen Gaumenbögen floss ununterbrochen Blut. Im Laufe von andert-
halb Stunden wurde Kis, Tannin, Wasserstoffsuperoxyd (Gurgeln und Tupfen),
209/oige Ferrypyrinlósung, Ergotin (unter der Haut), Adrenalin lokal, Alaun an-
gewandt; es schien, als ob die Blutung für kurze Zeit nachliess, nachher aber
zeigte sie sich wieder.
Die Kranke hatte Flimmern vor den Augen, Ohrensausen, Hände und Zunge
zitterten, die Kräfte nahmen bedeutend ab, der Puls war sehr schwach und be-
schleunigt (130—140). Ihr Zustand wurde bedenklich. Dann führte ich unge-
achtet des Widerstandes der Kranken eine Branche des Kompressoriums Miku-
liczs in den Rachen ein. Ich komprimierte die blutende Stelle, es erfolgten
mehrere Brechbewegungen, die Blutung aber war gestillt. Ich liess das Kom-
pressorium bis zum nächsten Morgen (von 7 Uhr nachm.) an der Blutungsstelle
liegen. Der weitere Verlauf war normal, zum Schluss aber zeigte sich eine hoch-
gradige Anämie. Leider habe ich die Kranke nach einem Monat aus dem Auge
verloren und von ihrem weiteren Schicksal ist mir nichts bekannt.
Man muss annehmen, dass in diesem Falle eine Verletzung des
Teiles der Drüse stattfand, der nahe der äusseren Kapsel liegt, wo die
noch nicht geteilten stärkeren Zweige der Art. palatinae durchtreten.
Ich glaube, dass ich bei weiteren Versuchen mit verschiedenen,
sog. blutstillenden Mittel die Kranke leicht hätte verlieren können.
Ich möchte nun hier die Bemerkung machen, dass ich niemals irgend-
welche gute Wirkung dieser Mittel in Fällen wirklich ernstlicher
3] Zur Kasuistik der Komplikationen nach Adeno- und Tonsillotomien. 479
Blutungen beobachtet habe. Bei unbedeutenden Blutungen aber
wirken Ruhe und tiefe Atemzüge am besten.
2. Knabe Tsch., 4 Jahre alt, schlecht genührt, stammt aus einer anüámischen
und nervenkranken Familie. Mit einem Handgriff habe ich beide Mandeldrüsen
entfernt.:
Die Blutung unmittelbar nach der Operation war ganz unbedeutend, aber
nach 5—6 Stunden ent-tand infolge einer heftigen Bewegung starkes Bluter-
brechen; ausserdem spuckte das Kind unaufbörlich fast reines Blut nus. Es ge-
lang, die blutende Stelle zu finden, nämlich im hinteren Gaumenbogen. Unter
Fingerdruck schien die Blutung gestillt zu sein. Aber das Kind wurde schwächer
und schwächer, es leistete immer weniger Widerstand. Als ich den Finger aus
dem Rachen herausgezogen hatte, stand die Blutung für 5—10 Minuten, dann
aber erfolgte wieder Bluterbrechen und Ausspucken reinen Blutes. Ich war
schon im Begriff, wieder die Finger einzuführen, als das Kind plötzlich blass
wurde und unbeweglich blieb.
Puls und Atmung waren kaum wahrzunehmen. Der Kollaps dauerte unge-
fähr eine Minute. Nachdem das Kind wieder zu sich gekommen war, zeigte sich
kein Blut mehr.
Hier hatte also die Ohnmacht eine rettende Rolle gespielt. Die
Anhäufung von Kohlensäure im Blute wirkt bekanntlich erregend
auf die vasomotorischen Nervenzentren. In der Literatur sind ana-
loge Fálle beschrieben worden.
9. An einem Manne im Alter von 26 Jahren habe ich nach beiderseitiger
Tonsillotomie eine starke Blutung beobachtet. Dem Ausseren nach war der
Mann ganz gesund; er hatte schon eine Operation in der Nase (Entfernung der
hypertrophischen hinteren Enden der unteren Muscheln) ohne bedeutenden Blut-
verlust überstanden. Entfernung der rechten Mandel vermittelst Tonsillotoms
nach Mathieu, der linken mit krummem Knopfmesser, indem ich die Drüse mit
einer besonderen Zange (ähnlich der von Museux) festhielt. Die Nachblutung
war ziemlich stark, aber von kurzer Dauer (5—10 Minuten) und stammte von der
linken Mandel. In der Nacht fing der Kranke plötzlich heftig zu husten an und
dann zeigte sich eine immer zunehmende Blutung, so dass innerhalb einer halben
Stunde der Kranke nach seiner Aussage 2 Glas Blut verloren hatte. Der Kranke
war sehr aufgeregt und spie beständig Blut aus. Eis, Wasserstoffsuperoxyd,
Alaun, Antipyrin, Tannin, Chromsäure (Ätzen, die blutende Stelle habe ich nach
grosser Mühe in dem eingeschnittenen hinteren Gaumenbogen der linken Seite
festgestellt) — aıl dieses blieb ohne besonderen Effekt. Hierauf führte ich dem
Kranken den mit dem sterilen Verbandstoff versehenen Zeigefinger in den Mund
und komprimierte die blutende Stelle.
Solange ich komprimierte, stand die Blutung, als ich aber versuchte, den
Finger herauszuziehen, erneuerte sich die Blutung. Symptome hochgradiger
Anämie stellten sich ein. Ich presste den Finger wieder darauf und so hielt ich
ihn mit einigen Unterbrechungen über eine Stunde. Die Blutung war gestillt.
Der Kranke musste 4 Tage das Bett hüten und nahm nur eiskalte, flüssige
Nahrung zu sich.
Es ist interessant, dass in allen diesen Fällen das Tonsillotom
Mathieus eine traurige Rolle spielte. Und überhaupt ist in der
480 S. M.. Burack. [4
Geschichte der Blutungen nach Tonsillotomie diese traurige Rolle
am meisten diesem Instrumente zuzuschreiben. Matthieus Guil-
lotine — die bei Brechbewegungen leicht in der Tiefe der Gaumen-
bögen abgleitet — kann entweder einen von den Gaumenbögen '!)
oder den tiefen Teil der Drüse?), der nahe der äusseren Kapsel
liegt, verwunden. Nicht ohne Grund ziehen ihm einige bekannte
Rhino-Laryngologen das dem Konchotome Hartmanns ähnliche
beissende Instrument (Morcelleur de Ruault) vor; die anderen das
Messer oder die Schere (Jansen), die dritten die galvanokaustische
oder einfache Schlinge usw. (Siehe den Aufsatz von M. Constantin
in „Annales de l'oceille^ 1906; über die Frage der Nachblutungen
siehe auch die Arbeiten von James, Barret, Demme, Baum-
garten, Schmiegelow, Hopmann, Heermann, Heise,
Davidsohn, Bjelogolow, Orleansky, Bjieljaew u. a., ebenso
die Dissertation von Nettelbrock’), Kiel 1907).
Welchen Instrumentes man sich auch bedient, an was fiir eine
Methode man sich auch halt, wir.setzen immer unsere Kranken einer
grösseren oder kleineren Blutungsgefahr aus. Fälle von gefährlichen
Nachblutungen bei Operationen, die mit Morcelleur nach Ruault,
mit elektrischem Ekraseur, mit Galvanokauter und mit kalter Schlinge
gemacht worden sind, sind in der Literatur beschrieben worden.
Man muss wissen, dass die Nachblutungen ziemlich spät — nach
5—9 Tagen auftreten können; es ist sogar ein Fall von Blutung
nach 13 Tagen nach der Operation beschrieben worden; am häufigsten
aber treten sie in den ersten zwei Tagen auf. Einige Fälle von
glücklicherweise nicht zu besonders starken Blutungen-am 3.—5. Tage
nach Tonsillotomien sind mir vorgekommen.
Die Tonsillotomien liefern im Vergleich zu den Adenotomien
einen hóheren Prozentsatz starker Nachblutungen. Einerseits ist die
Gegend der Gaumenmandeln im Vergleich zu dem Nasenrachen mit
stärkeren Blutgefässen gespeist; andererseits finden sich hier öfters
Unregelmässigkeiten der Verzweigungen der Art. palatinae. (Siehe
über diese Frage die interessanten Arbeiten von Orleansky, Bje-
logolow, Baumgarten, Schmiegelow u.a.). Dazu ist in dieser
1) Einige Autoren, wie z. B. Geikin, weisen in der Ätiologie der Blutungen
nach Tonsillotomien der Verletzung der Gaumenbögen den ersten Platz zu.
Geikin hat 6 analoge Fälle beschrieben.
2) Art. palatina tritt in die äussere Kapsel ein, wo sie in einige Zweige zer-
fällt, welche an der Peripherie und in dem Zentrum der Drüse schon ein gering-
fügiges Kaliber aufweisen.
8) Er hat in der Literatur 150 Fälle von schweren und tödlichen Blutungen
nach Tonsillotomie gesammelt. Übrigens ist die Zahl der Todesfälle nach
Damianos und Heermann 8.
5] Zur Kasuistik der Komplikationen nach Adeno- und Tonsillotomien. 481
Gaumenmandelgegend eine Tamponade — eine starke Digitalkom-
pression oder eine instrumentelle mit der Branche eines beliebigen
Kompressoriums (Doyen, Miekulicz u. a.) gewóhnlich sehr schwierig;
was aber das Zusammennähen der Gaumenbögen (nach Heermann)
oder das Auflegen zusammenziehender Metallklammern (nach Henkes,
siehe Monatsschrift für Ohrenh. 1907, 2) betrifft, so ist es in vielen
Fällen entschieden unausführbar, wenn es auch theoretisch ganz gut
begründet zu sein scheint. Und doch bleibt in den meisten Fällen
als Ultima ratio die unmittelbare Kompression der blutenden Stelle
am einfachsten (en masse) — d.h. die Digitalkompression (mit sterilem
Verbandstoff) wie ich dies in zwei oben erwähnten Fällen erprobt
habe. Im äussersten Falle muss man selbstverständlich die Art.
carotis externae oder, — wie es Chevalier, Jackson u.a. raten —
Art. carotis communis unterbinden.
Die Nachblutungen bei der Adenotomie bringen dem Anschein
nach nur eine kleinere Lebensgefahr mit. sich, denn die Gegend des
Nasenrachens ist nicht schwer zu tamponieren. Doch finden wir in
der Literatur eine ziemlich grosse Anzahl der profusen Blutungen
nach Ádenotomien, ja sogar mit tódlichem Ausgang!) Unter den von
mir ausgeführten 1500 Adenotomien habe ich fünf Fälle von ziemlich
starken Nachblutungen bei Kindern im Alter von 7—13 Jahren
beobachtet.
1. Der Knabe B., 7 Jahre alt, sehr reizbar. blass, hat alle möglichen Kinder-
krankheiten überstanden. Keine Symptome von Hümophilie. Die Drüsen des
Unterkiefers sind, wenn auch unbedeutend, geschwollen. Herz normal. Die
Operation wurde mit Gottsteinscher Kurette ausgeführt. Sofort trat eine
starke Blutung ein. Eine Ausspülung mit Tanninlósung und Wasserstoffsuper-
oxyd durch die Nase vermittelst der Frenkelschen Kanne wurde vorgenommen.
Nach 15 Minuten hörte die Blutung auf. Nach 4 Stunden ungefähr begann sie
wieder, als der übrigens sehr unruhige Patient das Bett zu verlassen versuchte.
Das Bluterbrechen war heftig. Tannin- und Wasserstoffsuperoxydausspülen waren
diesmal resultatlos. Man spritzte Ergotin unter die Haut und gab Eis zu
schlucken. Vermittelst eines Wattetampons wurde der Nasenrachen mit 10°/o
Ferripyrin angefeuchtet. ‘Auf den Nasenrticken und den Nacken wurde Eis ge-
legt. Die Blutung börte nach und nach auf.
In der Nacht brach sie wieder aus, dieses mal noch stärker. Nach der
resultatlosen Anwendung verschiedener blutstillender Mittel wurde der Nasen-
rachen tamponiert, Nach 8 Stunden wurde der vorher mit Wasserstoffsuperoxyd
augefeuchtete Tampon herausgezogen. Die Blutung erneuerte sich nicht mehr.
Folge der Blutung war eine langwierige hochgradige Anämie. In den ersten 4
Tagen schwankte die Temperatur zwischen 37,8°--38,6°. `
1) Burger hat 40 Fülle von starken und 7 von tódlichen Blutungen nach
Adenotomien zusammengezühlt (nach Lunin 11 und nach meiner Zühlung 14
tödliche Fälle).
482 S. M. Burack. [6
Die veranlassenden Momente dieser Blutung konnte ich hier
nicht genau feststellen. Weder irgendwelche konstitutionelle Er-
krankungen, noch Leukämie, Herz- und Nierenkrankheiten waren
vorhanden; die Operation wurde ausgeführt zu einer Zeit, als die
oberen Luftwege keine frischen Entzündungserscheinungen aufwiesen;
eine Verletzung irgend eines stärkeren Gefässes ist nicht vorge-
kommen, weil die Blutung einen kapillären Charakter hatte. Die
Rachenmandel wurde in toto entfernt. Hängende Fetzen, welche, wie
bekannt, die häufigste Ursache der Blutungen nach Adenotomie sind,
waren in diesem Falle nicht zu sehen.
Ob in diesem Falle die Ursache der Nachblutung nicht in einem
zu scharfen Messer zu suchen ist? Viele Spezialisten ziehen bekannt-
lich eine nicht zu scharfe Kurette vor; andere aber versichern, dass
sie Nachblutungen häufig gerade bei Operationen mit stumpfen
Instrumenten beobachtet haben. (Siehe Diskussion in der Holländ.
Gesellschaft für Laryngologie vom 9. Mai 1903 über die Mitteilung
Burgers.)
2. Mädchen von 12 Jahren mit sogenannter lymphatischer Konstitution.
Vor 2 Jahren wurden ihr beide geschwollene Gaumenmandeln ohne bedeutendere
Blutung entfernt. Die Indikation der Adenotomie bildete häufiger Schnupfen,
Nasenverstopfung, Neigung zu Bronchitis und Gehörstörungen. Operation mit
Schütz-Passowschem Instrument, dabei wurde eine bedeutende Masse ent-
fernt. Kurettage mit der Kurette Gottsteins vollendete die Operation, doch
war die Kurettage infolge des aussergewöhnlich starken Widerstandes der
Kranken nicht völlig genügend. Die unmittelbare Nachblutung war unbeträcht-
lich, nach 10 Stunden aber (um Mitternacht) fing eine starke Blutung an, welche
im Laufe von drei Stunden durch keines der üblichen Mittel gestillt werden
konnte. Fingeruntersuchung zeigte das Vorhandensein von hängenden Gewebs-
resten, daher sofort neue Auskratzung. Unmittelbar danach hörte die Blutung auf.
Ich halte es für nötig, hier zu betonen, dass man die Bellock-
sche Tamponade nur in seltensten Fällen anwenden soll, in Anbe-
tracht der mit ihr verknüpften Gefahr von Komplikationen seitens
des Ohres; deswegen muss man in Fällen von hartnäckigen Blutungen
nach Adenotomien die Möglichkeit des hier erwähnten ätiologischen
Faktors in Betracht ziehen und vor einem erneuten Auskratzen des
Nasenrachens’ nicht zurückschrecken.
Die übrigen von mir beobachteten Fälle von Blutungen nach
Adenotomien stellen in ihrem Verlaufe nichts Besonderes dar; die
beste Wirkung zeigte in den mir vorgekommenen Fällen Wasserstoff-
superoxyd und 10Pjoiges Ferripyrin, mit welchen die Oberfläche der
Wunde vermittelst eines breiten Tampons angepinselt wurde. Ich
bemerke noch, dass ich die Kranken nach der Operation in halb-
sitzender Stellung lasse, damit das Blut nicht verschluckt, sondern
4| Zur Kasuistik der Komplikationen nach Adeno- und Tonsillotomien. 483
ausgespuckt werde, was wenigstens ermöglicht, die drohende Gefahr
rechtzeitig zu erkennen und Massnahmen zu treffen. Ich wiederhole,
dass man die Kranken nach der Operation nie ohne Aufsicht lassen
soll, besonders in den ersten zwei Tagen; deshalb muss man, wenn
es möglich erscheint, diese Operationen in einem Krankenhaus oder
in einer Privatklinik vornehmen und die Kranken einen bis zwei
Tage dort unterbringen. Danach müssen sich die Kranken noch drei
bis vier Tage starker Bewegungen, des Trinkens heisser Getränke
u. dergl. enthalten, weil nicht selten die Blutung noch nach vier
Tagen auftritt.
Die nächste Gruppe der von mir beobachteten Komplikationen
ist die Verletzung benachbarter Teile. So schnitt ich z.B. in einem
Falle, in der Anfangszeit meiner operativen Praxis, ein Stück des
Zäpfchens ab; glücklicherweise hatte dies keine schweren Folgen.
Einige Male wurde das Zäpfchen bei der Adenotomie gequetscht,
einmal angeschnitten; je einmal ist eine Verletzung des linken
Tubenwulstes und der Unterlippe vorgekommen.
Gewöhnlich war daran schuld, ausser ungenügend entwickelter
Technik und der Unsicherheit des Anfängers, ungeübte Assistenz,
schlechter Einblick in den Mundrachen des sıch widersetzenden
Patienten.
Von grösserem Interesse ist die dritte Gruppe der Komplikationen,
nämlich der interkurrierenden, der zufälligen und der allgemeinen
Infektionskrankheiten. Vor allem bemerke ich hier, dass ich —
trotz der denkbar sorgfältigsten Aseptik — ziemlich oft eine Tempe-
raturerhöhung bei meinen Kranken in den ersten drei Tagen nach
der Operation feststellen konnte. Mitunter fühlten sich die Kinder
dabei so wohl, dass nur durch von mir systematisch durchgeführte
Temperaturmessung das Vorhandensein eines Fiebers, meistenteils
traumatischen Charakters, bei den Operierten sich zeigte. Unter
540 Operierten (nur stationäre Behandlung) habe ich die Temperatur-
erhöhung in 58 Fällen gefunden, worunter 45 Kranke während zwei
bis drei Tagen 37,5 bis 38,5%, 9 Kranke während 1—4 Tagen 38,5
bis 39,0? und 4 Kranke während 2—10 Tagen 39,0—39,8° hatten;
dabei bot sich ein Fall aus dieser letzten Gruppe mit einer leichten
Form von Bakteriämie (im Nasenrachenschleim fanden sich Diplo-
kokken — der Bruder des Patienten litt kurz vorher an leichter
Angina follicularis). Remittierendes und intermittierendes Fieber
habe ich nicht sebr oft beobachtet (46 mal); Febris continua ist 12 mal
notiert. Bei 15 Patienten konnte ich die Temperaturerhóhung mit
Malaria-Infektion in Zusammenhang bringen (Milzschwellung, Schweisse,
gute Reaktion auf Chinin) Meistenteils verschwand sie leicht, nach
484 S. M. Burack. [8
1—3 Tagen, selten nach 4—5 Tagen; in 3 Fallen aber bot sich eine
ziemlich schwere Form, die sich jedoch nach den starken Chinindosen
rasch besserte. Abnahme der Milzschwellung).
Bei zwei Kindern wurde vor der Operation Milztumor und óftere
Malaria-Anfälle mit Nasenbluten festgestellt; nach der Adenotomie
stieg am zweiten Tage bei allgemeinem Unwohlsein die Temperatur
rasch auf 39,5°; das sechs Jahre alte Kind hatte anfangs Fieberfrost,
die Milz vergrösserte sich merklich. Chinin wirkte gut. Anfangs
erschrak ich über dieses Fieber, da ich eine Infektion!) vermutete;
in der recht reichen Literatur über die Gaumen- und Rachenmandeln
würden wir vergeblich Erklärungen derselben suchen ?).
Man liest sehr häufig, dass der Wundverlauf ganz glatt sei,
jedoch meistenteils bei den Autoren, die ambulant operieren).
Von interkurrierenden Krankheiten habe ich nur einmal Scharlach
beobachtet. Bei dem dreizehnjährigen Mädchen, das die Adenotomie
leicht überstanden hatte, zeigten sich am dritten Tage nach der
Operation Temperaturerhöhung (39,5 —39,8°), Brechen, Kopfschmerzen
und zwei Tage später der charakteristische Ausschlag. Augenscheinlich
wurde in diesem Falle die Operation in der Inkubationszeit des
Scharlachs ausgeführt.
Ein Kollege hat in einem Falle am zweiten Tage nach der Adeno-
tomie eine Temperaturerhöhung beobachtet; doch wurde erst nach
5—6 Tagen Typhus festgestellt. Manchmal fördert die Operation den
Ausbruch einer Infektionskrankheit (z. B. Diphterie), die latent ist.
Ich habe in einem Falle bei einem 15jährigen Mädchen die Rose am
fünften Tage gesehen; dem Anschein nach waren die Fehleisenschen
Kokken schon früher vorhanden, (da wir keinen Fall von Rose hatten)
— vielleicht „in vestibulo nasi“, wo sich bei dem Mädchen beständig
Risse zeigten. Die Voraussetzung solcher Möglichkeiten und solcher
unvorhergesehenen Vorfälle kann uns aus einer sehr kritischen Lage
heraushelfen, aber dieser Frage ist — ich wiederhole es — sehr
1) Der Nasenrachen mit seiner reichen Bakterienflora kann als Infektions-
herd dienen, besonders zur Zeit von Epidemien oder nach überstandenen akuten
Nasen- und Rachenkrankheiten; in der Literatur sind Todesfälle durch Pyämie
und Sepsis notiert (Brieger, Noerregard, Renny, Schurly u. a. — siehe
die Dissertation von Gradenigo über adenoide Vegetationen.
2) Obgleich die Berichte von Kobrak, Ard, Winckler sich auf die aller-
letzte Zeit beziehen, ist in ihnen nichts über die Malaria-Erkrankungen gesagt,
doch ist diese Frage für die Praxis unbedingt von grosser Bedeutung; meinen
Beobachtungen nach erleiden Kinder, die früher an Malaria gelitten haben, nach
Adeno- und Tonsillotomie leicht einen Rückfall.
3) Winkler, der stationär operiert, hatte unter 78 Fallen bei 50°/o Tempe-
raturerhbhung.
9J Zur Kasuistik der Komplikationen nach Adeno- uud Tonsillotomien. 485
wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Und es ist kein Wunder, dass
diese „kleinen Operationen“ sehr oft für Anfänger als Versuchsobjekt
dienen und sehr häufig gemacht worden sind. viel öfter vielleicht, als
notwendig ist.
Ich gehe nun zu anderen Komplikationen über. Solche seitens
des Ohres habe ich 6—7mal — meist bei Kindern mit Rhinitis
chronica purulenta — beobachtet. Nicht ein einziges Mal konnte
man eine direkte Verletzung des Tubenwulstes feststellen; augen-
scheinlich handelte es sich um eine Erhöhung der Virulenz vorhandener
Bakterien infolge des Traumas, des Blutergusses oder einer entzünd-
lichen Reaktion. Der Verlauf der Otitis war in allen Fällen sehr
günstig. Dreimal wurde eitrige Otitis, (einmal Mastoiditis, welche
ohne Trepanation verlief) und einmal Otitis media purulenta chronica
dextra exacerbata beobachtet. Die Eiterung war in zwei Fällen
beiderseitig; die Schmerzen waren nicht zu stark. Die Parazentese
des Trommelfells geschah am 2.—4. Tage nach der Adenotomie. Der
Eiterabfüluss dauerte vom 5.—30. Tage. In drei Fallen ist das Gehór
vollständig wiederhergestellt worden. Bei zwei Kranken habe ich
katarrhalische Ausschwitzung beobachtet, die ohne Behandlung vor-
überging. Das Ohrenstechen, über welches sich die Kranken nach
den Adenotomien oft beklagen, verschwindet gewóhnlich bald.
Nervóse Traumen sind von mir vergleichsweise selten: beobachtet
worden. Einen sehr interessanten Fall hatte ich im vorigen Jahre.
Ich hatte bei einem 13jährigen Mädchen Adenotomie ausgeführt.
Das Mädchen wies keine Erblichkeit oder sonstige Anomalien auf.
Die Operation verlief ziemlich glatt; als das Mädchen aber ins Bett
gelegt wurde, fiel es in eine Art Starrsucht, die ungefähr 15—20
Minuten dauerte; Puls war verlangsamt, Atmung oberflächlich, das
Gesicht leicht erblasst. Der weitere Verlauf war normal.
Einmal habe ich kurzdauernden Kehlkopfkrampf beobachtet.
Eine ziemlich langdauernde Parese des weichen Gaumens habe ich
vor fünf Monaten gesehen. Ein 14jähriges Mädchen aus gesunder
Familie kam zu mir wegen Näselns, das sich zwei Tage nach der
Adenotomie gezeigt hatte. Die Operation wurde vor drei Monaten
in Kiew vorgenommen. Ich stellte Parese des weichen Gaumens fest.
Man darf annehmen, dass sie durch zu starke Dehnung des weichen
Gaumens verursacht worden ist.
Bei einem Knaben von 8 Jahren trat in der ersten Woche nach
der Adenotomie auch Näseln auf, das sich jedoch mit der Zeit legte.
An einem 11 jährigen Mädchen aus sehr nervöser Familie habe
ich zwei Tage lang eine Nervenerregung beobachtet.
486 S. M. Burack: Zur Kasuistik der Komplikationen etc. [10
Von anderen Komplikationen, denen ich begegnet bin, will ich
noch folgende beschreiben: Bei einer 18jährigen Sängerin nach
Tonsillotomie einen peritonsillaren Abszess. Die ersten Symptome
zeigten sich am zweiten Tage, am fünften Tage reichliche Entleerung
von Eiter. Die Operation war rein aseptisch ausgeführt. Wahr-
scheinlich hat sich hier ein anfangs unbemerkter Vorgang abgespielt,
— die Kranke litt öfters an Mandelentzündung ).
Wenn die Zähne lose sind, so kann man sie manchmal bei der
Adenotomie loslösen, was mir einmal vorgekommen ist. Zum Glück
fiel der Zahn aus dem Munde heraus. Diesen Umstand muss man
berücksichtigen, da während einer Operation mit zurückgebogenem
Kopf der Zahn leicht in die Luftróhre geraten kann. Von anderen |
Autoren sind noch einige andere Komplikationen beschrieben worden,
wie z. B. die Aspiration abgeschnittener Driisenstiicke und von Blut,
Steckenbleiben der abgebrochenen Klinge einer Kurette im Nasen-
rachen; starkes Reflexerbrechen; akuter Rheumatismus; Nebenhöblen-
eiterung; Nierenreizung usw. Selbstverständlich sind solche Kom-
plikationen sehr selten.
Wenn man alle Komplikationen der Mandeloperationen, die in
der medizinischen Literatur zerstreut sind, zu einem Bilde zusammen-
fasst; wenn man alle Todesfälle, hervorgerufen durch Blutungen, An-
steckungen, Ausbruch von Pseudoleukämie etc. und alle schweren,
jedoch günstig ausgegangenen Fälle zusammenzählt; wenn man dazu
in Betracht zieht, dass wir meistenteils Kinder und Erwachsene ope-
rieren, die im Grunde genommen nicht zu schwer an ihren hyper-
trophischen Mandeln leiden — sozusagen dem Äusseren nach gesund
sind —, und dass ein misslungener, ja sogar verhängnisvoller Aus-
gang in solchen Fällen für uns einen besonders tragischen Charakter
trägt; wenn man also alles dies zusammennimmt, so kommen wir
zu dem Schluss, dass eine Polypragmasie bei diesen Operationen
entschieden verurteilt werden muss, dass für diese Operationen ge-
nauere Indikationen aufgestellt werden müssen und dass womöglich
in der Klinik operiert werden muss.
1) Wroblewski hat 8 Fülle von peritonsillarem Abszess nach Tonsillo-
tomie (unter 300 Kranken) und Sokolowski einmal (unter 150 Füllen) be-
schrieben.
Aus der Universititsklinik fiir Ohren-, Hals- und Nasenleiden,
gegriindet von Frau J. Basanowa in Moskau. Direktor: Dr. St.
von Stein. .
Trichloressigsäureätzungen bei Kehlkopf-
schwindsucht.
Von
K. Sytschow, Ordinator der Klinik.
In letzter Zeit hat sich in der konservativen Therapie der
Kehlkopfschwindsucht die Tendenz geltend gemacht, ein Präparat
zu finden, das neben einer bakteriziden Eigenschaft auch die be-
sässe, die Gewebe zu schneller Regeneration und Vernarbung anzu-
regen. Als solches wurde vor etwa sieben Jahren von Professor
Okuneff zur lokalen Behandlung der Kehlkopfschwindsucht die
Trichloressigsäure vorgeschlagen, die er folgendermassen anwandte.
Nachdem der Kehlkopf des Kranken mit 10%iger Kokainlösung
anästhesiert worden war, betupfte Okuneff die zu ätzende Stelle
unter Kontrolle des Kehlkopfspiegels mit einem auf eine Kehlkopf-
sonde gewickelten, mit konzentrierter Trichloressigsäurelösung ge-
tränkten Wattepinsel. Sogleich nach Berührung der Schleimhaut
entsteht ein mehr oder weniger verbreiteter milchweisser Belag
(Schorf). Die Ätzungen wurden gewöhnlich 2—3 mal wöchentlich
vorgenommen.
Die von Prof. Okuneff erzielten Resultate waren, seiner Be-
*schreibung nach, geradezu erstaunlich; so erzählt er z. B. von
einem Fall einer solchen Anwendung der Trichloressigsäure bei
einem Offizier, dessen Kehlkopf grosse Ulzera und Infiltrate zeigte.
Wahrend mehrerer Monate waren bei ihm von anderen Spezialisten
und von Okuneff selbst Atzungen und Bepinselung der Kehle
mit 80%iger Milchséure, 20%igem Parachlorphenol, einer 20%igen
Lésung von Phenoli sulforicinici und anderén Mitteln vorgenommen
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 5. | 98
488 K. Sytschow. (2
worden, doch alles vergeblich. Da versuchte Okuneff zum ersten
Male eine Atzung mit Trichloressigsáure und erhielt glanzende
Resultate: die Dysphagie, der Husten und die Atemnot, welche den
Kranken mehrere Monate gequält hatten, liessen schon nach den
ersten Atzungen bedeutend nach, nach weiteren war die Dysphagie
vollständig geschwunden, die Granulationen uud Infiltrate hatten
abgenommen, die Atmung war frei und leicht und die Ulzera zeigten
beginnende Vernarbung (es ist zu bedauern, dass der Autor nicht
erwähnt, wie viele Ätzungen er ausgeführt hatte).
Angesichts der vorzüglichen Erfolge, welche Okuneff in den
von ihm beschriebenen Fällen erhalten hatte, entschloss sich Direktor
St. von Stein nun dieses Mittel sowohl im Ambulatorium als
auch bei den stationären Kranken der Basanowaschen Klinik
anzuwenden.
Im Laufe von vier Monaten habe ich die Trichloressigsäure-
ätzung in 25 Fällen von Kehlkopfschwindsucht in verschiedenen
Stadien, sowohl bei ernsteren wie bei leichteren Erkrankungen der
Lungen, angewandt.
Auf den Rat des Direktors der Klinik, Herrn v. Stein hin
modifizierte ich auf Grund seiner zahlreichen Beobachtungen die
Anwendungsart der Trichloressigsiure dahin, dass ich die trockne,
fein-kristallinische Säure (Fabrik Merck in Darmstadt) zum Atzen
benutzte. Letzteres bietet einmal den Vorteil, dass sie beim Atzen
auf der Kehlkopfschleimhaut nicht so sehr auseinanderfliessen wie
die konzentrierte Lósung, dann den weiteren, dass die Átzung mehr
in die Tiefe dringt, was wiederum den Vorteil bietet, dass die
Ätzungen nicht so oft wiederholt zu werden brauchen.
Vor dem Ätzen wurde die Schleimhaut des Kehlkopfs und
Rachens durch Betupfen mit einer Kokainlösung anästhesiert, wie
sie in unserer Klinik benutzt wird, und zwar:
Rp.: Cocaini muriatici 1,0
Antipyrin 0,5
Ac. carbolici 0,05
Aq. destillat. 10,0.
. Mit Wattepinsel aufgetragen.
Antipyrin und Karbolsäure setzt man der Kokainlösung zu, ®
um die Intensität und Dauer der Kokainwirkung zu erhöhen. Es
können auch einige Tropfen Adrenalin zugesetzt werden.
Nach der Kokainisation nimmt man mit der Spitze einer ge-
wöhnlichen Kehlkopfsonde einen kleinen Trichloressigsäurekristall und
bringt ihn vorsichtig unter Kontrolle des Kehlkopfspiegels auf den
Geschwürsgrund oder auf die Infiltrate. Reicht ein Kristall nicht
3J Trichloressigsäureätzungen bei Kehlkopfsch windsucht. 489
aus, so trägt man auf dieselbe Weise mehrere nacheinander auf.
Ein promptes Resultat kann von der Ätzung nur in dem Fall er-
wartet werden, dass der Kristall auf die ulzerierte Fläche zu liegen
kommt; ist diese Bedingung nicht erfüllt, so ist das Resultat ein
weniger erfreuliches.
Auf diese Art wurde manchmal der halbe Kehlkopf geätzt,
wobei ich in keinem einzigen Falle Entzündungserscheinungen, Ódem
oder gar die von Okuneff beschriebenen Kehlkopfspasmen be-
obachtete. Was die Frage anbetrifft, wie tief die Trichloressigsäure
ins Gewebe eindringt, so meinen Schwabe und Genkin auf
Grund ihrer Beobachtungen folgendes: „Die Trichloressigsäure dringt
bis zu einem Viertel oder Drittel in die Tiefe der Schleimhaut,
zerstört aber nur das Epithel und die in unmittelbarer Nähe der
Basalplatte befindlichen Elemente“. Dies gilt von der intakten
Schleimhaut. Hat diese dagegen das Epithel verloren, so dringt die
Säure in das Gewebe weit tiefer ein. Der Ätzschorf hält sich an-
fänglich sehr kurze Zeit; bei abermaligen Ätzungen bleibt er länger
haften und dient der ulzerierten Fläche gut als Schutz gegen eine
wiederholte Infektion durch den Auswurf.
Bei genügender Anästhesie sind die Ätzungen schmerzlos. Wie
oft dieselben zu wiederholen sind, hängt gänzlich vom Verlauf des
Prozesses und der Empfindlichkeit des Kranken ab. So kam es
vor, dass ich 1, 3 bis 6 Ätzungen in der Woche machte.
Wie schon erwähnt, habe ich die Trichloressigsäureätzungen
in 25 Fällen angewandt, die sich in zwei verschiedene. Gruppen
ordnen:
Gruppe I. Tuberkulóse weiche Infiltrate. — Ich beobachtete
drei Fälle. Unter dem Einfluss der Ätzungen verschwanden die
Infiltrate, die in allen drei Fällen im Spatium interarythenoideum
ihren Sitz hatten, in einem Fall nach 3 Ätzungen, im zweiten
nach 4, im dritten nach 6. In allen drei Fällen wurden die Ätzungen
alle 4—5 Tage vorgenommen. Es sei besonders erwähnt, dass bei
allen drei Kranken von den Klinikern Phthisis pulmonalis dia-
gnostiziert worden war. Die Resultate der Behandlung mit Trichlor-
essigsäureätzungen waren somit bei der ersten Gruppe folgende:
die.Infiltrate hatten bedeutend abgenommen, unbedeutende Uneben-
. heiten und Verdickungen waren nur an der hinteren Wand zurück-
geblieben. Die Symptome, welche die Kranken bewogen hatten die
Klinik aufzusuchen, nämlich Heiserkeit, Husten und Schling-
beschwerden, schwanden nach den Ätzungen.
Gruppe Il. Die zweite, bei weitem grössere Gruppe umfasst
22 Fälle. Es waren tuberkulöse, bald oberflächliche, bald tiefgehende
33*
490 K. Sytschow. [4
Ulzera mit Infiltraten, Ödem und Granulationen. Bei 20 von diesen
Kranken wandte ich ausschliesslich Ätzungen an, bei Kranken, die
ausser den Geschwüren auch noch feste Infiltrate hatten, trug ich
letztere, da sie der Ätzung allein nicht wichen, vor dem Betupfen
mit Trichloressigsäure mit Cordesscher Kürette ab. Eine der-
artige kombinierte Behandlung ergab vorzügliche Resultate. Die
durch die Ulzera hervorgerufene Dysphagie nahm in den meisten
Fällen schon nach den ersten Ätzungen ab. Mehrmaliges Ätzen hatte
Reinigung der ulzerierten Flächen, Rosafärbung des Bodens und der
Ränder nebst Bildung von festen rosafarbigen Granulationen zur
Folge. Die weichen Infiltrate und Granulationen sowie das Ödem
nahmen nach einigen Ätzungen rasch ab und schrumpften. In einer
Anzahl von Fällen waren grosse Infiltrate und ödematöse Schwel-
lungen vorhanden, welche einen tieferen Einblick in den Kehlkopf
unmöglich machten. In solchen Fällen bewirkten schon 1—2
Ätzungen der ödematösen Stellen allein ein solches Nachlassen des
Ödems, dass es gelang, die meist unterhalb desselben verborgenen
kraterförmigen Ulzera zu erblicken, worauf dann mehrmalige Ätzungen
letzterer die Infiltrate und das Ödem zum Schwinden brachten. Eine
Kombination von Geschwüren mit Infiltraten wich der Behandlung
schneller als Infiltrate allein.
Ehe ich zu den allgemeinen bei Anwendung der Trichloressig-
säure erhaltenen Daten übergehe, will ich, um ein anschaulicheres
Bild von dem Verlaufe der einzelnen Fälle zu geben, zuerst zwei
Krankengeschichten anführen.
Fall 1. Ambulatorische Behandlung. Der Kranke N., Hausknecht, klagt
über Heiserkeit, Husten und Schlingbeschwerden. Etwa 2 Jahre leidend. Seit
vorigem Herbst war die Sprache heiser und wurde immer heiserer. Im November
stellten sich Schmerzen beim Schlingen ein, die im Januar dieses Jahres
so stark wurden, dass der Kranke feste Speisen nicht mehr zu sich nehmen
konnte und gezwungen war, sich von Flüssigkeiten zu nähren. Er kam schnell
von Kräften, hatte keinen Appitit und magerte stark ab.
Objektive Untersuchung: Über rechter Lungenspitze Dämpfung, verschärftes
Atmen, verlängertes Exspirium. Zahlreiche Rasselgeräusche in der rechten
Seite. Atmung nicht stertorós. Am Halse äusserlich keine Schwellung. Rachen-
schleimhaut blass, Epiglottis ödematös, an der Rückseite eine ziemlich grosse
ulzerierte Stelle, die von dem freien Rande der Epiglottis beginnend sich
nach unten bis zum Kehlkopfeingang erstreckte. Die falschen Stimmbänder
etwas Ödematös und hyperämisch. Beide Stimmbänder infiltriert und am hintern
Drittel mit Erosionen bedeckt. Aryknorpel verdickt, hyperämisch. Beweglich-
keit der Stimmbänder intakt. Aphonie und Dysphagie.
1. Februar 1909. Erste Ätzung des Ulkus an der Epiglottis nach
vorangegangenem Kokainisieren mit 100oiger Lösung.
3. Februar. Zweite Atzung. Nach der ersten hatten die Schmerzen
abgenommen. Der Kranke hatte Tags zuvor in Milch aufgeweichtes Weissbrot
5] Trichloressigsäureätzungen bei Kehlkopfschwindsucht. 491
essen können. Ein Schorf nach der ersten Ätzung fehlte. Atzung des Ulkus
an der Epiglottis.
6. Februar. Dritte Ätzung derselben Stellen. Dysphagie und Husten
gelinder.
9. Februar. Die ulzerierten Flächen werden reiner, der Boden. ebenfalls,
die Ränder färben sich rosa. Keine Schluckschmerzen mehr.
Vierte Ätzung.
12. Februar. Fünfte Ätzung. Ödematöse Schwellung der Aryknorpel
und der Epiglottis geringer geworden. Leichte Ätzung der Stimmbänder sowie
des Ulkus an der Epiglottis.
14. Februar. Sechste Atzung. Keine Dysphagie mehr: der Kranke
hatte am Tage zuvor festere Nahrung genossen. Die ulzerierten Stellen werden
immer reiner. Husten geringer. Allgemeinbefinden gut.
Fall 2. Stationáre Behandlung.
P. 37 Jahre alt, Beamter, wurde behufs Tracheotomie wegen Larynx-
stenose durch tuberkulóse Infiltrate in die Klinik aufgenommen. Patient er-
krankte im November des Jahres 1907. Er stammte aus einer schwindsüchtigen
Familie. Untersuchung der Larynx: die Epiglottis etwas ódematós und hyper-
ämisch, beide Stimmbänder an ihrem hinteren Ende infiltriert, am freien
Rande und der oberen Fläche ulzeriert; mit einem schmutzig-grauen Belag
bedeckt. Aryknorpel stark Ödematös, besonders rechts, an ihrer Innen-
seite grosse, bis auf die Hinterwand des Larynx und der Trachea reichende
Ulzerationen. Bewegung der Stimmbánder sind erschwert, Aphonie und Dys-
phagie; letztere bei flüssiger Nahrung stürker.
- . Vor der Tracheotomie wurden 5 Ätzungen mit Trichloressigsäure ge-
macht. Die Dysphagie und der Husten nahmen bedeutend ab; das Ödem und
die Infiltrate blieben unverändert. Tracheotomie (v. Stein).
Die Atzungen des Larynx wurden fortgesetzt und zwar 17mal nach
der Tracheotomie. Die ulzerierten Stellen vernarbten, die Infiltrate und das
Ödem schwanden, die Dysphagie und der Husten vergingen. In diesem Zu-
stande reiste Patient in die Krim. Dr. V. Owsianikoff teilte mit, dass
bei Untersuchung des Kehlkopfs die ulzerierten Stellen vernarbt waren. Der
Kranke starb an Lungenschwindsucht.
Bei der Betrachtung der Gesamtresultate der Behandlung mit
Trichloressigsäure sind folgende Punkte zu beobachten:
a) Linderung der Dysphagie:
In 15 Fällen verging die Dysphagie nach 1 Ätzung,
n 4 n ” ” » „n 2 Atzungen,
» 2 » n ” nm » 9 nm
n 1 » ” » » e 6 ”
b) Verlauf der Ulzerationen: _
Die ulzerierten Stellen begannen sich zu reinigen
in 3 Fällen nach 2 Ätzungen,
in 1 Fall nach 3 Ätzungen, z
in 2 Fallen nach 4 Atzungen,
in 1 Fall nach 5 Atzungen,
492 K. Sytschow. [6
in 4 Fallen nach 6 Atzungen,
in 1 Fall nach 10 Atzungen.
Das Ulkus reinigte sich nicht in 1 Fall nach vielen Atzungen.
Heilung kleiner Ulzera erfolgte in 4 Fallen,
Besserung des Prozesses in 12 Fällen,
ohne Besserung in 2 Fällen.
c) Verminderung des Hustens. und der Aphonie:
Wenn der Husten nach den Ätzungen auch nicht ganz auf.
hörte, so wurde er doch in vielen Fällen geringer und die An-
fälle traten seltener auf. Auch die Aphonie verschwand in einigen
Fällen vollständig, und die Stimme bekam beinahe ihren früheren
Klang. In anderen Fällen blieb zwar die Heiserkeit, aber die Stimme
ermüdete nicht.
In 3 Fällen wurde die Trichloressigsäure ferner. bei tuber-
kulösen Ulzerationen der Zunge und in 1 Fall bei solchen des
Zahnfleisches angewandt. In allen Fällen trat schon nach der ersten
Ätzung Linderung der Schmerzen ein. Die Ätzung geschah hier
durch Unterschieben eines kleinen Kristalls unter die überhängen-
den Ränder-Ulzerationen, sie vernarbten alle. Alle Kranken wurden
ausser der lokalen Behandlung durch die Ätzungen auch noch einer
Allgemeinbehandlung unterworfen.
Auf Grund dieser meiner, wie ich zugebe, zwar noch wenig
zahlreichen Beobachtungen, kann man doch folgende Schlüsse ziehen:
1. Die Trichloressigsäure rief in keinem meiner Fälle irgend-
welche Komplikationen (Ödem, Stenosierung) hervor. Die Technik
ist sehr einfach, die Ätzung selbst nicht schmerzhaft und bewirkt
keine entzündliche Reaktion, wie es die galvanokaustische Ätzung tut.
2. Das Verschwinden der Dysphagie hat eine Besserung der Er-
nährung zur Folge, was wiederum wohltuend auf die Psyche und
den Allgemeinzustand wirkt.
3. Acid. trichloraceticum ist das einzige unter allen bekannten
Mitteln, das auf die Ulzerationen energisch reinigend wirkt, und
deren Vernarbung fördernd und dabei doch nur eine kurzdauernde
und unbedeutende Reaktion hervorruft.
4. Infolge ihrer stark bakteriziden Eigenschaften tötet die
Trichloressigsäure die verschiedenen Mikroorganismen, die auf dem
Geschwürsgrund angesiedelt sind und hauptsächlich die ödematöse
Schwellung der Gewebe hervorrufen. Deshalb muss man es sich
zur Regel machen, sobald Ödem vorhanden ist, stets nach Geschwüren
zu suchen, die häufig in der Tiefe des ödematösen Gewebes ver-
borgen liegen; nach ihrer Ätzung fällt das Ödem sehr bald ab.
1] Trichloressigsäureätzungen bei Kehlkopfschwindsucht. 493
Indem die Säure die an der Oberfläche lebenden Streptokokken,
Staphylokokken und andere Mikroorganismen tötet, regt sie zugleich
das umliegende Gewebe zur Proliferation an und bewirkt dadurch
schnelle Vernarbung.
Auf Grund der von Okuneff, von Stein!) und mir ge-
machten Beobachtungen kann die Trichloressigsáure heutzutage für
das wirksamste Mittel für die. lokale Behandlung der Kehlkopf-
schwindsucht angesehen werden.
Literatur.
1. St. von Stein, Acidum trichloraceticum bei Erkrankungen der Nase,
der Kehle und des Ohres. Medicinskoje Obozrenje. Nr. 20. 1889 (russisch).
3. Derselbe, L'acide trichloracétique dans les maladies de la gorge et
du nez. Congrés international d'otologie et de Laryngologie tenu à Paris
du 16 au 21 Septembre. Comptes Rendues et Mémoires. p. 101—408. 1889.
3. Derselbe, Ein weiterer Beitrag zur Anwendung des Acidum trichlor-
aceticum. Monatsschrift f. Ohrenheilk. Nr. 1. 1894.
4. W. Okuneff, Un essai de traitement des affections tuberculeuses du
pharynx et du larynx par l'acide trichloracétique. Archives internat. de
laryngologie, d'otologie et de rhinologie. Mars—avril 1905. p. 419—423.
. Genkin, Atzungen in der Nase mit Höllenstein, Trichloressigsäure und
Chromsäure. Moskau. Inaug.-Dissert. 1902 (russisch).
Qn
1) In 11 Fallen aus Dr. von Steins Privatpraxis wich die Dysphagie
schon nach den ersten Atzungen und die Kehlkopfgeschwiire bedeckten sich
mit Granulationen und vernarbten. In 2 Fällen von tuberkulösen Ulzerationen
des weichen Gaumens und der Mandeln erfolgte nur zeitweilige Erleichterung —
Linderung der Schluckschmerzen.
Ehrlieh Hata in der laryngologischen Praxis.
Von
Georg Avellis, San.-Rat, Frankfurt a. M.
Die Redaktion dieser Zeitschrift hat mich gebeten, einige Notizen
über das neue Syphilismittel mitteilen zu wollen, soweit es unsere
Spezialität betrifft. Ich komme dieser Aufforderung nach, nicht
weil es möglich ist, neue Tatsachen den Kollegen zu übermitteln,
sondern weil auch der kurze Zeitraum der eignen Anwendung doch
Gesichtspunkte ergeben hat, die in der Praxis um deswillen sehr
wertvoll in der allernächsten Zeit sein werden, da von Mitte Dezember
ab das Mittel zu jedermanns Gebrauch freigegeben sein wird.
Zunächst von der Art der Einspritzung und dem Ort derselben.
Die Zukunft wird weder die subkutane noch die intramuskuläre
Einspritzung haben, sondern die intravenöse, die nicht so einfach
ist, als sie gewöhnlich hingestellt wird. Die subkutane ist oft hinter-
her sehr schmerzhaft, es geht auch bei guter Asepsis nicht immer ohne
Hautnekrose ab; die intramuskuläre ist die von mir selbst auch
ausgeübte und zwar in die tiefe Schultermuskulatur. Ich selbst habe
keinen Unfall dabei gehabt, aber Fälle von anderer Seite hier in
Frankfurt kennen gelernt, wo es sich um eine spät auftretende
tiefe Nekrose mit Muskelzerfall handelte, auch wo bei schlecht ge
wählter Stelle im Glutäus eine schwere Ischiasschädigung herbei-
geführt wurde. Dabei ist nicht bloss die Ungeschicklichkeit des
Arztes anzuklagen, der die Einstichstelle in allzugrosse Nähe des
Nerven gelegt hat, es ist auch von pathologisch-anatomischer Seite
hervorgehoben worden, dass das Arsenobenzol ein Gift sei, das weit
496 Georg Àvellis. [2
über sein Lokalbereich zu schwerem Muskel- und Nervenverfall
führen kann.
Die Zukunft wird also nach Ansicht der massgebenden Kreise
der intravenösen Injektion gehören, deren Technik sich wohl erst
noch befestigen wird. Wer keine grössere Übung sich darin ver-
schaffen kann, wird leicht danebenhauen und die Vene verfehlen.
Am leichtesten ist es meiner Meinung nach und nach dem, was ich
bei anderen Ärzten gesehen habe, die Vene einfach auf chirurgische
Weise unter Lokalanästhesie frei zu legen, ohne Jodtinktur vor-
her auf die Haut zu pinseln, wie ich es nach Ehrlichs Vorschrift
bei meinen muskulären Einspritzungen getan habe. Mit Jodtinktur
macht man die Haut hart und undurchsichtig. Wahrscheinlich wird
später die intravenöse Injektion der erste Eingriff bei frischer Syphilis
sein, dem in einem Zwischenraum Hg-Kur oder intramuskuläres
Depot von 606 folgt. —
Die Anführung einzelner eingespritzter Fälle von Lues halte
ich für überflüssig, da das zu einer monotonen Aufzählung von
Luessymptomen würde. Ein primäres Ulkus auf der rechten Tonsille
ist in 10 Tagen geheilt gewesen, nach !/, Tag schon schmerzlos,
ein Fall von ewig wiederkehrenden Zungenplaques, kombiniert mit
8 grossen Rüpiastellen auf dem Unterschenkel, der seit sechs Jahren
von anderer Seite und seit 1/, Jahr von mir mit völliger Nutzlosig-
keit in bezug auf Dauerheilung mit Hg und Jod behandelt worden
ist, ist tatsächlich auf eine Einspritzung von 0,8 Arsenobenzol in
3 Wochen geheilt worden. Ob auf die Dauer, weiss ich nicht, doch
war der Mann durch die alte Methode überhaupt nicht zur Aus-
heilung zu bringen gewesen, so dass sogar während der Hg-Behand-
lung neue Luessymptome aufgetreten waren.
Für solche Fälle ist die neue Entdeckung Ehrlichs schon
jetzt unentbehrlich geworden und ein direkter Segen für Arzt und
Patient.
Ein anderer Fall betraf ein kleinzelliges Sarkom des Velums,
der linken Mandel etc., das meiner Ansicht inoperabel war und
sich durch so merkwürdigen Verlauf auszeichnete, dass ich an der
pathologisch-anatomischen Diagnose fast irre werden wollte. Es ver-
schwand nämlich auf Arsen und Jod im Laufe eines Jahres der
ursprüngliche Tumor, der an der rechten Mandel und dem Zungen-
grund zwei anscheinend isolierte Tumoren bildete, während im
Velum und an der linken Mandel ein erheblich grösserer Tumor
sich bildete. Wassermann war zwar negativ, doch wurde der
Versuch mit 606 gemacht, freilich ergebnislos. —
Bei einem Tabesfall konnte die frische Postikusláhmung nicht
rückgüngig gemacht werden.
3] Ehrlich Hata in der laryngologischen Praxis. 497
Aus der Literatur fiige ich noch einige Daten hinzu, soweit
sie fiir das Spezialgebiet ein besonderes Interesse haben.
Die ,,eeklatante Wirkung" solcher Fälle von tertiärer Lues, die
auf Hg und Jod nicht reagieren, hebt Iversen in Petersburg be-
sonders hervor, analog dem eignen Falle, den ich oben erwähnte.
Er hat nach der Injektion die Lymphdrüsen steril punktiert und
keine Spirochäten mehr darin feststellen können, die er vorher
gefunden hatte. Also rascheste Abtötung der Spirochäten.
Wechselmann (Berlin) spricht von den unangenehmen Er-
fahrungen, die er mit Nekrosen gemacht hat, die erst spät (2 bis
3 Wochen nachher) auftreten und hebt die individuelle Verschieden-
heit der Ertragsgrenze hervor, rät dabei zu exspektativem Verhalten.
in der Hoffnung, dass sich ein Teil des geschädigten Gewebes er-
holen kann. |
Mickley von der Berliner Universitüts-Hautklinik berichtete,
dass die „Schleimhauterscheinungen der sekundären Periode sehr
günstig reagieren. Plaques, Angina specifica bildet sich ohne lokale
Therapie sehr schnell zurück." Er vergleicht es mit Behrings
Serum bei Diphtherie, freilich ein schlechter und unlogischer Ver-
gleich. Acht Tage nach der Injektion waren die Plaques geschwunden,
was ich aus eigner Wahrnehmung bestätigen kann. Dagegen geht
die Roseola sehr langsam zurück!
‘Die Frage der Versager rückt freilich auch immer näher!
C. Stern aus Düsseldorf spricht von Plaques im Hals, die bei
606 rezidivierten, von einem Primäraffekt mit Exanthem, das schon
18 Tage nach der Behandlung rezidivierte.
Martin Friedlander (Berlin) sah 15 Fälle von Schleim-
hauterkrankungen, welche sich im Mund, der Nase, dem Kehlkopf
und der Trachea abspielten und günstig beeinflusst wurden. Darunter
ein sehr wichtiger Fall! Ein junges Mádchen, das vergeblich Sehmier-
und Spritzkuren, Jod und Zittmann gebraucht und nicht schlucken
konnte, vermochte nach 24 Stunden schmerzlos zu schlucken! Nach
13 Tagen wurde sie geheilt entlassen. Bei einer anderen Frau mit
gummöser Lues verschwand zugleich das Asthma! (Auf wie lange?)
Noch eine Bemerkung bezüglich der Abheilung von Plaques.
Man sieht öfters eine entzündliche Reaktion, die eine rote Zone
um die Plaques bildet, eventuell geht auch die weitere Umgebung
der Rachenschleimhaut zu einer erheblichen Röte über. Man kann
das, wenn es in einzelnen Fällen auftritt, Herxheimersche
Reaktion nennen, da man darunter ein starkes Reagieren der
Juetischen Erscheinungen bei antiluetischen Kuren bezeichnet. —
Wir resümieren, dass ein grosser Teil der Erfolge eklatant ist.
498 Georg Avellis. [4
Dass es Fälle gibt, die auf die alten Mittel nicht reagieren
und glänzend durch 606 beeinflusst werden und zeitweise geheilt,
vielleicht auf die Dauer.
. Dass die Besserung sehr rasch eintritt, die auffallende Schmerz-
beseitigung bei Halslues sogar schon nach Stunden bemerkt wird,
noch ehe eine anatomische Besserung sichtbar ist. (Abstumpfung
des Spirochátengiftes !)
Dass eine Kombination mit den alten Mitteln zulässig ist, zuerst
aber der raschen Abtötung wegen das 606 angewendet werden sollte.
Dass wichtige Schädigungen bei Vorsicht nicht beobachtet
worden !) sind, der Glutäus wegen Ischias zu vermeiden sein dürfte.
Dass die Wassermannreaktion nicht gleich negativ wird. Auch
bei meinen früher untersuchten, mit den alten Mitteln behandelten
Fällen ist trotz klinischer Heilung der Wassermann noch lange
positiv gewesen! (Überhaupt ist diese Frage noch im Fluss und
meiner Meinung nach, jeden positiv Reagierenden für krank zu er-
klären und behandeln zu wollen, nicht durch die Erfahrung des
ruhig denkenden Arztes bestätigt und gerechtfertigt.)
Dass es leider trotz der vielen Mitarbeiter noch immer noch
nicht gelungen ist, eine haltbare gebrauchsfertige Lösung des 606
herzustellen, so dass die umständliche und mühevolle Methode des
Lösens resp. Aufschwemmens direkt erst zu erlernen ist.
Zum Schluss wiederhole ich hier eine Anleitung zur Herstellung
der Injektion für tiefe Einstiche, zum Gebrauch für solche Leser,
die die genaueren verschiedenen Lösungsmethoden nach Alt,
Wechselmann nicht zur Hand haben.
Das Pulver wird in einem Schröpfkopf zur leichteren Lösung
mit 0,3 Methylalkohol vermischt, mit einem Glasstab zu einer
klebrigen Masse verrieben, dann werden 10 ccm warmes destilliertes
Wasser zugesetzt. Zu der nach stetem Umrühren völlig gelösten
Flüssigkeit werden nacheinander kleine Mengen (2 resp. 1 ccm)
normale Natronlauge gegossen, bis die anfängliche Emulsion sich
wieder gelöst hat, sodann tropfenweise Normal-Essigsäure bis zur
schwachen Alkaleszenz zugesetzt, bis die klare Flüssigkeit schwach
alkalisch ist. Dieselbe wird in einem Messzylinder auf 20 cem
Wasser aufgefüllt. (An den Wänden des Schröpfkopfes bleiben Spuren
eines bernsteingelben Niederschlages haften, welcher, wie es scheint,
noch nicht genau analysiert ist, aber nach der Untersuchung
1) Einzelne Idiosyncrasien gegen Arsen auch in dieser Form sind schon
publiziert, darunter ein Todesfall. Ganz ohne Gefahr kann ein derartiges Spiro-
chätengift nicht sein und auch in Zukunft nicht gefunden werden.
5| Ehrlich Hata in der laryngologischen Praxis, 499
Spuren von Arsen enthált) Von jenen 20 cem wird je eine Hilfte
an zwei Korperstellen injiziert.
Münchener med. Wochenschrift 25. X. 1910. S. 22/23. (Aus
dem Stadtkrankenhause II Hannover, dirig. Arzt: Geh.-Rat Dr.
Fischer. Unsere Erfahrungen mit dem Ehrlichschen Mittel
5006" von Dr. Hans Ritter.)
Am 9. XII. 10 hat Ehrlich selbst in Frankfurt im Vortrags-
zyklus der árztlichen Fortbildungskurse ein Resumé über alle bei
ihm eingegangenen Erfahrungen betr. 606 gegeben, dessen teilweisen
Inhalt wir nachstehend referieren. Vorher nur noch einige Be-
merkungen. 606 wirkt am eklatantesten bei tertiärer und maligner
Form. Warum? Ich denke, weil bei dieser nur sehr spárliche
Spirochäten sich im menschlichen Körper befinden, so dass es Mühe
kostet, sie überhaupt mikroskopisch nachzuweisen, dagegen bei der
sekundären Form (2—6 Monate nach dem Primäraffekt) ist der Körper
mit den Syphiliserregern überschwemmt, so dass es unmöglich ist,
alle abzutöten, daher die nicht zu kleine Zahl von Rezidiven.
Erkrankungen des Sehnerven entzündlicher Natur nach einer
606-Kur ist auch hier beobachtet worden, ebenso anderwärts des
Akustikus. Die Erklärung dafür gibt Ehrlich selbst weiter unten.
Bei Herz- und Hirnkrankheiten hat sich das Mittel als ge-
fährlich erwiesen. Ebenso ist zu warnen, wenn schon früher Kuren
mit anderen Arsenpräparaten vorausgegangen sind.
Die Therapia sterilisans magna als Regel bleibt freilich
heute noch ein unerfüllter, vielleicht zu schöner Wunsch und die
ökonomischen Folgen solch wunderbar leichter Kur werden sich
auch nicht einstellen, wie sie die Tageszeitungen schon antizipiert
haben und gar den Kurorten den Stillstand prophezeit haben.
Wir lassen jetzt noch einen Auszug aus dem offiziellen Referat
des letzten Ehrlichschen Vortrags folgen, soweit er für die Leser
dieses Blattes. Interesse hat.
Mit Sicherheit ist festgestellt, dass das Präparat eines der
mächtigsten spezifischen Heilmittel gegen die Syphilis darstellt, das
vielfach die anderen Mittel an Wirkung bei weitem übertrifft
und besonders bei denjenigen Fällen, bei denen die bisherigen Mittel
nicht angewendet werden können, nicht mehr entbehrt werden kann.
Bekannt sind ja die geradezu wunderbaren und zauberhaften Hei-
lungen bei schwersten syphilitischen Kopfschmerzen und Schluck-
beschwerden. Wenn trotzdem noch ein gewisses Misstrauen wegen
eventueller schädlicher Nebenwirkungen des Präparats auf Auge und
Ohr besteht, so ist dies auf irrige, auch absichtliche Entstellungen
zurückzuführen. Was die Schädlichkeiten auf den Sehnerven
500 Georg Avellis. [6
anbetrifft, so konnte bereits im September festgestellt werden, dass
damals unter 8000 Fallen nicht ein einziger Erblindungsfall vor-
gekommen war. Obwohl seit dieser Zeit die Zahl der Behandlungs-
fálle sich verdreifacht hat, ist nur über einen Fall von Sehnerven-
atrophie berichtet worden, der nach Einspritzung mit ,,606" auf.
getreten ist. Aber dieser eine Fall war vorher längere Zeit intensiv
mit anderen Arsenpräparaten behandelt worden und Ehrlich be-
tont mit allem Nachdruck, dass aus früheren Erfahrungen bekannt
ist, dass vorausgehende Arsenkuren das Auge gegen die gleichen
oder andere Arsenpräparate besonders empfindlich machen. Wenn
das Präparat wirklich schädigende Wirkungen auf den Sehnerven
ausüben würde, so müssten nach den Erfahrungen beim Atoxyl
bis jetzt 250 bis 500 Erblindungen nach ,,606" aufgetreten sein.
Im Gegenteil, eine grosse Anzahl von syphilitischen Netzhaut-
alfektionen ist durch ‚606° mit glänzendem Erfolg behandelt worden.
Ehrlich besprach dann die Feststellungen mancher Autoren,
welche einige Monate nach Einspritzung von „606“ Erscheinungen
an Augen-, Ohren- und Gesichtsnerven haben auftreten sehen und
welche diese Affektionen dem Präparat zur Last legen. Ehrlich
erklärte ungezwungen das Auftreten dieser Krankheitserscheinungen
als syphilitische Krankheitsprozesse, die dadurch bedingt werden,
dass einzelne Krankheitsherde resp. Syphiliserreger sich gerade an
diesen Stellen der Einwirkung des Mittels entzogen haben. Bekannt-
lich sind die Nerven sehr arm an Blutgefässen, wodurch das Hin-
gelangen des Präparats an die betreffenden Krankheitsherde erschwert
wird. Schon Wechselmann hat diese Ansicht ausgesprochen
und die Erscheinung tritt noch besonders zutage, wenn die Nerven
noch durch enge Knochenkanäle zu passieren haben. Was aber
überzeugend gegen die Ansicht spricht, dass es sich um eine toxische
Nebenwirkung des Präparats handelt, ist die Tatsache, dass diese
Affektionen zum Teil durch eine zweite Injektion von ,,606‘ oder
durch andere antisyphilitische Mittel zur Heilung gekommen sind.
Es handelt sich also in diesen Fällen nur um Rezidive, die
sich durch die Art ihrer Lokalisation besonders bemerkbar machen
und die auch schon bemerkt worden sind, als man noch nicht mit
„606°, sondern nur mit Quecksilber behandelt hat. Ehrlich be-
richtete über neun Fälle dieser Art, die er aus einem relativ
kleinen Teil der bei ihm eingelaufenen Krankheitsgeschichten hat
sammeln können, und er erblickt in dem Auftreten dieser Rezidive
eine nichi vollständige Sterilisation des Körpers, der gerade in diesem
Stadium mit Krankheitsprodukten überschwemmt ist, und die nur
entsprechend dem Sprichwort: „Greif niemals in ein Wespennest,
doch wenn du greifst, so greife fest“ vollständig erzielt werden kann.
1] Ehrlich Hata in der laryngologischen Praxis. 501
Aus der Wiener Univ.-Ohrenklinik wird von mehreren Er-
krankungen des Nerv. cochlearis berichtet nach 606, die nach 2 bis
3 Wochen wieder von selbst in Heilung übergingen. Die Erklärung
wird in einer schwellenden Entzündung des Nerven nach 606 ge-
sucht, gleichsam eine Herxheimersche Reaktion und nicht in
einer Arsenvergiftung, die irreparabel wäre.
Ehrlich belegte an Handen der Publikationen und der bei
ihm eingelaufenen Berichte die Richtigkeit obiger Erfahrung und
bewies durch Statistiken die Überlegenheit der sauren und alkalischen
Lösungen gegenüber der bisher meist angewandten neutralen Emul-
sion; auch die Einverleibung des Präparats durch die Venen und
eventuelle zweite Injektionen bringen grösseren Heilerfolg, wie sich
dies einesteils aus dem Verschwinden der Wassermannschen
Reaktion, andererseits aus dem Freibleiben von Rezidiven ergibt.
Und zwar wurden diese Beobachtungen zum Teil in Militärhospitälern
gemacht, wo eine fortlaufende Beobachtung fast aller Patienten mög-
lich ist, wie dies auch von Gennerich in Kiel, von Schultz in
Strassburg, Doerr in Wien der Fall, was teils auch in städtischen
Krankenhäusern, z. B. von Weintraud in Wiesbaden, von
Schreiber in Magdeburg, von Dichot in Brüssel, von Fabry
in Dortmund beobachtet worden ist. Schliesslich braucht man sich
bei einem kräftigen Angriff awf die Krankheit, um sie vollständig
zu beseitigen, nicht auf eine einmalige oder zweimalige Injektion
des Präparates zu beschränken, sondern kann noch Quecksilberkuren
einschieben, also eine Kombinations-Therapie anwenden.
(Der Preis des Mittels beträgt 10 Mark pro Dosis, in fertigem
frisch zubereiteten Zustand aus den Apotheken 13 Mark.)
Aus der königl. ungar. Universitätsklinik für Nasen- und Kehl-
kopfkrankheiten in Budapest. (Professor Dr. Onodi.)
Ehrlich - Hatas Arsenobenzol bei syphilitischen
Erkrankungen der oberen Luftwege!)
Von
Dr. J. Safranek,
Assistent der Klinik.
Bevor ich über unsere Erfahrungen mit dem Ehrlich-Hata-
schen Syphilisheilmittel berichte, möchte ich in Kürze die allgemeinen
(resichtspunkte hervorheben, welche bei der Beurteilung der Wirkung
des neuen Heilmittels jenen Fachgenossen, die sich mit dieser Frage
eingehender nicht befassten, zur Richtschnur dienen können.
Bekanntlich wurde die Sypbilidologie in den letzten Jahren, in einer in der
Geschichte der Medizin fast einzig dastehenden Weise sozusagen Schlag auf
Schlag mit einer Reihe wichtiger, wissenschaftlicher Erfindungen bereichert, als
da sind: die Übertragbarkeit der Syphilis auf einzelne Tiergattungen, die Ent-
deckung der Spirochäten und die Serodiagnose, welche Errungenschaften das
Studium der Probleme der Pathologie und Therapie in neue Bahnen lenkten. Für
die Therapie bildete die Erkenntnis der spezifischen Heilwirkung der organischen
Arsenpräparate einen Wendepunkt. Als nämlich anf Grund der Uhlenhut-
Hoffmannschen Erfahrungen, wonach das Atoxyl einzelne Spirillosen günstig
beeinflusst, diese Präparate im Ehrlichschen Institute systematisch untersucht
wurden, erkannte der grosse Forscher die wahre chemische Beschaffenheit des
Atoxyls und dass eigentlich die Reduktionsprodukte der Arsanilsäure wirksam
sind, stellte neue organische Prüparate her und schuf die auf bestimmten Ge-
setzen der synthetischen Chemie basierende Chemotherapie der Spirillosen. In
der Praxis ergab sich nämlich, dass die zur Atoxylgruppe gehörigen fünfwertigen
. Präparate wohl bei einzelnen parasitären Krankheiten mehr oder weniger wirk-
sam sind, gleichzeitig jedoch auf den Organismus schädlich wirken, indem die
Gefahr der Optikusatrophie besteht, also dass sie im Sinne der Eh rlichschen
Auftassung „parasitotrop“ sind, d. h. infolge ihrer chemischen Affinität sich an die
!) Nach einem, im Budapester kónigl Árzteverein am 19. Nov. 1910 ge-
haltenen Vortrage.
Zeitachrift fir Laryngologie. Bd. TIT, H. 5. > 34
504 J. Safranek. | [2
Parasiten anheften und vermóge ihrer Giftwirkung diese abtóten, doch gleich-
zeitig einzelne Organe des Wirtes schüdigen, d. h. auch „organotrop“ sind. Hin-
gegen zeigte sich von den von Ehrlich hergestellten dreiwertigen Arsenprüpa-
raten, namentlich vom Dioxydiamidoarsenobenzol, dass es bei Spirillosen, so auch
bei experimenteller Tiersyphilis sämtliche Parasiten auf einen Schlag vernichtet,
ohne ,,organotrop'" zu sein: es gelang sonach die ,,Therapia sterilisans magna“.
Die dem Arsenobenzol zugeschriebene parasitotrope Wirkung fand beim mit
Spirochäten infizierten menschlichen Organismus in dem Sinne Bestätigung, als
die Spirochäten in der überwiegenden Zahl der Fälle bei frischen syphilitischen
Prozessen (Chancre, Papeln, Schleimbautplaques) nach Anwendung des Heilmittels
auffallend rasch verschwanden; doch das Arsenobenzol erwies eine heilende
Wirkung auch bei solchen luetischen Gewebsveränderungen, in welchen Spirochäten
kaum oder nur sehr spärlich vorkommen, wie bei Tumoren und Ulzerationen der
tertiären und malignen Formen, in welcher Beziehung auch unsere eigenen Er-
fahrungen lehrreiche Daten liefern. Wenn wir schliesslich die Resultate in Be-
tracht ziehen, welche sich in Fällen angeborener Syphilis der Säuglinge nach Be-
handlung der Mutter mit Arsenobenzol ergeben haben, erscheint die Auffassung
sehr plausibel, dass das Arsenobenzol ausser der Vernichtung der Spirochäten
eine Reaktion im Organismus auslöst (vielleicht im Wege der durch Vernichtung
der Spirochäten frei gewordenen Endotoxine), als deren Resultat sich in den
meisten Fällen eine entschiedene Heilungstendenz zeigt, welche oft eine staunens-
wert schnelle Heilung der syphilitischen Erscheinungen zur Folge hat.
Bezüglich der dem Arsenobenzol zugeschriebenen zweiten Eigenschaft sind
die bisherigen Erfahrungen auch ziemlich günstig, nachdem man eine „organo-
trope‘ Wirkung, d. h. eine wesentliche und bleibende Schädigung der lebens-
wichtigen Organe nicht erfahren hat oder wenigstens verhültnismüssig sehr
selten.
Doch es ergab sich auch, dass die Hoffnung des berühmten Erfinders auf
eine ,Therapia sterilisans magna“ sich bei der menschlichen Syphilis nicht erfüllt
hat, wenigstens nicht in dem absoluten Sinne des Wortes; denn wir müssen
als Tatsache konstatieren, dass schon bisher, wenn auch in einer relativ geringen
Zahl der Fälle das Präparat sich vollkommen wirkungslos erwies, in einer be-
deutenderen Zahl der Fälle aber nach kürzerer oder längerer Zeit sich Rezidive
zeigten, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass dieser Misserfolg einer ver-
fehlten Anwendung des Heilmittels zuzuschreiben sei, und schliesslich wenn auch
die durch das Syphilisvirus verursachten Erscheinuugen vergangen sind, so ist
nicht in jedem Falle das lebensfähige aktive Virus selbst aus dem Organismus
verschwunden,. wofür das Verhalten der Wassermannschen Seroreaktion die
Aufklärung gibt. Diese Gesichtspunkte sind bei Beurteilung der Endresultate
des Präparates von grosser Bedeutung und ihre Betonung erscheint wegen der
hie und da sich äussernden Begriffsverwirrung über die Wirkung des Heilmittels
notwendig. |
Wenn man in Betracht zieht, dass die Syphilis auf dem Gebiete
der oberen Luftwege überall und in jedem Stadium vorkommen kann,
hauptsächlich aber im zweiten Stadium sehr oft — fast regelmässig
-- auf dem Gebiete der Rhino-Laryngologie effloresziert und dass
auch die tertiären Erscheinungen hier sehr häufig sind, welche einen
bedeutenden Prozentsatz der III. luetischen Erkrankungen bilden,
schien die Behandlung mit Arsenobenzol vom Standpunkte der Nasen-
3] Ehrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Erkrank. d. ob. Luftwege. 50»
und Kehlkopfheilkunde von eminenter Bedeutung, und es zeigte sich
infolge der gleich am Anfange der Versuche gewonnenen Resultate
die Notwendigkeit, dass die Wirkung der Behandlung bei luetischen
Veränderungen der oberen Luftwege eindringlicher beobachtet werde,
was um so notwendiger war, als der Natur der Sache gemäss die
klinischen Mitteilungen zumeist von dermatologischen Abteilungen er-
folgt sind und die spezielle rhino-laryngologische Fertigkeit bean-
spruchenden Fälle, resp. deren klinisches Verhalten des näheren nicht
erörtert wurde. |
Im Auftrage meines Chefs, Herrn Professors Ónodi, beob-
achtete ich eingehend die Patienten, welche auf der I. medizinischen
Klinik!) (Direktor Hofrat Prof. von Kétly) mit Arsenobenzol be-
handelt wurden, beziehungsweise von diesen Falle jene, welche syphi-
litische Erscheinungen der oberen Luftwege zeigten. Die Zahl dieser
Fälle betrug bis Ende November 1910 fünfundzwanzig. Für die
Überlassung dieser Fälle sind wir Herrn Hofrat v. K&tly zum grössten
Dank verpflichtet. Ausserdem bot sich uns Gelegenheit dar, auch
einige in anderen Anstalten behandelte Fälle zu beobachten.
Über die Methodik der Anwendung, der angeblichen Unterschiede
in der Wirkung der alkalischen Lösung, neutraler Suspension usw.
sowie betreffs der auf die Injektion folgenden Nebenerscheinungen
(Arzneiexanthem), resp. allgemeine Reaktionserscheinungen (Veründe-
rung der Temperatur, des Pulses und Blutdruckes) der von seiten des
Nervensystems und anderer Organe eintretenden Symptome (neur-
algische Schmerzen, Zittern, Herzklopfen, Magen- und Darmerschei-
nungen u. dgl.), von welchen einzelne Beobachter referieren, werden
wir uns des näheren nicht auslassen, indem wir das Hauptgewicht
auf das vom rhino-laryngologischen Gesichtspunkte interessante klinische
Verhalten der Fälle und auf die hieraus abzuleitenden Folgerungen legen.
Bezüglich der Methodik bemerken wir bloss, dass in der Mehrzahl
der Fälle das Arsenobenzol in neutraler Suspension subkutan am
Rücken, zwischem dem unteren Ende der Skapula und der Wirbel-
säule, in einigen Fällen in alkalischer Lösung intravenös, beziehungs-
weise kombiniert — intravenös und subkutan — angewendet wurde.
Die Dosierung ist aus den Krankengeschichten ersichtlich. Besondere
Aufmerksamkeit wendeten wir auf die im Gebiete der oberen Luft-
wege auftretende lokale Reaktion. Wir beobachteten ferner das Ver-
halten der Wassermannschen Seroreaktion; diese wurde vor der
Injektion in jedem Falle, sowie auch nachher und wiederholt vor-
genommen, ebenso bei den zur Kontrolle erscheinenden Patienten.
1) Wegen Umbau unserer Klinik wurden unsere Ordinationen auf der I. med.
Klinik gehalten. |
94*
506 J. Safranek [4
Die Beeinflussung der Wassermannschen Reaktion durch die
Arsenobenzolbehandlung steht im Vordergrunde der aktuellen Fragen,
doch sind auch die Meinungen bezüglich der Verwendbarkeit dieser
Reaktion in diagnostischer Beziehung und den aus derselben zu
ziehenden Folgerungen verschieden.
Da wir im folgenden uns ófters hierauf berufen, erscheint es
nótig, dass wir unseren Standpunkt in dieser Frage erórtern, inso-
ferne als diese Frage in der Rhinolaryngologie von Bedeutung ist.
Bekanntlich sind im sekundären Stadium der Lues ausser den
charakteristischen Plaques auf den Tonsillen, der Mundschleimhaut usw.
gewöhnlich auch andere die Diagnose sichernden Erscheinungen vor-
handen (Hautexanthem, Polyskleradenitis, häufig Rest der Initial-
sklerose), doch im primären, hauptsächlich aber im tertiären Stadium
der Lues ist die Diagnose oft recht schwierig. Während wir in der
rhino-laryngologischen Praxis primären Sklerosen verhältnismässig sehr
selten begegnen, um so häufiger kommen tertiäre Erscheinungen zur
Beobachtung, welche einen bedeutenden Prozentsatz der tertiären
luetischen Erkrankungen bilden und einerseits sehr verschiedene
Formen zeigen, andererseits oft keine anderen sichtbaren Symptome
am Körper aufweisen. Die Anamnese ist häufig unverlässlich, das
klinische Bild sehr wechselvoll und die Differentialdiagnose besonders
gegenüber der Tuberkulose manchmal sehr schwer; die histologische
Untersuchung gibt auch nicht in allen Fällen eine bestimmte Auf-
klärung; da in den tertiären Syphiliden Spirochäten nur hie und da
zu finden sind, ist auch das Resultat der mikroskopischen Unter-
suchung zumeist negativ; in diesen zweifelhaften Fällen kann nun
die Wassermannsche Seroreaktion sehr gute Dienste leisten.
In neuerer Zeit haben Gussmann und Neuber!) aus der
hierortigen dermatologischen Klinik das Ergebnis ihrer Untersuchungen
von mehr als 800 Fällen mitgeteilt, wonach die Wassermannsche
Seroreaktion im primären Stadium in ca. 62—, im sekundären 89—,
ım tertiären 90°/o der Fälle positiv war, frühlatente Fälle zeigten in
71—, spitlatente in 49°/o positive Reaktion. Bruck?) der die bis-
herigen Resultate zusammenfasste, gibt annähernd gleiche Zahlen an.
Wie Bruck sagt, ist die Reaktion für die Syphilis in hohem: Masse
charakteristisch und was vom praktischen Standpunkte wichtig ist,
kommt selbe zwar auch bei anderen Krankheiten vor, doch bei keinen,
die klinisch mit Syphilis verwechselt werden können, mit Ausnahme
der Lepra und der Frambósie.
!) Medizinische Klinik 1910. Nr. 36.
*) Die Serodiagnose der Syphilis. Berlin 1910.
5] Ehrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Erkrank. d. ob. Luftwege. >07
Wir können sonach den positiven Ausfallder Wassermann-
schen Reaktion als eine wertvolle Angabe betrachten, welche besagt,
dass bei dem betreffenden Individium einst eine luetische Infektion
stattgefunden hat und welche auch in der Diagnose der fraglichen
Veränderungen bei sorgfältiger Erwägung der klinischen Symptome
gut zu verwerten ist. Auch bei einigen der durch uns untersuchten
Fälle bestärkte die positive Reaktion unsere Diagnose, und dass die
Veränderung eine luetische war, bestätigte auch das Resultat der
Behandlung.
Auf die Besprechung unserer Fälle übergehend, bemerken wir.
dass unter den an der I. medizinischen Klinik behandelten, im Be-
reiche der oberen Luftwege keine primäre Sklerose sich vorfand,
doch hatten wir Gelegenheit bei einem Patienten einen harten Schanker
der Unterlippe zu beobachten, welcher am VII. Tage nach der In-
jektion erweicht und verheilt war.
Die sekundären und tertiären Symptome erschienen öfters | ge-
mischt, resp. in Übergangsformen und gleichzeitig an mehreren Stellen
oder Organen. Wir gruppierten die Fülle nach der Lokalisation
der ausgesprochensten Symptome. Eine lokale Therapie wurde in
keinem der Fälle angewendet.
Ausser Ozäna-Fällen beobachteten wir 3 Fälle von Nasen- und
Nasenrachensyphilis mit sekundären und tertiären Erscheinungen:
Protokoll Nr. 1: Ulcus luetic. septi nar. Plaque muqu. arc. palato-
gloss. Der 19jühr. Mann erlitt vor 3 Jahren eine genitale Infektion, wurde ein
Jahr lang mit Hg.Inunktion behandelt; im vorigen Jahre entstand in seiner
Nase ein eiterndes Geschwür, welches nach Hg.-Injektionen heilte, seit einigen
Wochen verspürt er in der rechten Nasenhälfte ein schmerzhaftes Prickeln, die
Nase ist verstopft. Status bei der Aufnahme (Mitte September): Rechts am vor-
deren Teile des Septums befindet sich in der Schleimhaut ein teilweise mit ein-
getrockneten blutigen Krusten bedeckter, mit wallartigem Infiltrat umgebener,
linsengrosser, runder Defekt, mit schmutziggrau belegtem Grund; der Knorpel
scheint noch intakt zu sein; am rechten, hinteren Gaumenbogen ein bohnengrosser
Plaque; indolente Schwellung der Zervikal-, Kubital- und Inguinaldrüsen; positive
Wassermannsche Reaktion. Injektion: 0,60 Arsb. subkutan, am Rücken; am
nächsten Tag: stark brennendes Gefühl in der Nase, die entzündliche Zone ist
lebbafter, zweimalige heftigere Blutung von der Stelle des Ulkus; am dritten
Tage ist das Geschwür rein, die Ränder sind abgeflacht, Plaque spurlos ver-
schwunden ; am siebten Tage ist das Geschwür verheilt, W. R. noch
positiv. Vier Wochen nach der Injektion W. RH. negativ, ebenso in der achten
Woche, an Stelle des Ulkus eine weisse Narbe mit zentraler Einziehung.
Protokoll Nr. 7: Periostitis gummosa ossis nasal sin. Rhmit.
atrophic. inc. 34j&hriger Mann hatte vor 16 Jahren im Munde ein luetisches Ge-
schwür, weswegen er eine antiluetische Kur durchmachte. Ein Jahr nachher
linksseitiger Lungenspitzenkatarrh, vor 5 Jahren angeblich Kehlkopftuberkulose;
wuide nach langen klimatischen Kuren gesund. Im August laufenden Jahres ent-
Stand am Nasenrticken eine schmerzhafte Schwellung, weswegen er Mitte Sep-
508 J. Safranek. [6
tember in unserer Ordination erschien. Oberhalb des linken Os nasale und lateral
von diesem eine mandelgrosse mit entzündeter Haut bedeckte prall.elastische Ge-
schwulst; in der Nase diffus geschwellte, doch stellenweise atrophische und mit
eingetrockneten Krusten bedeckte Schleimhaut; Inzision der Geschwulst, worauf
sich ca. 1 ccm Adickflüssiger Eiter entlee:t, den Grund des Abszesses bildet das
teilweise entblósste und rauhe Os nasale sin. Die trocken, mit Jodoformgaze be-
handelte Wunde heilt nicht, die Ränder zerfallen immer mehr und in 10 Tagen
“ entsteht ein hellergrosses mit entzündeter Haut umgebenes Geschwür, mit speckigem
Belag. W. R. positiv. Injektion am 7. Oktober: 0,70 Arsb. subkutan; am Abend
mässige Temperatursteigerung; am 9. Oktober ist die entzündliche Schwellung
und Rötung der Haut geringer, der Grund des Geschwürs reiner, die Sekretion
gering; am 11. Oktober ist der speckige Belag verschwunden, die Ränder des Ge-
schwürs sind glatt und die Kpithelisierung beginnt von den Rändern her, am
10. Tage nach der Injektion ist das Geschwür verheilt, der rhino-
skopische Befund unverändert; der Patient bleibt wegen der atroph. Rhinitis in
Behandlung, in der 7. Woche nach der Injektion wird die W. R. negativ.
Protokoll Nr. 19: Rhinitis atroph. foetida, Ulcus luetic. cavi naso-
pharyngei, Angina specifica, Erythema laryngis. 34 jühr. Frau erlitt eine genitale
Infektion vor 13 Monaten, antiluetische Kur machte sie keine durch, staud schon
vor Jahren wegen Nasenkatarrh in spezialürztlicher Behandlung; nach Angabe
ihrer Angehörigen ist beiläufig seit einem halben Jahre aus ihrer Nase ein pesti-
lenter Geruch zu verspüren, ca. seit zwei Monat ist sie heiser und hat im Halse
. ein kratzendes Gefühl. Status bei der Aufnahme: Beide Nasenhältten gestatten
einen breiten Einblick, die Schleimhaut ist trocken, glänzend, zum grossen Teile
mit schmutziggrauen Krusten bedeckt, Fötor aus der Nase, die Schleimhaut der
Hinterwand des Rachens ist ebenfa!ls mit eingetrockneten, blutigen Krusten be-
haftet, die Tonsillen und Gaumenbigen geschwellt, stark gerdtet, die Rötung ist
ziemlich scharf abgegrenzt; nach Reinigung des Nasopharynx stellt sich bei der
Rhinoskopia poster. heraus, dass derselbe besonders links lebhaft gerötet ist, und
am oberen Rande der linken Choane ein mit schmutzig graubraunem Belag ver-
sehener unregelmässiger Defekt in der Schleimhaut vorhanden ist, mit scharfen
und prominenten Rändern; die Epiglottis und beide Stimmbänder sind geschwellt
und injiziert, die Stimme ist sehr heiser. W. R. stark positiv. Injektion am
16. November abends: 0,30 Arsb. intravenös, am anderen Tage früh: Patientin
verspürt im Halse einen starken brennenden Schmerz, welcher
in das linke Ohr ausstrahlt, sie muss oft krächzen und spucken, die
Rötung im Halse ist bedeutend stärker, wie man sagt glutrot:
am 19. November Rötung geringer, Rachen reiner, so auch der Grund des
Geschwürs; subjektive Schmerzen verschwunden, Befund der Rhinoskop. ant.
unverändert, entzündliche Schwellung der Epiglottis geringer, bis 23. November
zeigt dieser Status keine Änderung, an diesem Tage enthält Pat. 0,40 Hy sub.
kutan am Rücken; nächsten Tag gibt die Kranke an, dass das Sekret der
Nase flüssiger und bedeutend reicher ist, am 25. November ist das nasopharyn-
geale Geschwür vollkommen rein, die Epithelisierung beginnt von den Rändern
her, Hals normal, Nase weist keinen wesentlichen Unterschied auf, die Epiglottis
zeigt ein normales Bild, die Injektion der Stimmbänder ist geringer, die Stimme
noch etwas rauh; am 28. November ist das nasopharyngeale Geschwür
vollkommen verheilt, der Nasen- und Kehlkopfbefünd zeigt im Verhült-
nisse zum vorigen Befund keinen merklichen Unterschied. Die W. R. wurde in
diesem Falle bereits nach 8 Tagen negativ.
1] Khrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Erkrank. d. ob. Luftwege. 500
Wir bemerken an dieser Stelle, dass unter den beobachteten Pa-
tienten noch andere mit Rhinit. atroph. foet. behaftet waren, doch
waren bei diesen mehr charakteristische Erscheinungen und wir grup-
pierten diese Fälle nach der Lokalisation der letzteren.
Im Rachen und in der Mundhöhle fanden sich Symptome der
Lues II. in mehr als 15 Fällen; in einem Teile dieser war die papu-
löse, in einem anderen die ulzeróse und in einigen Fällen die erv-
thematöse Form sehr ausgeprägt.
Ein typischer Fall für die papulöse Form war unter anderen
der folgende:
Protokoll Nr. 22: 42jähr. verheiratete Frau wurde im Juni 1910 wegen
Lungenspitzenkatarrh auf die I. mediz. Klinik aufgenommen, wo ein makulo-
papulóses Exanthem, inguinale Drüsenschwellung und positive W. R. bei ihr kon-
statıert wurden; Patientin erhielt eine Hg.-Schmierkur, worauf das Exanthem zu-
rückging, von einer luetischen Infektion will sie nichts wissen ; derzeit klagt sie
über anhaltende Kopfschmerzen, die seit 6 Wochen andauern, ferner zeigte sich
das Exanthem vor 2 Wochen wieder, und seit 2 Monaten leidet sie an Hals-
schmerzen. Status am 20. November: beide Tonsillen und die Gaumenbógen sind
sulzig geschwellt, die mediale Fläche der Tonsillen von einem graulich-weissen
stellenweise grünlich-gelb durchschimmernder Belag bedeckt, umgeben von einer
scharf ausgeprägten entzündlichen Zone; eine ähnliche bohnengrosse Veränderung
ist an der vorderen Fläche der Uvula, am linken Zungenrand im hinteren Drittel
ist ein mandelgrosser milchfarbiger, vorragender Fleck, Rhinit. atroph. incip.,
Polyskleradenitis, an der Brust einige Maculae, positive W. R. Kein Fieber. In-
jektion am 21. November: 0,40 Arsb. subkutan am Rücken; nächsten Tag starke
lokaleReaktion, am dritten Tage verblassen die Plaques und verschwinden bis
zum nächsten Tage spurlos, die Schwellung der Tonsillen und Gaumenbogen
nimmt ab, und am 26. November zeigt der Hals ein vollkommen normales
Bild. Mit dieser Patientin kam gleichzeitig ihre 18jähr. Tochter in Behandlung,
welche wahrscheinlich durch ihre Mutter extragenital infiziert wurde und bei
welcher eine „Sypbilis d’emblée“ vorhanden zu sein schien, indem ihr Leiden schein-
bar mit sekundären Erscheinungen im Rachen begann; die Plaques am vorderen
Gaumenbogen und an der Zunge verschwanden ebenfalls spurlos am dritten Tage
nach der Injektion.
Einen ähnlichen Verlauf zeigten noch weitere 7 Fälle der papu-
lösen Form, bei welchen sich an den Tonsillen, am weichen Gaumen,
an der Zunge, an der Innenfläche der Unterlippe etc. typische Pla-
ques vorfanden mit Polyskleradenitis und in einigen Fallen mit an-
deren luetischen Erscheinungen (Hautexanthem, genitale Papeln,
Spuren der primären Sklerose); sämtliche diese Fälle zeigten vor der
Injektion positive Wassermannsche Reaktion. Nach der Injektion
von 0,50—0,70 Arsb. zeigte sich in den meisten Fällen eine mehr
oder weniger deutliche lokale Reaktion, nach Ablauf derselben
verschwanden die subjektiven Beschwerden und innerhalb2—5 Tagen
war von den Plaques keine Spur; am 8.—12. Tage nach der In-
jektion, wo die Patienten aus der Beobachtung entlassen wurden, war
die Wassermannsche Reaktion noch positiv.
510 J. Safranek. [8
Ulzeróse Formen der Lues II. beobachteten wir in 4 Füllen;
bei diesen handelte es sich um erbsenklein—hellergrosse oberflüch-
liche Geschwüre mit scharfem Rande und schmierigem Belag, welche
auf den Tonsillen, Gaumenbógen und Gaumensegel sassen. Die Pa-
tienten akquirierten die Lues vor einigen Monaten usque einem Jahre
auf genitalem Wege, machten bereits eine antiluetische Kur durch,
bei allen waren noch andere sekundäre Erscheinungen und positive
Wassermannsche Reaktion vorhanden. Nach subkutaner Injektion
von 0,40—0,60 Arsb. respektive in einem Falle nach kombinierter An-
wendung von 0,20 intravenös und 0,40 subkutan entstand zumeist
innerhalb 24 Stunden eine stärkere oder schwächere lokale Re-
aktion mit entsprechenden subjektiven Empfindungen („Wund-
gefühl“ an der Stelle des Affekts, brennender, stechender in das
Ohr strahlender Schmerz) die bis zu 24 Stunden dauerten, nachher
eine oft erstaunlich rasche Epithelisierung der Ge-
schwüre, welche innerhalb 4—5 Tagen vollkommen ver-
heilt waren.
Auch für die erythematöse Form hatten wir mehrere Fälle,
bei welchen die neben anderen luetischen Erscheinungen und posi-
tiver Wassermannschen Reaktion vorhandene Ángina specifica (wie
auch die erythematóse Form im Larynx) auf das Arsenobenzol ziem-
lich prompt reagierte, nach Ablauf der lokalen Reaktion verblasste
die Rötung, die Schwellung verschwand und die subjektiven Be-
schwerden vergingen rasch oder klangen allmählich ab.
Wir erwähnen im kurzen noch folgenden interessanten Fall:
Pıotokoll Nr. 16: 29jähr. verheiratete Frau meldet sich Anfangs November
mit der Beschwerde, dass sie seit 4 Wochen Halsschmerzen habe, besonders beim
Schlucken, bis dahin will sie gesund gewesen sein. Bei der anämischen Patientin
mit phthisischem Habitus zeigt die stark gelappte rechtsseitige Tonsille an der
medialen Fläche 2—3 gräulich weisse Tüpfelchen, kaum grösser als ein Steck-
nadelkopf; in der Mitte des rechten hinteren Gaumenbogens ist ein pfefferkorn-
grosses, gelblich durchschimmerndes Knötchen, welches die Schleimhaut ein
wenig vorwölbt und welches von einer nur mässig entzündlichen Zone umgeben
ist; mässige, aber ein wenig schmerzhafte Schwellung einiger Halsdrüsen; die
Nase, der Nasenrachen und der Kehlkopf zeigen keine wesentliche Veränderung,
Patientin ist fieberfrei; die Anamnese gibt weder für Syphilis, noch für Tuber-
kulose Anhaltspunkte. "Trotz des Habitus ist die Untersuchung auf Tuberkulose
negativ, sonstige sichtbare Erscheinungen der Syphilis sind keine vorhanden.
Schon der Tonsillenbefund ist kein besonders charakteristischer, die Diagnose des
Knótchens am Gaumenbogen gar nicht leicht; in die Exzision willigt die furcht-
same Frau nicht und so konnte eine mikroskopische Untersuchung nicht vorge
nommen werden. Die subakute Entstehung, die Schmerzhaftigkeit. die das Knöt-
chen umgebende, wenn auch nur mässig entzündliche Zone, den Tonsillarbefund
und last not least die positive Wassermannsche Reaktion in Betracht ziehend:
stellen wir die Diagnose auf ein tertiäres Syphilom (zirkumskriptes Granulom).
9] Ehrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Erkrank. d. ob. Luftwege. 511
Die faktisch luetische Beschaffenheit dieser Veränderung wurde vom Erfolge der
Arsenobenzolbehandlung baldigst erwiesen: nach subkutaner Injektion von 0,50 Arsb.
verschwinden die Tüpfchen an den Tonsillen und das Knitchen wurde bis
zum sechsten Tage vollkommen resorbiert, die Schleimhaut hat nor:
males Aussehen, die Schmerzen verschwanden schon früher, ebenso hörte die
Schmerzhaftigkeit der Zervikaldrüsen auf, die Schwellung derselben wurde geringer.
In diesem Falle also leistete die Wassermannsche
Seroreaktion — im Sinne des in der Einleitung Gesagten
— einen sehr guten Dienst und das Resultat der Arseno-
benzolbehandlung bewies ex juvantibus baldigst die
Richtigkeit der Diagnose.
Mit ausgesprochenen tertiären Erscheinungen im Rachen
beobachteten wir 5 Patienten.
In einem Falle (Prot. Nr. 2) fand die Infektion vor sechs Jahren auf extra-
genitalem Wege statt (Digitalverletzung), trotz wiederholter Hg- und J-Kuren
exazerbierte die Syphilis wiederholt, deren Merkmale (Narben im Gesichte etc.)
gut sichtbar sind. Ein haselnussgrosser gummöser Zerfall an der rechts-
seitigen Tonsille und ein kleineres Ulkus an der Hinterfläche der Uvula
reinigten sich am dritten Tage nach der Injektion von 0,50 Arsb., es fand bald eine
Abflachung des zerfallenen Teiles statt, rasch begann die Epithelisierung und am
neunten Tage war die Verheilung vollkommen.
In einem anderen Falle (Prot. Nr. 9) geschah die genitale Infektion vor
20 Jahren. Trotz wiederholter antiluetischen Kuren seit vier Jahren Nasen-, seit
einigen Wochen Halssymptome. Schwere Ozäna, die Schleimhaut ist hoch-
gradıg atrophisch, von den Muscheln kaum eine Andeutung vorhanden, das knorpelige
Septum vollständig, das knöcherne zum grössten Teile destruiert, starke Borken-
bildung mit pestilentem Gestank; die Schleimhaut des Nasopharynx sowie des
Rachens atrophisch; am rechten hinteren Gaumenbogen ein kronen-
grosser, wallartig infiltrierter Defekt mit speckigem Grunde,
positive W. R. Nach subkutaner Injektion von 0,70 Arsb. reinigt sich der geschwürige
Zerfall und zeigt einen ühnlichen Heilungsverlauf wie der im ersten Falle; am
achten Tage, an welchem der Kranke die Klinik verlüsst, ist bloss in der Mitte
eine einige mm schmale, noch nicht epithelisierte Stelle. In diesem einen
Falle zeigte die Ozäna eine entschiedene Veränderung: vom dritten
bis vierten Tage an nach der Injektion sind die Borken lockerer, entfernen sich
leichter, die Borkenbildung nimmt bald ab, der Gestank verschwindet fast ganz
und beim Verlassen der Klinik ist die Nase fast borkenlos. Wohl hatte der
Patient wegen des unleidlichen Gestankes und der äusserst peinigenden Borken
Nasenspülungen gemacht, doch tat er dies schon seit Liz Jahren, als eben in
unserer Ordination diese ihm empfohlen wurden, auch nahm er seither lange Zeit
hindurch Jodkali, doch ohne Erfolg.
In einem dritten Falle heilte ein zerfallenes Gumma am weichen
Gaumen ebenfalls rasch; ein vierter Fall zeigte eine besonders
heftige Reaktion:
Protokoll Nr. 8: Ein 22jähriger, ziemlich kräftiger junger Mann, der an
Stelle der fehlenden Uvula ein kronengrosses Ulkus hatte (W.R. war negativ)
wird einige Stunden nach der subkutanen Injektion von 0,50 Arsb-
512. J. Safranek. [10
auffallend hinfällig, sehr blass, klagt über riesigen. Schmerz im
Halse, kann nicht einmal Milch recht schlucken; dieser Zustand bessert
sich jedoch bis zum anderen Tage, verschwindet am dritten Tage, das Geschwür
wird alsdann rein und verheilt bis zum siebten Tage (W.R. auch jetzt negativ).
In einem fünften, in diese Kategorie gehörenden Falle versagte
das Arsenobenzol: |
Protokoll Nr. 13: 42jähriger Mann, der als Soldat vor 20 Jahren Lues ak-
quirierte, und damals eine antiluetische Kur durchmachte, ist seit August 1910
heiser und hat Halsschmerzen. Status bei der Aufnahme am 19. Oktober: abgesehen
von einer Crista septi ist in der Nase keine Veränderung; am Gaumensegel links
neben der Uvula ist ein erbsengrosses rundes Loch mit speckigem Belag um-
geben, die eingeführte Sonde lässt sich ca. 1 cm nach oben und rückwärts vor-
schieben; katarrbalische Erscheinungen im Rachen und Kehlkopf; oberhalb des
linken Sternoklavikulargelenkes ein hühnereigrosses nicht zerfallenes Gumma,
positive W. R. Injektion am ?0. Oktober: 0,60 Arsb. subkutan, nachher gar keine
Reaktion; Patient verlässt am 25. Oktober die Klinik, bleibt noch fünf Tage in der
Beobachtung, doch auch nachher, d. i. am 11. Tage nach der Injektion ist
absolut keine Heilungstendenz oder Veränderung weder im Halse,
noch im Gumma oberhalb des Sternoklavikulargelenkes. Patient, ein Bauer aus
der Provinz, kann nicht lünger hier bleiben und so entlassen wir ihn mit Rp.
für Jodkali. W.R. auch jetzt positiv.
Über das Verhalten der sekundären Erscheinungen im Kehlkopfe
berichteten wir bereits früher; mit tertiären Veränderungen stehen
Patienten derzeit noch in Behandlung !).
An dieser Stelle möchte ich noch kurz einen Fall erwähnen, der
einerseits zur Symbiose der Syphilis und Tuberkulose
einen Beitrag liefert, andererseits bis zu einem gewissen Grade eine
Folgerung über die Wirkung des Arsenobenzols in solchen Fallen
zulässt.
Es handelte sich um einen 29 jährigen Offizier, der vor vier Jahren auf geni-
talem Wege Lues akquirierte, Hg- und J-Kuren durchmachte und bei welchem im
Frühjahre 1909 Hals-, bald Kehlkopfsymptome sich zeigten, er hatte ein Geschwür
im Kehlkopfe; nach nochmaliger Hg- und J-Kur heilten wohl diese Erscheinungen,
meldeten sich jedoch im Sommer 1910 wieder, weswegen Patient Mitte September
in einem Militärspital eine Arsenobenzol-Injektion erhielt, welche mit starker Re-
aktion eioherging; Patient hatte Fieber und ein brennendes Wundgefühl im Kehl.
kopfe. Bald nach der Injektion, gegen Ende September zeigten die Kehlkopf-
symptome eine vehemente Verschlimmerung, die bisher nur verschleierte Stimme
wurde allmählich total heiser, es traten Schluckschmerzen auf; wegen der immer
ärger werdenden Beschwerden kam Patient in der zweiten Hälfte Oktober auf
die Klinik. Der Kehlkopfstatus war nun folgender: die Epiglottis, sowie der
Aditus laryngis sind etwas tiefer gefärbt als normal, an der Hinterfläche des
Kehldeckels ist eine linsengrosse, weissliche, seichte Einziehung, das linke Taschen-
1) Anmerkung bei der Korrektur: Tertiäre Ulzerationen, sowie
xummise Infiltrationen im Larynx reagierten prompt auf die Injektion,
der Heilungsverlauf war ein ähnlicher, wie bei den beschriebenen Fällen,
11] Ebrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Erkrank. d. ob. Luftwege. 513
band ist gerótet und uneben geschwellt, das linke Stimmband zeigt eine ühnliche
Veränderung, doch mit ausgesprochener Knötchenbildung, der linke Aryknorpel
ist bedeutend, der rechte weniger entzündlich geschwellt.
Unser Verdacht richtete sich auf Tuberkulose und unsere Annahme wurde
durch den weiteren klinischen Befund bestärkt; der Patient hatte eine Infiltration
in der Lungenspitze, in Sputum waren Tuberkelbazillen, die diagnostischen Hilfs-
reaktionen waren für Tuberkulose positiv, für Syphilis negativ.
Die Symbiose der Syphilis und Tuberkulose konnte
auf zwei Arten entstehen: die eine Eventualität ist, dass die tuber-
kulöse Infektion sekundär sich zur syphilitischen gesellte und die
luetische Läsion des Kehlkopfes konnte als Eintrittspforte dienen:
die zweite Eventualitát ist, dass der Patient bereits eine latente
Tuberkulose hatte, als die syphilitische Infektion stattfand. Es ent-
steht in diesem Falle die Frage: Wie wirkte das Ársenobenzol
auf die doppelte Infektion? Auf die Syphilis, wie es scheint
heilend, denn 5—6 Wochen nach der Injektion waren Symptome der
Syphilis nirgends vorhanden, auch die Wassermannsche Reaktion
war jetzt negativ. Schwerer ist die Beantwortung auf die Frage, ob
zwischen der Ársenobenzolbehandlung und der nachher erfolgten Ver-
schlimmerung der Larynxtuberkulose ein Zusammenhung besteht.
Es ist eine schon lange bekannte, oft bestätigte aber auch oft
bestrittene Erfahrung, dass tuberkulöse Prozesse im Laufe einer
antiluetischen Behandlung eine Verschlimmerung zeigen. Auch ın
diesem Falle ist der Verdacht nicht ganz abzuweisen, dass die durch
das Arsenobenzol verursachte starke Reaktion zur rapiden Verschlim-
merung der Larynxtuberkulose beigetragen hatte. Allerdings kann
nur von einem Verdacht die Rede sein, da man mit den „post hoc
ergo, propter hoc“-Folgerungen vorsichtig sein muss.
Wir sind am Schlusse unserer Mitteilung angelangt. Unsere Er-
fahrungen zusammenfassend können wir soviel festsetzen: — `
1. Das Arsenobenzol erwies sich in den von uns beobachteten (42)
Fällen!) syphilitischer Erkrankungen der oberen Luftwege — mit
Ausnahme eines Falles (Ulcus III. des weichen Gaumens), in welchem
das Mittel versagte — als ein die bisher gebräuchlichen antiluetischen
Mittel sowohl rücksichtlich der Intensität als Raschheit der Wirkung
weit übertreffendes Agens, indem die Symptome der Syphilis in einer
grossen Zahl der Fälle einen erstaunlich raschen Heilungsverlauf
zeigten: luetische Gewebsprodukte wurden nach der Injektion sehr
rasch resorbiert, bei Gewebszerstörungen, namentlich bei Schleimhaut-
ı) Anmerkung bei der Korrektur: Anfangs Jänner 1911 belief sich die Zahl
unserer Fälle auf 42, von diesen wurde über 25 ausführlich berichtet ; in weiteren
16 Fällen bewährte sich das Arsenobenzol gleichfalls, nur in einem Falle war
keine genügende Wırkung zu verzeichnen.
514 J. Safranek. [12
ulzerationen fand die Epithelisierung und Abheilung mit auffallender
Raschheit statt. So sahen wir, dass ein tertiáres Syphilid am 6. Tage
nach der Injektion vollkommen resorbiert war, der speckige Grund
zerfallener Gummata sich innerhalb einiger Tage reinigte, das wall-
artige Infiltrat um die Ulzerationen innerhalb 2—3 Tagen sich ab-
flachte, die Ränder glätteten sich, alsbald begann die Epithelisierung
und die Geschwüre verheilten innerhalb 6—10 Tagen, und dies war
nicht nur bei den Schleimhautaffektionen der Fall, sondern auch die
gummöse Periostitis des Os nasale reagierte prompt; die oberfläch-
lichen Ulzerationen des sekundären Stadiums zeigten einen noch
rascheren Heilungsverlauf und heilten innerhalb 4—5 Tagen nach der
Injektion, die papulösen Formen — Plaques muqueuses — im Halse
und in der Mundhöhle verschwanden innerhalb von 2—5 Tagen
spurlos; die Rückbildung der erythematösen Formen (Angina specifica,
Erythema laryngis) ging etwas langsamer, doch auch bei diesen
klangen die Erscheinungen innerhalb 10—12 Tagen ab; primäre
Sklerose beobachteten wir im Bereiche der oberen Luftwege keine,
doch ist der harte Schanker der Unterlippe bis zum 7. Tage nach
der Injektion erweicht und verheilt.
Schliesslich bemerken wir — ohne weitere Folgerungen zu ziehen
— dass zwischen den Ozäna-Fällen in einem Falle eine entschiedene
Veränderung stattfand: die Borken wurden lockerer, bald verminderte
sich ihre Bildung in auffallender Weise und der Fötor verringerte
sich bedeutend.
Die Schwellung der Cervikaldrüsen, wie überhaupt die Polyskler-
adenitis zeigte eine langsame Rückbildung.
2. Einige usque 24 Stunden nach der Injektion zeigte sich in
mehr als der Hälfte unserer Fälle (besonders bei sekundären Er-
scheinungen) eine der Herxheimerschen Reaktion entsprechende,
respektive der von Herxheimer beschriebenen und auf der Haut
auftretenden Reaktion ähnliche lokale Reaktion, welche besonders im
Emporwölben der Randpartien und in deren lebhafter Rötung — so-
genanntes Brennrot — sich äusserte!). Diese Reaktion wurde zumeist
von subjektiven Erscheinungen begleitet, indem die Patienten ein
brennendes, stechendes Wundgefühl an der Stelle des Affektes emp-
fanden. In Betracht dessen, dass die Reaktion nicht verspätet, son-
dern zumeist innerhalb 24 Stunden auftrat, und dass in unseren
Fällen minimale Dosen des Arsenobenzols niemals, hingegen zumeist
der Maximaldosis sich nähernden Dosen angewendet wurden: halte
1) Die den syphilitischen Affekt zumeist umgebende entzündliche Zone
wurde noch stärker.
13] Ehrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Krkrank. d. ob. Luftwege. 515
ich diese Reaktion nicht für eine ungenügende Wirkung des Mittels.
sondern eher für die Folge der Wirkung der aus den Spirochäten
frei gewordenen Toxine.
3. Die vor der Behandlung bestehenden Schmerzen, Schluck-
beschwerden verschwanden rasch, zumeist am 2.—3. Tage nach der
Injektion (nach Ablauf der lokalen Reaktion) oder verringerten sich
von diesem Tage an allmählich.
4. Zur Kontrolle erschien bisher ca. der dritte Teil der Be-
handelten, bei diesen waren seit der Injektion 10—3 Wochen ver-
gangen, ein klinisches Rezidiv zeigte sich bisher bei keinem dieser
Fälle; das Verhalten der Wassermannschen Reaktion betreffend
bemerken wir bloss, dass in 1—2 Fällen nach intravenöser An-
wendung des Mittels die Wassermannsche Reaktion bereits am
8. Tage negativ war, während bei den übrigen sie allmählich schwächer
und zumeist in der 6.—8. Woche negativ wurde. Nähere Daten
darüber werden später mitgeteilt werden.
Bezüglich der aktuellen Fragen der Methodik (z. B. kombinierte
intravenöse und Depotbehandlung) und der allgemeinen Reaktionser-
scheinungen, der internen und neurologischen Beobachtungen etc. können
wir uns in keine Detaillierung einlassen und bemerken bloss — auf
das schon Gesagte hinweisend —, dass in den von uns beobachteten
Fällen keine „organotrope“ Wirkung des Arsenobenzols wahrzunehmen
war, doch halten wir es infolge eines beachtenswerten Falles für
nötig, darauf hinzuweisen, dass der Wirkung des Mittels bei Doppel-
infektionen (Syphilis und Tuberkulose) eine besondere Aufmerksamkeit
zugewendet werde.
Wir würden von der uns gestellten Aufgabe zu weit abweichen,
wenn wir uns in eine Besprechung der übrigen, im allgemeinen In-
teresse stehenden, offenen Fragen einlassen würden, als da sind: das
fernere Verhalten der refraktären und rezidivierenden Fälle bei Re-
injektion, die Resultate der kombinierten (Hg-+-Arsenobenzol) und abor-
tiven Kuren, das spätere Verhalten der Wassermannschen Reaktion
(das neuerliche Positivwerden der nach der Injektion negativ ge-
wordenen Reaktion) usw., welche Fragen teilweise — im Sinne des
in der Einleitung Gesagten — bei Beurteilung der Endresultate des
Arsenobenzols von grosser Bedeutung sind. Die Entscheidung über
die letzterwähnte Frage wird die Zukunft bringen. uns gereicht es
zur grossen Befriedigung uns der Reihe derjenigen anzuschliessen.
welche in dem neuen antisyphilitischen Heilmittel eine wertvolle Be-
reicherung unseres Arzneischatzes erblicken, welches die Wirkung der
bisher gebräuchlichen Mittel in mehrfacher Hinsicht übertrifft. den
516 J. Safranek: Ehrlich-Hatas Arsenobenzol bei syph. Erkrank. etc. 14
bisherigen Erfahrungen zufolge nicht gefährlicher ist als andere dif-
ferente Árzneien. und mit welchem wir in der Mehrzahl der Fälle
innerhalb einiger Tage einen therapeutischen Erfolg erreichen können.
welcher mit den übrigen bisher angewendeten Heilverfahren oft erst
nach Monaten zu erzielen war, welcher Umstand nicht nur für den
Patienten selbst von eminenter Bedeutung ist, sondern auch in so-
zialer und hygienischer Hinsicht weittragende Folgen haben dürfte.
ll. Referate.
l. Allgemeines, Geschichte usw.
347. Barbera, De la lepra nasolaringea y su tratamiento, Revista
espanola de laringologia. September, Oktober 1910.
Verf. studiert die verschiedenen Veränderungen, welche die Lepra in
beiden Organen herbeiführt. Unter den Arzneimitteln erwähnt er das
Eukalyptusöl, das Chaulmoograöl (Antileprol), das Nastin; die lokale Be-
handlung besteht in Ätzungen, Salben mit Ichthyol, Salol usw.
Das Radium soll eine sehr gute Wirkung bei den Mund- und
Pharynxläsionen entfalten. Menier.
348. E. Baumgarten, Budapest, Anüsthesin-Koryfin und Zyklo-
form-Koryfin. Med. Klinik 44. 1910.
Verf. schildert die guten Erfolge, die er mit Anästhesin-Koryfin und
Zykloform-Koryfin bei schmerzhafter Erkrankung des Kehlkopfs und
Rachens gemacht hat. Mit beiden Medikamenten wird der Larynx bezw.
Rachen an seinen erkrankten Partien mit der Kehlkopfspritze berieselt.
Besonders Zykloform-Koryfin verschafft bei dysphagischen Beschwerden
dem gequälten Patienten grosse und relativ lang andauernde Erleichterung
besonders in der Nahrungsaufnabme. Weniger gute Erfahrungen wurden
mit Alypin-Koryfin in diesem Punkte erzielt. Sippel, Würzburg.
349. Beck, Joseph C., Chicago, Further Observations on some
of the newer therapeutic measures in ear, nose and throat
affections, (Moderne Therapie der Nasen-, Hals- und Ohr-
erkrankungen. Annals of Otol. Rhin. u. Laryng. 1910. Nr. 2.
I. Chronische eitrige Entzindung:
a) Biers Stauung: in vielen Fallen erfolgreich.
b) Vaccine Behandlung: äusserst selten wirksam.
c) Bismuth-Paste. Nr. 1 (33 °/o Bismuthum subnitricum, 67°/, Vaselin)
wird mittels spezieller Spritze in die Stirn-Keilbein- und Kiefer-
höhle gepresst. Glänzende Resultate, falls nicht polypoide De-
generation oder Knochennekrose vorliegt. Bei Siebbeineiterung
518 Referate. [2
werden die Zellen mit der mittleren Muskel vorher entfernt. Paste
Nr. 2. (Bismuthum subnitricum 30°/o, Vaselin 60°/o, Cera alba
59/o, Paraffin 5°/o) wirkt glänzend als Ausfüllungsmittel der
radikal operierten Stirn- und Kieferhöhle und wird auch vorteil-
haft als „Schutzverband“ bei kleineren intranasalen Eingriffen
verwendet.
d) Überhitzte Luft und Sauerstoff: bei dicken Sekretionen wirksam.
e) Bullings Inhalationsapparat; besonders zu empfehlen bei atro-
phischer Rhinitis und eitriger Laryngotracheitis.
II. Chronische nichteitrige Entzündüng. Fibrolysin, Tiodin und Dionin,
bei Mittelohrädhäsionen nicht zufriedenstellend.
III. Gewebszerstörung.
a) Röntgenstrahlen, Radium und Hochfrequenzstrom. Vollständige
Heilung nur bei Lupus.
b) Kohlensäureschnee: bei Lupus und blutenden Polypen des Nasen-
eingangs erfolgreich.
IV. Blutgerinnung durch Streptokokken- und Diphtherieserum günstig
beeinflusst.
V. Epidermisierung:
Scharlachrot (Pulver oder 10°/o Salbe), bei kleinen postoperativen
Perforationen und Ulzerationen des Septums!
VI. Lokale und allgemeine Desinfektion.
a) Jodtinktur auf Haut oder auf kokainisierte Schleimhaut der Nase
und des Rachens vor der Operation gepinselt.
b) Urotropin, in grossen Dosen vor und nach operativen Eingriffen.
Otto Glogau, New-York.
350. Chavanne, Lokalanüsthesie der Schleimhäute mit Chinin
und Harnstoff. Rev. hébd. de laryng. 1910. Nv. 37
Es wurden erfolgreiche Anásthesierungsversuche gemacht mit Flüssig-
keiten folgender Zusammensetzung:
1. Phenol 1,0, Menthol 1,0, Chinin. muriat. 0,75, Harnstoff 0,25,
m 1,0, Adrenalin. pur. 0,003.
. Phenol 2,0, Menthol 2,0, Chinin. mur. 1,5, Adrenal. pur. 0,005.
Arth. Meyer.
351. Wilh. Ebstein-Góttingen, Zur Behandlung des Heu-
fiebers. Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 43.
Empfehlung eines prophylaktischen Verfahrens, wie es auf Ebsteins
Anregung Verworn an sich selbst ausgebildet und mit Erfolg geübt
hat Bei Beginn der Heuschnupfenpericde wird vor jedem Schritt aus
dem Hause die Nasenschleimhaut durch Einführung einer erbsengrossen
Masse von Bormelin (Bormentholvaselin) eingefettet und die Nase ausser-
dem vor eindringendem Blütenstaub durch einen losen, in die Nasen-
óffnungen gelegten Wattebausch mechanisch geschützt. Auf diese Weise
ist Verworn frei von schweren Anfällen geblieben, die hingegen bei
gelegentlicher Unterlassung des Verfahrens sich wieder einstellten.
Hirsch, Magdeburg.
3] Referate. 519
352. Fr. Henke, Königsberg i. Pr., Demonstrationen aus der
Universitütspoliklinik für Hals- und Nasenkranke. Mediz.
Klinik 51. 1910.
1. Bei einem 26 jährigen Manne, der plötzlich mit Schluckheschwerden
erkrankt war, wurde eine wallnussgrosse Schleimzyste an der Vorderseite
der Epiglottie mit der kalten Schlinge entfernt,
2. Bei einem 46jührigen Patienten wurde ein breitbasig dem weichen
Gaumen aufsitzendes Lipon mit der kalten Schlinge abgetragen.
3. Demonstration der Röntgenbilder eines zwischen dem weichen
Gaumen und der hinteren Rachenwand sitzenden Tumors, der von der
Basis des Keilbeines ausging.
4. Bei einem 13jährigen Mädchen, vor 4 Wochen an der Rachen-
mandel kurettiert, plötzlich einsetzendes Fieber und Schüttelfrost mit dif-
fuser Schwellung der Stirne und Schwellung hinter dem Ohr. Killiansche
Operation der Stirnhóhle. Reichlicher Eiterabfluss. Rückgang der Krank-
heitserscheinungen. Sippel, Würzburg.
353. Lustwerk, Ein Fall von Erysipel und 7 Fälle von Schar-
lachangina behandelt mit Formamint. Wratschebnaja Gaz.
1909. Nr. 45.
Nach interner Darreichung von Formamint wurde in 7 Scharlach-
fällen ein günstiges Resultat erzielt. Auch ein Gesichtserysipel ist dank
dem Formamint gut verlaufen. Marc Rosenblatt, Odessa.
354. E. Richter, Plauen, Notizen aus der Praxis. Archiv für
Lar. XXIV. H. 1. ]
1. Ulkus des Pharynx bei einem Kinde (Angina ulcero-membra-
nosa? Ref.).
2. Fremdkórper (Murmel von 1!/ cm Durchm,) im Nasenrachen.
3. Hydrops der Stitnhóhle Exophthalmus; Operation, Heilung.
4. Zange für Halsabszesse.
5. Schere, Haken und Kanüle zur endonasalen breiten Eróffnung der
Kieferhóhle. - Artb. Meyer, Berlin.
355. Scheppegrell, Immunisatorische Behandlung des Heu-
fiebers. Rev. hébd. de laryng. 1910. Nr. 8.
Verf. hat in Nord-Carolina die Pollen der Ambrosia artemisiaefolia
(ragweed), welche mechanisch und chemisch die Schleimhaut reizen, als
die hauptsächliche Ursache des Heufiebers erkannt; mit der Blüte dieser
Pflanze traten pünktlich die Anfälle bei Disponierten auf. Von einer
Serumbehandlung ist nichts zu erwarten, da es sich nicht um einen
äusseren Reiz handelt. Dagegen gilt es, vor der Saison den Zustand
von Toleranz herbeizuführen, welchen die Patienten während der Krank-
heit nach einigen Wochen gewinnen; zu diesem Zweck werden Jie männ-
lichen Blüten gesammelt, in Gazesückcben gebunden und leicht gerieben,
die entweichenden Pollen werden inhaliert. Wird diese Bebandluug auch
nach der Blütezeit fortgesetzt, so kann dauernde Heilung erfolgen.
Arthur Meyer, Berlin.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 6. 39
Kl Referate. [4
356. Skript, Einige Skleromfälle behandelt mit Röntgenstrahlen.
Eschemrsjatschnik uschnich, gorlowich ı nossowich bolesnej.
1909. Nr. 3.
Der Verf. berichtet über 5 von ihm erfolgreich mit Róntgenstrahlen
behandelte Skieromfälle.e Die Diagnose wurde in jedem Falle mikro-
skopisch festgestellt. Marc Rosen blatt, Odessa.
357. Stock, Bristol, Bemerkungen über Anästhesierung bei
Operationen der Kehle, der Nase und der Nebenhöhlen.
Brit. Med. Journ. 17. Sept. 1910.
Dieser Bericht behandelt den Gegenstand ziemlich eingehend und
hauptsächlich vom Standpunkt der Anàásthesierung. Die Methode, welche
bei Einführung der Anästhesie bevorzugt wird, ist die Anwendung von
Äthyl-Chlorid und Ätber mit Clovers Inhalationsapparat.
Sobald der Patient bewusstlos ist, wiri die Anästhesie durch einen
speziellen Apparat, der mit zwei Buxton-Flaschen versehen ist, aufrecht
erhalten, von denen die eine Chloroform und die andere Äther enthält
und zwar indem man eine Mischung dieser beiden, oder nur eines davon
mit Luft durch eine Röhre bläst, welche an einem Mundstück von Doyen
befestigt is. Es wird die offene Methode so angewandt und man ver-
folgt dabei den Zweck, die Anästhesie annähernd oder auch vollständig
durch Átber allein zu erreichen. Es wird auf den Wert der retronasalen
Tamponade aufmerksam gemacht, welche man hauptsächlich mit Watson
Williams Zange anwendet. Adrenalin ist häufig die Ursache von Sekretions-
störungen und scheint in einigen Fällen die Ursache einer Reihe von
toxischen Symptomen zu sein.
Bei der submukösen Resektion unter allgemeiner Anästhesie, sind
dem Verf. gelegentlich Zeichen eines chirurgischen Schock während der
Anfangsstadien der Operation begegnet, welche vermutlich ihre Ursache
in einer Reflexwirkung auf das Herz, durch Reizung der Nervi naso-
palatini haben. Guthrie, Liverpool.
358. A. Zeller, Stuttgart, Über Zykloform — ein lokales
Anüsthetikum. Med. Klinik 45. 1910.
Zykloform, dem Anásthesin nahe verwandt, ist in Wasser schwer
löslich und deshalb auf Wundflüchen der Hautoberflache wegen der da-
durch verminderten Resorptionsgefahr und geringeren Gefahr der Allgemein-
vergiftung sehr gut verwendbar. Sippel, Würzburg.
2. Nase und Nebenhöhlen.
359. Aboulker, Zysten der Stirnhöhle Rev. hébd. de laryng.
1910. Nr. 44.
Ein eigener Fall, durch Operation geheilt, und 12 aus der Literatur.
Arth. Meyer.
360. B. Alexander, Reichenhall, Zur Durchleuchtung der
Kieferhöhle mit Glühlicht. Monatsschr. fiir Ohrenheilkunde.
11. 1910.
Die bei der Durchleuchtung erhellte infraorbitale Region entspricht
nicht ganz dem unteren Augenlid, da der Tarsus inferior das Licht in seiner
5| 'Referate. 521
ganzen Ausdehnung niemals durchlüsst. Bei Herabziehen des unteren
Augenlides leuchtet dann der vorher dunkle Bezitk des Bulbus hell auf.
Bei Schädeln, die bei der Durchleuchtung ein besonders helles Licht
geben, kann man ein Phänomen beobachten, das für die Erkenntnis der
Nasennebenhöhlenatmung Bedeutung gewinnen kann. Bei der Inspiration
wird die Erhellung intensiver und verbreiteter, umgekehrt bei der Ex-
spiration. Sippel.
361. Bloch, Polypen als Prothese. Eschemesjatschnik uschnich,
gorlowich $ nossowich bolesney. 1909. Nr. 5.
Bei einem Luetiker wurden Polypen extrahiert, die in einem Defekte
des harten und weichen Gaumens fest sassen; dann wuchsen Polypen
aus der linken Nasenhälfte durch die defekte Nasenscheidewand (der ganze
Vomer fehlte) in die rechte Nasenhälfte hinein; sie wurden ebenfalls ent-
fernt. Nach Anfertigung einer Gaumenprothese konnte der Patient wieder
gut sprechen. Marc Rosenblatt, Odesa.
362. Breyre, Liittich, Neue Nasentamponade. Le Scalpel, Juin 1909.
Der Verf. legt in die Mitte einer Gazekompresse von 30 cm Breite
einen Tampon von Gaze von der Grösse einer Mandarine, welchen er
mit einer flachen Schnur knüpft; er zieht ibn mit Hilfe einer weichen
Sonde durch das Nasenloch in die Nasenhóhle. Die Kompresse wird bis
zum Eingang der Nase gefübrt, dann verstopft er den vorderen Teil der
Nase, nachdem er den Tampon von der Schnur abgelöst hat.
Der Verf. wandte dirses Verfahren bei einem Falle hartnäckigen
Nasenblutens an und findet es besser als die vordere Tamponade und
als das Verfahren nach Belloc. Fernandes.
363. Brocqu, Paris, Die quadrillierten linearen Skariflkationen
in der Behandlung des Lupus vulgaris und speziell des
Nasenlupus. Monatshefte f. prakt. Dermatologie. 4. 1910.
Die Skarifikationen heilen den Lupus ebensogut und mit ebenso-
guten Narben als die Finsentherapie. Sie können aber nur angewandt
werden, weun der Lupus nicht zu ausgedehnt ist und dünne Hautstellen
befallen bat, welche auf fester Unterlage ruhen, wie z. B. bei der Nase.
Sippel, Würzburg.
364. Edwin Blos, Karlsruhe, Erfolge der operativen Heufleber-
behandlung durch Resektion der N. ethmoidalis anterior.
Deutsche med. Wochschr. 1910. Nr. 49.
Verf. gibt einen Bericht über das Befinden der 3 von ihm operativ
behandelten Heufieberkranken wührend des vergangenen Sommers. Sie
sind so gut wie ganz frei von Beschwerden geblieben. Neben der opera-
tiven Behandlung soll Atemgymnastik mit der Kuhnschen Lungensaug-
maske getrieben werden. Zum Schluss bringt B. einige Einzelheiten der
Operationstechnik. Hirsch, Magdeburg.
365. Burak, Die endonasale Chirurgie bei akuten und chro-
nischen Eiterungen der Nebenhöhlen der Nase. Westnik
uschnich gorlowich i nossowich bolesnej. 1909. August, Sept.
Kritische Darstellung der heutzutage üblichen Methoden der Behand-
lung der Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase.
Maro Rosenblatt, Odessa.
85
522 i Referate. (6
366. Carreras, Contribucion al estudio del tratemiento del
ocena por las corrientes de alta frecuencia. (Beitrag zum
Studium der Ozaenabehandlung dureh hohe Frequenzströme.)
Revista barcelonosa de enfermodados de vido. 30. Sept. 1910.
Durch die kombinierte Behandlung mit alkalinen Spülungen und
Strómen von hoher Frequenz, erreichte Verf. sehr gute Resultate, welche
er einer trophischen Wirkung auf die Nasenschleimhaut, einer stimulieren-
den Wirkung auf den Allgemeinzustand und einer bakteriziden Wirkung
zuschreibt. Das um die Elektrode gebildete Ozon würe der bakterizide
Heilfaktor. Menier.
367. Dewatripont, Bakteriologische Beziehungen zwischen
Affektionen der Nase und der Thrünenwege. Rec. hébd. de
laryng. 1910. Nr. 5.
Als Fortsetzung früherer Beiträge bespricht Verf. diesmal die chronische
Dacryoctitis mit Pneumokokken. In Fällen mit Erweiterung
des Tränensacks kann nur Exstirpation des Sacks in Frage kommen;
aber auch ohne Erweiterung verwirft D. alle konservativen Verfahren und
rät zur Exstirpation, deren Technik er beschreibt.
Arth. Meyer, Berlin.
368. F. A. Diekson, Mobile, In situ antrum trocar. (Dauer-
Trocar für die Kieferhöhle). Laryngoskope 1910. Nr. 5.
Für chronische Eiterung. Gewóhnlicher Trokar mit speziellem Hand.
griff schräg in der Nase zu tragen, um das „stets neues Durchstossen
dar Antrumwand zu ersparen.“ (Intranasale Eröffnung des Antrums er-
spart selbst dieses für den Patienten chronisch belästigende Instrument Ref.).
: Otto Glogau.
369. J. Dresch, Die Nasenhöhle, eine Wiege des Lupus. (Cavite
nasale, berceau du lupus.) Annales des maladies de Voreille.
Tome XXXVI. Nr. 10.
Es ist gewiss keine neue Idee, die Aubry, in Toulouse hatte, als
er alle seine Lupuskranken seit 1893 von Escat rhinoskopieren liess,
aber verdienstvoll muss sie Dresch erschienen sein, der unter den von
seinem Lehrer Escat untersuchten Fällen ein reiches Material von
Lupuskranken fand. Die Behauptung die Aubry aufstellte, dass der
Gesichtslupus regelmässig, wenn nicht immer seinen Ausgang von einem
Lupus der Nasenschleimhaut nimmt, fand sich an dem von Dresch be
‚arbeiteten Material vollauf bestatigt. Wahrend Dresch kaum einen Fall
von Gesichtslupus ohne Nasenschleimhautlupus fand, konnte er zahlreiche
Fälle von Lupus der Nasenschleimhaut ohne Gesichtslupus finden. Diese
Fälle stellen die Initialformen dar, die unbehandelt wahrscheinlich später
sich mit Gesichtslupus komplizieren dürften. Für diese Komplikation
sorgt in erster Linie das reich ausgebildete lymphatische Netz, das nament-
lich die Wangenschleimhaut durchbohrt. Tatsächlich findet man auch
diesen Lymphwegen entsprechend die ersten Manifestationen des Gesichts-
lüpus, wührend das Gefüssnetz das von der Nasenwurzel ausgehend zu
den oberflächlichen Drüsen der Parotis führt und den präaurikularen
Ganglien führt schon seltener die erste Manifestation des Lupus auf der
Haut bildet.
7] Referate. | 523
Es muss zugegeben werden, dass wir die Manifestationen des Tuberkel-
bazillus auf der Nasenschleimhaut in ihren Frühformen noch schlecht
kennen. Wenn wir eine Rhinitis vor uns haben, die von den gewóhn-
lichen Formen abweicht, müssten wir uns häufiger ale wie es bisher ge-
schieht, dazu bequemen Biopsien zu machen. So hat z. B. Moure eine
sogenannte para- oder pratuberkulose Rhinitis beschrieben, die er des
ófteren bei Patienten bemerkt baben will, die spáter an Lupus erkrankt.
sind. Für Dresch besteht kein Zweifel, dass es sich in den Fallen’
Moures um echten Nasenlupus gehandelt habe.
Es ist so viel schon über das Verhältnis von Tuberkulose zu Lupus
geschrieben worden, so oft die Frage erörtert worden, ob der Ausdruck
von Lupus in der Pathologie beibehalten werden soll, dass es ganz natür-
lich ist, wenn Dresch ebenfalls eine Klassifikation der Tuberkulose der
Nasenschleimhaut vorsieht. Das Schema ist sehr einfach. Dresch
unterscheidet eine primitive Tuberkulose der Nasenschleimhaut oder den
echten Lupus, dann eine sekundüre Tuberkulose und endlich eine Über-
gangsform.
Die primitive Tuberkulose der Nasenschleimhaut oder Lupus kann
folgende vier Formen annehmen: a) die kleinen Knótchen, b) rhinitis
pseudo-atrophica vom Manne, c) die ulzeróse Form. d) das Tuberkulom.
Die sekundäre Tuberkulose ist die gewöhnliche Tuberkulose, welche sich
beim kachektischen Phthisiker entwickelt, während Dresch als Über-
gangsformen eine jener vier Varietäten der ersten Gruppe bezeichnet, die
aus irgend einem Grunde den verhältnismässig torpiden Charakter, der
ihnen gewöhnlich eigen ist, verliert, und zu einer destruierenden Form
mit raschem Verlauf sich verwandelt. Lautmann.
370. Goris, Brüssel, Prosopodiaschisis. Eine Methode alle Neben-
hóhlen des Antlitzes in einer Sitzung zu operieren. (Ein
der Académie Royale de Médecine Belgique vorgelegter
Bericht.) Presse Oto-Laryngologique. Belge. Nr. 2. S. 55.
1910.
Der Titel fasst den Inhalt des Berichtes zusammen und der Verf.
macht darauf aufmerksam, dass es eine nur ausnahmsweise indizierte
Operation ist, deren Bedeutung aber doch gewürdigt werden muss, wo es
sich um eine Krankheit handelt, die eine reichliche lästige Eiterung zur
Folge hat, welche die Nachbarorgane der Nebenhöhlen (Augen und Ge-
hirn) gefährdet und dem Allgemeinbefinden schadet.
Es muss ausserdem bemerkt werden, dass diese Pansinusitiden meist
chronisch und die Knochen im allgemeinen weitgehend ergriffen sind.
Der Verf. zitiert die Ansichten von Ballenger von Illinois und
Lannois von Lyon, sowie Edmund Meyer von Berlin und folgert
aus ihren, dass zweiseitige Pansinusitiden selten beobachtet worden sind.
Der Verf. betont besonders den Vorteil der Operation in einer Sitzung,
bei welcher nur eine Narkose notwendig ist, während alle anderen Verf.
zu wiederholten Eingriffen raten.
Die operative Technik des Verf.s besteht in der einzeitigen Ope-
ration, die den Blutverlust auf ein Minimum beschränkt. Das Resultat
der Operation soll darin bestehen in jeder Gesichtshülfte eine grosse
Höhlung zu bilden, obne die Gefahr einer Infektion vom Munde aus mit
Drainage und häufiger Irrigation.
524 Referate. E
Der Verf. bat die Operation zweimal ausgeführt und berichtet über
folgende Beobachtungen: im ersten Fall handelte es sich um Eiterung
der beiden Kieferhóhlen, der beiden Siebbein- und der beiden Keilbein-
hohlen. Seit 10 Jahren ist er geheilt.
Im zweiten Falle waren alle Sinus erkrankt, mit Ausnahme der
rechten Kieferhóhle. Die Operation dauerte 1 Stunde 40 Minuten; dann
. Heilung per primam. Aber es blieb etwas Sekretion auf der rechten
Seite. Nach 4 Monaten zeigte sich bei der Kranken, eine Fistel am
innern Winkel der rechten Orbita, die viel Eiter absonderte; es bestand
Nekrose des Orbitaldaches und der Resektion folgte tódliche Meningitis.
Zum Schluss wiederholt der Verf, dass die Prosopodiaschisis nur be-
schránkte Indikationen aufweist.
Der Name des Eingriffes ist die griechische Übersetzung der opera-
tiven Handlung: Spaltung des Antlitzes. Fernandes.
371. G. van der Hoewe, Vergrösserung des blinden Fleckes
als Beginnerscheinung retrobulbärer Affektion des Nervus
opticus bei der Erkrankung der hinteren Nebenhöhlen der
Nase. Ned. Tydschrift voor Geneeskunde. 8. Oktober 1910.
In der Ned. Tydschrift voor Geneeskunde (1909, 1. Helft S. 1089)
hat van der Hoeve ausführlich beschrieben, wie als Anfangserscheinung
retrobulbärer Affektion des Nervus opticus bei der Erkrankung der hinteren
Nebenhöhlen der Nase, Vergrösserung des blinden Fleckes auftritt für
Weiss und Farben. Inzwischen hat van der Hoeve noch 7 Fälle be-
obachtet, welche er publiziert. Die Arbeit ist nicht zu einem kurzen
Referat geeignet.
Es werden die folgende Schlussfolgerungen aufgestellt:
1. Es gibt ein peripapilläres Faserbündel, welches bei retrobulbärer
Erkrankung des Nervus opticus affıziert werden kann, was deutlich wird
durch die Vergrösserung des blinden Fleckes für Weiss und Farben.
2. Die Vergrösserung des blinden Fleckes tritt beinahe in allen
Fällen von Erkrankung der hinteren Nebenhöhlen der Nase auf.
3. Bei retrobulbären Erkrankungen des Nervus opticus werden die
papillo-makulären und die peripapillären Fasern gewöhnlich allein affiziert,
oder eher wie die übrigen Teile des Nervus.
4. Bei sympathischer Augenaffektion können die papillo-makulären
und peripapillüren Fasern affiziert werden. Es ist sehr wichtig dieses
näher zu untersuchen, weil dieses Symptom für die Prognose und Behand-
lung dieser Erkrankung sehr wertvoll sein kann, - Kan, Leiden.
372. Kaufmann, Angers, Behandlung nasaler Synechieen durch
Kautschuk-Dilatation. Rev. hébd. de laryng. 1910. Nr. 21.
Hartnäckige Ädhäsionen, auch vollständige Verschlüsse werden exzi-
diert, sodannn werden Gummidrains von wachsendem Kaliber eingelegt.
Drei erfolgreich behandelte Fälle. Arth. Meyer, Berlin.
373. Gustav Killian: Zur Lehre von den nasalen Reflex-
neurosen. Deutsche med. Wochschr. 1910. Nr. 40.
Für jede nasale Reflexneurose ist der Nachweis der nasalen Hyper-
ästhesie erforderlich. Zur Erzeugung von Kitzelreiz in der Nase bedient
9] Referate. 595
sich Killian eines 7 mm langen Fadens von Baumwollgarn (Nr. 100),
der an einer feinen Sonde befestigt ist (Normalfadenreizung). Auf normal
empfindlicher Schleimhaut lassen sich mit diesem Reizinstrument Reflexe
nicht suslösen. Für das klinische Verständnis und die lokale Therapie
ist die Einteilung in Ethmoidal., Sphenoidal- und Olfaktoriusneurosen
wichtig. Die häufigsten Formen der Ethmoidalneurosen sind vasomoto-
rische Rhinitis, Heuschnupfen, Asthma, Parästhesien im Gebiet der
äusseren Nase, der Stirn, des Auges, Nasenróte mit und ohne Haut-
schwellungen usw. Hirsch, Magdeburg.
314. Koenig, Paris, Neue Instrumente zur submukösen Re-
sektion des Septum. Rev. hébdom. de laryng. 1910. Nr. 41
1. Zweizinkige abgebogene Pinzette mit Sperrvorrichtung. 2. Selbst-
haltendes Spekulum mit biegsamer langer Branche. 3. Struyckensche
Schere von modifizierter Krümmung. — Ein Bedürfnis nach noch mehr
Septum-Instrumenten wird schwerlich anerkannt werden.
Arthur Meyer, Berlin.
375. V. Lange, Kopenhagen, Der blutende Polyp der Nasen-
scheidewand. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 11. 1910.
Lange wendet sich gegen die von Schadewaldt eingeführte Be-
zeichnung „blutender Polyp der Nasenscheidewand“ und ist mit Citelli
(Catania) der Ansicht, dass es blutende Polypen überall in der Nase und
nicht allein auf der Nasenscheidewand gibt. Sippel, Würzburg.
376. Lannois und Durand, Lyon, Submuköse Septum - Re-
Sektion nach sublabialer Rhinotomie. Rev. hébd. de laryng.
1910. Nr. 40
Für solche Verletzungen, welche sich auf intranasalem, submukósen
Wege schwer operieren lassen, wird der orale Weg empfohlen, der kürz-
lich in der Berliner laryngologischen Gesellschaft so allgemein abgelehnt
wurde. Als Indikationen werden angegeben: Allzu ausgedehnte und hoch.
gradige Verbiegung; ausgedehnte, feste Verwachsungen zwischen Septum
und Muscheln; abnorme Enge des Nasenskeletts oder der Nasenóffnungen.
Dabei wird zugestanden, dass die sublabiale Operation ernster und von
unangenehmeren Folgezustánden ist als die nasale. Arthur Meyer.
377. Lavrand, Le traitement de l'Ozéne. (Uber die Ozüna-
behandlung.) Arch. intern. de Laryng. Sept., Okt. 1910.
Nach sorgfaltiger, langdauernder Untersuchung von 150 Fallen konnte
Verf, Knochennekrosen im Gebiet des mittleren Nasengangs finden. (Er
bestätigt also die Grünwaldsche Theorie) Die Nekrose betrifft das
Siebbein. Die Ozána würe also das Resultat einer chronischen Osteitis
dieses Knochen ohne Sequesterbildung. Durch Auskratzung der affizierten
Knochenteile im mittleren Nasengang hat er gute Resultate erzielt. Die
postoperative Behandlung besteht in Anwendung einer Lanolin-Vaselin-
salbe (aa 15 g) mit Bismutum subnitricum (8 g). Menier,
378. L. Löwe, Berlin, Orale oder nasale Methode der Operationen
an der Nasenscheidewand. Monatsschrift f. Ohrenherlkunde.
1910. 10.
526 Referate. [10
Kleine Berichtigungen sowie Bemerkungen zu einer klaren Indi-
kationsstellung der oralen Scheidewandoperationen, besonders bei Vertikal-
frakturen. Ernst Seifert, Würzburg.
379. L. Löwe, Berlin, Bei welchen Nasenerkrankungen ist die
Radikalaufdeckung indiziert? Monatsschr. f. Ohrenheilkunde.
1910. 10.
Verf. klassifiziert 9 Gruppen von Erkrankungen, bei denen an Stelle
des endonasalen Vorgehens die Radikaloperation angezeigt iet.
Ernst Seifert, Würzburg.
380. Luc, Paris, Behandlung der Eiterungen der Kieferhöhle.
Rev. hebd. de laryng. 1910. Nr. 28.
In akuten Fällen bringen Spülungen durch den unteren Nasengang
gewöhnlich Heilung. Ob sie auch in chronischen Fällen Erfolg haben
werden, kann man nicht sicher- voraus wissen, obgleich die bakterio-
logische Untersuchung einen gewissen Anhalt gibt. Erfolg tritt nach den
ersten Spülungen ein, mehr als 6—8 soll man nicht vornehmen. Bei
Beteiligung des Siebbeins und der Stirnhóhle mit Polypen- und Granu-
lationsbildung im Nasengang ist Heilung durch Spülungen nicht zu er-
warten, bei dentalem Empyem nur nach Entfernung verdächtiger Zähne.
Sind die Spülungen erfolglos geblieben, so soll man die Luc-Cald-
wellsche Radikaloperation vornehmen, die sich gut in Lokalanasthesie
ausführen lässt. Luc verwirft völlig die breite Eröffnung der Höhle
vom unteren Nasengang aus, da sie in vielen chronischen Fällen erfolg-
los bleiben müsse und durch teilweise Abtragung der unteren Muschel
sogar schade. Arth. Meyer, (Berlin).
381. H. Meissner, Friedenau, Zur operativen Behandlung der
chronischen Kieferhöhlenempyeme. Wien. .klin. Rundschau.
49— 52. 1910. |
Verf. bespricht unter ausführlicher Berücksichtigung der Literatur
die Frage der operativen Empyembehandlung in vier grösseren Abschnitten,
von denen der erste sich mit den Vor- und Nachteilen der Eröffnungs-
methoden der Kieferhöhle befasst, die auf intranasalem, fazialem und
oralem Weg mit oder ohne künstliche Kommunikation mit der Nasen-
hóhle geschehen kann. Der zweite Abschnitt handelt von der Notwendig-
keit einer totalen oder partiellen Ausräumung der Höhle, von der
Schleimhautimplantation und deren verschiedenen Methoden; doch scheint
Verf. eine Implantation nur bei totaler oder wenigstens umfangreicher
Auskratzung für nötig zu halten. Schliesslich die Nachbehandlung, ihre
Indikation und Methoden; von diesen dreien dürfte die Methode auf
fazialem Weg am ehesten ausscheiden, während die auf nasalem Weg
die vorteilhafteste und sicherste ist. Kann sie aber nicht angewendet
werden, so empfiehlt sich die orale Nachbehandlung, wobei zweckmässig
von vornherein implantiert werden sollte. Den Schluss bildet eine Dis-
kussion über die Bebandlung der Komplikation mit Siebbeinerkrankung.
Ernst Seifert, Würzburg.
11] Referate. | 597
382. F. Neumann, Wien, Über Nasenscheidewandabszesse den-
talen Ursprungs. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1910. 10.
Mitteilung eines Falles von Septumabszess, der durch einen peri-
apikalen Abszess des rechten zweiten Schneidezahns bedingt war.
Ernst Seifert, Würzburg.
383. Rabotnoff, Seltener Tumor der Nasenscheidewand. Esche-
mesjatschnik uschnich, gorlowich 1 nossowich bolesnej. 1909. Nr. 4.
Retronasal wurde ein Tumor mittelst Schlinge entfernt, der am
hinteren Rand der Nasenscheidewand sass. Mikroskopisch wurde ein
Adenom von papillärem Bau festgestellt.
Marc Rosen blath, Odessa.
384. Rhese, Die Diagnostik der Erkrankungen des Siebbein-
labyrinths und der Keilbeinhóhle durch das Röntgenver-
fahren. Deutsche med. Wochschr. 1919. Nv. 388...
Verf. berichtet über zuverlüssige Ergebnisse der Róntgenphotographie
in 100 Fällen von Siebbein- und 55 Fällen von Keilbeinhöhleneiterung.
- Er benutzt die Sagittal- und Schrägaufnahme. Die anatomischen Lage-
verhältnisse der Höhlen werden vom Verfasser im einzelnen verwertet,
insbesondere wird darauf hingewiesen, dass das Siebbein die Orbita von
hinten her umlagert. Hirsch- Magdeburg.
385. Richard, Betrachtungen über die Deviationen der Nasen-
scheidewand. - Arch. Med. Belges. Novembre 1909.
Nachdem er die Anatomie, die Symptomatologie und die Behandlung
der Deviation der Nasenscheidewand dargelegt, zeigt der Verf., dass
diese Affektion den Menschen zum Militärdienst untauglich machen kann,
wegen der physischen Anstrengungen, denen der Soldat unterworfen ist.
Fernandes, Brüssel.
386. J. D. Rolleston, London, Büsartige Diphtherie mit mul-
tiplen Erkraukungen bei einem Kinde. Lancet. 24. Sept. 1910.
Es handelt sich um -den Fall eines Mädchens von 6 Wochen, welches
der Krankheit nach ungefähr 6 Tagen erlag.
Der Fall ist durch das zarte Alter der Patientin von Interesse.
Von den 7285 Fällen von Diphtherie, die alle in demselben Hospital be.
handelt wurden, waren nur 4 Kinder unter zwei Monaten alt. Wie es
bei Kindern die Regel ist, zeigte sich die Krankheit zuerst in der
Nase, später aber fand man die Membranen auch an den Tonsillen, den
Gaumenbögen, der Uvula und Epiglottis, wie auch auf der Wangen-
schleimhaut, den grossen Schamlippen und der Haut um den After.
Antitoxin brachte keine Besserung und wührend der 3 Tage, welche
das Kind im Hospital verbrachte, stieg die Temperatur nicht über 306,7 C.
— Kurz vor dem Tode trat Gaumenlähmung ein. Die Sektion zeigte
doppelseitige Broncho-Pneumonie mit kürzlich eingetretenem Infarkt in
den unteren Fligeln der Lunge. Guthrie, Liverpool.
387. Samoilenko, Ein alveolüres Sarkom, ausgehend von den
Rändern der rechten Choane. Westnik uschnich, gorlowich i
nossowich bolesnej. 1909. Juni, Juli.
Es wurde bei einem 28jährigen Patienien eine Geschwulst, die die
528 Referate. [12
rechte Choane ausfüllte, konstatiert. Die mikroskopische Untersuchung
eines exstirpierten Tumorstückchens stellte ein Sarcoma alveolare fest.
Marc Rosenblath, Odessa.
358. Snegireff, Zur Statistik der bösartigen Geschwülste des
Sinus frontalis. Medizinskoje Obozrenjie. 1909. Nr. 5.
Beschreibung eines Tumors (Endothelioma cylindromatosum) des
rechten Sinus frontalis, der mittelst Trepanation entfernt wurde und
nach einiger Zeit rezidivierte; Metastasen auch in der linken Stirnhóhle.
Marc Rosenblath, Odessa.
384. Sokolow, Drei Fälle von Abszess der Nasenscheidewand.
Westnik uschnich, gorlowich i nossowich bolesnej. 1909. Juni,
Juli.
Abszess der Nasenscheidewand nach Influenza. Inzision. Heilung. Im
Eiter Pfeiffersche Bazillen. Im zweiten Fall entwickelte sich ein Abszess
des Septum nach einem Trauma (Schlag mit einer Tafel) Inzision. Blutig
eitriger Inhalt des Abszesses. Im dritten Fall ein Abszess beiderseits
im Verlauf einer Ozaena nasi. Inzision. Heilung.
Marc Rosenblath, Odessa.
390. A. Strauss, Barmen, Ein Fall von sekundärer ulzeröser
Lues. Verschlimmerung nach Arsenobenzol, sofortige Besse-
rung nach Hydrargyrum oxycyanatum. Med. Klin. 1910. 49.
Es handelte sich um eine Ulzeration am linken Nasenflügel. Die
kurze Mitteilung von mehr dermatologischem Interesse.
Ernst Seifert, Würzburg.
391. Stusrt-Low, London, Ein Vortrag über maligne Er-
krankungen der Nasenhöhle, ihre Diagnose, Pathologie und
Behandlung. Lancet. 1. Okt. 1910.
Es wird über sieben Fälle berichtet, die für verschiedene Typen von
malignen Tumoren bezeichnend sind, welche in der Nase und den Neben-
höhlen auftreten. Was die Frage anbelangt, ob gewöhnliche Schleimpolypen
bösartig werden können, so meint der Verf. sie bejahen zu können. Er
hat oft beobachtet, dass, nachdem viele Jahre hindurch Polypen vorhanden
gewesen und entfernt worden sind, sich bei ihnen die Neigung zeigt,
gefässreich und fibromatós zu werden. Diese Veränderung sieht er als
Anzeichen einer späteren sarkomatósen Entartung an. Bei zwei der bier
erwähnten Fälle waren dem malignen Tumor — in beiden Fällen ein
Sarkom — jahrelang Schleimpolypen vorausgegangen, welche öfters ent-
fernt worden waren. Der Verf. betrachtet den Weg durch die Fossa
canina als den besten zur Exstirpation der intra-nasalen Tumoren.
Guthrie, Liverpool.
392. Toti, Florenz. Technique systématique de la Daeryocysto-
rhinostomie. Ann. d’Ocul. Juni 1910. Extrait.
Die Operation ist für schwere Fälle von Tränenleiden bestimmt und
ersetzt die Exetirpation des Sacks. Unter Kokain-Adrenalin-Anämie und
-Anästhesie (bei Erwachsenen ohne Narkose) wird ein balbelliptischer
Schnitt um das innere Ende der Augenhöhle bis auf den Knochen ge-
13] Referate. 029
führt, das Periost vom Proc. ascendens und vom Tränenbein abgeschabt
und eine Bresche im Bereich dieser beiden Knochen angelegt. Nun wird
einerseits die hintere Wand des Tränensacke entfernt, andererseits in die
zutage liegende Schleimhaut des Agger nasi ein genau enteprechendes
Loch geschnitten, die vordere Tränensackwand letzterem angepasst und
die Nasenschleimhaut durch Tampons nach aussen gepresst. Es folgt
primäre Naht, wenn nicht die Weichteile allzusehr entzündet sind.
Arth. Meyer, Berlin.
393. Joseph B. Tunis, Philadelphia, Inflammation of the Sinus
Maxillaris with special Reference to Empyemes. The Surgical
Pathology, Diagnosis and Treatment. (Die einfache und
eitrige Entzündung der Kieferhöhle in pathologischer,
diagnostischer und therapeutischer Hinsicht.) The Laryngo-
scope. 1910. Nr. 10.
Verf. untersuchte im pathologischen Institute des Wiener allgemeinen
Krankenhauses 100 Kadaver, von denen 37°/o folgende pathologische
Veränderungen der Kieferhöhle zeigten: 11 Ödeme, 12 chronische Eite-
rungen, 1 Alveolarzyste, 13 Retentionszysten. Mit zwei Ausnahmen war
diese Erkrankung undiagnostiziert geblieben, trotzdem sie gewiss in zehn
Fällen Todesursache waren. Bemerkenswert ist, dass von 21 Tuberkulosis-
fällen nur eine tuberkulöse Antrumserkrankung nachweisbar war. Sämt-
liche Fälle von Retentionszysten, meist in der Nähe des Ausführungs-
ganges lokalisiert, waren mit leichtem atropbischen Katarrh verbunden.
48 sehr schöne Abbildungen anatomischer und mikroskopiecher Präparate
erläutern den von grossem Fleisse zeugenden Artikel. (Diagnose und
Tberapie, die bloss Hinweise auf Hajeks und anderer Textbücher sind,
bätten fortbleiben sollen, da durch ihre Besprechung die Harmonie des
Grundgedaukens gestört wird Ref.) Otto Glogau, New York.
394. Viollet, Paris, Die Drüsen der Nasenschleimhaut. ev.
hébdom. de lav. 1910. Extrait.
Die Arbeit bringt nichts Neues. — Wie Verf. auf einer mensch-
lichen Muschel olfaktorische Schleimhaut gefunden haben will, ist unbe-
greiflich. Arth. Meyer, Berlin.
395. J. M. West, Baltimore, Fensterresektion des Ductus naso-
laerymalis. Arch. f. Laryng. XXIV. H. 1.
Bei Stenose des Tränennasenganges legt W. ein Fenster in demselben
oberhalb der unteren Muschel an, um diese zu erhálten. Unter lokaler
Anästhesie wird mit Hohlmeisseln ein entsprechendes Stück des Os lacri-
male und maxillare entfernt, am besten nach Einführung einer Sonde in
den Kanal. In 7 Fällen hatte die Operation besten Erfolg.
Arth. Meyer, Berlin.
396. Wiener, Alfred, New York, Abscess in the frontal lobe
of the brain after chronic frontal sinusites. (Stirnlappen-
abszess nach chronischer Stirnhöhleneiterung.) Medical Re-
cord. 1910. Nr. 17.
28 jähriger Mann war zweimal auf der rechten Stirnhöhle radikal
operiert worden. Intranasal keine pathologische Veränderung. Über der
530 Referate. [14
. rechten Stirnhóhle Depression mit eiternder Fistel, dureh die mittels Sonde
Knochen erreicht wird. Narbenkontraktion des oberen Lides. Gedächt-
nisstörung, Reizbarkeit, schliesslich Konvulsionen. Operation ergab Fistel
an der hinteren Stirnbeinlamelle, durch die 9 cm tiefe Abszesshohle son-
dert wurde. Breite Freilegung der Dura, kreuzförmige Inzieion. Die
kindsfaustgrosse, eingekapselte Abszesshohle wurde mit Alkohol abs. ge-
reinigt und mit 5°,oiger Jodoformgaze ausgefüllt, die nach drei Tagen ent-
fernt werden konnte. Abszesshöhle war nach 7 Wochen völlig durch
Granulationswucherung verheilt. Nach einem Jahre ist Patient noch immer
von allen Symptomen befreit und geht seinem Berufe wieder nach.
Otto Glogau, New York.
3. Rachen.
397. Arendarenko, Ein Fremdkórper im Nasenrachenraum.
Westnik uschnich, gorlowich & nossowich bolesnej. 1909. Dez.
Bei einem ins Spital eingelieferten Soldaten wurde Blutspucken kon-
statiert. Lungen und die inneren Organe überhaupt zeigten keine Ab.
weichungen von der Norm. Bei der Untersuchung des Rachens wurde
festgestellt, dass der Rachenhinterwand entlang frisches Blut herabfloss.
Die Rhinoscopia posterior konstatierte in der rechten Halfte des Nasen-
rachens einen glanzenden, schwarzen, glatten, bei der Palpation sich elastisch,
von adenoider Konsistenz anfüblenden Korper. Derselbe wurde mit der
Juraczschen Zange gefasst und entfernt. Der Fremdkörper war ein
' lebender Blutegel. Wie der Blutegel in seinen Nasenrachenraum gelangte,
konnte Patient nicht näher angeben. Marc Rosenblath, Odessa.
398. A. Baurowiez, Krakau, Zur Operation der Gaumen-
mandeln mit der Schlinge. Monatsschrift f. Ohrenheilkunde.
11. 1910. -
Verf. ist seit vielen Jahren eifriger Anhänger der Gaumenmandel-
exstirpation mittels der warmen Schlinge. Hauptsächlich wegen der ge-
ringen Blutungsgefahr, die freilich auch bei der kalten Schlinge auf ein
Minimum beschränkt ist. Unangenehm bei der ersteren ist nur die starke
Schorfbildung, die nachträglich zu einer Blutung führen kann.
Um die abgeschnittene Tonsille zu fassen, hat Baurowicz einen
Schlingenschnürer mit Spiess konstruiert, ebenso Brünnings, bei dessen
“ Instrument der Spiess durch eine sinnreiche Vorrichtung erst nach dem
Zuschnüren hervorspringt. Sippel, Würzburg.
399, Beljaew, Über Blutungen nach Tonsillotomie. Westnik
uschnich, gorlowich 1 nossowich bolesnej. Februar, April, Mai
1909.
Der Autor kommt zu folgonden Schlüssen :
Die Tonsille hat immer eine eigene A. tonsillaris. Die A. tonsil-
laris dringt von hinten aussen in die Tonsille ein und bleibt beim üb-
lichen Operationsmodus ausserhalb des Operationsfeldes liegen. Die
Schwere der Blutungen nach Tonsillotomie bei Verletzung der A. ton-
sillaris hängt von der Art des Ursprungs derselben ab. Sie ist heftiger,
wenn die A. tonsillaris von der A. carotis ext. ihren Ursprung nimmt, als
15] Referate. 531
wenn sie von der A palatina ascendens oder A. maxillaris externa ent-
springt. Manchmal liegt die Tonsille sehr nahe an der A. carotis ext.
und int. geschieden von den letzteren nur durch den M. constrictor pha-
ryngis und das Cavum pharyngomaxillare, wobei die Entfernung der
Tonsille von den Gefässen zwischen 2 und 1/2 cm variieren kann.
Marc Rosenblatt, Odessa.
400. Bjalik, Tortikollis, als Komplikation nach Adenotomie.
Eschemesjatschnik uschnich, gorlowich i nossowich bolesnej
1909. Nr. 12
In der Poliklinik von Dr. Scheier in Berlin wurden einem 12jährigen
Knaben adenoide Wucherungen entfernt. Am dritten Tag nach der
Operation trat unter mässigem Fieber Torticollis mit Schwellung der
Halsdrüsen ein. Unter warmen Umschlägen trat nach einigen Tagen
Genesung ein. Marc Rosenblatt, Odessa.
401. Blegvad, Tonsillektomie. Arch. f. Laryng. XXIV. H. 1.
Die radikale Ausschälung ist indiziert 1. bei wiederholten Anfällen
akuter Tonsillitis, 2. bei rezidivierender Peritonsillitis, 3. bei Tonsillitis
lacunaris chronica, die besondere Symptome verureacht, 4. wenn der Patient
schon einmal eine ernstliche Infektion, die von den Mandeln ausging,
durchgemacht hat, 5. bei Driisenschwellungen ohne ersichtliche andere
Ursache. — Alle Methoden führen zum Ziel. Bl. benutzt eine scharf-
zahnige Toneillenpinzette mit leicht lösbarer Sperrvorrichtung, ein Eschle-
sches Tonsillenmesser, eine Drahtschlinge mit Hebelvorrichtung. Blutungen
sind selten, im Falle einer solchen ist das Gefäse zu torquieren oder die
Gaumenbögen zu nähen. Arth. Meyer, Berlin.
402. Bogoslowsky, Hypsostaphilia. (Hoher Gaumenstand im
Zusammenhang mit der Frage über den morphologischen
Einfluss der Adenoiden.) Westnik uschnich, gorlowich i nosso-.
wich bolesnej. 1909. August, September.
Verf. untersuchte 1000 Schädel in der anatomischen Sammlung as
Militär-Medizinischen Akademie. Auf Grund dieser Untersuchung ver-
wirft der Autor die „anthropologische“ Theorie des hohen Gaumenstandes
der Siebenmannschen Schule und bestätigt die Bloch-Körnersche,
die einen morphologischen Einfluss der Mundatmung auf die Hypsista-
philie annimmt. Marc Rosenblatt, Odessa.
408. Citelli, L’hypophyse pharyngee dans la premiere et la
deuxieme enfance. Ses rapports avec la mugeuse pharyngée
et l'hypophyse centrale in Annales des maladies de l’oreille.
Tome XXXVI. Nr. 11
Die Pharynxhypophyse ist ein Organ, um das sich in Deutschland
bisher nur die Embryologen bekiimmert haben. Es scheint aber, dass
wir uns mit Unrecht bisher um ein Organ nicht gekiimmert haben, das,
wenn auch anatomisch unbedeutend, es handelt sich nämlich um Dimen-
sionen, die nach M'llimetern gerechnet werden, in physiologischer und
namentlich pathologischer Beziebung die volle Aufmerksamkeit des
Rhinologen verdient. Aus der langen einleitenden Studie Citellis
scheint hervorzugehen, dass die diesbezüglichen Arbeiten erst aus
532 Referate. [16
dem Jahre 1907 stammen und mit einer Arbeit Civalleris
den Anfang nehmen, der häufig die Pharyuxhypophyse beim Erwachsenen
aufgefunden hat. Es war das ein bemerkenswerter Fund, da man die
Pharynxhypophyse allgemein als ein embryonales Gebilde betrachtete, das
bald nach dem Fötalzustande verschwindet. Poppi und Citelli haben
diesen Befund Civalleris bestätigt und Poppi hat physio-pathologische
Schlussfolgerung aus diesem Befunde gezogen, die Citelli als ,,.Roman“
bezeichnet. Wir kennen diese Arbeiten Poppis nicht, müssen aber kon-
statieren, dass Citelli sich bemüht, Prioritätsrechte gegen Poppi
aufrecht zu erhalten Behauptungen betreffend, die ebenfalls ganz im Be-
reich der Hypothese sich befinden, wenigstens für den Moment. Der
Titel der Arbeit Citellis spricht allerdings nicht von diesen Hypothesen
und lässt uns nur eine anatomische Arbeit erwarten. Diese Erwartungen
werden sicher nicht getäuscht, da Citelli über mehr als 40 Seiten seine
bistologischen Präparate beschreibt. In einem zusammenfassenden Kapitel
sucht dann Citelli das Gemeinsame seiner Präparate heravzufassen, um
uns dann ein Bild der Pharynxhypophyse zu geben. Wir glauben aus
diesem Resümee folgendes festhalten zu können:
Die Pharynxhypophyse findet sich konstant in den ersten Lebens-
jabren und lässt sich noch spät hinauf in den Jugendjahren finden. Sie
bildet einen gewöhnlich rundlichen Strang, der in der Mediaulinie gelegen
sich von hinten unten nach vorne oben richtet, oben niemals den Sphenoidal-
knochenerreicht, unten oft fast bis ans Epithelium reicht. Die Länge dieses
Organs variiert zwischen 2—51/s Millimeter und die Dicke zwischen
1/s—1/2 Millimeter. Was den Sitz dieser Hypophyse anlangt, so scheinen
alle Autoren, die hierüber gearbeitet haben, nicht einer Meinung zu sein.
Während z. B. Harberfeld die Pharynxhypopbyse in der Hälfte der
Fälle im Septum choanale und einmal sogar im weichen Gaumen gefun-
den hat, bat Citelli dasselbe immer an der Basis des Siebbeins gefunden
‚und zwar an dem vorderen Anteil des Pharynxdornes. Als das Wesent-
lichste in seinen Befunden hebt Citelli hervor, ist in pathologischer Be
ziehung die Tatsache, dass in der Hälfte der Fälle der vordere, perpen-
dikuläre Anteil der Pharynxhypophbyse eine gegen das Epithelium gerichtete
Direktion hat und oft auch in diesem Epithel aufgeht. Auf diesen ver-
tikalen Anteil besteht Citelli um so mehr als derselbe, wie es scheint, vor
ihm nicht mit derselben Häufigkeit (10 mal unter 18 untersuchten Fällen)
gefunden worden ist, Dieser vertikale Anteil der Pharyuxhypophyse
kann, wie gesagt, in der Hälfte der Fälle fehlen, dann ist aber der hori-
zontale Teil ganz oberflächlich, mitten im Drüsenlager, gelegen.
Von grosser physio-pathologischer Bedeutung sind die innigen Be-
ziehungen, die im Gefässsystern der Pharynxhypophyse und der Umgebung
d. h. Pharynxschleimbaut und Pharynxtonsille, endlich Türkensattel und
zentraler Hypophyse bestehen. Diese Beziehungen werden namentlich
manifest in chronisch entzündlichen Fällen.
Was die genauere Histologie der Pharynxhypophyse anlangt, so unter-
scheidet Citelli namentlich 3 besondere Elemente: 1. Hypophyesenzellen,
2. ein dünnes bindegewebiges Stroma, 3. Gefässe, namentlich Kapillaren.
Auf das Detail kann nicht eingegangen werden, wenn auch die Kenntnisse
der näheren, namentlich - arteriellen und venösen Verhältnisse, wenn die
neueren Hypothesen sich bewähren sollten, von höchstem Interesse sein wird.
17] Referate. 533
Selbstverstándlich sind die klinischen Deduktionen für uns von
hóchstem Interesse. Leider ist hier Citelli bei weitem nicht mehr so
ausführlich. Es handelt sich in diesen Deduktionen im grossen und ganzen
zu wissen, ob die Stórungen, die durch die Anwesenheit der adenoiden
Wucherungen hervorgerufen werden, nicht in letzter Linie auf eine Störung
in der normalen Sekretion der Hypophyse oder der Pharynxhypophyse
zurückzuführen sind. Citelli wiederholt, dass diese Hypothese vordem
schon von Puppi ausgesprochen worden ist und er hierfür in den vor-
liegenden Untersuchungen die fehlende anatomische Basis liefert. Die
grosse Häufigkeit und die so obertlächliche Lagerung der Pharynxhypo-
physe, die topographischen Beziehungen derselben zur Rachenmandel, die
Zirkulationsgemeinschaft, die zwischen den Gefässen der Rachenmandel,
des Cavums, der zentralen Hypophyse und der Rachenhypophyse besteht,
alls das hat wie Citelli sagt, eine spezifische Bedeutung für das funk-
tionelle Zusammenwirken der Rachenmandel und der Hypophyse. Citelli
spricht von einem „Hypophysensystem‘ nnd versteht darunter die zentrale
und die pharyngeale Hypophyse; dieses Hypophysensystem wird durch
die wiederholten Entzündungen des Rachendaches, wie wir sie bei
adenoiden Wucherungen so vielfach konstatieren können, in seiner Funk-
tion geschädigt. Die ungestörte Funktion der Hypophyse ist aber für den
Organismus von Wichtigkeit. Durch die Operation der adenoiden
Wucherungen wird der Hauptgrund für die Entzündungen entfernt. Nach
der Operation bessern sich die Zirkulations-Verhältnisse zwischen Cavum-
Schleimhaut und Rachenhypophyse und wo ein vertikaler Teil der Rachen-
hypophyse besteht, kann derselbe auch durch die Adenotomie entfernt werden.
Man darf natürlich nicht so weit gehen wie Poppi und behaupten,
dass die Pharynxhypophyse ein pathologisches Organ vorstellt, das ent-
fernt werden müsse. Diese Idee ist nicht nur unbaltbar, sondern wie die
Arbeiten Citellis zeigen, oft auch unausführbar, wenn die Rachenhypo-
physe keinen vertikalen Teil besitzt. Wenn aber Poppi auch noch da-
zu glaubt, dass nach der Adenotomie eine anormale Kommunikation durch
den Canalis sphenopharyngealis (Citelli spricht von canal craniopharyngé)
zwischen den Gefássen des Endocraniums und des Rachendaches
zerstört werde, so hat Citelli Recht, wenn er diese Auffassung als roman-
haft bezeichnet. Wie soll man aber Citellis Hypothese auffassen?
Schon gar nicht von den Lücken zu sprechen, die in seiner Beweisführung
liegen (die Kleinheit des Organs, der Mangel eines Nachweises von Kom-
munikation zwischen zentraler Hypophyse und Rachenhypopbhyse) ist ja gar
kein Bedürfnis vorhanden, die günstige Wirkung der Adenotomie so zu
erklären, wie es Citelli tut. Wenn wir diese Arbeit so ausführlich
analysiert haben, so geschah es nicht deshalb, weil wir uns zu der
Poppi-Citellischen Theorie von der gestörten Hypophysenfunktion
bekennen. Wir haben diese Arbeit so ausführlich besprochen, weil ausser
den älteren Arbeiten Killians und Erdheims in der deutschen
Literatur wenig über die Pharynxhypophyse zu finden ist.
Lautmann.
404. Konstantin, Marseille, Behandlung des peritonsillären
Abszesses nach Killian. Rev. hebd. de laryng. 1910. Nr. 31.
Verf. teilt 180 Fälle aus Escats Klinik uud aus seiner eigenen
534 Referate. [18
Praxis mit, unter welchen 78 mal die Eróffnung von der Fossa supraton-
sillaris aus vorgenommen wurde. Mit Recht tritt er für dieses Verfahren
ein, das auch dem Ref. ausgezeichnete Resultate gibt. (Vergl. Berl. klin.
Woch, 1907, Nr. 41.) Als Vorzüge werden gerühmt: Anwendbarkeit im
Beginn der Erkrankung, geringerer Schmerz, Gefahrlosigkeit auch in der
Hand des Nicht-Spezialisten, einfaches Instrumentarium.
Arth. Meyer, Berlin.
405. L. W. Dean, Jowa City, Severe Sepsis following Tonsil
Operations, (Schwere Sepsis nach CTonsillenoperationen.)
The Laryngoskope. 1910. Nr. 7.
Bei Kindern ist Infektionsgefahr nach Tonsillektomie gross, da vor
und nach der Operation aseptische Reinigung des Operationsfelles un-
moglich ist. Nach akuter Tonsillitis ist Gefahr der Sepsis bei operativem
Eingriffe sehr gross.
Fall 1. 27jährige Patientin wurde nach akuter Tonsillitis rechte
Tonsille enukleiert, linke tonsillotomiert, Heftigste Infektion mit starken
Sepsissymptomen. Am 7. Tage Exitus.
Fall 2. 13jähriger Patient, tonsillotomiert, erkrankte nach Radfahrt
einige Tage nach der Operation. Heftige Schwellung der Tonsillarreste
und des Rachens. Am vorderen Rande des Sternocleidomastoideus eine
leicht fühlbare, bandförmige Schwellung. Rechts Exophthalmus und Pan-
ophthalmia, links Neuritis optica. Diagnose: septische Phlebitis der Vena
jugularis interna, durch den Sinus zu den Augenvenen ziehend, mit
Thrombusbildung einhergehend. Genesung.
Fall 3. 4öjähriger Patient zeigte 15 Tage nach Tonsillektomie am
Halse nahe dem Unterkieferwinkel eine geschwollene Drüse 3 ‘Tage
später heftigste Entzündung des äusseren Halses. Operation ergab Gangràn
des Sternocleidomastoideus und der tieferen Halsmuskelu. Hohes Fieber,
Leukozyten 25.000, polymorphnukleére 95°/o. Nach zweimaligem opera-
tiven Eingriffe Genesung. Otto Glogau, New York.
4106. E. Delneuville, Spa, Über den Retropharyngealabszess.
Presse Oto-Laryngologique. Belge. Nr. 4. Page 164. 1910.
Im Hinblick auf Fälle, die unter Beobachtung standen, beschreibt
der Verf. den Retropharyngealabszess und erwähnt seine Formen des
warmen und des kalten Abszesses, spricht über die Anatomie der Region,
die Symptomatologie der Affektion und stellt dann die Wahl des Ein-
griffes dar.
Seine erste Beobachtung betrifft ein Kind von 15 Monaten, bei dem
er eineu Retropharyngealabszess feststellte, den er öffnete und der dann
im normalen Verlaufe heilte.
Ein anderer Fall — der zur Zeit seiner Veröffentlichung noch in .
Behandlung war — betraf ein Kind von einem Jahr, das einen sehr
grossen Retropbaryngealabszess hatte, den er mit gutem Resultate öffnete.
Seine zweite Beobachtung bezieht sich auf eine Frau von 58 Jahren,
die über Atmungsbeschwerden klagte, welche besonders stark nachts im
Bett, zugleich mit Schluckbeschwerden auftraten. Die Untersuchung zeigte
das Vorhandensein einer glatten Wólbung, welche die linke Hälfte bis
über die Mittellinie hinaus und bis zur Höhe des Laryux ausfüllte —
ein harter fester Tumor, der nicht pulsierte.
19) Referate. | 535
Nach Lokalanästhesie machte der Verf. mit dem Troikart eine Punk-
tion: es folgte Ausfluss einer eitrigen Flüssigkeit, deren letzte Teilen aspiriert
wurden. Die Punktion sowohl als auch die Heilung verliefen ohne Unfall.
Der Verf. berücksichtigt die hereditären Verhältnisse und glaubt an
einen kalten Abezess, der auf eine Tuberkulose der Wirbelsäule hinweist.
Verf. beschreibt die Inzision des kalten Abszesses und macht auf
die. Unfälle aufmerksam, die eintreten könnten. Er verwirft die Inzision
für den Drüsenabszess und den kalten Abszess, zieht bier die Punktion
vor und ist der Ansicht, dass jede Injektion, wegen der Region, wo sie
gemacht werden müsste, gefährlich ist.
Er schliesst, indem er auf die zunehmenden Vorsichtsmassregeln hin-
weist, wenn der kalte Abszess das Zeichen einer sub-okzipitalen Erkran-
kung ist. Fernandes.
407. Galebski, Ein Fall von Vinzentscher Angina und einer
ulzerösen Laryngitis desselben Ursprungs. Westnik uschnich,
gorlowich i nossowich bolesnej, 1909. Juni, Juli.
Ein diphtheroider Belag der Tonsille stellte sich nach mikroskopischer
Untersuehung eines Abstrichpräparates als Produkt der Vinzentschen
Bazillen und Spirillen dar. Im Anschluss daran, bildete sich eine Ulze-
ration eines Stimmbandes, die nach entsprechender Therapie glatt beilte.
Marc Rosenblath, Odessa.
408. Galebski, Über einige Formen ulzeröser Anginen. Westnik
uschnich, gorlowich ı nossowich bolesnej. Februur 1909. |
Es wurden hauptsächlich zwei Formen der Vinzentschen Angina be-
obachtet: 1. eine ulzeröse Form gewöhnlich bei normaler Temperatur und
gutem Zustand des Patienten; 2. eine diphtheroide Form. Fast spezifisch
soll Kali chlorieum wirken. Ferner beschreibt der Autor einige Fälle
herpetischer Angina. Marc Rosenblath, Odessa.
409. Gluskin, Die frühzeitige Intubation zur Verhütung der
Bronchopneumonie bei ‚Diphtherie. Praktitscheski Wratsch.
1909. Nr. 8.
Der Autor meint auf Grund von 74 Diphtheriefällen, die von ihm
im israelitischen Spital zu Ekaterinoslaw behandelt wurden, schliesen zu
müssen, dass in der Entwicklung der postdiphtberischen Bronchopneumonien
(etwa 709,0), die infolge des Krupps sich ausbildende Atelektase anzu-
schuldigen sei und rät in Fällen von sogar leichten Stenosen möglichst
frühzeitig die Intubation auszuführon. Dann wirke die Tubage günstig
auf das Herz, da der Gasaustausch viel günstiger vor sich gehe.
Marc Rosenblath, Odessa.
410. Goris, Brüssel, Fibroma Pharyngo- Temporale. Presse.
Olo- Laryngologique. Belge. Nr. 4. page 161. 1910.
Der Verf. berichtet über einen Fall von Nasenrachenfibrom, das sich
über die Schläfengaumengruben verbreitet hatte. Der Stiel nahm den
lateralen Teil des oberen Pharyox und die Basilarapophyse ein. Die korre-
spondierende Nasenhöhle war frei: „Es handelte sich um ein Fibrom, welches
als Ausgangspunkt das Periost des Keilbeins hatte, das durch den Raum
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 5. 36
536 Referate. [20
zwischen Keilbein und Oberkiefer durchgewachsen war, um sich in der
Flügelgaumengrube auszubreiten.“ l
Der Verf. beschreibt die Operation: Nach der Tracheotomie Einschnitt
über dem Arcus zygomaticus zwei Finger breit unter dem inneren
Winkel des Auges. Resektion des Kieferbogens um eine grosse Ent-
stellung zu vermeiden, aber eine Blutung vom Pharynx aus beim Ab-
hebeln des Stieles nötigte den pharyngealen Weg einzuschlagen und sich für
die sub-periostale Resektion des linken Oberkiefers zu entscheiden; man
konnte auf diese Weise den Stiel ablösen und den Tumor mit einem Mal
entfernen. Man erkannte dann, dass die Blutung vom Sinus cavernosus
ausging. Zum Schluss Vernähung der Schleimhaut des Gaumens mit
der Wange. Fernandes, Brüssel.
411. ‚Hays, Harold, New York, Observations on the Pathologie
Condition of the Nose and Throat, with Special Befereuce
to the tubal regions, associated with chronic catarrhal otitis
media. (Die Beziehung pathologischer Veränderungen der
Nase und des Nasenrachenraumes zum chronischen Mittel-
ohrkatarrh.) Annals of Otol., Rhin. a. Laryng. 1910. Nr. 2.
Die pathologischen Veränderungen an der Tubenöffnung sind meist
eine Ausdehnung von solchen in der Nase oder im Nasopharynx bei 50
untersuchten Fällen von Nasenobstruktionen:
Kongestion 6,
Anämie 6,
Hypertrophie 10,
Lymphoide Hypertrophie 4,
Atrophie 6,
Adenoide Wucherungen 3, .
Schleim, bei atrophischem Zustand des Nasopharynx 3.
15 Fälle wiesen Adhäsionen der Rosenmüllerschen Grube auf, die
nach Ansicht des Verf. in allen Füllen von chronischem Mittelohrkatarrh
vorhanden sind; Zerreissung derselben mittelst des Fingers, ohne Kokain-
sierung, indiziert. Otto Glogau, New York.
412, Jacques, Nancy, Über die fibrösen Nasenrachenpolypen.
Rev. hébd. de laryng. 1910. Nr. 33.
Jacques vertritt bekanntlich den Standpunkt, dass die genannten Ge-
schwülste nicht im Nasopharynx entspringen, sondern an dem Periost der
nasalen Fläche des Keilbeinkórpers, der Pterygoidfortsátze und seltener des
Siebbeins nahe dem Recessus spheno-ethmoidalis. Den früher mitgeteilten
6 operierten Fállen (vgl. Ref. in Bd. I, S. 557 d. Ztsch.) fügt er zwei
neue, sehr interessante Krankengeschichten hinzu. Der Angriffsweg war
auch hier der naso-maxillare. Arth, Meyer, Berlin.
413. Levinstein, Uber die Verteilung der Driisen und des
adenoiden Gewebes im Bereiche des menschlichen Schlundes.
Arch. f. Laryng. XXIV. H. 1.
Die Zungenmandel, der vordere Gaumenbogen, das Gaumensegel,
die Plica salpingo-pharyngea sind reich an Schleimdrüsen, wührend der
übrige Teil des Zungengrundes und die hintere Rachenwand drüsenarm
sind. Das adenoide Gewebe lagert sich gern um Drüsenausfübrungsgünge
21) Referate. 537
Jedoch nimmt die Plica salpingo-pharyngea trotz des Drisenreichtums
nur in pathologischen Fällen adenoiden Charakter an. Neue Tatsachen
euthält die Arbeit nicht. Arth. Meyer, Berlin.
414. Morosoff, Diphtherie bei Neugeborenen und Säuglingen.
Medizinskoje Obozrenjie, 1909. Nr. 3.
Im Kaiser Paul 1. Hospital wurden von 1903—1907 600 Säuglinge,
die an Diphtherie erkrankten, aufgenommen; davon genasen 121, starben
479 oder Gesamtmortalitát gleich 79,83 ?/o trotz der ausgibiegsten An-
wendung des Diphtherieheilserums. Vorzugsweise wurde die Nasenschleim-
baut affiziert (in 53,39/o der Fülle. Schlechte Prognose infolge der geringen
Widerstandsfábigkeit und Empfindlichkeit für das Diphtherietoxin seitens
der jugendlichen Patienten. Marc Rosenblath, Odessa.
415. Parker, London, Tonsillitis. Practitioner. Oktober 1910. `
Allgemeiner Uberblick über die verschiedenen Arten von Tonsillitis.
In bezug auf die Entfernung von hypertrophierten Tonsillen ist der Verf.
Dicht mit neueren Berichten einverstanden, die zur Enukleation der Ton-
sillen bei Kindern raten und gibt bei Patienten jeden Alters der Entfernung
mit Tonsillotom den Vorzug. Seiner Ansicht nach werden die Mandeln,
wenn das Tonsillotom richtig angewandt wird, ganz genügend enukleiert
und die Vorteile, wie Schnelligkeit und Fehlen von nachträglichen Un-
bequemlichkeiten sind so gross, dass er Enukleation für aussergewöhnliche
Fälle vorbehalten sehen möchte. Bei Erwachsenen mit erkrankten, aber
nicht sehr erweiterten Tonsillen, welche an wiederholten Anfällen akuter
Tonsillitis gelitten haben, zieht er die Verkleinerung mit schneidender
Zange und Kauter vor. Guthrie, Liverpool.
416. Rumianzeff, Beiträge zur Klinik und Therapie der
Diphtherie. Praktitscheski Wratsch. 1909. 50, 51, 52.
Im Jahre 1906 wurden vom Autor im Städtischen Kinderspital zu
St. Petersburg 3179 Diphtheriekranke behandelt, Gesamtmortalität 21,4 °/o.
Die einfache fibrinöse Diphtherie (!) bei 1730 Kindern i. e. 54,4 °/o
verlief bei 12,40 kranker Kinder mit normaler Temperatur mit sub-
febriler (37,5 ? C bis 389 C) bei 24,19/o und mit 40? bei 6 9/o. Lab,
mung des weichen Gaumens wurde in 17 Fällen konstatiert (1 °/o).
Serumerscheinungen: in 21 Fällen Urtikaria, in 3 Fällen Erythema ma-
culosum.
In 464 Fällen wurde phlegmonöse diphtherische Angina konstatiert;
davon starben 278 Kinder (59,9 %/o). Lähmung des weichen Gaumens
in 21 Fällen. Durchschnittstemperatur 38,5—39,3 9 C. Stenosenerschei-
nungen in 61,4 °/, aller Larxynfalle. Intubation wurde in 69,6 °/o aller
Fälle ausgeführt. Komplikationen nach Stenosen — in 49 ?/o Pneumonia
catarrhalis, in 65 Fallen Pleuritis exsudativa. Die beste Extubationszeit
48—72 Stunden nach der Intubation. Die mitlere angewandte Serum-
dosis 2000 IE, bei plegmonöser Form 3000 IE, bei älteren Kindern wurde
am anderen Tag dieselbe Dosis wiederholt.
i Marc Rosenblath, Odessa.
86*
538 Referate. (22
417. Jamoilenko, Zur Frage über gemischte Nasenrachen-
polypen. Westnik uschnich. gorlowich i nossowich bolesnej.
1909. Juni, Juli.
Ein in balber Narkose operierter Nasenrachenpolyp.
Marc Rosenblath, Odessa.
418. Simanowsky, Entzündliche Erkrankungen des adenoiden
(lymphatisehen) Gewebes der oberen Luftwege. Westnik
uschnich, gorlowich i nossowich bolesnej. 1909. Januar, März.
Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober. 1910. Januar,
März usw.
Zusammenfassende Darstellung der Pathologie und Therapie des
lymphatiechen Rachenringes. Marc Rosenblath, Odessa.
419. Tontscheff, Schweres gastrisches Leiden bedingt durch
adenoide Vegetationen. Westnik uschnich. gorlowich i nosso-
wich bolesnej. 1909. November.
Ein 15jáühriger Gymnasiast litt seit zwei Jahren an heftigem Er-
brechen, das sich in der letzten Zeit tāglich 3—4 Stunden nach dem
Essen wiederholte. Die genaue Untersuchung des Patienten ergab eine
chronische Rhinitis und Adenoide. Nach Entfernung derselbeu besserte
sich der Zustand des Patienten wesentlich, er nahm an Gewicht betrachtlich
zu, das Erbrechen hórte auf. Marc Rosenblath, Odessa.
4. Kehlkopf.
120. H. Arrowsmith, Brooklyn, A case of apparently primary
intralaryngeal Actinomycosis. (Ein wahrscheinlicher Fall
primärer Kehlkopf-Aktinomykose.) The Laryngoskope 1910.
Nr. 10.
Verf. findet in der Literatur nur einen Fall vor (Ponfick, Festschr.
zu Virchows 25jährigem Jubiläum), misst daher seinem besondere
Bedeutung bei. 19jähriger Patient kommt wegen Heiserkeit. Nase,
Mund, Rachen und Brust normal. Epiglottis leicht verdickt, auf der
Innenseite zirkumskript weisslich belegt. Beide Stimmäbnder durch unregel-
mässige schmutzig weisse Massen verdeckt, die sich zuerst in die Trachea
fortsetzen. Diagnose wurde auf Sklerom, später auf Lues gestellt, mikro-
skopische Untersuchung ergab jedoch Aktinomykosis. Patient zeigte bald
hernach eine regelrechte Lungenschwindsucht, deren Auftreten bei Aktino-
mykose, wegen der Verwandtschaft der Erreger beider Erkrankungen, kein
zufälliges ist. Otto Glogau, New York.
421, Barbera, Abcesos perilaringeos, (Perilaryngeale Abszesse.)
Boletin de laringologia. September, Oktober 1910.
Schlussfolgerungen.
Sobald die Klinik die Möglichkeit solcher Abszesse vermuten lässt,
oder den Nachweis des Vorbandenseins liefert, müssen wir die Gegend
aufmerksam beobachten. Wenn schon Eiter da ist, ist die Frühdiagnose
die Hauptsache.
Die Operation muss auch frühzeitig erfolgen. Verf. zieht den pharyn-
gealen Weg vor, weil er minder gefährlich ist, der perkutane Weg ist
23] Referate. 539
bei weitem nicht so leicht und macht immer allgemeine Narkose" nótig.
Fast immer muss man ohne Narkose operieren, weil die Fälle raschesten
Eingriff erheischen und jedes Zuwarten Unheil bringen kann.
Menier.
422, F. Passmore Berens, New York, Hemilaryngectomy for
Epithelioma. (Operative Entfernung einer Kehlkopfhülfte
wegen Epithelioma.) The Laryngoskope. 1910. Nr. 10.
Eine intralaryngeal entfernte polypenartige Geschwulst des linken
Stimmbandes erweist sich mikroskopisch als Plattenzellen - Epithelioma.
Die hernach durch Radikaloperation entfernte linke Kehlkopfhälfte zeigt
mikroskopisch keinerlei pathologische Veränderungen. Otto Glogau.
423. Bloch, Larynxtuberkulose in Jalta. Eschemesjatschnik usch-
mich, gorlowich i nossowich bolesnej. 1909. Nr. 10.
Der Autor meint, dass nicht vorgeschrittene Larynxtuberkulose vom
feuchtwarmen Klima Jaltas gut beeinflusst wird, wenn dabei noch lokal-
therapeutisch eingegriffen wird: Infiltrate abgetragen, galvanokaustisch ge-
atzt werden. Er warnt ferner vor zu grossen Hoffnungen auf den grossen
therapeutischen Effekt nur des Klimas selbst.
| Marc Rosenblath, Odessa.
424. Blumenau, Ein Fremdkörper im Larynx, der Diphtherie
der Larynx simuliert hat. Westnik uschnich, gorlowich 1
nossowich bolesnej. April 1909.
Ein 4jahriges Kind wurde wegen bellendem Hustens, Heiserkeit-
Suffokationserscheinungen und hoher Temperatur ins Spital aufgenommen,
Laryngoskopisch: normale Epiglottis, Stimmbänder; unter dem linken
Stimmband ein breiter, roter runder Streifen und hinter demselben ein
weisses Gebilde, das die ganze vordere Hälfte der Rima glottidis. ver-
deckte. Da Verdacht auf Laryoxdiphtherie bestand, wurde Diphtherie-
heilserum eingespritzt und die Intubation ausgeführt. Da aber die Stenose-
erscheinungen nicht vollkommen schwanden uud ausserdem die bakterio-
logische Untersucbung negativ ausfiel, wurde die Tracheotomie vorge-
schlagen, die die Mutter des Patienten verweigerte. Am 9. Krankheitstag
hustete das Kind plötzlich einen dicken weissen Rinderknochen von Sonnen-
blumensamengrösse aus. Marc Rosenblath, Odessa.
. 425. Casselberry, W. E., Chicago, Tuberculosis of the Larynx.
The type which is capable of recovery or arrest and the
principle of treatment. (Die heilbare Form der Kehlkopf-
tuberkulos.) Journal A. M. A. 1909. Vol. LIII.
Hyperplasie nur wenig fortschreitend, geringe Diffusion, keine Tendenz
zur Geschwürsbildung, Lungenprozess nicht ausgedehnt, Tuberkelbazillen
nicht reichlich nachweisbar, Abmagerung nur mässigen Grades, Pulswelle
niedrig, deuten auf Heilbarkeit oder zu mindest Stillstand der Kehlkopf-
tuberkulose, falls alle therapeutischen und eventuell operativen Mass-
nahmen ergriffen werden. Patienten mit unheilbarer Kehlkopftuberkulose
sollen keinem Klimawechsel und keiner Operation (von Noteingriffen ab-
gesehen) unterworfen werden. Otto Glogau, New York.
540 | Referate (24
426. G. Cohn, Kónigsberg, Linksseitige Rekurrenslähmung bei
Mitralstenose. Arch. f. Laryng. XXIV. H. 1.
Mitteilung eines Falles. Der Rekurrens kann gelähmt sein a) infolge
direkten Drucks durch den dilatierten Vorhof, b) indirekt durch Druck
des linken Herzobrs oder der A. pulmonalis, c) durch abnormen Verlauf
des Lig. (Ductus) Botalli. Ehe man Zusammenhang des Vitium mit der
Láhmung annimmt, soll Osophagoskopie und Tracheoskopie angewandt
werden, obgleich ihr negativer Ausfall die Diagnose noch nicht sicher stellt.
Arth. Meyer, Berlin.
497. Cortes, Cinco casos de extirpacion de la laringe. (Fünf
Fälle von Larynxexstirpation.) Revista espanola de laringo-
logia. September, Oktober 1910.
In keinem Falle machte Cortes die Tracheotomie vor der eigent-
lichen Operation. Die lokale Anästhesie genügt, um die Trachea freizu-
legen und quer durchzuschneiden für die Einführung einer Kanüle, durch
welche das Anästheticum gegeben wird. Menier.
498. J. Garel, Paralysie recurrentielle et retrecissement mitral.
Rekurrensparalyse und Mitralstenose.) Annales des mala-
dies de l'oreille de Nr. 10. Tome XX X VI.
Seitdem Ortner und Kraus als seltene Ursache der Rekurrens-
paralyse die Mitralstenose angegeben haben, sind von Garel in der
Literatur 37 Fälle gesammelt werden. Dazu kommen noch zwei
neue Fälle, die seit der Publikation von Garel, von Boinet
(Sitzungsbericht der Académie de Médecine 24. 10. 1710) veröffentlicht
worden sind. Garel findet, dass dies denn doch eine zu reichhaltige
Statistik darstellt, weshalb er auch Zweifel hegt, ob diese Fälle
wirklich über jede Kritik erhaben sind. So veröffentlicht Trétrop
einen Fall von Mitralstenose und Rekurrensparalyse, in dem die Aphonie
schon narb 10 Tagen verschwunden ist, Reitter einen anderen,
in dem die Paralyse infektiósen Ursprunges ist, Gantz, wo neben der
Mitraletenose noch eine Kompression durch bronchiale Drüsen als Atio-
logie der Rekurrensparalyse angesprochen werden konnte. Halten wir
an der Erklärung Ortners fest, dass die Paralyse durch Druck des
erwähnten Vorhofes auf der Rekurrens und an der Erklärung von Kraus
fest, dass der Zug des infolge der Ventrikelhypertrophie gedehnten Rekurrens
die Ursache der Paralyse ist, so ist schon a priori die Seltenheit dieser
Ätiologie evident. Es müssen schon ganz besondere anatomische Ver-
báltnisse vorliegen, damit wie in den beiden Fällen von Ortner die
Hypertrophie des linken Vorhorfes eine Atrophie des Rekurrens herbei- `
führen soll. Selbstverständlich ist es Aufgabe des Klinikers im Falle
einer Mitralstenose auch an die Rekurrensparalyse zu *denken und den
Kehlkopf zu spiegeln, aber wenn wirklich einmal bei einer Rekurrens-
paralyse auch eine Mitralstenose gefunden werden sollte, so müssen immer-
hin auch noch die übrigen, und sagen wir es viel wahrscheinlicheren Ur-
sachen dieser Paralyse gesucht werden. Lautman n.
429. Greidenberg, Zur Kasuistik der Fremdkörper im Kehl-
kopf. Eschemesjatschnik uschnich, gorlowich i nossowich bolesnej.
1909. Nr. 6.
Eine Nähnadel wurde aspiriert und durchspiesste den rechten Ary-
25] Referate. 5
knorpel. Entfernung mittelst Sonde und Schrótterscher Zange. Im
zweiten Falle wurden zwwei künstliche Zähne nebst Prothese aspiriert.
Extraktion. Marc Rosenblath, Odessa.
430. Heryng, Die chirurgische Behandlung der Singstimme.
Westnik uschnich, gorlowich 1 nossowich bolesnej. 1909. Okt.
Bei einem Sänger (Tenor) mit pachydermischen Verdickungen der
Stimmbänder versuchte der Autor die Abschälung (Dekortikation) der Ver-
dickungen, die seit 20 Jahren Labus in Mailand ausführt. Nach ent-
sprechender Nachbehandlung (Ätzung der Wunde nach 2 Tagen nach der
Operation mit Lapis in Substanz, absolutes Schweigen binnen 2 Wochen
und Schonung der Gesangsstimme binnen 3 Monaten) stellte sich beim
Sänger die volle klare Stimme wieder her. Auch zeigte diese Methode,
an einigen anderen Patienten ausgeführt, ausgezeichnete Resultate.
Marc Rosenblath, Odessa.
431. Horcasitas, Un caso curioso de paralisis laringea recur-
rencial. (Ein sonderbarer Fall von Rekurrenslähmung.)
Revista ibero-americana de ciencias médicas. Oktober 1910.
Ausser einer Lähmung des rechten Stimmbandes findet Verf. bei
seiner Patientin eine Geschwulst der suprasternalen Gegend, welche eine
deutliche Pulsation zeigte, dazu ein arterielles Geräusch; es handelte sich
ohne Zweifel um ein Aneurysma der Arteria innominata, das wahrschein-
lich die Ursache der Lähmung war.
Zwei Monate später (1902), wird Verf. zur Patientin gerufen, sie
befand sich in Todesgefahr durch Asphyxie. Tracheotomie. Die stürmi-
schen Erscheinungen verschwinden, und Patientin wird mit Jodsalzen
behandelt. Es erfolgte eine bedeutende Besserung der Lähmung, die
Kanüle konnte obturiert werden, und die suprasternale Geschwulst ist
kleiner geworden. Das Geräusch besteht noch, aber nicht so stark wie
rfüher und die Pulsation, nicht mehr sichtbar, kann nur mit der Hand
gefühlt werden. Menier.
432. W. G. Huet, Innervation des Kehlkopfes durch den Nervus
Vagus und den Nervus accessorius, Ned. Tydschrift voor
Geneeskunde. 8. Oktober 1910.
Aus Anlass der Publikation von G. C. Bolten Ned. Tijdschrift
voor Geneeskunde 1909, 2de Helft blz. 555) teilt Huet einen Fall mit,
welcher von Wichtigkeit ist für den Streit, ob Akzessoriusfasern im Nervus
laryngeus verlaufen.
Ein kráfüger Mann hat Schmerzen in der linken Schulter nach
einer Erkältung, welche unter Behandlung bald wieder verschwanden.
Bei der Inspektion des Rückens sah Huet, dass beim Sprechen Zuckungen
auftraten in einigen Faserbündeln in der unteren Hälfte des rechten M.
cucullaris.
Beim Sprechen bildeten die sich zusammenziehenden Faserbündel
eine Vorwölbung von 5 cm Breite, welche wieder verschwand, sobald der
Patient zu sprechen aufhörte.
Beim Flüstern ziehen sich die Bündel nicht zusammen, beim Schlucken
tritt das Phänomen nur fühlbar, nicht sichtbar auf. Die Stimme ist
normal.
542 Referate. [26
Die elektrische Reaktion des M. cucullaris ist normal und beim will-
kürlichen Zusammenzieben ist nichts Abnormes wahrnehmbar.
Bolten meint, dass in seinem Falle Fasern aus dem Akzessorius
dem Vagus beigemischt seien. Huet glaubt, dass hier Fasern aus einem
Vaguezentrum für Larynxinnervation stammend in den Akzessorius verirrt
sind und den M. cucullaris innervieren.
Die Zuckungen im M. cucullaris kónnen nicht als Mitbewegungen
aufgefasst werden, weil sich nicht der ganze Muskel kontrahiert.
Kan, Leiden.
433. F. Hutter, Wien, Zur Klinik und Therapie der Larynx-
tuberkulose. Wien. klin. Rundsch. 27. 28. 29. 30. 1910.
Interessant in dieser Abhandlung ist die Gegenüberstellung ver-
schiedener Übersichten, welche zeigen, in welchen Erkrankungsgraden sich
Lunge und Kehlkopftuberkulose öfter, in welchen seltener kombinieren. Alle
drei angeführten Skalen sind geeignet, zu demonstrieren, dass von einer Korre-
spondenz im Grade der Erkrankung im allgemeinen nicht gut die Rede
sein kann. Verf. behandelt weiterhin die einzelnen Symptome der Larynx-
tuberkulose, die Prognose und die Therapie in ihrer ziemlich grossen
Mannigfaltigkeit. Sippel, Würzburg.
434. Jauquet, Brüssel, Ein Fall von multiplen Larynxpapillomen
mit Carcinoma extrinseque kompliziert. Laryngotomie und
Laryngostomie. La Clinique. Nr. 4. 22. Jan. 1910.
Der Verf. berichtet über einen Mann von 64 Jahren, der seit langer
Zeit an Atembeschwerden litt und bei dem die laryngoskopische Unter-
suchung folgendes ergibt: multiple Papillome mit Veränderungen auf der
rechten Seite und von dem ein Stück den bistologischen Charakter reci-
divierender Papillome zeig. Der Verf. macht eine Laryngotomie, die
vollständig gelang und Herstellung der normalen Respiration zur Folge hatte.
Aber nach drei Wochen zeigte sich die Dyspnoe wieder uud es musste
die Tracheotomie gemacht werden, der eine zweite Laryngotomie folgte und
diese ergab, dass der Larynx vollständig durch Wucherungen obstruiert war.
Die Laryngotomie wurde zur Laryngostomie erweitert. Die Uuter-
suchung des Recidivs ergab Cancroid. Weitere Entnabmen von den
Wucherungen ergaben die Existenz von zwei verschiedenen, nebeneinander
sitzenden Tumoren, der eine gutartig und papillomatöser Natur, der andere
bösartig. . Fernandes.
135. Irnesto und Tapia, Un caso de mutismo histerico. (Ein
Fall von hysterischer Stummheit.) Revista espanola de larin-
goloria. September, Oktober 1910.
Patientin wurde mit Hilfe von laryngealen Wasserpinselungen be-
handelt, indem man sie glauben liess, es wäre ein sehr energisches Átz-
mittel, Ein Rezidiv wurde mit vollem Erfolg durch Kauterisation mit
Paquelin behandelt. Menier.
436. Iwanoff, Zur Frage über die Regeneration der Stimm-
bänder. Eschemesjatschnik uschnich, gorlowich i nossowich
bolesnej. 1909. Nr. 10.
Bei 8 laryngostomierten Kranken hat der Autor die Stimmbänder
21] Referate. 543
exzidiert und als nachher anstatt der Stimmbänder neue längsovale Ge-
bilde erschienen sind, wurden dieselben abermals entfernt, und einige
davon mikroskopisch untersucht. Es hat sich dabei erwiesen, dass an
Stelle der Stimmbáünder sich Narbengewebe bildet und dass von einer
Restitutio ad integrum aller histologischen Elemente der Stimmlippen keine
Rede sein kann. Marc Rosenblath, Odessa.
437. Koenig, Traitement des nodules des chanteurs ou autres
excroissances des cordes par la galvanocauterisation. Nou-
veau eautére protégé. (Behandlung der Saugerknütchen und
ähnlicher Tumoren der Stimmbänder mittelst des elektrischen
Brenners.) Annales des maladies de l’oreille. Tome XXXVI.
Nr. 11. |
Schon wieder ein Kolumbusei! Unstreitig das bequemste Mittel, die
Larynxknötchen zu zerstören, wäre der elektrische Brenner, wenn man
nicbt Gefahr liefe, hierbei auch das Stimmband zu verleizen. So kommt
es, dass gerade die erfabrensten Laryngologen an die Operation der
Larynknótchen nur mit einer gewissen Scheu gehen. Der neue Schutz-
apparat, den K. empfiehlt, scheint gegen diese unerwünschte Nebenverletzung
Sicherheit zu geben und hat sich in der Hand seines Erfinders wieder-
holt aufs beste bewährt. Er besteht aus einer platten Kupferhülse, die
die Platinspitze des Kranken vollständig umgibt bis auf einen kleinen seit-
lichen Knopf, der promipiert. Sobald der Kauter in Gang ist, sieht
man nur diesen kleinen glübenden Knopf, mit dem man das Knötchen
eben nur seitlich zu berübren braucht, um es zum Schrumpfen zu bringen.
Selbstverständlich muss man für jedes Stimmband einen eigenen Kauter
haben. ` Lautmann.
438. Lauda, Ein Fall von akuter Pneumonie, der letal endete
infolge Erstickung hervorgerufen durch in den Kehlkopf
eingedrungene Askariden. Wratschebnaja Gaz. 1909. Nr. 51
Ein 3jähriges Mädchen, das an Helmenthiasis litt, bekam eine akute
Lungenentzündung. Nach einigen Tagen nach der Erkrankung erschien im
Munde ein ganzer Knäuel von Askariden, der offenbar in den Kehlkopf
geraten war; das Kind ging an Erstickung zugrunde.
Marc Rosenblath, Odessa.
439. Marique, Brüssel, Die Pathogenie des kongenitalen Kehl-
kopfstridors, Journal Medical de Bruxelles. Nr. 45. 11. Okt.
1909.
Der Larynxstridor ist nach einigen auf nervóse Stórungen zurückzu-
führen —, nach anderen auf den anatomischen Bau des Larynx. Der
Verf. erörtert diese Theorien und ist der Ansicht, dass es tatsächlich eine
Störung der Innervation der Stimmbáünder ist, auf die man den Stridor
zurückführen muss, denn im Spiegel kann man während der Inspiration
ein Sichnähern der Stimmlippen beobachten, deren Vibration den Sıridor
hervorruft,
Er konstatiert, dass die Störung in dem Maasse verschwindet, als die
Muskulatur des Larynx sich entwickelt und stärkt, und seiner Ansicht nach
kommt als Behandlung nur die Galvanisation der Kehlkopfmuskeln in
Betaacht. Fernandes,
544 Referate. [28
140. Massier, Deux cas de Guerison de tuberculose laryngee
par le repos absolu de l'organe. (Zwei Fülle von Heilung
der Kehlkopftuberkulose dureh absolute Ruhe des Organs.)
Archives internationales de Laryngologie. Sept., Okt. 1910.
Der Titel besagt deu Inhalt. Immerhin gehórt zum absoluten
Schweigen eine sehr starke Willenskraft; vielleicht könnte die von Moritz
Schmidt vorgeschlagene Tracheotomie zu einem neuen Aufblühen kommen.
Menier.
441. Molimé, Oedéme infectieux aigu du larynx. (Infektiöses
akutes Ödem des Kehlkopfs.) Le Larynx. Oktober 1910.
Das akut auftretende Ödem machte einen Luftröhrenschnitt not-
‘wendig. In dem Schleim aus dem Kehlkopf wurden zahlreiche Kokken sowie
kurze Löfflersche Bazillen gefunden. Der Verlauf der Krankheit hatte
eine grosse Ähnlichkeit mit der perilaryngealen (Senator’schen) Phlegmone,
aber der Sitz wie der Ausgang waren verschieden, da die Patientin von
Molimé genas. — Verf. hebt die gute Wirkung des Kolloidsilbers sowie
des Diphtherieantitoxins in seinem Falle hervor. Menier.
112. Pinaroli, Sul processi di degenerazione ialina e amiloide
neoplasmi della laringe. (Über die hyalinen und amyloiden
Degenerationsprozesse bei Larynxgeschwülsten.) Archivio tt
dı Otologia etc. 1910. Nr. 5
Man sollte logischerweise nicht von amyloiden Geschwülsten des Larynx
reden, sondern von amyloider Degeneration von Larynxtumoren. Das
primäre Neoplasma (irgendwelcher Gewebsstruktur) degeneriert erst sekundär
und zwar bält P. im Anschluss an von Recklinghausen, die amyloide
Degeneration für das Endstadium der hyalinen Degeneration. Dafür,
sprechen auch die mikroskopischen und chemischen Befunde des von P.'
genauer beschriebenen Falles. Eine sichere Diagnose der amyloiden Degene-
ration im Larynx ist klinisch nicht möglich, mangels charakteristischer
ihr allein zukommender klinischer Merkmale. Entscheidend ist stets erst
der chemische Nachweis des Amyloid. Das (von Ziegler zuerst beobachtete)
auffallende isolierte Vorkommen lokalisierter Amyloiddegeneration im
Larynx, ohne dass eine für diesen Degenerationsprozess sonst verantwortlich
zu machende, die Gewebsernährung störende Allgemeinerkrankungen vor-
lägen, dürfte nach P. vielleicht zutreffend aufzufassen sein als Folge
einer lokalen Ernährungsstörung, bedingt durch die vielfache funktio-
nelle Irritation kleiner, gutartiger Tumoren im Larynx.
Brühl, Gardone (Riviera).
143. Ramirez Santalo, Tres observaciones de paralisis recur-
rencial total de causa periferica. (Drei Fülle von totaler
Rekurrenslihmung peripherisehen Ursprungs.) Boletin de
laringologia. September, Oktober 1910.
Erster Fall bei einem Schwindsüchtigen.
Zweiter Fall, nach einer teilweisen Thyroidektomie.
Dritter Fall, nach einer Feuerwaffenwunde.
Der zweite Fall ist ein Widerspruch mit der Behauptung Castexs,
nach welcher das Stimmband bei frischen Lähmungen gradlinig ist, während
es bei alten konkav sei; er steht ferner im Widerspruch mit der Ansicht
29| Referate. 545
Brockaerts, der meint, dass das Stimmband bei inkompletter Lahmung
gradlinig ist und dagegen konkav bei totaler. Menier.
444. Sehirmunski, Ein Fall einer Epiglottiszyste. Eschemes-
jatschnik uschnich, gorlowich i nossowich bolesnej. 1909. Nr. 11.
Die Zyste sass an der lingualen Flache der Epiglotis und wurde
mittelst Schlinge und Schere entfernt. Marc Rosenblath, Odessa.
445. Semenoff-Blumenfeld, Zur Frage der Behandlung der
Larynxtuberkulose. —FEschemesjatschnik uschnich, *gorlowich 1
nossowich bulesnej. 1909. Nr. 5.
Der Autor rühmt das Marmoreksche antituberkulose Serum. Es
wurden von ihm mit diesem Serum 14 Kranke, die an Larynx und Lungen-
tuberkulose litten, behandelt, und in allen Fällen mit eklatantem Erfolg.
Was die Behandlung der Larynxtuberkulose anbetrifft, so wurde nebenbei
chirurgisch vorgegangen, auch Ätzungen der tuberkulösen Ulzera mit
80 9/o Milchsäure, Acid. trichloracetic., Parachlorphenol vorgenommen und
innerlich Chinin. cinamyl. verabreicht, Marc Rosenblath, Odessa.
446. Staats, Braunschweig, Die häufigsten Sprachfehler der
Kinder (Stammeln, Stottern usw.). Med. Klinik 44. 1910.
Staats gibt einen Überblick über die Zahl der Stotterer und Stammler
an den Bürgerschulen in Braunschweig, spricht über das Wesen beider
Erkrankungen und über therapeutische Massnahmen und demonstriert
einzelne besonders prägnante Fälle. Sippel, Würzburg.
447. R. Steiner, Prag, Bericht über eine narbige Larynxstenose
traumatischen Ursprungs mit einseitiger Ankylose des Ary-
knorpels. Wien. klin. Wochenschr. 46. 1910.
Bei einem 45jabrigen Manne nach Stoss mit einer Brechzange gegen
den Kehlkopf aofortige 'l'racheotomie. Hierauf allmáhliche Ausbildung
einer Narbenstenose mit Ankylose des Aryknorpels infolge von Narben-
zug. Methodische Dilatation führte zur Heilung.
Sippel, Würzburg.
448. Della Vedova, Intorno alla cura radicale ed alla diugnose
precocel del Canero laringeo. (Uber die Radikalbehandlung
und die Frühdiagnose des Laryuxkarzinoms.) La Pratica
otorinolaring. 1910. Nr. 9.
Von den drei haupteächlichen Behandlungsmethoden des Larynx-
karzinoms schneidet statistisch die gerade in letzter Zeit wieder mehr emp-
fohlene intralaryngeale Behandlung am schlechtesten ab: von 57 Fällen
und 11 Heilungen (19,59/o), bei 2U (39°/o) Frührezidiven und 24 (42"/o)
Rezidiven nach einem Jahr, Die Laryngektomia partialis und totalis
haben etwas bessere Zahlen: 27?/o Heilungen, 339/o Rezidive, 219/o
Operationsmortalität für die L. partialis, 229/o Heilungen, 259/o Rezidive
und 27°/o Mortalität für die L. totalis. Weitaus die besten Erfolgs-
zahlen weist die Laryngotomie auf: 36—50°/o Heilungen, 2,4°/o
Mortalität, 23/0 Rezidive.
Dass in Italien die Laryngotomie zugunsten der Laryngektomie ganz
auffallend vernachlässigt wird, beruht nach dem Verf. besonders darauf —
546 Referate. (30
und das dürfte auch anderswo mutatis mutandis nicht unzutreffend sein —
dass die Diagnose nicht früh genug gestellt war. Die Laryngotomie
ist eben dieaussichtsvolleOperation der Frühperiode, — bessere
Ausbildung der Allgemein-Praktiker in der laryngoskopischen Technik,
daneben aber vor allem die auch ohne Kehlkopfepiegel jedem Arzt mög-
liche genaue Beobachtung und kritische Kombination von scheinbar be-
deutungsloseren Symptomen müssen die Frühdiagnose des Larynxkrebses
fördern helfen. Wenn ein — spez. über 40 Jahre altes — Individuum,
das dauernden Irritationen der Stimmorgane ausgesetztistdurch vielesSprechen,
durch vieles Rauchen, durch Alkohol, chronische Entzündungszustände wie
Lues und Tuberkulose etc., eine allen gegen die ätiol. Momente gerichteten
Massnahmen trotzende zunehmende Heiserkeit zeigt, dabei sich passagere
Reizhustenattacken, hin und wieder leichter Schmerz, vorübergehend leicht
blutiges Expektorat, geringe, sonst nicht erklärbare Dyepnoe bemerk-
bar macht, dann muss der Arzt den Patienten laryngoskopieren oder
_ laryngoskopieren lassen.
Derart vermehrte Frühdiagnosen werden das Feld der Laryngotomie
erheblich erweitern und die positiven Erfolge der Karzinombehandlung
ganz beträchtlich steigern. Die Laryngektomie ist und wird stets not-
wendig bleiben für die fortgeschritteneren oder von Anfang diffus auf-
tretenden Karzinome, wo die grósseren Gefahren und die den Patienten
deprimierenden Folgeerscheinungen der Operation gegenüber der Schwere
der Erkrankung in den Kauf genommen werden müssen.
Brühl, Gardone (Riviera).
449. Winogradoff, Zar Frage über die Behandlung der
malignen Neubildungen des Kehlkopfes mit Réntgenstrahlen.
Eschemesjatschnik uschnich, | gorlowich 4 nossowich bolesnej.
1909. Nr. 11.
Inoperable ‘maligne Neubildungen des Nasenrachens und des Kehl.
kopfs werden durch. Róntgenstrahlen gut beeinflusst und verschwinden
sogar manchmal spurlos. Marc Rosenblath, Odessa.
450. Wladimiroff, Ein Fall von plötzlicher Aphasie beim
Kinde. Praktitscheskiı Wratsch. 1909. Nr. 24.
Der Autor schildert einen Fall von Aphasie verbunden mit Aphonie,
Schluckbeschwerden und Ataxie der unteren Extremitäten bei einem sonst
gesunden, 9jährigen Bauernmädchen, das von einem Hunde erschrocken
war. Laryngoskopisch wurde festgestellt: Die Schleimhaut der Stimm-
bänder stark hyperämisch, geschwollen; bei Phonation schliessen die
Stimmbänder nicht zusammen. Der Verfasser meint, dass unter dem Ein-
fluss einer Erregung (in diesem Falle — Erschrecken) in der Gegend der
motorischen Zentren der Sprache, Lippen, Zunge, Larynx und unteren
Extremitäten eine Hyperämie aufgetreten war (Vasomotorenwirkung),- die
die oben beschriebenen Ausfallserscheinungen bewirkte.
Marc Rosenblath, Odessa.
451. Zumsteeg, Berlin, Über Phonasthenie. Arch. f. Laryng.
XXIV. H. 1.
Die Arbeit, bietet an der Hand einer Anzahl von Beobachtungen eine
kurze und übersichtliche Darstellung des Themas, im grossen ganzen .den
31] Referate. 547
Lehren Gutzmanns folgend. Die diagnostischen und therapeutischen
Methoden werden besprochen, die Stimmstórungen werden in Eutwickelungs-
und Berufs-Stérungen eingeteilt, letztere wieder in solche der Sprech-,
Kommando- und Singstimme. Arth. Meyer, Berlin. .
5. Trachea, Bronchien, Osophagus.
452. A. Ephraim, Breslau, Über örtliche Behandlung ehronischer
Bronchialerkrankungen. Arch. f. Laryng. Bd. XXIV. H. t.
Durch bronchoskopische Beobachtungen weist Verf. nach, dass die
üblichen lokaltherapeutischen Methoden keine Wirkung haben können.
Mehr leistet ein Spray, welcher im bronchoskopischen Rohr appliziert wird,
oder auch ein „biegsamer Bronchialspray‘“, welcher nach Anästhesierung
durch die Glottis geführt wird und, je nach der Körperhaltung, in den
rechten oder linken Bronchus dirigiert werden kann. Auskultation stellt
die Lage des Spray fest. Behandelt wurde 1 mal Bronchiektasie
18 mal Bronchitis chronica mit gutem Erfolge, nur selten musste
die Applıkation wiederholt werden. In 76 Fällen von Asthma steigerte
sich in den ersten Tagen die Expektoration bedeutend. In der grossen
Mehrzahl der Fälle wurde durch ein- oder mehrmalige Bronchoskopie und
Einstäubung von Novocain-Suprarenin das Asthma auf lange Zeit hinaus
günstig beeinflusst, nur 12 Fälle verhielten sich refraktär. — Die ver-
wendeten Medikamente waren: Novocain 0,2 —0,5, Sol. Suprarenin 1,0,
Sol. Natr. chlor. ad 10,0; ferner ähnliche Lösurgen in öligem Vehikel;
Sol. Arg. nitr. 0,15—6°/o; ö—6°/o Terpentinölemulsion; Sol. Ammon-
jodat 1—6°o. Wirksam erwies sich hauptsächlich die erstgenannte Lö-
sung. Verf. fasst die Wirkung als eine rein medikamentöse auf, enthält
sich aber erklärender Hypothesen. Die neue Therapie leistete ihm mehr
als irgend eine andere. Arth. Meyer, Berlin.
453. Ferran, Über einige Fülle von nasopharyngealen Fibromen.
Journal de médecine de Paris. 12. November 1910.
Kasuistik von zwei operierten Fallen, Verf. ist kein Anhanger der
elektrischen Schlinge, da die Operation damit unvollständig ist und Re-
zidive zu fürchten sınd. Menier.
454. Guisez, Paris, Abnorme broncho-üsophageale Fremdkörper-
Baas Rev. hébd. de lar. 1910. Nr. 9.
. Münze am Ösophaguseingang eines 2j&hrigen Kindes. Extraktion
in Narkose.
2. Spielmarke im Ösophagus eines Kindes, mittelst 2 klappigen Dila-
P entfernt.
Knochen im Ösophagus, gangränöse Phlegmone, Entfernung durch
Onophagonkopie, Heilung.
Gräte im Ösophagus. Osophagoskopie.
. Glasscherbe im Osophagus. Heilung nach Ösophagoskopie.
. Gebiss ebenda. O-ophagoskopie, Heilung.
Cardiospasmus, Verstopfung der Cardia durch Wismuth, Heilung.
Wismuth- Verstopfung bei Karzinom der Cardia.
. Narbenstenose, Verstopfung der Cardia durch Fleisch.
SEEEEE
548 Referate. [32
10. Mandarinenkerne.
11. Bleistifthülse im Bronchus. Arth, Meyer.
455. Langowoi, Zur Kasuistik der Fremdkürper in den Luft-
wegen. Medizinskoje Ubosrenjie. 1909. Nr. 9.
Ein 9jähriger Knabe wurde in das Morosowsche Kinderspital
wegen Fieber, Husten, wobei viel putrides Sputum entleert wird, aufge-
nommen. Laut den Angaben der Angehörigen soll der Knabe schon
4 Jahre krank sein. Bei der Röntgenaufnahme wurde festgestellt: Bronchi-
ektasie links; im linken Brouchus ein deutlicher schwarzer Schatten von
einem Haken mit nach oben gerichteten Ösen. Dr. Schneider gelang
es nach 2!/g Stunden den Haken zerstückelt mit Hilfe der oberen
Bronchoskopie zu entfernen. Nach einiger Zeit starb das Kind an pro-
gressiver Kachexie. Die Mutter erinnerte sich nachher, dass der Knabe
vor 4 Jahren einen Pelzhaken aspiriert habe. Bei der Sektion wurde
festgestellt: Chronische Laryngitis und Tracheobronchitis, putride Bron-
chitis beiderseits. Diffuse Bronchoektasie des linken Bronchus. Chro-
nische Pneumonie der linken Lunge und adhäsive fibröse Pleuritis.
Marc Rosenblatt, Odessa.
456. De-Lens, Die klinische Bedeutung der Ösophago- und
Bronchoskopie. | Eschemesjatschntk uschnich, gorlowich t nosso-
wich bolesnej. 1909. Nr. 4.
Beschreibung von Fällen, wo die Broncho- resp. Ösophagoskopie zu
einer richtigen Diagnose verholfen und die Möglichkeit, verschiedene
Fremdkörper zu entfernen gegeben hat. Marc Rosenblatt, Odessa.
457. A. Muskens, Ist die Indikation für die endolaryngeale
Behandlung eines Fremdkörpers in der Luftröhre eine
absolute? (Corpus alienum (Kirschkern) in den Luftwegen,
spontane Entfernung durch die Wunde eines Luftröhren-
schnittes.) Ned. Tydschrift voor Geneesk. 10. Dezember 1910.
Wenn ein Fremdkórper in die Luftwege gedrungen ist und es treten
Dyspnoe und Zyanose auf, wird selbst der Laryngologe und Broncho-
skopiker zur Tracheotomie schreiten. Viel dringender ist die Indikation
dazu, wenn der Brouchoskopiker weit entfernt wohnt.
Wenn man sich nicht auf den Standpunkt stellt, dass in allen Fällen
‚von vermutlich inbaliertem Fremdkórper die Bronchoskopie gemacht werden
soll, muss man bei der Indikation Rechnung tragen der Form des
Fremdkó. pers.
Nach Muskena nehmen runde, glatte, nicht zu grosse Fremdkörper
eine besondere Stellung ein. Am 20. Juni 1910 geriet bei einem 7jàh-
rigen Madchen ein Kirschkern in die Trachea. Das Kind wurde zyano-
tisch und dyspnoisch. Beim Husten hórte man den Fremdkórper bewegen.
Das Kind wurde tracheotcmisiert und nach Trendelenburg ge
lagert. Die Patientin schlief ruhig. Am folgenden Tage zeigt sich, dass
die linke Brusthálfte sich bei der Atmung fast nicht bewegt, auch wird
kein Atmungsgeräusch gehört.
Sehr vorsichtig wird mit einem Stilett versucht den Kirschkern zu
fühlen und eventuell los zu machen und Muskens meint, dass er diesen
33] Referate. 945 .
damit in einen kleineren Brouchus geschoben hat. Die Atmung in der
linken Lunge wurde etwas besser, die Temperatur stieg bis 38,6. Am
1. Juli war die Atmung links ungefähr normal, nur wurden einige feuchte
Ronchi gehört.
Am 2. Juli wollte man das Kind nach einer benachbarten Stadt
überführen zur Bronchoskopie, aber am Nachmittag fing das Kind wieder
an zu busten und hörte man den Kirschkern gegen die Kanüle anschlagen.
Die Kanüle wurde entfernt und die Wunde mit einem Nasenspekulum
erweitert. Als man das Spekulum aus der Wunde zog, wurde der Kirsch-
kern mit Gewalt nach aussen geschleudert.
Muskens meint, dass in seinem Falle die Tracheotomie und nicht
die Bronchoskopie direkt indiziert war, weil ruude, glatte, nicbt zu grosse
Fremdkórper nach der Tracheotomie leicht. spontan ausgehustet werden,
auch wenn sie zeitweise eingeklemmt gewesen sind, wie Falle von Hins-
berg und Burger beweisen. Muskens meint eine Stütze zu finden für
seine Ansicht in dem Buch von Brünings, wenn dieser sagt, dass die
Fremdkórperzangen nicht geeignet sind für harte glatte Fremdkórper.
Bei eckigen, scharfen und schwellenden Fremdkórper ist die Indi-
kation zur Bronchoskopie eine absolute. Kan, Leiden.
458. H. Burger, Die Indikation zur Bronchoskopie. Ned. Tyd-
schrift voor Geneeskunde. 10. Dezember 1910.
Veranlasst durch die Publikation von Muskens macht Burger
einige Bemerkungen. Dass Muskens in seinem Falle das Kind tracheo-
tomiert hat und nicht gleich einer Bronchoskopie unterworfen, zu der eine
weite Eisenbahnfahrt gemacht werden musste, hält Burger für sehr
recht, aber er meint, dass das Sondieren der Luftióhre nicht ohne Gefahr
ist, weil dabei, wie Muskens auch getan zu haben meint, der Fremd-
körper in einen kleinen Bronchus geschoben werden kann.
Muskens Meinung, dass man bei kleinen, glatten, runden Fremd-
körpern die Tracheotomie machen muss und warten bis er ausgehustet
wird (oder eine Lungenentzündung entsteht, fügt B. hinzu), hält Burger
für unhaltbar.
Wenn auch harte glatte Fremdkörper mit der Zange nicht leicht ge-
fasst werden können, so sind scharfe und stumpfe Häkchen dazu sehr
geeignet.
Ein Bronchoskopiker würde in dem Falle von Muskens auch
tracheotomiert haben in der Hoffnung, dass der bewegliche Fremdkörper
herausgeschleudert werde, aber. er würde, wenn das nicht der Fall wäre,
dieselbe Narkose zur Bronchoskopia inferior benützen, welche dann meist
sehr leicht ist. Der Fremdkörper ist dann oft noch nicht eingeklemmt
und es ‘sind noch keine Lungenkomplikationen da, welche die Broncho-
ekopie sehr erschweren können.
Muskens stellt die Tracheotomie und die Bronchoskopie einander
gegenüber, während in vielen Fällen die Tracheotomie ein Hilfsmittel ist
zur Erleichterung der Bronchoskopie (Bronchoskopia inferior), wenn die
Bronchoskopia superior besondere Schwierigkeiten bietet, z. B. bei jungen
Kindern.
Von einer absoluten Indikation zur Bronchoskopia superior kann
keine Rede sein. Von prinzipieller Bedeutung ist es, dass man aufhören
550 Referate. (34
soll mit Sonden und Zangen die Luftwege im Dunkeln zu_ bearbeiten.
Ob man die Bronchoskopia inferior oder superior machen, allgemeine oder
lokale Anästhesie anwenden soll, kommt erst au zweiter Stelle in Betracht.
Kan, Leiden.
459. Pernie, Über Fremdkörper der Speiseröhre. Deutsche med.
Wochenschr. 1910. Nr. 37.
Entfernung eines verschluckten künstl. Gebisses durch Ösophagotomie
dicht oberhalb des Jngulums von der linken Seite aus. Die Exıraktion
des von der Öffnung noch 10 cm entfernten, eingekeilten Fremdkórpers
gelang durch ständige Umkreisung mit einem schmalen, langen Raspara-
torium während des Zuges. Heilung ohne Störung.
Hirsch, Magdeburg.
460. Charles W. Richardson, Unusual foreign body in right
bronchus removed by lower bronchoscopy. — (liefbroncho-
skopische Entfernung eines aussergewöhnlichen Fremdkörpers
aus dem rechten Bronchus.)
Durch Trachealöffuung wurde vermittelst Jacksons Rohr und eines
speziell konstruierten Bohrers ein grosser Radiergummi aus dem rechten
Bronchus entfernt. Otto Glogau.
461. Sargnon, Broncho-ösophagoskopische Beiträge. Rev. hebd.
de luryng. 1910. Nr. 38.
Fälle von Endoskopie des Larynx und der Trachea wegen Papillo-
men und Stenosis thymica; 2 Fremdkórper der Bronchien. Fälle von
Ósophagoskopie bei entzündlichem Geschwür und Soor; 4 Falle von
Dilatation, 3 von Spasmen, wo grosse therapeutische Wirkung erzielt zu
werden pflegt. 17 Narbenstenosen, zum Teil schwerer Natur, wurden öso-
pbagoskopisch diagnostiziert und behandelt. Endlich Fälle von Krebs
und von Fremdkörpern der Speiseröhre. Arth. Meyer.
462, Saturnow, Ein Fall von Perioesophagitis verursacht durch
einen Fremdkürper, mit günstigem Ausgang. Wratschebnaja
Gaseta. 1909. Nr. 35.
Ein Soldat bat ein Kuochenstück verschluckt, spürte bald nachher
Schmerzen, die er zur Seite des Halses lokalisierte. Mittelst Fergusson-
scher Sonde hat Verf. ein Stück Fleisch von Pflaumengrösse, in dem ein
scharfer Knocheusplitter steckte, extrahiert. Nach der Extraktion trat,
obwohl das Schlucken freier, Schwellung der äusseren Haut in der Gegend
des Ringknorpels auf. Allmählich wurde die Schwellung grösser, es
bildete sich Fluktuation aus und nach einigen Tagen brach spontan
1!/s Querfinger oberhalb des Sternums und 1 Querfinger nach. aussen
von der Trachea Eiter in grosser Menge durch. Dann bildete sich noch
eine zweite Ótfnung, aus der sich viel Eiter entleertee Allmablich ver-
siegte die Sekretion, die Fistelgänge schlossen sich und der Kranke genae.
Marc Rosenblath, Odessa.
163. Seljugin, Zur Frage der Fremdkürper in den Luftwegen,
Westnik uschnich, gorlowich i nossowich bolesnej. 1909. Nor.
Ein spontan aus dem Brouchus entleerter Fremdkörper (Knochen-
35] Referate. 551
splitter, der 14 Monate in demselben sich befand. Während dieser Zeit
litt der Patient an Husten und machte eine akute Lungenentzündung durch.
Marc Rosenblath, Odessa.
6. Mundhöhle.
464. Delie, Ypres, Beitrag zum Studium der Ludwigschen
Angina. Rev. hébd. de laryng. 1910. Nr. 23.
Sehr lesenswerte und klar geschriebene Schilderung der anatomischen
Verhültnisse des sublingualen Raums, der klinischen Symptome und der
3 möglichen Wege für die Operation : Des oralen Weges, der medianen
Inzision und des Eingehens in der Regio euprabyoidea lateralis. l
Artb. Meyer.
465. Escat, Paralysie. velo- palatine secondaire à une diphtérie
latente insidieuse et bénigne strictement localisée aux
fosses nasales. (Lähmung des Gaumensegels nach einer
latenten und gutartigen, anschliesslich in der Nasenhöhle
lokalisierten Diphtherie.) Le Larynx. Oktober 1910.
In zwei Fällen konstatierre Escat eine Rhinitis pseudo-membranacea
mit Lähmung des Gaumensegels, ohne dass eine Verbreitung der Infektion
nach dem Rachen stattfand. Im ersten Falle wurde die diphtheritische
Natur einwandfrei durch die Kulturen bewiesen; im zweiten fielen die
Kulturversuche negativ aus; allerdings alle objektiven Erscheinungen
wiesen auf Diphtberie hin. Menier.
466. Gerber-Königsberg, Über die Wirkung des Ehrlich-
Hataschen Mittels 606 auf die Mundspirochäten. Deutsche
med. Wochenschr. 1910. Nr. 46.
An einem Manne mit zerfallenden Papeln der Tonsillen und des
Isthmus faucium liess sich feststellen:
1. Ein deutlich abtötender Einfluss von 606 auf die Mundspirochaten,
2. ein Parallelismus der Mundspirochäten und der Spirochaeta pallida
in Hinsicht auf die Wirkung von 606 für die erste Zeit nach der
Infektion. Hirsch, Magdeburg.
467. E. Labarre, Brüssel, Voluminöse kongenitale Zyste des
Sinus maxillaris paradentären Ursprungs. Presse Oto-
Laryngologique. Belge. Nr. 2. page 59. 1910.
Der Verf. erwähnt die Diskussion, welche die Frage der Pathogenie
der Kieferzysten hervorgerufen bat und spricht auch über die Theorie von
Malassez, der sie einer Epithelwucherung auf kongenitaler oder
infektidser Basis zuschreibt, was die Einteilung in angeborene und er-
worbene Zahnzysten ergibt.
Die multilokulären Zysten können diesen beiden Ursachen zugleich
entspringen.
Er berichtet dann über den Verlauf der Krankheit eines Patienten,
der seit 7 Monaten an Anschwellung der rechten Fossa canina litt, die
eine Asymetrie des Gesichtes bedingte. Unter der Lippe entdeckte man
einen Tumor von der Grösse eines Hühnereies, welcher in das Vestibulum
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 5. 37
552 Referate. [36
vorragt und auf Druck einen gewissen Widerstand bot. Die Zahnreihe
ist an dieser Stelle eingedrückt ; die Gaumenwölbung geschwollen und
gibt den Eindruck von Pergamentknistern. Das Nasenloch ist frei, wie
auch der Sinus.
Exstirpation des Tumor unter Chloroform ; die geöffnete Zyste enthielt
im Moment der Ablösung eine klare Flüssigkeit, Faden ziehend, keine
Zähne. Die Höhle wurde kurettiert, die Gaumen- und orbitale Wand
sind sehr verdünnt. Drainage.
Der Verf. macht darauf aufmerksam, dass diese Beobachtung die
Ansicht von Malassez bestätigt und führt die Ursache des Übels auf
das Sprossen paradentärer Keime unter dem Einflusse von Reizen zurück,
die ihre Ursache im Wachstum der Zähne baben. Als Beweis sieht er
ein begrenztes Rezidiv an, das sich einige Zeit nach der Operation zeigte.
Vom symptomatischen Standpunkte aus lenkt der Verf. die Auf-
merksamkeit auf die enorme Entwickelung des Tumor ohne jedes An-
zeichen von Schmerz, ein wichtiges differential-diagnostisches Zeichen, wie
auch das Pergamentknistern. Er legt besondern Wert auf die durch die
Diaphanoskopie erlangten Aufschlüsse. Zum Schluss gibt er einen Über-
blick über die verschiedenen Eingriffe, die empfohlen worden sind.
Fernandes.
468. Pawlow, Ein Fall von maligner Nenbildung der Sublingual-
driise. Wratschebnaja Gazeta. 1909. Nr. 49.
Die histologische Untersuchung eines am Mundboden direkt unter
der Zunge mehr links sich befindlichen Tumors, der exstirpiert wurde,
stellte ein glanduläres Karzinom fest. Wahrscheinlich ist der Ausgangs-
punkt des Karzinoms die Sublingualdrüse gewesen.
Marc Rosenblath, Odessa.
469. Pietri, Mexiko, Speichelzysten der Parotis. Rev. hébd. de
lar. 1910. Nr. 2. |
Sorgfältige Besprechung der „Ranula parotidea“ an der Hand eines
eigenen Falles und 10 weiterer, welche aus der Literatur gewonnen
wurden. Die Zyste ist ohne Zusammenhang mit den Ausführungsgängen, je-
doch dem Drüsengewebe adhärent; unilokulär, ausgekleidet mit Zylinder-
oder Pflasterepithel; sie enthält eine fadenziehende, speichelähnliche, aber
fermentfreie Flüssigkeit. Für die Pathogenese adoptiert P. die embryonale
Theorie einer Entwickelungshemmung. Die rationelle Therapie besteht
in der sorgfáltigen Ausschálung des Zystensackes. Arth. Meyer.
470. Pistre, Grenoble, Küsige paradentale Zyste; Pathogenese
der Verküsung. Kev. hébdom. de laryng. 1910. Nr. 47—48.
In einer Zahnzyste, welche bei einer früheren nasalen Eróffnung
seróse Flüssigkeit entleerte, fand sich bei der Operation reichlich käsiger
Inbalt. Für die Entstehung der Zysten ist die Theorie versprengter
epithelialer Einschlüsse (Malassez) allgemein angenommen. Für die
Entstehung des Käses werden neben anderen Mikroorganismen namentlich
der Aspergillus verantwortlich gemacht, der ein koagulierendes Ferment
absondert. Als Therapie kommt nur die Exstirpation der Zyste in Be-
tracht; in diese hineinragende Zähne können erhalten werden,
Arth. Meyer, Berlin.
31] Referate. 553
471. Putschkowsky, Phlegmonöse Entzündung der Zungen-
tonsille hervorgerufen durch den Bacillus fusiformis Vincenti.
Praktitscheski Wratsch. 1909. Nr. 1.
Ein kasuistischer Beitrag zur Frage über die Entzündung der
Zungentonsile. Im zitierten Falle wurden in den Membranen, die die
Zungentonsille bedeckten, viele spindelförmige Bazillen gefunden. Rechts
in einer Entfernung von 1!/2 cm von der Mitte des Zungengrundes wurde
mit dem Toboldschen Messer eine fluktuierende Geschwulst inzidiert: es
entleerte sich Eiter. Drei Tage nach der Inzision Genesung. Der Autor
fasst die kardinalen Symptome der Entzündung des Zungengrundes zu-
sammen: Schmerzen in der Gegend des Zungengrundes, der submaxillüren
Drüsen; zirkumskripte Empfindlichkeit in der Gegend des grossen Hornes
des Zungenbeins, die bei Druck sich steigerte, Schmerzen beim Schlucken
fester und flüssiger Speisen. Marc Rosenblath, Odessa.
472. Rendel, Short, Bristol, Das weitere Sehieksal von 40 Füllen
von Epitheliom der Lippe. Brit. med. Journ. 20. Aug. 1910.
Der Zweck dieses Berichtes über 40 Fälle der Krankheit, die in der
Bristol Infirmary während der Jahre 1900—1909 behandelt . wurden, ist,
zu untersuchen, ob es im Hinblick auf die späteren Schicksale der ope-
rierten Patienten ratsam ist alle Lymphräume der Umgebung zu entfernen,
in Fällen mit kleinem Tumor und kleinen palpablen Drüsen.
Der Verf. bejaht diese Frage, weil von 20 Fällen, die durch lokale
Entfernung behandelt wurden, nur vielleicht 3 an Rückfall starben; also
eine Mortalität von 15°/o, was mehr ist, als der durch eine eingreifendere
Operation verursachte Prozentsatz. Guthrie, Liverpool.
473. H. Sehestopal, Warschau, Die Spirochaeta pallida bei der
Syphilis der Mundhöhle. Monatsh. f. prakt. Dermat. 4. 1910.
Schestopal beweist an einer Anzahl von Fallen die Tatsache,
dass die Spirochaeta pallida bei syphilitischen Affektionen der Mund-
schleimhaut sich ganz oberflächlich findet im Gegensatz zu anderen Ge-
weben, wo erst durch Reitzung der spirochätenhaltige Gewebssaft an die
Oberfläche befördert werden muss. Es genügt vollständig die Öse eines
Platindrahtes über die verletzte Stelle zu führen, um ein gutes : Prä-
parat herzustellen. Die Gründe hiezu sind wohl folgende: Erstens die
Abwesenheit der hornigen Epidermis in der Mundhöhle, welche einen
Panzer für das Durchdringen der Spirochäten auf die Oberfläche der Haut
vorstellt und zweitens die Anwesenheit des notwendigen Reizes in der
Mundhöhle, wofür die Natur selbst gesorgt hat. Wir gebrauchen den
Mund den ganzen Tag — beim Sprechen, Essen und sogar Atmen (als
den Reiz hervorrufender Faktor wirkt hier die Veränderung der ‘Tempe-
ratur) ohne von den Rauchern zu reden, bei denen die Erythema isthmus
faucii und die Pharyngitis die beständigen den Reiz herbeiführenden Ge-
fährten sind.
Deswegen ist die Syphilis der Mundhöhle unter allen andern Syphi-
liden die am meisten kontagiöse. Sippel, Würzburg.
474. Van den Wildenberg, Antwerpen, Ein Fall von Makro-
chelie. Annales de la Société de Médecine de Anvers. 1908.
Der Verf. hat ein junges Mädchen behandelt die an Schwellung der
| 37*
n EE Referata. [38
Oberiippe und an intermittierenden entzindlichen Versehlimmerungen litt,
denen gewóünlich mehr oder weniger hartnackige Fissuren folgten.
Der Verf. machte eine Resektion eines Lappens der Lippe in Form
eines Orangenviertels. durch zwei kleine keilfórmige Lappen auf den
Mundwinkeln vervoiistàndigt. Das ästhetische Resultat war ein sehr be-
friedigendes. Fernandes.
4. Gresagebiete.
1:5. Eugen Bireher, Zur Frage der Krepfatielegie. Deutsche
mel. Wochenschr. 191^. Nr. 37.
Hinweis auf gewisse Zusammenhänge zwischen Kropt, kretiner Degene-
ration und geoiogischer Bodenformation. Zur Klärung Jder Frage müssten
Geologen. Chemiker und Ärzte zusammenarbeiten. Hirsch, Magdeburg.
Lin U. Calamida. Mailand. Les abees du cou d'origine etitique.
(Die Halsabszesse otitisehen Ursprumgs.) irchires imiern. de
laryngologie.. September, Oktober. 1910.
Verf. studiert die Anszesse ies Halses, der retro- maxillàren Gegend und
des Rachens, welche durch Ohreiterungen (entweder durch die Blutbahn oder
dureh die Lvmphgefasse vermittelt! verursacht sind. Menier.
477. NM. Engländer., Wien. Demonstration eines dureh Operation
dauernd zebessertem Basedowfalles. Wien. klin. Wochenschr.
£3. 1210.
Der Fall zeigte vor der Operation das Vollbili schwerer Basedow-
erkrankung mit Kompression der Trachea. Es wurde die linksseitige
Strumektomie ausgeführt. Voa den nach der Operation noch persistieren-
den Symptomen sin. bier besonders zu nennen: Die Tachykardie (100 Puls-
schläge in der Minute: aber ohne Beschwerden seitens des Kor und ein
Exophthalmus an der operierten Seite. Dauernd reschwunden sind da-
gegen (ie Diarrhöen. die qualenden Aufregungszustinde uni Schweisse,
das Mattigkeitegefübl und nicht zuletzt die gesteigerte Oxydation im Stolt-
wechsel. Völlige Arbeitzfähigkeir. Sippel, Würzburg.
473. W. Freudental. New York, In weleher Weise können die
Befunde im den oberen Luftwegen für die Diagnose einer
beginnenden Lungentuberkulose erwartet werden? Zeitschr.
fur Tub. Bd. XVI. H. 3.
Verf. zibt als Zeichen einer beginnenden Luugentuberkulose folgende
Befunde in den oberen Luftwegen an:
1. Neben Anämie der Senleimhaut des Gaumes eine Linie der Kou-
gestion. die von der Insertionsstelle der Uvula zu' beiden Teilen der
Gaumenbogen abwärts zieht und Jie Tonsillen umschliesst.
2. Zahlreiches Auftreten. von. Hypertrophie der Zangentonsille.
3. Verdickung des Interarytenowlalraumes,
4. Andauernde Heiserkeit.
Die „laryngeale Krepitation“ voa Cvbulski und Skillern er-
schien ihm weniger bedeutungsvoll ebenso nicht das sngeblich gehaufte
Auftreten einer Rhinitis sicca bei der Phthisis incipiens.
Sehróder. Scbómberg.
39] Referate. 555
479. 0. Hirsch, Wien, Demonstration von Hypophysentumoren.
Wien. klin. Wochenschr. 44. 1910. .
Es handelte sich um vier Falle, von denen bei dreien auf endo-
nasalem Wege der Tumor erreicht und entfernt wurde. Die Erfolge
zeigten die Leistungsfühigkeit der Methode.
Ernst Seifert, Würzburg.
480. 0. Hirsch, Wien, Operative Behandlung von Hypophysis-
tumoren auf endonasalem Wege. Arch. f. Lar. XXIV. H. 1.
Schloffers Methode hatte bewiesen, dass die teilweise Entfernung
eines Hypotophysentumors durch Nase und Keilbeinhöhle möglich ist, und
dass trotz der nasalen Eröffnung der Dura Meningitis nicht zu folgen
braucht. Hirsch wählt zwei rein endonasale Wege. Entweder a) er
eröffnet breit eine Keilbeinhöhle nach Entfernung der mittleren Muschel
und des Siebbeins, und meisselt später die Sella turcica auf. Hierzu be-
darf er 15 cm langer schlanker Instrumente. Aus der Dura wird durch
einen Quer- und zwei Längsschnitte ein Lappen gebildet, in der Lücke
erscheint der Tumor und kann teilweise oder bisweilen ganz entfernt
werden. b) Ein zweiter Weg benutzt die submuköse Resektion des Septum.
Zwischen : den Schleimhautblüttern wird Knorpel und Knochen bis zur
vorderen Keilbeinwand reseziert, sodann diese selbst und das Septum
sphenoidale. Nun kann in der Medianlinie der Boden der Sella turcica
abgemeisselt werden, und die Dura wird, wie oben eröffnet, — Penible Anti-
sepsis und regelmässige Urotropin-Dosen verhüteten in den 4 Fällen, die
Hirsch operierte, eine Meningitis. Die Erfolge waren gute, indem die
Entlastung des Chiasma z. T. eine bedeutende Besserung des Sehver-
mógens zur Folge hatte. Die Resultate ermutigen sicherlich zu weiteren
Versuchen mit der endonasalen Methode. Arth. Meyer, Berlin.
481. 8. Kreuzfuchs, Wien, Symptomatologie und Hiufigkeit
des intrathorazischen Kropfes. Wien. klin. Wochenschr. 1.
1911.
Gelegentlich der Demonstration eines solchen Falles werden die
klinischen Symptome besprochen, und die Häufigkeit der reinen Brust-
strumen zu 3,7°/, angegeben. Ernst Seifert, Würzburg.
482. E. Kuhn, Biebrich a. Rh., Physikalische Behandlung des
Asthma bronchiale. Med. Klin. 1910. 42, 43.
Verf. stellt die bisher übliche physik. Asthmatherapie in Gestalt der
Ausatmungsverlàngerung als unphysiologisch und unangebracht hin, und
rat, mit Hilfe der Lungensaugmaske, die Einatmungszeit zu verlängern,
dass das normale Verhältnis von Ex- und Inspirationszeit (7:6) wieder-
hergestellt wird. Auch scheint die unmittelbare Wirkung der Saugmaske
eine Gehirnanámie zu sein, durch welche ein erwünschtes Nachlassen in
der Erregbarkeit und Übererregbarkeit der Gehirnfunktionen eintritt.
Ernst Seifert, Würzburg.
483. Me. Coy John, New York, Report of two cases of brain-
abscess in the frontal lobe, Secondary to Ethmoiditis and
frontal sinusitis. (Zwei Fille von Stirnlappenabszess nach
556 Referate. [40
Siebbeinzellen- und Stirnhöhleneiterung.) Annals of Ot.,
Rhin., Laryng. 1910. Nr. 2.
Fall 1: 18 Monate altes Kind. Nach Pneumonie Schwellung beider
Augenlider, Inzision, wochenlange Entleerung von Eiter. Sondierung
durch diese Öffnungen ergab nekrotischen Knoten. Mittlere Muschel
stark geschwollen, kein Eiter intranasal. Beiderseitige Radikaloperation
der Stirnhöhle und Siebbeinzellen ; die Orbitalplatte der letzteren hatte
rechts zwei, links drei Perforationen. Das Stirnbein erwies sich als fast
vollständig osteomyelitisch, unter demselben zeigte sich ausgedehnter Epi-
duralabszess. Patient erholte sich von der Operation, bie nach 13 Tagen
Láhmung der rechten Extremitäten und 6 Tage später Erbrechen und
Koma auftrat. Nochmalige Operation ergab ausgedehnten Frontallappen-
abszess. Exitus.
Fall 2: 10jähriger Knabe. Schmerzen. Schwellung über rechtem
Augenlid. Killiansche Operation. Scheinbare Heilung. Nach 5 Wochen
Schwellung über der linken Stirnseite. Operation: grosser Epiduralabszess
von der Stirnhöhle ausgehend. Anfälle von Schwindel und Erbrechen
veranlasste einige Wochen darauf gründliche Ausräumung der Ethmoidal-
zellen, die voll Polypen und Granulationen waren, und über denen Dura
freilag. Da die Konvulsionen fortdauerten, wurde über dem alten Epi-
duralabszess ins Gehirn eingegangen und eine Unze Eiter entleert. Fünf
Tage später wurde ein zweiter Gehirnabszess in der Tiefe gefunden. Da
die Drainage stockte, wurde von der Schläfengegend aus eine Contre-
Drainage geschaffen. Genesung. Otto Glogau, New York.
484. Preobraschensky, Die Behandlung des Kropfes mit
d’Arsonvalschen Stämmen. Westnik uschnich, gorlowich
1 nossowich bolesnej. Februar 1909.
Zwei Strumafälle, die mittelst d’Arsonvalscher Ströme vollkommen
geheilt sind. Marc Rosenblath, Odessa.
485. Quadrone, Studio clinico e radiologico sulla disposizione
. del cuore, dell’arco aortico e dell’esofago nelle gravi cifos-
coliosi dorsali. Paralisi della corda vocale sinistra nelte
deviazioni laterali del rachide, suo meccanismo di produzione
e sua relativa frequenza. (Klinisehes und radiologisches
Studium über die Stellung des Herzens, des Aortabogens,
und des Osophagus bei sehweren dorsalen Kyphoskoliosen,
Lähmung des linken Stimmbands bei seitlichen Riickgrats-
verkrümmungen; ihr Entstehungsmechanismus, und ihre
relative Frequenz, Riyista critica di clinica medica. 15. Okt.1910.
Die Rekurrenslähmung linkerseits hat als Ursache eine Zerrung und
Zug dieses Nerven, dieser Zug wird durch den Aortabogen vermittelt,
welcher heruntergezogen wird und dazu verflacht ist und eine starke
. Drehung um seine Achse erfährt. |
Bei den dorsalen Kyphoskoliosen folgt der Ösophagus nicht den
Krümmungen der Wirbelsäule; ausnahmsweise kann dieses aber erfolgen ;
darum soll man, ehe man eine Magensonde bei solchen Patienten ein-
führt, die Radioskopie ausführen, um gewiss zu sein, dass der Ösophagus
den Krümmungen nicht folgt. In diesem Falle trifft man eine Erweiterung
des Ösophagusteiles, welcher der Wirbelsäule adhäriert. Menier.
--
41] Gesellschafts- und Kongressberichte. 507
486. Swerschewsky, Zur Frage der akuten Entzündungen
der Schilddrüse. Eschemesjatschnik uschnich, gorlowich 1 nosso-
wich bolesnej. 1909. Nr. 3, 4.
4 Fälle von akuter Thyreoiditis nach Tonsillenentzündung. Kom-
plikationen: in 2 Fällen akute Nephritis in einem akuten Gelenkrheuma-
tismus und in einem heftigen Herzklopfen. Die: Affektion des Rachens
und des Kehlkopfes äusserte sich in Form von Rötung und geringer
Schwellung einer Seite (in 3 Fällen), besonders in der Gegend des ent-
sprechenden Aryknorpels. Marc Rosenblatt, Odessa.
487. G. Weinland, Weissenau, Über Häufigkeit und Wachs-
tum der Krépfe bei den weiblichen Pfleglingen der kgl.
Heilanstalt Weissenau. — Korresp.-Dl. d. Württ. ärztl. Landes-
vereins. 52. 1910.
Ein Beitrag zu der merkwürdigen Erscheinung des endemischen
Kropfes und seiner Abhängigkeit von geologischer Formation und Wasser-
beschaffenheit. Ernst Seifert, Würzburg.
488. Watson, Williams, Bristol, Asthma. Practitioner. Okt.
1910.
Dieser Bericht handelt ziemlich eingehend von Asthma im allge-
meinen. In bezug auf das nasale Asthma sieht der Verf. verschiedene
Formen von intranasaler Irritation, wie Nebenhóhlen-Erkrankungen, oder
Druck auf das Septum durch eine erweiterte mittlere Muschel, in einigen
Fällen als Ursache des Asthma-Reflexus an. Er unterlässt es absicht-
lich. den Nasenpolyp als Ursache des Asthma zu bezeichnen, weil er der
Ansicht ist, dass der krankhafte Zustand, des durch den die Entwickelung
des Polypens entsteht, zuweilen infolge anhaltender intranasaler Reizung
auch das Asthma verursacht. Dieses erklürt in gewissem Masse die Tat-
sache, dass die grósste Anzahl der Personen, die an Nasenpolypen leiden,
nicht auch Asthma haben; aber eine weitere Erklärung liegt darin, dass
das Asthma eine Neurose ist, welche von der Labilität der betroffenen
medullären Zentren abhängt.
Der Verf. legt besonderen Wert auf die vollständige Entfernung
von Nebenhóhlenerkrankungen, wenn solche vorhanden sind, in Fällen
von Asthma, da sie zuweilen die Ursache der Polypen sowohl, als auch
des Asthmas sind. Guthrie, Liverpool.
III. Bücherbesprechungen.
———
E. Escat, Toulouse, Technique oto-rhino-laryngologique. 2. Auflage.
1910. Matoine Verleger Paris. 660 S. 389 Textabbildungen.
Erst vor 2 Jahren wurde die erste Auflage dieses Buches veróffentlicht und
das starke Verlangen danach hat eine neue Auflage nötig gemacht. Und, meiner
Ansicht nach, verdient das Buch einen solchen überraschenden Erfolg, welcher
spezialistischen Werken selten zuteil wird. Obgleich die Bescheidenheit des
Verfassers seinem Werke nur das Epitheton eines propädeutischen auflegt, ist
es ein vollständiges Handbuch, das manchem ein Lebrbuch sein wird, da der
55R Gesellschafts- und Kongressberichte. [42
Student, der praktische Arzt und häufig auch der Fachmann nützliche Winke
darin finden werden.
Das Buch ist auch „up to date“. Die neuesten Resultate und Vervollkomm-
nungen der Oesophago-Tracheo-Brachoskopie, der Hayaschen Pharyngo-Laryngo-
skopie, die neuen klinischen Methoden der Rhinometrie und Olfaktometrie
sind darin verzeichnet. Kurz, das Werk kann als absolut komplett bezeichnet
werden. (Man vergleiche z. B. die Kapitel Chirurgie des amygdales und
Tracheotomie, sowie das Kapitel Semiotique des Sinus de,la face
mit den gleichbetitelten aus ähnlichen Handbüchern.) In diesem Buch spricht
deutlich und klar die Erfahrung eines gewissenhaften Spezialisten und Lehrers.
Menier.
IV. Gesellschafts- und Kongressberichte.
—— —
82. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Königs-
berg i. Pr. 18.—24. September 1910.
Abt. XXII Hals- und Nasenkrankheiten.
I. Sitzung: 19. September 1910.
Einführender: Prof. Gerber, Kónigsberg i. Pr.
Vorsitzender: Lunin, St. Petersburg.
Schriftführer: Dr. Georg Cohn. Königsberg i. Pr.
Dr. Richard Krause „ —
Herr Blumenfeld- Wiesbaden ist in extenso in Heft 8, Band III diescr
Zoitschrift erschienen, s. S. 225 ff.
Horr H. Gutzmann: Die Untersuchung der Stimme mit experi-
mentell-phonetischen Methoden erscheint in extenso in dieser Zeitschrift.
Diskussion: Here Katzenstein-Berlin macht auf verschiedene Fehler
bei der klanganalytischen Untersuchung der Sprache aufmerksam. Diese Fehler
erschweren zwar die exakte Berechnung, jedoch für therapeutische Zwecke
kommen sie nicht in Betracht.
Gutzmann schliesst sich diesem an.
Herr Flatau-Berlin. Chirurgische und funktionelle Behandlung der Stimm-
lippenknötchen mit besonderer Berlicksichtigung der Frage der Berufsschädigung.
s. S. 369 dieser Zeitschrift.
Diskussion: Herr Gerber macht darauf aufmerksam, dass er viel häufiger
als Knötchen zackenförmige Gebilde am Stimmband selbst gesehen hat; er hat
diese niemals chirurgisch anzugreifen gewagt, zumal sie fast nur bei jugendlichen
Individuen vorkamen.
Herr Halle-Charlottenburg hat bei Kindern ebenfalls häufig spindelförmige
Verdickungen gesehen und führt diese auf Überanstrengung der Stimme zurück.
Bei Stimmschonung bessern sich diese Fälle. In einer zweiten Kategorie fand
er öfter Knötchen bei akuten und chronischen Katarrhen, auch bier führt Stimm-
ruhe mit vorsichtiger lokaler Behandlung oft zur Beseitigung der Stimmstörung.
Sind jedoch Knötchen oder breitaufsitzende Tumoren allein die Ursache der Stimm-
störung, so trägt Halle kein Bedenken, sie chirurgisch abzutragen, dagegen
lehnt er die von Flatau empfohlene Chromsäure-Behandlung als gefährlich ab.
Herr Gutzmann-Berlin empfiehlt in jedem Falle zunächst eine Ruhekur,
bevor man lokal irgendwie vorgeht
Herr Cohn-Königsberg hält den Namen: Stimmlippenknótchen für einen
Sammelbegriff, man sieht häufig Zacken oft verbergen sich hinter den Knötchen
43] Gesellschafts- und Kongressberichte. 559
kleine Cysten, verstopfte Drüsenausführungsgänge etc. Überanstrengung der
Stimme ist keineswegs so häufig, wie angenommen wird, die Ursache. Thera-
peutisch ist Stimmrahe zunächst wohl das wichtigste Moment.
Herr Katzenstein-Berlin rät dringend ab, die Chromsäure zur Beseiti-
gung zu benutzen, er empfiehlt die von ihm angegebenen Quetschplatten, jedoch
nur bei Knötchen, die aus Epithelwucherungen bestehen und zwar operiert er
diese auch nur bei Bassisten und Altistinnen. Bei Sopranen und Tenören klingen
die hohen Töne infolge starker Spannung der Stimmlippen fast klar.
Horr Blumenfeld- Wiesbaden warnt vor früher Aufnahme von Stimm-
übungen.
Herr Flatau-Berlin hält die gegen die Chromsäure vorgebrachten Ein-
wände nicht für stichhaltig, wenn sein Instrument zur Applikation angewandt
wird. Hierbei kann weder die Stimmlippe in der Tiefe angegriffen werden, noch
können gesunde Teile mitgebeizt werden. Zacken greift er überhaupt nicht an.
Statt des Probeschweigens empfiehlt er die funktionelle, namentlich elektro-
phonische Untersuchung.
Flatau bespricht kurz das von ihm inaugurierte Behandlungssystem der
funktionellen Stimmstórungen: Seine neue Methode, wobei eine pneumatische
Anlage einen Luftstrom bis zu einer Atmosphäre liefert und ihn durch einen Um-
former in Gestalt einer zylindermantelfórmigen mit einem Motor gekuppelten
Sirene in Tonstósse verwandelt, deren Schwingungen den Stimmbändern durch
Luftkapseln aufgetragen werden, hat Flatau noch weiter ausgebaut: der mecha.
nischen Einwirkung kann eine elektrische Pulsation oder Unterbrechung in völlig
isochroner Form angeschlossen werden. Die Lösung dieser Aufgabe gelang
Flatau nach längeren erfolglosen Versuchen eben durch den Anschluss der
neuen Vorrichtung an seine Sirene und zwar in zweifacher Weise. Die Apparate
wurden in der Königsberger Universitäts-Poliklinik für Hals- und Nasenkranke
demonstriert. Flatau hebt hervor, dass beide Heilpotenzen gegeneinander auch
variiert werden und zwar zeitlich durch Phasönverschiebung, numerisch im Ver-
hältuis 1:2 und der Intensität nach, wobei sich eine ausserordentlich fein abzu-
stufende Dosierung und Summationamöglichkeit ergibt. Die neue Methode ist
von Georg Wolf in Berlin nach Flataus Angaben ausgeführt.
Diskussion: Herr Katzenstein bittet die Kollegen, in ihrem Kreise
dahin wirken zu wollen, dass bei Stimmstörungen von der Vibration und den
elektrischen Behandlungsmethoden mehr Gebrauch gemacht wird.
Herr Flatau-Berlin: Laryngostroboskop. Flatau demonstriert und
bespricht sein von Georg Wolf nach seiner Angabe ausgeführtes und seinem
(Flataus) Kehlkopfendoskop angefügtes Stroboskop. Bei der ersten Ausführung
lief die Sirene durch die Objektionsfassung und wurde durch einen Motor ge-
trieben, der als Handgriff des Instruments diente. Die Übertragung geschah
durch ein Fixationsgetriebe. Bei der demonstrierten neuen Form hat das Instru-
ment einen bequemen grazilen Handgriff bekommen und ist durch eine sehr dünne
biegsame Welle mit einem stehenden Motor verbunden, so dass die leichte Be-
weglichkeit des ganzen Apparats vergrössert ist. Auch die mit einer Ausrüstung
erhaltbare Tonreihe ist vergrössert, indem zwei Scheiben durch Verstellung auf-
einander eine Oktave ergeben und die Umdrehungsgeschwindigkeit aussen vom
Motor durch das Fixationsgetriebe reguliert werden kann.
Mittwoch, 21. September 1910:
Vor der Tagesordnung demonstriert Herr Flatau in der Kgl. Poliklinik
für Hals- und Nasenkrankheiten die vorher besprochenen Instrumente, ferner zeigt
Herr Halle- Berlia die von ihm modifizierten Apparate zur peroralen Intubage
und Metallringe, die er in die eróffnete Keilbeinhóhle und in erweiterte Choanen
legt, um einen Verschluss der Operationsóffnung durch Granulationen zu ver-
meiden.
560 Gesellschafts- und Kongressberichte. [44
II. Sitzung, kombiniert mit der otologischen Sektion
Mittwoch, 21. September 1910:
Vorsitzende: Herr Kayser-Breslau
Herr Blumenfeld- Wiesbaden.
(Von der rhino-laryngologischen Abteilung kommen folgende Referate in Betracht.)
Herr A. v. z. Mühlen-Riga. Zur Diagnosenstellung der Stirnhöhlen-
eiterung.
Bei Erkrankungen der Stirnhöhle, wenn auf andere Weise eine Diagnosen-
stellung nicht möglich war, benutzt Mühlen einen eigens dazu konstruierten
Troikartbohrer, 'mit welchem unter lokaler Anästhesie die vordere Stirnhöhlen-
wand durchbohrt wird. Ist der Bohrer in die Höhle eingedrungen, dann wird die
Nadel entfernt, während die Kanüle in situ bleibt. Mit einer feinen Sonde lässt
sich nun die hintere Stirnhöhlenwand in begrenztem Umfange abtasten. Eine an
einer Spritze befestigte Pravazsche Nadel wird sodann durch die Kanüle in die
Stirnhöhle eingeführt und die Spülflüssigkeit vorsichtig hineingespritzt. Die
Spülflüssigkeil findet in jedem Fall einen Ausweg rückläufig durch die Kanüle,
auch wenn der Canales-naso-frontalis verlegt ist. Ein Überdruck in der Stirn-
höhle ist daher nicht zu befürchten. (Wird in den „Beiträgen zur Anatomie des
Ohres* erscheinen).
Diskussion: Herr Halle-Berlin hält die Eröffnung der Stirnhóhle von
aussen mit einem Troikart für nicht unbedenklich, da Réotgenaufnahmen doch
keine ganz sicheren Resultate über Ausdehnung und Tiefe der Stirnhóhle geben;
auch kann, wenn die Hinterwand nahe der Vorderwand liegt, leicht durch den
Troikart die Dura mater verletzt werden. Er empfiehlt Sondierung und Probe-
ausspülung von der Nase aus, was in der überwiegenden Zahl der Fälle möglich
ist. Auch Herr Dahmer-Posen hält das Vorgehen des Vortragenden für ge-
fährlich und empfiehlt eine probatorische Kröffoung in der Gegend des medialen
Augenbrauenkopfes. Herr Cohn-Königsberg macht ebenfalls in zweifelhaften
Fällen, bei denen genaue Diagnose durch Eröffnung und Spülung von der Nase
her nicht zu stellen ist, eine probatorische Aufmeisselung. Herr Henke-Kónigs-
berg weist auf die Gefahr in den Füllen hin, bei denen die Stirnhóhle fehlt und
bei denen mau die Dura verletzen muss. Herr Berthold regt die rechtliche
Frage an, ob ein solcher Eingriff, ohne Einwilligung des Patienten, statthaft sei.
Herr v. z. Mühlen hält im Schlusswort alle diese Einwände nicht für stich-
haltig, er bat die Methode oft angewandt und sie hat ihn nie im Stiche ge-
lassen.
Herr Rhese, Königsberg i. Pr. Die Diagnostik der Erkrankungen des
Siebbeinlabyrinths und der Keilbeinhöhle aus dem Röntgenbild.
Bei den Sagittalaufuahmen wurde bisher die Tatsache nicht entsprechend
gewürdigt, dass das hintere Siebbein auch von hinten her in die Orbita hinein-
sieht und daher lateral vom medialen Orbitalrand nahezu isoliert auf dem Rönt-
genbild sichtbar ist. Verschleierungen lateral vom medialen Orbitalrand, besonders
bei Verwaschensein bezw. Verlöschisein der lateralen Grenzlinie, deuten daher
auf eine Erkrankung des hinteren Siebbeins und lässt sich hieraus ein Anbalts-
punkt’ für die Differentialdiagnose zwischen vorderem und hinterem Siebbein ge-
winnen.
Bei Erkrankungen der Keilbeinhöhle ist häufig eine umschriebene, hart an
das Septum reichende, den Raum zwischen letzterem und der medialen Siebbeinbe-
grenzung ausfüllende Verschleierung diagnostisch verwertbar.
Da Sagittalaufnahmen häufig unzureichend sind, wandte sich Redner einer
besonderen Art von Schrägaufnahmen zu. Die Platte liegt hierbei unmittelbar
vor der Orbita, die dicke Schädelkapsel wird ausgeschaltet, so dass Feinheiten
deutlicher sichtbar werden. Die Vorzüge dieser Schrägaufnahmen liegen ferner
darin, dass die Verschleierungen in grösserer Breite auf die Platte kommen, dass
man eine Übeısicht über die ganze auatomisı he Situation erhält und genau die
45] Gesellschafts- und Kongressberichte. 561
Stelle der Erkrankung — ob vorderes, ob hinteres Siebbein oder Keilbeinhöhle —
lokalisieren kann. Letzteres ist besonders vorteilhaft, wenn es sich darum
handelt, die Beziehungen des vorderen Siebbeins zu Erkrankungen der Trünen-
wege, diejenige der Frontalzellen zu Erkrankungen der Stirnhöhle klar zu legen,
ferner dann, wenn es sich um eine Stützung der Diagnose auf Keilbeinhóhlen-
beteiligung handelt. Letztere ist auf dem Schrügbild an der Verschleierung der
Keilbeinhóblengegend und dem Verwaschensein der Grenzlinien oft recht gut zu
erkennen.
(Es folgt Demonstration von 35 Skiogrammen — Diapositiven — am
Skioptikon und zwar teils von Sagittalbildern, teils von Schrügbildern).
Herr Jacques Joseph (Berlin: Nasenkorrekturen (mit Projektions-
bildern).
Joseph hat in 518 Fällen plastische Nasenoperationen ausgeführt. Davon
betreffen 461 Fülle die Nasenverkleinerungsplastik, 17 die Schiefnasenplastik uud
40 die Defekt- oder Ersatzplastik. 33 Paraffininjektionen, die er wegen Sattel-
nase ausgeführt hat, sind in diesen Zahlen nicht eingerechnet. Joseph demon-
striert an zahlreichen Photographien seine Erfolge auf den genannten 3 Gebieten
der Rhinoplastik, ebenso sein Instrumentarium und erläutert an schematischen
Zeichnungen und Röntgenbildern seine Methoden. Er zeigt die Hückerabtragung.
die Verkürzung zu langer Nasen, die Verschmälerung der abnormen Breite der
knöchernen Nase, die Vor- und Zurücksetzung der Nasenspitze, die Verschmälerung
der abnorm breiten Nasenspitze, die Korrektur der abnormen Flachheit, des ab-
normen Hoch- und Tiefstandes eines Nasenflügels, ferner die Inversion des
Spitzenknorpels. — Bei der Korrektur knöcherner Schiefnasen (um solche handelt
es sich in seinen Fällen vorwiegend) hat sich die von Joseph angegebene Keil-
resektion aus dem Processus frontalis der breiteren Seitenwand durchaus bewährt
(Demonstration von 12 durch solche Operationen gewonnenen keilförmigen Knochen-
stiicken). Bei knorpeliger Schiefnase rät Joseph neben der von ihm angegebenen
„Attraktion“ zu forcierter Anweudung seines Schiefnasenapparats.
Joseph hat diese Operationen, je nach dem Falle, einzeln für sich oder in
den verschiedensten Kombinationen miteinander in derselben Sitzung ausgeführt.
Ebenso bat er bei gleichzeitigem Vorhandensein stenosierender Muschelhyper-
trophien und Septumdeviationen auch diese in derselben Sitzung beseitigt. Bei
der Kombination von Höckerabtragung und submuköser Septumresektion muss
am Septum ein etwa !/» cm breiter, vorderer Knorpelrand — von der projek-
tierten, geraden Profillinie aus gerechnet — zurückgelassen werden, da sonst
die Stabilität der Nase gefährdet ist. — Die genannten Operationen der Ver-
kleinerungs- und Schiefnasenplastik sind vom Vortragenden auf intranasalem
Wege, mithin ohne jede äussere Narbe ausgeführt worden. Eine Ausnahme
bilden nur die seltenen Korrekturen des abnormen Tiefstands und der abnormen
Flachheit eines Nasenflügels. Die Narbe ist in diesen Fällen klein und un-
auffällig.
Zur Nasenersatzplastik gibt Joseph folgende neue Methoden und
Kombinationen an. Einen Nasenflügeldefekt hat er durch Überpflanzung eines
ungestielten Lappens aus dem andern unversehrten Nasenflügel gedeckt. Einen
zweiten Fall von Nasenflügeldefekt hat er durch Kombination von Lappenver-
schiebung und Nasenverkleinerung korrigiert. In einem Fall von Doggennase
hat er die senkrechte Furche durch „plastische Keilhebung“ beseitigt.
Zur Korrektur von Sattelnasen hat Joseph das knöcherne Ersatzmaterial,
je nach dem Umfange des Defekts, entweder der Tibia oder dem Processus
frontalis der Oberkiefer entnommen und intranasal durch einen Schleimhaut-
schlitz nnter die Haut des eingesunkenen Nasenrlickens eingefügt. Bei einer
Sattelnase, die gleichzeitig wegen Hochstülpung der Nasenspitze zu kurz war,
erzielte Joseph ausser der Sattelnasenkorrektur auch eine Verlängerung der
Nase — der erste Fall von Verlängerung einer zu kurzen Nase bei unverletzter Haut.
062 Gesellechafte- und Kongressberichte. [46
Bei der totalen Rhinoplastik, die er mehrfach ausgeführt hat, wendet
er grundsätzlich zur Vermeidung der entstellenden Stirnnarbe die Rhinoplastik
aus dem Arm (italienische Methode) au; jedoch mit folgenden Abänderungen und
Ergänzungen. Den Hautlappen aus dem Arm schneidet er in Form eines nach
oben offenen (an der untern Ecke abgestumpften) Rhombus, so dass die Er-
n&hrungsbrücke zentral gelegen ist. Als Verbandmaterial benutzt er nicht Gips-
sondern einfache Stärkebinden und lässt den Rumpf aus dem Verband voll-
ständig frei. Zum schnelleren Trocknen des Verbandes hat er ein Trocken- oder
Netzkopflager konstruiert, — Den Nasenrücken bildet Joseph durch Trans-
plantation einer starken 6 cm langen Knochenleiste aus der Tibia in die bereits
auf das Gesicht überpflanzte Armhaut. Das Septum bildet er nach
Dieffenbach aus der Oberlippe, jedoch mit der wesentlichen Abänderung, dass
er zuvor in den zu überpflanzenden Teil der Oberlippe eine zweite, dünnere, etwa
4 cm lange Knochenleiste aus der Tibia transplantiert. Das neue Septum stellt
infolgedessen eine knócherne Stütze dar.
Diskussion zu Vortrag Joseph: Herr Gerber fragt an, welche Vor-
sichtsmassregeln der Vortragende anwendet, um die Entzündungen der Weich-
teile nach der Fortnahme von Knochenüberschüssen und das Ausreissen der
Näthe bei der Septumverkürzung zu vermeiden. Zur Deckung von Defekten im
Nasenflügel hat er mit gutem Erfolg die Kónigsche Methode des Ersatzes aus
dem Obrknorpel angewandt und auch bei seinen Paraffininjektionen hat er nie
üble Zufälle gesehen, er ziebt sie, da chirurgische Massnahmen nicht immer
sichere Resultate geben, deshalb den Sattelnasenkorrekturen, den viel grösseren :
chirurgischen Eingriffen vor.
Herr Flatau nimmt ebenfalls das Paraffin in Schutz und berichtet über
Fälle mit ausgezeichneten Resultaten.
Herr Cohn - Königsberg kann sich nicht erklären, wie in einem vom Vor.
tragenden erwähnten Falle, die Paraffinmasse 1’/: Jahre nach der Injektion noch
zur Difformität der Nase führen konnte und bittet um nähere Erklärungen,
während
Herr v. z. Mühlen auf die Farbenunterschiede zwischen Gesichtshaut und
derinach”der italienischen Methode implantierien Haut aufmerksam macht.
Herr 'Halle hat sowohl durch chirurgische Eingriffe nach Ioseph, wie
auch nach Paraffin-Injektionen glänzende Dauererfolge gehabt. In Fällen von
Sattelnase zieht er Paraffin als den kleineren Eingriff vor.
Herr Joseph: Entzündungen der Weichteile werden am besten verhütet
durch möglichst strenge Desinfektion des Naseninnern, soweit dies leicht zugäng-
lich ist (Enthaarung und Reinigen mit kleinen Sublimattupfern). Ist ausnahms-
weise ein Abszess entstanden, resp. im Entstehen begriffen, so genügt eine intra-
nasale Inzision mit doppelscbneidigem Messer, Gummidrain und Spülung mit 1
bis 3°/oigem Karbolwasser durch das Drain, an 4 - 5 Tagen täglich einmal. Die
Heilung verzögert sich dadurch um 4—5 Tage; auf den kosmetischen Kffekt
haben derartige Entzündungen bei dieser Behandlung keinen Einfluss, — Als
Nahtmaterial wendet Joseph Seide an. Diese reisst nicht aus, wenn man nicht
zu fest knotet. — Die sekundüre Bildung von Paraffinomen erklürt sich Joseph
dadurch, dass Paraffin ein Fremdkörper ist, den der Körper auszustossen sich
beständig bemüht. Bei der mechanischen Unmöglichkeit hierzu, reagiere die Nach-
barschaft des Paraffins in Form einer chronischen Entzündung. — Die Farbe
des überpflanzten Armlappens passt sofort in das Gesicht, wenn dieses blass ist.
Ist das (sesicht gebräunt, so nimmt der Armlappen allmählich die Farbe der Ge-
sichtshaut,an, wenn er der wechselnden Witterung und besonders der Sonnen
bestrahlung fleissig ausgesetzt wird.
Herr Gerber, Spirochäten indenoberenLuft-und Verdauungs-
wegen.
l. Die Mundrachenhöhle entbält auch im normalen Zustande an besonders
geeigneten Stellen massenhaft Spirochäten, und zwar:
47] Gesellschafte- und Kongressberichte. 563
I. unter dem Zahnfleischrande,
II. in den Tonsillennischen,
III. zwischen den Zungenpapillen,
an den anderen Stellen nur, wenn diese pathologisch veründert sind.
2. In der Nase, im Nasenrachenraum und im Kehlkopf sind sie nur selten
und spürlich anzutreffen.
8. Die Spirochüten zeigen verschiedene Formen, die immer wiederkehren:
I. eine grobe, gleichmüssig gewellte Form, die ich ,Sp. undulata* be-
nennen móchte,
II. grobe, ungleichmässig gewundene Form, die ,Sp. inaequalis*,
III. feine, mit engen Winduugen, die ,Sp. dentium*,
IV. ganz feine mit gleichmüssigen Windungen, die ,Sp. denticola*,
— V. ganz feine gewellte Form, die „Sp. tenuis“,
VI. fast gerade, dünne Form, die ,Sp. recta‘.
Form II dürfte eine Erstarrungs- oder Totenform von I sein. Die Formen
V und VI entsprechen den bei Angina Vincenti gefundenen Spiroch&ten. Die
Sp. Vincenti nnd Sp. dentium kann man ohne weiteres nicht als identisch be-
zeichnen.
4. Die Beobachtung im Dunkelfeld zeigt, dass die die Mundrachenhóhle be-
wohnenden Spirochiten Leben und Eigenbewegung haben. Bei diesen Bewegungen
ändern sie vielfach ihre Form. Am formbestündigsten scheint die Sp. dentium,
die sich, gleich den übrigen Spirochäten, schraubenförmig wie auch aalartig und
schlängelnd fortbewegt. — Diese Bewegungen behalten sie auch im ungefärbten
Deckglaspriparat 24—36 Stunden. Jeder fremdartige Zusatz hebt die Bewegung
rasch auf. |
5. Besondere Beziehungen der einzelnen Formen zu besonderen Stellen oder
besonderen Zuständen konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Auch war
eine Vermehrung oder Veränderung der Spirochäten z. B. bei Angina und ähn-
lichen Zuständen nicht wahrzunehmen
6. Mit den Spirochäten kommen — von den andern die Mundrachenhöhle
stets bevölkernden Mikroorganismen abgesehen — fast immer mehr oder weniger
reichlich fusiforme Bazillen vergesellschaftet vor, bei der sogenannten Plaut-
Vincentschen Angina allerdings reichlicher, ja vorherrschend.
7. Die Spirochüten zeigen — bei geeigneten Vergrósserungen auch Geisseln,
Teilungsfiguren, knopfartige Anschwellungen, peitschenschnurförmige Aufrollungen,
Agglomeration, schraubenförmige Bewegung, korz, alle die der Sp. pallida zuge-
schriebenen Eigenschaften.
8. Infolge dessen und weil speziell die als Sp. dentium bezeichnete Spirochäte
morphologisch der Pallida oft ganz gleich erscheint, können nicht alle Spirocb&ten,
auf die die Beschreibung der Pallida passt —, ohne weiteres als für Syphilis
sprechend angesehen werden. Ebensowenig wie das Auftreten von Spirochäten
und fusiformen Bazillen an sich für die Plaut-Vincentsche Angina. Nur wenn
sie in grosser Anzalıl an Stellen angetroffen werden, die de norma keine Spiro-
chäten beherbergen, ist ihnen eher in Hinsicht auf die Spezifität ein Gewicht bei-
zulegen. Alles dies um so mehr, als auch die Spirochäte Pallida durchaus nicht
immer nur in der typischen, als charakteristisch beschrievenen Form auftritt.
9. Die Darstellung der Spirochäten kann einmal leicht und bequem mittelst
des Burrischen Tuscheverfahrens erfolgen. Unter diesen eignet sich die
Giemsa- Methode am wenigsten. Gut ist die Färbung mit Karbol-Fuchsin, am
deutlichsten die mit Kristall-Violett (Meirowski). Eine gute Doppelfärbung
gibt Methylgrün-Pyronin (Gerber), das aber die fusiformen Bazillen lebhafter
färbt wie die Spirochäten.
Diskussion: Herr v. z Mühlen-Riga. Es wird gewiss sehr fruchtbar
sein, wenn man, wie das von Gerber geschehen ist, die Mundrachenhóhle
systematisch bakteriologisch untersucht. Er fragt an, ob auch bei der Noma,
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564 Gesellschafts- und Kongressberichte. [48
die sich oft aus einer am Aufang anscheineuden Angina Vincenti entwickelt,
Spirillen gefunden sind, die als Erreger in Frage kommen.
Herr Frese-Halle hält das Kranklieitsbild der Angina Vincenti, das
er häufig sieht, doch für ein klinisch wie bakteriologisch wohl umschriebenes.
Herr Gerber (Schlusswort): Bei der Noma sind auch Spirochäten gefunden
worden, ich habe leider keine Fälle zur Untersuchung gehabt. Was die Vin-
centsche Angina betrifft, so gebe ich wie gesagt zu, dass bei ihr Spirochäten
und fusiforme Bazillen so vorherrschen, dass man das Bild mikroskopisch viei-
leicht für gesichert halten könnte. Aber es kommen dieselben Organismen doch
auch sonst in der gesunden Mundhöhle, wie auch bei mannigfaltigen anderen
Prozessen, z. B. auch luetischen vor. Jedenfalls fehlt auch noch eine sichere
Abgrenzung des sogenannten Vincentschen gegen die anderen Mundspirochäten.
Herr Katzenstein-Berlin: Über Brust- und Falsettstimme.
Der Vortragende bespricht zunächst die Untersuchungen über Brust- und
Falsettstimme am ausgeschnittenen Kehlkopf mittelst des Kehlkopfspiegels und
des Stroboskops. Er selbst hat bei seinen eigenen Untersuchungen zunächst mit
du Bois-Reymond die Muskeltätigkeit bei Brust- und Falsettstimme festge-
stellt. Zu diesem Zwecke wurde der Biskowiussche Versuch am ausge-
schnittenen Kehlkopf auf das lebende Tier übertragen, indem die Trachea bei
narkotisierten Hunden quer durchtrennt unter Schonung der N. recurrentes und
in das obere zum Kehlkopf führende Ende der Trachea ein T-Rohr eingeführt
wurde, dessen zweiter Schenkel mit einem Wassermonometer in Verbindung
stand. Bei Anblasen des Kehlkopfs konnte so der dabei aufgewendete Druck ge-
messen werden. Indem wührend des Aublasens die NR recurrentes oder die
N. recurrentes mit den N. laryngei supp. oder schliesslich die N. laryngei supp.
allein gereizt wurden, wurden die Verhältnisse der Lautgebung nachgeahnt.
Eine Reizung beider N. recurrentes ergab bei 30—40 ccm Wasser schon Brust-
singeton in der Hóhe von A, bei Druckerhóhung trat eine Steigerung der Ton-
hóhe bis um eine Quinte, ebenso eine solche bei Erhóhung der Stromstürke ein.
Wurden die N. recurrentes gereizt und darauf die N. laryngei supp., so trat eine
Steigerung der Tonhóhe um eine Quinte ein. Dabei wurde eine Spannung der
Stimmlippen in dorsoventraler Richtung beobachtet. Bei Reizung des N. laryngei
supp. allein entstand ein hober miefender Ton, analog dem menschlichen Falsett.
Bei den an Hunden erzeugten Brusttönen wirken also alle Schliess- und Spann-
muskeln gleichmässig. Je höher der Ton, desto grösser der aufzuwendende Luft.
druck. Bei den Falsettönen wirken nur stark die Spanner, wenig die Schliesser
des Kehlkopfs. Der Luftdruck ist gering. Eine Röntgenuntersuchung bestätigte
diese Untersuchungen. Die Aufnahmen Möllers und Fischers zeigten, dass
der Winkel zwischen Ring- und Schildknorpel bei der Falsettstimme kleiner war
als bei der Bruststimme, so dass also bei der Falsettstimme der M. crico-thyreoi-
deus relativ mehr tätig sein muss. Katzenstein folgerte aus diesen Versuchen,
dass beim Kunstgesang das Brustregister nicht zu sehr in die Höhe getrieben
werden darf, dagegen das Falsettregister in möglichst tiefen Lagen beginnen
muss. Diese Vorschrift gilt für alle Stimmgattungen.
Weiterhin hat Katzenstein Atemregisirierungen angestellt der Brust-
und Bauchatmung bei Brust. und Falsettenbildung, ohne dass die untersuchte
Person von den Aufzeichnungen auf der Trommel wührend der Tonproduktion
etwas wahrnehmen konnte. Nach Garcias und Grützners Widergabe machte
ein Metronom bei einem Sänger während möglichst langer Brusttóne 24— 25, bei
Falsetttónen 18 Schwingungen, während nach Merkel hohe Fisteltóne viel
länger als Brusttöne gehalten werden. Katzensteins Registrierungen ergaben
auffällige Unterschiede zwischen Kunst- und Natursängern: bei ersteren wurde
durchweg der Falsettton weit länger als der Brustton ausgehalten, bei letzteren
umgekehrt. Durch den Kunstgesang wird also die Atemführung in der Weise
geändert, dass während der Falsetttonbilduug mit einem ganz geringen Aufwand
von Luft gearbeitet wurde, ein Befund der im Einklang steht mit den Ergeb-
49] Gesellschafts- und Kongressberichte. 565
nissen Katzensteins am lebenden Tier, nach denen beim Falsettton der Luft-
druck gering ist.
Klanganalytische Untersuchungen Katzensteins mittelst des Hartens-
schen Apparates der Brust- und Falsettstimme ergaben übereinstimmend, dass der
Falsettton eine einfachere Form hat als der Brustton und dass bei letzterem die
Obertóne mehr und stürker in Erscheinung treten. Die voix mixte weist mehr
oder stärkere Obertöne als die Falsettstimme auf, ist also wirklich eine Mittel-
stufe zwischen Falsett- und Bruststimme.
Schliesslich wurde festgestellt, dass, je geringer die Gesamtintensität des
gesungenen Tones ist, desto grösser die relative Wirkung der Obertöne wird.
Demnach wächst die Stärke des Gesamttones; wenn vielmehr der Gesamtton
sehr stark wird, so wird die relative Stärke der Obertöne geringer.
Diskussion: Herr Flatau-Berlin wünscht die Ausnutzung der genetischen
Stimmentwickelung auch in der Registerfrage, die nicht bloss optisch gelöst
werden kann. Auch die Fehlerquellen der Grammophonmembran und des Trichters
sollte man auszuschalten suchen und neben der Laryngoskopie die Endoskopie
heranziehen.
Letztere kann Herr Gutzmann-Berlin nicht sehr wegen ihrer mangel-
haften Optik empfehlen, da sie die Bilder verzerrt und vergrössert. Dagegen
sollte man es für die Untersuchung physiologischer Verhältnisse anwenden. Sehr
sorgsam musste man für die Lösung der Registerfrage die Stimmstörungen bei
- gewissen zentralen Dysarthrien untersuchen.
Herr Flat au-Berlin gibt bei endoskopischer Untersuchung eine Vergrösserung
durch das Endoskop zu, doch kommt es, um genau zu untersuchen, nur auf die
richtige Einstellung an, ebenso wie bei jedem Mikroskop.
Herr Gutzman will auch diese Möglichkeit nicht zugeben und fordert die
Anwesenden auf, in der Ausstellung diesbezügliche Versuche vorzunehmen. In
seinem Schlusswortsagt Katzenstein, dass Übergangsstellungen zwischen
Brust- und Falsettregister durch Wirkung des m. thyreo-cricoideus erzeugt werden.
Die Register des Kindes sind innerhalb seines Tonbezirks entsprechend denen
des Erwachsenen. Die Registerfrage während der Pubertät ist noch nicht ge-
klärt. Bei der von ihnen benutzten photographischen Aufnahme kommen haupt-
sächlich zwei Fehlerquellen in Betracht, erstens wird die photographische Platte
durch ein fallendes Gewicht bewegt und zweitens ist die Vergrösserung der Kurve
nicht ganz naturgetreu.
Herr Streit: Beitrag zur operativen Behandlung von Kehlkopfstenosen.
Herr Streit-Kónigsberg demonstriert einen Fall, bei dem nach einer von
anderer Seite vorgenommenen Resektion einer oberen Trachealstenose mit Naht
des unteren Kehlkopfabschnittes und des oberen Trachealabschnittes die Nühte
geplatzt waren und die Trachea in die Tiefe versunken war. Herr Streit hat
den Fall zunüchst nach Laryngofissur etc, vermittelst einer Mikulicz-Kümmel-
„schen Schornsteinkanüle, die 1!/» Jahre liegen blieb, behandelt. Eine Trachea-
Osophagusfistel, deren Ränder beim Schluckakte auseinanderklafften, hat er durch
Versteifung eines Wundrandes vermittelst submukóser Paraffineinspritzung und
nachfolgender Galvanokaustik zum Verschluss gebracht. Die vollkommen schlaffe,
bei jeder Inspiration sich ventilartig schliessende Trachealwand hat er dadurch
versteift, dass er Paraffinstreifen entsprechend den Trachealringen unter die
Haut injizierte.
Für die Patientin, die wohl imstande war, per vias naturales zu exspirieren
und, weno sie sich die Trachealiffoung zuhielt, auch zu sprechen, hat Herr
Streit eine Kanüle mit vorderer, festschliessender Klappe konstruiert. Diese
Kanüle wirkt in der Weise, dass die Klappe bei Erhöhung des Druckes inner-
halb der Trachea schliesst (also bei der Exspiration und beim Sprechen) bei der
Inspiration dagegen sich óffnet.
566 Gesellschafts- und Kongressberichte. [50
III. Sitzung, kombiniert mit der otologischen Sektion
Mittwoch den 21. September 1910, nachmittags 3'/ Uhr
Vorsitzende: Herr Th. Flatau-Berlin
ve Herr v. z Mühlen-Riga.
Herr Frese-Halle: Über eine eigenartige Erkrankung der Mundschleimhaut.
8. 8. 455 in extenso.
In der Diskussion fragt Herr Stenger an, ob vielleicht chemische Ursachen
in Betracht kämen. Herr Rhese-Kónigsberg hat ähnliche Krankheitsbilder bei
Leuten, die eine Magenaffektion oder ein Gebiss hatten, öfter gesehen. Herr
Cohn-Königsberg sah zu gewissen Zeiten epidemisch auftretende Mundkrank-
heiten ähnlicher Art wie die obenen beschriebenen, die jedoch auf Behandlung
mit Argentum oder Chrom heilten. Herr Kronenberg-Solingen fand sehr
ähnliche Mundaffektionen im Verlauf von Konstitutionsanomalien, Diathesen,
Arthritis etc. Eine ätiologische Differenzierung hält er für sehr wünschenswert.
Herr Flatau-Berlin hebt die diagnostischen und therapeutischen Schwierig-
keiten bei den genannten Affektionen hervor. Herr Frese betont im Schluss-
wort, dass weder am Gebiss etwas zu bemerken war, noch eine Koustitutions-
anomalie vorlag.
Herr Linck-Königsberg: Über die Histogenese der Bursa pharyngea.
Vortragender geht aus von den verschiedenen Thevrien, die über die Ent-
stehung der Bursa pharyngea veröffentlicht wurden und knüpft dann an die von
Dursy-Ganghofener und von Froriep geäusserte Entstehungstheorie, von
der Fixation der Schleimhaut an den Resten der Chorda dorsalis. Für die
Richtigkeit dieser Annahmen sollen die Untersuchungsbefunde des Vortragenden
neue Gesichtspunkte und neue Beweisgründe beibringen: Er teilt die Befunde
seiner an 16 Embryonen von 2—25 cm Scheitelfusslünge vorgenommenen Unter-
suchungen in 8 Cruppen.
Gruppe A. Die Chorda dorsalis zeigt flüchenhafte Verbindung mit der
Rachenoberfläche bei einem Fötus von 2 cm Scheitelfusslänge und bei einem Fötus
von 3 cm Länge zeigt sich nur eine ventrale Vorstülpung am Scheitelpunkt des
Chordalbogens.
Gruppe B. Die Rachenschleimhaut zeigt bei 8 Fóten von 4—12 cm Scheitel-
fusslánge eine mehr oder weniger tiefe Epitheleinstülpung mit deren Grunde
direkt oder durch Vermittelung besonders kräftig gebildeter Bindegewebsfibrillen
die Cliordareste des aufsteigenden Chordaschenkels in Verbindung stehen.
Gruppe C. Die Rachenschleimhaut stellt sich bei 5 Fóten von 2—25 cm
Scheitelfusslünge als glatt und eben dar, und die Reste der Chorda dorsalis treten
mit ihr nicht in Verbindung.
Aus diesen Befunden leitet Vortragender für die Fülle, bei denen im frühen
Entwickelungsstadium eine gewebliche Verbindung zwischen Chorda dorsalis und
Rachenoberfláche besteht und lange genug andauert, einen besonderen durch den
Chordalstrang bewirkten Wachstumsmechanismus in der Rachenschleimhaut her..
Derselbe führt unter der Abdrüngung der Schleimhaut, welche mit dem Dickenwachs.
tum der Rachenhaut Hand in Hand geht, und infolge des ungleichmässigen Längen-
masswachstums des Os occipitale zu einer stärkeren Spannung des aufsteigenden
Chordaschenkels, und diese wieder bewirkt durch elastischen Zug die Epithelien-
einstülpung an der mit der Chorda fixierten Stelle der Rachenoberflüche. Neben
dieser rein mechanischen Entstehungsart der Bursa pharyngea spielt das Rachen-
epithel nur eine nebensüchliche aktive Stelle insofern, als es grubenartig in die
Tiefe wüchst da, wo eine vertiefte Form der Chordafixation eine Gelegenheit
dazu bietet. |
Herr G. Cohn-Kónigsberg: Die oberen Luftwege bei den Leprosen im
Memeler Lepraheim, erscheint in extenso in dieser Zeitschrift, s. S. 341.
Simkd-Budapest: Über Sklerom in Ungarn.
51] | Gesellschafis- und Kongressberichte. 561
Da Herr Prof. Gerber seinen Vortrag über das Sklerom in der Gesamt-
sitzung hält, wo keine Diskussion, an der ich teilnehmen wollte, stattfindet, so
erlaube ich mir, hier kurz über die Skleromfrage in Ungarn zu sprechen.
Wir hatten seit 1901 67 Skleromfälle, von denen die meisten sich auch aut
den Larynx verbreiteten und nur wenige auf die Nase und Pharynx.. Was die
Feststellung der Diagnose betrifft, geschieht sie meistens durch histologische
Untersuchungen oder durch ein serologisches Verfahren. Das Sklerom erscheint
als eine elastische harte, grau-rötliche Wucherung oder als grau-rötliche Ver-
dickung der Schleimhaut. Das Velum ist hinaufgezogen. Die Diagnose be-
festigt noch der typische Fötor. Bei der Therapie ist die Form in Betracht zu
ziehen, denn dort, wo ein Tumor ist, muss chirurgisch vorgegangen werden, und
zwar ist der Tumor zu entfernen und der Grund galvanokaustisch zu zerstören.
Doch wo kein Tumor ist, müssen wir nur konservativ vorgehen und zwar inner-
lich kalium jodatum und Bougierung, event. Intubation des Larynx oder
Röntgen.
Herr H. Streit spricht sich in der Diskussion zu den Vorträgen Simkds
(Über das Sklerom in Ungarn) und Gerber (Über das Sklerom, besonders in
Ostpreussen) über die Ätiologie des Skleroms in folgender Weise aus:
Der Sklerombazillus habe zwar sicher mit der Entstehung der Krankheit
etwas zu tun, doch seien die Beweise dafür, dass dieser Bazillus in der Tat der
alleinige und sichere Erreger des Skleroms sei, zur Zeit wenigstens als nicht
völlig genügend anzusehen. Für die ätiologische Bedeutung des Sklerombazillus
spräche evident das histologische Bild. So habe Herr Streit nachweisen
können, dass der Bazillus von der äusseren Oberfläche her ins Gewebe eindringe
und daselbst nicht nur den Zellleib, sondern auch den Zellkern okkupiere. Der
Vortragende habe wiederholt sämtliche Degenerationserscheinungen vom Beginne
an sowohl an der Plasmazelle wie auch an der Epithelzelle feststellen könnne.
Er habe unier anderem eine Patientin, die Schwester zweier Skleromkranker
beobachtet, bei der das klinische Bild noch negativ gewesen sei, während sich
sowohl die typischen histologischen Veränderungen als auch Sklerombazillen in
der Nasenschleimhaut haben nachweisen lassen. Gegen die ütiologische Be-
deutung sprüche aber zum Beispiel der Umstand, dass Herr Streit durch den
Sklerombazillus bei der Katze typische Friedlünderpneumonien erzeugt habe.
Agglutinationsversuche, Tierversuche etc., die der Vortragende im hygienischen
Institut zu Königsberg angestellt habe, hätten diese Frage nicht mit Sicherheit
entscheiden können.
Ferner weist Herr Streit auf einen allerdings anfechtbaren Fall von
„Rhinosklerom‘“ beim Pferde hin.
Für die Prophylaxe stellt Streit folgende Forderungen auf:
l. Allgemeine Anzeigepflicht.
2. Besondere Kontrollierung der Skleromherde durch die in denselben prak-
tizierenden Amtsärzte. Diese letzteren müssten über das Wesen und die Haupt-
symptome des Skleroms aufgeklärt werden.
3. Jährliche Kontrollierung der Skleromkranken und Belehrung derselben
über die notwendigen hygienischen Massnahmen seitens der Amtsärzte.
4. Bereisung der Skleromgegenden durch ärztliche Kommissionen etwa alle
2—3 Jahre. Die Familienangehörigen sind stets zu untersuchen.
5. Die Skleromkranken, die ärztlicher Behandluug bedürften, seien auf staat-
liche Kosten einem besonders ausgewählten Krankenhaus in Königsberg resp.
Breslau zu überweisen. An diesen Krankenhäusern seien ständige Sklerom-
stationen einzurichten.
In der medizinischen Hauptgruppe spricht am 22. September 1910
Herr Gerber: Über das Sklerom insbesondere in Ostpreussen
im Jahre 1910.
Als Erreger des Skleroms haben wir jetzt wohl mit Sicherheit den 1882
von v. Frisch entdeckten Kapselbazillus anzusehen, nachdem es jüngst Gold-
Zeitschrift für Laryngolegie. Bd. III, H. 5. 88
568 Gesellachafte- und Kongressberichte. [52
zieher und Neuber in Prag geglückt ist, im Blutseram von Skleromkranken
Antistoffe gegen den Bazillus Frisch nachzuweisen, die mit diesem Komplement-
fixation ergaben, mit dem ihm sonst ganz ähnlichen Friedländerschen nicht.
Auf seine Veranlassung und mit gütiger Erlaubnis des Herrn Prof. Kruse hat
Herr Kollege Bürgers von unserm hygienischen Institut diese Versuche nach-
geprüft und bestätigt gefunden. Darnach also müssen wir den Kapselbazillus
von Frisch für den Erreger des Skleroms ansehen und können in Zukunft in
zweifelhaften Fällen die serologische Diagnose zur Unterstützung heranziehen.
Inwieweit wir auf diesem Wege zu therapeutischen Resultaten gelangen werden,
stebt noch dahin. Versuche mit einer von Privatdozent Dr. Bürgers herge-
stellten Vaccine haben bisher noch keine sicheren Resultate ergeben.
Die ehemalige Anschauung, als sei das Sklerom nur in bestimmten Be-
zirken in einigen Herden vorhanden und gehe die ganze übrige Welt nichts an,
hat sich mit zunehmender Erkenntnis als falsch erwiesen und muss aufgegeben
werden. Wir wissen heute, dass diese Krankheit sporadisch in der ganzen Welt
auftritt, in Europa wie in Amerika, in Asien wie in Afrika, wenn auch bestimmte
Territorien sich durch ein besonders reichliches, endemisches Vorkommen aus-
zeichnen. In Europa wiederum sind es nicht nur die Länder des ehemaligen
Königreichs Polen, nicht nur Galizien — sondern auch die anderen Provinzen
Osterreich-Ungarns, Russland, Italien, Frankreich und die Schweiz und schliess-
lich auch Deutschland, die ihr Kontingent beisteuern. In der Aufzühlung
von W olkowitsch figuriert Deutschland mit einem Fall, der aus dem dicht
an der ósterreichischen Grenze gelegenen okerschlesischen Kreise Neisse stammt.
Auch die im nächsten Dezennium ganz vereinzelt mitgeteilten Fälle stammen
zumeist aus Schlesien. Im allgemeinen hielt man das übrige Deutschland wohl
für frei von Sklerom. In den Jahren 1896—1899 habe ich dann die ersten
Skleromfálle aus Ostpreussen beobachtet und im Jahre 1900 begann die Auf-
deckung des ostpreussischen Skleromherdes. Fast alle damals be-
obachteten Fülle entstammten den an der russiachen Grenze gelegenen Kreisen
Lyck und Marggrabowa und verhielten sich zu Russland genau so wie die
schlesischen Fülle zu Osterreich. Die Beobachtungen aus dieser Gegend mehrten
sich in den nächsten Jahren, sehr bald kamen auch solche aus den benachbarten
Kreisen hinzu und heute haben wir 28 Skleromfälle in Ostpreussen,
unter: denen höchstens 4 als fraglich bezeichnet werden könnten. Denn 16 boten
die bezeichneten bakteriologischen Verhältnisse, 11 sind histologisch positiv, 5
sind pathologisch nicht untersucht und nur 3 ausdrücklich bakteriologisch und
histologisch negativ. Das Massgebende bleibt ja aber immer — bei den ausge-
sprochenen Schrumpfungsvorgängen dieser Krankheit das klinische Bild. Von
diesen 28 Fällen sind 9 verstorben, 5 nicht mehr zu ermitteln, möglicherweise
auch verstorben, 2, die seit 10 Jabren in Beobachtung stehen, sind z. T. gesund,
die 5 in der letzten Zeit behandelten Fälle befinden sich mehr oder minder
gut. In Schlesien sind jetzt 18 Fälle bekannt. Aber es ist nicht bei diesen
beiden kompakten Herden geblieben. Inzwischen sind auch aus ganz anderen
Gegenden Deutschlands, wenn auch bisher nur vereinzelt, sporadische Fälle
mitgeteilt worden. Wir haben somit heute in Summa, soweit mir bekannt, 55
deutsche Fälle. Diese Zahl will aber an sich gar nichts sagen und kommt ganz
gewiss die Anzahl der tatsächlich in Deutschland vorhandenen Skleromkranken
auch nicht im entferntesten nahe. Wolkowitsch kannte seinerzeit 86 Fälle
insgesamt, H. v. Schrötter berechnete die Zahl der publizierten Fälle im
Jahre 1906 auf 600 und 1909 auf ca. 1000. Was Ostpreussen speziell be-
trifft, so könnten wir der Sache vielleicht ruhiger ins Auge sehen, wenn es sich
hier um einige vielleicht zufallsweise gehüufte Fülle handelte, für die Nachschübe
kaum zu fürchten wären. Ein Blick auf diese Karte hier wird Sie eines anderen
belehren. Der Zusammenhang des ostpreussischen Herdes mit dem russisch-
polnischen jenseits unserer Grenze ist evident. In Russisch.Polen aber ist die
Krankheit schon jetzt, wie in Galizien nicht mehr und nicht weniger als eine
Volksseuche.
53] Gesellschafts- und Kongressberichte. 569
Gerber weist nachdrücklich darauf hin, dass das Interesse der Árzte für
die Bekämpfung dieser Krankheit mehr geweckt werden muss.
Georg Cohn, Königsberg.
Niederländischer Verein für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde.
19. Jahresversammlung am 4. und 5. Juni in Leiden’).
Vorsitzender: A. C. H. Moll.
Als Vorsitzender wird gewáhlt Prof. Schutter; van Anrooy und Burger
werden als Schatzmeister resp. Schriftführer-Bibliothekar wiedergewühlt.
Wissenschaftliche Arbeiten.
1l. M. Zwaardemaker: Über portative und klinische Camerae silentae.
Diskussion: Struycken, Quix, van Iterson.
2. Th. E. ter Kuile: Beitrag zur Physiologie der Stimmbildung und
Klangwahrnehmung.
Redner hat Untersuchungen angestellt bei ungeschulten Sängern (sich
selbst). Hypo- und Mesopharynx bilden eine Höhle, welche ter Kuile „Stimm-
kessel* nennt, und welche sich bei dem Ansteigen von den tiefsten bis zu den
höchsten Tönen umbildet von einem schlaffen, querovalen, tiefen Raum bis
zu einem starrwändigen, röhrenförmigen Raum.
Der Teil des Larynx, welcher die Stimmbänder trägt, hängt bei tiefen
Tönen frei in einem’ offenen Raum, während er bei hohen Tönen umklammert
wird durch die Hinter- und Seitenwände des Pharynx. Darum vibrieren bei
tiefen Tönen Larynx, Trachea und Thorax mit.
Die ganze Pharynxmuskulatur ist mehr gespannt, je nachdem der Ton höber ist.
Die Veränderungen im Meso- und Hypopharynx bilden keine charakteristischen
Unterschiede zwischen Brust- und Falsetstimme, aber sie sind abhängig von der
Tonhöbe. Der Unterschied zwischen Falset- und Bruststimme ist nicht zu suchen
in dem Stimmkessel, aber in den Stimmbündern und im Conus elasticus.
Bei Autolaryngoskopie hat Redner gesehen, dass beim Singen desselben
Tones in Bruststimme das Stimmband nach oben konvex ist und bei der Falset-
stimme flach oder sogar nach oben konkav.
Diskussion: Zwaardemaker, Frederikse.
8. A. Sikkel: A. Eine Krankengeschichte von historischer Bedeutung.
Redner gibt eine Krankengeschichte des berühmten niederländischen Schrift-
stellers Ed. Busken Huet, der zweite Fall von Stimmbandpolyp von von
Bruns operiert, und schliesst daran die Geschichte der Laryngoskopie in
Holland.
9. B. Postanginóse Kehlkopflühmungen.
Redner teilt einen Fall mit von linksseitiger Rekorrenslähmung nach Angina
lacunaris und einen Fall von Vago-Akzessoriuslähmuug, welcher ausführlich be-
schrieben ist in der „Nederlandsch Tydschrift voor Geneeskunde, 24. September 1910*.
Diskussion: Broeckaert, Burger, Struycken.
4. J. H. Quix: Akkommodation des Ohres und der Versuch von Hensen.
Diskussion: DBaéza, Struycken, Frederikse.
9. H. Burger: Die Behandlung der Oberkieferzysten.
Dieser Vortrag ist bereits erschienen in der ,Ned. Tydschrift voor Genees-
kunde, 1l. Juni 1910* und referiert in dieser Zeitschrift (s. S. 399).
Diskussion: Brat, Broeckaert, ten Cate.
6. J. H. Quix: Eine Modifikation in der Nachbehandlung von Stirnhóhlen-
operationen.
Quix macht meist die Operation von Ogston- Luc nach vorheriger Resektion
der mittleren Concha und endonasaler Öffnung der vorderen Siebbeinzellen. Wenn
1) Nach dem Bericht des Schriftführers, Prof. Dr. H. Burger, „Ned. Tyd-
schrift voor Geneeskunde, 24. SES 1910.*
98*
570 Gesellschafts- und Kongressberichte. [54
Boden und vordere Wand des Sinus schwer affiziert sind, macht er die totale
Sinusektomie.
| Quix meint, dass Rezidive meist entstehen durch ungenügende Drainage
durch den Ductus frontalis. Um bessere Drainage zu erzielen, schliesst Quix
den medialen Teil des Hautschnittes nicht und führt einen Gazestreifen durch die.
Offoung und den Dnuctus nasalis nach der Nase. Täglich wird der Verband ge-
wechselt, an das obere Ende des Gazestreifens wird ein Faden befestigt und der
Streifen durch die Nase entfernt. Nach Ausspülen der Höhle wird ein neuer
Streifen an den Faden verbunden und dieser nach der Nase gezogen. Diese
Nachbehandlung dauerte 83—6 Wochen und in 8 Fällen trat Heilung ein, bis jetzt
ohne Rezidiv.
Diskussion: Struycken, Burger, Sikkel, Moll, Bróeckaert.
7. C. J. A. van Iterson: Behandlung von Peritonsillitis und Stirnhóhlen-
entzündung mit Saugen und durch Stauung.
18 Patienten mit Peritonsillitis wurden behandelt mit den Instrumenten von
Polyák. Sehr bald wirkte die Behandlung schmerzlindernd und in wenigen
Tagen trat Heilung ein, nur in 2 Fällen hörten die Schmerzen nicht auf und
musste inzidiert werden. Iterson hat nur Patienten behandelt, bei welchen
noch kein Abszess aufgetreten war.
Bei akuten Stirnhöhlenentzündungen wurde nach Sondermann gesaugt
mit sehr günstigem Erfolge.
Diskussion: Quix, Struycken, Sikkel.
8. A. de Kleyn: Drei Fälle von Affektion des Nervus opticus nach Ent-
zündung der Nebenhöhlen der Nase.
Im ersten Falle war der 24jährige Patient als Knabe von 9 Jahren behan-
delt wegen doppelseitiger Neuritis optica. V. O. S. 2/300, V. O. D. mit + 0,75 6/18.
Es bestand doppelseitige Atrophia Papillae. In der Nase war die Schleim-
haut beiderseits verdickt. Die hinteren Nebenhöhlen wurden geöffnet und dabei
rechts eiue Abszesshóhle in den hinteren Siebbeinzellen gefunden. Der Visus
besserte sich nach der Operation nicht.
Fall 2. Bei einem 31jährigen Bäcker sind vor zwei Jahren beide Augen
erkrankt. Visus O. D. S. 2/60, Atrophia Papilláe, grosses zentrales Skotom für
Weiss und Farben. Peripheres Gesichtsfeld beschränkt für Weiss, sehr stark
für Farben.
In der Nase wurden dieselben Abweichungen gefunden wie im ersten Falle.
Die hinteren Nebenhöhlen zeigten sich bei der Öffnung mit Granulationen gefüllt,
aber ohne Eiter. Bei dem grossen Skotom ist voraussichtlich kein grosser Erfolg
zu erwarten.
Fall 3. Bei einer 31 jährigen Frau mit Beschwerden im linken Auge wurde
Neuritis axialis diagnostiziert. Bei der rhinologischen Untersuchung wurde me-
dial von der Concha media ein wenig Sekret wahrgenommen.
V. O. S. 3/800, zentrales Skotom für Weiss und Farben. Rechtes Auge
normal. |
Die hinteren Nebenhöhlen wurden links geöffnet und einige Granulationen
in den hinteren Siebbeinzellen gefunden.
Im November 1909 kommt die Patientin wieder unter Behandlung und hat
eine Stauungspapille rechts. In den hinteren Nebenhöhlen, rechts, wird nichts
Abuormes gefunden. Es traten Gehirnerscheinungen auf. Es wurden zwei Hirn-
punktionen vom Chirurgen gemacht und die Patientin starb zwei Tage später.
Bei der Sektion wurde eine Geschwulst gefunden, von der Dura ausgehend
und links auf das Keilbein übergreifend.
Die Geschwulst umgab den ganzen Nervus opticus im Canalis opticus.
Diskussion: Ter Kuile, Brat, Kan, Quix, Moll, Struycken.
9. P. Th. L. Kan: A. Ein Fall von erworbener Atresie des äusseren
Gehórganges.
Diskussion: Struycken, Boon.
55] Gesellschafts- und Kongressberichte. 571
B. Ein Fall von ósophagoskopischer Fehldiagnose.
Kin 60jühriger Mann hatte schon lange Schluckbeschwerden. Der Osophagus
wurde mehrere Male vom Chirurgen sondiert und immer blieb die Sonde auf
86 cm der Zahnraihen stecken. Bei der Osophagoskopie, welche am 28. Februar
stattfand, glitt die Röhre ohne Störung in die Tiefe bis in den Magen (Röhren-
länge 43 cm). Der Patient behielt seine Schluckbeschwerden. Bei einer wieder-
halten Ösophagoskopie, eine Woche nach der ersten, wurde wieder nichts Ab-
normes gefunden. Bei der Palpation des Bauches konnte nie ein Tumor gefühlt
werden; die Diagnose nervöser Kardiospasmus wurde gestellt. Einen Monat
später war in der Magengegend ein Tumor zu fühlen und am 18. April wurde
bei dem Patienten ein grosses Karzinom der kleinen Kurvatur entfernt. Der
Patient starb am nüchsten Tag. Das Prüparat wird vom Redner demonstriert.
Hierbei zeigt sich, dass der Tumor den Ösophagus über der Kardia komprimiert
bat, ohne die Kardia ergriffen zu haben.
Wahrscheinlich wurde bei der Sondierung die Olivensonde gefangen, während
die breite ösophagoskopische Röhre imstande war, den Tumor Jeicht zur Seite
zu drücken, ohne dass dieser in der Röhre sichtbar wurde.
10. H. Burger: Vorstellufig eines Falles von Luftsack des Larynx bei
einem Menschen.
Redner demonstriert einen Jungen, der an der rechten Seite des Halses eine
runde Schwellung hatte beim Husten und Pressen. Der Vortrag ist ausführlich
erschienen in der „Ned. Tydschrift voor Geneeskunde, 24. September 1910“ und
referiert in dieser Zeitschrift (s. S. 410).
Diskussion: Broeckaert, Kan.
11. P. Th. L. Kan: Beitrag zur Kenntnis der Chirurgie der Hypophysis
Cerebri.
Redner demonstriert den operierten Patient, der Vortrag ist ausführlich er-
schienen in der „Ned. Tydschrift voor Geneeskunde, 24. September 1910“ und
referiert in dieser Zeitschrift (s. S. 431).
12. J. van der Hoeven Leonhard: Demonstration von Instrumenten.
Kräftige schmale Zange für die Nase; Gaumenheber; modifizierte Eperotome
von Maure, modifizierte Stirnlampe.
13. C. J. A. van Iterson: Ein Fall von angioneurotischem Ödem nach
Tonsillotomie mit tódlichem Verlaufe.
Bei einem 20jährigen Manne wurde beiderseits Tonsillotomie gemacht mit
dem Morzellateur von Ruault. Einige Stunden nach der Operation entstand
zunehmende Atemnot und der Patient starb bevor die Tracheotomie gemacht
werden konnte. Bei der Sektion wurde starkes Ödem des Larynx und der
Lungen gefunden.
14. J. H. Quix: Schallerscheinungen um einem Klangstabe herum.
Diskussion: Frederikse, Struycken. K an.
a
Verein deutscher Arzte in Prag.
Sitzung am 24. Juni 1910.
H. Imhofer, demonstriert ein 1'/, Jahre altes Kind mit beiderseitiger Gehör-
gangsatresie und beiderseitigem Kolobom der Augenlider. Sowohl erstere als auch
letzteres kommen häufig vereint mit anderweitigen Missbildungen des Schädels
und Gesichtes vor, die Kombination beider aber wurde bisher nicht beobachtet.
Vortr. erörtert die Chancen einer eventuellen Operation, die in letzter Zeit hier
und da vorgenommen wurde, derzeit aber nicht indiziert erscheint. Gehör scheint,
wie es in solchen Fällen öfters der Fall ist, bis zu einem gewissen Grade vor-
banden zu sein.
H. Hirsch, demonstriert einen 58jährigen Kranken mit Hydrops des Sinus
frontalie und ethmoidalis, sowie des Antrum Highmori der linken Seite, ferner des
Sinus frontalis der rechten Seite. Beiderseitige Sehnervenatrophie, links sehr
512 Gesellschafts- und Kongressberichte. [56
©
weit, rechts weniger weit fortgeschritten. Probepunktion ergibt zähschleimigen
Inhalt, mikroskopisch zahlreiche Kórnchenzellen mit Fetttröpfchen vollgefüllte
Rundzellen und Gruppen von Cholestearintafeln. Róntgenaufnahme ergibt Aus-
füllung des linken Antrum Highmori und starke Erweiterung der linken Stirn.
hóhle, die durch Usur der orbitalen Wand mit der Orbita und des Septums mit
der der Gegenseite kommuniziert. Die Doppelseitigkeit der Sehnervenatrophie
erfordert zumindest die Annahme einer Erkrankung der hintersten Siebbeinzellen,
vielleicht ist auch die Keilbeinhóhle erkrankt.
II. Das Róntgenbild einer 46jáhr. Frau mit Hydrops det linken Hirnhohle,
subjektive Beschwerden von seiten der Augen unbedeutend, dagegen Migrüne-
anfüle mit Erbrechen alle 8—14 Tage, im Röntgenbilde erweist sich auch die
andere normale Stirmhöhle ungewöhnlich gross, rhinologischer Befund normal.
Vortr. betrachtet die ungewóhnliche Grósse der Stirnhóhle als prádisponierendes
Moment für die Entstehung der Mucocele, da sich der Ductus nasofrontalis als
insuffizient erweist, das reichliche Sekret der Sinusschleimhaut abzuführen.
Sitzung am 22. Oktober 1910.
Herr C. Springer demonstriert Fremdkörper, die er operativ aus dem
Bronchialbaum von Kindern entfernte.
1. Einen Jonanuisbrotkern, der von einem 4'/,jährigen Kinde unbemerkt
aspiriert worden war. Anfallsweise auftretende Dyspnoe mit Krampfhusten brach-
ten die Eltern zuerst auf den Verdacht eines Fremdkörpers, dessen Existenz erst
zur Gewissheit wurde, als die Bronchostenose am 3. Tage dauernd blieb. Am
4. Tage in das K. F. J.-Kinderspital eingebracht, musste das Kind aus vitaler
Indikation tracheotomiert werden. Nachher Bronchoskopie durch Vortr. und Ex-
traktion des auf 1x *// cm aufgequollenen Fremdkörpers, der fest eingekeilt im
rechten Bronchus steckte. Heilung.
2. Ein Stück Walnusskern. Anamnese ähnlich dem vorigen Falle. Bei der
Tracheotomie wurde der vorher festsitzende Kern durch einen Hustenstoss ge-
lockert und in die Trachealwunde geschleudert, hier rasch gefasst und herausge-
zogen. Gleichfalls Heilung.
Vortr. bespricht weiter Technik und Bedeutung der Bronchoskopie für die
Feststellung fraglicher Fremdkörper in den Lungen, deren Symptome bei der
Auskultation und Perkussion- oft unzuverlässig sind. So war in dem vorgestellten
Falle über beiden Lungen ziemlich gleichmässig starkes, durch die eitrige Bron-
chitis bedingtes Rasseln hörbar, trotzdem der Fremdkörper recht fest steckte, in
einem weiteren beobachteten Falle, wo der Fremdkörper im linken Öberlappen-
bronchus bereits über eine Woche sich befand, fehlte das Atmungsgeräusch im
Unterlappen, während der Oberlappen atmete. Es handelte sich um eine in der
Mitte durchbohrte Rosenkranzperle, die den Luftstrom im Oberlappen nicht unter-
brach, durch die erzeugte Gangrän aber zu einem Vollaufen des Unterlappen-
bronchus mit Eiter, damit zur Absperrung des Unterlappens führte. In letzterem
Falle Tod.
Herr R. Steiner demonstriert aus dem ‚laryngologischen Institute einen
34jährigen Mann, der vor einem halben Jahre sofort nach einer schweren Un-
fallverletzung des Kehlkopfes (wuchtiger St mit einer eisernen Brechstange
gegen die linke Halsseite) wegen hochgradigstér Dispnoe tracheotomiert werden
musste und bei dem sich im Laufe der Monate eine hochgradige Larynx-Stenose
mit einer der sehr seltenen, einseitigen Ankylosen des Aryknorpels entwickelt
hatte. Laryngoskopisch zeigte sich bei der Aufnahme vor 2 Monaten eine hoch-
gradige Verengerung der Glottis, durch welche man gerade noch den dünnsten
englischen Katheter mit Mübe durchführen konnte. Während das rechte Stimm-
band sich gut bewegen konnte, war es unter dem Einflusse der sich retrahie-
renden Bindegewebsınassen jedenfalls dann im Stadium der Heilung zu einseitiger
Minksseitiger) Ankylose des Arytaenoidgelenkes gekommen mit Fixation der zum
gréssten Teil narbig verschrumpften linken Kehlkopfhälfte und des linken Stimm-
57) Gesellschafts- und Kongressberichte. 573
bandes in Auswärtsstellung. Die Atmung bei geschlossener Trachealkanüle war
vollkommen unmöglich. Redner bespricht dann an der Hand des Literaturmate-
rials die äusserst rare Beteiligung des Aryknorpels bei Kehlkopfverletzungen und
erörtert dann ausführlich die therapeutischen Massnahmen, welche bei derartigen
Unfallverletzungen des Keblkopfes zu treffen sind, sowie die verschiedenen Heil-
methoden der chronischen Laryngo- und Tracheal-Stenosen narbiger Natur, so-
wohl auf operativem Wege (Laryngofissur und Laryngostomie) als auch auf
konservativem Wege mittelst Behandlung durch methodische Dilatation. (Intu-
bation, Einführen von Röhren und Behandlung mit Schrötterschen Zinnbolzen.)
Mit Hilfe des letzteren durch 2 Monate systematisch fortgesetzten Verfahrens
ist die früher fast komplette Stenose des Larynx sichtlich erweitert worden, so
dass Patient gegenwärtig schon viele Stunden die Kanüle entbehren kann und
das definitive Dekanülement bei Fortsetzung der Dilatationsbehandlung in abseh-
barer Zeit wird vorgenommen werden kónnen. R. Imhofer.
Wissenschaftliche Gesellschaft deutscher Ärzte in Böhmen.
Sitzung am 11. März 1910.
Herr F. Pick demonstriert: a) einen 15jähr. Knaben mit hochgradiger narbiger
Stenose des Kehlkopfes, Defekt der Uvula und Epiglottis. Es handelte sich um
eine im 10. Lebensjahre akquirierte Lues, die trotz ausgiebiger Hg- und Jod-
behandlung in verschiedenen Spitälern zu so hochgradigen Veränderungen geführt
hat. Die jetzt begonnene Bougierung hat die ursprünglich in Aussicht genommene
Tracheotomie bisher vermeiden lassen.
b) Einen bereits einmal vorgestellten Fall von Sklerom der Trachea, bei
welcheın Röntgenbestrahlung subjektive und objektive Besserung gebracht hat.
c) Eine 53jähr. Frau mit kirschengrossem Tumor in der Gegend des rechten
Sinus Morgagni, der sich bei der Probeexzision als Tuberkulose erwies. Derselbe
besteht bei der sonst keinerlei Zeichen von Tuberkulose bietenden Frau seit
3 Monaten, zeigt keine Spur von Geschwürsbildung; mikroskopisch ist das Epithel
über dem Tumor bedeutend verdickt. R. Imhofer.
Vereinigung tschechischer Laryngologen, Otologen und Rhinologen
in Prag.
Sitzung am 28. Oktober 1910.
Herr Frankenberger demonstriert 1. das Pharyngoskop von Sch muckert
und erlüutert dieses sowie das Instrument von Hays.
2. Das Instrument von Ephraim zur endobronchialen Anüsthesie, mit
welchem am Institute Versuche mit der Asthmabebandlung ausgeführt werden.
3. Eine Larynxstenose nach Typhus, bei welcher Laryngostomie ausgeführt
worden war. Der Kranke kann jetzt bei verstopfter Tracheotomiedffnung frei atmen.
4. Einen Fall von Diaphragma der Trachea nach Suizidversuch. “Das
Diaphragma war exstirpiert worden, die Kranke trug fast ein Jahr die Chiari-
sche Kanüle. Trachea jetzt allenthalben weit, weshalb zum Dekanülement
geschritten werden soll.
H.Guttmann, demonstriert zwei Fälle von Fremdkörpern des Antrums maxill.,
in beiden Fällen waren es Wattawickel, die ins Antrum geglitten waren; 1. im
ersten Falle wurde der Wickel nach vorangegangener Erweiterung der Alveolar-
dffnung mit einem Häckchen extrahiert, im zweiten Falle wurde breite Eröffnung
des Antrums von der Fossa canina aus vorgenommen, wobei die Schleimbaut
ausgekratzt wurde. 2. Einen Fremdkörper des Ssophague: Kirchkern auf ösophago-
skopischem Wege entfernt.
8. Ein Sarkom der Nase aus dem Os ethmoidale hervorwuchernd,
4. Ein rezidives Larynxfibrom, eine rechtsseitige Rekurrenzlähmung durch
Lungenspitzenaffektion bedingt. R. Imhofer.
574 Gesellschafts- und Kongressberichte. [58
Zentralverein deutscher Árzte in Bóhmen.
Versammlung Giesshübl 8. Juli 1910.
Herr O. Piffl, Prag: Über nasale Reflexneurosen.
Zur Eatstehüng einer nasalen Reflexneurose sind 1. die lokale Disposition,
2. die allgemeine nervöse Prädisposition unerlässlich.
Einzelne seltenere Formen, die Piffl erwähnt, sind a) Glottiskrampf bei
einer seit Jahren an Asthma leidenden 51 jährigen Frau entstanden, im Anschlusse
an einen geringfügigen Eingriff in der Nase; b) ein Fall von rhythmischem Krampfe
der gesamten Schlundmuskulatur mit objektiv wahrnehmbarem Ohrgeräusche bei
einem jährigen Mädchen, den Vortr. als einen Tic auffasste und der durch
psychische und galvanische Behandlung gebessert wurde; e) ferner sind genau
beobachtete Formen von nasalen Reflexneurosen die Fälle des Vortr. von halb-
seitiger Hyperhidrosis des Gesichtes bei einseitiger Verengerung resp. Verschluss
der Nase (zwei Fälle von Choanalverschluss, ein Fall von hochgradiger Septum-
deviation); d) ein weiterer sehr merkwürdiger Fall war unbezwingliche Schlaf-
sucht bei einer 50jührigen Frau infolge Verlegung beider Nasenhülften durch
hochgradige Schleimhautsch wellung.
Piff) beschäftigt sich dann eingehend mit der Coryza nervosa;; die Disposi-
tion für diese Erkrankung sah Piffl durch Nikotinabusus gesteigert. Der
Lokalbefund in der Nase ist in vielen Fällen charakterisiert durch schlaffe, blasse
Schwellung am freien Rande der rückwärtigen Hälfte der mittleren Muschel. Zur
Diagnosenstellung verwendet Vortr. nur Kokain und warnt vor Nebennieren-
präparaten für diesen Zweck, da dieselben oft einen Anfall heftigster Art aus-
lösen. Therapeutisch ist Vortr. für Beseitigung vorhandener Anomalien in der
Nase gleichzeitig mit Bekämpfung der neuropathischen Prädisposition des
Individuums.
Im Gegensatz zur Mehrzahl der anderen Autoren hat Piffl mit der Be-
handlung von Menstruationsbeschwerden von der Nase aus (Fliess) günstige Er-
fahrungen gemacht, und hält daber einen Versuch mit diesem Verfahren in ge-
eigneten Fällen für gerechtfertigt. R. Imhofer.
Verhandlungen der Dünischen oto-laryngologischen Gesellschaft.
69. Sitzung vom 5. Oktober 1910.
Vorsitzender: Dr. Gottl. Kiür.
Schriftführer: Dr. Blegvad.
1. Schmiegelow demonstrierte die neue Obren- und Halsklinik des
Reichshospitals.
2. Jorgen Miller: Fall von Tuberculosis cavi nasi, nach Septumresektion
geheilt (mit Demonstration der Patientin) 44jührige Kóchin, früher gesund;
4 Monate schlechte Luftpassage durch die Nase und Borkenbildung, vorwiegend
links. 3. September 1909 wegen Febris rheumatica in Frederiksberg Hospital auf-
genommen. Der Einblick in die linke Nasenhülfte durch von der Lateralwand
ausgehendes Tumorgewebe gesperrt; das Bild erinnert an eine lokale Tuber-
kulose (Lupus?); der Tumor wird zur Mikroskopie entfernt.
Mikroskop ie: Oberfläche teils ulzeriert, teils von mehrschichtigem Pflaster-
epithel bedeckt, welches an einer bestimmten Stelle zahlreiche unregelmässige
Epithelzapfen in die Tiefe sendet; hier und da trifft man auch Epithelperlen.
Übrigens ’zerstreute Elementärtuberkel, teilweise in beginnendem Zerfall. Diagnose:
Tuberkulose mit sekundärem Plattenepithelkrebs.
Prozess nimmt fortwährend zu, auch die äussere Nase erheblich vergrössert,
linke Ala geschwollen und rot, mit einem Geschwür auf dem Rande; im Innern
sieht ınan jetzt grosse, von der Nasenscheidewand ausgehende Tumormassen;
am Boden Tumorgewebe von typisch lupösem Aussehen.
59] Gesellschafts- und Kongressberichte. 575
Trotz dem mikroskopischen Befunde machte das klinische Bild immer mehr
den Eindruck, dass es sich ausschliesslich um ein tuberkulöses, bzw. lupöses
Leiden handle. Es wurde deshalb nach Körners Methode Septumresektion vor-
genommen. Mikroskopie ergab diesmals reine Tuberkulose.
Patientin wurde später noch mit Röntgenstrahlen behandelt, ferner mit
Jodkali. Bei der Entlassung am 19. Dezember 1909 war die Wunde nach der
Septumresektion geheilt und die Affektion am Boden und an der Lateralwand
beilte später auch. Es hatte sich eine Sattelnase gebildet, trotzdem bei der
Operation vermieden wurde, den vorderen Teil des Septums zu entfernen; ferner
besteht eine Einziehung in der Mitte der linken Ala. Es ist noch jetzt kein
Rezidiv vorhanden und Dr. P. Tetens Hald hat durch eine Paraffininjektion
die äussere Gestalt der Nase beträchtlich verbessert.
3. N. Rh. Blegvad: Fall zur Diagnose.
Der Fall ist zwar durch gestern erhaltene neue Auskünfte jetzt aufgeklärt,
wird aber trotzdem vorgestellt.
Es handelt sich um ein fast 2 Jahre lang bestehendes schweres ulzeratives
Rachenleiden bei einer 29jähr. Frau. Wassermann negativ, überhaupt keine Anhalt-
punkte für Syphilis, noch für Angina Vincenti, Tuberkulose, bösartige Neubildung
oder ähnliche Behandlung, auch antiluetische, bisher erfolglos. Nach einer Ruhe-
pause wurde vor ein Paar Monaten wieder Jodkali verabreicht und die Affektion
scheint jetzt zu heilen; gleichzeitig gesteht der Gatte vor sieben Jahren ein
Ulkus gebabt zu haben, das mit Hg behandelt wurde; niemals sekundäre Er-
scheinungen.
4. K. Nörregaard: Beiträge zur Statistik der Ohren-, Nasen- und Hals-
krankheiten bei Schulkindern.
Nórregaard hat im Juni 1910 in den Schulen der Dorfgemeinde Taarnby
650 Kinder untersucht, 323 Kuaben, 327 Mädchen. Bei 65 jetzige oder frühere
Ohrenkrankheit, 44 unter diesen hatten adenoide Vegetationen; nur bei 8—4
schienen die oberen Lufiwege ganz gesund.
Nasenleiden wurden im ganzen bei 122 gefunden, hypertrophische Ton-
sillen bei 144, Nasenrachenleiden bei 214, meistens adenoide Vegetationen
grösseren oder geringeren Grades. Hoher Gaumen wurde bei 52 gefunden, nur
91 derselben hatten adenoide Vegetationen.
5. E. Schmiegelow: Fremdkörper in der Lunge und in der Speiseröhre.
l. 11jähriges Mädchen hatte vor zwei Tagen eine Bohne aspiriert; steto-
skopisch fand man den unteren und mittleren Lappen rechts ausser Wirksamkeit
gesetzt. In Narkose direkte Bronchoskopie: Bohne im rechten Bronchus, 2 cm
unterhalb der Bifurkation, wurde gefasst, reisst sich wieder los und wird in den
linken Bronchus aspiriert; Erstickungsanfall und Zyanose; das Kind erholte sich
und später wurde durch eine zweite Bronchoskopie die Bohne endlich entfernt.
2. 25jährige Frau, Hühnerknochen verschluckt, der durch Ösophagoskopie
entfernt wurde.
3. 4jühriges Müdchen, vor zwei Tagen ein 5-Örestück verschluckt; wurde
in Narkose durch Osophagoskopie extrahiert.
4. 1'/,jéhriges Madchen hatte den Gummireif eines Patentstdpsels ver-
schluckt; wurde in Narkose durch Ösophagoskopie entfernt.
9. 89 jähriger Mann hatte vor fünf Tagen einen Knochen verschluckt, hatte
später nur Flüssiges schlucken können. Knochen, 25 cm von der Zahnreihe ent-
fernt, wurde durch Ösophagoskopie extrahiert, war 3—4 cm breit.
70. Sitzung vom 9. November 1910.
Vorsitzender: Dr. Gottl. Kiär.
Schriftführer: Dr. Blegvad.
1. K. Nörregaard: kin Fall von langdauernder, rezidivierender, funk.
tionellar Aphonie.
516 Gesellschafts- und Kongressberichte. [60
40j&hrige Frau verlor vor etwa 15 Jahren nach einer Influenza die Stimme;
später immerfort wiederkehrender Stimmverlust mit völliger Aphonie, kein
Husten oder Räuspern möglich; keine Rekurrensparalyse vorhanden, aber bei
Phonationsversuchen klafft die Stimmritze; beim Pinseln entsteht kein Laut,
Sensibilität herabgesetzt. Bei Pinselungen mit Kokain und Argentum, sowie
Sprechübungen ist es jetzt gelungen verschiedene Laute hervorzubringen.
Diskussion: Blegvad, der auch einmal diese Patientin behandelt hat,
meint entschieden, dass es sich um einen Morbus mentalis handelt; der ganze
Habitus der Patientin deutet auch hierauf.
2. P. Tetens Hald: Operation wegen mutmasslichen Tumors der Hypo-
physenregion.
41 jährige Frau, am 8. August 1910 in die Ohrenklinik des Kommune-
hospitals aufgenommen, hatte schon seit zwei Jahren Symptome eines Tumor
cerebri dargeboten; schon damals zeigte das Röntgenbild Veränderungen in der
Gegend der Sella turcica; Juni 1910 war die Sella noch mehr erweitert und ob-
schon der Chef der neurologischen Abteilung am meisten zur Annahme eines
Frontallappentumors neigte, wurde Patientin doch zur Operation in die Ohren-
klinik verlegt. Es waren keine bypophysären Symptome vorhanden, ein neues
Róntgenbiid aber ergab, dass das Dorsum sellae jetzt völlig fehlte; es wurde ein
extrasellarer Tumor vermutet, als aber die Stauungspapille in Zunahme begriffen
war, hielt man eine Dekompressionsoperation für angezeigt.
Die äussere Nase und der vordere Teil des Septum wurde durch einen nach
unten gehenden V-förmigen Schnitt mobilisiert, dann Septum teilweise reseziert,
mittleren Muscheln entfernt, ferner Vorderwand des Sinus sphenoidalis und das
Septum sphenoidale; in der jetzt gut übersichtlichen Hinterwand eine Dehiszenz;
es wurde jetzt der Boden der Sella turcica völlig entfernt und ein viereckiger
Duralappen gebildet; Punktion des Hirngewebes gibt keine Flüssigkeit. 12 Stunden
nach der Operation Exitus.
Sektion: Grosses Psammom der Frontalgegend ; Hypophyse nicht vergróssert;
Dorsum sellae fehlt vollständig, es sieht fast aus, als wäre es weggemeisselt;
bei genauerer Untersuchung der Dura in dieser Gegend sieht man an ihrer
Aussenseite zahlreiche stecknadelkopfgrosse Knötchen (mikroskopisch Metastasen
des Haupttumors), welche Druckusur des anliegenden Knochens bedingt hatten.
Jörgen Möller.
Berliner laryngologische Gesellschaft.
Sitzung vom 24. Juni 1910.
1. Herr Fischer: Fall von Verlötung der Epiglottis mit dem
Zungengrunde infolge von Kauterisation der Zungenmandel.
Diskussion: Herr Senator besireitet, dass sich aus diesem Falle
Schlüsse für die Physiologie des Schluckaktes ziehen lassen.
2. Herr Weski: Moderne, zahnärztliche Diagnostik im Dienste
der Rhinologie, siehe diese Zeitschr. Bd. III, S. 374 ff.
Sitzung vom 14. Oktober 1910.
1. Herr West, Baltimore: Behandlung der Stenose des Tränen-
Nasenkanals. Nach Einführung einer Tränensonde wird vor dem vorderen
Ende der mittleren Muschel der Tränensack ausgiebig mittelst Meissels eröffnet.
Vortr. betont die Notwendigkeit, hoch hinauf zu gehen, bis in die Ebene des An-
satzes der Muschel.
Diskussion: Herr Ritter befürchtet, dass beim Schneuzen Nasensekret
zu dem Tränenröhrchen hinausgeschleudert werde.
Herr Wolff: Wird die Wunde nicht bald zugranulieren?
Herr Haike hat durch Abtragung der unteren Muschel einmal Erfolg erzielt.
61] i Gesellschafts- und Kongressberichte. 577
Herr A. Meyer: Oft liegt die Stenose nicht im Can. lacrymalis, sondern
im unteren Nasengang, dann führt Aufklappung der unteren Muschel zur Heilung.
Das Westsche Verfahren ist den Methoden von Passo w und Toti vorzuziehen.
Herr Alexander meint, die Anwendung der Westschen Operation be-
schränke sich auf knöcherne Stenosen.
Herr West: Das Entweichen von Luft durch die Tränenröhrchen behindert
die Operierten nicht.
2. Herr Graffner: Fall von tabischem Mal perforant des Proc.
alveolaris. Demonstration eines Oberkiefers, an welchem tiber dem letzten
Molaris eine trichterförmige Öffnung mit vernarbten Rändern in die Kieferhöhle
führt. Tabische Geschwüre sind von gummösen zu unterscheiden durch die
Anästhesie in ihrer Umgebung.
3. Herr Scheier: Keilbeinhöhlen im Röntgenbild. Demonstration
einiger Platten, welche durch parieto-mentale Aufnahmen gewonnen wurden und
auf denen die Keilbeinhöhlen gut sichtbar sind. Die von Pfeiffer) jüngst be-
schriebene Methode hat Scheier schon vor drei Jahren angegeben.
Diskussion: Herr Hänlein: Die Methode ergibt unbefriedigende Re-
sultate.
4. Herr Halle: Bronchiales Gummi, mit 606 geheilt. Demonstration
der narbigen Stenose im bronchoskopischen Rohr.
Diskussion: Herr Scheier hat gleichfalls von 606 gute Erfolge gesehen.
Herr Finder gibt bei Kindern 0,3—0,4.. Von Nebenerscheinungen kam
Harnverhaltung zur Beobachtung. Zur Vermeidung von Infiltraten injiziert er
ölige Suspension.
Herr Heymann hat ca. 40 Fälle behandelt und rühmt besonders bei
Tertiär-Formen den Erfolg.
Herr Kuttner: Mit 606 erreicht man dasselbe, was mit anderen Mitteln
auch möglich, aber schneller, und das ist für den Laryngologen von besonderer
Bedeutung.
Herr Haike: Die Patienten klagten wiederholt über häufige Pollutionen
nach der Injektion.
Herr Echtermeier und Herr Lennhof berichten über Versager.
Herr Halle: Schlusswort.
ö. Herr Ritter: Retropharyngealabszess bei einem ca. 35jährig.
Mann. Da 4 Wochen nach Inzision noch keine Heilung eingetreten ist und
Spondylitis ausgeschlossen werden kann (nach dem Röntgenbild und negativem
Bazillenbefund), besteht Verdacht auf Lues.
6. Herr Landgraf: Histologische Bilder chronisch entzünd-
licher Wucherungen vom Septum. Wegen schwerer hartnäckiger Blutungen,
ausgehend von einem grossen Ulkus des Septum, wurde die Nase wochenlang tampo-
niert. Da die Blutungen stets von neuem begannen, wurde von dem behandelnden
Chirurgen die Nase gespalten und ausgekratzt. Es fand sich eine chronisch-
. hypertrophische Entzündung der Nasen-, Stirn- und Keilbeinhöhlenschleimhaut
mit Hypertropbie auch des Knochens. Dyskrasische Ätiologie ist auszuschliessen.
Diskussion: Herr Schoetz: Es düifte wohl das erste Mal sein, dass
wegen Nasenblutens zur Spaltung der Nase geschritten wurde. Man hätte doch
vorher Ca-Salze und Gelatine versuchen sollen.
Sitzung vom 11. November 1910.
1, Herr Finder: Fall von syphilitischerZerstórung des Rachens
und Stenose des Osophagus, welcher bereits Tracheotomie und Gastro-
stomie erfordert hat.
2. Derselbe: Grosse Fistel an der Stirn, in die rechte Stirnhöhle
führend, durch teilweise Nekrose der vorderen Wand entstanden. Als Ursache
kommt chronische Frontalsinusitis in Betracht, doch’ ist auch syphilitischer Ur-
sprung nicht ausgeschlossen.
578 Gesellschafts- und Kongressberichte. [62
8. Herr Halle: Die endonasale Eröffnung chronisch-kranker
Stirnhöhlen.
Die Einschränkung der radikalen Operationsmethoden ist dringend zu
wünschen. Sie ist auch möglich, da der Beweis erbracht ist, dass chronisch er-
krankte Schleimhaut ausheilen kann. Ganz besonders gilt dies von der Stirn-
hóhle. Die zur Heilung führenden Faktoren sind Ansaugung und Austrocknung
durch die Respirationsluft und Desinfektion, sie werden in Wirksamkeit gesetzt
durch Anlegung einer weiten nasalen Kommunikation. Es gilt also den Stirn-
hóhlenboden zu entfernen. Versuche von Schäffer, Spiess, neuerdings von
Good und Myles blieben vergeblich; Fletcher Ingals Hohlfräse beschädigte
leicht die Tabula interna, erst die Anbringung eines Schützers macht sein Ver-
fahren relativ sicher, kompliziert es jedoch.
Auch am (vor 4 Jahren publizierten) Verfahren des Vortr. ist der blatt-
förmige Schützer unentbehrlich; wo er nicht einführbar ist, muss auf die Opera-
tion verzichtet werden. Mit vorn scharfer Fräse wird genau vor dem Schützer
der Höhlenboden fortgenommen; sobald man in die Höhle gelangt, wird die vorn
polierte konische, später die birnförmige Fräse benutzt, welche Nebenverletzungen
ausschliessen. Nach reichlicher Eröffaung wird federnde Silberkanüle mit lös-
licher Gelatinekapsel (nach Ingals) eingelegt. Mit biegsamen scharfen Löffeln
kann man sogar teilweise die Schleimhaut kürettieren. — Der Einwand, dass
man, statt in die Stirnhöhle, in eine frontale Siebbeinzelle gelangen kann, ist
berechtigt, auch dass nicht immer eine Übersicht über die ganze Höhle erreicht
wird; jedoch tut dies der Heilung keinen Abbruch. Vor allem sind bei richtiger
Ausführung Nebenverletzungen unmöglich, man darf die Orientierung nie ver-
lieren. Alle 13 behandelten Fälle sind geheilt.
Diskussion: Herr M. Senator: Wo 80 dicke Instrumente wie der Schützer
eingeführt werden können, ist die Erweiterung unnötig. Die Methode ist roh,
zerfetzt die Schleimhaut und kann Sprünge im Knochen verursachen. Nament-
lich aber ist die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass die Fıäse abrutscht und
gefübrliche Verletzungen setzt, was anderen Operateuren auch dreimal passiert
ist: nämlich einmal drang das Instrument vorn zur Nasenwurzel heraus, einmal
wurde das Chiasma opticum verletzt (?? Ref.), einmal die Tabula interna durch-
bohrt mit Meningitis und Exitus.
Herr Alexander: Nur sehr wenige Hóblen werden mit dem Schützer
sondierbar sein. Verletzungen der Orbita sind leicht möglich.
Herr Peyser hält die Operation für einen ernsten Eingriff und hat mit
dem Pyohaustor bei chronischen Empyemen gute Resultate erzielt.
Herr Brühl: Bei häufiger Ausführung würde die Hallesche Methode eine
grössere Mortalität aufweisen als die radikalen. Schon dass ein ,,Schitzer'
nötig ist, spricht (nach den mit dem Stackeschen gemachten Erfahrungen),
gegen die Methode.
Herr Bruck hält Verletzungen für unvermeidlich.
Herr Finder: Die Methode verdient nicht den Namen einer „konservativen“.
Herr Rosenberg fragt, wie oft Vortr. den Schützer einführen kann, und
ob er Komplikationen beobaclıtet hat?
Herr Halle (Schlusswort): Der Schützer ist fast immer, wo ich operieren
wollte, einführbar gewesen. Die Methode ist in unkomplizierten chronischen
Fällen stets dann indiziert, wenn anderweitige intranasale Behandlung versagt.
Die Fräse, richtig gehandhabt, schleudert nicht; die von Herrn Senator be-
richtaten Unfälle sind teils unmöglich, teils grobe Fehler. Die Orbita ist dadurch
sicher, dass man stets vor dem Schiitzer bleiben muss; laterales Abweichen ist
verboten. Das Vorurteil gegen den „Schützer‘ ist unberechtigt, er iat mehr eia
Wegweiser. Komplikationen hat Vortr. nie erlebt.
63] Gesellachafts- und Kongressberichte. 579
Sitzung vom 9. Dezember 1910.
1. Herr Haike, Adenom der Nase. Wie auch das Röntgenbild be-
stätigt, füllt der Tumor die ganze linke Nasenseite nebst der Kieferhöhle aus.
Malignität ist aus dem histologischen Bilde zu schliessen.
Diskussion:HerrGrabowerberichtetüber einen Fall von Adeno-Karzinom.
Herr P. Heymann erinnert an ähnliche, früher von ihm beschriebene Fälle.
2. Herr Peltesohn, Angiom der Plica salpingopharyngea. `
3. Herr Blumenthal, Angiom der Zunge.
Diskussion: Herr Heymann ` '’
4. Herr Kuttner: Nadel zur Massenligatur bei Tonsillektomie.
Nach Auslösung der Mandel soll der Stiel, an dem sie noch hängt, durch-
stochen und doppelt umschnürt werden, ehe er durchschnitten wird. So ver-
hütet man Blutungen.
Diskussion: Herr Grabower: Am besten wird Blutung vermieden,
wenn die Abtragung mit der allmählich quetschenden Brüningsschen Schlinge
geschieht.
Herr Herzfeld: Die Blutung kommt gewöhnlich nicht aus dem Stiel,
sondern aus Verletzungen der Gaumenbögen.
Herr Sturmann: Die Blutzufuhr zur Tonsille geschieht durch zahlreiche
kleinere Gefüsse.
Herr Grabower bestreitet das.
9. Diskussion zur Demonstration des Herrn Finder: Fistel der
rechten Stirnhóhle. (Vergl. vorige Sitzung!)
Herr Kuttner: Das Empyem der Stirnhóhle kann selbst syphilitischen
Ursprungs gewesen sein. Empyeme sowohl sekundärer als tertiärer Natur
kommen vor, und wenn man die Möglichkeit im Auge behält, findet man sie
immer öfter, bisweilen als einzige Erscheinung der Lues. -
Herr Finder hat dergleichen nicht gesehen, auch in Häjeks Lehrbuch
sind syphilitische Empyeme nicht erwähnt. Im vorliegenden Falle war trotz des
positiven Wassermann eine spezifische Behandlung resultatlos. Es mussten beide
Stirnhöhlen eröffnet werden, die Fistel ist schon verheilt.
6. Herr Sturmann: Die totale Ausschälung der Tonsillen.
Da die Tonsillotomie oft keine genügende Wirkung gehabt hat, muss man
radikalere Methoden suchen. Nur bei glatten, seit langer Zeit entzündungsfreien
Mandeln, welche gut hervorragen, ist das Tonsillotom angezeigt, bei Anheftung
und Hypertrophie im sagittalen Durchmesser soll man mit dem Messer operieren.
Das Konchotom leistet nichts. Bei chronisch entzündlichen "Tonsillen und bei
rezidivierenden Abszessen und Anginen, bei amygdalogenen Infektionen ist Aus-
schälung indiziert. Technik: Infiltration mit mindestens 5 ccm Novokain-Lösung,
Fassen der Mandel mit der Ritterschen Zange, Ausschälung mit der Hopmann-
schen, aussen scharfen Schere, die zugleich als Elevatorium dient. Die Gaumen-
bögen sollen nach der Operation miteinander verwachsen, wie ein demonstrierter
Fall zeigt. Wegen der Gefahr der Blutung wird Esslöffelweise eine 5°,o-Lösung
von CaCl, gegeben. Blutet es, so genügt fast immer Einlegen eines Tampons
in die grosse Nische, wo er vun selbst liegen bleibt.
Diskussion: Herr Finder: Bei einfacher Hypertrophie und selbst bei
vorwiegend transversal vergrösserten entzündlichen Mandeln ist Tonsillotomie
vorzuziehen, Ektomie nur bei den „small, but diseased tonsils". Muzeux,
Skalpell und Schlinge genügen zur Operation, welche aber niemals ambulant aus-
geführt werden sollte. Das Fassen der zahlreichen, blutenden Gefässe ist nicht
möglich.
Herr Senator: Die Tonsillen haben eine blutbildende Funktion, welche
ihre radikale Entfernung nicht gerechtfertigt erscheinen lässt, ausser bei dringen-
der Indikation, z. B. rezidivierendem Gelenkrheumatismus.
Herr Herzfeld operiert in lokaler Anästhesie unter Benutzung der
Scherenbergschen Schere. Er hat keine Blutung gesehen.
580 Kongresse und Vereine. [64
Herr Arthur Meyer empfiehlt für Tonsillotomie die Schlinge, die mehr
fasst als das Tonsillotom, für sagittal vergrösserte Mandeln das Morcellement,
mit dem selbst grosse Tonsillen sich gründlich entfernen lassen. Bei Tonsill-
ektomie schützt Infiltration nach Ruprecht vor Blutungen, spritzende Arterien
sind leicht zu fassen und zu torquieren. Selbst ein siebenjähriger Knabe liess
sich unter Lokalanästhesie operieren. Zur Auslösung der Mandel leistete ein
zweischneidiges, über die Fläche gekrümmtes Messer gute Dienste.
Herr Sturmann (Schlusswort): Es ist nicht richtig, dass mit Entfernung.
der Tonsillen ein Schutz gegen Entzündungen fortfällt, im Gegenteil blieben.
die tonsillektomierten Patienten sämtlich vor Rezidiven verschont.
Arth. Meyer.
V. Kongresse und Vereine.
Verein deutscher Laryngologen. 31. Mai bis 1. Juni 1911 in
Frankfurt a. M.
Schriftführer Herrr Oberarzt Dr. Richard Hoffmann. Dresden, Grunaerstr. 8
III. Internationaler Laryngo-Rhinologen-Kongress.
Berlin, 28. August bis 2. September 1911.
Schriftführer Herr Professor Dr. A. Rosenberg. Berlin NW., Schiff-
bauerdamm 26.
VI. Personalia.
Als Nachfolger Schwartzes ist Herr Professor Dr. Alfred Denker
nach Halle berufen worden und zwar als Professor ordinarius; die bisherige
Ohrenklinik wird in eine Klinik für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten
umg^wandelt. Herr Denker hat den Ruf angenommen. Als Nachfolger Herrn
Professor Denkers ist Herr Professor von Eicken nach Erlangen berufen.
Am 1. Januar dieses Jahres wurden an den Stadtkrankenhäusern Friedrich-
stadt und Johannstadt zu Dresden Abteilungen für Ohren- und Halskranke er-
richtet und die bisherigen konsultierenden Ohrenürzte Sauitüterat Dr. Max
Mann und Dr. Richard Hoffmann zu Oberürzten ernannt. S
An Stelle Herron Geheimrat A. Hartmanns am Rudolf Virchow-Kranken-
haus in Berlin ist Herr Hans Claus getreten.
Herr Professor Dr. Ostmann in Marburg ist zum ord. Honorarprofessor
ernannt worden.
Gestorben: Herr Dr. Solis Cohen in Philadelphia.
VII. Fortbildungskurse.
Vom 27. März bis 1. April ınkl. findet in Jena der V. Fortbildungs-
kurs für Spezialärzte statt.
Herr Professor Wittmaak: Norm. u. pathol. Histologie des inneren Ohres,
mit Berücksichtigung klin. Krankheitsbilder 14 Std. Besprechung und Demon-
stration typischer otologischer Operationen je nach Material.
Heir Dr. Brünings: Vorlesung und Praktikum der direkten Laryngo-
Tracheo-Bronchoskopie 16 Std, Besprechung und Demonstration typischer rhino-
laryngologischer Operationen 12 Std. Physiologie und funktionelle Diagnostik
des Vestibularapparates 4 Std. Rhino-otologischer Róntgenkurs 4 Std.
Maximale Teilnehmerzahl 15. Assistenten deutscher Kliniken honorarfrei.
Nächste Wiederholung zu Beginn der Herbstferien. Nähere Auskunft durch
Privatdozent Dr. Brünings, Jena.
Aus der Universitütsklinik für Ohren-, Nasen- und Kehlkopf-
kranke in Erlangen. (Direktor: Professor Dr. Denker.)
Beitrag zur Pathologie und Therapie der Chon-
drome der Nase und ihrer Nebenhóhlen.
Von
Dr. Schwerdtfeger, Assistenzarzt der Klinik.
Mit 1 Textabbildung und 2 Tafeln.
Die Seltenheit der Nasenchondrome rechtfertigt die Veróffent-
lichung vorliegenden Falles, der an hiesiger Klinik genauer beobachtet
und mit Erfolg operiert wurde.
Am 25. Juni 1910 wurde der 16 jabrige Fabrikarbeiter Leonhard
F. in die Klinik aufgenommen. Er gab an, dass er stets gesund war
und dass insbesondere bei seinen Eltern und Grosseltern keine Ge-
schwulstbildungen beobachtet oder entfernt wurden. Im Anschluss
an Diphtherie Ende Dezember’ 1909 bekam er sehr starke Schmerzen
in der Stirnhöhlengegend rechts, ohne dass Nasenkatarrh bestand.
Nach einigen Tagen Schwellung des rechten oberen Augenlids, bald
auch der ganzen rechten Gesichtshälfte und der linken Augengegend.
Nach 6 Tagen ging die Schwellung auf Kamillenteeumschläge bis auf
die Umgebung des rechten Auges zurück, wo sie nur noch am inneren
Augenwinkel stärker hervortrat. Später bildete sich an dieser Stelle
angeblich ein Furunkel, den der zuerst konsultierte Arzt, ein Augen-
arzt, inzidierte. Schwellung blieb aber in der Ausdehnung zurück,
wie sie heute noch besteht (siehe Bild 1). Mitte Januar 1910 arbeitete
Patient wieder, da er keine Schmerzen hatte; nachts machte er
immer Umschläge. Mai 1910 wieder stärkere Schwellung, bald ent-
leerte sich auch spontan Eiter aus dem inneren rechten Augenwinkel.
Hierauf erfolgte die Überweisung an hiesige Klinik.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 6. 89
C!
DQ
ID
Dr. Schwerdtfeger. [2
Bei der Aufnahme klagte Patient über starke Kopfschmerzen
und Schmerzen im rechten Auge; die Nasenatmung sei frei, und in
der Nacht schlafe er auch mit geschlossenem Munde.
Status praesens: Etwas blass aussehender Junge von mittel-
starkem Körperbau und mittlerem Ernährungszustand. Herz und
Lunge gesund. Wachstum, insbesondere das der Extremitäten, regel-
mässig, nirgends knochenartige Auftreibungen. Nur starke Ent-
stellung des Gesichts durch eine Schwellung in der Gegend der Nasen-
wurzel, besonders rechts, die kontinuierlich in das ebenfalls verdickte
und gerötete rechte obere Augenlid übergeht (Abbildung 1). Die
Verdickung an der Nasenwurzel ist knochenhart, Haut darüber ver-
schieblich, nicht druckempfindlich; dagegen wird der Druck auf das
obere Augenlid als ziemlich schmerzhaft empfunden; bei der Palpation
dieser Gegend lässt sich Fluktuation feststellen. Bulbus tritt mässig
hervor und steht weit nach aussen.
Der mittlere rechte Nasengang ist weiter als links, umsomehr
fällt deshalb auf, dass an Stelle der mittleren Muschel ein mit glatter,
geröteter, nicht ulzerierter Schleimhaut überzogener Tumor von
harter Konsistenz sich befindet, der sich fest an das Septum anlegt,
wodurch es wohl zu der bestehenden Deviation des Septums nach
links in der oberen vorderen Partie gekommen ist und der Sonde
der Zugang nach oben versperrt ist. Mässig entwickelte adenoide
Vegetationen gestatten bei der Rhinoskopia posterior nur den Blick
auf die hinteren unteren Muschelenden, an denen nichts Krankhaftes
zu sehen ist. Der Nasenrachenraum ist also frei von Tumor.
Bei der Diaskopie mit der Heryngschen Lampe erscheint die
rechte Kieferhöhle verdunkelt. Über den Befund in den Stirnhöhlen
kann diese Untersuchungsmethode wegen der Schwellung im rechten
Augenwinkel keinen Aufschluss geben. '
` Das Radiogramm im queren Durchmesser zeigt die innere Schädel.
decke als eine normal verlaufende Linie, die die Crista galli, Sella
turcica und Clivus deutlich erkennen lässt; die Wandungen der Keil-
beinhöhle zeichnen sich scharf ab, so dass ein, durch einen soliden
Tumor hervorgerufener, destruierender Prozess weder in ihr, noch im
Bereich der Schädelhöhle vermutet werden kann. Bei den Aufnahmen
im sagittalen Durchmesser, einmal mit Einstellung der Antikathode
vor der Schádelbasis, bzw. vor der Protuberantia occipitalis (nach
Goldmann und Killian wird bekanntlich die Róhre auf die Prot.
occ. eingestellt) das andere Mal wenig hinter ihr, sieht man die rechte
Stirnhöhle gegenüber der linken mässig verdunkelt und intensiven
Schatten über dem rechten Siebbeinlabyrinth, der sich bis in die
rechte Kieferhöhle erstreckt.
3] Beitrag zur Pathologie und Therapie der Chondrome der Nase etc. 583
Augenhintergrund wird als normal befunden. Probeexzision
ergab ein reines Enchondrom (Prof. Merkel). In der Nacht vom
25./26. Juni entleerte sich spontan aus dem oberen Augenlid rechts
Eiter, der dicke, kurze Streptokokken enthielt. Die Deformation ge-
wann dadurch ein anderes Aussehen; während die Auftreibung an
der Nasenwurzel rechts kontinuierlich in die Verdickung des Augen-
lids überging, trat jetzt eine Prominenz unterhalb des inneren Augen-
winkels stärker hervor.
28. VI. Operation in Äther -Chloroform - Morphium - Narkose
(Operateur: Prof. Dr. Denker).
Schnitt durch die rechte Augenbraue und an der rechten Nasen-
seite entlang nach abwärts bis zum knorpeligen Teil der Nase. Zurück-
schiebung der Weichteile, Ligatur der Gefässe. Der Knochen erscheint
am Margo supraorbitalis nicht verändert, dagegen an der lateralen
Nasenseite sehr verdünnt und nahe der Wurzel durchbrochen. Er-
haltung der supraorbitalen Knochenperiostspange. Eröffnung der
Stirnhöhle an dem medialen Teil der vorderen Wand; dieselbe ent-
hält in der oberen Hälfte Granulationen und schleimiges, nicht übel-
riechendes Sekret. Der Boden der Stirnhöble ist von dem Tumor
durchbrochen. Abtragung der knöchernen lateralen Nasenwand, so
dass der Tumor, der hier den Knochen zum Teil schon usuriert hat,
frei zutage tritt. Da es nicht möglich ist, ihn durch die geschaffene
Öffnung nach unten zu abzugrenzen und zu mobilisieren, wird nach
vorausgehender Infiltration der Weichteile (mit Novokain-Suprarenin-
Kochsalzlösung), um grösseren Blutverlust zu vermeiden, die faziale
Kieferwand von der Mundhöhle aus entfernt und wie bei der Radikal-
operation der Nasentumoren nach Denker die mediale Kieferhöhlen-
wand inkl. der rechtsseitigen Apertura piriformis abgetragen. Der
Tumor reicht in die Kieferhöhle hinein. Er wird nun von der oralen
Öffnung aus mit dem Finger und dem Raspatorium allseitig von seiner
Umgebung abgelöst, dann wird die grössere Hälfte durch die orbito-
nasale Wundhöhle entfernt, während ein kleinerer Teil durch die
Kieferhöhle entwickelt wird. Unter Spiegelbeleuchtung wird nun das
Naseninnere nach Tumormassen abgesucht. Dabei zeigt sich, dass
die Lamina papyracea des Siebbeins, das Lakrymale und der grösste
Teil des Orbitalbodens und das innere Drittel des unteren
Orbitalrandes in dem Tumor aufgegangen sind; die Geschwulst ist
zum Teil in das periorbitale Fettgewebe eingedrnngen und wird mit
der Schere daraus entfernt. Am Boden der vorderen Schädelgrube
ist die Geschwulst dem Knochen fest adhärent und hat ihn in der
hinteren Hälfte der Lamina cribrosa durchbrochen, so dass sie der
Dura fest aufsitzt. In der Keilbeinhöhle sind Granulationen, die aus-
39*
584 Dr. Schwerdtfeger. [4
geräumt werden. Das Dach derselben ist so morsch, dass es bei
dieser Manipulation einbricht. Reinigung der Wunde mit physiologi-
scher Kochsalzlósung. Tamponade mit Vioformgaze. Primürer Ver-
schluss der oberen und der oralen Schnittwunde. Feuchter Verband
mit essigsaurer Tonerde.
29. VI. Patient hat nachts gut geschlafen (bekam Morphium
0,01 subk. Temperatur 37%; Puls 116. Mässige Nachblutung bis
gestern Abend 8 Uhr. Heute nur geringer sanguinolenter Sekret-
abguss aus der Nase. Schwellung über der ganzen rechten Gesichts-
hälfte, beiderseits Augenlider stark ödematös, so dass auch das linke
Auge nur ganz wenig geöffnet werden kann. Temperatur abends 38 (i. R.),
Puls 124. Patient fühlt sich heiss an, hat nur wenig Kaffee und
Milch zu sich genommen, die ihm mittelst Kännchen gereicht wurden.
Kopf gut beweglich, äusserst wenig Schmerzen. Zunge stark belegt.
Mund kann nur wenig geöffnet werden.
30. VI. Früh 38°, Puls 116; mittags 38; abends 38, Puls 116.
Befund unverändert. Nacht war ruhig.
1. VII. Schwellung am linken Auge zurückgegangen, ebenso
auch Schwellung über der rechten Gesichtsseite. Rechtes Auge wird
etwas geöffnet. Hat ohne Schlafmittel die ganze Nacht geschlafen.
"Stuhl angehalten. Einlauf, Temperatur 37*, abends 383. Weiterhin
Verbände mit essigsaurer Tonerde.
2. VIII. Patient hatte gute Nacht. Temperatur 37°. Kann
jetzt festere Speisen zu sich nehmen. Verbandswechsel: Kein Fötor
an den Tampons. Nach ibrer Entfernung fast keine Blutung. Rechtes
Auge kann halb geöffnet werden. Äussere Wunde per primam ge-
heilt. Michelsche Klammern werden entfernt. Auch orale Wunde
gut geschlossen. Entfernung der Nähte. Patient hat keine Schmerzen.
Allgemeinbefinden sehr gut.
4. VII. Früh 37?, abends 36?. Schwellung bis auf einen kleinen
Rest über dem Oberkiefer zurückgegangen. Fast keine Entstellung
des Gesichts vorhanden. Nasenspülung mit Borsáure entfernt blutigen
Schleim und Blutkrusten. Borsäureeinblasungen.
7. VII. Keine Schwellung mehr. Allgemeinbefinden sehr gut.
Temperatur normal, 2 ödematöse Fibrome werden aus der rechten
Nase entfernt. Noch viel eiteriger Schleim beim Nasenspülen. Keine
Doppelbilder. i
24. VII. Wird Patient als geheilt entlassen; muss Nasenspülungen
mit Borsäure täglich vornehmen.
1. VIII. Patient stellt sich wieder vor. Noch Krustenbildung
in der Nase. Kein Rezidiv. Ophthalmoskopischer Befund normal
(siehe Abbildung 2, fünf Monate nach der Operation).
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586 Dr. Schwerdtfeger. [6
substanz liegen. Eine besondere Erscheinung möchte ich noch er-
wähnen, auf die (Zieglers Beiträge Bd. 43) Merkel in seiner Arbeit
über die feineren Vorgänge bei der schleimigen Umwandlung in
Knorpelgeschwülsten hingewiesen hat. Mittelst der Doppel-Färbung
mit Kresylviolett, die er als eine exakte Schleimfärbung empfiehlt,
hat er beobachtet, dass ,,die in weiterer Ausdifferenzierung begriffenen
Knorpelzellen stellenweise unter starker Vergrósserung ihres Umfangs
auf Kosten der Grundsubstanz einer allgemeinen schleimigen
Degeneration des Protoplasmas verfallen.“ Da in diesem Falle bei
solchen mit Kresylviolett gefärbten Schnitten ebenfalls solche Gebilde
zu sehen sind, wie sie Merkel beschrieben hat (siehe Abbildung 4a
und b), so kann man hier annehmen, dass der vorliegende Tumor
sowohl durch Auffaserung der Grundsubstanz, als auch durch schleimige
Degeneration des Zellprotoplasmas eine beginnende schleimige Um-
wandlung zeigt.
An einer Stelle des Tumors, die makroskopisch wohl mit Resten
des Siebbeins verwachsen ist, treten mikroskopisch feine spongiöse
Knochenbalkchen auf, die einen ausgesprochenen Osteoblastenbelag
haben und hier findet sich dann lockeres Markgewebe, das reich an
Gefassen ist.
Mit Abbildungen von Chordomen, wie sie von Feldmann,
Fischer und Link vorliegen, haben meine Schnitte nicht die meets
Abnlichkeit (Abbildung 4a).
Anschliessend an diesen Fall móchte ich mich im folgenden unter
besonderer Berücksichtigung des uns interessierenden Gebietes über
die Chondrome verbreiten.
Wenn auch die Chondrome unter den Tumoren hinsichtlich ihrer
Häufigkeit die dritte Stelle einnehmen, so müssen wir sie immerhin
zu den selteneren Geschwülsten rechnen. In einer Statistik von Gurlt
treffen auf 16637 Tumoren nur 136 Chondrome (= 0,8°/o). Unser
Spezialgebiet betreffen hiervon acht Fälle, nämlich einer mit Chondrom
in der Nase und sieben am Oberkiefer und in der Highmorshóhle
(leider fehlen genauere Angaben) Unter 60000 Patienten an der
Wiener Klinik von Prof. Chiari kam nur ein Fall von Chondrom
der inneren Nase zur Beobachtung. In den über 200 Arbeiten über
Chondrome, die in der mir vornehmlich zur Verfügung stehenden Literatur
(Langenbecks Archiv, Schmidts Jahrbücher, Beitráge zur klini-
schen Chirurgie, Zeitschrift für klinische Chirurgie und Archiv und
Zentralblatt für Laryngologie) beschrieben worden sind oder Er-
wühnung finden, werden 41 Fälle von Chondromen (bzw. Osteo-
chondromen und Chondrosarkomen) angeführt, welche in der Nase
oder ihren Nebenhóhlen ihren Ursprung haben oder in diese von den
7) Beitrag zur Pathologie und Therapie der Chondrome der Nase etc. 587
Nachbargebieten aus hineingewuchert sind. Es sind dies die Fälle
von Glas (zwei Fälle), Eskat (zwei), Tichow, Sebileau, Kast-
Recklinghausen, Stern, M. Müller, Lücke-Langenbeck,
Ohlemann, Léon Noel, Heurtaux, Santersohn, Dittel,
v. Volkmann, Hammer, Grohe, Uffenorde und die von letzt-
genanntem Autor noch angeführten Fälle von Richet, Molden-
hauer, Paget, Verneuil, Moore, Morestin, Morgan,
Heath, Denuce, Heyfelder!) und Brian (einschliesslich unseres
Falles), zusammen 31 Enchondrome; ferner Myles, Billroth,
Hoffmann, Trélat-Dobleau = vier Osteoidchondrome, Beco,
Berger, Burger, Kirmisson, Stanley und Schmiegelow
— fünf Chondrosarkome.
Hinsichtlich des Vorkommens dieser Tumoren in einem be-
stimmten Alter lassen sich keine genaueren Angaben machen, da
nicht immer festgestellt ist, wann die Geschwulst zuerst bemerkt
wurde. Im allgemeinen darf man annehmen, dass vorwiegend das
Alter von 10—30 Jahren davon betroffen wird und dass oft mit Be-
ginn der Pubertàt ein schnelleres Wachstum, später manchmal Still-
stand bemerkt wird. In 22 unserer Fälle mit Geschlechtsangabe sind
64°/o Manner und 36°/o Frauen von dem Leiden befallen. Es dürfte
dieser Prozentsatz im allgemeinen Geltung haben, denn unter 80 Fallen
von Chondromen in der Literatur iiberhaupt, bei denen ich eine An-
gabe iiber das Geschlecht gefunden habe, treffen auf Manner 63°/o,
auf Frauen 37 °/o.
In einer Reihe von Fallen treten die Knorpelgeschwiilste als
hyperplastische Chondrome (Eckchondrosen) auf, also an Stellen, die
normalerweise Knorpel enthalten, bei den Röhrenknochen hauptsäch-
lich in der Gegend der Intermediärknorpel, bei den platten Knochen
an den Knorpelfugen; in anderen Fällen als heteroplastische Tumoren
(Chondrome) in Geweben vorkommend, die normalerweise keinen
Knorpel enthalten, so z. B. in Mamma, Hoden, Glandula, submaxillaris
(Borst, Morestin) Parotis (Pirotais) Haut (Dobleau) Delta-
Muskel (Homelt), Zwerchfell (Virchow), Ulterus (Seydel) auch
intraokulär (Chisolm); endlich haben sie den Charakter von hetero-
plastisch gemischten Tumoren in der Niere (Chondromyxosarkom,
Hoisholt), der Harnblase (Osteochondrosarkom, Benecke) und im
Ulterusfibrom (Kworostansky).
In átiologischer Beziehung spielt zweifellos Heredität und Trauma
eine Rolle. So ist auf erbliches Vorkommen u. a. von O. Weber
!) Ob dieser Fall identisch ist mit dem von Lücke-Langenbeck konnte
ich nicht feststellen.
588 Dr. Schwerdtfeger. [8
und Läwen hingewiesen worden; in dem speziellen Falle von Kast-
Recklinghausen, bei dem ausser Rumpf und sämtlichen Extremi-
täten auch alle Gesichtsknochen von der Neubildung befallen waren,
waren bei dessen Bruder ebenfalls Chondrome, wenn auch in geringerer
Ausdehnung und nicht am Kopf, konstatiert worden. Ein einwand-
freier Fall von Nasenchondrom, bei dem ein gleichgeartetes Leiden
familiär gewesen wäre, findet sich nicht beschrieben.
Trauma als Entstehungsursache wird in einer Statistik von Wolf
aus der Berliner chirurgischen Universitätsklinik angeführt, in der
unter 574 Tumoren 18 Enchondrome vorkamen, wovon 33°/o auf ein
Trauma zurückgeführt werden, und in einer solchen von Liebe aus
der Strassburger Klinik (348 Geschwülste, darunter 7 Enchondrome)
sogar 42 °/o. Virchow waren bis 1870 12 Fälle von Enchondromen,
durch Trauma entstanden, bekannt. In einer Statistik von Löwen-
thal aus dem Münchener pathologischen Institut über 800 durch
Trauma entstandene Tumoren kommen auf Karzinom 358 — 44,7°/o,
auf Sarkom 316 = 39,5°/o und Chondrom 27 = 0,8°/o, wobei von
den letzteren keines am Kopf gefunden wurde. Bei sämtlichen Chon-
dromen der Nase und ihren Nebenhöhlen wird Trauma als ätiologi-
sches Moment nicht erwähnt.
Mehr oder minder tragen den beiden genannten Faktoren,
Trauma und Heredität, die Hypothesen über die Entstehung der
Knorpelgeschwülste Rechnung. O. Weber spricht sich besonders für
eine erhebliche Prädisposition der Gewebe aus. Virchow vermutet
in Unregelmässigkeiten bei der ersten Entstehung der Knochen eine
Prädisposition zur späteren Geschwulstbildung und zwar glaubt er,
„dass gelegentlich in dem wachsenden Knochen einzelne Fragmente
von der ursprünglichen Knorpelanlage unverknöchert übrig bleiben,
die später der Ausgangspunkt der Geschwulstentwicklung werden.“
Borst sagt, man müsse auch daran denken, dass „bei der primären
Anlage des Skeletts und während der embryonalen Wachstumsperiode
Störungen eintreten, die später der Ausgang solitärer und multipler
Chondrome werden.“ Im Sinne der Cohnheimschen Theorie der
fötalen Geschwulstanlage (durch versprengte Gewebskeime) spricht
sich Glas auf Grund der mikroskopischen Untersuchungen zweier
Nasenchondrome aus. Er sagt: ,...... Diese Momente (Säulen- .
bildung, Knorpelbildung der Grenzschicht, Bildung grossblasiger
Knorpelpartien, Vordrängen mesodermaler Gewebsanteile) weisen im
Verein mit den an embryonalen Knorpel erinnernden Bildern (Mangel
an Grundsubstanz, in lebhafter Teilung begriffene Zellen, dichtes
Aneinanderlagern der Membranen) auf starkes Wachstum!) des an
!) , Auf gewisse Reize hin" bemerkt der Autor an einer anderen Stelle.
9] Beitrag zur Pathologie und Therapie der Chondrome der Nuse etc. 589
den Vorknorpel erinnernden Tumors hin.“ Im Anschluss hieran zitiert
er die fiir die Wahrscheinlichkeit seiner Anschauungen sprechenden
Arbeiten von Leopold und Ehrlich. Ersterer konstatiert, dass
transplantierter Knorpel um so besser wuchert, je jünger das embryonale
Stadium ist, in dem er transplantiert wird; er zeigt, dass fötaler
implantierter Knorpel sich um das 200—300 fache der ursprünglichen
Grösse vergrössern und eine echte Geschwulst, das Enchondrom,
. hervorbringen kann. Ehrlich, dem es gelungen, aus einer Maus-
geschwulst ein echtes Chondrom überzuimpfen, glaubt in dem
embryonalen Charakter des Chondroms das wesentlichste Moment
für die Erklärung dieser Transplantationsfähigkeit zu erblicken. Die
neueste Anschauung geht dahin, einen Teil der Chondrome als meta-
plastische Tumoren anzusehen, deren Entstehung auf einer Umwand-
lung des Bindegewebes in Knorpelgewebe zurückzuführen ist.
Lubarsch schreibt: ,...... Dagegen scheint mir die Fähigkeit
der metaplastischen Umwandlung aller Bindegewebsarten in Knorpel-
gewebe schon deswegen sicher, weil an dem Übergang von Binde-
gewebe nicht zu zweifeln ist. Ob aber Knochen oder Knorpelgewebe
sich bildet, hängt im wesentlichen von äusseren, mechanischen
Momenten ab (Beanspruchung einer mit Elastizität gepaarten Streck-
festigkeit) Daher sind auch die Fälle von Enchondromen der Mus-
kulatur als metaplastische Neubildungen aufzufassen.‘ Dass Binde-
gewebe sich in Knorpel umwandeln kann, wurde ja schon öfter be-
obachtet (Wartmann, R. Spuler). Einen experimentellen Beitrag
über multiple Chondrome, der für die metaplastische Entstehung ver-
wertet werden kann, bringt Helmholz, der bei Gelegenheit einer
Reihe von Injektionsversuchen mit Farbstofföl an den Ohren von
Kaninchen des öfteren das Auftreten von zahlreichen, kleinen,
isolierten Knorpelinseln innerhalb des Bindegewebes beobachtet hat.
Er hält es für unmöglich, dass die Tumoren durch Verletzung des
Knorpels (mit der Injektionsnadel) oder verschleppte Perichondrium-
teilchen entstanden sein können, und ist der Ansicht, dass das im
Reizungszustand befindliche Perichondrium sehr stark wuchere und
zwar in Form grosser Mengen fibrillären Gewebes, und dass dies
Gewebe hier und da wieder Knorpelinseln entstehen lasse.
Was die Symptome anlangt, die beim Sitz der Chondrome in
der Nase und ihrer Nebenhöhlen auftreten, so sind dieselben ganz
von der Lokalisation und der Ausdehnung der Tumoren abhängig.
Wenn sie in der Kieferhöhle entstehen, können zuerst Gesichts-
neuralgien auftreten (Kirmisson), oder Erscheinungen von seiten des
Auges, wie Flimmern im Auge, Abnahme der Sehkraft (Kompressions-
atrophie), Doppelsehen, Prominenz des Augapfels und Schwellung der
590 Dr, Schwerdtfeger. [10
Lider. Entwickelt sich der Tumor mehr nach dem Naseninnern zu
oder entsteht er am Septum (Moldenhauer und Richet), oder
wie am häufigsten im Siebbein (wie wohl auch in unserem Falle),
so wird zuerst über Kopfschmerzen und Nasenkatarrh, bald aber über
Verlegung der Luftpassage, Geruchstörungen und intra- und extra-
orbitale Schädigungen mit ihren Folgeerscheinungen geklagt. Es
kann sogar, wie im Falle von Müller zu anfallsweise auftretender
Sommolenz und klonischen Krämpfen in den Gliedern kommen. Trotz
der relativen Grösse des Tumors in unserem Falle, haben sich zuerst
Augenbeschwerden eingestellt, während noch die Nasenatmung beider-
seits vollkommen frei war. Dagegen hat sich bald eine Deformation
des Gesichts gezeigt, wie auch aus der Abbildung 1 ersichtlich, und
zwar hauptsächlich unterhalb des inneren Augenwinkels. Ich möchte
besonders darauf aufmerksam machen, da Glas (Beitrag zur Patho-
logie der Nasenchondrome und der inneren Nase) diese Gegend als
Prädilektionsstelle des Durchbruchs der Geschwülste bezeichnet. Er
sagt: „Diese Usur findet ebenso wie bei den malignen Tumoren vor-
züglich unterhalb des inneren Augenwinkels statt und erfolgt im
Gebiete des Processus nasalis des Oberkiefers oder von innen vom
vordersten Gebiete der Lamina parpyr. aus."
Da bald nach dem Auftreten der Kopfschmerzen in unserem
Falle die Deformation sichtbar wurde, ohne dass über behinderte
Nasenatmung geklagt wurde, so móchte ich bei der Schilderung der
Symptome nicht an der bekannten Einteilung Siccards in vier
Stadien, Entwicklung, Periode der respiratorischen Stórungen, der
Deformation und endlich der Kachexie festhalten, soweit die Tumoren
nicht ausschliesslich in der Nase ihren Sitz haben, zumal auch Fälle
auftreten, in denen Neuralgien und Kephalagien fehlen und respira-
torische Stórungen allein das erste Symptom sind. Wie schon be-
tont, werden die Symptome je nach der verschiedenartigen Lokali-
sation verschieden sein.
Die Feststellung der Diagnose wird kaum gróssere Schwierig-
keiten machen, ausgenommen den Fall, dass das Chondrom sich in
der Kieferhóhle entwickelt. Ist der Tumor in der Nasenhóhle sicht-
bar, so prüfen wir mit einem Nadelstich die Konsistenz. Osteome
sind dann beim Eindringen der Nadel auszuschliessen. Der Tumor
ist immer von glatter, rótlicher Schleimhaut überzogen und weist,
wenn keine maligne Entartung vorliegt, keine Ulzerationen auf.
Anamnestisch wird sich auch ergeben, dass besondere Blutungen aus
der Nase nicht beobachtet worden sind. Im allgemeinen wird das
Wachstum ein langsames gewesen sein, in einigen Fällen finden wir
freilich die Angabe, dass schon zwei Jahre nach Beginn der Krank-
11] Beitrag zur Pathologie und Therapie der Chondrome der Nase etc. 591
heit trotz wiederholter Operationen der Tod erfolgt ist oder wegen
des rapiden Wachstums von weiterer radikaler Entfernung Abstand
genommen worden ist (Billroth, Stern, Glas). In den meisten
Fallen wird die Probeexzision Klarheit bringen. Entwickelt sich
freilich das Chondrom in der Kieferhóhle und lóst nur Erscheinungen
von Neuralgien und Kephalalgien aus, und ist das Naseninnere noch
von normalem Aussehen, so wird man ohne Eróffnung der Kieferhohle
sich mit der Diagnose auf einen Tumor zufrieden geben müssen, falls
die bekannten Untersuchungsmethoden, Diaskopie und Röntgenbild
zugleich mit negativem Befund bei der Probeausspülung uns einen
solchen vermuten lassen. Chondrome der Stirnhöble finden sich nicht
beschrieben.
Bei der Stellung der Diagnose ist daran zu denken, dass auch
ein Chordom vorliegen kann, wenn ein Tumor sich vom Rachendach
nach vorne zu entwickelt. In einem Fall von Chordom, bei dem
der Tumor bis zur Keilbeinhóhle vorgedrungen war und den Tod des
Patienten herbeigeführt hatte, ergab die Probeexzision ein Chondrom
und erst spáter ergab eine genauere Untersuchung ein Chordosarkom
(Fischer).
Handelt es sich um maligne Entartung des Chondroms, so ist
von vorneherein die Prognose ungünstig zu stellen. Aber auch
dann, wenn ein reines Chondrom konstatiert ist und der Tumor so-
mit als histologisch gutartig angesehen wird, muss die Prognose als
meistens infaust hingestellt werden. Wenn auch die Chondrome der
Nase und ihrer Nebenhöhlen kaum eine solche Dimension annehmen
kónnen, wie an anderen Kórpergegenden — ich erinnere hier nur
an den wohl einzig dastehenden Fall von Carpenter, der einem
40jährigen Mann ein seit zehn Jahren bestehendes Enchondrom am
Femur entfernte, das 941/s Pfd. wog, dagegen der Patient nur 85 —
‘so sind doch schon hier Tumoren bis Mannkopfgrösse (Heyfelder)
beobachtet worden. Vielfach die Grösse, besonders aber der Ort der
Ausdehnung wird für den Kranken gefährlich, wobei in erster Linie
auf den Kausalzusammenhang von der Erkrankung der Nasenneben-
höhlen und denen der Orbita hingewiesen werden muss. Über Schädi-
gungen des Auges bis zur Phthisis bulbi ist von Kast-Reckling-
hausen und Hammer berichtet worden. Dann bedeutet auch die
Entwicklung an der Schädelbasis ein sehr ernstes Leiden. In einem
Fall (Léon Noel) war das Chondrom entlang der Schädelbasis vor.
gedrungen und hatte wahrscheinlich durch Verdrängung des ver-
längerten Markes den Tod des Patienten herbeigeführt.
Vielfach hat man angenommen, dass eine sekundäre Verbreitung
in die inneren Organe durch Embolie stattfinden kann (OÖ. Weber,
592 Dr. Schwerdtfeger. (12
Virchow); in neuester Zeit bestreitet aber Petit die Möglichkeit
der Metastasenbildung und glaubt, dass in solchen Fällen kein reines
Chondrom, sondern ein Chondrosarkom vorgelegen habe. Für die
Stellung der Prognose fällt jedenfalls am meisten die Neigung zu
Rezidiven ins Gewicht, die in sehr vielen Fällen beobachtet wurde,
und die Rezidive der Chondrome pflegen, wie auch Glas
betont, erfahrungsgemäss bösartiger zu sein, als es die
primären Geschwülste waren.
Die Therapie wird nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn
der Tumor möglichst radikal entfernt wird, ebenso, wie wenn es sich
um ein malignes Neoplasma handeln würde. Ich habe in der Literatur
keinen Fall von Enchondrom des Siebbeins finden
können, der nach der Operation dauernd geheilt blieb.
Diese ausgesprochene Neigung zu Rezidiven mag wohl, wie Glas
glaubt, davon herrühren, dass eben infolge des durch die Operation
gesetzten Reizes ein intensives Wachstum des Knorpelgewebes an-
geregt wird. Auf die verschiedenen Operationen, die zur Entfernung
von Tumoren in unserem Spezialgebiet in Anwendung kommen, möchte
ich nicht weiter eingeben. Uffenorde hat sie in seiner Arbeit über
die Chondrome ausführlich beschrieben und gewürdigt. Doch möchte
ich nicht versäumen, besonders hervorzuheben, dass bei der Wahl
des Operationsverfahrens der Weg, den uns das Skiagramm zeigt,
die weitestgehende Berücksichtigung verdient. Was unsern Fall be-
trifft, so hat der eingeschlagene Weg, der eine Kombination der
Killianschen Stirnhöhlenoperation mit der Denkerschen Tumoren-
operation darstellt, den Vorzug grösster Übersichtlichkeit gehabt und
zugleich ermöglicht, den Tumor mitsamt der direkten Umgebung aus-
zulösen, ohne in kosmetischer Hinsicht dem Patienten einen Nachteil
zu bringen. Dem Verdacht auf ein Stirnhöhlenempyem, der durch
das Röntgenbild begründet gewesen ist, hat man gleich im Anfang
der Operation Rechnung getragen, wobei nur die Killiansche
Operation in Frage gekommen ist. Während der Operation hat sich
gezeigt, dass der Tumor auch in die Kieferbóhle hereingewachsen
war, was nach dem Röntgenbild ebenfalls hat vermutet werden können,
und es ist der orale Zugang unter Fortnahme der fazialen Kiefer-
höhlenwand der geeignetste gewesen, um sich über die Ausdehnung
des Tumors nach dieser Richtung hin Klarheit zu verschaffen.
An dieser Stelle möchte ich noch Gelegenheit nehmen, kurz auf
einen Punkt der Ausführungen Uffenordes einzugehen. Er gibt
zu, dass die Denkersche Tumorenoperation (Münchner med. Wochen-
schrift 1906 Nr. 20) zweifellos bei ernsten Kieferhöhlenerkrankungen,
besonders Tumoren und Tuberkulose der medialen Wand grosse Vor-
13] Beitrag zur Pathologie und Therapie der Chondrome der Nase etc. 593
züge besitzt; er glaubt aber, dass bei Beteiligung oder Ergriffensein
des Siebbeins die Ubersichtlichkeit im oberen Infundibularteile, be-
sonders aber überhaupt die Zugänglichkeit der vorderen Siebbein-
zellen beim Denkerschen Verfahren erschwert, ja unmöglich ist.
Bei einer grösseren Reihe in den letzten Jahren ausgeführter Tumoren-
operationen haben wir unser besonderes Augenmerk auf die Freilegung
der vorderen Siebbeinzellen gerichtet; es hat sich aber herausgestellt,
dass die von Uffenorde angenommenen Schwierigkeiten in der Tat
nicht vorhanden sind; jedenfalls gelingt auch die Ausräumung der
vorderen Siebbeinzellen mindestens ebensogut, wie wenn sie von oben-
her vorgenommen wird, vorausgesetzt, dass ein genügender Teil des
Processus frontalis des Oberkiefers und des Os nasale von der
Apertura piriformis aus weggenommen worden ist.
Es bleibt noch abzuwarten, ob auch in diesem Falle, der fünf
Monate ohne Rezidiv geblieben ist und bei dem auch nicht der leiseste
Verdacht auf ein Rezidiv besteht, eine Dauerheilung nicht zu erzielen
ist und Glas somit Recht bekommt, wenn er sagt, dass die Tumoren
der inneren Nase, zumal jene, die in der obern Etage (Siebbein-
gegend) ihren Ursprung nehmen, radikal nicht zu beseitigen sind.
Zum Schlusse móchte ich Herrn Prof. Denker für die gütige
Überlassung des Falles und die Unterstützung bei Abfassung der
Arbeit meinen verbindlichsten Dank aussprechen.
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Goldmann u. Killian, Über die Verwendung der X-Strahlen für die Bestim-
mung der nasalen Nebenhóhlen und ihrer Erkrankungen. Beiträge zur klin.
Chir. Bd. 57.
Denker, Ein neuer Weg für die Operation der malignen Nasentumoren. Münch.
med. Wochenschr. Nr. 20. 1906.
Aus der Kgl. Universitäts-Poliklinik für Ohren-, Nasen- und Hals-
kranke in Göttingen. (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Bürkner.)
Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlen-
erkrankung.
Von
Dr. W. Uffenorde, Privatdozent.
Mit 5 Textabbildungen und 7 Tafeln.
— —— — —
A. Allgemeines. Über die Einteilung der in Frage kommenden
Fälle.
Längst haben die Rhinologen sich daran gewöhnt, dass die
Diagnose und Therapie der Nasennebenhöhlenerkrankungen geradezu
in den Vordergrund ihres klinischen Interesses gerückt sind. Da die
Forschung auf diesem Gebiete zweifellos, nicht am wenigsten durch
die entwicklungsgeschichtlichen Erkenntnisse eine glückliche ge-
wesen ist, so hat sie in verhältnismässig kurzer Zeit viel erreichen
können. Dadurch ist es erklarlich, wie bald die Grenzgebiete, die
Folgeerscheinungen von Nebenhóhlenentzündung in Endokranium und
Orbita immer mehr in die Behandlung der Rhinologen gekommen sind,
wodurch wiederum eine rationelle Beobachtung ermöglicht, und immer
mehr Licht in diese Verhältnisse geworfen worden ist. Die Literatur
und die Bearbeitung des vorliegenden Themas ist denn auch in den
letzten Jahren in fast ungealınter Weise angewachsen, die reiche
Kasuistik ist in vielen einschlägigen Monographien zusammengetragen,
auf welche ich verweisen möchte. |
Berger und Tyrman, die Krankheiten der Keilbeinhóhle und
des Siebbein-Labyrinthes und ihre Beziehungen zu Erkrankungen des
Sehorgans. Wiesbaden.
Kuhnt, über die entzündlichen Erkrankungen der Stirnhóhlen
und ihre Folgezustànde, Wiesbaden, — Hajek, Pathologie und
Therapie der entzündlichen Erkrankungen der Nebenhóhlen der Nase.
Leipzig und Wien 1909, — Onodi, der Sehnerv und die Neben-
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 6. 40
598 W. Uffenorde. [2
hóhlen der Nase, Wien und Leipzig, — Uffenorde, die Er-
krankungen des Siebbeins, Jena 1907, — Gerber, die Komplikationen
der Stirnhöhlenentzündungen, Berlin 1910, — R. Hoffmann, über
entzündliche Affektionen in der Orbita und am Auge im Gefolge von
Eiterungen der Nebenhóhlen der Nase unter Mitteilung eigener
Beobachtungen u. a. m.
In diesen Schriften sind auch die zahlreichen Referate und kleinen
Abhandlungen berücksichtigt worden.
Es kommt mir bei dieser Veröffentlichung besonders in bezug auf
die orbitalen Komplikationen nicht sowohl darauf an, eine umfassende
und erschöpfende Bearbeitung des Themas unter Verwertung der vor-
liegenden Literatur zu bringen, als vielmehr unter Hinweis auf die
namhaft gemachten Bücher unsere speziellen Erfahrungen, die ver-
hältnismässig zahlreich genannt werden können, auf Grund der z. T.
sehr interessanten Fälle mitzuteilen. Da mehrere spezielle Einzel-
beiten Neues bieten, und andererseits besonders die von uns in einigen
Fällen erkannten Beziehungen von den Nebenhöhlenentzündungen zu
der retrobulbären Optikusneuritis, obne dass symptomatisch aus-
gesprochene Nebenhöhlenaffektionen bestanden, sehr beachtenswert
erschienen, so glaubten wir hier Mitteilung davon machen zu sollen.
Es ist wohl kaum zu verkennen, dass besonders erst durch das
Zusammengehen von Ophthalmologen und Rhinologen eine fruchtbare
Arbeit auf dem vorliegenden Gebiete ermöglicht worden ist, so dass
jetzt erst eine rationelle Diagnostik und Therapie und die daraus
ohne weiteres resultierende Verbesserung der Prognose besonders der
orbitalen Komplikationsformen eingesetzt hat, — ja einsetzen konnte.
Dieses ist ja genugsam von beiden Seiten betont. In höchst erfreu-
licher Weise herrscht auch in Göttingen zwischen den beteiligten beiden
Kliniken ein reger Krankenaustausch, so dass wir in kurzer Zeit eine
ansehnliche Zahl von einschlägigen Fällen gemeinsam beobachten
konnten, die dem Nachstehenden zugrunde gelegt und unter Be-
nutzung der ophthalmologischen Befunde, die mir in freundlicher
Weise von Herrn Geheimrat v. Hippel zur Verfügung gestellt worden
sind, behandelt werden sollen.
Ein paar besonders lehrreiche Fälle habe ich auch mit Herrn
Dr. Veith, Augenarzt, gemeinsam gesehen; auch Herr Kollege
Veith bat mir liebenswürdigerweise seine genauen Aufzeichnungen
überlassen.
Ihnen wie auch Herrn Prof. Schieck, der sich vom ophthalmo-
logischen Standpunkte bereits über die fraglichen Fälle von rhinogener
Optikusneuritis vorbereitet hat, dem ich viel Anregung verdanke,
3] Komplizierte Fálle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 599
und mit dem ich über die Fàlle oft ausgetauscht habe, sage ich auch
hier meinen besten Dank.
Wir Rhinologen dürfen ja gewiss nicht verkennen, dass wir bei
dem gemeinsamen Arbeiten den grösseren Vorteil ernten, da fast alle
solche Fälle naturgemäss die Augenklinik um Hilfe bitten und so
uns erst von dort überwiesen werden müssen. Andererseits bedürfen
die einschlägigen Fälle schon deshalb der Hilfe des Rhinologen, weil
man einmal aus dem Befund in der Orbita nicht ohne weiteres, selbst
wenn eine Nebenhöhlenentzündung als induzierende Erkrankung an-
gesehen wird, diese lokalisieren kann, und weil andererseits durchaus
nicht alle Fälle von Nebenhöhlenkomplikation ohne weiteres von aussen
operiert werden müssen, sondern öfter endonasale Massnahmen oder
Eingriffe sehr wohl auch die Folgeerscheinungen in der Augenhöhle
zum Schwinden zu bringen vermögen, Darüber herrscht jetzt nahezu
einstimmige Auffassung in den beteiligten Kreisen. Dass die Fälle
nicht so selten sind, beweist die grosse Zahl, die in dem Folgenden
besprochen wird. Dass diese Fälle gerade bei uns so häufig sind,
findet wohl in dem Krankenmateriale eine Erklärung. Das zum
grossen Teil ländliche Klientel der hiesigen Kliniken ist weniger
ängstlich um seine Gesundheit besorgt, ist oft ziemlich schwerfällig
und lässig, es sucht viel später den Arzt auf und selbst, wenn der
behandelnde Arzt die Patienten der Spezialklinik überweisen will,
wird noch jetzt öfter mit dem törichten Widerspruch des Patienten
zu rechnen sein. Ganz anders geartet ist im allgemeinen das städtische
oder gar grossstädtische Publikum in dieser Beziehung. Es sucht
meistens viel leichter schon wegen geringer Krankheitserscheinungen
den Arzt auf, wozu ja auch gerade hier die soziale Einrichtung des
Kassenwesens und der Polikliniken nicht unwesentlich beitragen wird.
So ist es auch z. T. dadurch erklärlich, dass Brühl unter 35000
Ohren-, Nasen-, Halskranken keinen Todesfall infolge einer Neben-
höhlenerkrankung und überhaupt nur einmal bei einer Stirnhöhlen-
eiterung eine latente, intrakranielle Erkrankung sah (Heymanns
Festschrift, Zeitschrift für Laryngologie und Khinologie. I. 6),
während wir diese Komplikationen unverhältnismässig viel häufiger
sehen. Dabei ist allerdings wieder hervorzuheben, dass uns die sehr
frequentierte hiesige Augenklinik alle einschlägigen Fälle über-
wiesen hat,
Für die Überlassung der Krankengeschichten von unseren Fällen
bin ich Herrn Geheimrat Bürkner sehr dankbar.
Die Beziehungen der retrobulbären Neuritis zur Entzündung der
Nasennebenhöhlen hat vom ophthalmologischen Standpunkt aus
Schieck schon an anderer Stelle beleuchtet (Schieck, die ätiologi-
40*
600 W. Uffenorde. [4
schen Momente der retrobulbáren Neuritis, v. Graefes Arch. f. Ophth.
LXXI Bd. 3. Hft.. Diese Fälle sind sehr beachtenswert, weil bei
ihnen die Lage des N. opticus zu den hinteren Nasenhóhlen so aus-
gesprochen zur Geltung kommt, wie sie besonders durch die ein-
gehenden Untersuchungen von Onodi (Der Sehnerv und die Neben-
hóhlen der Nase. Wien und Leipzig 1907) aufgedeckt sind. Aller-
dings ist ohne weiteres zuzugeben, dass diese Anschauungen mikro-
skopisch noch nicht sichergestellt sind, also des im allgemeinen erforder-
lichen exakten Nachweises noch entbehren. Sie fussen nur einerseits auf
der Kenntnis der anatomischen und topographischen Beziehungen und
der zirkulatorischen Verhältnisse, andererseits auf der klinischen
Beobachtung und Erfahrung; die Auffassung über die Pathogenese
ist nur aus Analogieschlüssen gewonnen. Wird sie auch schon da-
durch als im hohen Masse wahrscheinlich anzusehen sein, so ist
doch, besonders im einzelnen Falle, natürlich Vorsicht geboten,
und genügende Berücksichtigung von anderen möglichen ätiologi-
schen Momenten: multiple Sklerose, Myelitis u. a. erforderlich. Die
für die exakte Klärung der Pathogenese der Optikusaffektion er-
forderliche histologische Untersuchung von einschlägigen Fällen
wird man, da es sich nur selten in unseren Fällen um ernste
Leiden dabei handelt, nur sehr schwer und nur durch Zufall erreichen
können. Experimentelle Untersuchungen werden uns hier wegen der
verschiedenen morphologischen Verhältnisse bei Mensch und Tier
voraussichtlich nicht weiter bringen können. Angesichts dessen sind
wir auf weitere möglichst genaue klinische Beobachtungen angewiesen,
die am dankbarsten die weitere Forschung befruchten werden, wenn
Ophthalmologe und Rhinologe hierbei zusammenarbeiten.
Um die anatomischen Verhältnisse in der Tiefe der Orbita zu
beleuchten, kann ich am besten Figur 858 aus dem bekannten
Spalteholzschen Atlas hier einfügen. Die Durchtritte der Nerven und
Gefässe, die Muskelansätze sind darauf besonders berücksichtigt worden
(s. Fig. 1, Taf. XXVI). Ich habe weiter von einem interessanten Präparate,
wo der N. opticusinengste Beziehungen sowohl zur Keilbeinhöhle als auch
zu den hinteren Siebbeinzellen tritt, Gesamtdurchschnitte gemacht, um
am mikroskopischen Präparate die Verhältnisse zu beleuchten (s. Fig. 2,
Taf. XXVI). Ganz besonders möchte ich bei Bewertung dieser fraglichen
Ätiologie von Nasennebenhöhlenentzündung für die retrobulbäre Neuritis
hervorheben, dass nur eine wirklich exakte Untersuchung der Nase hier
als massgebend angesehen werden kann. Es ist nicht zu verkennen, dass
diese noch keineswegs allgemein genug zur diagnostischen Beurteilung
genügend ausgeübt wird. Neben der Rhinoscopia anterior und
posterior, der Untersuchung mit der Sonde, eventuell unter Anwendung
5] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 601
von Kokain und Paranephrin oder dergleichen ist auch die Rhinoscopia
media meist unerlässlich. Nicht nur die Fälle, wo die Nase von
eiterumspülten Polypen erfüllt sind, oder wo die Eiterstrasse aus
einem der Nasengänge herabkommt, sind als hierher gehörige anzu-
sehen, sondern man wird auch oft bei Fehlen von ausgesprochenen
Symptomen und Zeichen der Nebenhóhlenaffektion bei einfacher Inspek-
tion in der Haupthóhle, nach Infraktion der mittleren Muschel sichere
Anhaltspunkte für die Entzündung einer Nasennebenhóhle gewinnen
konnen. Selbstverstandlich wird man die Infraktion der mittleren
Muschel nur dann machen, wenn der mittlere Nasengang nicht ge-
nügend übersichtlich ist, was ja aber meistens der Fall ist. Weiter
muss man sehr wohl berücksichtigen, dass der Schnupfen, der die
orbitale Komplikation von der Nebenhöhlenentzündung aus induziert
hat, bereits im wesentlichen abgeklungen sein kann, wenn seitens des
sekundär affizierten Optikus sich Symptome bemerkbar machen. Ja
man kann wahrscheinlich oft keinen wesentlichen Befund mehr z. Z.
in der Nasenhöhle erheben. Diese Erfahrungen werden verstandlich
durch folgende Erwägungen und Erkenntnisse. Einmal zeigen uns
unsere pathologisch anatomischen und klinischen Untersuchungs-
resultate, dass ziemlich oft bei heftigen akuten Rhinitiden die Neben-
höhlen mehr oder weniger mitbefallen werden, wie das in ähnlicher
Weise ja auch für das Mittelohr feststeht. Andererseits wissen wir
auch, dass eine solche frische Entzündung in der Haupthöhle, wo
meist relativ günstige Umstände vorliegen, zurückgehen kann, während
sich trotz der ausgesprochenen Tendenz zur Spontanheilung der
Rückgang der Entzündung in der Nebenhóhle ganz oder teilweise
verzogern kann, oder aber auch, dass sich die Entzündung stabili-
sieren und zur chronischen werden kann. Es wird so also sehr wohl
die Folgeerscheinung am Optikus erst dem Patienten zum Bewusstsein
kommen kónnen, wenn in der Haupthóhle nicht mehr ausgesprochene
Veränderungen sichtbar sind. Auch kann die Nebenhöhlenaffektion
erst auf der Hóhe des Schnupfens sich allmáhlich entwickeln und so
zeitlich nach diesem zur Geltung kommen.
Schliesslich muss ich noch nach meinen klinischen Erfahrungen an-
nehmen, dass nicht nur schwere oder gar besonders schwere Entzündungen
der Nasenhöhle die Nebenhöhlen in Mitleidenschaft ziehen. Vor allem
aber handelt es sich nicht etwa nur um eiterige Infektionen mit besonders
virulenten Erregern, die Komplikationen setzen, sondern es kann auch
bei Entzündungen, wo nur schleimig-eiteriges Sekret auf der Höhe
der Affektion abgesondert wird, welches bald in die serös-schleimige
Konsistenz übergeht, bei ungünstigen morphologischen Verhältnissen,
und darauf wird es vornehmlich ankommen, zur Beteiligung der
602 W. Uffenorde. [6
Nebenhóhlen und von dort aus zur orbitalen Komplikation kommen.
Die gerade in diesen Fállen oft zu beobachtende stark sulzige Schwel-
lung der Ethmoidal- oder Sphenoidalschleimhaut wird bei Vorhanden-
sein der begünstigenden anatomischen Verhältnisse das kollaterale
Stauungsódem um die Optikusscheide verursachen, worum es sich
in den Fällen von retrobulbärer Optikusneuritis voraussichtlich meist
handeln wird. Wie hochgradig in Fällen von auch harmloserer akuter
Rhinitis die Nasennebenhöhlenschleimhaut anschwellen kann, habe ich
sehr schön wiederholt in den Fällen beobachten können, wo wir
wegen chronischer Ethmoiditis hyperplastica die Siebbeinzellen mit
Polypenbildung bis ins Normale entfernt hatten. Hier schwoll dann
bei einem später akquirierten akuten Schnupfen die vorher als normal
erkannte Schleimhaut der eröffneten Zellen stark an, so dass das
Lumen von diesen sulzigen grauen Massen vollkommen verödet war.
Nicht selten sieht man sofort wahre Polypen herabhängen, die sich
allerdings meist ganz spontan wieder zurückbilden. Dass diese Schwel-
lungen einen respektablen Druck auszuüben vermögen, davon weiss
jeder ein Lied zu singen, der bei einem ordentlichen Schnupfen ein-
mal eine Beteiligung der Nebenräume, besonders des Siebbeins, an
sich selbst verspürt hat. Keineswegs braucht diese Ethmoiditis z. B.,
auch oft Sinuitis maxillaris u. a. eiterig zu sein, sie ist es oft nicht,
auch bei einem heftigen eiterigen Schnupfen. Dafür habe ich mehrere
sichere Belege. Die sulzige Schwellung ist dann meist, jedenfalls
vorübergehend, so stark, dass von einem Lumen der Höhle keine
Rede ist. Ein Ausschneuzen von glasigem bernsteingelben Sekret
neben dem eiterigen Sekret deutet ohne weiteres auf die Nebenliöhlen-
beteiligung hin.
Auch von Paunz (über rhinogene Sehnervenentzündung, Arch.
für Augenheilkundd. Bd. LXI. S. 369 1908), von Baumgarten
und von Fuchs-Hajek, Lehrbuch der Augenheilkunde 1905, von
Guttmann, Zeitschr. f. Augenhkd. 15, H. 5, Fall 2, S. 404,
Birch-Hirschfeld, (3 Fälle, klin. Monatsch. f. Augenhkd. 5, 1908,
S. 1), werden Fälle von Ethmoiditis hyperplastica, die zur retrobul-
bären Sehnervenentzündung geführt haben, namhaft gemacht. Aller-
dings handelt es sich hierbei um chronische Nebenhöhlenentzündung,
was jedoch in bezug auf die Genese der Komplikation gleichbedeutend
ist. Da die Komplikationen auch in solchen Fällen meist nach einer
akuten Exazerbation aufzutreten pflegen, kann es in diesen wie in
den ganz akuten Fällen zunächst vorübergehend oder dauernd zu einer
mehr oder weniger eiterigen Entzündung kommen. Aber auch hier
wird keineswegs nur etwa durch Knocheneinschmelzung die Komplikation
heraufbeschworen werden, vielmehr wird auch hier durch die stärkere
7] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 603
Anschwellung der Schleimhaut mit der Druckerhöhung und der da-
durch verursachten Stauung die Neuritis optica z. B. hervorgerufen
werden. Solche Fälle sind ja nach Empyem der hinteren Zellen oder
der Keilbeinhöhle nicht selten in der Literatur mitgeteilt und von
Onodi zusammengestellt worden. Auch Guttmann (Deutsche med.
Wochenschr. 25 1910) berichtet neuerdings über 2 Fälle, wo nach
endonasaler Eröffnung eines Keilbein-Siebbeinempyems die Optikus-
neuritis zurückging. Ineinem Falle bestand beiderseitige Optikusneuritis
bei einseitiger Eiterung. Diese Verhältnisse sind ja von Onodi er-
klärt worden, hier ist eine hintere vorgeschobene Siebbeinzelle aufbeiden
Seiten vom Optikus begrenzt. Ich konnte auch ein solches Präparat mit-
teilen. Späterhin, nach Abklingen der akuten Exazerbation, kann
man eventuell auch eine deutliche Unterscheidung treffen, ob es sich
in dem einzelnen Falle von chronischer Entzündung von vornherein
um eine eiterige Infektion der Keilbeinhöhle oder des Siebbeins oder
um einfache polypoide hyperplastische Entzündung gehandelt hat.
Ganz allgemein móchte ich hier darauf hinzuweisen Gelegenheit
nehmen, dass meine klinische Erfahrung hinsichtlich dieser Unter-
scheidung mit den meisten Autoren nicht übereinstimmt. Bei sehr
vielen Rhinologen ist der Kausalkonnex von Polypen und Eiterung
noch so selbstverständlich, dass ihnen in den echten Fällen von
Ethmoiditis hyperplastica mit Polypenbildung, wo in Wirklichkeit
am häufigsten kein Eiter vorhanden ist, dieses gar nicht auffällt, er
ist momentan ausgeschneuzt oder nicht sichtbar: wird stillschweigend
angenommen. Dass die Eiterabsonderung an sich nichts
mit der Polypenentstehung zu tun hat, dass in den Fällen
von Polypenbildung mit Eiterung dıe letztere meistens das sekundäre
ist, dass die reinen Fälle von chronischer Nebenhöhleneiterung ohne
Polypenbildung verlaufen und meist Atrophie in der Haupthöhle setzen,
was ich in meinen „Erkrankungen des: Siebbeins‘‘ näher ausgeführt
habe, diese Erkenntnisse haben sich uns hundertfältig bestätigt. Die bei
weitem häufigere Affektion am Siebbein ist nach unseren Erfahrungen
zweifellos die einfache hyperplastische Entzündung, nicht die Eite-
rung, wie das letztere u. a. auch Zarniko annimmt. Natiir-
lich muss man dabei berücksichtigen, worauf ich wiederholt hin-
gewiesen habe, dass die Patienten mit einer Ethmoiditis hyperplastica
sehr zu akuten Katarrhen neigen, dass sie zur Zeit der akuten
Exazerbation naturgemäss am meisten Beschwerden haben, und dann
oft den Arzt aufsuchen. Von dieser temporären Kombination aber
muss und kann man leicht absehen. Die Patienten werden uns immer
bestätigen, dass die Konsistenz des Sekrets in der Zwischenzeit eine
ganz andere, wasserdünne und farblose ist u. a., darauf will ich hier
604 W. Uffenorde. [8
nicht weiter eingehen. Ich móchte nur hierauf hingewiesen haben,
und das ist auch für das vorliegende Thema sehr wichtig: auch die
mehr polypoide Entzündung kommt für die Komplikationserregung
in Frage. Diese Form zeigt nun aber auch in chronischen Fallen
keineswegs immer ausgesprochene Polypenbildung, sondern auch in
älteren Fällen oft nur verborgene polypoide Schwellung am Siebbein-
boden etc., die uns nur nach Lüftung des mittleren Nasenganges
nachweisbar sein kann.
Nicht nur die eiterigen Infektionen, wie dies aus der einschlägigen
Abhandlung von Hajek (Pathologie und Therapie der entzündlichen
Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase 1909) scheinbar hervorgeht,
die hohes Fieber, Schüttelfröste u. a. zeitigen, setzen die Komplika-
tionen, sondern viel häufiger scheinbar ganz harmlose Affektionen der
Nebenhöhlen. Auch bei den akuten Durchbrüchen und zumal bei ganz
akuten Infektionen wird man das von Hajek geschilderte Krank-
heitsbild meistens vermissen.
Dass auch in den übrigen Nasennebenhöhlen einfache polypoide
Entzündung oder Eiterung vorkommen kann, ist wiederholt von anderen
Autoren, wie auch von uns, sicher gestellt worden, nur wird hier meist
naturgemäss die Suppurationsgefahr viel näher liegen als z. B. am Sieb-
bein. Ja auch die akute seröse Entzündung der Nebenhöhlen, die
auch als solche heilen kann, ist von uns wiederholt sicher beobachtet
worden, was ich im Gegensatz zu Zarniko betonen möchte, der in der
letzten Auflage seines bekannten Lehrbuches dieses neuerdings bezweifelt.
Ich habe darauf schon oben hingedeutet. So haben mein Chef, Herr
Geheimrat Bürkner, und kurze Zeit darauf auch ich diese Tat
sache an uns selbst ad oculos demonstrieren können. Herr Geheimrat
Bürkner und ich hatten zunächst einen ziemlich unangenehmen,
etwas verschleppten Schnupfen, dann im weiteren Verlaufe desselben
bemerkten wir besonders bei vornübergebeugter Kopfhaltung, was
beim Essen unangenehm war, das Abtropfen von bernsteingelbem,
aber ganz klarem, etwas klebrigem Sekret. Wiederholt habe ich be-
obachtet, dass, wenn eine Nasenseite längere Zeit verschwollen war,
und dann vielleicht durch Mentholanwendung die Abschwellung ein-
trat, ich durch Verwendung des einfachen Fränkelschen diagnosti-
schen Mittels, ein Abtropfen einer gelblichen serösen Sekretmenge
demonstrieren konnte, so besonders morgens. Das Sekret wird vor-
nehmlich aus Siebbeinzellen und Kieferhöhle, aber auch vielleicht
aus den anderen Zellen stammen. Inzwischen habe ich dieselbe
Affektion ebenso unzweideutig an mir selbst wiederum erfahren. Während
es einmal die rechte Nasenseite mit Siebbein und Kieferhóhle war,
verspiirte ich es das letzte Mal an der linken Seite. Die Empfind-
9) Komplizierte Fálle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 605
lichkeit über dem Processus frontalis oss. maxill. auf Druck, der
spontane Druck in der Tiefe des inneren Augenwinkels einerseits, das
Spannungsgefühl über der Kieferhöhle bis in die Schläfe, die zeit-
weise Empfindlichkeit der Fossa canina, das unangenehme ‚Druck-
gefühl in den entsprechenden Zähnen des Oberkiefers liess eine
Lokalisation ohne weiteres zu. Durch Punktion konnte ich ein solches
Transsudat aus der Kieferhöhle bei einer Patientin mit akutem
Schnupfen und mit ziemlich lebhaften typischen Symptomen seitens
der Kieferhöhle entleeren. In einem anderen Falle konnte ich neben
beiderseitigen Stirnhöhleneiterungen durch Punktion der Kieferhöhlen
das beschriebene Sekret entleeren. Die Beschwerden schwanden in
den fraglichen Fällen, ohne dass Suppuration eingetreten wäre. Ich
glaube auch, dass dieses Sekret als Transsudat nach Verschwellung
des Ostium als Hydrops e vacuo entsteht, ähnlich wie es in dem
Mittelohr nach Tubenstenose auftritt.
Diese Pathogeneseform ist zu trennen von den Fällen mit Mukocele-
bildung, wo eine entzündliche Veränderung in den sezernierenden
Hohlräumen mit Abschluss des Ostium in Frage kommt, die vielleicht
auch ganz akut entstehen können. Der Fall von Hajek (Zeitschr.
f. Laryngol. u. Rhinolog. Bd. I,6, Heymanns Festschr. S. 629) kann
aber meines Erachtens dafür nicht als beweisend angesehen werden,
worin ich mich Zarniko (Lehrb. 1909) anschliessen möchte. Ich
glaube, dass einmal die histologische Untersuchung der Schleimhaut nicht
das akute Entzündungsstadium sicher feststellen lassen kann, zweitens
glaube ich, dass unmöglich eine wenn auch noch so sehr dilatierte
Knochenblase nach Entleerung des dilatierenden Sekretes wie ein
hochgradig elastischer Körper in ihre frühere Form in wenigen
Minuten zurückschnellen kann. Meines Erachtens kann hier nur die
durch die Operation entstehende Aufhebung des Stauungsmomentes
für die so rasche Abschwellung des orbitalen Ödems ätiologisch in
Frage kommen. Allerdings ist man wohl selten in der Lage, diese
Wiederherstellung genügenden zirkulatorischen Abflusses so experiment-
artig beobachten zu können. Auch ist der Fall gewiss etwas unge-
wöhnlich, gleichviel halte ich meine Erklärung für die wahrschein-
lichste. Ich werde später darauf zurückkommen.
. Die von Kuhnt zuerst auf Grund eines eingehenden Studiums
getroffene Einteilung der Fälle von sekundären Veränderungen in der
Orbita und am Sehorgan nach Nasennebenhöhlenerkrankung, die
besonders von Hajek übernommen ist, eignet sich im allgemeinen
sehr wohl für eine erschöpfende Darstellung der hier in Frage
kommenden Fälle. Danach kann sich bekanntermassen die Genese
der Komplikation auf dreierlei Weise entwickeln und zwar „wirken
606 W. Uffenorde. [10
erstens mechanische Verhältnisse ein und erzeugen eine Verlage-
rung der Intenta der Augenhöhle und des Auges, oder
2. es entwickeln sich durch Verschleppung oder Fortleitung
von dem Sinus aus entzündliche Veränderungen oder
3. es stellen sich bei völligem Ausschluss dieser beiden Momente
und bei normalem objektiven Verhalten sogenannte funktionelle
Störungen ein.
Unter Berücksichtigung der hier mitzuteilenden Fälle von orbi-
taler Komplikation nach Nasennebenhöhleneiterung und besonders
derer, die die Veröffentlichung zusammenfassend rechtfertigen mögen,
erscheint mir bei den Fällen der zweiten Kategorie eine speziellere
Einteilung angebracht. Ich glaube auch, dass diese Unterschei-
dung allgemeine Berücksichtigung verdient. Danach sind Fälle von
Komplikation mit umschriebener, nicht eitriger Entzündung, die im
wesentlichen allein durch Stauung entstehen, zu trennen von denen
mit mehr oder weniger diffuser Entzündung des Orbitalinhaltes, wo
eine Neigung zum Durchbruch nach eiteriger Einschmelzung der
knöchernen Wandung besteht. Während bei den ersten Komplikations-
formen vor allem Störungen seitens der Nerven und vorübergehende
Ödeme der Lider auftreten, der Innenraum von Periorbita und Septum
orbitale aber freibleibt, kommt es bei der zweiten Form gewöhnlich
in erster Linie zur entzündlichen Schwellung des Orbitalinhaltes und
Exophthalmus in den verschiedenen Richtungen und zu mehr oder
weniger ausgesprochener Bewegungsbeschränkung des Bulbus durch die
erhöhte Spannung und Beteiligung der Muskeln. Periorbititis purulenta,
Phlegmone und orbitaler Abszess, ausserdem vielleicht noch das
chronische Ödem oder Phlegmone kommen hier in Betracht.
Nach diesen einleitenden Worten möchten wir auf die ein-
schlägigen Fälle eingehen und zunächst diejenigen mit umschriebener,
meist nicht eitriger Entzündung der Orbita besprechen.
B. Fälle mit umschriebener nicht eitriger orbitaler Komplikation.
I. Fälle von Neuritis optica retrobulbaris.
Fall I.
Frl. N. N., hier, 23 Jahre alt, wurde mir von Herrn Augenarzt Dr. Veith
überwiesen. Die Patientin gab an, vor 6—8 Wochen einen Stoss gegen den
rechten Orbitalrand erlitten zu haben, ohne schwerere Begleiterscheinungen
beobachtet zu haben. Seitdem werde sie ófter durch das vermehrte Auftreten
von Mouches volantes und Flimmern belästigt. Öfter trete, besonders morgens
beim Erwachen, am oberen Augenlide und beson lers im inneren Augenwinkel
eine blasse unempfindliche Schwellung auf, wobei das Gefühl von Schwere
auftrete. Im inneren Winkel entsiände ein richtiger Beutel. Pat. gab an, dann
11] Komplizierte Fülle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 607
Kopfschmerzen zu haben. Niessreiz besteht nicht. [m Laufe einiger Stunden
Rückgang dieser Erscheinungen, die sich aber alle paar Tage wiederholten.
Die Untersuchung der Nase ergab: Bds. ist in der Haupthóhle kein wesentl.:
Befund zu erheben. R. Nase etwas eng. Nach Infraktion der mittleren Muschel
rechts ist am Siebbeinboden eine geringe, aber deutliche polypoide Schwel-
lung zu konstatieren. Äusserlich an Augenhóhle und Stinm bds. nichts beson-
deres nachweisbar. Epipharynx frei. Auf der hinteren Rachenwand mässige
Granulabildung.
Rp. Bormentholkokain. Ev. Schwitzkur.
Spätere Mitteilung seitens der Pat. sagt aus, dass sie bislang keine Schwel-
lung wieder bemerkt habe.
Ophthalmologischer Befund (Dr. Veith): Oedema palpebr.
sup. dextr. Leichte periostale Auftreibung am inneren oberen Orbitalrand,
auf Druck schmerzempfindlich. Visus normal. Augenhintergrund desgleichen.
Konjunktiva und Bulbus ohne Befund.
Ordination: Warme Umschläge, Dampfbäder. Besserung und Rezi-
dive wechseln ab. Nach Behandlung der Nase und des Siebbeins definitive
Besserung.
Fall IL
Herr Heinrich N., Mühlenbesitzer, 50 Jahre alt, Osterode, kam am 26. IX.
1908 zum ersten Male zu Herrn Dr. Veith, Augenarzt in Göttingen, mit Augen-
beschwerden rechts, die nach heftigem Schnupfen mit Erkältung aufgetreten
waren.
R. Visus — !/j. Dichte Glaskórpertrübungen. Fundus nicht sichtbar.
Herr Dr. Veith mahm eine Siebbeinaffektion als ätiologische Erkran-
kung an.
Nach Aspirinmedikation und Schwitzen waren am 30. IX. 08 alle Er-
scheinungen geschwunden. Visus — ?/,! Fundus normal.
Pat. sollte Nase untersuchen lassen, blieb fort.
Am 7. I. 09 kam der Pat. wieder zu Herrn Dr. Veith mit der Angabe,
seit 1. I. 09 wieder schlechter zu sehen. R. Visus — 1/,,. Opacit. corp. vitr.
Wieder Aspirin, Schwitzen. Am 16. I. Visus — ?/, am 30. L Visus — 5/,
Am 20. XI. 09 kommt der Pat. wieder mit denselben Beschwerden nach
heftiger Erkältung mit Schnupfen, an dem er eigentlich immer leidet. R. Visus
== 5/.,,, Neuritis optica. Cephalea. Ordination von Schwitzen usw. Pat.
bleibt aus.
25. I. 11. Erneute Konsultation Pat. gibt an, öfters wieder
Attacken gehabt zu haben, die er durch Schwitzen be-
seitigte. Seit dem 21. I. sieht er aber ganz schlecht.
R. Visus: Handbewegung in 1/, m. Fundus oculi nicht sichtbar. Blutung
in den Glaskörper. Aufnahme. Schwitzen, Aspirin.
Am 29. I. Untersuchung der Nase: Pat. gibt an, immer Schnupfen zu
haben. Vor 8 Tagen mehrere Tage zu Bett gelegen, Influenza gehabt, mit
heftigem Schnupfen, Druckgefühl über der Nasenwurzel und unangenehmen
Kopfschmerzen, besonders rechts. Er neigt sehr zu Erkältungen, muss als
Müller nachts öfter aufstehen, dadurch leicht Gefahr, sich zu erkälten.
:Rhinologischer Befund: Bds. Schwellung der Schleimhaut, be-
sonders die Muscheln verdickt. Kein Eiter. Nach Kokain mässige Abschwellung.
Epipharynx im wesentlichen frei. Nach Infraktion der mittleren Muschel nur
608 W. Uffenorde. [12
geringe Schleimhautschwellung im mittleren Nasengang, keine Eiterung, keine
umschriebene Schwellung.
Danach ist der weitere Verlauf. 10. II. Visus = Lia 12. II. V. = ?/eo-
14. IL V. = ?/,. 17. IL. V. — 9/4, 27. Il. V. = 5/5! (Dr. Veith.)
Am 18. Il. habe ich bds. eine Ätzung der unteren Muschel mit Trichlor-
essigsüure vorgenommen.
Am 7. Ill. gab der Pat. bei der Kontrolluntersuchung an, dass er jetzt
bds. gut Luft habe, aber immer noch durch das Abtropfen von klaren, wässerigen
Sekret aus der rechten Nasenseite belästigt werde.
Fall II.
Frl. N. N. aus Eickenen bei Hameln, 15 Jahre alt, wurde mir von
Herrn Augenarzt Dr. Veith überwiesen mit der Mitteilung, dass die Pat. an
akuter retrobulbärer Neuritis bds. leide. Auf Befragen gibt Pat. an, dass sie vor
4 Wochen einen heftigen Schnupfen und Erkältung gehabt habe. Die Pat. `
ist bereits auswärts von einem Augenarzt ‚behandelt und zwar sind Schwitz-
kuren und Inunktionskuren angewandt. Dadurch sind aber die Sehstörungen
nicht besser, sondern schlechter geworden.
Der Nasenbefund ist: Bds. ist die Nasenschleimhaut etwas gerötet,
trocken, wenig Borkenbildung. Kein freier Eiter sichtbar. Nach Infraktion
der mittleren Muschel ist bds. am Siebbeinboden leichte Schwellung der
Schleimhaut durch Sondierung festzustellen.
Bericht von Herm Dr. Veith: Visus: R. = la L. == 1/59. Ophthal-
moskopisch: Papillenränder verwaschen, Papillen leicht geschwellt.
Venen stark gefüllt. Gesichtsfeld für Weiss normal. Zentrales Skotom —
relatives. Vor 4 Wochen starke Erkältung, Schnupfen, sieht seit 29. XI.
schlechter. Therapie: Aspirin, Schwitzkur. Erkrankung am 23. I.: Infrak-
tion der mittleren Muschel. Visus am 14. IL 10: R. u. L. — 5/, Papillen
und Medien normal.
Fall IV.
Frau Oberlehrer N. N. aus Góttingen, 35 Jahre alt, wurde uns von Herrn
Prof Schieck überwiesen mit der Diagnoses Neuritis opt. retrobulbaris
acuta sin. Pat. hat vor 4 Wochen einen schweren Schnupfen mit viel eiterigem
Sekret gehabt, mit Schmerzen über den Augen und Kopfschmerzen.
Der Nasenbefund zeigt: Bei einfacher Inspektion wenig verwaschene
Gefässzeichnung, geringe Schwellung am Proc. turbinalis, dort sieht man graue
Trübung des epithelialen Überzuges:
Nach Infraktion der mittleren Muschel links ist Schwellung am Hals
der mittleren Muschel, auch auf Proc. uncinatus und Bulla nachweisbar. Kein
freier Eiter sichtbar. Die vordere Stirnhöhlenwand ist klopf- und druckempfind-
lich. Es besteht auch leichte Schwellung des oberen Augenlides und der
Weichteile des inneren Augenwinkels. N. supraorbitalis deutlich druck-
empfindlich.
Nach 5 Tagen erneute Untersuchung.
Die Schleimhaut ist trocken. Bds. sind die vorderen Enden der mittleren
Muschel angeschwollen. Die Nasenhöhle ist bds. freier. Es besteht keine Klopf-
empfindlichkeit mehr, auch die Schmerzen bei der Bewegung des Bulbus sind
geschwunden.
Bericht von Herm Prof. Schieck: „Am 7. VI. bemerkte Pat. eine Herab-
setzung der Sehschärfe des linken Auges, während gleichzeitig bei Bewegungen
13] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 609
des Auges Schmerzen in der Tiefe der Orbita empfunden wurden, die noch
zunahmen, wenn man den Versuch machte, das Auge nach rückwärts zu
schieben. Der linke Bulbus war leicht vorgetrieben. Das linke Unterlid zeigte
eine deutliche ödematöse Schwellung ohne jede entzündliche Rötung. Die
Papille reagierte prompt, und es liess sich auch im übrigen nicht das ge-
ringste Krankhafte an dem Auge finden. Das Schvermögen betrug 0,2; von
früheren Untersuchungen her war bekannt, dass das linke Auge nach Aus-
korrektion eines myopischen Astigmatismus bislang 0,5 gesehen hatte. Das
Gesichtsfeld zeigte normale Aussengrenzen und ein kleines zentrales Skotom
für Weiss und alle Farben. Da die Patientin keine Symptome eines Leidens
des Zentralnervensystems aufweist und die Schwellung des linken Unterlides
den Verdacht einer Nebenhöhlenaffektion nahelegt, bitte ich um Untersuchung.‘
Die Behandlung bestand in Verordnung von Aspirin und Schwitzen.
Am 22. VI. geheilt entlassen. Visus wieder 0,4. Kein zentrales Skotom
mehr nachweisbar. Ödem und Schmerzen geschwunden.
Fall V.
Heinrich Jacobs, 34 J. alt, Lokomotivführer aus Einbeck, wird am 4. II. 09
von der Augenklinik geschickt mit der Diagnose: Retrobulbäre Neuritis. Pat.
leidet angeblich im Jahre zweimal an stärkerem Schnupfen. Vor 3 Wochen
hatte er heftigen Schnupfen, hatte starken Zug auf linker Gesichtsseite. Vor
14 Tagen Schmerzen beim Blick nach der linken Seite, so dass Pat. den Kopf
dabei nach links drehen musste.
Befund: Untere Muscheln bds., auch mittlere Muscheln bds. vergrössert.
Mittlerer Nasengang bds. ohne weiteres frei. Schleimhaut der Nase trocken,
mässig gerötet. Postrhinoskopisch ohne wesentliche Besonderheit. Nach In-
fraktion der mittleren Muschel links sieht man eine geringe Schwellung der
Schleimhaut am Siebbeinboden, umschriebene stärkere Schwellung auf der
lateralen Seite der mittleren Muschel. Aus dem Infundibulum ragt ein Schleim-
eiterfaden heraus.
Diagnose: Rhinitis hypertrophica chronic. Ethmoiditis acuta sin.
Neuritis retrobulbaris acuta sin.
Bericht der kgl. Augenklinik.
R. A. Ausserlich normal. o = u. S. = 1,0.
L. A. Äusserlich normal. Pupille reagiert prompt. S. — 1,0.
o = Papillengrenzen nach oben und unten leicht verschleiert. Papille
etwas trübe, gerötet. Gefässe nicht verändert. Lamina cribrosa auf dem linken
Auge nicht sichtbar, während sie rechts innerhalb der physiologischen Exkavation
klar zu sehen ist. Im Gefässtrichter sind die Gefásse wie durch einen Schleier
bedeckt. Angrenzende Retina leicht streifig trübe.
... Beim Zurückdrángen des Bulbus äussert der Pat. heftige Schmerzen hinter
dem Auge. Extreme Bewegungen sind jetzt nicht mehr schmerzhaft.
Gesichtsfeld: Aussengrenzen normal. Es gelingt nicht, ein zen-
trales Skotom festzustellen, selbst unter Anwendung herabgesetzter Beleuch-
tung und kleinster Farbenmarken. Pat. gibt aber an, dass er beim Lesen
einen grossen Unterschied zwischen rechts und links verspürt, insofern vor
dem Gesichtsfelde des linken Auges eine Wolke schwebt, die den Druck matt
macht. Ord.: Aspirin, Schwitzen.
6. II. 09. L. A. Druck nach seitwärts tut nicht mehr weh. Pat. gibt an,
dass der Schleier vor dem linken Auge sich gelichtet hat. Kein zentrales
Skotom. (S. — 0,9—1,0 bei nur günstiger Beleuchtung.)
610 W. Uffenorde. [14
10. II. 09. L. A. Die Verwaschenheit der Papillengrenzen ist zurück-
gegangen. (sesichtsfeld dauernd normal. Keine Schmerzen.
15. II. 09. Geheilt entlassen. L. A. normal. Pat. behauptet zwar immer noch,
einen Schleier vor dem linken Auge zu haben. Objektiv nichts mehr nach-
zuweisen. Bds. E. S. — 1,0
Fall VI.
August Thofern, 50 Jahre alt, Arbeiter aus Góttingen, wird am 24. XI. 09
von der kgl. Augenklinik zu uns in die Poliklinik geschickt. Er gibt an, gut
Luft zu haben, an der Nase auch früher nicht gelitten zu haben.
Befund: Nase r.: ohne Besonderheit. L. breite, nach hinten oben an-
steigende und breiter werdende Leiste. Kein freier Eiter sichtbar. Auf der
mittleren Muschel eingetrocknetes Sekret. Mittlerer Nasengang mässig offen,
ohne weiteres nichts Besonderes sichtbar.
Postrhinoskopisch: Auf der hinteren und oberen Wand des
Rhinopharynx Schleimeiter. R. olıne wesentliche Besonderheiten. L. die hinteren
Enden der oberen und mittleren Muschel Jividgrau geschwollen, liegen zu-
sammen, mittlerer Nasengang verstrichen. Nach Infraktion der mittleren Muschel
links geringe Schwellung der Schleimhaut, am Siebbein kein freier Eiter.
Diagnose der kgl. Augenklinik: Retrobulbäre Neuritis L.
Bericht der kgl. Augenklinik.
Anamnese: Früher sind die Augen immer gesund gewesen. Seit 8 Tagen
bemerkt Pat. Verschlechterung des linken Auges. Einen Grund weiss Pat. nicht
anzugeben. Zu Beginn hat Pat. einen schwarzen Fleck vor dem linken Auge
gesehen, der bald verschwand; danach trat Verschlechterung der Sehkraft ein.
L. A. Ausserlich normal. Pupille reagiert prompt, brechende Medien klar.
o = Papillengrenzen nasal verwaschen, besonders an der nach innen
und unten gehenden Vene; diese beiden Venen sind auch gestaut und verlaufen
auf der Papille leicht bogenfórmig. Papille nasal wenig gerótet. Angrenzende
Retina leicht getrübt; keine Schmerzen beim Zurückdrüngen des Bulbus. Ge-
sichtsfeld normal, kein‘ Skotom.
S. =,0,6 = 0,7 + 1,0,Deyl. 4'S. — « 0,8 (undeutlich).
R. A. normal. o = u. S. = 1,0.
14. XI. L. A. Auch heute für weiss kein Skotom angegeben, dagegen für
Farben in kleinster Marke relatives Skotom in der eingezeichneten Form vor-
handen. Visus idem.
21. XI. L. A. Grenzen immer noch verwaschen. Venen weniger gestaut.
Retina nicht mehr getrübt. Relatives Skotom für Farben noch angegeben.
+ 1,0 Deyl. S. = < 0,8.
22. XI. 09. Pat. bittet für 2 Tage beurlaubt zu werden, zur Feier seiner
silbernen Hochzeit.
24. XI. 09. Wieder-Aufnahme: L. Status idem. Untersuchung in
der Ohrenklinik.
30. XI. 09. Relatives Skotom nur für Farben.
4. XIL 09. Kein Skotom mehr angegeben. Papillengrenzen innen unten
immer noch nicht scharf.
+ 1,0 Deyl. 8. = < 0,8.
9. XII. 09. L. Papille nicht mehr verfärbt, Grenze innen unten ist un-
scharf geblieben. Venen ohne Stauung. Skotom nicht mehr vorhanden.
L. + 1,0 Deyl. f 8. = < 0,9; R. + 0,5 Deyl. S. = 1,0.
10. XII. 09. Entlassung.
15] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 611
18. XIL 09. Vorstellung. Status idem (arbeitsf&hig).
21. XI. 10. Will Lesebrille. L. Grenzen nasal nicht ganz scharf; die eine
nach unten gehende Vene ist etwas stärker als die anderen. Keine Verfärbung
der Papille. Der ganze Befund sieht nicht pathologisch aus. Relatives Skotom
wird angegeben.
L. + 0,5 = + 1,0 Dey]. f 8S. = 0,4 + 257 + 1,0 = Jäger 9.
R. + 0,5 S. = 1,0 -+ 2,5 S. = Jager 2.
Lesebrille: R. + 2,5; L. + 2,5 + 1,0 Deyl.
Zur Kontrolluntersuchung wiederbestellt.
Fall VII.
Berta Jáger, Schneiderin, 48 Jahre alt, aus Góttingen, kam am 27. Xl. 08 in
unsere Poliklinik, von der Augenklinik geschickt.
.. Sie gab an, seit Jahren Schnupfen zu haben, muss viel niessen, hat viel
schleimiges Sekret, meist dünnflüssig. Sie hat schon seit lüngerer Zeit über
„Stechen und Brennen“ über und unter den Augen zu klagen. Kein Husten.
Oft Kopfschmerzen vor der Stirn.
Befund: Bds. Polypenbildung, rechts nur aus mittlerem Nasengang,
links auch aus Rima olfactoria hervorragend. Dagegen ist die Nase im unteren
Teile breit. Epipharynx weit. Postrhinoskopisch nichts Wesentliches. Mässige
Schwellung der Rachenschleimhaut.
Diagnose: Ethmoiditis hyperplastica chron. bil. Retrobulbäre Neuritis
optica. -
Nicht wieder gekommen.
Bericht der kgl. Augenklinik.
16. IX. 08. L. -]- 2,25 D. sph. cav. S. — 1,0.
R. + 2,0 D. sph. cav. S. = 0,4.
Subraorbitalneuralgien bds. Brille bds. + 4,0 D.
27. IX. 08. R. S. = 0,1 +2,5 D. S. = 03.
L. S. = 0,4 +1,5 D. S. = 1,0.
Es fand sich neben einer Druckempfindlichkeit des rechten Suproorbitalis,
dass bei Zurückdrängen des Bulbus in die Orbita Schmerzen in der Tiefe
auszulösen waren. Ferner war eine deutliche Abblassung der temporalen
Papillenhälfte des rechten Auges zu konstatieren, und das Gesichtsfeld zeigte
bei normalen Aussengrenzen ein zentrales relatives Skotom für Weiss und
alle Farben. Mit +2,0 D. sah das Auge 0,3.
Die Untersuchung des Allgemeinzustandes ergab durchaus normalen
Befund.
Fall VIII.
Hermann Sch., Molkereigehilfe, 23 Jahre alt, aus Hannover, wurde uns
von der kgl. Augenklinik am 12. XI. 09 geschickt.
Anamnese: Hat Schläfenschmerzen, sieht links schlecht seit einigen
Tagen. Keine Kopfschmerzen. Pat. hat in der letzten Oktober- und ersten
Novemberwoche starken Husten und Schnupfen gehabt. Dabei keine eiterige
Absonderung aus der Nase, keinen üblen Geruch bemerkt. Vorher war die
Nase angeblich frei.
Die Untersuchung ergibt geringen Mittelohrkatarrh mit glanzlosem, etwas
getrübtem Trommelfell links (15 cm: 100).
Nase: HR. ohne Besonderheiten. L. Septum leistenförmig nach hinten
' und oben ansteigend, verbogen. Der laterale Rand berührt in der an sich
612 W. Uffenorde. (16
engen Nase die mittlere Muschel. Mittlerer Nasengang vorn etwas offen, ohne
weiteres kein besonderer Befund zu erheben.
Postrhinoskopisch: Rachenmandel mässig vergrössert. Tuben-
ostium bds. besonders schmutzig-gelb verfärbt. Schleimhaut in toto, auch im
Mesopharynx geschwollen, gerötet. Hintere Enden der unteren Muschel wenig
geschwollen. Choanen ungleich, links kleiner als rechts. Im mittleren Nasen-
gang ist im postrhinoskopischen Bilde eine umschriebene blasse Schwellung deut-
lich. Nach Infraktion der mittleren Muschel links mit dem langen K illia n schen
Spekulum: besonders in den mittleren und hinteren Partien des mittleren Nasen-
ganges ist die Schleimhaut leicht polypoid geschwollen, wie sich auch mit
der Sonde leicht sicherstellen lässt. Eiter ist nicht vorhanden.
16. XI. Der Druck an der Schläfe ist gewichen, Nase subjektiv und ob-
jektiv freier, Pat. bekommt besser Luft. Im postrhinoskopischen Bilde ist die
Schwellung im mittleren Nasengange geringer, er ist jetzt zum Teil offen.
Das Auge ist besser.
Neuritis retrobulbaris und optic. sin. acuta. Rhinitis acuta c. Ethmoiditis.
Deviatio septi nar. sin. Pharyngitis mit Hypertrophie der Rachenmandel.
Bericht der kgl. Augenklinik.
Anamnese: Pat. hat in den letzten Tagen starke Erkältung mit Schnupfen
und Husten gehabt. Am 1. November Sehstórung links. Dumpfe Schmerzen
in der Stirn und Druck in der linken Schláfe. Schmerzen bei Bewegungen
hinter dem Auge. :
L. A. Ausserlich normal. Brechende Medien klar. o — Papille gerötet,
Grenzen verwaschen; Venen deutlich gestaut. Streifige Trübung der Retina
und der Umgebung der Papille. Beim Zurückdrüngen des linken Bulbus in
die Orbita Schmerzen hinter dem Auge. S. — Finger in ?/, m.
R. A. normal. Schwitzen, Aspirin. S. = 1,0.
14. XI. 09. Es handelt sich um cine Siebbeinerkrankung. S. == Finger
in 2 m.
17. XI. 09. Papille noch wenig gerótet, Grenzen unscharf; Venen noch
gestaut. Trübung in der Umgebung der Papille weniger ausgedehnt, aber noch
vorhanden. Zentrales Skotom noch nicht geschwunden. S. = 0,1.
Pat. will entlassen werden, da es ihm nicht passe „mittags nicht aus-
gehen zu dürfen" bei scheusslichem Wetter. Verantwortung für seine Hand-
lungsweise glaubt er selbst übernehmen zu können. Weitere Behandlung ab-
gelehnt. — Entlassung.
Fall IX.
Auguste Sievers, Chausseewärtersfrau aus Hameln, 32 Jahre alt, wurde am
11. IX. 09 von der Augenklinik zu uns gesandt. Sie gab an, seit !/, Jahr
links schlecht zu sehen, sie könne nicht lesen, habe aber keine Schmerzen.
Seit 8 Wochen sche sie auch rechts schlecht. Die Erscheinungen sind all.
mählich von selbst aufgetreten. Pat. hat oft Schnupfen, viel eiteriges Sekret
aus der Nase. Sie hat oft über den Augen nach der Schlafe ausstrahlends
Kopfschmerzen. Es besteht kein Husten, kein Asthma.
Nasenbefund: Nasenschleimhaut bds. geschwollen, Zeichnung ver-
waschen. Bds. im mittleren Nasengange ziemlich derbe Schwellung der Schleim-
haut, momentan kein freier Eifer sichtbar. Mittlere Muschel selbst bds. ge-
schwollen, sie sind ganz an das Septum gedrückt. Am Dache des Nasen-
rachens viel Schleimeiter. Schwellung der Schleimhaut, auch im Mesopharynx,
lebhafter Rachenreflex.
— — — —
17] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 613
Neuritis retrobulbaris bil. Ethmoiditis chron. bil. Pharyngitis chron.
Diagnose der Augenklinik: R. A. Neuritis optica. L. A. Atrophia nerv.
optici.
Bericht der kgl. Augenklinik.
R. A. Äusserlich normal. Brechende Medien klar. Papille rot, Aussen-
grenzen gänzlich verwaschen, sonst Fundus o. B. — 1,0 Dc. S. = 0,1—0,2.
Bulbus beim Druck nach hinten nicht schmerzhaft. Kein Skotom. Farben
bis auf grün erkannt.
L. A. Äusserlich normal. Brechende Medien klar. Papille scharf be.
grenzt, temporale Hälfte blass. Im Zentralkanal deutliches Exsudat. Ord.:
Schwitzkur. S. — Finger in 5 m.
4. IX. 09. Schwitzen wird nicht gut vertragen. Herzklopfen. Herztóne
nicht rein, deshalb nicht zu lange schwitzen. |
12. IX. 09. Auf Wunsch wird Pat. wieder entlassen mit Bericht an Herrn
Dr Kyrieleis-Hameln. Visus idem.
In der Ohrenklinik wurde beiderseits chronische Siebbeinaffektion fest.
gestellt und Operation empfohlen, zu der Pat. aber erst in 8 Tagen kommen will.
Ist nicht wieder erschienen.
Fall X.
August K., 28 Jahre alt, Rangierarbeiter, Stadtoldendorf, wurde uns von
der kgl. Augenklinik hier am 15. V. 08 mit der Diagnose Neuritis retrobulbaris
acuta d. geschickt. Der Mann gab an, rechts seit 2 Tagen Flimmern im Auge
bemerkt zu haben. Er hat rechts seit 8 Tagen Kopfschmerzen, es ist ihm
angeblich etwas aufs Auge von der Lokomotive geflogen, ein Russ etwa.
Zweimal hat er im Frühjahr Schnupfen gehabt. Eine Eiterung hat er aus der
Nase nicht bemerkt. `
Rhinologischer Befund: Geringe Schwellung und Rötung der
Nasenschleimhaut bds., keine umschriebene Schwellung, kein freier Eiter sicht-
bar. Bds. sind die mittleren Nasengänge frei. Nach Infraktion der mittleren
Muschel rechts zeigt sich geringe Schwellung der Schleimhaut am Ostium
ethmoidale und Hiatus semilunaris, im wesentlichen ist der Siebbeinboden
aber frei. Schwellung und Rötung der Rachenschleimhaut, sehr erhöhter
Wurgreflex.
Nach Untersuchungsbefund der kgl. Augenklinik ist Husserlich am Auge
nichts Krankhaftes nachweisbar. |
Seitens des Nervensystems ist kein besonderer Befund erhoben worden.
Pat. ist nicht wieder erschienen.
Fall XI.
Rebekka Basse, 47 Jahre alt, Bergmannsfrau, Verlichausen, wurde am 21. 1V.
09 von der Augenklinik zu uns geschickt. Sie gab an, dass sie seit ca. 4 Wochen
Sehstörungen, allmählich auftretend, bemerkt habe. Sie hat öfter Schnupfen,
14 Tage vorher habe sie Schnupfen mit Kopfschmerzen gehabt.
Befund: Bds. Schwellung der Nasenschleimhaut, besonders der
Muscheln von blaugrauer Farbe. Vordere Knde der mittleren Muscheln bds.
papillomatós entartet. Nach Infraktion der mittleren Muscheln bds. ist Schwel-
lung der Schleimhaut am Siebbeinboden nachweisbar, Bullaschleimhaut ist
verdickt. Schleimeiterfáden aus Infundibulum hervorragend. R. Infundibulum
sehr eng, auch hier kommt ein Schleimeiterfaden hervor.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 6. 41
614 W. Uffenorde. [18
Rhinitis hypertrophica chron. Ethmoiditis hyperplastica.
Die kgl. Augenklinik hatte bds. Thrombosis venae centralretinae kon-
statiert.
Die zur Operation bestellte Pat. ist nicht wiedergekommen.
Fall XII.
Erna H., 20 Jahre alt, Kaufmannsfrau, Northeim, gibt an, vor 3 Wochen
Influenza gehabt zu haben, hat 4 Tage gelegen. Keine Kopfschmerzen. Hat
noch Schnupfen, es besteht kein besonderer Ausfluss. Früher hat Pat. keine
Beschwerden in der Nase gehabt Der Hals ist angeblich frei. L. sieht sie
seit einigen Tagen schlecht und ist deshalb zur Augenklinik gegangen, von wo
sie zu uns gesandt wird und zwar mit der Diagnose: Neuritis retrobulbaris
sin. acuta.
Der Befund in der Nase ist folgender: Bds. zeigt die Nasenschleimhaut
mássige Schwellung. In ganz geringer Ausdehnung ist die hintere Rachen-
wand sichtbar. Wenig Schleimbildung in der Nase. Nach Infraktion der mitt.
leren Muschel links keine besondere Veründerungen sichtbar.
Postrhinoskopisch: Epipharynx im wesentlichen frei von Ver-
änderungen, obere Nasengänge, mittlere Nasengänge nicht verändert. — Nicht
wieder erschienen.
Bericht der kgl. Augenklinik:
7. IV. 08. Vor 3 Wochen erkrankte Pat. an Influenza, 8 Tage danach
sah sie alles wie durch einen Schleier und fühlte bei Druck auf das Auge
Schmerzen, weitere 8 Tage darauf fiel ihr auf, dass sie mit dem linken Auge
sehr schlecht sehen konnte. Sie wurde von Herrn Dr. Sievers-Northeim
mit Schwitzen, Aspirin und Atropin behandelt. R. S. — 1,0. o —u. L. S. — 1,0.
o = Papillengrenzen im umgekehrten Bilde temporalwärts verwaschen und
ebenso unten. Venen etwas gestaut. Netzhaut leicht getrübt; Schmerzen sind
beim Druck auf dem Augapfel nicht mehr vorhanden. Soll in 8 Tagen wieder-
kommen. Behandlung wie oben. Zur Ohrenklinik geschickt.
14. IV. 08. Papillengrenzen noch etwas verwaschen. Venen gestaut. Skotom
nicht mehr nachzuweisen. L. S. = 0,2.
Dass man u. A. sehr vorsichtig mit der Verwertung chronischer
in Intervallen auftretenden Ödems der Augenlider sein muss, zeigt
folgender Fall:
Fall XIII.
August Bergmann, 56 Jahre alt, Arbeiter, Nordhausen, wird uns am
9. VIL. 10 von der kgl. med. Klinik überwiesen. Er gibt an, seit zwei Jahren
anfangs seltener, zuletzt etwa alle 2—3 Wochen eine ziemlich starke Schwellung
int rechten äusseren Augenwinkel, am oberen seitlichen Augenlid und der
vorderen Schläfe bemerkt zu haben. Die Schwellung sei wenig empfindlich,
sie trete oft für wenige Stunden auf, verschwände wieder, um bald wieder
stärker zu werden und meistens 1—2 Tage wechselnd anzuhalten. Vor 15 Jahren
hat er eine schwere Schädelverletzung erlitten, worauf zahlreiche grosse Narben
auf dem Kopfe zurückzuführen sind. Pat. hat momentan keine Schwellung.
Er wird aufgenommen, um sie beobachten zu können.
Der Befund ist äusserlich: Keine Druckempfindlichkeit der N. supra-
orbitalis. Die Weichteile der vorderen Schläfenpartie ist etwas verdickt, zeigt
keine entzündliche Reizung, keine Druckempfindlichkeit. Eine Röntgenaufnahme
19] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 615
zeigt bds. mässige Stirnhöhlenbildung, nirgends besondere Schatten oder auf.
fallende Bildungen. Endonasal zeigt sich, dass geringe diffuse Hyperplasie
der Schleimhaut besteht; kein freier Eiter vorhanden. Ohne weiteres
zeigt sich an der mittleren Muschel, die den mittleren Nasengang
verlegt, nur geringe polypoide blasse Schwellung, besonders nach lateral. Nach
Infraktion der mittleren Muschel ist bds. eine ausgesprochene polypoide Ent.
artung der Siebbeinbodenschleimhaut zu konstatieren, mehrere wahre Polypen
ragen vorn oben herab. Nach 8 Tagen tritt plötzlich eine ausgesprochene
Schwellung in der bereits vom Pat. beschriebenen Weise auf. Das obere Lid
ist ziemlich stark geschwollen, aber ohne ausgesprochenen entzündlichen
Charakter, ganz schwach gerötet. Die Schwellung erstreckt sich weniger auf
das untere Lid als auf die Schläfe. (Abb. 7, Taf. XXIX.) Hier ist deutlich eine
ziemlich derbe Schwellung mit nur geringer Empfindlichkeit nachweisbar. Der
Druck auf die orbitale Schwellung löst keinerlei Schmerzen aus. Die eigen-
artige Schwellung wechselt während des eintägigen Bestehens fortwährend an
Stärke.
Die Untersuchung seitens der kgl. Augenklinik ergibt jetzt, wie bereits
früher, keinerlei besonderen Befund.
19. VII. Bds. wird das vordere und mittlere Siebbein endonasal unter
Erhaltung der mittleren Muschel möglichst ausgeräumt, wobei auch der Stirn-
höhlenboden möglichst mit aufgedeckt wird. Die Sondierung ist post operationem
bds. möglich. Überall zeigt sich im Siebboin polvpoide Schwellung der Schleim
haut, zum Teil finden sich kleine Polypen in den Zellen.
21. VII. Die Schwellung der äusseren Weichteile ist wieder stärker ge-
worden, auch hat sich ohne weiteren Anlass eine Sugillation unter der Con-
junctiva bulbi gebildet, auch ist die Conjunctiva palpebrarum seitlich oben
stark. ódematós geschwollen. Die Weichteile der vorderen Schläfenpartie sind
ziemlich derb, etwas teigig infiltriert, auf Druck mässig empfindlich.
25. VIL. Operation in Chloroformnarkose. Es wird durch die vordere
Schläfe auf den lateralen Orbitalrand ein horizontaler Schnitt gesetzt, von
bier aus ein T-Schnitt nach oben und unten, so dass der laterale Orbitalrand,
nach Zurückschieben der Weichteile frei vorlag. Es findet sich eine derbe
Infiltration der äusseren Weichteile, subperiostal eine geringe Eitermenge am
oberen äussern Orbitalrande und eine ausgesprochene Neubildung von osteoider
Substanz auf dem rauhen Knochen, und zwar auf der ganzen lateralen Um-
randung der Orbita, die sich leicht abschaben liess und zum Teil an dem
Mutterboden, dem Periost, festhaftete. Nirgends war cine Kommunikation mit
den in Frage kommenden Nebenhöhlen nachweisbar. Die Weichteilwundränder
werden bis auf eine kleine Lücke durch Michelsche Klammernähte ver-
einigt.
3. VIII. Stichkanäle und Wundründer gerótet. Temp. 37,5—38,00. Die
phlegmonóse Entzündung geht dann unter feuchten Verbänden zurück. Ohthal-
mologische Untersuchung immer negativ. Das Ödem des rechten Augenlides
ist geschwunden.
16. VIII. Im lateralen Teile der Wunde hat sich eine kleine Suppuration
gebildet, wodurch die schon geheilte Wunde wieder aufbricht. Wieder Lid-
ódem. 22. VIII. Heilung. Entlassen.
In diesem Falle handelt es sich also nicht um fliegende Odeme, die etwa
von weit abliegenden lateralen supraorbitalen Rezessus der Siebbeinzellen oder
auch der Stirnhóhle mit entzündlich veründerter Schleimhaut aus entstanden sind,
sondern auf Grund einer traumatischen Stórung. Worauf diese zurückzuführen ist,
41"
616 W. Uffenorde. [20
wird nicht leicht zu eruieren sein. Jedenfalls dürfte sie kaum zu der vor
15 Jahren geschehenen Scháüdeltrauma in Beziehung zu bringen sein, welches
die Stirn- und Scheitelgegend betroffen hatte. Die subperiostale eiterige Ent-
zündung hatte also sehr lange gespielt, es war zu einer Periostitis ossificans
gekommen, und ab und zu das Ódem der Lider mit dem subkonjunktivalen
Ödem aufgetreten. Ähnliche Vorgänge kann man ja auch nicht selten bei Neben-
höhlenentzündungen, ja bei einfacher polypoider Entzündung, beobachten. Die
Röntgenaufnahme zeigte jedoch nur eine kleine Stirnhöhle und wenig lateral-
wärts entwickelte Siebbeinzellen, so dass wir an diesen ätiologischen Zusammen-
hang nicht weiter denken konnten. Ausserdem war natürlich auffallend, dass
ein gewisser torpider Schwellungszustand an der lateralen Schläfe stets nach-
weisbar blieb, ein Umstand, der gegen den Kausalkonnex mit der bestehenden
Ethmoiditis hyperplastica sprach.
Allgemeine Epikrise:
Bei der zusammenfassenden Besprechung dieser Fülle móchte ich
vorausschicken, dass keineswegs jeder von ihnen mit Sicherheit als
für die Anschauungen beweisend zu betrachten ist; aber ich habe
trotzdem auch die nicht sicheren Fälle mitaufgeführt, um für ähn-
liche Beobachtungen Interesse zu erwecken. Die Zukunft wird der
Forschung weitere Erkenntnisse schaffen und sichern. Wenn wir
andererseits diese 12 Fälle zusammenfassend epikritisch beleuchten,
so geschieht es deshalb, weil meines Erachtens sich bei allen Fällen,
vorausgesetzt unsere Annahme trifft zu, im Grunde dieselben Vor-
gänge abspielen. Bei allen wird es sich um Schwellungen in den
Nachbargebieten des N. opticus handeln, von der Entzündung in den
Siebbeinzellen oder der Keilbeinhöhle aus wird, und zwar wohl meistens
durch Stauung in den kollateralen Gefässen und das dadurch ent-
stehende Ödem um und in dem Nerven die Sehstörung eingeleitet:
Wie die Abbildung 3, Tafel XXVII gut illustriert, sind gerade hier
reichlich perforierende Gefüsse nachweisbar. Es ist besonders inter-
essant, dass diese Ödeme sich auch in den vorderen Teilen der
Orbita abspielen können und sich uns dann auch äusserlich ad oculos
demonstrieren.
Die sackförmigen blassen Schwellungen in dem inneren Augen-
winkel am oberen und auch am unteren Lide sind keineswegs selten;
auch von anderer Seite ist, wenn auch nicht oft, darauf hingewiesen
worden. VonSchmiegelow (Arch. f. Laryng. 15), der mit Recht gegen
die Toxintbeorie von Kuhnt schwere Bedenken geltend macht, sind
verschiedene Fälle aufgeführt, die hierher gehören. Ich glaube aber
andererseits nicht, dass die Auffassung des Autors, es handle sich
dabei um vasomotorische Reflexneurosen, zutrifft. Wenn man die so
innigen Gefässanastomosenbeziehungen zwischen vorderem Siebbein,
Stirnhöhlen, Schleimhaut und Haut des inneren Augenwinkels und
21] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 617
des Lides in Rechnung zieht, so ist die nahe liegendste Erklärung meiner
Ansicht nach die der Gefässstauung. Bedenken wir doch, dass wir
ganz ähnliche Stauungsschwellung bei Otitis media mit Beteiligung
der retrotympanalen Räume am Processus mastoideus relativ oft bei
Individuen jugendlichen Alters zu sehen pflegen. Hier steht ja aller-
dings die Infektion im Vordergrund; aber bei dem Entstehungs-
mechanismus des retroaurikulären Ödems — ich denke hier nicht an
die subperiostale entzündliche Schwellung — dürfte das mechanische
Moment in erster Linie in Frage kommen. Dass nervöse Einflüsse
immer dabei in Frage kommen sollen, erscheint mir unwahrscheinlich,
wenn auch solche bisweilen eine Rolle spielen mögen. Wenn die
Ödeme wechseln, wenn sie, wie wir das ja bei sich vorbereitenden
Durchbrüchen, bei anderweitigen nicht eitrigen Komplikationen, z. B.
Fall Gollert, u. a., nach einfachen endonasalen Eingriffen im vorderen
Siebbein wiederholt beobachtet haben, nur morgens besonders als
ein glasiges Ódem des oberen Augenlides auftreten, um spüter wieder
spontan zurückzugehen, so möchte ich diese Erscheinung auf die-
selben Ursachen zurückführen, wie die erfahrungsmässig feststehende,
dass bei Stirnhöhleneiterung besonders morgens Kopfschmerzen und
andere Beschwerden zu bestehen pflegen, die mittags wieder ver-
schwinden. Hier kommt es durch relatives Abschwellen der Schleim-
haut am Ausführungsgang und in den Zellen zum Abfliessen des
Sekretes und zur Aufhebung des die Beschwerden veranlassenden
Druckes, dort kommt durch Abschwellen der Schleimhaut eine Regu-
lierung des Abflusses nach Aufhebung des Druckes auf die Gefässe
zustande.
Sommerbrodt berichtet von einem l1jährigen Knaben, der
an Neigung zu Schnupfen litt. Dieser war neben anderen Erschei-
nungen von starkem Ödem der Konjunktiva begleitet. Durch eine
lokale Behandlung der Nasenschleimhaut trat Heilung ein. Von
Schmiegelow wird auch der Fall von J. Dunn (Recurrent oedema
of the upper eye lid from nasal polypus. Amer. Journal of Ophthalmo-
logy. Mai 1892, ref. im Intern. Zentralbl. f. Laryng. IX. S. 371) ge-
nannt. Ohne Schmerzen oder andere Zeichen von Entzündung trat
plötzlich wiederholt ein Ödem des oberen Augenlides ein. Besonders
war die Concha media polypoid entartet und mit Polypen besetzt.
Nach Entfernung dieser trat Heilung ein. — An diesen Fall erinnert
unser Fall I. Frl. N. N. sehr. Dass der Stoss gegen den oberen
Orbitalrand hier nicht für die auftretenden Ödeme verantwortlich zu
machen ist, glaube ich auch wegen des Erfolges durch die Infraktion
der mittleren Muschel u.a. annehmen zu dürfen. Schon öfter habe ich ähn-
liche Fälle geseben, besonders bei Frauen jüngeren Alters. Diese Schwel-
618 W. Utfenorde. [22
lungen sind meist ohne weiteres als harmlose gegenüber denjenigen anzu-
sprechen, welche die ersten Signale des drohenden Durchbruchs bei
der eitrigen Entzündung geben, wo die Intumeszenz ausgesprochen
entzündlicher Art ist und mit Rötung, Empfindlichkeit, teigiger Kon-
sistenz einhergeht. Ganz anders verhalten sich jene blassen, un-
empfindlichen, etwas rosa durchscheinenden, oft reichlich Trans-
sudat enthaltenden Anschwellungen. Ich möchte annehmen, dass
dieselben Vorgänge, wie sie sichtbar im inneren Augenwinkel und an
den Lidern von den vorderen Siebbeinzellen aus zur Entstehung ge-
langen, auch von den hinteren Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhle
aus am N. opticus vorkommen. Bei diesen kanalikulären Schwellungen
tritt aber die Gefahr der Druckwirkung auf den Sehnerv hinzu, wo-
durch das Krankheitsbild der retrobulbären Neuritis in die Erscheinung
tritt (s. Abbildung 2 und 3).
Die Frage, ob es hier nun zu einem kollateralen Ódem oder zu
einer wirklichen Perineuritis oder kanalikuláren Neuritis kommt,
móchte ich mit Paunz erst durch den Verlauf der Affektion beant-
wortet sein lassen. In den vorliegenden Fállen wird nach dem raschen
Rückgang der Sehstórung eine einfache Kompression durch kollaterales
Ödem, aber keine wirkliche Neuritis des Optikus anzunehmen sein.
Schieck glaubt öfter dieses Ödem in diesen Fällen im Nerven
selbst auf der Papille im ophthalmoskopischen Bilde gesehen zu haben.
„Das Ödem des Nerven kann man meines Erachtens in
einer Anzahl frischer Fälle direkt im ophthalmoskopi-
schen Bilde sehen, indem aus dem Gefässtrichter eine
trübe Wolke herausragt und den Gefässursprung aufder
Papille verschleiert.^ (v. Graefes Arch. f. Ophthalm. LXXI.
3. 1909.)
Wir müssen also diese Fälle, wie das schon in der Einleitung
betont ist, trennen von den Fällen mit phlegmonösen und abszedieren-
den Prozessen in der Orbita mit Fistelbildung in der Lamina papyracea,
am Stirnhöhlenboden und anderen Stellen. Hier wird die Entzündung
an sich nicht bedenklich wirken, die orbitale Schwellung wird nach
Abklingen des ursächlichen Schnupfens im allgemeinen auch zurück-
gehen, hier tritt lediglich die Gefahr der Druckwirkung auf das
neurale Gewebe des N. opticus in den Vordergrund unseres Interesses.
Bemerkenswert erscheint bei einzelnen Fällen, dass die befallene Seite
eine starke Deviation des Septums aufwies, wodurch zumal bei auf-
tretender allgemeiner Schleimhautschwellung zur Zeit eines akuten
Schnupfens der mittlere Nasengang verlegt wurde. Wie wir wissen,
spielen diese Deviationen ja eine häufige Ursache für die Stabilisierung
von Entzündungen, von Empyemen in den Nebenhöhlen der Nase. Bei
23] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 619
einer grösseren Reihe der Komplikationsfälle nach eiteriger Entzündung
wurde eine Deviation auf der gleichen Seite konstatiert. Wir müssen
weiter bei Betrachtung der einzelnen Kausalmomente in Rechnung
ziehen, dass bei den fraglichen Schnupfenformen, die für die Erregung
der Komplikationen in Ánspruch genommen werden sollen, nicht nur
die Nasenhóhle ergriffen wird, sondern mitunter auch fast gleichzeitig
die Nebenhóhlen mehr oder weniger von der Entzündung okkupiert
werden. Dass die Nebenhöhlenentzündung, abgesehen von wenigen
hämatogenen Infektionen, immer rhinogenen Ursprungs ist, wird von
den meisten Autoren bekanntlich angenommen. Für uns kommt nun
besonders die Beteiligung der Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhle
in Betracht. Schon lange nimmt man mit Recht an, dass in den
Fällen von Schnupfen mit unangenehmen Beschwerden wie Kopfdruck,.
starkem Eingenommensein des Kopfes, Schmerzen über der Nasen-
wurzel im inneren Augenwinkel, über und unter den Augenhóhlen,
auf dem Scheitel u. a., meistens die Nebenhöhlen mehr oder weniger
beteiligt sind. Es würde ja geradezu auffallend erscheinen müssen,
wenn bei dem bestehenden kontinuierlichen Zusammenhang der Schleim-
hat von Haupt- und Nebenhóhle, bei den die Progredienz begünstigenden
engen morphologischen Verhältnissen in den Nasengängen nicht öfter
die Infektion der Nasenhöhle die Nebenhöhle mit ergriffe.
Dass die Siebbeinzellen und auch die Keilbeinhöhle besonders
dazu disponiert sind, ergibt sich vor allem für die ersteren ohne
weiteres aus den topographischen Verhältnissen.
Es wäre nun allerdings wünschenswert und interessant, durch
pathologisch-anatomische Befunde einen exakten Nachweis über den
Entstehungsmechanismus des perineuralen Odems am Optikus zu er-
bringen. Da aber aus bereits namhaft gemachten Gründen dieses
erschwert ist, so müssen wir uns durch analoge Verhältnisse aus der
Pathologischen Anatomie die Erklärung suchen. Ich glaube, dass
dieses nicht schwer ist. Ganz besonders kommen uns hier die er-
wähnten Schwellungsvorgänge am äusseren Auge zu Hilfe.
Wie empfindlich die Nerven ganz allgemein gegen mechanische
Insulte, wie Zerrung, Druck u. a. sind, ist genügend bekannt. Wir
wissen andererseits, dass gerade Druck durclı Transsudat und Exsudat
eine Lähmung hervorrufen kann, z. B. in der Pauke beim N. facialis. Ich
kenne, wie wohl jeder Otologe, der ein grösseres Klientel zu beobachten
Gelegenheit hat, mehrere Fälle, wo nach Druck durch Schwellung oder
Transsudat in der Paukenhöhle eine Gesichtslähmung auftrat, ohne
dass es zu heftiger oder eiteriger Entzündung kam. Dass die Virulenz
der Entzündungserreger bei der Paukenhöhlenentzündung, wie auch
sonst am Körper, für die Nerven hier keine Rolle bei der Entstehung
620 W. Uffenorde. [24
einer Fazialisláhmung spielt, wissen wir aus vielfältiger Erfahrung.
Allerdings müssen wir hier noch berücksichtigen, dass in den Fällen
von Fazialisláhmungen bei vermehrtem Druck in der Paukenhóhle die
gewóhnlich vorhandene Dehiszenz des Fallopischen Kanals über dem
ovalen Fenster die Hauptrolle spielt. Demgegenüber glaube ich, dass
wir bei den Fallen von rhinogener Optikusneuritis nicht immer mit
dem Vorhandensein einer Dehiszenz rechnen kónnen und brauchen.
Betreff der Fazialisresistenz ist uns aber von den Fällen von endo-
kraniellen Tumoren im Kleinhirnbrückenwinkel bekannt, dass der
N. facialis sich resistenter gegen Druckinsulte erweist als der N.
acusticus. Nur in etwa !/s der Fälle von Akustikusbeteiligung ist
auch der Gesichtsnerv affiziert. Wenn wir nun den Seh- und Gehör-
nerven hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenüber mechanischen In-
sulten einander gleichsetzen dürfen, so würde auch der Sehnerv noch
leichter auf Druckwirkungen reagieren, als es der N. facialis tut.
Es ist also wohl zuzugeben, dass die Entstehung der akuten
retrobulbären Neuritis des Optikus nach Schnupfen mit Beteiligung
der in Frage kommenden Nebenráume sehr wohl plausibel und mog-
lich erscheinen muss. Auch der Fall von Königshöffer, wo nach
Entfernung der hyperplastischen Rachenmandel eine bestehende Neu-
ritis optica schwand, ist so leicht zu erklären. Ich habe schon an
anderer Stelle darauf hingewiesen, dass bei Rachenmandelhypertrophie
bei Erwachsenen ófter Ethmoiditis hyperplastica als Reizeffekt auf
das hintere Siebbein und Keilbein besteht. Hierdurch ist natürlich
leicht in der beschriebenen Weise die Entstehung der Optikusaffektion
vorbereitet. Ich kenne noch einen zweiten solchen Fall.
Um nochmals auf meine histologischen Präparate zurückzugreifen,
so beleuchten diese das Gesagte in bezug auf die Möglichkeit der
Druckwirkung sehr deutlich. Wenn wir besonders die Abbildung 4
betrachten, so sehen wir, wie das dünne trennende Knochenbälkchen
unterbrochen ist, wie die Schleimhaut der Keilbeinhöhle direkt über-
geht in die Optikusscheide. Wie hüben und drüben ein reiches Ge-
fässnetz besteht, die durch zahlreiche perforierende Gefässe miteinander
in Verbindung stehen, angesichts des Mangels einschlägiger patho-
logisch-anatomischer Untersuchungen und der Unmöglichkeit, durch
tierexperimentelle Untersuchungen Klarheit zu schaffen, glaubte ich
durch solche histologische Präparate der Forschung zu Hilfe kommen
zu sollen. Der Zufall unterstützte mich dabei; die Verhältnisse an
den gebrachten Präparaten sprechen meines Erachtens ziemlich beredt
für meine Auffassungen. Wenn wir nun noch die pathogenetischeu
Erkenntnisse zu Hilfe nehmen, die ich in bezug auf die Propagation
der Entzündung im Siebbein durch ausgedehnte histologische Unter-
25] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 621
suchungen gewonnen und die ich in meinen „Erkrankungen des Sieb-
beins^ mitgeteilt habe und welche ja auch zwanglos hier an der
Optikusgrenze supponiert werden können, so wird dadurch die ge-
wonnene Auffassung weiter argumentiert.
Die Diagnose der Augenaffektion werden wir natürlich dem
Augenarzte überlassen. Mit allem Nachdrucke möchte ich nochmals
darauf hinweisen, dass, wenn wir nun entscheiden wollen, ob ein
Kausalkonnex zwischen der Augenaffektion und der Nase vorliegt,
es nicht genügt, dass man auf Eitersirassen, reichliche Polypenbildung
eventl. Tumorbildung u. a. in der Nase fahndet, sondern man muss,
indem man sich den beschriebenen Entstehungshergang der Augen-
komplikation vor Augen hält, zunächst nach einem eventl. schon vor
ein paar Wochen bestandenen Schnupfen fragen. Auch geringfügigere
Anzeichen einer stattgehabten, wenn auch im wesentlichen bereits
abgelaufenen Entzündung der Haupthöhle der Nase ist zu berück-
sichtigen. Keineswegs kann man aber im allgemeinen nach der ein-
fachen Inspektion den Kausalkonnex in Abrede stellen, vor allem,
wenn der mittlere Nasengang und der Recessus sphenoethmoidalis
nicht übersichtlich ist. Wie überhaupt in der Rhinologie die Inspektion
des geschlossenen mittleren Nasenganges viel häufiger geübt werden
sollte, um nicht unschuldig verurteilte untere und mittlere Muscheln
opfern zu müssen, wie das erfahrungsgemäss bei versteckter Ethmo-
iditis hyperplastica z. B. noch öfter geschieht, so sollte auch hier die
Rhinoskopie mehr Berücksichtigung finden. Wir müssen uns darüber
klar sein, dass mit der Infraktion der mittleren Muschel nicht nur
ein diagnostisches, sondern auch ein therapeutisches Hilfsmittel ge-
geben ist. Die Lüftung des mittleren Nasenganges wird günstig auf
die zur Spontanheilung neigende Entzündung in den Zellen einwirken,
und damit wird sich auch eine günstige Wirkung auf die Komplikation
äussern können.
Unsere Fälle zeigen zum Teil, dass, während bei der einfachen
Inspektion in der Haupthöhle oft nur geringfügige Veränderungen
sichtbar waren, welche auf den abklingenden Schnupfen schliessen
liessen, durch die Besichtigung des mittleren Nasengangs oft genug
untrügliche Zeichen der Beteiligung und Entzündung der Siebbein-
zellen aufgedeckt wurden. Natürlich sind ja die so zu erkennenden
Veränderungen der mittleren und vorderen Zellen nicht als solche
ohne weiteres für die Optikuserkrankung in Anspruch zu nehmen, da
sie gar nicht mit diesem zusammenhängen; aber es verchlägt wohl
nichts, wenn wir dann weiter folgern, dass auch andere, dem Optikus
benachbarte Zellen an der Entzündung beteiligt sind und von hier
aus die kanalıkuläre Affektion am Sehnerven entstanden ist. Ganz
622 W. Uffenorde. [26
besonders äussert sich das bei dem Falle III. Während hier die
gewöhnlich ophthalmologischerseits geübte Therapie, Aspirin, Schwitzen,
Inunktionskuren nicht nur keinen Vorteil, sondern sogar Verschlimme-
rung brachte, trat nach der Infraktion der mittleren Muschel sofort
Besserung und baldige Heilung ein. — Ebenso sind die Fälle IV, V und VI
kaum anders zu erklären. Bei allen ging ein Schnupfen voraus, bei allen
ging die Optikusentzündung nach Lüftung des mittleren Nasenganges und
den geeigneten allgemeinen Massnahmen zurück. Die übrigen Fälle sind
zum Teil alten Datums und nicht genügend behandelt, einzelne sind
ganz fortgeblieben. Der II. Fall zeigt meines Erachtens mit aller
Deutlichkeit, dass hier Schnupfen mit Beteiligung von hinteren Neben-
räumen ätiologisch für die einzelnen Augenaffektionen in Frage kommt.
Viermal ist bei demselben Patienten im Verlaufe von 21/3 Jahren
nach Schnupfen, (meistens) heftigem Schnupfen mit Kopfschmerzen,
Druckgefühl über den Augen u. a., und mit influenzaartiger Allgemein-
erkrankung, die Bettruhe erforderlich machten) eine schwere Betei-
ligung am Bulbus wie auch am Optikus entstanden. Jedesmal gingen
die zum Teil sehr schweren Erscheinungen prompt auf Aspirin und
Schwitzen zurück. Voraussichtlich wird die nun eingeleitete Behand-
lung der Nase prophylaktisch wirken. In diesem Falle kann ebenso
kaum eine andere Ätiologie als die ausgeführte angenommen werden.
Besonders zu betonen ist, dass auch nach erfolgreich ausgeführter
Nasenbehandlung der für die Hyperplastische Nebenhöhlenentzündung
pathognostische seröse Ausfluss rechts noch anhielt. Gerade hier
ist wieder der ziemlich negative Inspektionsbefund am Siebbein zur
Zeit der Infraktion bemerkenswert.
Wenn man sich die morphologischen Verhältnisse und die patho-
logischen Erkenntnisse vor Augen hält, kann das gar nicht Wunder
nehmen. Die Glaskörpertrübungen und Blutungen, wie die Neuritis
optica möchte ich auf dieselben Ursachen zurückführen. Auch Kuhnt
hat Glaskörpertrübungen bei Kieferhöhleneiterung beobachtet, die
nach deren Beseitigung besser wurden. Interessant ist bei dem Fall II,
dass der Patient selbst in dem Schnupfen immer die Ursache für
seine Augenstörungen sah.
Ich habe bei den einzelnen Fällen keine epikritischen Bemerkungen
angefügt, um mich nicht immer wiederholen zu müssen. Aus den
kurzen Notizen geht das wesentliche ohne weiteres sowohl in rhino-
logischer als auch in ophthalmologischer Hinsicht hervor. Die suppo-
nierte Genese ist in allen Fällen dieselbe.
Die Therapie wird rhinologischerseits in Infraktion der mittleren
Muschel bestehen; vielleicht gibt man noch ein Schnupfpulver zur
Abschwellung (Acid. boric. 10,0. Cocain Hydrochloric. Menthol aa 0,15).
2(] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 623
Der Augenarzt wird Aspirin ordinieren und Schwitzkuren anordnen.
Sache des Ophthalmologen wird es sein, die Augenaffektion weiter zu
überwachen, um bei Progredienz der Optikusentzündung, vorausge-
setzt natürlich, dass diese als rhinogene anzusehen ist, weitere ope-
rative Eingriffe zur Entlastung des gefährdeten Sehnerven anzuraten.
In diesen Fällen, die meistens chronisch sein werden, würde ich zu-
nächst zu einer endonasalen Eröffnung der hinteren Siebbeinzellen
und der Keilbeinhóhle raten, um bei ungünstigem Verlaufe der
Optikusentzündung einzuwirken. Auch in dieser Hinsicht sind die
Fälle zu trennen von den eitrigen Nebenhöhlenentzündungen mit
Neigung zum Durchbruch in die Orbita, wo wir im allgemeinen zu
einem Eingriffe von aussen raten würden. Denn während wir hier
nicht nur die in Frage kommenden Nebenhöhlen eröffnen, sondern
auch den geschehenen Durchbruch mit Fistel und intraorbitalen
Eiterung oder den sich vorbereitenden Durchbruch mit der subperi-
orbitalen Entzündung aufdecken müssen, wird es sich in den vor-
liegenden Fällen von Optikusneuritis nur um Einwirkung auf die
sukkulente und lockere Schwellung der Nebenhöhlenschleimhaut und
damit auch, vorausgesetzt, dass die ganze gemachte Annahme zutrifft,
auf das kollaterale Ödem der Optikusscheide handeln. Eine Eröff-
nung des Optikuskanals, die nebenbei bemerkt, oft grosse technische
Schwierigkeiten verursachen würde, ist erfahrungsgemäss nicht er-
forderlich. Paunz, Hajek, Guttmann u. a. haben in ihren
einschlägigen Fällen die affizierten Zellen eröffnet und ausgeräumt.
Es handelte sich bei ihren Fällen offenbar um akute Exazerbationen
von chronischen Eiterungen und von Ethmoiditis hyperplastica. Sind
Polypen oder eitriges Sekret in Fällen von retrobulbärer Neuritis
nachweisbar, so wird ınan natürlich schon entsprechend der für
chronische Fälle üblichen Behandlungsart, gleich endonasal operativ
vorgehen und alle die befallenen Zellen möglichst sorgfältig aufdecken.
Ich brauche kaum noch hinzufügen, dass der Ophthalmologe in allen,
besonders aber ätiologisch fraglichen Fällen von retrobulbärer Neuritis
neben der Nasenuntersuchung die übrigen in Frage kommenden ätio-
logischen Momente berücksichtigen wird. Auch ist von uns in
Rechnung gezogen, dass die Diagnose der multiplen Sklerose z. B.,
die nicht selten die Ursache für die Augenaffektion ist, unter Um-
ständen schwer sein kann. Fast alle Fälle sind seitens der Nerven-
klinik untersucht.
Il. Fallvon Lähmung der Augenmuskelnerven.
Zu diesen Fällen von umschriebener, nicht eitriger Orbitalver-
änderung ist noch der folgende interessante Fall hinzuzurechnen, den
ich hier anschliessen möchte.
624 W. Uffenorde. [28
Fall XIV.
Bertina Gollert, 39 Jahre alt, Schneidersfrau aus Uslar, kam am 17. XII. 09
in die Poliklinik mit folgenden Angaben: Seit Ende September bis Anfang
November habe sie wechselnde, oft unangenehme Kopfschmerzen, besonders
über dem rechten Auge und in der rechten Schläfe gehabt. ‚Jeder Tritt habe
geschmerzt." Seit 8 Tagen sei das rechte Auge von selbst geschlossen, fast
gleichzeitig seien die Kopfschmerzen leichter geworden, jetzt habe sie nur
noch wechselnd in der rechten Schläfe Druckgefühl. Das Auge geht nicht auf.
Auf der rechten Seite habe sie keinen Geschmack, kein Gefühl. Wenig Ge
ruchsvermögen. Sie leide an hochgradiger Schlaflosigkeit, habe keinen Appetit.
Besonders rechts sei die Nase ganz verstopft, sie müsse fortwährend schnüffeln,
was schon seit längerer Zeit bestehe. Sie hab: immer, besonders morgens,
pappigen Geschmack und viel Schleim im Halse. Fieber habe nicht bestanden.
Die Untersuchung ergibt: Die linke Nasenhöhle zeigt keinen besonderen
Befund. Der mittlere Nasengang ist frei, nur die Rima olfactoria ist mässig
verschwollen.
Rechts: Aussere Nase ohne Bes. Breite Septumdeviation. Nebenhóhle
im ganzen sehr eng, Schleimhaut geschwollen, ohne Zeichnung. In den ober:n
Teilen liegt viel Schleimeiter, mittlerer Nasengang und Rima olfactoria sind
verschwollen. .
Postrhinoskopisch: Am Epipharynxdach liegt dicker gelber Eiter,
der aus dem oberen Nasengang u. Recessus sphenoethmoidalis hervorzukommen
scheint. Links freier als rechts. In der hinteren Nasenhóhle rechts nichts
zu sehen, links etwas Schwellung. Schwellung und Rótung der Schleimhaut
im Epipharynx und im Mesopharynx.
Diaphanoskopie: Bds. sehr dunkel, doch lässt sich noch ein Unter-
schied erkennen, rechts dunkler als links.
Auge: R. Bulbus steht fast fest, nur die Bewegung nach aussen ist
noch frei, ebenso funktioniert noch der M. obliquus. sup. R. Pupille reagiert
sehr träge auf Licht. Keine Protusio bulbi, oberes Lid hängt ganz herab.
Keine Schmerzen bei Druck. Der Augenhintergrund rechts zeigt stärkere Füllung
der Venen, die Grenzen der Papille sind nicht ganz scharf. Die Punktion der
Kieferhöhle rechts mit Lichtwitzscher Kanüle ergibt keinen Befund.
27. XII. 09. Bulbus rechts steht ganz fest. M. rectus externus funktioniert
gar nicht mehr. Pupillen sind gleichweit. Die r. reagiert nur bei starker Be-
leuchtung vielleicht noch eine Spur, jedenfalls viel schlechter als bei der
letzten Untersuchung. Etwas Chemosis, besonders des oberen Lides. Pat. hat
Kopfschmerzen gehabt, aber müssig. Klagt über Schlaflosigkeit und Appetit.
losigkeit. Am Dache des Epipharynx liegt dicker züher Eiterschleim, diffus
ausgebreitet, ist schwer zu entfernen. In der Nasenhóhle rechts Eiter aus
mittleren Nasengang und Rima olfactoria hervorkommend.
Pat. bekommt Kal. jodat., um auf alle Fülle die Lues, für die allerdings
keinerlei Anhaltspunkte bestehen, ausschliessen zu kónnen.
30. XIL 09. Operation in Skopomorphin (Riedel) -Chloroformnarkose
nach der modifizierten Michaux-Legouestschen Methode (nach Uffen-
orde).
Operationsbericht: 30. XII. 09. Aussere Weichteile ohne Bes.
Knochen intakt (äusserlich). Ziemlich starke Blutung. Im Siebbein varn und
Stirnhöhle dicke polypiöde Schwellung der Schleimhaut, zunächst Ausräumung
des Siebbeins bis zur Keilbeinhöhle; im hinteren Siebbein und Keilbeinhöhle
29] Komplizierte Fülle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 625
reichl. Eiteransammlung; dazwischen fallen käseartige, zerfallene Massen auf.
Es zeigt sich dann, dass von den hinteren Siebbeinzellen ausgehend eine Tumor-
bildung, die zum Teil schon zerfallen ist, die Keilbeinhóhle und das hintere
Siebbein ausgedehnt okkupiert hat, auch den Rhinopharynx beteiligt und der
aus weichen, meist grauen markartigen Massen besteht, die ohne Widerstand
zu bieten, mit dem scharfen Löffel auskürettiert werden können. Da die Aus-
dehnung des Tumors sich auch nach der anderen Seite hinüberstreckt und auch
noch seitlich und unten nicht übersichtlich war, so wurde der äussere Weich-
teilschnitt nach unten verlängert, der mediale Teil des Facies canina reseziert,
so dass der Ductus nasolacrimalis quer durch den unteren Winkel der Mund-
höhle frei verlief. Die Schleimhaut der Kieferhöhle erwies sich als hochgradig
polypoid entartet; mediale Wand wurde entfernt und Lamina papyracea aus-
gedehnt entfernt. — Das Dach der Keilbeinhóhle (von Sella turcica der Boden)
reseziert; auch seitlich und unten die Augenhóhle ausgedehnt freigelegt. Die
Periorbita-Kapsel erwies sich als rauh und derb, eine Kommunikation mit den
Nachbarzellen ist nicht nachweisbar. Ausserdem lässt sich eine Ausdehnung
der meist markhaltigen Massen am Dach der Nasenhöhle, an der Lamina
cribrosa nach der anderen Seite quer durch das Septum nachweisen. Im hinteren
oberen Siebbein links lässt sich in einer grösseren Knochenhöhle eine Masse
von dem oben beschriebenen Tumor konstatieren. Der Boden der Keilbein-
höhle mit Septum intrasphenoidale wird möglichst ganz entfernt, auch in der
Keilbeinhöhle wird Tumorgewebe mit Eiter nachgewiesen. Nach Räumung
der Höhle Tamponade mit 4 m langer, 6 cm breiter Jodoformgaze. Primäre
Naht mit Jodoformgaze. |
Die mikroskopische Untersuchung des Kgl. Pathologischen Instituts er-
gibt: „Die Diagnose Karzinom lässt sich ausschliessen. Das Material ist zum
grossen Teile nekrotisch, die spärlichen noch erhaltenen Teile bestehen aus
einem granulationsgewebeartigen, teilwgise akut entzündlich infiltrierten Gewebe,
das indessen auch keinen sicheren Schluss auf das Bestehen etwa eines Sarkoms
zulässt.‘
10. I. Die äussere Schnittlinie ist glatt vernarbt. Die Beschwerden der
Pat. sind wesentlich gebessert. Besondere Erscheinungen sind nicht aufgetreten.
Am 31. I. Laut Untersuchung der Augenklinik ist der Zustand der Augen-
hóhle genau der gleiche geblieben. Patientin leidet unter den Doppelbildern;
trágt schwarzes Glas r.
10. IV. Der Bulbus zeigt deutlich eine geringfügige Beweglichkeit nach
aussen, die übrigen Muskeln sind frei.
Am 1. VII. Der M. externus ist jetzt vollständig frei, keinerlei Doppel.
bilder mehr vorhanden. Die Patientin hat die Schutzbrille fortgelassen.
Patientin hat noch bisweilen Druckgefühl auf dem Scheitel. In der Nase
noch viel eingetrocknetes Sekret, welches fótid ist. Patientin hat ihre Nase
tiglich mit physiologischer Kochsalzlósung, der bisweilen Hydrogenium per-
oxydat. zugesetzt worden ist, spülen müssen. Vorn in der Nase besteht noch
Schwellung der Schleimhaut. Nach mehrmaliger Spülung der Nase mit Hydro-
geniumlósung ist die Nase jedesmal im wesentlichen frei. Hp. Kal. Jodat.
7:900.0 3mal tgl. 1 Esslöffel voll zu nehmen.
Die postrhinoskopische Untersuchung ergibt, dass das Dach des Epi-
pharynx und des hinteren Siebbeins nach Entfernung der noch überall lagern-
den Borken frei übersichtlich sind.
Nirgends besteht eine umschriebene Schwellung oder Granulationsbildung.
626 : W. Uffenorde. [30
Die Patientin kneift noch immer rechts die Lider etwas zusammen infolge
des früher geübten Bestrebens monokulär zu sehen und das Doppelbild aus-
zuschalten.
Die kosmetische Beschaffenheit der in Frage kommenden äusseren Teile
ist eine gute. Es ist kein besonderer Befund mehr seitens der Orbita und
des Bulbus «einschliesslich des Augenhintergrundes zu erheben (Augenklinik).
Die Patientin verrichtet ohne Störungen seit längerer Zeit ihre gewohnten
Arbeiten.
15. VII. Die Schleimhaut der Nase ist noch immer etwas trocken und
es besteht noch Neigung zu Borkenansatz. Die Septumperforation ist jetzt
infolge von Schrumpfung der Schleimhaut gross geworden. Dadurch und durch
die Rückbildung der noch immer bestandenen reaktiven Schwellung der Nasen-
schleimhaut sind beide Höhlen vereinigt und sehr breit geworden. Sie sind
frei übersichtlich. Die Patientin ist im wesentlichen beschwerdefrei.
6. I. 11. Patient hat sich gut erholt, sieht wieder wohl aus. Kopf-
schmerzen und die anderen zerebralen Störungen sind geschwunden, doch
besteht noch leichte Diplopie (Augenklinik).
Bericht der Augenklinik.
17. XII. 09. Seit Ende September bestanden heftige Kopfschmerzen auf
der rechten Seite. Danach glaubte Pat. zu bemerken, dass das rechte Auge
nach innen abwich. Seit 8 Tagen hängt das Oberlid herab und kann nicht
gehoben werden.
H Ptosis. Geringer Exophthalmus. Es funktioniert nur der Abduzenz,
alle anderen nicht. Bulbus daher nach aussen abgelenkt. Rollung des Obliquus
sup. ist angedeutet vorhanden. Pupille weiter als links, reagiert aber noch
auf Lichteinfall. Akkomodation 'gelühmt. S. — 0,6 — < 0,7 + 3,0 Ds.
S = Jäger 3.
O. — Grenzen der Papille kaum verwaschen, aussen und innen unten
sieht man noch eben hindurch. Venen gestaut, besonders die nach aussen
und unten gehende. Papille leicht gerótet.
L. normal. E. 8 — 1,0, 0 — u.
R. Keine Schwellung der Papille; eigentlich nur auffallende Füllung und
Schlängelung der Venen.
Befund am 13. I. 10. R. Ptosis noch komplett, desgl. die Lähmung des
Sup. inf. int. und Obl. inf, sowie des Abduzens.
Pupille X L. reagiert ganz schwach auf direkte Reizung. S. = 0,6 — 0,7.
O. unverändert. |
24. Il. 10. Exophthalmus vollständig geschwunden. Es funktionieren jetzt
alle Muskeln mit Ausnahme des Abduzens (!), der vollständig paralysisch
ist. Daher hochgradige Konvergens. Bds. o = u. R. Papille X L. R. S. — 0,6
— 0,7; L. S. = 1,0. Conj. sph.
1. TII. 10. Status idem. O = u, siehe Gesichtsfeld.
12. V. 10. Der Abduzens ist in geringem Masse wieder funktionsfähig.
Die anderen Muskeln sind intakt. R. S. — 0,6 — 0,7. L. S. = 1,0. Bds. O =u.
30. VI. 10. R. Abduzens ist nahezu wieder normal funktionsfähig. R. E.
S. = 0,7. O. — Papillengrenzen scharf. Venen noch gestaut und geschlüngelt.
L. E. S. = 1,0, o = u. Klagen über Tränen. Seit letzter Zeit wieder
verstopfte Nase.
3.1.11. R S. = 0,3 — < 0,4. Venen nicht gestaut. Konjunktivitis.
L. S. = 1,0.
31] Komplizierte Falle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 627
Epikrise: Eine sehr lehrreiche und interessante Kranken-
geschichte. Bei der Patientin sind nach sehr unangenehmem prodromalen
Symptomen heftige wechselnde Kopfschmerzen über dem rechten
Auge und in der rechten Schläfe und Störung des Allgemeinbefindens,
Lähmungen der einzelnen Augenmuskelnerven aufgetreten. Zunächst kam
es zur Ptosis, n. oculomotorius. Gleichzeitig besteht Schlaflosigkeit,
Appetitlosigkeit, alle möglichen wechselnden nervösen Störungen.
Dann werden die übrigen vom n. oculomotorius innervierten Teile
gelähmt, m. rectus internus, am letzten der m. sphincter pupillae.
Darauf wird der n. trochlearis ergriffen, und schliesslich erliegt auch
der n. abducens. Am Augenhintergrund sind zunächst mässige Ver-
änderungen einer Papillitis nachweisbar. Eine Protrusio bulbi
besteht nicht. Nur in der letzten Zeit kommt es bisweilen zur
leichten Chemosis des oberen Lides. Der Befund in der Nase und
besonders auch im Rhinopharynx deutete auf ein Empyem der oberen
Nebenhóhle der Nase hin. Es besteht, wie das so oft zu beobachten
und átiologisch gewiss als prüdisponierend anzusehen ist, eine Ver-
biegung der Scheidewand auf der gleichen Seite. Um die wegen des
eigenartigen Verlaufs nicht unwahrscheinliche syphilitische Atiologie
auszuschliessen — anamenestisch und bei der Allgemein-Untersuchung
bot sich keinerlei Anhaltspunkt —, wurde zunächst Jodkalium ge-
geben, was aber keinerlei Veränderungen zeitigte. Ein ausgedehnter
Eingriff nach der von mir für solche Fälle empfohlenen Methode
(Uffenorde Chondrome der Nebenhöhle und mit allgemeiner Be-
sprechung der Operationsmethoden für die Nasennebenhöhlen Arch.
f. Laryng. 20, S. 1) deckte eigenartige Veränderungen auf. Während
die Kieferhóhle und Stirnhóhle nur polypoide Entartung der Schleim-
haut infolge Reizwirkung von der übrigen Entzündung aufwiesen,
waren die übrigen Nebenhóhlen Siebbein rechts, Keilbeinhóhle rechts,
Siebbein und Keilbeinhóhle links vollkommen von markigen geweb-
artigen Massen eríüllt, die ich für ein Medullarkarzinom hielt. Die
Nasenscheidewand war am Dach der Nasenhöhle breit durchbrochen.
Da ich an ein Karzinom dachte, habe ich soweit als móglich alles
aufgedeckt, vor allem die Keilbeinhóhle breit eróffnet, den Boden der
Sella turcica reseziert, nach r. die seitliche Keilbeinhóhlenwand
unterhalb des Canalis opticus. Der Boden der Keilbeinhóhle, das
Septum, die beiderseitige vordere Wand wurde vollkommen entfernt.
Zu unserer Freude bestátigte die Untersuchung des kgl. Pathologi-
schen Instituts unsere Annahme nicht, sondern erkannte nur nekroti-
sche Massen darin. Man könnte an eine sogenannte als Rhinitis
caseosa etc. bezeichnete Erkrankungsform denken. Die Materie sah
gleichmässig weissgelblich aus und ist am besten mit den markigen
628 W. Uffenorde. [32
Massen eines Medullarkarzinoms zu vergleichen. Ich glaube aber
nicht, dass die Auffassung als Rhinitis caseosa richtig ist. Die
P. Mc. Bride (Coryza caseosa Lekt. f. Laryng. u. Okol. 62. Vers. der
Brit. med. Assoc. 1894. Semons-Zentralblatt XI S. 860. Strazza,
Bollet. Delle Mal. dell' or 1893, Nr. 9. Avellis (Arch. f. Laryng. 4),
Killian, Escat u. Stieda für Nebenhóhlen (Zeitschr. f. Ohrenhkd.
42, 2) als Rhinitis caseosa beschriebene Erkrankungsform, d. h. der
küsigen Umwandlung von Eiter, habe ich wiederholt beobachtet, diese
Materie erscheint eher etwas krümelig, oft foetid. Ganz anders war
aber hier die Beschaffenheit des eigenartigen Sekretes. Besonders
bemerkenswert war der postrhinoskopische Befund. Am Dach des
Rhinopharynx und am Recessus sphenoethmoidalis lag immer die
zähe gelblichweisse Masse, die nur unvollständig abzustreichen war.
Es handelte sich also hier um eine ganz eigenartige Umwandlung
der Schleimhaut, die etwas an die diphtherische Form erinnert,
mit Neigung zu Nekrose und Bildung von zähen, trockenen, gelblich-
weissen Massen. Man kann, wie ohne weiteres aus dem geschilderten
Befund am Epipharynxdach zu ersehen ist, hier nicht von käsiger
Umwandlung des Sekretes infolge Retention reden, selbst wenn man
den hier nicht passenden Ausdruck beibehalten wollte, da ja das ge-
bildete Sekret auch an der frei zutage liegenden Oberflüche die ge-
schilderte Beschaffenheit aufweist. Die Schleimhaut in der Nachbar-
schaft der Keilbeinhöhle war auch verändert. Die Retention geschah
vielmehr durch die klebrige, feste Konsistenz. Leider ist die bakterio-
logische Untersuchung auf Streptothrix alba und fusca, die E.
Guarnaccia in den Massen bei Rhinitis caseosa gefunden hat, unter-
lassen, da wir einen Tumor annahmen. Es erscheint mir durchaus
wahrscheinlich, dass die Art der Infektion in unserem Falle eine aus-
schlaggebende Rolle gespielt hat. Eine Verwechselung mit choleste-
atomatösen Prozessen, wie ich sie mit anderen Autoren beobachtet
habe (Uffenorde, Beiträge zur Pathogenese des sekundären Chole-
steatoms: Verh. d. D. Otol. Ges. Dresden 1910, S. 160) kann hier
schon nach der histologischen Untersuchung nicht stattfinden. Die
angewandte Operationsmethode bewährte sich vortrefflich, man konnte,
ohne die freigebliebene untere Nasenhöhle angreifen zu brauchen,
unter Erhaltung der unteren Muschel alle Höhlen eröffnen und hatte
eine gute Übersicht. Hierzu kommt, dass ich hier die Stirnhöhle, die
ja sehr wohl auch von den Massen okkupiert sein konnte, tatsächlich
auch erkrankt war, leicht miterreichen konnte, was vor allem im
Falle eines Tumors erforderlich ist, zumal erfahrungsgemäss die Sieb-
beintumoren oft nach oben vorzudringen pflegen. Hier ist diese
Operationsmethode entschieden der Denkerschen vorzuziehen. Das
33] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 629
kosmetische Resultat lässt an dieser Auffassung nichts ändern. Eines
schickt sich nicht für alles, muss man hier sagen. So wertvoll die
Denkersche Methode für viele Fälle ist, so ist es m. E. ganz ver-
kehrt, wie es heute oft geschieht, ihr zu weiten Indikationskreis ein-
zuräumen. So wie sie bei Kieferhóhleneiterungen zu eingreifend ist,
so muss man sie auch für Tumoren im Siebbein als nicht zweck-
. entsprechend bezeichnen. Ich kann, ohne die untere laterale Nasen-
wand mit unterer Muschel opfern zu müssen, das Siebbein und Stirn-
höhle, Keilbeinhöhle gleiclimässig, je nach Bedarf, nach der be-
schriebenen Methode angreifen, ohne in kosmetischer Hinsicht Schaden
und Nachteile zu stiften. Vorzügliches leistet die Denkersche
Methode dagegen bei Tuberkulose, Tumoren der medialen Kiefer-
höhlenwand, bei Tumoren, die Kieferhöhle und Siebbeinhöhle okkupiert
haben u. a. und ist dort sicherlich die beste Methode.
Der Verlauf post operationem ist nun wiederum besonders hin-
sichtlich der nervösen Störungen höchst interessant. Ganz allmählich,
im Verlauf von mehreren Monaten, kehrte die Beweglichkeit des
Bulbus wieder, die einzelnen Nerven erhielten aber ılıre Funktion in
derselben Reihenfolge zeitlich wieder, als sie sie beim Eintreten der
Lähmung verloren hatten. Die Funktion des m. externus besserte
sich erst nach zwei bis drei Monaten ganz allmählich, erst nach sechs
Monaten konnten wir die unbehinderte Bewegung des Bulbus nach
aussen nachweisen. Man sollte von vorneherein annehmen, dass nach
der Operation der jüngst geschädigte Nerv sich am raschesten wieder
erholte. Auch die Nase reinigte sich allmählich, die sehr grosse, ein-
heitliche Höhle wurde durch Spülungen feucht und sauber erhalten.
Wie ist die Pathogenese der Augenmuskellähmungen zu deuten ’?
An den beigefügten mikroskopischen Präparaten (s. Abbildung 2 und
Abbildung 4) sieht man, wie die Augenmuskelnerven neben dem
Optikus liegen, auf der einen Seite knóchern, auf der anderen Seite
häutig getrennt. Die Nerven dringen bekanntlich durch die Fissura
orbitalis sup. neben der Keilbeinhöhle oder einer rückwärts ge-
schobenen hinteren Siebbeinzelle in die Augenhöhle ein.
Medial liegt der N. oculomotorius, lateral der N. trochlearis, am tiefsten
der N. abducens. Dass es sich in unserem Falle um Nervenkompression
handelt, unterliegt kaum einem Zweifel, da ja die eigentliche Orbita frei
von Entzündung war; es bestand keine Schwellung des orbitalen Gewebes,
also konnte eine Stórung seitens des Muskels nicht in Frage kommen.
Solche Nervenlähmungen ohne Entzündung des intraorbitalen Gewebes
sind bei Keilbeinhöhlenempyemen in einzelnen wenigen Fällen bereits
beobachtet, allerdings nie so ausgesprochen und so vollständig. Bald
war der N. oculomotorius (Ptosis) partiell gelähmt, bald war der
Zeitschrift fir Laryngologie. Bd. IIT. H. 6. 42
630 W. Uffenorde. [34
Oculomotorius total geláàhmt, Demarquay (zit. bei Mackenzie, die
Krankheiten der Nase 1884), Lapersonne (de quelques manifesta-
tions orbitaires des sinusites. Presse méd. Mai 1898, ref. Rev. de
Laryng. 1898 p. 1019), in einem Falle von Baumgarten (Orvosi
Hetilap. 1903), cit. von Schmiegelow (Arch. f. Laryng. Bd. 15)
waren Ptosis und Láhmungen der Augenmuskeln mit Ausnahme des
N. abducens konstatiert. Ein Fall von Fisch wies Parese des N.
abducens und N. oculomotorius auf, der Richtersche Fall Abduzens
paralyse, bei Thomson totale Okulolomotoriuslähmung, bei Hoff-
mann, Stancullaun ebenso bei Panas und Malour Abduzens-
làhmung (s. Onodi, Berlin, klin. Wochenschr. 1908, I. 20). Von
Panas ist übrigens Trigeminus-Anásthesie beobachtet. In diesem
Falle war Neuritis des N. oculomotorius auf seiner Strecke neben
der Keilbeinhóhle angenommen. Die Beziehungen der Augenmuskel-
nerven zur Keilbeinhóhle, ebensowohl zu nach hinten vorgeschobenen
Siebbeinzellen sind so innige, dass sich event. vorkommende Láhmungen
dieser Nerven ohne weiteres erklären, man braucht dazu keineswegs
besonders seitlich in die Keilbeinflügel entwickelte Rezessus der
hinteren Nebenhóhlen zu supponieren. In unserem Falle war kein
Durchbruch der seitlichen Keilbeinhóhlenwand anzunehmen. Ob eine
Dehiszenz bestand, wie sie von verschiedenen Autoren, auch von mir,
hier beobachtet ist, konnte ich nicht sicher entscheiden, jedenfalls
war sie trotz sorgfältigster Sondierung an der frei zugängig gemachten
grossen Keilbeinhöhle nicht nachweisbar. Von Onodi (der Sehnerv
und die Nebenhöhle der Nase 1907) sind Dehiszenzen auf beiden
Seiten unmittelbar unter der lateralen Wurzel des kleinen Keilbein-
flügels gesehen.
Ich glaube, dass hier zirkulatorische Störungen mit periostalen
Reizungen den deletären Druck in den hinteren orbitalen Räumen
ausgelöst und so die Nerven geschädigt haben. Die Annahme der
Schädigung durch Toxinwirkung, wie sie besonders von Ophthalmo-
logen (Sattler, Kuhnt u. a.) gemacht wird, ist m. E. hier wie in
den meisten anderen Komplikationsformen unwahrscheinlich. Phleg-
monóse Prozesse erscheinen mir ebenfalls nicht schuldig zu sein, da
dann namentlich bei der langen Dauer der Affektion wenigstens ein
geringfügiger Exophthalmus auftreten müsste. Wenn man die obigen
histologischen Präparate, frontale Durchschnitte durch diese Teile,
betrachtet, so müssen wir bei den bestehenden zirkulatorischen Ver-
hältnissen hier sowohl wie bei der oben näher geschilderten Neuritis
retrobulbaris die Annahme der Druckschädigung infolge von Stauung
auf die Nerven als durchaus wahrscheinlich zugeben. Der günstige
Verlauf der ganzen schweren Affektion trotz der langen Dauer ohne
35] Komplizierte Falle von Nasennebenhóhlenerkrankung. |. 684
schwere dauernde Schädigungen ist sehr beachtenswert. Hervorzu-
heben ist auch, dass der n. optikus nur verhältnismässig leicht durch
die Stauung der Venen geschädigt ist (s. Bericht der Augenklinik),
da er direkt neben den affizierten Nerven liegt, z. T. nur durch
die Durascheide von ihnen getrennt. Wären hier aber ausgesprochen
entzündliche Prozesse entstanden, so wäre der Optikus auch schwerer
getroffen. Wir wissen, dass Druck dem Neurilemm am gefährlichsten
ist. Ebenso müsste man bei ausgesprochener Entzündung in der
Tiefe der Orbita, zumal bei der langen Dauer, Granulationsprozesse
annehmen, wodurch wahrscheinlich schwere und dauernde Störungen
gesetzt wären. Andererseits ist auch beachtenswert, dass trotz des
so ausgedehnten Prozesses der rechtsseitigen Nasennebenhöhlen kein
Ödem in der Orbita entstanden ist, es fehlte ja jede diffuse Schwel-
lung des intraorbitalen Gewebes, die zu supponierende Stauung war
auf die Tiefe des orbitalen Trichters beschränkt. Man muss als
Erklärung dafür annehmen, dass die Zirkulation im übrigen nicht
gestört war, und dass die Massen nicht infektiös waren. Beide An-
nahmen sind aus dem erhobenen Befunde sehr wahrscheinlich gemacht
und fast belegt. Auf das Konto der viel höheren Empfindlichkeit
des Optikus gegenüber den motorischen Nerven ist die bleibende Be-
einträchtigung des Visus r. zu setzen. Die Angabe der Patientin,
‘dass mit dem Auftreten der Ptosis die unangenehmen Kopfschmerzen
sofort nachgelassen hätten, deuteten wir als Symptom des geschehenen
Durchbruchs, wahrscheinlich nach der Schädelhöhle hin. Diese Auf-
fassung erwies sich als unrichtig, hier können eben immer Zufällig-
keiten mitspielen, die irreleiten.
C. Fälle mit diffuser orbitaler Phlegmone.
I. Allgemeines. Terminologie.
Von diesen soeben besprochenen Fällen von orbitaler Komplika-
tion muss man klinisch die Fälle von meist mehr weniger diffuser,
eitriger Entzündung der Orbita sondern. Hier kann entweder ein
Durchbruch von der entzündeten Nebenhöhle aus in die Orbita schon
stattgefunden haben oder eine Neigung dazu bestehen. Es kann
aber auch, trotzdem die Entzündung sicherlich ex continuo von der
erkrankten Nebenhöhle aus auf die Orbita übergegriffen hat, eine
umschriebene oder diffusere Entzündung in der Orbita lange Zeit
bestehen, ohne dass es zu einem Durchbruche kommt. Auf diese
sehr interessanten Formen komme ich noch speziell zurück.
Ich möchte noch hervorheben, dass pathologisch -anatomisch
natürlich keine scharfe Grenze zwischen diesen Fällen und den oben
42*
od
63 ` W. Uffenorde. [36
abgehandelten Fallen zu ziehen ist, da bei beiden eine Entzündung
als Ursache zugrunde liegt. Man unterscheidet bekanntlich in Fállen
von entzündlicher orbitaler Komplikation die Periostitis der Periorbita,
die orbitale Phlegmone und den Orbitalabszess. Über die Pathogenese
ist sehr oft geschrieben, ich kann da z. T. auf die oben angeführten
ausführlichen Arbeiten verweisen. Es wird in den Fällen von orbi-
taler, zerebraler und fazialer Komplikation nach eitriger Nebenhöhlen-
affektion zu einer Ulzeration in der Schleimhaut kommen, der Knochen
freigelegt werden. Die Schleimhaut der besonders betroffenen Zellen
= wird ausgedehnt eitrig ausschmelzen, Durchbrüche mit Destruction
nach den Nachbarzellen sich ausbilden. Dann kann die Entzündung
entlang den perforierenden Gefässen weiter in den Nachbarraum
kriechen, und zwar begünstigt durch eine Osteoporose. Die Gefäss-
kanäle werden erweitert, auch durch weitere Arrosion von der Fläche
aus wird der schützende Knochen zernagt. Daneben können schon
früh die den Knochen durchsetzenden Gefässe, vornehmlich die Venen,
thrombophlebitisch beteiligt werden und der Propagation der Ent-
zündung Vorschub leisten. Durch das Vordringen der Infektions-
erreger durch die Gefässkanäle kommt es zu einer Infektion der
Periorbita oder der Dura mater; so entsteht auch der subperiostale
Abszess. Derselbe Vorgang spielt sich nicht selten an verschiedenen
Stellen gleichzeitig ab, so dass man in frischen Fällen mehrere kleinste
Fistelbildungen, die nur erweiterte Gefässlöcher darstellen, beobachten
kann. Das zunächst entstehende Infiltrat kann stationär bleiben,
sich event. auch wieder zurückbilden oder aber meistens bei virulenter
Infektion eitrig einschmelzen, und damit wird eine Periorbititis
externa purulenta oder ein subperiostaler Abszess zur Ausbildung ge-
langen. Das ernährende Periost wird abgehoben, die Gefässe immer
mehr zerstört und verlegt, der Knochen wird entsprechend der
affizierten Stelle nekrotisch werden, und so haben wir die Fistel.
Oft wird diese definitive Fistel im früheren Entwickelungsstadium
von mehreren kleinen Fisteln umzeichnet, die dann später zusammen-
fliessen, wenn der dazwischen liegende Knochen nekrotisch geworden
ist. Ganz nach dem jeweiligen Entwickelungsstadium, in dem der zu
behandelnde Fall sich bei der Operation befindet, werden wir ent-
weder noch gar keine makroskopisch sichtbare Fistel finden, höchstens
die nicht immer leicht zu sehenden erweiterten Gefässkanäle, oder aber
wir finden mehrere kleine und kleinste Fisteln, die einen Knochen-
bezirk umgrenzen oder aber wir haben in vorgeschrittenen Fällen
die fertige Fistelbildung vor uns. Natürlich können sich bei aus-
gedehnter heftiger Entzündung und begünstigenden anatomischen Ver-
hältnissen gleichzeitig auch mehrere grosse Fistelbildungen etablieren.
37] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 633
In sehr heftigen Entzündungen kann andererseits die Infektion so vehe-
ment und rasch vordringen, dass es überhaupt gar nicht erst zu diesem
ganzen pathogenetischen Hergang koınmt. Die sehr virulenten Infektions-
erreger durchsetzen direkt nach Ulzeration der Nebenhöhlenschleim-
haut den Knochen, die Dura mater oder Periorbita vermag nicht
genügend Widerstand zu leisten, und es werden event. letal endigende
Infektionen gesetzt, ehe die oben geschilderten einzelnen Entzündungs-
etappen zur Entstehung gekommen sind. Hier kann dann nur die
histologische Untersuchung über den spielenden pathogenetischen
Prozess Aufklärung geben, wie es z. B. in den interessanten Fällen
von Hajek und Orthmann geschehen ist, wo der ganze Knochen
von den erregenden Mikroorganismen durchsetzt ist.
Diese einzelnen Entwickelungsetappen pflegen wir ja relativ viel
häufiger bei den otogenen Komplikationen zu beobachten. In patho-
genetischer Beziehung handelt es sich hier um dieselben Vorgänge.
In nicht seltenen Fällen sind auch sehr grosse Defekte bei kompli-
zierten Stirnhöhleneiterungen z. B. durch die Operation aufgedeckt
worden. Diese werden meist aus einzelnen Fistelbildungen der
gewöhnlichen Grösse zusammengeschmolzen sein.
Ich habe hier ein Präparat abbilden lassen, welches ich von dem
Falle Kuhlebrock gewonnen habe. Hier sieht man die Fistel-
bildung (s. Abbildung 6, Tafel XXVIII).
An diesem Präparate ist der beginnende Durchbruch deutlich.
Die Arrosion des Knochens ist schon in geringer Ausdehnung voll-
endet, die Periostlagen aufgesplitterte z. T. nekrotisch. Rechts neben
der hier wiedergegebenen Stelle ist ein grosser Defekt, die in dem
Falle bei der Operation beobachtete Fistelbildung. Man muss bei
der Betrachtung des Präparates berücksichtigen, dass die Periorbita
in situ geblieben ist. Nur wenige Periostlagen haften an der
herausgenommenen Lamina papyracea. Die ganze Knochenpartie, die
die Zellen mit vollkommen eitrig eingeschmolzener Schleimhaut be-
grenzt, würde in die Fistelbildung bald einbezogen sein. Neben der
Fistel sind schon wieder reparatorische Vorgänge sichtbar. Auch die
Arrosion des Gefässkanales rechts ist deutlich.
Die Abbildung 5 (Tafel XXVIII) zeigt, wie d:e eitrige Infektion
mit Ulzeration der Schleimhaut und des Knochens auf einzelne Zellen
beschränkt sein kann, wie daneben Zellen mit mehr schleimiger
katarrhalischer Entzündung von dem destruierenden Prozesse ver-
schont bleiben können. Es kann also der Durchbruch von einem
umschriebenen Empyem aus entstehen.
Wie Merkel schon hervorgehoben hat, weist die verhältnis-
mässig dünne Periorbita eine ziemlich grosse Resistenz auf. Es
634 W. Uffenorde. [38
kommt nun leicht zu einer reaktiven Periorbitis mit Verdickung und
ausserdem bei heftiger Entzündung zu einer mehr weniger ausge-
sprochenen phlegmonósen Beteiligung des Orbitalinhaltes. Besonders
pflegt der nach hinten durch das Septum orbitale abgegrenzte Teil
der Orbita betroffen zu sein, hier im Oberlide kommt es leicht zur
Abszessbildung. Die Entzündung kann nun im wesentlichen als
Infiltrationsódem bei nicht durchbrochener Periorbita mit Protrusio
bulbi bestehen bleiben, oder aber es kann zu einer heftigen eitrigen
Phlegmone des Orbitalinhaltes kommen mit Einschmelzung der Peri-
orbita, dann wird die Infektion nach hinten fortschreiten und Throm-
bophlebitis der V. ophthalmica setzen, eitrige Perineuritis der Seh-
nerven erregen und entweder durch die Kavernosusthrombose mit
Allgemeininfektion und konsekutiver Leptomeningitis oder event.
auch ohne dieses Mittelglied den Subarachnoidealraum infizieren und
den Exitus herbeiführen können. Diese sehr seltene schwere Kompli-
kationsform ist von Talco beobachtet worden. Natürlich können bei In-
fektionen des Kranium alle möglichen Zwischenstufen zur Entstehung
gelangen. So kann in nicht schwersten Fällen zunächst ein relativ lange
dauerndes, serös entzündliches Vorstadium der eitrigen Leptomening-
itis zur Ausbildung kommen, und dann bleibt die Möglichkeit be-
stehen, durch operative Intervention oder in seltenen Fällen auch
ohne diese einen glücklichen Ausgang der Erkrankung zu erreichen.
Solche Fälle sind ja in grösserer Anzahl in der Literatur mitgeteilt.
Die Resistenz der Dura mater gegenüber Infektionen ist uns hin-
lànglich bekannt. Andernfalls kann auch, um weiter auf die Phleg-
mone des Orbitalinhaltes zurückzukommen, diese sich abkapseln und
zur Abszessbildung führen. Ich erwähnte schon, dass ein Abszess
sich relativ oft in den Lidern etabliert, selten in dem Muskeltrichter.
Ähnlich wie bei der orbitalen Komplikation pflegt sich die Entwicke-
lung der zerebralen abzuspielen. Von dem extraduralen Abszess aus
wird der subdurale Raum infiziert, es kann zum subduralen Abszess
event. unter Beteiligung des subarachnoidealen Raumes zur wahren
umschriebenen Meningitis kommen. Es kann auch eine Thrombophleb-
itis eines grósseren Piagefásses je nach lokalen und anderen Ver-
hältnissen zur Entstehung gelangen, hierdurch in dem Quellgebiet der
Vene infolge der Ernährungsstörung eine Erweichung eintreten, die
rückläufig infiziert zum Gehirnabszess führt. Wiederum kann ohne
oder auch nach diesen Zwischenstufen der Subarachnoidealraum
generell infiziert werden und die Leptomeningitis purulenta auftreten,
die event. bei einem längeren serösen Vorstadium noch einen glücklichen
Ausgang durch Operation gestattet.
39] Komplizierte Fálle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 635
Andererseits kónnen sich die Verháltnisse noch dadurch kompli-
zieren, dass, wie z. B. in unserem Falle Redecker, die Diploéráume
des Stirnbeins gleichzeitig mit der orbitalen Invasion infiziert werden,
und nun die Infektion durch die vermittelnde Osteomyelitis fort-
kriecht, um an einem von der primären Infektionsstelle entfernten
Punkte nach Durchbruch der Tabula interna die zerebrale Kompli-
kation zu setzen. |
Bei all den einzelnen in pathologisch-anatomischer und patho-
genetischer Hinsicht geschilderten Formen ist zu berücksichtigen,
dass je nach den vorliegenden Konstitutionsverhältnissen, ob Dyskrasie
(Scharlach, Masern, Diabetes u. a.) vorliegt, oder nicht, je nach Art
der Erreger, nicht am wenigsten aber wohl je nach den
morphologischen lokalen Verhältnissen die mannigfachsten
Formen und Übergangsformen sich ausbilden können. Es können in
kürzester Zeit die schwersten das Leben vernichtenden Infektionen
gezeitigt werden, es kann aber auch, wie in den meisten Fällen, ent-
weder jeweilig der pathologische Zustand in der einen oder anderen
Entwickelungsetappe lange stationär bleiben, wie der periorbitische,
extradurale Abszess u. a.
Ja, es ist für viele orbitale Komplikationsformen eine Selbst-
heilung möglich. Meistens wird die operative Intervention vorher
den Prozess auf seinen Herd beschränken können. Schliesslich kann
die Komplikation, wenn auch nicht vollkommen, zurückgehen; peri-
ostale, periorbitische Infiltrate, z. B. Fall Bornemann, können
jahrelang als solche bestehen bleiben, um bei einer neuen Infektion
von der Nase aus wieder aufzuflackern und sich stärker zu manifestieren.
Was lehrt nun die klinische Erfahrung über die eben vom patho-
logisch-anatomisch und pathogenetischen Standpunkt aus geschilderten
Komplikationsformen ?
Im allgemeinen müssen wir dieendokraniellen Komplikationen als die
schwereren Formen auffassen. Abgesehen von der Gefahr der Infektion des
Subarachnoidealraums ist dieses ohne weiteres aus folgenden Er-
wágungen erklürlich. Der extradurale Abszess kann dieselben Be-
schwerden machen, wie die induzierende Eiterung in den oberen
Nebenhöhlen, wechselnde Intensitätsgrade von Kopfschmerzen und
nervöse Allgemeinerscheinungen, meist mässige Temperatursteigerung,
verschieden ausgesprochene Störungen des Allgemeinbefindens u. a.
Besonders z. Z. einer akut einsetzenden oder akut exazerbierten
Nebenhöhleneiterung sind diese Symptome ungezwungen in dem Krank-
heitsbild, was durch jene gezeitigt zu werden pflegt, unterzubringen.
Hinzu kommt, und das betrifft besonders den Gehirnabszess, dass
das Stirnhirn in ausgedehnter Weise verändert sein kann, ohne irgend
636 W. Uffenorde. [40
ein Symptom als Warnung für die bestehende Gefahr zu signalisieren.
Das zeigt auch aufs deutlichste unser Fall Paula Wippig, Stirnhirn-
abszess, auch der Fall Busche, Carcinoma cellul. ethmoid. et cerebri.
Wenn zerebrale Symptome uns auf das Bestehen einer endokraniellen
Affektion hinweisen, dann wird oft die beste Zeit für eine operative
Inangriffnahme vorüber sein. Die encephalitische Erweichung oder
die Ausdehnung der gesetzten Veründerungen oder andere Momente
verhindern oft genug den glücklichen Ausgang. Bei dem aufgeführten
Fall Sieghan war der entstehende extradurale Abszess deshalb leicht
zu beherrschen, weil hier post operationem die Verhältnisse übersicht-
lich waren. Wenn trotzdem 12 Heilungen von rhinogenen Hirn-
abszessen in der Literatur (Zeitschr. f. Ohrenhkd. 61) mitgeteilt sind,
so ist das gegenüber den überhaupt mitgeteilten Fállen, 67, kein so
ungünstiges Resultat, als nach dem eben Ausgeführten zu erwarten
ist. Es kommt uns eben bisweilen bei der Radikaloperation die
Fistelbildung nach der vorderen Schädelhöhle, die meistens auf der
Hinterwand sitzt, als Wegweiser bisweilen zur Hülfe, andererseits kann
auch die Indikation zur Aufmeisselung der Stirnhóhle durch die gleich-
zeitig bestehende orbitale Komplikation gegeben sein, was in etwa
50°/o der Falle vorlag (Gerber), und dabei die endokranielle Kom-
plikation aufgedeckt werden. Auch in unserem Falle von Gehirn-
abszess (Fall Wippich) war eine schwere Augenhéhlenkomplikation
gleichzeitig vorhanden. Natiirlich kann dadurch auch wieder unser
differentialdiagnostisches Erwägen gestört, und die endokranielle
Komplikation kachiert werden.
Demgegenüber ist als eine erfreuliche Tatsache zu konstatieren,
dass die endokraniellen Komplikationen relativ selten aufzutreten
pflegen. |
Viel günstiger ist demgegenüber die Prognose der häufiger be-
obachteten orbitalen Komplikationen.
Ich möchte hier zunächst darauf hinweisen, dass der Symptomen-
komplex, der meistens in den Lehrbüchern, so auch bei Hajek
(S. 284 seines bekannten Lehrbuchs III. Auflage), besonders bei akuten
Durchbrüchen, etwas prägnant als der typische geschildert wird, nur
bei den schwersten Formen beobachtet wird, dass die meisten Fälle
von orbitalen Komplikationen viel harmlosere Erscheinungen zeitigen.
Wenn nach der Schilderung unter „Schüttelfrost, heftigem Fieber,
Kopfschmerz, bedeutende Schwellung der Augenlider, Exophthal-
mus u. a.“ entsteht, so wird das mit grosser Wahrscheinlichkeit auf
das Einsetzen einer sehr schweren Komplikation hindeuten. Unter
unseren zahlreichen Fällen von akutem Durchbruch habe ich z. B.
niemals Schüttelfrost, fast stets nur mässiges Fieber, oft nur gering-
41] Komplizierte Fille von Nasennebenhóhlenerkrankung. 637
fügige Krankheitserscheinungen beobachtet. Nur in dem Falle
Rühter, wo eine schwere Septikopyämie nach Kieferhöhleneiterung
von einer Wangenphlegmone aus ganz akut einsetzte, traten Schüttel-
fróste und hohes Fieber auf. In den übrigen in Betracht kommen-
den 13 Fällen verlief die Komplikation, trotz z. T. schweren Ver-
änderungen, viel harmloser. Der Fall Redecker, wo nach Stirn-
hohleneiterung Osteomyelitis des Stirnbeins mit orbitaler Phlegmone
Septikopyimie und Meninigitis zur Entstehung kamen, kann hier nicht
genannt werden, da die Schüttelfröste erst spät auftraten. In ein-
zelnen Fällen, wo wir z. T. die Entstehung der Komplikation be-
obachten konnten und durch sorgfältige Überwachung des Fiebers
genau kontrollieren konnten, .erreichte die Temperatursteigerung niclıt
33° (Fall Junge, Fall Kublebrok).
Hier stand die Schwellung des Orbitalinhalts, die Protrusio bulbi,
die Entstehung von Doppelbildern, wechselnde Intensitätsgrade von
Kopfschmerzen im Vordergrunde der Erscheinungen. Ein allgemeines
Krankheitsgefühl war, abgesehen von den meist in Attacken einsetzen-
den nervós-zerebralen Symptomen, gar nicht ausgeprägt (Fall Konze
Fall Kuhlebrok, Hesse, Knoppe, Hochhaus). Diese Er-
fahrungen scheinen ja auch z. T. mit den von anderer Seite mit-
geteilten übereinzustimmen. Wiederum ist auch hier zu berück-
sichtigen, dass die induzierende Nebenhöhleneiterung z. Z. des Durch-
bruches oder jedenfalls z. Z. der ersten Konsultation . wesentlich
zurückgegangen sein kann. Ja man findet weder in der Nase noch
bei der zur Behebung der orbitalen Phlegmone gemachten Radikal-
operation von aussen, weder in der Orbita noch in den affizierten
Nebenräumen noch freien Eiter (Fall Hochhaus), und trotzdem ist
wegen der aufgedeckten Periorbititis an der rhinogenen Genese der
Komplikation nicht zu zweifeln. Jedoch darf man mit dieser An-
nahme nicht zu weit gehen. Z. B. kann ich mir nicht vorstellen,
dass der von Brandt (Beiträge zu den orbitalen Komplikationen der
Entzündung der Nebenhóhlen und ihrer Operation, Inaugur.-Dissert.
Freiburg 1902/03) als Fall III beschriebene in dem Sinne zu deuten
würe, dass hier die die intraorbitale Komplikation induzierende Stirn-
höhleneiterung z. Z. der Operation ausgehohlt sei, wahrend intraorbital
die eitrige Periorbititis nachweisbar war. Nach der Krankengeschichte
scheint mir jedenfalls dieser Schluss nicht berechtigt zu sein. Einmal
ist das Siebbein bei der Operation viel zu wenig berücksichtigt, als
dass in der Epikrise die Stirnhóhle als der Ausgangspunkt der
Komplikation ohne weiteres angenommen werden kónnte. Mir scheint
die Annahme sehr nahe zu liegen, dass ein lateraler orbitaler Rezessus
der Ausgangspunkt war. Zweitens ist die Möglichkeit nicht von der
633 W. Uffenorde. [42
Hand zu weisen, dass ein osteomyelitischer Prozess die Infektion
vom Siebbein aus im orbitalen Dach weiter propagiert hat, und hier
die untere Tabula durchbrochen und den periorbitalen Abszess gesetzt
hat. Dass aber bei einer heftigen Streptokokkenentzündung, die doch
hier vorliegt, von einer nasalwärts verlegten Stirnhöhle aus eine heftige
orbitale Komplikation entstehen und jene ad integrum zurückgehen
soll, ohne dass endonasal irgend etwas unternommen und, ohne dass
die Stirnhöhle bei der Eröffnung des periorbitalen Eiterherdes irgend- `
wie aufgedeckt wurde, halte ich nicht für wahrscheinlich. Zu erwägen
bleibt noch, dass in dem Brandtschen Falle die ersten Zeichen der
orbitalen Komplikation über acht Tage vor der ersten Operation
eingesetzt haben, und dass noch 17 Tage nach dieser starke
eiterige Sekretion (sic!) aus der Orbita beobachtet wurde.
Da später noch beiläufig in der Krankengeschichte erwähnt wird,
dass „ein grosser Polyp im rechten Nasenloche sichtbar“
war — eine endonasale Untersuchung scheint sonst nicht stattgefunden
zu haben —, so scheint auch noch dazu eine chronische Ethmoiditis
vorgelegen zu haben, was die von dem Autor supponierte Annahme
vollends unwahrscheinlich macht. Wenn auch die beweisende proba-
torische Eröffnung der Stirnhöhle erst volle zwei Monate nach der
ersten Operation vorgenommen wurde, so schwächt das kaum wesent-
lich meine Bedenken gegen die Ansicht Brandts ab. Ich möchte
auch darauf hinweisen, dass die Nachbehandlung sich über fast drei
Monate hinzog, auch diese ungewöhnlich lange Zeit gibt zu denken.
Ich habe deshalb diesen Fall einer Kritik unterziehen zu sollen
geglaubt, weil er bereits bedingungslos als Beweis dafür angeführt
wird, dass eine Nebenhöhleneiterung spontan ausheilen kann, nachdem
sie eine schwere orbitale Komplikation gezeitigt hat. Der Fall III
von Brandt ist für mich als Rhinologen deshalb schon nicht ein-
wandfrei, weil eine endonasale Diagnostik fehlt. Ähnliche andere
Fälle wären unschwer aus der Literatur zu sondern. Bei unserem
Bestreben, die Komplikationen der Nasennebenhöhleneiterungen zu er-
forschen, kann uns nur exakt beobachtetes Material weiterbringen,
und nur kritische Betrachtung der Krankengeschichten wird diese
Auslese ermöglichen, die uns bei noch vielfach herrschender Unsicher-
heit frommen kann.
Ganz anders liegen die Verhältnisse z. B. bei unserem Falle Hoch-
haus. Hier haben wir eben die so natürlichen Übergänge zu den
zuerst geschilderten Fällen von orbitaler, umschriebener, nicht eiteriger
Komplikation, die relativ oft zu retrobulbärer Optikusneuritis führen.
Dass es auch orbitale phlegmonöse Entzündungen nach akuter Neben-
höhleneiterung gibt, ohne dass ein Durchbruch nachweisbar wäre, ist
43) Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 639
bekannt, auch von unseren Fällen bestätigen einige diese Erfahrung
(Hochhaus, Junge). Keineswegs aber halte es für angängig, diese
Annahme etwa nach endonasaler Operation zu machen, weil post
operationem die Erscheinungen in der Orbita zurückgehen.
Der Durchbruch in die Orbita kann natürlich an verschiedenen
Stellen erfolgen, je nach der affizierten Nebenhöhle. Wir wissen ja,
dass von einzelnen, eiterig infizierten Zellen des Siebbeins aus ein
Durchbruch in die Orbita oder Kranium stattfinden kann, hier wird
natürlich der Durchbruch auch an der entsprechenden Stelle vor sich
gehen. Diese Annahme belegt auch meine Abbildung 6. Über die
einzelnen Durchbruchstellen habe ich unter den einzelnen Rubriken
berichtet. Hier möchte ich nur noch einfügen, dass uns der Durchbruch
vom Siebbein in die Orbita als der relativ häufigste vorgekommen
ist, dass sehr leicht bei dem überwiegenden Interesse der Stirnhöhlen-
eiterung die Komplikation als von der Stirnhöhle ausgehend notiert
werden kann. Hier gilt wieder dieselbe Mahnung, bei den einzelnen
Mitteilungen sehr kritisch zu sein. Man kann besonders ältere
Arbeiten nicht ohne weiteres verwerten. Z. B. bei Brandt (Fall I)
scheint mir auch vom Siebbein aus die Perforation entstanden zu
sein. Das Siebbein ist gar nicht in die Operation einbezogen. Von
12 in Frage kommenden Fällen von Stirnhöhlen- und Siebbeinzellen-
eiterung unserer Beobachtungsreise ist zehnmal der Durchbruch an
'der Lamina papyracea, fast immer 1—2 cm hinter dem Tränenbein
zu lokalisieren gewesen. In einem Falle fand der Durchbruch von
einem lateralen Rezessus aus statt.
In einzelnen Fällen (3 mal) konnten wir eine umschriebene Ein-
schmelzung der Periorbita konstatieren, ohne dass dadurch schwere
Prozesse in der Orbita gezeitigt wären. Wie die Periorbita sich
gegenüber Infektionen ziemlich resistent zu verhalten pflegt, können
sich natürlich inzwischen selbst bei weiterem Vordringen der Infektion
Verklebungen am M. internus bilden, die weiteren Widerstand
leisten. Während wiederholt Abszesse im Oberlide entstanden, war ein
Abszess in der Tiefe der Orbita niemals zur Ausbildung gekommen.
Es ist ja bekannt, dass der intraorbitale Eiter öfter wegen der Re-
sistenz der reaktiv noch verdickten Periorbita epiperiorbital fort-
kriecht, in die Lidsubstanz durch das Septum orbitale bricht und
hier den Abszess setzen kann.
Im allgemeinen lautet die Erfahrung dahin, dass die phlegmonösen
Orbitalerkrankungen nach dem Satze „cessante causa cessat effectus“
nach operativer Aufdeckung der induzierenden Nebenhöhleneiterung
zurückgehen. Dass einzelne nicht zurückgehen, darauf komme ich
noch zurück. Die Prognose der sekundären Orbitalerkrankungen
ist bei geeigneter Behandlung eine ziemlich günstige zu nennen.
610 W. Uffenorde. [44
Wie soll man die Komplikationsformen nach eitriger Nebenhóhlen-
entzündung am besten bezeichnen?
Die Bezeichnung: .Sinuitis exulcerans atque abscedens‘ von
Killian halte ich nicht für ganz geeignet, sie trifft nicht immer den
pathogenetischen Vorgang. und auch nicht den vollendeten Zustand.
Ich hielte es für richtiger, wenn wir in Anlehnung an die uns
von den mehr durchforschten Verhältnissen am Ohr geläufigen
Bezeichnungen, zwischen Komplikationen bei akuten und solchen bei
chronischen Eiterungen unterschieden, nicht aber zwischen akuten
und chronischen Durchbrüchen. Denn einmal kann die Unterscheidung
leicht Verwirrung stiften, andererseits ist, wie auch unsere Fälle zeigen,
diese Terminologie oft ziemlich willkürlich. Der akut entstehende
Durchbruch braucht nicht selten lange Zeit, um zu voller Ausbildung
zu kommen, so dass er kaum von dem chronischen unterschieden
werden kann, und der Durchbruch bei der chronischen Eiterung kann
viel heftiger erfolgen als der bei der akuten. Auch beim Ohr kennen
wir ja die ganz schleichend sich entwickelnden Durchbrüche bei der
akuten, sogenannten Pneumokokkeneiterung. Nach meiner Erfahrung
kann diese Form ja auch bei Streptokokkeninfektionen zur Beobachtung
kommen. Ferner kann man ganz zweckmässig die beginnenden
und auch vollendeten Durchbrüche in die Nachbarorgane von der
eiternden Nebenhóhle aus Sinuitis cum osteoperiostit. nennen, das ist
in allen Fallen ethymologisch und auch pathogenetisch richtig.
Darunter verstehen wir Nebenhöhleneiterungen mit manifesten Durch-
bruchserscheinungen entweder nach dem Gesicht hin oder in die Augen-
höhle oder endlich ins Kranium. Allerdings würde ich es nicht für zweck-
entsprechend halten, dass man nach dem Vorgange von Gerber auch
das Bestehen von Lidödem, Druckempfindlichkeit der Höhlenwandungen,
auch wenn sie an umschriebener Stelle etwas mehr ausgebildet ist
und dergl., diese Fälle hier mit einrechnet. Auch die bei der Operation,
gefundene leicht blaue Verfärbung oder die geringere Härte des
Knochens wird man ja in solchen Fällen, zumal es sich in den
Gerberschen Fällen (5. 20—24 seines bekannten Buches) fast durch-
weg um ganz junge Individuen handelt, oft finden, auch ohne dass
man von komplizierter Sinuitis sprechen kann. Bei jeder heftigeren
akuten Stirnhöhleneiterung haben wir Druckempfindlichkeit der
Wandungen besonders unten innen, auch hin und wieder leichtere,
ja umschriebene Schwellungen, bisweilen Lidódem und dergl. Er-
scheinungen beobachtet, das ist nichts Auffülliges. Auch bei der
Otitis media exsudativa acuta, besonders bei jugendlichen Patienten,
wird man in schwereren Fällen fast nie eine gewisse oder anfangs
nicht selten sehr ausgesprochene Druckempfindlichkeit und eine
45] Komplizierte Fálle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 641
Schwellung am Processus mastoideus vermissen; gewiss spielen hier
entzündliche Prozesse am Knochen und am Periost mit, aber klinisch
ist darauf nicht zu grosser Wert zu legen. Deshalb braucht man
keineswegs gleich zu operieren oder an ernstere Komplikation zu denken.
Diese ist erst zu befürchten, falls kein Abfluss des retinierten Eiters
eingetreten ist. Wie hier die Paracentese, wird dort die Infraktion
der mittleren Muschel oder, falls diese einmal nicht ausreichen und
nach einigen Tagen keine Besserung eintreten sollte, die Resektion
des Processus uncinatus und die Spaltung der Stirnbucht mit Ent-
fernung des frontoinfundibularen Zellen angezeigt. Nur wenn auch
diese Massnahmen nicht ausreichen, kommt die Operation von aussen
in Betracht. Ich möchte auch an dieser Stelle hervorheben, dass
man die ungerechtfertigte Resektion der vorderen mittleren Muschel
aufgeben sollte. Um auf die proponierte Terminologie zurückzukommen,
so glaube ich, dass man unschwer unterscheiden kann. In allen den
Fällen von komplizierter Nebenhöhleneiterung, wo Rötung und empfind-
liche Schwellung der Augenlider, womöglich mit Protrusio bulbi, wo aussen
stärkere umschriebene Schwellung, womöglich mit Fluktuationsgefühl
oder Fistelbildung usw. besteht, da werden wir immer von Sinuitis
mit Östeoperiostitis sprechen. Daneben würde, um näher zu lokali-
sieren, als weitere Diagnose: Orbitalphlegmone, subperiostaler Abszess,
Geliirnabszess usw. zu setzen sein. Auch die von Gerber angewandte
Unterscheidung ist, wie er selbst empfindet, nicht ganz berechtigt.
Die Antritis abscedens ist kaum zu trennen von der Periostitis und
Ostitis, zumal es uns auch klinisch nicht möglich ist, dadurch ver-
schiedene Etappen eines Entzündungsablaufs zu differenzieren, weil
wir das, wie aus dem Ausgeführten hervorgeht, meist nicht diagnosti-
zieren kónnen.
Also um zu resümieren:
Wir können unterscheiden: akute Eiterung — chronische Eite-
rung. Akute Eiterung mit Osteoperiostitis, chronische Eitérung mit
Osteoperiostitis. Dass der Durchbruch rasch und auch langsam vor
sich gehen kann, ist für den Kliniker eine wertvolle Erkenntnis, es
braucht aber nicht in der Diagnose ausgedrückt zu werden, es ergibt
sich aus Anamnese und Befund.
Weiter wire die Mukocelebildung, am besten auch die Pneumato-
cele, das Emphysem, das sekundáre Cholesteatom und die Osteomyel-
itis, als Formen der komplizierenden Entzündung in den Nasenneben-
hóhlen zu nennen.
Zum Schlusse noch einen allgemeinen Gesichtspunkt in therapeuti-
scher Richtung.
642 W. Uffenorde. [46
Die Empfehlung von Hajek und Grünwald, womöglich in
Fällen von beginnender orbitaler Komplikation zunächst endonasal einen
Versuch zu machen, um die Erscheinungen zum Rückgang zu bringen,
hat gewiss grosse Berechtigung. Sie findet eine Stütze in den so
erfolgreich behandelnden Fällen von Essipow, Ljubuschkin,
Groenbeck, Pollatschek, Mc. Paunz, Delneuville,
Schmiegelow, Sattler, Pofey, Toepold, Gutmann u. a.
Auch wir haben sehr wertvolle günstige Belege für diese Empfehlung.
Aber trotz aller dieser Argumente müssen wir uns vor Augen
halten, dass alle Vorsicht in diesem Punkte geboten ıst. Nur wenn
wir die Verhältnisse genügend übersehen können, nur in akuten
Fällen werden wir, falls eine ausgesprochene Sinuitis cum osteo-
periost. in dem obigen Sinne vorliegt, zunächst die endonasale
Therapie versuchen. Ganz besondere Vorsicht wird auch dann ge-
boten sein, wenn eine Dyskrasie, besonders Scharlach und Diabetes
im Spiele ıst. Hier wird man die Anzeichen einer einsetzenden
Komplikation sorgsamer überwachen und nur, wenn auf endonasale
Massnahmen hin ein prompter Rückgang der Erscheinungen und
Temperaturabfall eintritt, kann man es dabei bewenden lassen.
In chronischen Fällen wird man besser gleich von aussen operieren,
weil man hier öfter vorgeschrittene Prozesse antreffen wird. Man
kann vor der Operation hier so wenig wie bei den otitischen Kom-
plikationen sich ein bestimmtes Bild von den anzutreffenden Ver-
hältnissen machen. Dann wird uns noch in den chronischen Eiterungs-
fällen mit Komplikation die Aussicht, durch die Radikaloperation gleich-
zeitig mit grosser Wahrscheinlichkeit auch die Nebenhöhleneiterung
zur Heilung bringen zu können, noch mehr dazu ermutigen.
Wir müssen andererseits mit der Möglichkeit rechnen, dass wie
in dem Falle Redecker gleichzeitig eine Osteomyelitis oder andere
Prozesse, kachiert durch die im Vordergrunde des Krankheitsbildes
stehenden orbitalen Erscheinungen, entstanden sind. Hier kann eventuell
Zeit verloren gehen, die unwiederbringlich ist; die später vorge-
nommene Radikaloperation kann zu spät kommen, sie kann dem
Prozesse nur nachlaufen.
Unterstützt durch Erfahrung und Übersicht über die Patho-
genitätsverhältnisse wird man hier jeweilig von Fall zu Fall ent-
scheiden müssen.
Ein Wort noch über die Frage der primären Naht. Ich habe
fast immer primär die Wunde geschlossen, ohne je unangenehme
Folgen davon gesehen zu haben, und in letzter Zeit mit gutem Er-
folge die Michelschen Klammern benutzt. Selbst wenn wie z. B.
in dem Falle Eickert die Sekretion sehr stark bleibt, und Ver-
41] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 643
haltungen sich ausbilden, so ist es ein leichtes, die verklebten Wund-
ränder wieder zu lüften. Allerdings kann man, wie ich das öfter besonders `
auch bei weit seitlich ausgebildeten Höhlen getan habe, die seitlichen
Wundränder ungeschlossen lassen und von hier aus drainieren. Der wenig-
stens teilweise Wundschluss sichert ein besseres kosmetisches Resultat.
Ebenso wie bei der Killianschen Operation in unkomplizierten
Fällen lasse ich auch hier meist die mittlere Muschel in situ. Ent-
fernt man genügend die unteren infundibularen Zellen, so heilen nach
unserer Erfahrung die Fälle besser als mit Entfernung der mittleren
Muschel.
U. Fälle mit Epikrise.
Fall XV.
Alma Reinecke, 3 Jahre alt, Schneiderstochter, Grossenrode. Nachts vor 2 Tagen
Fieber, Schmerzen. Am anderen Morgen war das r. Auge zugeschwollen. Seit-
dem hat das Kind kein Fieber mehr gehabt. Ein Arzt hat kalte Umschläge ver-
ordnet. In der Augenklinik sind warme Umschläge verordnet worden. Danach
besser. Geschwulst scheint etwas kleiner geworden zu sein. 8 Tage vor
Beginn der Augenschwellung ist das Kind sehr erkältet gewesen, starken
Schnupfen und Husten gehabt, nicht bettlägerig gewesen. In den letzten Tagen
nach Anschwellung des Auges soll das Kind immer etwas schläfrig gewesen
sein. Vor 2 Jahren von uns wegen komplizierter Scharlachotitis typisch auf-
gemeisselt. Jetzt vorher nicht weiter krank gewesen.
Befund: Augenlider r. ödematös, chemotisch geschwollen, blaurot. Die
Rima kann nicht geöffnet werden. Laut Bericht der kgl. Augenklinik Bulbus
ohne Veränderungen. Vordere Stirnhöhlenwand nicht verändert. Schläfengegend
geschwollen.
Nase: Nasenschleimhaut hochrot geschwollen, besonders m. Muschel und
mittlerer Nasengang, auch nach Kokain-Paranephrin noch Rötung und Schwel-
lung der Schleimhaut. Kein Eiter.
Nach Infraktion der mittleren Muschel etwas schleimig-eitriges Sekret,
viel Blut abfliessend.
Diagnose: Ethmoiditis suppurativa cum osteoperiostite acuta dextra.
Orbitalphlegmone 1.
Therapie: Infraktion der mittleren Muschel. Feuchter Verband.
13. III. Aus m. Nasengang r. starke Eiterung. Die untere Lidschwellung
ist wenig zurückgegangen. Feuchter Verband. Keine Temperatur.
14. III. Ödem der Lider fast geschwunden. Das Auge kann geöffnet
werden. Viel Eiter aus mittleren Nasengang.
15. III. Unter feuchtem Verbande weitere Abschwellung. Keine Ver-
farbung mehr. Noch viel Eiter.
17. III. Entlassen. Auge noch ganz wenig geschwollen. Eiterung ge-
ringer. Ohne Verband.
26. III. Geheilt. Ohne Beschwerden. Alle Erscheinungen sind zurück-
gegangen.
Epikrise: Dei diesem Fall von ganz akuter Siebbeineiterung
mit Osteoperiostitis, die sehr plótzlich und vor kurzer Zeit aufgetreten
war, konnte durch Infraktion der mittleren Muschel der ganze orbitale
phlegmonöse Prozess koupiert werden. Unter reichlichem Eiterabfluss
644 W. Utfenorde. [48
aus dem mittleren Nasengange gingen sofort die orbitalen Er-
scheinungen zurück. Die Stirnhöhle konnte bei dem kaum 3 Jahre
alten Kinde nicht in Frage kommen. Dieser Fall weist übrigens
mit das jüngste Alter auf, bei dem bislang derartige Komplikationen
beobachtet wurden. Ein einfacher katarrhalischer Schnupfen kommt
als induzierende Erkrankung in Betracht.
Fall XVI.
Frl. Hochhaus, 19 Jahre alt, Hofgeismar.
Pat. hat die kgl. Augenklinik wegen Schwellung des rechten Auges auf-
gesucht.
Sic hat vor 3 Wochen Schnupfen gehabt, dabei gleich Schwellung des
oberen Augenlides, Druckgefühl, heftige Schmerzen, morgens ist das Auge
ganz geschwollen gewesen. Es ist aus der rechten Nase gelbes, wässeriges
Sekret in Menge abgeflossen. Pat. will früher nie an der Nase gelitten haben,
immer gut Luft gehabt haben.
Kein besonderer Allgemeinbefund.
Befund: Prominenz der oberen inneren Augenhöhlenwand. Stirnhöhlen-
boden auf Druck sehr empfindlich. Protusio bulbi nach aussen und unten.
Schwellung der Nasenschleimhaut, besonders polypoide Schwellung im m. Nasen-
gang. Kein Eiter. L. geringe Schwellung der Schleimhaut.
Operation in Chloroformnarkose: Doppelsehen beim Blick nach oben.
Sinuitis front. Ethmoiditis hyperplastica acuta c. osteoperiostite Mukocele ?
(Siehe Abbildung 8.)
Operationsbericht: Killiansche Radikaloperation. Aussere
Weichteile ohne Bes. ebenso der Knochen. In der Stimhéhle zeigt sich
mässige Schwellung der Schleimhaut, kein freier Eiter. —
Die Stirnhöhle rechts ist mässig tief, flach und kommuniziert
durch ein pfenniggrosses Foramen mit der Stirnhöhle
links. Die Perforation zeigt glatte überzogene Ränder, die Schleimhaut-
bedeckung der beiden Höhlen gehen kontinuierlich ineinander über. Die
Schleimhaut der linken Höhle ist normal, grauweiss, dünn,
ohne Schwellung.
Im Siebbein Schwellung der Schleimhaut; freier Eiter nicht sichtbar.
Ein breiter lateraler orbitaler Prozessus vom vorderen Siebbein aus wird
aufgedeckt. Lamina papyracea wird weit entfernt. In mittlerer Tiefe ist dicke
Schwellung an der Periorbita nachweisbar, kein freier Eiter intraorbital. Eine
Fistelbildung in der Lamina papyracea entsprechend nicht aufzufinden. Jodo-
formgazetamponade. Nachts bei der Operation kommt es infolge starker Schleim-
bildung im Rachen und Larynx wiederholt zu unangenehmen Dyspnoe-
zuständen.
Die Pat. wird nach 12 Tagen geheilt entlassen, glatte lineäre Narbe.
Nur noch geringe Sekretion aus der Nase, orbitale Schwellung zurückgegangen.
Nach Bericht der kgl. Augenklinik ist das Auge frei, keine Diplopie.
Am 29. XI. 1910 kommt Pat. wieder zu mir wegen erneut aufgetretener
Schwellung am rechten Auge. Die Erscheinung ist nach Schnupfen und Er-
kältung aufgetreten. Pat. hat keine Kopf- oder Augenschmerzen, keine Tempe-
ratur gehabt. Das Auge ist frei beweglich. Die kgl. Augenklinik kann
keinen besonderen Befund erheben. Die Nasenhöhle zeigt mässige
allgemeine Schwellung, keinen Eiter, wohl etwas schleimig-seröse Hypersekretion.
Am Orbitalinhalt sieht man rechts mässige Schwellung der beiden Augenlider,
49] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 645
besonders der inneren Partien. Auf feuchte Verbände geht die Erscheinung in
einigen Tagen ganz zurück.
Bericht der kgl. Augenklinik:
1. VI. 08. Vor 3 Wochen unter stark. Kopfschmerzen Anschwellung des
rechten Auges. Aus der Nase lief eine weissgelbe Flüssigkeit. R. geringe
Protrusio bulbi und Verdrängung nach aussen und unten. Beim Blick nach
oben innen Doppelbilder. (Höhen und gekreuzt.) Hinter der Trochlea fühlt
man eine Auftreibung des Periosts vom Orbitaldach. Die Gegend der Trochlea
ist druckempfindlich. Geringes Ódem des oberen und unteren Lides. Bulbus
normal. o = u. E. S. = 0,7. L. S. = 1,0, o = u.
Am 3. VI. 08 in der Ohrenklinik operiert.
Am 15. VI. 08 R. — 1,0 Deyl. S. = 1,0, 0 = u.
Stellung des Bulbus normal. Doppelbilder, auch nach oben innen binokul.
Einfachsehen.
Epikrise: Bei einem akuten Schnupfen entwickelt sich bei der
Patientin sofort eine Schwellung der Augenlider, die morgens am
schlimmsten ist. Die heftigen Schmerzen, das Druckgefühl, die
Protrusio bulbi und Dislokation liessen uns an eine schwere Affektion
denken. Im Gegensatz dazu stand scheinbar der rhinologische Befund,
es war kein freier Eiter nachweisbar, nur mässig polypoid geschwollene
Schleimhaut im mittleren Nasengang. Da die Patientin bestimmt angab,
gelbes, aber wasserklares Sekret aus der r. Nase in Menge ausgeschneuzt
zu haben, dachte ich an eine umschriebene Mukocelebildung im mittleren
Siebbein. Ich habe schon oben auf die interessanten Beobachtungen
an mir selbst hingewiesen, wie dieses Sekret als pathognostisch für
seróse Nebenhóhlenentzündungen anzusehen ist. Die Operation zeigte,
dass eine Periostitis der Augenhóhlenbekleidung nachweisbar war,
ohne dass irgendwie freier Eiter gefunden wurde. Die Lamina
papyracea war makroskopisch intakt. Die Erklärung möchte
ich so geben: Es handelte sich zunächst um einen heftigen eiterigen
Schnupfen mit einer umschrieben eiterigen Ethmoiditis und einfach
serösen allgemeinen Ethmoiditis im weiteren Umfange. Dass das
möglich ist, dafür habe ich histologische Belege (Abbildung 5), u. a.
auch den Fall Eickert. Von der eiterigen Teilethmoiditis aus ist
es zum periorbitalen Infiltrate mit entziindlicher Odemisierung des
orbitalen Gewebes gekommen. Wegen günstiger Verhältnisse ist die
ganz akute eiterige Ethmoiditis zurückgegangen, Abfluss aus den Zellen
möglich geworden und die Progredienz auf die Orbita abgeschnitten.
Z. Z. der Operation war dieser Zustand erreicht, die eiterige Ent-
zündung in Heilung begriffen, die Hóhe der orbitalen Komplikation
erreicht. Die Periorbititis mit orbitaler Schwellung bestand zwar
noch fort, zu einer Einschmelzung der Lamina kam es aber nicht.
Man muss annehmen, dass wohl auch ohne unser operatives Eingreifen
die orbitalen Folgeerscheinungen spontan zurückgegangen würen. In
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. Ill. H. 6. 48
646 W. Uffenorde. [50
Zukunft werde ich auch in solchen Fallen, wenn kein Fieber besteht,
kein Eiter auch bei sorgfältiger klinischer Beobachtung nachweisbar
ist, die bestandenen Beschwerden an Intensität nachlassen, von einem
äusseren Eingriff zunächst absehen und exspektativ verfahren. Anderer-
seits gibt auch dieser Fall, wie schon erwähnt, wertvolle Winke für
die oben ausgeführte Auffassung von der Pathogenese der retrobul-
bären Neuritis nach akuter hyperplastischer Ethmoiditis oder
Sphenoiditis. Noch eine interessante Beobachtung bringt dieser
Fall. Die rechte affizierte Stirnhöhle kommuniziert frei mit der
linken normalen Seite durch ein pfenniggrosses Foramen mit ganz
glatten überhäuteten Rändern. Eine Entwickelungsdehiszenz im
Septum frontale. Auffallend war besonders der Nachweis, dass die
Schleimhautveränderung scharf mit der Dehiszenzgegend abschnitt
und vollkommen auf die rechte Seite beschränkt war. Solche Dehis-
zenzen sind ja in einigen Fällen bereits beobachtet und sind von
Killian (über kommunizierende Stirnhöhlen. Münch. med. Wochen-
schr. Nr. 35, 1897) zusammengestellt. Wir haben uns nicht mit dem
Vorschlage vertraut machen können, dass man in solchen Fällen, sei
es ein vorgefundener oder bei der Operation unabsichtlich gesetzter
Defekt im Septum frontale, der nun eine Kommunikation mit der
gesunden Seite schaffte, in beiden Fällen die kontralaterale Seite
gleich mit in Angriff nehmen solle, da mit grösster Wahrscheinlich-
keit doch eine Infektion derselben eintreten würde. Wir haben in
mehreren solchen Fällen von unabsichtlicher Eröffnung der kontra-
lateralen gesunden Höhle keinerlei konsekutive Reizung beobachtet.
Diese Erfahrung würde ja auch derjenigen beim Pyosinus wider-
sprechen, wo doch meistens keine wesentliche Infektion einzutreten
pflegt, sondern meist die einmalige Spülung Heilung bringt.
Fall XVII.
Helene Conze, 14 Jahre alt, Vater Ackerwirt, Borgentreich, 31. X. O8.
Anamnese: Seit 9 Tagen Schwellung des l. Auges. Keine Kopf-
schmerzen. Hatte 14 Tage sehr starke Kopfschmerzen. L. Anschwellung der
Backe und ganzen l. Seite. Dann wurde allmählich das Auge dick, sofort
keine Kopfschmerzen mehr, sondern Augenschmerzen. Seit 5 Tagen in der
Augenklinik, zweimal operiert: Probepunktion. Probeinzision, dann uns über-
wiesen.
Diagnose: Sinuitis frontalis et Ethmoiditis supp. acuta cum osteo-
periost. Phlegmonis orbitalis 1.
Therapie: Killiansche Stirnhöhlenoperation.
Nase und Rachen: Orbitalinhalt protundiert, blaugriin verfärbt. Oben
innere Stichöffnung, etwas mehr aussen eine Narbe. L. mittl. Muschel polypoid
geschwollen, h. Eiter aus Rima olfact. herabfliessend. R. ohne wesentliche
Besonderheit,
51] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 647
Kehlkopf und Lungen: Ohne Bes. Herz frei. Urin desgl. Hirnnerven frei.
Sensorium frei. Augenhintergrund frei. Reflexe erhalten. Abdomen frei von
besonderer Resistenz.
Sonstiges: In der Kieferhöhle l. kein Eiter, aber wenig gallertig,
seröses Sekret; im mitt. Nasengang Schwellung, Sekret.
2. XI. Nach Infraktion der mittleren Muschel sieht man die vordere
laterale Fläche vorgewölbt, Proc. uncinatus verdickt. Dahinter Schleimeiterfäden
von oben herabkommend.
5. XI. Killiansche Stirnhöhlenoperation: Beim Einmeisseln über Spange,
Dura mater freigelegt. Stirnhöhle wenig, nur ganz medial entwickelt. Aus
Siebbein und aus äusseren Weichteilen blutet es stark. Siebbeinschleimhaut
total polypoid geschwollen. Keine Einschmelzung oder Karies
nachweisbar, keine Eiteransammlung. Etwa in der Mitte in
sagitaler Richtung fehlte ein grösseres Stück der Lamina papyracea, nach
Wegnahme der Lamina papyracea sieht man Granulationen auf der Periorbita,
andererseits fühlte man deutlich mit der Hakensonde diese durchbrochen. Keil-
beinhöhle ist auch beteiligt, ohne Eiteransammlung. Die Stirnhóhle wird von
unten her mit verschiedenen scharfen Löffeln sorgfältig kürettiert. Die mittlere
Muschel wird entfernt. Jodoformgazelamponade. Primäre Naht. Ein schmaler
Jodoformgazestreifen wird vom oberen lateralen Wundwinkel aus zur Dura
mater vorgeschoben. Verband.
Temp. abends 37,6; hat wenig gebrochen, fühlt sich wohl.
6. XI. Geringe Schwellung der r. Augengegend. Temp. 37,6—37,7.
8. XI. Gazestreifen aus der Operationshóhle entfernt. Verbandwechsel.
Wunde gut. Xeroformpulver. — Pat. hat keine Kopfschmerzen, keine sonstigen
Beschwerden. Am 2. Gazestreifen (aus dem lateralen Wundwinkel nach der
freigelegten Dura) eiteriges Sekret. Austupfen mit Hydrogenium. Jodoform-
gazestreifen eingeführt, feuchter Verband. — Temp. 37,6—37,7, subjektives
Wohlbefinden, guter Appetit.
9. XI. Feuchter Verband gewechselt, rechtes Auge zurückgegangen. Pat.
ohne Klagen. Auch l. Auge sieht gut aus, nicht geschwollen, Naht liegt gut.
Am lateralen Gazestreifen (nach d. Dura) wenig schleimiges Sekret. Aus-
spülung mit Hydrogenium. Neuer Gazestreifen, erneuter feuchter Verband.
Temp. 37,7—37,8.
10. XI. Befinden des Pat. morgens subjektiv sehr wohl; ohne alle Klagen.
Temp. 37,0. Mittags gegen 2 Uhr beginnt ein leichtes Bluten der Nase, welches
bis 5 Uhr immer stärker wird, so dass die l. Nase tamponiert werden muss.
Temp. 37,7. Nach der Tamponade schluckt Pat. noch etwas Blut, was aber
bald aufhört. Abends 8 Uhr Tamponade noch etwas verfärbt, da es durch
die Gaze noch immer wenig blutet. Blutung steht jetzt vollständig.
Am r. Auge ist eine leichte Schwellung des Augengrundes aufgetreten
Temp. 37,8. :
11. XI. Das l. Auge und Umgebung zeigt ein starkes Ödem. Das Auge
ist abends geschwollen. Keine Kopfschmerzen oder sonst. Beschwerden. Temp.
39,5 abends.
Morgens 38,4. Puls 120—130 schnellend. Verbandwechsel, feuchter Ver-
band. Nähte entfernt.
12. XL Temp. 37,1—37,4. Ödem zurückgegangen, subjektives Wohl-
befinden. Puls 110. In der Mitte der unteren Naht eine Öffnung, aus der
zersetzte Blutmassen hervordringen, auf Druck entleert sich noch etwas mehr.
43*
648 W. Uffenorde. [52
Am lateralen Gazestreifen viel Eiter; auch liess sich solcher in geringer Menge
auch hier ausdrücken. Erneuerung des Verbandes wie gestern. Entfernung
des Tampons. Xeroform. Keine neue Blutung. Temp. abends 36,8. Befund gut.
13. XI. Verbandwechsel, feuchter Verband; wenig Sekret aus der lateralen
Wundóffnung. Fistel geschlossen am inneren Augenwinkel. Während der Nacht
hat sich aus der Nase Sekret entleert. Temp. 37,2. Keine Beschwerden.
14. XI. Temp. 37,0. Verbandwechsel. Sekretion lässt nach. Temp. abends
37,4, Wohlbefinden.
19. XI. Tägl. Verbandwechsel; trocken. Temp. normal.
24. XI. Narbe sieht gut aus. Salbe um die Krusten abzuweichen. Ent-
sprechend dem inneren Augenwinkel und der früheren Fistel die Haut der
Narbe noch gerötet und geschwollen, nicht schmerzhaft, auch nicht druck-
empfindlich.
30. XI. Gesund nach Hause entlassen.
Die oben angeführte gerötete Stelle geht allmählich an Schwellung zurück
und wird blasser. Keine ‘Schwellung der Orbita mehr, keine Doppelbilder.
Pat. klagt über keinerlei Beschwerden. Die Sekretion aus der Nase nur noch
gering, schleimig.
Epikrise: Nach heftigen Kopfschmerzen über 14 Tage hin,
ohne dass das Mädchen bettlägerig wurde, ist das Auge geschwollen,
d. h. der Durchbruch in die Orbita hat sich ziemlich langsam entwickelt.
Bei der Operation wurde an der typischen Stelle die Fistel in der Lamina
papyracea in etwa Hellergrösse und die entsprechende periorbitale
Verdickung gefunden. Diese war z. T. eingeschmolzen, dass man
ohne merkbaren Widerstand mit einer Hakensonde einhaken konnte.
Die Stirnhöhle war ganz klein, medial gelegen. Bei dieser Patientin,
wie in dem später gebrachten Falle Sieghan, wurde die Dura
mater, aber ohne Folgen, aufgedeckt. Die neuerdings vorher beschaffte
Röntgenaufnahme wird dies in Zukunft meist vermeiden lassen.
6 Tage nach der Operation trat eine Temperatursteigerung bis 39,5°
auf, die wohl auf erneute Infektion der Nase und von da aus der
Wunde zurückzuführen war. Nach Lüftung der Wundränder am
lateralen Wundwinkel und auch im medialen Augenwinkel mit Drainage
und unter feuchtem Verbande fiel die Temperatur sofort ab. Auf
die Frage, ob sekundäre oder primäre Naht in solchen Fällen an-
gezeigt ist, bin ich an anderer Stelle eingegangen. In allen Fällen
halte ich einen feuchten Verband für zweckmässig, schon um auf
die immer mehr weniger auftretende Stauung im Oberlide einzuwirken.
Hier ist noch zu berücksichtigen, dass nicht selten auch in un-
komplizierten Fällen einmalige hohe Temperaturen — 39,5? am
Tage nach der Killianschen Operation auftreten, die auf Resorption
in der relativ grossen Wundhóhle zurückzuführen sind. Nach meinen
Erfahrungen ist das von Fall zu Fall sehr wechselnd. Tempera-
turen von 37,8—38,0° in den ersten Tagen nach der Operation bilden
die Regel.
53] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 649
Vorsicht ist scheinbar geboten bei Fällen von Ozaena mit
sekundärer Nebenhöhleneiterung. Siebenmann berichtete gelegent-
lich der Diskussion zu den Referaten von Hajek und von Eicken
über die Therapie der Eiterungen der oberen Nasennebenhöhlen
(Naturforscher-Kongress Köln 1908) über trübe Erfahrungen bei ein
paar Fällen von Nebenhöhleneiterungen nach Ozaena, die zur Operation
kamen. Unter septischen Erscheinungen trat der Exitus ein. Ich
konnte dort auch über den Verlust eines Patienten Mitteilung machen,
der kurz nach Ausführung der Killianschen Stirnhöhlen-, Siebbein-,
Keilbeinhöhlenoperation unter schweren septischen Erscheinungen zu-
grunde ging, ohne dass die Besichtigung einen Anhalt gab. Bei diesem
Patienten war eine deszendierende atrophische Entzündung bis in die
Bronchien nachweisbar. Die Trachea war oft austapeziert von schwarz-
grauen Borken, die auf Insufflation oder Instillation von Medikamenten
hin oft in Mengen ausgehustet wurden. Weitere Erfahrungen über
diese gefährlichen Resorptionsverhältnisse nach Operationen von
solchen Fällen bleiben abzuwarten. Da der erwähnte Fall von den
unkomplizierten der einzige Exitus bei unseren Operationen nach
Killian ist, war mir diese Kenntnisnahme sehr interessant.
Fall XVIII.
Herr N. N., 23 Jahre alt, Lithograph, Berlin, kam zu mir mit der An-
gabe, vor 5 Wochen und schon einmal vorher von einem Spezialarzt in Berlin
operiert zu sein und zwar wegen einer Stirnhöhleneiterung, die in die Augen-
höhle durchgebrochen wäre. Die Heilung wäre anfangs gut fortgeschritten,
er hätte Verwandte auf dem Lande aufgesucht, um sich zu erholen. Die
Schwellung am rechten Auge wäre jetzt aber wieder schlimmer geworden,
er hätte immer Kopfschmerzen, fühlte sich sehr matt, hätte häufig Ohnmachten.
Die Affektion soll zuerst plötzlich aufgetreten sein.
Status praesens:
Rote Schwellung der Augenlider rechts. Der Bulbus etwas nach aussen
und unten protundiert. R. verläuft im oberen Augenlide eine tiefe Narbe,
ebenso parallel mit den Augenbrauen eine solche medial nach unten um-
biegend. Etwa an der lateralen Nasenbeingrenze r. eine Fistel, aus der Eiter
hervorkommt. Keine Doppelbilder. Bulbus frei.
In der Nasenhöhle viel Eiter von oben kommend. Mittlere Muschel er-
halten. Überall Schwellung, mässige im mittleren Nasengang.
Links kein besonderer Befund in der Nase.
Diagnose: Sinuitis frontalis et Ethmoiditis purulenta cum osteoperiostit.
acuta d. Phlegmonis orbitalis. Abscessus palpebrae inf. et sup. Cicatrices
post operationem.
Therapie: Erneute Killiansche Operation r.
8. VII. 08. Operation in Chloroform-Morphiumnarkose.
Bericht:
Aussere Weichteile gerótet, geschwollen, besonders die Augenlider. Schnitt
durch die alte Narbe in den Augenbrauen r. nach unten verlüngert durch die
650 W. Uffenorde. [54
Fistel, aus der reichlich Eiter hervorkommt. Im unteren Augenlide eine zweite
Fistel, die nach Siebbein führt, mit der Sonde einfach durchzudringen. Nach
Abhebung der Weichteile nach oben und Freilegung der Stimhóhle zeigt sich,
dass einzelne Eiterdepots zwischen dem ungleichmássig mehr weniger derben
Granulationsgewebe liegen. Sorgfültiges Kürettement der Stirnhóhle, Entfernung
der überstehenden Knochenränder.
Besonders medial wird ein über die Medianlinie hinübergehender Teil
gesäubert und viel Knochen entfernt, um eine Verödung sicher zu ermöglichen.
Die schmale orbitale Spange bleibt erhalten. Im Siebbein total polypoid ver-
änderte Schleimhaut. Von Lamina papyracea fehlt ein grosser Teil: Frontale
Zellen, Stirnhöhlenboden, alle Siebbeinzellen bis zum Keilbein entfernt. Aus-
waschen mit Hydrogeniumlósung. Anfrischen der Fistelränder. Primäre Naht
mit Aluminiumbronzedraht. Jodoformgazetamponade aus Nase. Verband.
14. VII. Entfernung der Nähte. Im inneren Augenwinkel hat sich die
Fistel, die in das obere Lid hineinführte, geschlossen. Allgemeinbefinden:
besser.
16. VII. Entlassen zur ambulanten Behandlung. Bds. Ferr. reduct. 2,5.
Chinin hydrochloric. 1,5, Succ. et pulv. Liquir. 9,5. Pil. Nn. 100.
22. VII. Entlassen. Keine Schwellung der Orbita mehr. Keine Protrusio
bulbi. Allgemeinbefinden leidlich. Nase r. vorn o. freier. Wenig schleimiges
Sekret von vorn oben. Inzwischen wiederholt 59/9 Arg. nitric. Pinselung vorn
o. T. in der Nase.
Bericht der kgl. Augenklinik:
23. VII. 08. R. E. S. = 1,0. o = u.
L. — 1,0 Deyl. S. = 1,0. o = u.
R. Operationsnarbe entlang dem oberen Orbitalrand und nach innen unten
zu umbiegend. Lider noch geschwollen. Das rechte Auge scheint beim Blick
nach oben innen zurückzubleiben, doch sind Doppelbilder nicht festzustellen,
da die Pupille bei extr. Blickrichtung von den geschwollenen Lidern zu-
gedeckt wird.
Epikrise: Die Entwickelung der Komplikation ist mir nicht
ganz_ klar geworden. Die freundlichen Berichte des behandelnden
Kollegen sind mir abhanden gekommen. Soviel ich mich erinnere,
ist jedenfalls der ganze Prozess akut heftig eingesetzt, ohne zunächst
Allgemeinerscheinungen zu zeitigen. Eine Erysipelinfektion ist zur
Erklärung einer erneuten Temperatursteigerung mit Rötung und
Schwellung der ganzen Infektionsherdgegend angenommen. Der Durch-
bruch ist vom Siebbein aus, wie bei der Operation festgestellt wurde,
in der gewöhnlichen Weise erfolgt, es fehlt ein grosses Stück der
Lamina papyracea. Ausserdem ist eine Fistelbildung nach aussen
erfolgt. Nach Öffnung eines Abszesses im Unterlide konnte man ohne
weiteres mit einer Sonde ins Siebbein vordringen. Im Oberlide hat
sich ebenfalls ein Abszess ausgebildet.
Die ganze Entzündung ging offenbar deshalb nicht zurück, weil
das Siebbein, von dem aus die Komplikation ausgegangen war, nicht
bei der Operation berücksichtigt war. Trotz primärer Naht klangen
die Erscheinungen post operationem sofort prompt ab. Der Patient,
55] Komplizierte Fülle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 651
der sehr heruntergekommen war, besonders auch durch psychische
Depression, erholte sich bald.
Der Fall lehrt übrigens wiederum, dass auch hier das Sieb-
bein Berücksichtigung verlangt. Nach meinen Erfahrungen
kommt es von hier aus sehr oft, öfter als von der Stirnhöhle aus
zur orbitalen Komplikation.
C. Fälle von chronischer Siebbein-Stirnhöhleneiterung mit orbitaler
Komplikation.
1. Chronische Phlegmone der Orbita.
Ehe ich auf die Besprechung der beiden folgenden Fälle ein-
gehe, möchte ich ein paar Worte über die sehr interessante Er-
krankungsform vorauschicken, die entsprechend dem eben kurz skiz-
zierten Entwickelungsgange als lange stationär bleibende orbitale Affek-
tion aufzufassen sein wird, die aber doch spontan zur Heilung
kommen kann. Ich habe in einem Falle ein chronisches, viel-
leicht phlegmonöses Ödem der Orbita, als solches müssen wir es
jedenfalls vorläufig auffassen, beobachtet, welches schliesslich spontan
zurückging. In einem anderen Fall liegt etwas Ähnliches vor, in
einem dritten Fall aber, der lange Zeit auch als solcher aufgefasst
werden musste, wurde allmählich (erst nach zwei Jahren) der anzu-
schuldigende orbitale Tumor manifest. In diesem Fall (Fall Bode)
wurde Radikaloperation nach Killian gemacht, Siebbeinstirnhóhlen-
eiterung nachgewiesen, eine Fistel in der vorderen Lamina papyracea
gefunden, und eine Periorbititis konstatiert, die auch histologisch
sicher gestellt wurde. Die übrigen Erscheinungen gingen zurück, die
Wunde heilte glatt, aber die Protusio bulbi mit Exophthalmus blieb
bestehen. In dem ersten Falle war ein solcher Exophthalmus nach
endonasaler Operation einer Ethmoiditis noch fast ein Jahr in gleicher
Weise nachweisbar, um dann sich spontan, allerdings mit dauernder
Beeinträchtigung der Sehschärfe bis 5/10 V., zurückzubilden. Direkt
nach der Operation war sofort eine Abnahme des Exophthalmus zu
bemerken, aber dieses hielt nur für einige Tage an, bald war der
frühere Zustand wieder erreicht. Ich möchte hier einfügen, dass
diese Abnahme des Exophthalmus unmittelbar post operationem m. E.
nur durch die Beseitigung des auf den Gefässen, besonders Venen,
lastenden Druckes bei der Eröffnung der affizierten Hohlräume und
der dadurch geschaffenen Entlastung und besonders durch die damit
eingeleitete regulatorische Einwirkung auf die Zirkulationsverhältnisse
in der Orbita, die ja in so innigem Zusammenhange mit den Neben-
gefässen stehen, ihre Erklärung finden kann. Ich glaube nicht, dass
652 W. Uffenorde. [56
die Ausblutung bei der Operation an sich, die Paunz (über rhinogene
Sehnervenentzündung. Arch. f. Augenhkd. 61, S. 369) für ähnliche
Verhältnisse zur Erklärung heranzieht, die Abnahme des Exophthal-
mus bedingt. Auch in dem bekannten eigenartigen Hajekschen
Falle (Hajek: Akutes Empyem des Siebbeinlabyrinthes mit hoch-
gradigem Exophthalmus, Heymanns Festschr. S. 629) von Exophthal-
mus, der, wie oben schon erwähnt, nach der Operation schwand,
kann diese Erklärung trotz Fehlens von äusseren entzündlichen Er-
scheinungen und Erhaltung der Beweglichkeit Anwendung finden.
Die von dem Autor selbst gegebene Erklärung des Zurückweichens
der aus ihrer Stellung orbitalwärts dislozierten Lamina papyracea
ist kaum mit unseren pathologisch-anatomischen Anschauungen und
Erfahrungen vereinbar. Wir hatten unseren Fall zunächst nach
Schmiegelows Vorgängen (Arch. f. Laryngologie Bd. 15, S. 267.
Über die Beziehungen zwischen den Krankheiten der Nase und des
Auges) als vasomotorische Reflexneurose gedeutet. Nach meinen
weiteren und den in der Literatur niedergelegten Erfahrungen
glaube ich aber, dass wir auch ganz allgemein an dem vorliegenden
Teile viel mehr mechanische Momente u. z., besonders durch zirkula-
torische Veränderungen geschaffen, bei dem Entstehungsmechanismus
verschiedenster Komplikationsformen anschuldigen müssen (Ziem,
Winckler, Paunz u.a.), nicht aber als Toxinwirkung (Kuhnt) und
Nerveneinflüsse.
Besonders, wenn man die schon oben gebrachten histologischen
Durchschnitte und die in meinen ,Erkrankungen des Siebbeins^ aus-
geführten pathogenetischen Vorgänge berücksichtigt, die sich ohne
weiteres aus den mikroskopischen Präparaten herleiten, sind diese
Auffassungen durchaus plausibel. Hier wird neben der oben bei der
Entstehung der Neuritis optica z. B. besonders in den Vordergrund
gerückten mehr mechanischen Komponente durch Stauungsdruck eine
entzündliche Komponente mit in Rechnung zu ziehen sein.
Ich halte es für sehr wohl möglich, dass nach entstandener Periorbitis
zunächst eine leichte Phlegmone mit Ödem in der Orbita entsteht,
die auch nach Eröffnung der primär erkrankten nasalen Hohlräume
nur teilweise zurückgeht. Entweder wird nämlich die durch Ver-
legung verschiedener Blutwege geschaffene Zirkulationsstörung unter
allmählicher Ausbildung kompensierender Wege ausgeglichen werden
können, und damit der Exophthalmus zurückgehen, oder aber der
phlegmonöse Prozess treibt weiter sein Spiel. Es können auch um-
schriebene Verklebungen mit Bindegewebsneubildungen entstanden
sein, und dadurch verschiedene Blutwege verlegt worden sein, deren
Verlegung wiederum Stauung nach sich zog, die wiederum erst all-
57] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 653
mählich ausgeglichen werden kann. Solche Entzündungsvorgänge
können auch bekanntlich in der Subkutis ihr Wesen treiben. Es
kann bei der chronischen Phlegmone des subkutanen Gewebes neben
der durch Gefässverlegung geschaffenen elefantiastischen Verdickung
öfter ein gelegentliches Aufflackern der Entzündung von abgeschlossenen
Infektionserregern aus beobachtet werden.
Fall XIX.
1. Minna Nolte, 39 Jahre alt, Schneiderin, Bovenden, kam am 4. X. 05
in unsere Poliklinik mit der Klage, im vorigen Winter heftige Influenza gehabt
zu haben. Seitdem sei die linke Nasenseite verstopft, öfter eiteriger Ausfluss.
Links ist sie auch schwerhórig. Seit ca. 14 Tagen habe ich Stiche im Kopfe
gespürt. Nicht kontinuierliche Ohrgeráusche vernommen. Sie sei bisweilen
schwindelig, taumelig gewesen. Sie habe nie Ohreiterung gehabt.
Seit 8 Wochen habe sie ein vorgetriebenes Auge l Im Halse sei seil
8 Wochen Verschleimung aufgetreten, allgemeine Kopfschmerzen. Sie wird von
der Augenklinik geschickt.
Befund: Seit mehreren Wochen aber keine Kopfschmerzen, sondern
nur Spannungsgefühl, von Nase nach Ohr ausstrahlend. Besonders morgens
starke Schwellung des oberen Lides. Im übrigen hat Pat. keinerlei Beschwerden.
Bericht der kgl. Augenklinik:
R. 5. = 10. 0. — u.
L. S. = 0,7—0,8. o. = u.
L. Bulbus deutlich vorgetrieben, leichte Schmerzhaftigkeit beim Druck
nach rückwärts. Beweglichkeit gut. Die ganze linke Gesichtshälfte ist leicht
geschwollen. Über dem Ohr ist eine kleine schmerzhafte Stelle. Das Gehör
ist links stark herabgesetzt. Im Munde nichts Besonderes. Pat. klagt über
Schmerzen in der l. Gesichtshälfte. Die beschriebenen Symptome bestehen
seit ca. 8 Wochen, vorher bestanden starke Kopfschmerzen. Pat. leidet jetzt
noch an Magen- und Darmbeschwerden.
Status praesens: Nase l. momentan weit, m. Muschel klein, fast
atrophisch. Proc. uncinatus-Schleimhaut sehr stark ödematös geschwollen,
ebenso die gesamte sichtbare Siebbeinschleimhaut. Nasenrachenraum frei.
Protrusio bulbi links. Visus herabgesetzt. Die Hirnnerven sind frei. Patellar-
reflexe beiderseits ohne Bes. Urin frei. i
Diagnose: Ethmoiditis sin. hyperplastica. Salpingitis 1. Exoph-
thalmus 1.
6. X. Links Siebbein ausgeräumt. In allen Zellen polypoid geschwollene
Schleimhaut. Kein freier Eiter. Os in Bulla und Proc. uncinatus hochgradig
rarafiziert.
7. X. Exophthalmus gebessert. Nur morgens früh zunächst etwas mehr
ausgebildet.
9. X. Exophthalmus besser, keine Beschwerden mehr. Visus gebessert.
12. X. 05. Exophthalmus viel besser, fast ganz geschwunden. Sub-
jektiv gut.
29. I. 07. Kein Exophthalmus mehr nachweisbar. Noch Druck auf Kiefer-
höhle links. Kieferhöhle punktiert, negativ. Siebbein glatt.
Bericht von Herrn Augenarzt Dr. Veith, den die Pat. !/, Jahr etwa
nach unserem Eingriff am Siebbein konsultierte.
654 W. Uffenorde. [58
26. VII. 1906. L.: Visus !/, Exophthalmus seit 3 Wochen. Keine
Pulsationen. Kein Tumor zu fühlen. Schimerzhaftigkeit am Processus mastoideus.
Ophthalmoskopisch: Papille hyperämisch, Venen stark gefüllt, geschlängelt.
27. IV. 07. Exophthalmus von selbst zurückgegangen. Visus = #/,..
Atrophia u. optici. Pupille reagiert etwas träge. Gesichtsfeld für Weiss und
Farben eingeengt.
Epikrise: Die Patientin war vor unserer Behandlung wieder-
holt untersucht. Es war u. a. auch ein Tumor in der Flügelgaumen-
grube angenommen worden. Nach der Auffassung von Schmie-
gelow (über die Beziehungen zwischen den Krankheiten der Nase
und des Auges, Fränkels Arch. f. Laryng. 15, S. 267) fassten wir
zunächst den Exophthalmus als vasomotorische Reflexneurose vom
erkrankten Siebbein aus auf. Die Annahme hatte nun immer etwas
Gezwungenes an sich. Als dann der folgende zu schildernde Fall
Bode von uns behandelt war, änderte ich meine Auffassung. Hier
bestand ebenfalls über lange Zeit hinaus ohne ausgesprochen ent-
zündliche Vorgänge in der Orbita, ohne Empfindlichkeit und Rötung,
ohne Neigung zu abszedieren, ein Exophthalmus in derselben Weise,
der aber sicher ätiologisch als phlegmonöser aufzufassen war, da
wir bei der Operation nach Killian an der Periorbita eine susge-
sprochene Infiltratbildung aufdecken konnten und der Exophthalmus
nach Siebbeinstirnhóhleneiterung aufgetreten war. Durch die Be-
zeichnung „chronische Phlegmone“ werden die Verhältnisse bis auf
weiteres am besten charakterisiert. Eine andere Ätiologie kommt
hier kaum in Frage. Eine intraorbitale idiopathische Affektion,
Basedowsche Erkrankung, Nierenerkrankung u. a. konnte aus-
geschlossen werden, der weitere günstige Verlauf spricht ja am besten
dafür. Auch die Anamnese stimmt sehr wohl zu der Annahme. Die
Patientin hatte Frühjahr vorher eine heftige Influenza durchgemacht,
hatte seitdem Nasenbeschwerden links. Es hatte öfter eiteriger Aus-
fluss aus der linken Seite bestanden. Gleichzeitig hatte sich im
Anschlusse daran ein Tubenmittelohrkatarrh links entwickelt. Seit
Sommer desselben Jahres hatte sich dann, offenbar anschliessend an
eine der häufiger durchgemachten akuten Exazerbationen des Nasen-
leidens ein Exophthalmus entwickelt mit Kopfschmerzen und Spannungs-
gefühl. Morgentlich ist das obere Lid stärker angeschwollen, was
auch auf einen entzündlichen Ursprung hindeutet.
Nach der Siebbeinoperation trat eine vorübergehende ausge-
sprochene Besserung des Exophthalmus fast bis zur Norm ein. Später
im Jahre 1906 wurde der Bulbus von neuem vorgetrieben, um dann
ausgangs 1906 definitiv wieder zurückzugehen. Dabei zeigte dann
das restierende Siebbein normalen Befund, die Beschwerden seitens
der Nase waren geschwunden.
59] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 655
Ich glaube, dass in diesem Falle gelegentlich einer akut eiterigen
Infektion des hyperplastisch veränderten Siebbeins sich ein Durch-
bruch in die Orbita vorbereitet hat. Die entstehende Infektion des
Orbitalinhaltes hat den Exophthalmus veranlasst. Die nicht voll zur
Ausbildung kommende Infektion, vielleicht weil die Eiterretention in
einer der verantwortlich zu machenden Siebbeinzellen inzwischen be-
hoben war, hatte nun lange Zeit, etwa ein Jahr, in dem dazu ja sehr
neigenden orbitalen Gewebe gespielt. Man muss schwach virulente
Erreger annehmen. Eine andere Erklärung für das entzündliche
Ödem wird kaum möglich sein. Eine weitere Stütze findet meine
Annahme darin, dass vor dem Rückgang des Exophthalmus auch die
induzierende Siebbeinaffektion geheilt war. Dass die Vortreibung
des Bulbus erst später spontan allmählich sich zurückbildete, findet
zwanglos dadurch eine Erklärung, dass eben die Erreger allmählich
m munisiert sind, und die zirkulatorischen Störungen, die ja auch
eine Rolle mitgespielt haben, sich allmählich ausgeglichen haben.
Auf Kosten des lange Zeit hindurch bestandenen Drucks und der
Dehnung des N. optikus ist die mässige Atrophie des Optikus zu
setzen.
Hinzufügen möchte ich noch, dass wir in den zahlreichen Fällen
von ausgesprochener orbitaler Phlegmone den Rückgang der orbitalen
Entzündung nach Ausführung der Totalaufmeisselung in ganz ver-
schieden langer Zeit beobachtet haben. In dem vorliegenden Falle
ist auch zu erwägen, dass ja nur endonasal operiert worden ist. Die
noch so sorgfältig durchgeführte endonasale Ausräumung des Sieb-
beins kann aber erfahrungsgemäss niemals alle Siebbeinzellen er-
reichen, es bleibt viel mehr unerreicht, als man anzunehmen geneigt
ist. Das ist für mich eine feststehende Tatsache, die ich wiederholt
bestätigen konnte in Fällen, wo sich die zunächst endonasal ausge-
führte Inangriffnahme des veränderten Siebbeins als unzulänglich er-
wies, und ein Eingriff von aussen erforderlich wurde. Auch von ver-
schiedenen anderen Seiten ist in diesem Sinne berichtet worden. Es
kann also in diesem Falle sehr wohl von nicht eröffneten Zellen aus die
orbitale Veränderung noch längere Zeit unterhalten sein, bis die Ver-
änderungen auch dort sich zurückbildeten. Ich würde in Zukunft in
solchen Fällen, wenn ein ütiologischer Kausalkonnex anzunehmen ist,
gleich von aussen operieren, um den Optikus womóglich rascher zu
entlasten. Allerdings werden die Fälle ziemlich selten sein. Der
zweite zunächst so gedeutete Fall ist folgender:
656 W. Uffenorde. [60
Fall XX.
Friedrich Bode, 55 Jahre alt, Landwirt, Lüntorf bei Hameln.
Anamncese:L. Auge geláhmt seit 2 Monaten, hat spontan Kopfschmerzen.
In der Nase keine Beschwerden; auch l. Luftpassage frei. Hat auch keine
Blutung aus der Nase gehabt.
Diagnose: Ethmoiditis suppur. chron. sin. c. osteoperiostite. Orbital.
phlegmone. Tumor?
Therapie: Killiansche Aufmeisselung, Eróffnung der Orbita.
Nase und Rachen: Endonasal bes. bei einfacher Inspektion, auch nach
Kokain nicht bes. Nach Infraktion der mittleren Muschel sieht man eine hoch-
rote Schwellung am Proc. uncinatus. Lappige Schwellung auf Bulla ethmoidalis.
Dahinter von oben her der Fundus meat. nar. med. zum Teil verlegt durch
eine bläulich verfärbte Prominenz. Knochenlamellen erhalten.
Operationsbericht. Skopomorphin-Chloroformnarkose.
Aussere Weichteile sehr blutreich, ohne Bes. Der Knochen ebenso, ziemlich
dick. Im Siebbein zeigt sich die gesamte Schleimhaut mehr weniger polypoid
entartet. Die Stirnhöhle ist gross, die Schleimhaut ist mässig geschwollen,
wenig schleimeiteriger Inhalt. Der Stirnhöhlenboden wird ganz entfernt. Die
Lamina papyracea ist nirgends durchbrochen. Die Periorbita erweist sich
nach fast totaler Resektion der Lamina papyracea in halber Tiefe etwa ver-
dickt, derb mit Granulationen bedeckt, in den Orbitalinhalt ist keine um-
schriebene Schwellung oder Verdickung sonst fühlbar. Es wird ein Stück
von der granulierenden Periorbita entfernt zur histologischen Untersuchung.
Dabei Orbitalinhalt etwas eröffnet, es liegt ein Muskelbruch im Rectus ext.
vor. Keilbeinhöhle eröffnet, vordere Wand entfernt, darin viel Schleimeiter,
die Schleimhaut ist dick glasig geschwollen, es werden mehrere typische
Polypen entfernt. Keine Fistel nachweisbar. Jodoformgazetamponade. Primäre
Naht mit Aluminiumbronzedraht.
3. NI. 08. Totaloperation nach Killian.
Pat. abends noch leicht benommen, hat wenig erbrochen, keine Temp.
5. XI. Entfernung der Tampons, die z. T. schon am Tage zuvor ent-
fernt sind.
9. XI. Nähte entfernt. Pat. hatte immer etwas Kopfschmerzen, die vor
wiegend von der Stirne rückwärts auf den Kopf ausstrahlten, die an Intensität
wechselten. Nase trocken, Borken. Salbe. — Die Beweglichkeit des Bulbus
ist besser, der Obliquus superior ist freier, Auswärtsbewegung noch sehr
beschränkt. — Augenhintergrund ohne Bes. Exsudat über Lamina cribrosa.
I;xophthalmus scheinbar etwas geringer. Subjektiv gut. Jodkalium verträgt Pat.
schlecht, fortgelassen. |
14. XI. Geht ab. Schnittlinie vernarbt. Im Naseninneren noch Borken.
Nachurteil der Augenklinik: Blutung unten auf Papille, sonst keine Ver-
ünderungen. Beweglichkeit besser, Protrusio gebessert.
Rp. Chinin. hydrochloric. 2,0
Ferr. reduct. 2,5.
3 mal tágl. 2 Pillen.
17. II. 09. Pat. wird von der Augenklinik uns wieder zugesandt. Das Auge
ist seit 4 Wochen etwa wieder prominent; es soll vor einigen Tagen noch
schlimmer gewesen sein. Hat Kopfschmerzen. Stechende Schmerzen im |.
Auge. Grosse Schwäche der linken unteren Extremität, Magenbeschwerden.
Jetzt kann er das |. untere Bein im Stehen ohne Schmerzen heben. Das
61] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 657
Auge ist ziemlich prominent. Bulbus fast unbeweglich. Pupille weit. Fazialis,
Hypoglossus, Glossopharyngeus. Akustikus frei. Trochlearis, Abduzens r. frei.
Olfaktorius l. schwächer, auch r. etwas weniger ausgesprochene Funktion.
Gaumensegel, Kieferfunktion frei. Trfl. ohne Bes. Epipharynx frei, Choane
frei, ebenso l. wie r. in der Nase keine bes. Befund. Obere Extremität frei,
rohe Kraft gleich.
Sowohl von Herrn Prof. Hirsch als auch von der kgl. Nervenklinik
wurde die schlaffe Lähmung der unteren Extremitäten, bes. links als poly-
neuritisch aufgefasst, die unabhängig von den Orbitaleiden war.
A
Linkes Auge
0
Bericht der kgl. Augenklinik:
Status praesens: 21. X. 08. R. A. Äusserl. und innerlich normal.
L. A. Steht etwas tiefer als das rechte und ist deutlich vorgetrieben. Die
Beweglichkeit des Bulbus ist vóllig aufgehoben nach oben, nach aussen teil.
weise auch innen und nach unten. Hier kommt bloss die charakteristische
Wirkung des Obliq. sup. mit seiner Raddrehung zustande.
R. 1,5 Deyt. 1 20? oben aussen H = < 0,8. L. S = Finger in 2 m. exzentrisch.
Auge reizlos. Brechende Medien klar. Pupille reagiert prompt.
O: vóllig normal.
Bei Betastung des Orbitalrandes keine Schmerzen. Ebensowenig bei Druck
auf den Bulbus rückwürts.
653 W. Uffenorde. [62
23. X. Untersuchung in Narkose ergibt keine Anhaltspunkte
für das Vorhandensein eines Tumors. Hochgradige Kopfschmerzen.
24. X. Untersuchung in der Nervenklinik ergibt keinen
pathol. Befund des Nervensystems. Hochgradige Kopfschmerzen.
27. X. In der Ohrenklinik wird ein Tumor nachgewiesen, der von dem
hinteren Siebbein ausgeht.
30. X. 1908. Verlegung nach der Ohrenklinik.
13. XI. 08. L. Beweglichkeit der Augenmuskeln immer noch ganz unvoll.
kommen. Doch ist die Protrusio entschieden geringer.
A
Rechtes Auge
O. — Papille etwas blass. Im Gefässtrichter liegt ein feines Exsudat und
der Rest einer Blutung. Kopfschmerzen geschwunden.
S = 0. Amaurose.
7. XII. 08 Status idem: Blutung auf der Papille noch sichtbar.
5. III. 09. Pat. ist seit 14 Tagen in der Nervenklinik. aufgenommen,
Seit 5 Tagen bemerkt er cine noch zunehmende Sehschwäche rechts.
Status: R. A. Augenbewegungen frei. Pupille reagiert.
O: Papillengrenzen leicht verwaschen. Papille hyperümisch.
Gesichtsfeld: Geringe Finschränkung aussen. Sonst Aussengrenzen
normal.
R. S = 0,1. L. Amaurose.
63] Komplizierte Fálle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 659
Centr. relat. Skotom für Weiss und Blau. Centr. absol. Skotom für Rot.
Grün nicht erkannt.
L. Bulbus protundiert. Völlige Ptosis. Conj bulbi unten chemotisch.
Pupille weit, absolut starr, auch bei sonst. Belichtung. Papille weiss, mit
unscharfen Grenzen.
Gelähmt sind: alle Zweige des Okulomotorius. Frei, aber in der Aktion
beschränkt, Abduzens und Obliq. sup. Keine Schmerzen.
11. III. 09. R. Äussere Augenmuskeln frei. o=u. S=Fingerind4 m.
4. XI. 09. Aufnahme:
A
Rechtes Auge
R. A. Augenmuskeln frei. Pupille weit, reaktionslos. o = Papille weiss,
Grenzen scharf, Arterien verdünnt; Lamina undeutlich. S = Finger in äi m.
L. A. Enophthalmus. Lider können nicht vollkommen geschlossen werden,
so dass beim Lidschlag der untere Teil der Kornea nicht getroffen wird.
Unten sagokorngrosses Ulkus. Pupille starr, weit. Unten einige Synechien.
Augenmuskeln wie oben. Fw. Verband.
8. XI. 09. Siehe Bericht der med. Klinik.
10. XI. 09. Infiltration geht zurück.
15. XI. 09. Ulkus hat sich gereinigt und spiegelt überall. Iris nicht mehr
hyperämisch.
660 W, Uffenorde. [64
20. XI. 09. Ulkus hat sich gefüllt. Epithel glatt. Bulbus nur noch wenig
gereizt. R. wie oben.
21. XI. 09. Mit Verband entlassen. Soll sich zu Haus beim Arzt noch
öfter vorstellen. R. S — Finger in 11/,—2 m.
Epikrise: In diesem Falle hatten wir zunächst eine Tumor-
bildung im linken Siebbein für wahrscheinlich gehalten. Die Operation
deckte aber ein ausgedehntes Empyem der s&mtlichen oberen Neben-
hóhlen links auf. Zur Vorsicht exzidierte ich ein Stück Granulations-
gewebe von der Periorbita zur histologischen Untersuchung, die ein
negatives Resultat ergab. Die Periorbititis schien uns genügend Auf-
klärung über die Schwellung des Orbitalinhaltes and zwar durch einen
phlegmonösen Prozess zu geben. Dass der Patient Nasenbeschwerden
negierte, sagt ja erfahrungsgemäss nicht viel. Der Exophthalmus hatte
schon 2 Monate bestanden, dieser Umstand konnte für die lange Dauer
der orbitalen Phlegmone mitanzuschuldigen sein. Auch konnte ein
etwa bestehendes lokales idiopathisches Leiden in der Orbita oder ein
endokranielles oder allgemeines Konstitutionsleiden weder von der
kgl. Augenklinik, noch von Herrn Prof. Hirsch, noch von der kgl.
Nervenklinik, noch von uns eruiert werden. Überall ist der Patient
wiederholt in grösseren Zwischenräumen untersucht. Die Erschei-
nungen an der l. unteren Extremität muss wohl als rheuma-
tische Affektion gedeutet werden. Nach der Operation ist auch in
diesem Falle der Exophthalmus zunächst etwas zurückgegangen, um
dann wieder stärker hervorzutreten. Leider kann ich über den
weiteren Verlauf nichts Näheres berichten. Eine Anfrage bei dem
seit langem nicht zur Untersuchung gekommenen Patienten ergab
kaum verwertbare Beantwortung. Darnach besteht die Protusio bulbi
noch in gleicher Weise.
Inzwischen ist der Patient etwa 2 Jahre später zur Unter-
suchung gekommen. Darnach müssen wir unsere Auffassung wesent-
lich ändern. Ein derber Tumor hat die ganze linke Schläfe ausge-
dehnt vorgetrieben. Die Protusio bulbi ist zurückgebildet, aber es
besteht fast totale Amaurose. Eine Röntgenaufnahme zeigt, wie die
seitliche Orbitalwand breit durchbrochen ist und zum Teil Knochen-
schalen abgehoben sind. Der Fall kann hier also nur als Beleg für
eventuell differentialdiagnostische Schwierigkeiten dienen. Es bestanden
hier von vorneherein zwei Affektionen nebeneinander, nämlich Tumor
der Orbita und Ethmoiditis suppur. cum osteoperiost.
2. Gewöhnliche orbitale Komplikationsfälle.
Fall XXL
Hermine Junge, 30 Jahre alt, Kéchin, Góttingen.
Anamnese: Seit Oktober im Anschluss an eine Erkältung linksseitige
Stimkopfschmerzen und reichliche Schleimabsonderung aus der linken Nasen-
65] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 661
seite. Ebenso Schmerzen im linken Auge. Hat die kgl. Augenklinik aufgesucht
und ist uns von dort überwiesen worden.
Bericht der kgl. Augenklinik:
5. I. 11. Bds. S = 0,9. 0 = u.
Starke Schmerzen am oberen Orbitalrand und in der rechten Kopfseite.
Wahrscheinlich Empy. des Sinus front.
Seit Weihnachten Schmerzen nach starker Erkältung.
Am 6. Januar Killiansche submuköse Septumresektion des nach links
devierten Septums. Am 11. d. Mts. Freilegung der Stirnbucht, wobei reichlich
Eiter von oben abfliesst. In den letzten Tagen abendliche Temperaturerhöhungen
um 37,8%, morgens 37,4%, Schwellung beider Augenlider, besonders im inneren
Augenwinkel und Protusio bulbi, die sich ganz allmählich entwickelt hat.
Wechselnd sehr heftige Schmerzen bis auf Scheitel ausstrahlend.
Diagnose: Ethmoiditis et sinuitis frontalis sinistri cum osteoperiost.
Orbitalphlegmone.
Therapie: Killiansche Stirnhóhlenoperation links. 16. I. 1911.
Nase und Rachen: Nach Killian operiertes Septum, rechtes Schleim-
hautblatt glatt. L. freigelegte Stirnbucht. Im mittleren Nasengange |. viel
Eiter. Leichte Protusio bulbi sinistri, nach aussen und unten keine Doppel-
bilder. Mässige Schwellung der Augenlider. L. Stirnhóhlenboden stark druck.
empfindlich.
Kehlkopf und Lungen: o. B.
Sonstiges: Herz und Unterleibsorgane gesund. Reflexe prompt. Augen-
hintergrund normal. Urin frei von krankhaften Beimengungen. Sensorium frei.
Keine Motilitäts- oder Sensibilitätsstörungen. Hirnnerven frei.
16. 1. 1911. Operation in Chloroform-Morphiumnarkose.
Bericht: Áussere Weichteile etwas geschwollen. Knochen ohne Bes.
Stirnhöhle ziemlich gross, reicht weit hinauf, ist flach. Nach rechts weit
hinüberreichend. Bei der Aufdeckung dieses Rezessus Eröffnung der rechten
Stirnhöhle; diese normal. Von Stimhóhle und mittlerem Siebbein sind sehr
breite orbitale Rezessus bis in die Tiefe und seitlich fast über die ganze
Orbita ausgebildet. Diese enthalten bei der Stirnhöhle stark geschwollene
Schleimhaut und freien Eiter. Ausgedehnte Resektion des orbitalen Daches.
Säuberung der Wundhöhle. Nirgends freier Fiter in der Orbita. Nach Resektion
der Lamina papyracea in grosser Ausdehnung, zeigt sich nur vorn hinter Tränen-
bein leichtes periorbitales Infiltrat, im übrigen Periorbita glatt, nicht verdickt.
Gazetamponade-Verband. Naht mit Michelschen Klammernähten.
17. 1. Abendtemperatur gestern 38,39, heute 38,19. Auch rechtes Auge
fast tota! verschwollen. L. Auge fest geschlossen. Chemosis des oberen Lides.
Protusio bulbi stürker. Nase auch rechts verlegt. Entfernung des Tampons.
18. I. Abendtemperatur 37,6%. Verbandwechsel. L. starkes Ödem des
oberen Augenlides und des orbitalen Gewebes, so dass der Bulbus ziemlich
stark nach unten und aussen verdrängt ist. Nase bis. frei. Feuchter Verband.
Gegen die Schmerzen !/, Spritze Morphium.
22. I. Fortnahme der Klammernáühte. Die Schwellung geht zurück. Die
Beschwerden geringer. Keine Diplopie.
26. I. Auge öffnet sich spontan wieder leidlich. Keine Schmerzen mehr,
keine Temperatur. Wenig Eiter aus der Nase. Die geringer gewordene Schwel-
lung ist blass.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 6. 44
— —
662 W. Uffenorde. [66
3. II. Ödem fast vollkommen zurückgegangen. Keine Doppelbilder. Bulbus-
beweglichkeit ganz frei. Jetzt ohne Beschwerden. In der Nasenhöhle Schleim-
haut etwas trocken, noch einige Borken. .
Vor einigen Tagen bekam Pat. plötzlich unangenehmes, häufig auftretendes
Erbrechen, starke Kopfschmerzen links, besonders nachts. Temperatur 37°.
Puls eher beschleunigt. Da die Pat. auch früher schon leicht Erbrechen hatte
und kein zerebrales Symptom nachweisbar war, Bettruhe. Abwarten. Diät.
Wieder Wohlbefinden.
Epikrise: Es wurde bei der Patientin, die zunächst über sehr
heftige Kopfschmerzen links und Stechen im l. Auge, mit Empfind-
lichkeit der Stirnhöhlenwandung und leichtem vorübergehendem Ödem
des oberen Lids klagte, versucht, durch submuköse Septumoperation,
Ausräumung der vorderen Siebbeinzellen, Resektion des Processus
uncinatus und Spaltung der Stirnbucht, die etwa einsetzende Pro-
gedienz der Infektion zu kupieren und eventuell Heilung zu er-
zielen. Aber nach diesen Massnahmen trat eine allmählich
immer stärker werdende orbitale Schwellung mit Protrusio bulbi
auf, die uns schliesslich zum Eingriff von aussen zwang. Die
Temperatur stieg allmählich auf 38%. Kin Defekt der orbitalen
Wandungen wurde nicht gefunden, ebenso intraorbital kein freier
Eiter. Ein sehr geräumiger lateraler Rezessus von Stirnhöhle und
vorderem Siebbein war hier ausgebildet. Auch hier entwickelten sich
nach der Operation die orbitalen Erscheinungen noch mehr. Protrusio
und Dislocatio bulbi wurden wesentlich stärker. Natürlich spielten
dabei die immer nach der Stirnhöhlenoperation auftretenden Stauungs-
vorgänge infolge verlegter Blutwege mit. — Ich möchte hier darauf
hinweisen, dass wir wiederholt beobachten konnten, wie bei beginnen-
den orbitalen Durchbrüchen durch die endonasale Encheirese der
Propagationsprozess deutlich beschleunigt wurde und Fieber auftrat.
Die 14 Tage post operationem auftretenden Erscheinungen, Erbrechen,
starke linksseitige Kopfschmerzen u. a. waren. auf lebhaften Würg-
reflex im Rachen und allgemeine Schwäche zurückzuführen.
Fall XXII.
Fritz Kuhlebrok, 27 Jahre alt, Bóttcher, Hóxter.
Pat. gibt an, seit A Wochen Schmerzen unterhalb des I. Auges zu haben.
Er wurde vom Arzte zunächst wegen Nervenentzündung behandelt, und als
sich eine wechselnde Schwellung der linken Gesichtshälfte und der Augen-
höhle einstellte, in die hiesige Augenklinik geschickt. Von dort wurde er
uns am 7. XI. überwiesen.
Am 11. Xl. wurde von uns die Stirnbucht in der von uns geübten Weise
freigelegt. Darauf abendliche Temperatursteigerungen und Ödem der Augen-
lider, deshalb Radikaloperation vorgeschlagen.
Status praesens: Nase: Deviatio septi nach links, im |. mittleren
Nasengang viel Eiter; Kieferhöhle punkliert, frei; untere Muschel wenig ge-
schwollen, r. ohne Besonderheiten.
67) Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 663
Ödem der Augenlider links. Rötung der Conjunctiva bulbi. Starke Druck-
empfindlichkeit des Orbitaldaches. (S. Abbildung 9, Taf. XXX.)
Rachen, Kehlkopf und Lungen ohne Besonderheiten, ebenso Herz. Im
Abdomen kein besonderer Befund. Hirnnerven frei, keine Motilität oder Sensi-
bilitätsstörung. Reflexe erhalten. Sensorium frei. Augenhintergrund frei. Urin
olme krankhafte Beimengungen.
14. XI. Killiansche Stirnhéhlenoperation.
Diagnose: Sinuitis frontalis et ethmoiditis purulenta cum osteoperiostit.
chron. sin. Orbitalphlegmone 1. Operation in Scopomorphin-Chloroformnarkose.
Operationsbericht: Aussere Weichteile ohne Besonderheiten, ebenso
wie der Knochen; die Stirnhóhle ist klein, medial gelegen. Erfüllt von Schleim-
haut Schwellung ohne freien Eiter. Im Siebbein überall Schleimhautschwellung ;
einschliesslich der Keilbeinhöhle mit stinkendem Eiter erfüllt, z. T. übel schwarz
verfárbt. 2 cm hinter dem Tränenbein ziemlich unten ist die Lamina papyracea
an verschiedenen Stellen schwach verfärbt und weist mehrere kleinere Durch-
briiche auf. Keilbeinhéhle sehr gross, mehrfächerig. Die Periorbita mässig
granulierend und gelbgrau an der entsprechenden Stelle verfärbt, die Lamina
papyracea wird zum grossen Teil reseziert, Stirnhöhle und Siebbein sorg-
fältig gesäubert, primäre Naht. Verband.
Am 16. XI. Entfernung der Tampons aus der Nase. Keine Temperatur.
Am 21. Entfernung der Nähte. Wohlbefinden.
Am 27. wird Pat. entlassen, hat keine Beschwerden mehr. Die Naht ist
gut primär geheilt; noch wenig Schleimeiter aus der linken Nase.
Am 12. XII. wird das hochgradig verbogene Septum nach Killian
submukós reseziert.
Am 16. XII. wird Pat. definitiv geheilt entlassen.
Bericht der kgl. Augenklinik:
Diagnose: Protrusio bulbi.
Stirnhöhleneiterung unter Mitbeteiligung der Siebbeinzellen und der Keil-
beinhöhle.
Status praesens: L. A. Gegend des Unterlides ódematós geschwollen,
Schwellung zieht sich auch nach der Nase hin. Gegend des inneren Lid-
winkels und unterer Orbitalrand sehr druckempfindlich. S = 1,0.
Bulbus etwa 2 mm prot. reizlos. Alles normal, auch ophthalm. keine
Veränderungen.
R. A. normal. o = u. S = 1,0.
Es scheint sich um cine Periostitis am unteren Orbitalrand zu handeln,
Ausgangspunkt noch nicht klar. Tränensackphlegmone liegt nicht vor.
Ord.: Laue Umschläge, fw. Verband.
5. XI. Schwellung etwas geringer, Protrusio geht ebenfalls zurück. Schmerz-
haftigkeit nur noch im Lidwinkel sehr stark. Man fühlt am unteren Orbital-
rand innen eine verdickte Stelle.
7. XI. Wieder mehr Schmerzen, Schwellung unverändert. Bulbus auch
noch etwas prot. S = 1,0. o = u.
Untersuchung und Verlegung in die Ohrenklinik.
14. XI. 1910. Operation dort s. oben.
26. XI. 10. Vorstellung: Keine Schwellung des Unterlides mehr. Zwischen
Naso und innerem Lidwinkel und über dem oberen Lid ist geringe Schwellung
vorhanden, die von der Operationswunde herrührt. Keine Protrusio bulbi mehr
und keine Druckschmerzhaftigkeit. o = normal. Bds. S = 1,0.
44*
664 W. Uffenorde. ` [68
14. XIL 10. Es ist alles normal geblieben. Schmerzen bestehen nicht
mehr. Dem Pat. soll noch das Septum der Nase entfernt werden. Bds. S = 1,0.
Epikrise: Auch hier entwickelte sich die Komplikation, ganz
langsam, würde aber nach der alten Unterscheidungsform zu den
akuten Durchbrüchen zu rechnen sein. Zunächst kam es, wie auch
im vorigen Falle, zu unangenehmen Kopfschmerzen in der linken Seite,
dann traten wechselnde Schwellungszustände des oberen Lides, dann
des Augenhöhleninhaltes und der ganzen Gesichtsseite auf. Der Ver-
such, durch endonasale Aufdeckung des Stirnhöhlenbodens die Progre-
dienz in die Augenhöhle zu verhindern, misslang auch hier. Eine
ausgesprochene Fistelbildung mit mehrfachen Defekten von ver-
schiedener Grösse und eine entsprechende Periorbititis wurde an der
gewöhnlichen Stelle an der Lamina papyracea aufgedeckt. Die histo-
logischen Abbildungen 5 und 6 sind oben wiedergegeben. Nachträg-
lich haben wir noch die hochgradige Deviation des Septum links,
die fiir die Stabilisierung der Eiterung in den affizierten Neben-
hóhlen mitanzuschuldigen ist, nach der Methode von Killian beseitigt,
Den folgenden interessanten Fall, von chronisch erfolgtem Durch-
bruch der Siebbeineiterung in die Augenhóhle, den ich schon kurz
in meinen ,Erkrankungen des Siebbeins^ mitgeteilt habe, will ich
auch hier einfügen:
Fall XXIII.
Ein 57 jähriger Herr N. N. aus Offenbach wurde wegen Polypenbildung
in der linken Nase von Zeit zu Zeit wührend 10 Jahren spezialärztlich
behandelt. Um die häufigen Polypenrezidive zu beherrschen, wurden angeb-
lich wiederholt galvanokaustische Ätzungen vorgenommen. Eiterung hat der
Pat. nur zur Zeit eines akuten schweren Schnupfens vorübergehend bemerkt,
sonst nicht. Der Pat. hatte dann während mehrerer Monate heftige neuralgische
Beschwerden an der linken Stimseite zu ertragen, die sich allmählich immer
mehr steigerlen. An einem Tage wurden sie ganz besonders heftig. Der ge-
rufene Arzt injizierte Morphium, ohne Linderung erreichen zu können. Nachts
ist der Pat. dann aufgewacht und bemerkte, dass sein Auge sehr vorgetretan
war, seitdem waren die heftigen Schmerzen geschwunden. Nach Aussage des
behandelnden Arztes war ein starkes Ódem des oberen und unteren Augen-
lides mit Exophthalmus aufgetreten. Auf Bleiwasserumschláge sind jene etwas
zurückgegangen. Der konsultierte Ophthalmologe überwies mir den Pat.
Befund der Nase: Die Orientierung in den Nasenhóhlen war erschwert.
Die Nebenhóhlen waren im ganzen weit. Das Septum nar. zeigte eine etwa
zweimarkstückgrosse Perforation. Die Schleimhaut sah atrophisch, blass aus,
keine Borken, aber geringe Trockenheit. Bds. zwischen Septum und mittlerer
Muschelrest zahlreiche Adhäsionstränge, ebenso zwischen Septum und Seiten-
wand. Diese ist ziemlich glatt, zeigt viele narbige Stellen, dazwischen leichte,
blasse polypoide Schwellung. Kein freier Eiter. Epipharynx frei.
Chemotische Schwellung der Augenlider, Rima fest geschlossen. Bulbus
vorgetrieben, nach unten und innen disloziert. Auf der Höhe des oberen
69] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 665
Orbitalrandes war ein hartes, umschriebenes Infiltrat fühlbar. Der Bulbus
zeigte in seinen einzelnen Teilen keine Veränderung. —
Pat. zeigt ausserdem eine mässige Verbreiterung seines Herzens, Akzentuation
des 2. Pulmonaltones. Kein Geräusch.
In R. Pulmo Bronchialatmung, Dämpfung über der ganzen Lunge, Atem-
geräusch abgeschwächt. Kein Katarrh hörbar. Links ohne Bes.
Hirnnerven bis auf die durch die Veränderung im linken Auge affizierten
ohne Bes. Urin frei von krankhaften Beimengungen. Reflexe erhalten. Keine
Motilitätsstörung. — Im Abdomen kein besonderer Befund.
Diagnose: Perf. sept. nar. Ethmoiditis hyperplastica chron. cicatrices
causticae. Empyem der Stirnhóhle mit Osteoperiostitis |. Orbitalphlegmone.
Exophthalmus, dislocatio bulbi. Pleuritis adhaesiva d. dilatatio hypertrophia
cordis. |
Therapie: Killiansche Stirnhöhlenoperation I. am 10. XII. 1900.
Operationsbefund: Äussere Weichteile besonders in Augenbrauen-
gegend geschwollen. Der Knochen nicht verändert, sehr dick. Die Stimhöhle
ist sehr klein, ganz medial gelegen. Sie enthält wenig verdickte Schleimhaut
mit freiem Schleimeiter. Keine Kommunikation mit Nasenhóhle
nachweisbar. Daneben liegt eine grosse Zelle, die eine gallertige farblose
Masse enthält. Abheben der Weichteile mit Periorbita vom oberen Orbital.
rande. Plötzlich quillt eine Menge Eiter hervor. Erst: nach längerem Suchen
lässt sich ganz lateral am Dach der Orbita cine Fistel nachweisen, die in
einen geräumigen lateralen Rezessus einer Siebbeinzelle hineinführt. Die darın
enthaltene Schleimhaut ist ‚geschwollen. Der Orbitalrand wird fortgemeisselt
und die Höhle verödet. Küretteinent. Auf der Periorbita reichlich Granulations-
bildung. Eine Fistel in der Periorbita nicht nachweisbar. Der orbitale Rezessus,
der lateralwärts sehr erweitert ist, hängt mit der Mutterzelle im Siebbein
nur durch einen ganz schmalen Isthmus zusamınen, dessen Lumen an der
engsten Stelle kaum nachweisbar ist. In den Siebbeinzellen überall polypoide
Schwellung. Die Schleimhaut mit Schleimeitergehalt. Neben dem grossen
orbitalen Rezessus mehrere kleinere. Die Zellen scheinen medialwärts fest
abgeschlossen zu sein. Entfernung dieses narbigen Gewebes. Tamponade.
Verband.
14. XII. Wunde reaktionslos, ohne Temperatursteigerung. Sekundäre Naht.
19. XII. Nähte entfernt. Zentrales Doppeltsehen. Ödem besser. Feuchter
Verband. }
24. XII. Zurzeit kein Doppeltsehen mehr. Ödem besser. In Nase noch
Borken. Tuschieren mit 50% Arg. nitric. Entlassen.
18. I. Ohne Beschwerden. Gut geheilt. Keine orbitale Schwellung mehr.
21. II. Geheilt. Definitiv entlassen.
15. 1V. Pat. hat keinerlei Beschwerden mehr, zeigt auch im Dunkeln
kein unsicheres Gefühl beim Gehen.
Bericht von Herrn Prof. Schieck: Keine Doppelbilder mehr. Noch
leichte Parese des M. internus. M. trochlearis funktioniert gut. Während
vor der Operation auf dem nicht affizierten Auge eine Refraktionsveründerung
von 4-1 Dioptrie bestand, wurde auf der affizierten Seite —1 Dioptrie
konstatiert. Post operationem wurde bds. +1 Dioptrie
nachgewiesen.
Epikrise: Ein ziemlich einzigartiger, lehrreicher Fall. Der
ganz langsam entstehende Durchbruch hat am Patienten wührend
666 W. Uffenorde. (70
mehrerer Monate sehr unangenehme Schmerzen bereitet. Mit dem
Momente des perfekten Durchbruchs, d. h. dem Aufhören der hoch-
gradigen Retention, hórten auch diese auf. Diese letztere Erscheinung
beobachten wir ja so oft bei den Durchbrüchen des mastoidalen Em-
pyems. Fieber bestand nicht. Die Eiterretention war in dem
geräumigen lateralen Rezessus einer Siebbeinzelle zustande gekommen,
die nur durch einen ganz dünnen Isthmus mit der Mutterzelle ver-
bunden ist.
Die Retention ist offenbar durch die wiederholt vorgenommenen
Kauterisationen an der lateralen Nasenhöhlenwand verursacht worden,
worauf auch die Bildung der Mukocele im vorderen Siebbein und der
Abschluss der kleinen Stirnhöhle zurückzuführen ist. Diese Encheiresen
sind früher ja öfter zur Beherrschung der Polypenrezidive angewandt.
Wie gefahrvoll sie sein können, wird hier aufs deutlichste illustriert.
Durch die wiederholten Verschorfungen sind allmählich die Ostien der
Nebenräume verödet, und es konnten sich die Verhaltungen bilden,
die bei steigendem Druck den Durchbruch -in die Orbita ent-
wickelten. Die Polypenrezidive wird man nur durch Ausräumung des
Siebbeins, soweit es erkrankt ist, verhindern können.
Trotz der atypisch ausgeführten Operation ist das kosmetische
Resultat ein leidliches gewesen. Um sicher eine Heilung zu erzielen,
musste ich hier von dem oberen Orbitalrande ein Stück resezieren.
Die Durchbruchsstelle, die überhaupt ziemlich schwer auffindbar war,
lag weit lateralwärts und etwas zurück, die Stirnhöhle war nur ganz
klein medial gelegen. Da die Kommunikation dieses lateralen Re-
zessus mit der Nasenhöhle sehr eng war, habe ich auf eine primäre
Naht verzichtet und diesen Hohlraum, von dem aus der Durchbruch
in die Orbita erfolgt war, für einige Tage tamponiert, um dann die
Sekundärnaht zu machen. Der Eiter enthielt keine virulenten Bakterien.
Fieber hat nicht bestanden.
Dieser Fall könnte hinsichtlich der Pathogenese als Typus des
rein chronisch erfolgten Durchbruchs im Sinne von Kuhnt gelten,
wie auch der vorherige dahin zu rechnen sein würde.
Die zunächst auftretenden Doppelbilder verloren sich allmählich,
wobei offenbar die Tendenz, binokulär zu sehen, eine wesentliche Rolle
spielt. Hin und wieder traten jedoch weiterhin bei seitlicher Blickrichtung
noch Doppelbilder auf, die auf eine Internusschwäche links zurückzu-
führen waren. Nach kurzer Zeit blieben auch diese Störungen aus. Der
M. obliquus superior, durch die Operation ganz seines Fixationsbodens
beraubt, hat sich günstig in dem Granulationsgewebe eingeheftet und
funktioniert gut. Für den Ophthalmologen hat die vorübergehende
Refraktionsveränderung ein Interesse. Während der Patient vor der
11] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 667
Operation auf dem gesunden rechten Auge eine Refraktionsstörung
von -++ 1 Dioptrie aufwies, links aber z. Z. eine Refraktionsverände-
rung von — 1 Dioptrie bestand, wurde post operationem ophthalmo-
logischerseits (Prof. Schieck) auf beiden Seiten + 1 Dioptrie nach-
gewiesen. Dieser Refraktionswechsel links wird so zu erklären sein,
dass links infolge des Drucks seitens des in die Orbita durchge-
brochenen Eiters auf den Bulbus dessen Refraktion, die vorher auch
wie auf dem kontralateralen Auge + 1 Dioptrie betrug, um 2 Dioptrie
verándert wurde. Diese kiinstliche Myopie verschwand beim Nach-
lassen der intraorbitalen Druckerhóhung und der Bulbus zeigte wieder
die alte Refraktion.
Zum Schlusse móchte ich hier einen Fall von lange Zeit be-
stehendem orbitalem Durchbruch nach Stirnhóhleneiterung anfügen.
Fall XXIV.
Albert Bornemann, 45 Jahre alt, Ackermann aus Roringen, wurde uns am
23. AL. 08 von der Augenklinik geschickt. Pat. gab an, vor 5—6 Jahren sei über
dem ]. Auge eine Schwellung entstanden, die mie ganz zurückgegangen sei. Einmal
soll das Auge vorgedrängt gewesen sein und nach aussen und unten abgedrängt.
Seit 14 Tage sind starke Schmerzen über dem Auge aufgetreten, dann Schwel-
lung und Rötung. Gestern haben die Schmerzen angeblich nachgelassen. Er
will keine Eiterung aus der Nase bemerkt haben.
Befund: R. Nase ohne wesentliche Besonderheit. Links untere Muschel
etwas geschwollen, mittlere sehr verdickt, liegt. dem. Septum. an. Aus dem
mittleren. Nasengapnge links kommt Eiter hervor. Im Rachen starke Seiten-
stränge. Epipharynx frei.
L. Oberer Orbitalrand besonders mehr aussen ist verdickt, derb, druck-
empfindlich. Geringes Ödem der Orbita. Keine Dislokation des Bulbus l. (siehe
Abbildung 10, Taf. XXX). Pat. ist in andere Behandlung übergegangen, als ihm
die Aufmeisselung proponiert war.
Epikrise: Dieser Fall nimmt eine Ausnahmestellung ein. Hier
ist ein exzessiv chronischer Verlauf der gesetzten Komplikation
zu konstatieren. Während in den meisten Fällen entweder ganz akut
die Nasennebenhöhlenaffektion einsetzt und kurz darauf die Kom-
plikation in rapider oder allmählicher Weise gezeitigt wird, oder aber
eine chronische Eiterung akut exazerbiert und nunmehr weniger rasch
die orbitale oder endokranielle Komplikation zur Ausbildung kommt,
hat sich hier ganz chronisch die orbitale Komplikation entwickelt
und als solche fortbestanden. Das harte Infiltrat ist mässig druck-
empfindlich und besteht so seit 5—6 Jahren. Z. Z. eines akuten
Schnupfens ist bisweilen stärkere Schwellung des Orbitalinhaltes ein-
getreten, einmal soll sogar eine besonders unangenehme Schwellung
mit Hervortreten des Augapfels, wie der Patient genau beschrieb,
nach aussen und unten hinzugekommen sein. Eine ähnliche, wenn
Hr W. Uffenearde. —
auch harmlosere Anschwellunz hat der Patient kurz vor unserer ersten
Untersuchung an sich beobachtet. Die starken Schmerzen haben
nachgelassen, die Rötung und Schwellung des Orbitalinhaltes ist etwas
zurückgegangen. Zuzeiten hat also jedesmal eine Exazerbation der
bei dem Patienten bestehenden Stirnhöhlen-. Siebbeineiterung, die
auch durch die anderwärts vorgenommene Operation bestätigt ist,
die chronischen Veränderungen in der Orbita verschlimmert, das In-
filtrat ist starker geworden. Zu einer Suppurierung des Infiltrats
ist es aber nicht gekommen, wahrscheinlich deshalb nicht, weil ein-
mal die organisierenien Vorgänge an dem periorbitalen und periostalen
Infiltrate einen erhölıten Schutz boten, andererseits weil die Infektion
wohl zufällig immer weniger virulent war. Diese Beobachtung be-
weist, ebenso wie besonders auch noch die nachfolgende von Fall
Eickert, wie resistent die Periorbita sich erweisen kann und wie
selbst unter so ungünstigen Verhältnissen kein gefährliches Fort-
schreiten einzutreten braucht. In solchen torpid-chronisch verlaufenden
Komplikationsfällen würde ja nahe liegen, zunächst einen Versuch zu
machen, durch endonasale Operationen, Infraktion der mittleren
Muschel, Ausräumung der infundibularen und frontalen Siebbeinzellen
und Spaltung der Stirnbucht etwas zu erreichen. Irgend eine Gefahr
ist ja nicht im Verzuge, also der Zeitverlust nicht bedenklich. Ge-
wöhnlich wird man aber so nicht auskommen, sondern am besten
gleich von aussen radikal operieren, schon um damit auch die
chronische Stirnhóhleneiterung zu heilen. Auch dieser Fall lehrt,
wie verschiedenartig die Verlaufsformen sein können. |
Bemerkenswert ist die Indolenz des Patienten gegenüber seinem
Leiden.
C. Fälle von Kieferhöhleneiterung mit orbitaler Komplikation,
1. Fälle von orbitaler Komplikation nach dentaler
Eiterung.
In den beiden folgenden Fällen handelte es sich um orbitale
Komplikationen nach dentalem Kieferhöhlenempyem, das ja, wie be-
kannt, viel mehr zur Komplikation neigt, als die nasalen Empyeme.
Der erste Fall ist bereits früher im Jahresbericht unserer Klinik
(Bürkner und Uffenorde, Arch. f. Ohrenhdk. 72, S. 73) mit-
geteilt. Der Verlauf war kurz folgender:
Fall XXV.
Berta Hesse, 23 Jahre alt, Dienstmädchen, Erbsen.
Nach Extraktion von zwei Zähnen, wobei vun Zahnarzt kein besonderer
Befund hinsichtlich. der Kieferhóhle oder eine event. Kommunikation erhoben
73] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 669
wurde, traten bei der Pat. starke Schmerzen in der linken Gesichtshälfte auf.
In der Nasenhöhle war bds. kein besonderer Befund erhoben, der mittlere
Nasengang war frei. Es wurde zunächst ein antiphlogistisches Pulver verordnet
mit Mundspülungen. Darauf hatten sich die Beschwerden gesteigert, und es
waren Erscheinungen seitens des Auges aufgetreten. Der um Rat gefragte
Augenarzt (Dr. Veith) konstatierte Doppeltsehen und eine beginnende Orbital-
phlegmone und überwies sie an uns.
Bericht von Dr. Veith 1. IX. 1906: „Links Exophthalmus, Doppeltsehen —
vor acht Tagen Extraktion von zwei Molarzähnen. Schmerzhaftigkeit am unteren
Orbitalrand, Verdickung. Ophthalmoskopisch: normal. Visus — 0,5 D. 5/,
Status praesens: In der Nase ist jetzt links wenig freier Eiter
sichtbar und zwar im unteren Nasengange. Der mittlere Nasengang ist frei.
Die Punktion der Kieferhóhle vom unteren Nasengange aus fórderte eine Menge
fötiden Eiters zutage. Es sind links oben 2 Molarzähne extrahiert, keine direkte
Kommunikation mit der Kieferhöhle. Pharynx und Epipharynx keinen besonderen
Befund. Am inneren unteren Orbitalrande fühlt man eine derbe Verdickung,
die schmerzhaft ist. Das untere Augenlid ist etwas geschwollen. Der Bulbus
ist etwas protundiert und nach oben und aussen disloziert. Der übrige Körper-
befund zeigt keine Besonderheiten.
Diagnose: Sinuitis Highmori cum osteoperiost. (dentalis). Phleg.
monis orbitalis. Exophthalmus. Dislocatio bulbi.
Therapie: Kieferhóhlentotalaufmeisselung nach Luc-Caldwell in
Chloroformnarkose.
8. IX. Operationsbericht: Die Schleimhaut der Kieferhóhle ist
stark geschwollen, schwammig. Nach gründlicher Säuberung der orbitalen Wand
der Höhle sieht man aus den hinteren Partien medialwärts aus der Orbita
Eiter hervorkommen, der sehr fötid ist. An der Stelle ist eine kleine steck-
nadelkopfgrosse Fistel sondierbar. Resektion’ des Orbitalbodens mit Schonung
des Canalis infraorbitalis. Die Periorbita ist mit Granulationen und Eiter be-
deckt: Keine freie Kommunikation zwischen den bciden leerstehenden Alveolen
links oben und der Kieferhóhle. Freilegung der Alveolen. Plastik nasalwárts
in der gewóhnlichen Weise ohne Inangriffnahqne der unteren Muschel. Beutel-
tamponade. |
. 98. XI. Endgültig entlassen. Der Bulbus hat sich ganz zuriickgebildet.
Keine Doppelbilder mehr. Die Kieferhöhle ist vollkommen ausgeheilt. Oral.
wärts Wunde geschlossen.
9. IX. Bericht von Dr. Veith: Kein Exophthalmus. Keine Doppelbilder.
Visus und Fundus oculi normal.
Epikrise: Trotzdem ein ganz sicherer Nachweis des dentalen
Ursprungs der Kieferhóhleneiterung nicht erbracht ist, muss man
doch den ätiologischen Zusammenhang annehmen. Die Nasenhöhle
zeigt keinen besonderen Befund. Statt nach der Anamnese anzu-
nehmen, dass unmittelbar nach der Zahnextraktion die Verschlimme-
rung der Eiterung auftrat, was sich in lebhaften Schmerzen äusserte,
wird man richtiger sagen müssen, die Schmerzen, als Ausdruck der
Retention des Eiters in der Kieferhöhle, und des sich vorbereitenden
orbitalen Durchbruchs, haben die Patientin zum Zahnarzt getrieben.
Da bei der Extraktion kein Eiter abgeflossen war oder irgend etwas
670 W. Uffenorde. "d
Besonderes bemerkt war, hielten wir die Schmerzen für Trigeminus-
irradiationen, wie sie ja nicht selten nach Zahnextraktionen vorkommen,
und verordneten zunächst ein narkotisches Mittel.
Über die Diaphanoskopie, die wahrscheinlich vorgenommen ist,
findet sich leider kein Befund in den Journalen. Der Befund wird
negativ gewesen sein. Erfahrungsgemäss ist ja der Durchleuchtungs-
befund keineswegs sicher, kann ja bei den wechselnden anatomischen
Verhältnissen gar nicht immer eindeutig sein. Aber während er bei
der Stirnhóhleneiterung kaum zu verwerten ist, kenne ich eine Reihe
von Fällen, wo die Durchleuchtung bei der Kieferhöhle ganz aus-
gesprochenen Befund ergab, so dass dieser eine willkommene Klärung
brachte. Bei der Kieferhöhleneiterung werden wir deshalb in frag-
lichen Fällen stets die Diaphanoskopie zu Hilfe nehmen und bei aus-
gesprochenen positiven Befunden auch darauf hin indizieren. Die bald
darauf entstehende Veränderung am Auge, Doppeltsehen und
Exophthalmus, trieb die Patientin zum Augenarzt, der sie uns über-
wies. Mit der vorhin gemachten Annahme, dass schon die ersten
Schmerzen auf den sich vorbereitenden orbitalen Einbruch hindeuteten,
stimmt der erhobene Befund am orbitalen Boden überein. Das peri-
orbitale Infiltrat war schon erweicht und eine Fistelbildung entstanden.
Entsprechend dem medialen Sitz der Veränderung war der Bulbus
nach oben und aussen disloziert und protundiert. Dass die Kiefer-
hóhleneiterung so latent verlaufen konnte, ist ja ansich erfahrungsgemäss
nicht auffällig, ausserdem hat wahrscheinlich eine Verschwellung des
Ostium maxillaremitgespielt. In diesem Falle hátte vielleicht die D esault-
Küstersche Operation genügt, aber ich würde doch auf alle Fille
immer die leicht herzustellende Plastik des unteren Nasengangs an
schliessen. Selbstverständlich wird man die untere Muschel besonders
in solchen Fällen in Ruhe lassen. Es freut mich, dass doch immer
mehr Stimmen laut werden, die zur Erhaltung der unteren Muschel
bei den Kieferhöhlenoperationen mahnen. Die Luc-Caldwellsche
Operation mit totalem, sauberstem Kürettement der gesamten Schleim-
haut, mit Erhaltung der unteren Muschel und primärer Naht, bei
geeigneten Fällen in Lokalanästhesie ausgeführt, ist m. E. die
ideale Operationsmethode, die den schwersten Verhältnissen gerecht
zu werden vermag. Ich wüsste kaum über irgend einen Misserfolg bei
einer grossen Zahl von Kieferhóhlenoperationen von uns zu berichten.
Die fortwáhrend noch zu beobachtende Neigung, neue Methoden zu er-
finden, was ja längst kaum noch möglich ist, ist mir nicht recht be-
greiflich. Ich kann mir diese erfinderische Vielgeschäftigkeit, die sich
immer noch gegen die arme Kieferhöhle richtet, nur so erklären,
dass die Grundbedingung der guten Prognose bei der Luc-Caldwell-
75] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 671
schen Methode, das sorgfältigste Kürettement der ganzen
Schleimhaut, besonders auch medial und oben, nicht
genügend berücksichtigt wird. Wenn das Siebbein irgendwie beteiligt
ist, greife ich es auch von der Kieferhöhle aus an. |
Der folgende Fall von dentalem Empyem zeigt sehr schwere Ver-
änderungen.
Fall XXVI.
Knoppe, Restaurateur, 32 Jahre alt, Alfeld, wurde uns von der Chirurgischen
Poliklinik überwiesen, wo ihm angeblich links oben ein krauker Zahn extrahiert
war. Seit 4 Wochen habe er über eine wechselnde Schwellung der linken
Wange zu klagen, die immer derber geworden war. Er habe mässige ziehende
Schmerzen und Spannungsgefühl in der linken Gesichtsseite verspürt.
Status praesens. Nase: Die ganze linke Wange ziemlich derb ge-
schwollen, ebenso das untere Augenlid. Eine deutliche Protrusio bulbi ist
nicht zu konstatieren. Der Augenhintergrund ist normal. Im Vestibulum oris
Schwellung der Gingiva und der gesamten vestibularen Schleimhaut. I. Molaris
extrahiert, die Alveole blutet noch. Keine Eiterabsonderung aus der Alveole.
In der Nase rechts kein besonderer Befund. (S. Abbildung 11, Taf. XXXI.) Links
ziemlich starke Schwellung der Muscheln. Auch nach Kokainspray ist die
Nase nicht deutlich zu übersehen. Viel dünnflüssiger jauchiger Eiter in der
Nase. Der übrige Körperbefund ergibt keinen besonderen Befund. Insbesondere
ist der Urin frei von Eiweiss und Zucker. Für eine überstandene syphilitische
Infektion ist kein Anhalt auffindbar. Eine im kel Hygienischen Institut vor-
genommene serologische Untersuchung nach Wassermann ergab negatives
Resultat.
Die Punktion der Kieferhóhle vom unteren Nasengang aus lóst beim
Durchspülen eine unangenehme Schmerzempfindung in der linken Wange aus,
auch nach der Orbita hin. Es wird blutig tingierter häufiger Eiter entleert.
Diagnose: Sinuitis Highmori cum osteoperiostit. sin. acuta (dentalis).
Phlegmonis orbitae et buccae.
Therapie: Totalaufmeisselung der Kieferhöhle nach Luc-Caldwell.
Operationsbericht: Operation in Chloroform-Morphiumnarkose.
9. VIL. 10. Weichteile im Vestibulum oris l. sehr geschwollen. Beim Ein-
schneiden der Vestibularis-Schleimhaut dringt fötider Eiter hervor. In der
Fossa canina ist ein kleiner etwa erbsengrosser Knochendefekt mit rauhen
Rändern nachweisbar. Die ganze Kieferhöhle wird von einer eigentiimlich
konsistenten dicken Schleimhautschwellung ausgefüllt, die sich strichweise mit
dem scharfen Löffel ausschälen lässt. Auf der Oberfläche der Schleimhaut
liegt eine nekrotische, ziemlich derbe, schmutzig gelbgraue Membran, die sich
in toto leicht herausziehen lässt. Der knöcherne Orbitalboden ist mehrfach
durchbrochen, fest adhärent an der verdickten granulierenden Periorbita. Auch
in der Tiefe ist der Knochan am Tuber maxillae durchbrochen, morsch.
Verödung der Alveole des extrahierten Zahns. Sorgfältiges Kürrettement der
Schleimhaut. Plastik nach dem unteren Nasengang hin. Beuteltamponade.
Aus dem Eiter wurde vom kgl. Hygienischen Institut Streptokokken und
Staphylococcus albus gezüchtet. Die mikroskopische Untersuchung der aus der
Kieferhóhle gewonnenen Schleimhaut ergab laut Bericht des kgl. Patholog.
Instituts: Starke Nekrose der Membran. Auch die übrigen untersuchten Teile
werden ohne Besonderheiten gefunden.
672 W. Uffenorde. [6
11. VIL Entfernung der Beuteltamponade.
20. VIL Täglich Spülung mit Hydrogeniumlösung. Die Abschwellung ist
auch vollständig. Entlassung zur ambulanten Behandlung. Granulations-
bildung gut.
15. VHI. Die Ausspūlung von der Nase aus fördert keine Sekrete mehr
heraus. Orale Wände nur noch spaltförmig.
30. VIII. Geheilt entlassen.
Epikrise: Die sehr schweren Veränderungen liessen an irgend
eine schwere allgemeine Dyskrasie denken, die ev. disponierend ätio-
logisch eine Rolle bei den schweren Knochenzerstörungen spielten. Aber
weder für Diabetes noch für Syphilis ergaben die einschlägigen Unter-
suchungen Anhaltspunkte. Weder die histologische noch die sero-
logische Untersuchung nach Wassermann ergab einen Befund.
Auch hier muss man mit aller Wahrscheinlichkeit ein dentales
Kieferhöhlenempyem annehmen, das ergibt sich ohne weiteres aus
dem Verlauf. Da die Patienten oft erst post extractionem ohne
genauere Angaben zu uns zu kommen pflegen, ist natürlich die er-
wünschte exakte Beurteilung hinsichtlich des Zahnbefundes nicht er-
reichbar.
Hier haben wir die orale Wunde offengehalten, um die Wan-
dungen wegen der Knochenveränderungen bei der Nachbehandlung
übersehen zu können. Die Befürchtung, dass sich noch Knochen-
teile später abstossen würden, hat sich nicht verwirklicht. Unter
Hydrogeniumlösungspülungen reinigte sich allmählich die Wundhöhle
in ein paar Wochen gänzlich. Die Bedeckung mit Granulationen
ging verhältnismässig schnell vonstatten, trotzdem ich einzelne
mobile Knochenplatten, die fest an der entzündlich veränderten Peri-
orbita hafteten, in situ gelassen hatte. Die Heilung war eine voll-
ständige.
2. Fall von orbitaler Komplikation nach rhinogener
Eiterung.
Fall XXVII.
Emma Eickert, 17 Jahre alt, Vater: Malermeister, Einbeck.
Anamnese: Seit 8 Tagen Influenza. Seit 4 Tagen Schwellung und
Schmerzen um das linke Auge; seitdem auch reichliche, übelriechende Schleim-
eiterabsonderung aus der linken Nasenseite. Pat. hat etwas gefroren, hat zu
Bett gelegen. Kein Schüttelfrost gehabt. Appetit gering. Schlechter Geschmack
im Munde. Pat. wird von der Augenklinik geschickt (s. Abb. 12, Taf. XXXL.
Diagnose: Ethmoiditis et sinuitis frontalis acuta cum osteoperiostit.
sin. Phlegmone orbitalis sin. Sinuitis maxillaris purul. acuta.
Therapie: Killiansche Stirnhóhlenoperation 1. (10. 1. 1911). Kiefer-
höhlenpunktion 1.
Nase und Rachen: In der linken Nasenseite reichlich Eiter im mittleren
Nasengange. Die Kieferspülung liefert reichlich äusserst fötide riechenden Eiter
14] Komplizierte Fálle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 673
zutage. Stirnhöhlenboden stark druckempfindlich. Rötung und Schwellung ober-
halb und unterhalb des linken Auges. Mässige Protrusio bulbi, leichte Dislokation
nach aussen. Schwellung des orbitalen Gewebes.
Bericht der Augenklinik:
9. I. 11. Litt in den letzten Tagen an Influenza. L. Protrusio bulbi.
Lidödem. Druckempfindlichkeit des Orbitalrandes und letzterer nicht scharf
begrenzt. Beiderseits Maculae corn.
Beiderseits — 4,0. S — 0,3. o — u.
Kehlkopf und Lungen: gesund.
Sonstiges: Herz und Unterleibsorgane o. B. Augenhintergrund normal.
Temperatur 389. Urin frei von krankhaften Beimengungen. Keine Motilitäts-
. oder Sensibilitátsstórungen. Reflexe erhalten. Hirnnerven frei, soweit zu prüfen.
Bulbus l. beweglich, aber etwas beschränkt.
10. I. 11. Operation in Chloroform-Morphiumnarkose.
Killiansche Stirnhóhlenoperation links. Aussere Weichteile der Orbita
und über Augenbrauen geschwollen, ódematós, nicht gerótet, ebenso Weichteile
der unteren Stirngegend leicht verdickt, besonders das vbere Augenlid innen
und oben ziemlich chemotisch. Knochen frei. Stirnhöhle mässig gross, mehr
nach rechts hinüber entwickelt, enthält rahmigen Eiter in mässigen Mengen,
der eigentümlicherweise nur aus dem unteren seitlichen Winkel unter mässigem
Druck hervorquillt. Besonders als von unten her der Stirnhöhlenboden ange-
griffen wird. Im Siebbein überall ziemlich starke Schleimhautschwellung, im
vorderen geringe Mengen freien rahmigen Eiters, im mittleren und
hinteren Siebbein Menge glasigen Schleims. Von den vorderen
Siebbeinzellen aus geht ein mässiger Rezessus lateralwärts über die Orbita
hin. Am Stirnhöhlenboden enge Verhältnisse, reichliche Spongiosa, weite Ent-
fernung des Stirnhóhlenbodens. Periorbita weist nirgends Verdick-
ungen auf, nirgends freier Eiter in der Orbita. Der Saccus lacrimalis ist
eigenartig speckig rot verdickt, rot derb, und nirgends war, soweit der Nach-
weis überhaupt móglich, ein Durchbruch nachweisbar. Jodoformgazetamponade.
Naht mit Aluminiumbronzedraht. |
12. I. 11. Abendtemperatur 38,59. Starke chemotische Schwellung und
Hótung des linken oberen Augenlides. Offnung des temporalen Wundwinkels.
Spülung der Operationshöhle mit H,0,-Lösung von der Nase aus, Tamponade,
feuchter Verband. Auch das rechte Auge ist verschwollen. Kieferhöhle enthält
fötiden Eiter.
14. I. 11. Gestrige Abendtemperatur 38,19. Heute Pat. fieberfrei. Täglich
Spülung der Stirnhöhle mit H,0,-Lösung, 2 mal tägl. feuchter Verband. Ziem-
lich reichliche Eiterabsonderung aus der Operationswunde, die an 2 Stellen
klafft. Das rechte Auge ist nur wenig mehr geschwollen und auch das linke
beginnt abzuschwellen.
16. I. 11. R. Auge vollkommen frei, Schwellung des l. bedeutend zurück.
gegangen. Pat. ist fieberfrei. Appetit und Allgemeinbefinden gut. Trockener
Verband.
18. I. 11. Das l. obere Augenlid ist nur noch wenig geschwollen. Ge-
ringe Wundabsonderung. Tägl. Nasen- und seit gestern auch Kieferhöhlenspülung,
die sehr viel fötiden Eiter liefert.
25. I. Die kleinen klaffenden Stellen an der Naht wieder geschlossen,
Narbe fast glatt. Orbitale Schwellung fast ganz zurückgegangen, blass. Keine
Empfindlichkeit mehr, keine Kopfschmerzen mehr. Bulbusbewegung 1. frei. In
674 W. Uffenorde. [18
der Kieferhöhle noch fötider dünnflüssiger Eiter. Bei der Ausspülung keine
Bewegung am Orbitalinhalt sichtbar. Appetit gut. Allgemeinbefinden gut.
31. I. Die Stirnhóhle ist ohne Sekret. Die Schwellung ist ganz zurück-
gegangen. Feste Narbe. Keine Beschwerden. Aus der Kieferhöhle links noch
immer jauchiges dünnflüssiges Sekret, starker Fötor, dicke Schleimhautschwellung.
Luc-Caldwellsche Totalaufmeisselung in Lokalanästhesie.
Operationsbericht: Bei der Ausspülung sehr viel fötider Eiter.
Äussere Weichteile nicht infiltriert. Knochen der Facies canina intakt. Haut-
schnitt in der Umschlagsfalte oberhalb der Prámolares. Typische breite Er.
óffnung von der Fossa canina aus. Schleimhaut sehr stark geschwollen, palatine
und jugale Bucht sehr ausgeprägt. Nach vollständigem Kürettement zeigt sich,
dass an dem hinteren Ende der orbitalen Wand ein zehnpfennigstückgrosser
Defekt besteht. Periorbita stark geschwollen. Bei Druck auf die Periorbita
quillt das Auge deutlich nach vorn vor. Grosse Lappenbildung aus unterer
Nasengangschleimhaut. Primäre Naht. 10. II. geheilt entlassen.
Epikrise: Hier ist die orbitale Komplikation ganz akut
nach einer influenzaartigen Allgemeinerkrankung mit Schnupfen auf-
getreten. Da die Affektion in der Orbita bereits vor mehreren Tagen
aufgetreten war, eine Protrusio mit Dislocatio bulbi, sehr profuse
Sekretion von jauchig fótidem Eiter mit Temperatursteigerung nach-
weisbar war, habe ich sofort radikal operiert.
Wir glaubten den Ausgangspunkt im Siebbein und der Stirnhóhle
suchen zu sollen. Da der Bulbus nach aussen disloziert war, musste
man eine besondere Beteiligung der medialen Orbitalpartien an-
nehmen und so auf eine Invasion vom vorderen Siebbein aus schliessen.
Der Saccus lacrimalis war eigenartig speckig rot verdickt, rigide,
ohne klinische Zeichen von Saccusempyem zu zeitigen. Im hinteren
Siebbein war das Sekret glasig-schleimig. Weder eine Fistelbildung
noch eine Periorbititis war bei der Stirnhóhlenoperation nachweisbar,
was sich bald erklären sollte. Die orbitale Schwellung nahm post
operationem noch zu, wobei natürlich der Unterbrechung von Gefäss-
wegen durch die Operation der wesentlichste Anteil zuzuschreiben ist.
Eine Schwellung der Lider, bisweilen auch leichte Protrusio bulbi,
bildet sich ja nach jeder Stirnhöhlenoperation, wenn auch an Inten-
sität wechselnd, aus. Da aber auch das ganze Gesicht und mehrere
regionäre Drüsen anschwellen, wurde der laterale Wundwinkel wieder
gelüftet, um eine wirksame Spülung der gesamten nasalen Wundhöble
mit Hydrogeniumlösung zu ermöglichen und dem phlegmonösen Prozess
zu begegnen. Unter feuchtem Verband gingen die entzündlichen Er-
scheinungen bald zurück.
Da die Sekretion aus der Kieferhöhle trotz täglicher, desodorierender
Spülung jauchig fötid blieb, die Schwellung der Schleimhaut der
Kieferhöhle stärker wurde, machten wir in Lokalanästhesie die
Totalaufmeisselung nach Luc-Caldwell. Wir mussten annehmen,
79] Komplizierte Fülle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 675
dass die Kieferhóhleneiterung für die orbitale Komplikation kausal
nicht in Frage kam, da niemals beim Ausspülen trotz des erforder-
lichen ziemlich hohen Drucks sich irgend eine Bewegung des Orbital-
inhaltes feststellen liess. Dass, falls die Kieferhóhleneiterung doch
anzuschuldigen gewesen wäre, die Fistelbildung hátte perfekt sein müssen,
war auzunehmen. Dabei war die orbitale Phlegmone fast ganz zurück-
gegangen. Die Operation nach Luc-Cald well belehrte uns eines
anderen. Die Höhle war fast vollkommen von Eiter und geschwollener
Schleimhaut ausgefüllt. In der hintersten Partie der oberen Fläche
der Kieferhöhlenwandung war ein 10 Pfg. Stück grosser Defekt nach
der Orbita hin nachweisbar, mit stark granulierender Periorbita.
Der Befund setzte uns in Erstaunen. Er lehrt uns auch, dass
wir bei Nichtauffinden eines Durchbruchs in der angeschuldigten
Höhle nicht ohne weiteres berechtigt sind, diesen auszuschliessen.
Wenn noch obendrein das Siebbein bei der ausgeführten Stirnhöhlen-
operation vernachlässigt ist, eine Kieferhöhlenexploration gar nicht
vorgenommen ist, wie das in vielen verwerteten Fällen der Literatur
der Fall ist — so ist eine falsche Beurteilung nach der sich ergeben-
den Statistik wahrscheinlich genug.
Andererseits geht daraus hervor, dass die orbitale Schwellung
trotz Fortbestehen der unangenehmen fötiden Eiterung der Kiefer-
höhle mit Propagation nach der Orbita nach Ausräumung von Sieb-
bein und Kieferhöhle zurückgehen kann. Das muss festgestellt werden.
Wenn es schon bei Supponierung der Toxintheorie auffallend er-
scheinen muss, dass eine Orbita, die ringsum von akut schwer eitrig-
entzündeten Nebenhöhlen umgeben ist, nicht auch Veränderungen im
Bulbus gezeitigt werden, so ist es aber noch besonders hervorzuheben,
dass trotz eitrig infizierter Periorbita und Fortdauer von für die weitere
Propagation günstigster Verhältnisse — starke Schleimhautschwellung
mit Retention fötiden Eiters in der Kieferhöhle — die orbitale
Schwellung nach der Stirnhöhlenoperation zurückging. |
Wiederum ein Beweis für die Resistenz des Periorbita. Die
orbitale Schwellung aber wird darnach zum grossen Teil mechanisch
durch Stauung bedingt sein. Im übrigen sind diese Fälle von
orbitaler Komplikation nachrhinogener Kieferhöhleneiterung recht selten.
D. Fall von chronischer Siebbein-Stirnhöhleneiterung mit Durch-
bruch nach aussen.
Fall XXVIII.
Herr N. N., 36 Jahre alt, Prokurist, Bremen.
Anamnese: 1902 Stirnhöhle r. operiert. Seitdem immer noch Eiter,
auch ab und zu Schmerzen umschrieb>n lokalisiert r. vor der Stirn. Vor
676 W. Uffenorde. [80
2 Jahren hier Siebbein endonasal operiert. Eiterung geringer, nur noch Borken,
bisweilen Aufflackern der Entzündung, mehr Sekretion. In der letzten Zeit
war die Siebbeingegend in der Nase glatt, ohne Sekretion. Seit 14 Tagen
hat der zu Hause weilende Pat. lebhafte Schmerzen r. vor der Stirn, hat
hohe Dosen Aspirin genommen, die Beschwerden werden nicht besser; plótzlich
seitl. r. Schwellung, dann seit gestern Eiter aus Fistel. Daraufhin kommt Pat.
wieder zur Behandlung.
Diagnose: Simuitis front. purulenta cum osteoperiost. Fistula
faciei sin.
Therapie: Modifizierte radikale Kuhntsche Aufmeisselung der Stirn-
hóhle und des Siebbeins.
Nase und Rachen: Nase |. o. B., r. mittlere Muschel etwas verdickt,
erhalten. Siebbein weit eröffnet, hoch hinauf, vorn. Schleimhaut blass, normal:
kein Eiter. Seitl. vor Stirn nahe am Schláfenrande kleine Fistel, die nach
innen und etwas nach unten führt. Granulationen darin, ‚wenig schleimiger
Eiter daraus hervorkommend. Starke Druckempfindlichkeit an "umschriebener
Stelle, etwa in der Mitte von 1. Operation herrührend breite Narben, der
alte Schnittwinkel n. suborbit. mit Weichteilen und darunter liegendem Knochen
über Nasenwurzel sehr eingezogen.
Kehlkopf und Lungen: Ohne wesentl. Bes.
Sonstiges: Cor. I. Ton an der Spitze etwas unrein, II. Pulmonalton
wenig akzentuiert. Nicht wesentlich verbreitert links. 1 cm innerhalb der
Mammillarlinie.
Urin frei. Abdomen frei. Heflexe frei. Augenhintergrund frei. Hirnnerven
frei. Keino Trochlearisláhmung, keine Doppelbilder.
Eine Róntgenaufnahme des Kopfes im occipitofrontalen Durchmesser (Prof.
Hess) ergibt, dass die rechte Stirnhóhle ganz dunkel ist, die Grenzen sind
nicht zu bestimmen.
27. IV. Modifizierte radikale Kuhntsche Operation der Stimhóhle und
des Siebbeins r. in Skopomorphin-Chloroformnarkose:
Operationsbericht: Aussere Weichteile vor der Stirn dick ge
schwollen, besonders lateralwärts. Fistelbildung nahe dem vorderen Schläfen-
rande. Nach Zurückklappen der geschwollenen Weichteile Freilegen der alten
Knochennarben, aus denen unter Druck an verschiedenen Stellen Eiter hervor-
tritt. Resektion des besonders medialwärts sehr stark verdickten Knochen-
lappens. In der medialwärts durch neueren ausgedehnten Spongiosierungs-
prozess (Callus) zwischen dem medialen Knochenlappenrande und der inneren
Stirnhöhlenwand abgeschlossenen Stirnhöhle ist mässig geschwollene Schleim-
haut mit dickem Eiter nachweisbar; in der Mitte ein die Höhle fast ab-
schliessendes horizontal gestelltes Septum. Parallel der äusseren Schläfenwand
erstreckt sich in die Tiefe bis zur Fissura orbitalis superior ein 3/, cm hoher
orbitaler Rezessus, der medialwärts sich stark verengt, indem die obere und
untere Wand fast zusammenliegen, sich etwa von der Mitte ab nach der
Nasenhóhle sich wieder öffne. — Vorn medial oben wird ausserdem ein
grosser abgeschlossener Hohlraum nachgewiesen, in dem sich eine geringe
Menge dicken, rahmigen Eiters findet. Totale Resektion der vorderen Stirn-
höhlenwand, Glättung der Ränder und vielen peripheren kleinen Septen und
Buchten der Höhle. Medialwärts unten wird eine Bulla frontalis aufgedeckt,
in der sich geschwollene Schleimhaut und Fiter nachweisen lässt: dabei wird
das dünne Septum nach der linksseitigen Stirnhöhle infrakturiert, und eine
81] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 677
alte Perforation der Schleimhaut gesetzt, was sich durch eine lebhaite Aspiration
nach der linken Nasenhöhle hin verrät. Durch die Perforation ist die Schleim-
haut der | Stirnhóhle aber normal zu erkennen. Wegen der grossen und
komplizierten Verhältnisse wird das obere Lid und: die obere Periorbita ganz
vom Knochen abgehoben, und das Knochendach der Augenhöhle in toto bis
nahe an die Fissura orbitalis sup. und den Canalis opticus reseziert. Im
restierenden Siebbein polypoide Schleimhautschwellung. Lamina papyracea
grósstenteils entfernt. Saubere Auswaschung der Hóhle. Tampon einmal nach
der Nase hin und zweitens aus der Fistel heraus für die gr. laterale Höhle,
Primäre Naht. Verband.
28. IV. Pat. ist ziemlich matt. Puls verhältnismässig gut, langsam, äqual,
etwas arhythmisch. Sehr viel gebrochen.
29. IV. Verbandwechsel. Herausziehen des Tampons aus der Nase und
Stirnhöhle-Siebbein. Doppelbilder beim Blick nach links. Koprostase. Rizinusöl.
Defäkation. Puls langsam, unregelmässig. 10 Tr. Digalen.
1. V. Aus Fistel Tampon entfernt, kommt viel klares Exsudat nach,
ausgedrückt.
4. V. Nähte entfernt. Neuer Tampon seitl. Die Doppelbilder sind bei
Blick in nächster Nähe, auch beim Blick geradeaus vorhanden (z. B. Blick
in Spiegel), in 1/,—1 cm Entfernung schon nur wenig angedeutet beim stark
links seitlichen Blick. Wohlbefinden, Appetit. Koprostase. Rizinusól. Steht
1 Stunde auf. Keine Kopfschmerzen.
12. V. Pat. klagt nach dem Aufstehen über Mattigkeit, Puls beschleunigt,
stark irregulär, aber äqual. Bettruhe.
20. V. Cor. gebessert, keine Irregularität mehr. Pepsin-Salzsäure. Kopro-
stase. Fistel geschlossen, kommt kein Eiter mehr heraus. Doppelbilder treten
nicht mehr auf, aber Wechsel. Appetit jetzt besser. In Nase 5% Arg.
nitric. spray.
24. V. Entlassen. Fistel fest verschlossen, eingezogen; gut vernarbt,
eingezogen. Ohne Empfindlichkeit und Reizung. Nase frei. 500 Arg. nitric.
Noch Schwäche, besonders morgens. Sieht oft ganz klar, dann wieder bei
Ermüdung, Aufregung etc. Doppelbilder, z. B. auch nach längerem Gehen.
Bei Funktionsprüfung, häufige Kniebeuge, zeigt die Herztätigkeit noch Ver-
änderungen. Leichte Irregularität aufweisend. An den Internen verwiesen.
2. VIII. Pat. fühlt sich wohl, hat angeblich nur noch selten Doppel-
bilder, und zwar bei starker Ermüdung. Keine Kopfschmerzen, keine Sekretion
mehr. Seitens des Herzens bestehen keine Beschwerden.
Epikrise: In diesen Fällen ist früher ausserhalb eine osteo-
plastische Operation, offenbar nach Brieger-Schönborn, zur
Heilung der chronischen Stirnhöhleneiterung ausgeführt. Wahrschein-
lich liess sich wegen der sehr grossen Stirnhöhle der Knochenlappen
nicht gut adaptieren, so dass er der medialen Stirnhöhlenwand auflag
und so mit dieser ausgedehnt zusammenwuchs. Es war bei der
letzten Operation nicht mehr festzustellen, wie weit die beiden
Knochenwände von vornherein adhärierten, oder wie weit erst später
durch Kallusbildung und entzündliche Vorgänge der Abschluss des
ganzen grösseren lateralen Teiles der Höhle zustande kam. Auf jeden
Fall konnten wir bei der Operation nachweisen, dass der Abschluss
Zeitsehrift für Laryngologie. Bd. III. H. 6. | 45
678 W. Uffenorde. [82
nahezu vollkommen war. Die vordere und hintere Wand waren
fest knóchern dureh starke Verdickung der vorderen Wand mit-
einander verwachsen. Die sehr weit lateralwarts bis an die Schläfe,
facies temporalis ossis frontalis, ausgedehnte Stirnhöhle erweiterte
sich gerade hier verhältnismässig stark, und zwar erstreckte sich
parallel der äusseren Schläfenwand ein fast 3/, em hohler orbitaler
Rezessus in die Tiefe bis zur Fissura orbitalis superior, der sich in
der Tiefe, hinter den miteinander verwachsenen Stirnhöhlenwänden
sehr verengt, indem die obere und die untere Wand fest zusammen-
lagen, um dann weiter medialwärts sich nach den Siebbeinzellen
hin wieder zu weiten, von denen aus sie ja gebildet waren. Dieser
Fall ähnelt hinsichtlich seiner Pathogenese nach dem Fall XXI.
Während aber in diesem Falle durch das ausgedehnte Zusammen-
wachsen der beiden Stirnhöhlenwände ein relatives Empyem in dem
lateral abgeschlossenen Hohlraum geschaffen wurde, kam dieser Ab-
schluss in jenem Falle durch die häufigen Kauterisationen am Sieb-
bein zustande. Dass es in dem vorliegenden Falle zum Durchbruch
nach vorn, durch die ziemlich dicke vordere Stirnhöhlenwand, kam,
in dem obigen aber von dem lateralen orbitalen Rezessus der Sieb-
beinzellen in die Orbita hinein geschah, ist wohl auf anatomische
und morphologische Zufälligkeiten zurückzuführen. Wir wissen ja
besonders von den interessanten Fällen von Kuhnt her (Deutsche
Medizin. Wochenschr. 1908, Nr. 38), dass bei eintretender Kompli-
kation nicht immer die Infektion durch die nachgiebigste Stelle sich
einen Weg nach den Nachbarorganen bahnt, sondern dass z. B. sogar
bei vorhandener Dehiszenzbildung auf der hinteren Stirnhöhlenwand
die Fistelbildung nach der Orbita hin vor sich gehen kann. Der
Durchbruch kam hier nach akuter Exazerbation der chronischen
Eiterung zustande, indem sich in der gewöhnlich zu beobachtenden
Weise unter unangenehmer Schmerzauslösung ein subperiostales In-
filtrat der vorderen Stirnhöhlenwand ausbildete, das dann bald sup-
purierte und dadurch die Fistelbildung hervorrief. Da die Erreger
ziemlich virulent waren, kam es zu den unangenehmen klinischen
Erscheinungen.
In diesem Falle konnte nur die zuerst von Kuhnt ausgeführte
radikalste Stirnhöhlenoperation mit Resektion des Recessus frontalis
des Oberkiefers und anschliessender Siebbeinausräumung in Frage
kommen. Die Kosmetik des Gesichts war schon durch die erste
Operation sehr beeinträchtigt, das genierte den Patienten nicht mehr
wesentlich. Er wollte vor allem endlich Heilung von seinem Leiden
haben, und diese konnte ich ihm nur nach der radikalen Methode
versprechen, da die Erhaltung einer Spange wegen der beschriebenen
83] Komplizierte Fülle von Nasennebenhdhlenerkrankung. 619
Verwachsung nicht móglich und auch zwecklos war. Auch die Ab-
sicht, eine temporäre Resektion mit späterer Spangenbildung zu
machen, musste ich aufgeben, da die Kallusbildung das verhinderte.
Pat. hatte lange Zeit Doppelbilder, was durch die Verlagerung des
Bulbus infolge des grossen Eingriffs zu erklären ist. Er hat all-
mählich gelernt, das Doppelbild auszuschliessen.
E. Fälle von chronischer Siebbein-Stirnhöhleneiterung mit
zerebraler Komplikation.
I. Fallvon extraduralem Abszess.
Fall XXIX.
Frieda Sieghan, 17 Jahre alt, Arbeiterin, Berensen bei Nérten.
Anamnese: Bekommt schlecht Luft durch die Nase, schlaft mit offenem
Munde. Heftige Kopfschmerzen, besonders abends vor der Stirn. Keine Hals-
schmerzen, Ohren frei von Beschwerden. — Während der poliklinischen Be-
handlung: Infraktion der mittleren Muschel. Punktion der Kieferhöhle rechts.
Bds. Stirnbucht gespalten. Proc. uncinatus entfernt. Kopfschmerzen r. bes.
in Stirngegend bleiben bestehen, werden angeblich unerträglich. Druckempfind-
lichkeit der vorderen Stirnhöhlenwand.
Nase und Rachen: Schörfe vorn in der Nase, rechts Eiterung aus dem
mittleren Nasengange. Nasenmuscheln geschwollen. L. Nase im wesentlichen
frei. Druckschmerz r. am Stirnhöhlenboden. Aus dem Epipharynx hängt dicker
graugelber Schleim herab. Starke Seitenstränge. Durchleuchtung ergibt bds.
ziemlich grosse Helligkeit, keine bes. Differenzierung.
Sonstiges: Herz und Lungen gesund. Augenhintergrund ohne Bes.
Urin frei von krankhaften Beimengungen. Hirnnerven frei. Im Abdomen keine
bes. Reflexe erhalten.
24. IV. Killiansche Stirnhóhlenoperation: Aussere Weichteile ohne
Bes. Nach Zurückschiebung der Weichteile und Furchung oberhalb der Spange
wird Dura mater freigelegt, die ziemlich wenig resistent erscheint. Im Sieb-
bein dick geschwollene Schleimhaut, bis an das Dach freigelegt und bis in
die Keilbeinhóhle. Lamina cribosa springt gegen die Nasenhöhle vor. Schädel-
basis z. T. entfernt. Dura mater anfangs als solche schwer zu erkennen.
Naht mit Jodoformgaze-Drainage oben aus seitlichem Wundwinkel heraus. Jodo-
formgazetamponade von Nase aus in die Siebbeinwunde. Verband.
Nach zwei Tagen Kopfschmerzen, Schwellung über dem Auge. Näht»
entfernt, Eiter auf Druck entfernt, lateraler Wundwinkel wird geöffnet, es kommt
eine Menge Eiter heraus. Untersuchung ergibt Pneumokokken, Streptokokken
und andere. Dura mater erscheint eingefallen gegenüber Knochenwand, epidural `
in grösserer Ausdehnung scheinbar Fiter, unter Pulsation kommt er immer
mehr hervor. Jodoformgazeverband. Temp. 38,2. Mattigkeit, kein Appetit.
Am folgenden Tage Ausspülung mit Hydrogeniumlösung. Dura mater
bedeckt sich mit Granulationen, liegt deutlich an zwei Stellen frei, pulsiert;
Eitermenge geringer. Jodoformgazeverband. Temp. 37,7. — Keine Kopfschmerzen
mehr. Weitere Spülung. Temp. 37,2. Allgemeinbefinden besser. Appetit besser.
45*
680 W. Uffenorde. [84
Immer mehr Granulationsbildung epidural. Sekretion sistiert. Nach 3 Tagen
Nähte unten entfernt, auch hier Schwellung einmal. Bei Druck auf Tränen-
sack wenig Eiter aus Tränenpunkten entfernt. Feuchte Verbände.
Nach 8 Tagen lassen wir die Wunde vor der Stirn sich schliessen,
Granulationen mit Lapis tuschiert. Schwellung auf unterem Teile geht zurück.
Allgemeinbefinden und Appetit sehr gut. Sekretion aus der Nase hat auf-
gehört.
20. V. Geheilt entlassen.
29. VI. Noch ab und zu Kopfschmerzen, auch über r. Auge noch Eiter
neben mittlerer Muschel r. 500 Arg. nitric. Narbe gut. Später Sistieren der
Sekretion. Ohne Beschwerden.
Epikrise: Dieser Fall zeigt, dass wir in jedem Falle vor der
Stirnhóhlenoperation am besten zur Orientierung über die Ausdeh-
nung der Hóhlen ein Hóntgogramm anfertigen sollten, worauf ja
auch von anderer Seite hingewiesen ist. Hier wie noch in einem
zweiten ganz ähnlichen Falle bestanden alle Kardinalsymptome der
- akuten Stirnhöhleneiterung, Klopfempfindlichkeit der vermeintlichen
vorderen Stirnhöhlenwand, Druckempfindlichkeit des medialen Stirn-
höhlenbodens, die stärker war als die Nervendruckempfindlichkeit;
Eiter aus mittlerem Nasengang und periodisch auftretende Stirnkopf-
schmerzen zu typischen Zeiten. Da wir leider keine eigene Röntgen-
einrichtung besitzen und immer eine andere Klinik darum angehen
müssen, so wurde, zumal die hier allerdings sehr trügerische Dia-
phanoskopie einen ziemlich grossen Helligkeitsbezirk erkennen liess,
daraufhin die Stirnhöhle in Angriff genommen, aber gänzlich ver-
misst. Während in dem einen Falle die Operation ohne Folgen für
die freigelegte Dura nach Ausräumung des Siebbeins verlief, kam
es in diesem zu einem extraduralen Abszess. Während einiger Tage
bestanden Temperaturen bis 38,29, Mattigkeit, Kopfschmerzen u. a.
Die Siebbeinentzündung hatte also beide Male die Stirnhóhlenaffektion
vorgetäuscht. Seit diesen Erfahrungen suchen wir uns stets vor der
Operation ein Róntgogramm zu verschaffen; in bezug auf die Aus-
dehnung der Hóhlen kann uns dieses nach allgemeiner Erfahrung
ja meistens orientieren.
Ich möchte hier nicht verschweigen, dass in ein paar Fällen,
wo differentialdiagnöstisch nicht ohne weiteres Klarheit zu erreichen
war, das Röntgogramm mit der ausgesprochenen Verschleierung der
affizierten Seite uns zur Operation ermunterte, deren Befund die
Deutung rechtfertigte.
85] Komplizierte Fälle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 681
IL Fall von Pachymeningitis purul. ext. Fall von Stirn-
hirnabszess und gleichzeitig bestehender Orbital-
= o phlegmone.
Fall XXX.
Paula Wippich, 19 Jahre alt, Hausmáüdchen, Góltingen.
Anamnese: Von der Augenklinik überwiesen. Seit 6 Tagen plötzlich
starke Kopfschmerzen, bes. vor der Stirn links. Auftreten von Schwellung
vor der Stirn links. Darauf Eisumschläge; sehr starke Kopfschmerzen. Auf-
nahme in der Augenklinik. Dort 3 Punktionen in die Orbita gemacht, ohne
Eiter zu finden. Der Fall wurde dann uns überwiesen.
Diagnose: Sinuitis front. cum osteoperiostit. chron. purul. Ethmoidilis
supp. chron. Rhinitis atrophica chron. c. ozaena. Phleginonis orbitae.
Therapie: Killiansche Stirmhöhlenoperation.
Befund der Nase: Bds. viel Eiter, Borken fótid. R. mittl. Nasengang
mässige Schwellung, 1. dicke polypoide Schwellung der mittleren Muschel.
Mittlerer Nasengang vollkommen verlegt. Untere Muschel mässig atrophisch.
Rachen: Schleimhaut z. T. trocken mit Borken belegt.
Kehlkopf und Lungen: Ohne Besonderheit. Orbitalinhalt ist stark ge-
schwollen, blau verfärbt. Ziemlich hochgradige Protrusio bulbi. Konjunktiva
des unteren Lides stark ödematös verdickt.
Sonstiges: Herz I. Ton nicht ganz rein, im übrigen nicht verbreitert,
keine Akzentuation des Il. Pulmonaltons. Nieren frei. Sensorium frei. Keine
Intelligenzstörung. Keine Sensibilitäts- oder Motilitütsstórung. Hirnnerven frei
bis auf die mássige Bewegungsstórung des l. Auges. Augenhintergrund frei.
Abdomen ohne krankhaften Befund.
12. VI. 09. Killiansche Stirnhöhlenoperation in Skopomorphin-Chloro-
form-Narkose.
Operationsbericht: Aussere Weichteile sehr dick infiltriert, sowie
in die Orbita wie auf Stirn übergreifend, bis zu 2—3 cm Dicke. Die Orien-
tierung hinsichtlich des oberen Orbitalrandes ist sehr erschwgrt, deshalb zu-
nächst Eingehen auf Proc. frontalis im unteren Schnittwinkel. Sehr starke
Blutung. Beim Eröffnen der endonasalen Räume zeigt sich zunächst dicke
polypoide Schwellung der Schleimhaut, beim weiteren Vordringen plötzlich
eine Menge rahmigen Eiters (Streptokokken-Reinkultur). Nach ausge-
dehnter Resektion der Lamina papyracea, des Trinenbeins, wobei auch dic
ganze laterale Umwandung der Apertura piriformis geopfert wird, zeigt sich,
dass von den vorderen Siebbeinzellen aus, 1!/, cm unter und hinter dem
Tränenbein ein Durchbruch nach der Orbita stattgefunden hat und entsprechend
auch eine Öffnung in der Periorbita sich fand. Die Periorbita war in dies^r
Gegend verdickt, mit Granulationen bedeckt. Im übrigen ist sie glatt, o. Bes.
Intraorbital kein Eiter sonst nachweisbar. Die Stimhöhle ist klein medial
gelegen, ausgefüllt von rahmigem Eiter. Die Schleimhaut erweist sich als
schmutziz grau verfärbt und kommuniziert mit dem ethmoidalen Eiterherd. —
Auswaschen mit Kochsalzlösung. Primäre Naht. Verband.
In den nächsten Tagen wird feuchter Verband gelegt, unter dem die
Schwellung zurückgeht. Kein Doppeltsehen. Keine Temperatur.
21. VI. Temperatur 37,2. Gestern und heute Kopfschmerzen über dem |.
Auge. Das l. obere Augenlid ist stark gerótet und geschwollen, nach oben
682 W. Uffenorde. [56
zirkumskript infiltriert, schmerzhaft. Die Naht ist nicht schmerzhaft bei Druck,
nicht gerótet. |
Zur Augenklinik verlegt. Hier ist die Abszessstelle inzidiert und drainiert.
Nach Angabe der Augenklinik ist am 24. VI. morgens Kopfschmerzen, Übel-
keit mit Erbrechen aufgetreten. Sensorium war immer frei. Die hinzugezogenen
Internen (Prof. Hess, Dr. Lichtwitz) verwiesen wieder auf uns.
25. VI. Die Schwellung des orbitalen Haltes war zurückgegangen, die
ophthalmologischerseits gemachte Inzision stand weit offen. Der Augenhinter-
grund war kaum verändert (kgl. Augenklinik). Da die Übelkeit und Erbrechen
und die Kopfschmerzen schlimmer wurden, schlugen wir ¿ofort eine Trepanation
des Stirnbeins vor.
Kopfschmerzen auf der l. Stimhálfte nach rechts deutlich abzugrenzen.
Keine Herdsymptome seitens des Zerebrum nachweisbar. Intellizenz erhalten.
Keine Nackensteife. Die Reflexe, Pupillar-Patellar erhalten. Kein Babin sk y.
Temp. 37,4. Puls 56.
Opcration abends 8 Uhr. Eröffnung der Schädelhöhle, Gehirnpunktion,
vorher Lumbalpunktion.
Operationsbericht: Schnitt in der alten Narbe. Von der augen;
ärzllicherseits gemachten orbitalen Inzision aus lässt sich der Knochen am
Orbitaldach sondieren, der ganz frei lieg. Mit der Hakensonde kann man
2 kleine Fistelbildungen sondieren. Aufdecken der Schädelhöhle entsprechend.
Es kommt sofort unter Druck eine geringe Menge Eiters hervor. Eine drei-
eckige A Stelle ist an der Dura intensiv gelb verfärbt, sonst Dura intakt,
glänzend. Inzision mit Preysingschen Messer, unter Pulsationen kommt
eine wenig getrübte, gallertige schleimige Masse hervor, auf Dilatation weiterer
starker Abfluss des immer mehr eiterig werdenden Sekretes. Bald stellen
sich die Pulsationen, die vorher an der Dura vermisst wurden, wieder her,
und aus der erweiterten Öffnung dringt immer mehr Sekret hervor. Mittelst
Austupfens wird die Hauptsekretmasse entfernt. Die Ausdehnung der schein-
bar ziemlich glattwandigen Höhle erweist sich als 6:5!/, cm Grösse. Um ein
weiteres Glasdrain einführen zu kónnen, wird die Duraóffnung noch medial
wärts erweitert, plötzlich starke Blutung aus einem grossen Piagefáss. Tamponade.
Verband. Eine Befestigungsnaht.
26. VI. Sensorium frei. Der Puls hat sich allmählich auf 64 vermehrt,
Appetit gut. Kein Kopfschmerz mehr. Verbandwechsel. Keine Temperatur.
Tampon auf dem blutenden Piagefäss belassen.
28. VI. Puls 72. Temp. 36,8. Wohlbefinden. Fortnahme alles Tampons,
plötzlich wieder Einsetzen einer starken Blutung aus dem Piagefäss. Erneute
Tamponade.
15. VII. Allmählich lässt sich die Tamponade ganz entfernen. Abgesehen
von mässigen Kopfschmerzen, die z. T. auf den Druck durch die Tamponade
wohl zurückzuführen waren, befindet sich die Pat. wohl. Die Abszesshöhle
granuliert gut, ist nur noch ca. 1 cm tief. In Äthernarkose werden die Wund-
rinder gelockert und Katgutnáhte gelegt. Aus dem vorderen Wundwinkel wird
ein Jodoformgazestreifen herausgeleitet.
27. VII. Wunde geschlossen. Die Pat. dauernd ausser Bett während der
letzten Tage. Fühlt sich wohl. Keine Doppelbilder.
3. VIII. Parulis links aufgetreten. Kieferhöhle frei. 11. Prämolaris krank.
17. VIII. Geheilt entlassen.
81] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 683
$7 IX. 09. Pat. kommt wieder mit Klage über heftige Kopfschmerzen,
Übelkeit und Erbrechen. Weder in äusserlich noch in der Nase oder seitens
des Zerebrum lässt sich ein besonderer Befund erheben. Das Auge ist frei.
Die Reflexe sind erhalten. Pat. will seit einigen Tagen sehr an Vergesslichkeit
leiden. Im übrigen zeigt sich keinerlei Intelligenzstórung.
Diagnose: Abscessus cerebri? Therapie Trepanation. Operation in
Chloroform-Morphiumnarkose.
Operationsbericht: Schnitt durch die alte Narbe, bis medial zur
freiliegenden Dura. ,Diese in Markstück-Grósse medial freiliegend. — Pulsation
fühlbar. Von dem Knochenrand nach oben einen Schnitt von 3—4 cm Lüngo.
Resektion der entsprechenden Knochenpartie nach Zurückschlagen des Weich-
teillappens. Die Dura wölbt sich entsprechend dem von der vorigen Operation,
herrührenden Defekt der Schädelkapsel umschrieben vor, fühlt sich sehr weich
an. Punktion o. B. Es wird nun vom lateralen Teil aus mit einer Pravaz-
Spritze, die einer langen Lumbalpunktionsnadel armiert ist, in die Tiefe vor-
gegangen, bis 5 cm in die Gehirnsubstanz; plötzlich wird dicker Eiter aspiriert.
Da das Preysingsche Messer unzulänglich, wird mit einem Skalpell die
Dura in 2 cm Länge gespalten, die Hirnsubstanz durchstochen. Da mit Peance
eine genügende Dilatation unmöglich, wird mit einem langen Glas-Drain ein—
gegangen, was anfangs Schwierigkeiten macht, durch leicht rotierende Bewegung
ermöglicht wird. Es steigt Eiter im Ulas-Drain auf, der mit Pravaz-Spritzq
abgesogen wird. Durch das Glas-Drain Einführung von schmaler gesäuinter
Jodoformgaze. — Verband.
29. IX. Verbandwechsel, Gaze durchnässt. Jodoformgaze-Drainrohr. Puls
gut. Temper. abends 38,1.
4. X. Täglich Verbandwechsel, wenig Sekret in Wundhöhle, Drainrohr.
Jodoformgazestreifen. — Puls gut, desgl. Temperatur.
9. X. Täglich Verbandwechsel, immer Drainrohr eingeführt. Befinden bis
heute gut. Keine Temperatur. Puls 80; etwas schlaff, aber regelmässig. Keine
Kopfschmerzen, Wohlbefinden, guten Appetit. Sekretion aus ‘der Wundhöhle
wurde geringer. — Plötzlich heute früh heftige Kopfschmerzen mit Übelkeit.
Pat. hat im Laufe des Morgens 2 mal gebrochen.
In Narkose Sondierung der Wundhóhle, bis 8 cm Tiefe; es entleert sich
zunächst wie auch bei früheren Verbandwechseln gelblich seröse Flüssigkeit,
dann getrübte, dickere, die mit kleineren Fléckchen von Eiter und zerfallener
Gebirnsubstanz durchsetzt ist. — Mit Kornzange wird der Kanal erweitert.
Jodoformgaze-Drainrohr. Verband.
10. X. Verbandwechsel, 8 cm langes Drain eingeschoben. Abszesshöhle
vorher ausgetupft. Sekretion gering. Hydrogenium eingeträufelt. Sehr starke
Kopfschmerzen am Morgen und angeblich während der Nacht. Nach dem
Verbande lassen die Kopfschmerzen wenig nach. Pat. würgt aber viel.
14. X. Während der Tage leidliches Befinden, keine Schmerzen, besserer
Appetit. Heute früh wieder heftiges Würgen, Erbrechen, sehr starke Kopf-
schmerzen. : Tägl. Verbandwechsel. Sonde dringt heute 10 em tief in die Abszess-
höhle ein; seröser Abfluss nach Herausziehen der Sonde. |
16. X. Die Tage her abends mehrfach Temp. von 38°. Immer heftige Kopf-
schmerzen, bis in der Gegend des Foramen magnum lokalisiert. Pat. etwas
desorientiert, aufgeregt. Abends 39,09. Schiittelfrost. Um 8/, Erbrechen,
Schwindel. Verbandwechsel.
654 W. Uffenorde. [S8
In der Tiefe Detritus-Massen, Blutkoagula. Drainrohr von 11 cm Länge
eingeschoben; sehr starker Liquor-Abfluss (Pulsation). Pat. wird nachts 1 Uhr
benommen. Temp. 41,6— 42,29.
17. X. 09. Exitus mittags 1,20 Uhr.
Patholog. anatomische Diagnose des kgl. Patholog. Instituts: Abszess im
linken hinteren Stirnhirn. Fistulóser Eiterkanal von der Spitze des L Stirn.
beins nach diesem Abszess. Nach hinten Kommunikation mit dem 3. Ventrikel.
Akute eiterige Meningitis.
Bericht der kgl. Augenklinik:
R. A. Ausserl. und ophthalm. normal. S — — 1,0 Deyl. < 0,8.
L. A. Das Oberlid ist stark geschwollen und gerótet, so dass es über
das Unterlid hinweghüngt. Der Bulbus ist vorgetrieben. Die Schwellung ist
druckempfindlich. Fluktuation nicht nachzuweisen. Es wird die Diagnose auf
einen periostalen Abszess gestellt. Ophthalm. nihil. Kornea und die anderen
brechenden Medien klar. S = 0,6.
11. VI. 09. Nach vorangegangener Untersuchung tiefe Inzision in die Urbita
hinein oberhalb des Bulbus. Kein Eiter.
11. VI. 09. Nach vergangener Untersuchung Verlegung in die Ohren-
klinik.
21. VI. 09. Wiederaufnahme: Längs des oberen Randes der Orbita
verläuft eine genähte Operationswunde von ca. 10 cm Länge. Das Lid ist
noch bedeutend stärker angeschwollen, gerötet; man fühlt deutliche Fluktuation
In Narkose wird ein tiefer Einschnitt parallel dem Orbitalrand gemacht, es
entleert sich eine Menge dickflüssigen Eiters. Tamponade mit Jodoformgaze.
Fw. Verband.
22. VI. 09. Die Schwellung hat nachgelassen, noch geringe Eiter-
absonderung.
23. VI. 09. Pat. klagt viel über Kopfschmerzen. Kein Fieber.
24. VI. 09. Mehrfaches heftiges Erbrechen. Keine Temperaturerhöhung.
Pulsverlangsamung. Verdacht auf Meningitis oder Hirnabszess. Im Urin wenig
Albumen!
3. VIII. 09. Pat. wird noch einmal aus der Ohrenklinik geschickt, in
der sie wegen Hirnabszess operiert ist. Das linke Auge ist frei beweglich,
sonst normal. L. S = 0,8.
Epikrise: Kurz gefasst handelt es sich in diesem Falle um
folgendes: Von der bei der Patientin bestehenden Rhinitis atrophica
cum Ozaena aus entstand eine Stirnhéhlensiebbeineiterung. Es kam
zu einer Empyembildung im vorderen Siebbein, welches dann die
orbitale Komplikation nach sich zog. Der Durchbruch nach der
Orbita war deutlich an der gewóhnlichen Stelle der vorderen Lamina
papyracea nachweisbar, ebenso die periorbitale Granulations- und
Eiterbildung. Die Periorbita war zum Teil durchbrochen. Nach kurz-
dauernder Besserung der orbitalen Phlegmone unter feuchtem Ver-
bande bildete sich ein Abszess in dem oberen Lid. Wenige Tage
spáter traten deutliche Hirnreizsymptome auf, wie Kopfschmerzen,
mit paroxysmenartigen Attacken, Übelkeit mit Erbrechen, Temperatur
37,49, Puls 50—56, die uns die Annahme eines bestehenden extra-
89] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 685
duralen Abszesses des l. Stirnhirns, wahrscheinlich kombiniert- mit
Gehirnabszess, machen liessen. Diese Annahme wurde durch den
Nachweis des rauhen Knochens in der Tiefe des Lidabszesses bei
der Operation noch unterstützt: Die Operation deckte den vermuteten
extraduralen und Stirnhirnabszess, der sehr gross war, auf. Ausser-
dem war das Bindeglied, ein umschriebener subduraler-
Abszess nachweisbar, der der intensiv gelb verfärbten scharf um-
schriebenen dreieckigen Durapartie entsprach. Die Dura war in dieser
Partie ganz glatt, spiegelnd und nicht durchbrochen, genau so wie
ich es schon einmal bei einer schweren otogenen Gehirnkomplikation
gesehen und beschrieben habe (Uffenorde,; Verh. d. D. Otol. Ges.
Heidelberg 1908, S. 240). Diese endokraniellen Veránderungen waren
gewiss schon älteren Datums, doch kaum älter als 4 Wochen, da
erst seitdem die ersten orbitalen Erscheinungen datierten. Ziemlich
bald nach Entstehung der orbitalen Phlegmone wird die Infektion
nach oben vorgedrungen sein, die Pachymeningitis externa: gesetzt
. haben, nach deren Suppuration der extradurale Abszess sich bildete.
Von hier aus entstand die subdurale Eiterung, die den Subarachnoidal-
raum erreichte, ein grösseres Piagefäss infizierte, dessen Ausbreitungs-
bezirk in der Marksubstanz durch die auftretende Ernährungss‘örung
und rückläufige Infektion von der thrombophlebitisch veränderten
Piavene aus eitrig eingeschmolzen wurde (vergl. Uffenorde, Ein
Fall von Kleinhirnabszess usw. Arch. f. Ohrenhkd. 67, 179). Von
der endokraniellen Eiterung aus kam es dann am 21. VI. zu einer
Reinfektion der Orbita. Deshalb konnte auch der Knochen in der
Tiefe des Orbitalabszesses, der wohl das Septum orbitale durchbrochen
hatte, mit der Sonde ohne weiteres nachgewiesen werden. An zwei
Stellen hakte man mit der Hakensonde ein. `
Die Stirnhöhle kann hier nicht in Frage kommen, weil sie ganz
klein, mehr als Bulla frontalis einer Siebbeinzelle entwickelt, ganz
medial gelegen war.
Das Interessante an dem Falle ist also hinsichtlich der Patho-
genese der verschiedenen Komplikationen, dass von dem Siebbein-
empyem aus an der gewöhnlichen Stelle eine orbitale Phlegmone
mit Protusio bulbi entstand, und von dieser Phlegmone aus weiter
der extradurale, subdurale und zerebrale Abszess sich entwickeln
konnte. Später, nach fistulösem Durchbruch an der unteren wand
kam es zur Reinfektion des orbitalen Inhalts.
Der Hirnabszess heilte verhältnismässig rasch aus, und zwar in
18 Tagen. Ich möchte hier noch einmal auf die schon an. anderer
Stelle (Uffenorde, Verhandl. d. Deutschen Otol. Ges. Heidelberg
1908, S. 232) empfohlenen weiten Glasdrains verweisen, durch die
686 W. Uffenorde. [90
hindurch schmale gesäumte Jodoformgaze tamponiert wird. Nach-
dem ich eine grössere Reihe von Gehirnabszessfällen damit behandelt
habe, bin ich immer mehr von ihrem Nutzen überzeugt. Die Drai-
nage ist dadurch denkbar gut gesichert, die Applikation relativ leicht,
die Säuberung durch Auskochen erleichtert, die Hirnprolapsbildung
wird dadurch fast ganz vermieden u. a. m. Übrigens sind später
auch chirurgischerseits dieselben Drainagen mit Glasdrains und durch-
geschobenem Jodoformgazedocht z. B. bei der Behandlung der Peri-
tonitis empfohlen (Internat. Kongress in Budapest 1909).
Leider war der Erfolg der Heilung nur von kurzer Dauer. Nach-
dem das Mädchen zwei Monate beschwerdefrei und definitiv geheilt
schien, traten hier wiederum ziemlich unzweideutige zerebrale Sym-
ptome auf. Ein weiterer Beweis, dass man bei Beurteilung der
Heilung von Gehirnabszessen vorsichtig sein muss und nicht zu
eilig mit der Mitteilung sein darf. Bei der Operation liess sich die
Vermutung, dass wieder ein Stirnhirnabszess vorläge, bestätigen. Der
Abszess sass auffallend tief, erst bei einer Punktion von 5 cm Tiefe
kamen wir auf den ziemlich grossen Abszess. Offenbar war von
dem 1. Abszess ein tiefsitzender Rezessus abgeschnürt, der nach
längerer Latenz sich nun manifestierte.e Wir benutzen für unsere
Hirnpunktionen mit gutem Erfolge eine Rekordspritze, die mit einer
6—' em langen und 11/, mm weiten Kanüle armiert ist. Ich glaube
nicht, dass die Gefahr, man kónne dadurch leichter einmal einen
Abszess durch Verschleppung von Infektionsmaterial von der Ober-
flache in die Tiefe setzen, zu hoch eingeschátzt werden darf, sicher
ist man davor auch nicht durch die Punktion mit dem Skalpell
bewahrt, wie wir in einem Falle erfahren haben. Die Orientierung
ist aber zweifellos mittelst der Spritze mit der weiten Kanüle er-
leichtert, da man bei vorhandenem Eiter diesen auch immer aspirieren
wird. Auf jeden Fall ziehe ich eine derartige Spritze dem Skalpell
mit nachfolgender Dilatation — auf diese kommt es dabei ja in
erster Linie mit an — besonders in fraglichen Fällen vor. Hier war
der Vorteil sehr evident. Ebenso bewährten sich die Glasdrains
sehr gut, da mit anderen Mitteln die Drainierung wegen der Tiefe
der unveränderten darüberliegenden Hirnsubstanz schwer zu er-
reichen war.
Trotz aller Bemühungen war aber die enzephalitische Erweichung
nicht aufzuhalten. Warum die Infektion progredient blieb, ist schwer
zu sagen. Ich möchte aber hervorheben, dass nicht etwa die langen
Glasdrains, die zuletzt 11 cm lang gewählt werden mussten, daran
schuld sein konnten, etwa durch den Druck auf das Enzephalon
nach hinten bei Rückenlage der Patientin. Gewiss hat dieser Um-
91] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 687
stand die Drainage an sich erschwert, aber die Glasdrains schweben
dadurch ganz frei in der Tiefe der Abszesshöhle, dass es durch die
kurze Abbiegung am proximalen Ende des Drains möglich wird,
durch untergelegte Gaze die Länge des einzuführenden distalen Endes
abzumessen. Auch die von anderer Seite entgegnete Reizung durch
das Glas auf die Rindensubstanz, die es zu passieren hat, ist, m. E.
nicht zu befürchten. Sie ist sicherlich geringer als bei Jödoformgaze,
wo noch ein chemischer Reiz zu dem mechanischen hinzutritt. Im
übrigen ist die reaktive Granulationsbildung auch an der Rinde kaum
von Nachteil. Schliesslich brach der Abszess in den 3. Ventrikel durch,
was sich klinisch deutlich manifestierte, und sehr bald trat unter
foudroyanten meningitischen Erscheinungen der Exitus letalis ein.
Bemerkenswert ist die terminale Temperatur von 42,29. Solche Ven-
trikeldurchbrüche sind auch von Hansberg und Weichsel-
baum gesehen. E
III. Fall von Osteomyelitis des Stirnhirns. Orbitale
Phlegmone. Pachy-Leptomeningitis. Thrombose der
Arteria meningae media. Septicümie.
Fall XXXI.
Karl Redecker, 23 Jahre alt, Zigarrenmacher, Bünde i. W.
Pat. gibt an, seit 14 Tagen ständig Kopfschmerzen von 10 Uhr morgens
bis 4—5 Uhr nachmittags gehabt zu haben. Hat früher schon oft Schnupfen
gehabt. Sonst nicht krank gewesen. Nie bettlägerig gewesen. Vor 5 Tagen
konnte Pat. morgens mit dem L Auge nicht mehr sehen. Am folgenden Tage
Schwellung des Auges, vorher starke Kopfschmerzen, die mit dem Stärker-
werden der Augenschwellung sich noch verschlimmerten. Gestern und vor-
gestern hat Pat. mehrere Male erbrochen. Ist schwindelig und taumelt hin
und her. Pat. hat wiederholt stark gefroren. Er hat zunächst die Augenklinik
konsultiert und ist von dort uns überwiesen.
Status praesens: Hh. Nase ohne Besonderheiten, |. im mittleren
Nasengang sehr viel Eiter. Keine polypoide Schwellung. Rachen zeigt ge-
ringe Rötung und Schwellung, Kehlkopf und Lungen frei, Herz ohne Bes.
Bauchorgane ohne nachweisbare Veränderungen. Urin frei. Keine Motilitäts-
oder Sensibilitätsstörungen. Reflexe erhalten (s. Abb. 13, Taf. XXX),
Ophthalmologischer Befund: Untersuchung des Fundus nicht
möglich, weil die Lider wegen hochgradiger Schmerzhaftigkeit nicht geöffnet
werden können. Pat. zählt l. Finger in 1 m Entfernung, Projektion ist richtig.
Entzündliches Ödem des Oberlides. Geringe Protrusio bulbi l.
R. normale Verhältnisse. Puls 68, etwas irregulär, Temp. 39,3. Starke
"Schmerzen im Hinterkopf. Hirnnerven bis auf die Fixation des Bulbus frei.
Der | Bulbus steht fast vollkommen fest. M. Rectus internus zeigt cine
geringe Bewegung. Starkes konujnktivales und palpebrales Ödem. Pupillenrsaktion
l. etwas träger als r. Das obere Lid ist stark infiltriert, gerötet und deckt
den Bulbus vollkommen. Das Lid ist sehr rigide, chemotisch. Geruchsver-
mögen fehlt l. Rechts erhalten.
68 W. Uffenorde. [92
Erweiterte Kulintsche Radikaloperation der Stimhöhle und des Sieb-
beins in Chloroformnarkose.
Operationsbericht: Äussere Weichteile geschwollen, Knochen ohne
Bes. Bei Eröffnung der Stirnhöhle tritt unter starkem Druck schwarz ver-
färbtes übelriechendes Sekret hervor. Die Stirnhöhle ist mässig lateralwärts,
mehr mit einzelnen Septen nach oben und medialwärts, besonders nach der
anderen Seite hinüber ausgebildet. Die Schleimhaut ist sehr verändert, nur
mässig geschwollen, aber grösstenteils übel schmutzig verfärbt und lässt ‚sich
leicht in toto von der Unterlage abziehen. Medialwärts ist ejne Bulla frontalis
von einer Siebbeinzelle sehr gross ausgebildet; diese wie die von hieraus
leicht zu eröffnende Stirnhöhle r., die mittelgross ausgebildet ist, enthält stärker
geschwollene Schleimhaut und fötiden Eiter. Kürettement und Erweiterung
des Zugangs zu der kontralateralen Nasenhóhle. Das gesamte Siebbein einschl.
Keilbeinhöhle mit etwa 3 mm hohen weit lateralwärts, fast bis zur Schlafe
sich erstreckenden lateralen orbitalen Rezessus enthalten in derselben Weise
geschwollene Schleimhaut und übel grün verfärbten jauchigen Eiter. Bemerkens-
wert ist noch, dass am Boden der Stirnhóhle eine Menge kleiner Sieb.
beinzellen ausgebildet ist. Vordere Hälfte der Lamina papyracea entfernt.
Nirgends ist ein Durchbruch zu sehen. Periorbita entsprechend glatt. Wegen
der morphologischen Verhältnisse wird nun die zunächst erhaltene Spange
geopfert. Es zeigt sich, dass die Periorbita der oberen Wand in der Mitte
bes. lateralwärts verdickt und übel gelbgrau bis schwarz verfärbt ist. Auch
epiperiorbital freier Eiter nachweisbar, der in derselben Weise jauchig ver-
ändert ist. Die Periorbita ist weich, und man kann ohne weiteres mit einer
stumpfen Hakensonde in sie eindringen. Entsprechend der ausgedehnten Rezessus-
bildung, deren Boden total entfernt wird, ist die Veränderung der Periorbita
bis in.die Nähe des Optikuskanals nachweisbar. Eine ausgesprochene Fistel-
bildung der unteren Stirnhöhlenwand ist aber nicht nachweisbar gewesen.
Wohl kann man einzelne erweiterte Gefässkanäle sehen. Der Nervus supra-
orbitalis wird mit Peance herausgezogen. Ausspülung der Wundhöhle mit
Hydrogeniumlösung, Naht der Wundränder, bis auf den lateralen Wundwinkel,
aus denen die Tamponadestreifen z. T. herausgeleitet werden; ebenso Tamponade
der unteren Stirnhöhle und des Siebbeins nach der Nase.
Am 12. VIII. Pat. hat wenig erbrochen. Früh 7 Uhr Schüttelfrost. Seit
letzter Nacht übelriechende Durchfälle von schwärzlicher Färbung. Pat. klagt
sehr über Kopfschmerzen im Hinterkopf, Sensorium frei. Feuchter Borsäure-
verband auf die Wundgegend.
Am 13. VII. Freilegung der Dura. Puls kaum fühlbar, eine Spritze
Digalen. Einmal Kampfer.
Operationsbericht: Entfernung der Nähte, Ausspülung der Wund-
hóhle. Freilegung der Dura der vorderen Schádelgrube. Die Dura pulsiert
und zeigt keine Veränderung. Kochsalzinfulsion 700 g.
Augenuntersuchung von Prof. Schieck: R. A. Papille gerötet, Grenzen
nach oben und unten unscharf. Venen schr stark gestaut; entlang den Venen
nach oben und unten zu ist die Netzhaut in der Ausdehnung von zwei
Papillendurchmessern trübe. Die Gegend der physiologischen Exkavation ist
durch eine Wolke verschleiert.
L. A. Papille stärker gerötet als rechts. In der physiologischen Ex-
kavation liegt ein trübes Exsudat. Die Venen sind zu dicken, dunkel gefärbten
und geschlängelten Strängen angeschwollen. Eine Netzhauttrübung schiebt sich
93] Komplizierte Fälle von: Nasennebenhöhlenerkrankung. 689
entlang der grösseren Gefässe vorwärts. Die nasale und temporale Papillen-
grenze ist noch angedeutet sichtbar, die Begrenzung nach oben und unten
vollständig verloren gegangen. Auch tauchen die Gefässe teilweise in der
Trübung unter. Man sieht deutlich, dass das Gewebe der Papille und Netz-
haut in unmittelbarer Nachbarschaft der grösseren Grefässe geschwollen ist.
Orbitalphlegmone gebessert, weniger rot, Runzelung der áusseren Haut, feuchter
Verband. Dreimal Kampfer, Marsala. Puls bleibt den ganzen Tag schlecht.
Sehr frequent. Jaktationen. Kein Erbrechen mehr. Reflexe erhalten. Kein
Stuhlgang mehr. Keine Nackensteifigkeit. Abends Amaurose beiderseits. Nachts
12 Uhr Sprachverlust, bis dahin hat Pat. fortwährend geschrieen. Jetzt Be-
wegung des Kopfes sehr schmerzhaft. i
Am 14. VIII. morgens 61/, Uhr Exitus letalis. |
Sektion am 15. VIII. 1910. 8!/, Uhr a. M. (Dr. Rumpel). Kgl. patholog.
Institut.
Kräftige männliche jugendliche Leiche. Allgemeine Totenstarre. Toten-
flecke in den abschüssigen Teilen. Unterhautfettgewebe gut entwickelt. Musku-
latur kräftig, braunrot. Es findet sich vom inneren Augenwinkel nach abwärts
eine 4 cm lange bis in die Gegend der Nasolabialfurche reichende genähte,
etwas verklebte, reizlose Operationswunde, von deren oberen Ende ein 6 cm
langer bogenförmiger in der Mitte der linken Augenbraue verlaufender klaffender
Operationsschnitt geht. ‘Am oberen Augenlid in der Mitte findet sich eine
grünlich verfärbte, eingefallene, verdünnte, 1 cm breite, 11/, cm hohe Stelle, von
der Operationswunde aus führt zu letzterer eine Abszesshóhle. In der Wunde
fotider Eiter. Unter der Kopfschwarte in der Gegend der Operationswunde
findet sich eine etwa 51/, cm breite, 2 cm hohe mit grünlich schwarzen
und gelben Belägen versehene rauhe Wundflüche, nach oben durch einen 2 cm
breiten normalen Abschnitt getrennt eine flache, etwas granulierende, 11/, cm
im Durchmesser betragende rundlich ovale Wundfläche. Derselben entspricht
am Schädeldach eine rauhe, ebenso grosse Stelle. In dem Stirnbein, von der
Aufmeisselungsstelle nach oben bis beinahe zur l. Koronarnaht, r. fingerbreit
über die Mitte reichend ist die Diploe etwas weniger durchsichtig, von grünlich-
gelber Farbe. Auf dem Schnitt durch das Stirnbein findet sich eine grün-
gelbe Verfärbung und Erfüllung der Knochenmarkhöhlen mit fötidem Eiter.
An der ‚Unterfläche des linken Stirnlappens nahe der Spitze 3 flach-
grubige, gelblich verfärbte, mit Eiter bedeckte, ca. 4 mm im Durchmesser grosse
rundtishe Herde ohne makroskopisch sichtbare Kontinuität untereinander. An
der Spitze des 1. Stirnlappens 3 cm von der medialen Fissur entfernt extra-
dural ebensolche Herde. Dieselben Herde auch nach rückwärts über die Mediane
reichend. Die l. A. meningea med. prall gefüllt, nahe der Medianlinie schwarz
verfärbt, beim Einschnitt entleert sich mit Blut gemischter fötider Eiter. Im
Sinus longitudinalis sup. Leichengerinsel. Serosa sonst, abgesehen von etwas
Injektion im 1. Stirnlappen ohne Bes. Durainnenfläche glatt und spiegelnd.
Weiche Häute zart. In der Nähe der Medianspalte in der Gegend des Scheitel-
lappens eigentümlich gelbliches Ödem der Sulci. Daselbst fötider Gestank.
An der Innenfläche der Dura der l. Hemisphäre, entsprechend der Oberfläche
des Stirnhirns eine sulzige, gelblich zähe, von der Dura abstreifbare Membran.
Pia und Arachnoidea der l. Hemisphäre im Bereich des Stirnlappens 3 cm
oberhalb der Spitze desselben, l. von der Medianlinie 4 cm lang, eiterig, gelb-
lich infiltriert. Daselbst findet sich eine etwa dreimarkstückgrosse, flache Im-
pression an der Oberfläche des Gehirns. An der Unterfläche dasselbe bräunlich-
690 W. Uffenorde. [94
gelbe Ódem der Sulci in einem 4 cm langen Streifen urer. An der Schädel-
basis auf dem Clivus eine gelblichrötliche schleimig-schmierige, ziemlich durch-
sichtige, gut abstreifbare Membran. Im r. Sinus transversus kurz vor der
Umbiegungsstelle in den Sinus sigmoideus ein kleiner Thrombus. In der 1.
Fossa sylvii längs der Gefässe oberflächlich eigentümlich gelbe Infiltration
der weichen Häute. Die beiden Hemisphären in der Medianspalte miteinander
verklebt. Im l. Seitenventrikel sehr wenig klare wässerige Flüssigkeit. Ependym
glatt, zart. Substanz des Gehirns ziemlich weich und blutreich.
Halsorgane, Lungen, Trachea, Ösophagus ohne wesentl. Bes.
Am Epikard einzelne Petechien, der Herzmuskel von einzelnen gelblichen
Streifen durchzogen. Herz etwas grösser als die Faust. Leber überragt den
r. Rippenbogen um 4 Querfinger, verdeckt den Magen vollkommen (35: 32: 10 cm).
Milz gross; Kapsel gespannt (18:8: 4!1/, cm). Darm zeigt Stauungshy perümie.
L. Niere blutreicher als die r. Am |. Nierenbecken Petechien.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Status nach Kuhnt-
scher Radikaloperation von linksseitiger eiteriger Sinuitis front. und linksseitiger
Orbitalphlegmone. Eiterige Osteomyelitis des l. Stirnbeins. Abszesse unter
der Galea und extradurale Abszesse daselbst. Jauchigeiterige akute Lepto-
meningitis. Hochgradige Fettleber. Myodegeneratio adiposa cordis. Septischer
Milztumor.
Klinische Diagnose: Phlegmonis orbital. post Sinuit. front. purul.
et ethmoiditis cum osteoperiostite. Septicopyämie. Thrombophlebit. ven. oph-
thalm. et sin. cavernos. (?). Leptomenigitis purul. acuta. Stauungspapille bes.
Amaurosis. Enteritis purul.
Epikrise: Ein weiterer lehrreicher Fall von Osteomyelitis
des Stirnbeins bei einem 23 jahrigen Manne. Die dabei im allge-
meinen in Betracht kommenden Momente sind in den bekannten
Arbeiten von Schilling, Guisez, Luc und Roepke aus-
giebig erórtert und finden sich bei Gerber (Komplikationen der
Stirnhóhlenentzündung, 1908) ausführlich wiedergegeben. Dieser
Autor záhlt 29 Falle von Osteomyelitis auf.
In unserem Falle bestätigen sich die gewonnenen Erkenntnisse
in pathogenetischer Hinsicht. Der Patient hat an einer alten
Stirnhöhlen - Siebbeinzelleneiterung gelitten. Durch einen frischen
Schnupfen ist es zur Exazerbation derselben und Retention des
Eiters infolge starker Schleimhautschwellung in den Hohlräumen ge-
kommen. Nun ist scheinbar ziemlich gleichzeitig auf dem Wege
der perforierenden Diploevenen eine Infektion der Diploe und auch
der Augenhöhle entstanden. 5 Tage vor der Aufnahme hat sich die
orbitale Beteiligung durch das Auftreten von Schwellung manifestiert.
Diese machte nun die Diagnose der osteomyelitischen Beteiligung
des Stirnbeins ziemlich unmöglich, zumal die vordere Stirnhöhlen-
wand weder besondere Schwellung noch Empfindlichkeit zeigte. Auch
bei der Operation konnte an dem Knochen kein besonders auffälliger
Befund, weder Eiter noch morsche Beschaffenheit, konstatiert werden,
was darauf schliessen lässt, dass die Infektion ziemlich frischen
95] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 691
Datums war; sie war ganz entsprechend dem rapiden Verlauf von
sehr virulenten Streptokokken induziert. Bemerkenswert ist in patho-
genetischer Hinsicht, dass der Prozess bis zur Haargrenze in der
Diploe des Stirnbeins fortgekrochen war, um dort oben erst durch
die perforierenden Diploegefässe einwärts vorzudringen und die
Meningen zu infizieren. Es war zu einer ausgedehnten subduralen
Eiterung und umschriebenen Meningitis mit nachfolgender Generali-
sierung im Subarachnoidalraum gekommen. Die A. meningea media
war ausgedehnt thrombosiert. Das Ganze stellt eine sehr heftige
Infektion dar. Die hochgradige Fettleber, der septische Milztumor
deuten auf die schwere allgemeine Überschwemmung mit Entzün-
dungserregern hin.
Wir hatten wegen der auftretenden Amaurose an eine Kaver-
nosusthrombose gedacht, die aber durch die Autopsie ausgeschlossen
wurde. Eine Trepanation der vorderen Schädelhöhle deckte normale
Duraverhältnisse auf, was durch die Nekropsie aufgeklärt wurde.
Die sich inzwischen ausbildenden endokraniellen Prozesse sind ja
viel höher von der Gegend des Tuber frontale aus gebildet. Auch
ein weitgehender Eingriff würde kaum zur Zeit der Einlieferung
noch Nutzen haben bringen können; schon zwei Tage später trat
der Exitus ein. In den letzten Stunden erst wurde Schwinden des
Bewusstseins, Jaktationen, totale Amaurose und zuletzt Sprachverlust
beobachtet. Ätiologisch kommen also speziell auch für den osteo-
myelitischen Prozess Eiterretention und sehr virulente Erreger in
Frage; weder ein Eingriff noch ein Trauma ging vorher.
F, Fall von Septikopyämie nach akuter Kieferhöhleneiterung.
Fall XXXII.
Reinhold Rühter, 21 Jahre alt, Verwaltungsgehiilfe, Dringenburg bei
Warburg.
Kieferhóhle vor 2 Jahren, auswürts angeblich wegen Oberkieferzyste
operiert hat ófters wieder Anschwellung gehabt und ist angeblich dreimal wieder
inzwischen ein Einschnitt gemacht worden. Pat. klagt über Kopfschmerzen
vor der Stim 1. Am 7. Oktober ds. Js. Probespülung der Kieferhóhle in unserer
Poliklinik; es entleert sich trotz starken Drucks der Ingramspritze nasalwärts
nichts, aus der Kanüle selbst tropfen sofort einige Kubikzentimeter einer
serösen, blutig gefärbten Flüssigkeit. Pat. verreiste am 8. Oktober mittags
und bekam angeblich am 9. Oktober morgens einen sehr starken Schüttelfrost
mit Anschwellung und Rötung der rechten Backe. Hat sich zu Bett gelegt,
angeblich mit hohem Fieber, bis 10. Oktober nachmittags; kam dann abends
in unsere Klinik zurück. Am 11. Oktober morgens 39,6. Keine Kopfschmerzen,
kein Schwindel, keine Übelkeit und Erbrechen.
Status praesens: Gesicht: Die Gegend der rechten Kieferhöhle hoch-
rot geschwollen, die Augenlider wenig ödematös, das untere stärker als das
GG W. Uffencrde. [46
obere. bi; Par.- rwieten Na-e und For. iefraorbsalns barter infiltniert und
am *'arksen drirkempinnch Die SXenw-nung uras-te nach aussen die
Bake bus zur (sand. parstıkea. Letztere nich: ergenfen. Gingiva des r.
Oberkiefers bochrot. Etwas dun.flis-iger. fiockizer Ener beginn: beim Er-
heben det Lippe abzuliessn. Der Durchbruch scheint eben eingetreten zu
win, OGG zwar unter starkem Drock. Rechte Pharynxseite wenig gerötet,
kaum geschwollen.
Am harten Gaumen woibte sich die rechte vordere Partie in etwa 2 Bohnea-
grüsse vor, ohne Schwe.iung und Rötung zu zeigen. mit normaler Schleimhaut,
ohne Empfindlichkeit, deszleirhen zeigte sich die Kirferböhle nacn der Nase
zu erheblich erweitert. Anu-biezung der lateralen Nasenwand etwas nach innen
und oben vom Nasenboden. Die Vorwölbung in den unteren Nasengang ist
etwa bohnengross. Beiderseits zeigt die Nasenhohle im übrigen keine Be-
sonderheiten: mittlerer Nasengang ist weit frei; keine entzündliche Erscheinung
oder Schwellung. Epipharynx frei; ebenso Kehlkopf und Lunge ohne Be-
«onderbeiten.
Herz in normalen Grenzen. Erster Ton etwas unrein, sonst Tone frei;
Aktion. sehr beschleunigt. Im übrigen Bauchorgane ohne nachweisbare Ver-
änderung. Hirnnerven frei, Senssrium frei. Keine Sensibilitats- oder Motilitats-
storung. Reflexe von mittlerer Intensität. Urin frei. Temperatur 40,2. Puls
140— 150.
Diagnose: Sinuitis Highmort acuta inflammatoria. Aus dem Eiter
der Kieferhöhle wurden Streptokokken in Reinkultur gezüchtet. Kgl. Hygienisches
Institut.)
Am 11. X. Operation. Breite Eröffnung der r. Kieferhöhle, Weichteile
im Vestibulum oris über der r. Kieferhöhle sehr stark geschwollen, hochrot,
druckempfindlich. Längsschnitt über den rechten Oberkieferzähnen. Einbrechen
und Entfernen einer knöchernen Lamelle. Glättung der Ränder; in der Kiefer-
hóhle findet sich eine flockige seröse, etwas gelblich gefärbte Flüssigkeit.
Austupfen derselben. Die Wandung der Höhle ist vollständig glatt, blass,
nirgends Rauhigkeit. Ausspülen mit Hydrogenium. Kochsalz. Jodoformgaze-
Tamponage. Abends Schwellung, Rötung und Schmerzhaftigkeit des 1]. Hodens
und Nebenhodens. Keine Kopfschmerzen. Temp. 39,8. Puls gut. Gut gefüllt
und gespannt. Hochlagerung des Hodens. Eis.
14. X. Tägl. Verbandwechsel. Wenig Absonderung. Jodoformgazestreifen.
Kein Fötor. Temp. in den Tagen wechselnd. Puls immer gut. 90—120. Kühle
Packungen. Eisblase auf den Kopf. Hodenschwellung hat etwas zugenommen.
leichte Fluktuation. (Serös) Eisblase. Weiter Hochlagerung. Nachts 40, sehr
stark phantasiert. Wollte immer aus dem Bett. Musste von 3 Personen gehalten
werden. Morph. 0,01. Hierauf Ruhe. Vorher Veronal ohne Erfolg. Schwellung
der Backe ganz zurückgegangen, kaum noch zu sehen. Desgleichen die Rötung.
Auch die infiltrierte Partie geschwunden. Nicht mehr empfindlich. Ödem der
Lider ganz zurückgegangen. Auf dem Oberlid Herpes-Bläschen. Ebenso am
weichen Gaumen zwischen Uvula und Gaumenbogen mehrere zu sehen, die
heute mehr eiterig werden. Sonst Hals frei. Die r. seitlichen Halsdrüsen
etwas geschwollen. Blutentnahme aus der Mediana zu Blutagarmischplatten.
16. X. abends. In Bouillon Staphylokokken. Platten ohne Wachstum.
Weisse Blutkörperchen sehr zahlreich. In der Nacht sehr unruhig gewesen.
Morph. 0,01. Temperatur früh gestern 40,6. Chinin 2,0. Abends Temp. 38,5.
Puls gut. Etwas weicher. 90—100. Dreimal täglich 1 cem Digalen, Wein.
A
97] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 693
Appetit leidlich. Weiter Eisblase auf die etwas stärker werdende Hoden-
schwellung. Nach Chinin gestern Abend heftiges Ohrensausen, Rauschen, Schwer-
hörigkeit. Kopf angeblich etwas benommen; keine Übelkeit, kein Erbrechen,
keine Kofschmerzen. Nase immer frei. Urin in reichlicher Menge.
17. X. Pat. hatte gestern Nachmittag 3 Uhr wieder 40, war aber klarer
als die Tage zuvor. Puls hielt sich nach Digalen gut. Der r. Arm ist etwas
steif. Muskeln schmerzhaft. Gelenke scheinbar frei, Bewegungen ohne Be-
schwerden.
* Am 17. abends 39,9. Puls 110. Am rechten Ellbogen Rötung und Schwel-
lung entsprechend dem oberen Rezessus; feuchter Verband in Schiene. Hoden-
schwellung etwas flacher. Hochlagerung in feuchtwarmer Packung.
Am 19. X. Temp. fällt allmählich ab, 38,5—37,5. Befinden leidlich.
Weiter Digalen. Die Rötung und Schwellung am r. Ellbogen nicht weiter
fortgeschritten. Heftpflasterstreifen. Eine neue infiltrierte gerótete Partie über
dem |. Handgelenk. Hodenschwellung wieder etwas zurückgegangen. Überall
feuchtwarme Verbände. Verdauung gut. Appetit gut. Urin frei. Nachts noch
unruhig. Wechselnde Mattigkeit. Dreimal 8 Tropfen Digalen.
Am 21. Befinden schlechter. Pat. sehr ängstlich; 37,0. Puls 80. Schwel-
lung am Handgelenk und Ellbogen besser, desgleichen Hoden, klagt über
Schmerzen. Feuchtwarme Verbände. |
Am 23. Puls gut, Temp. 30,9. Subjektiv besseres Befinden. Abends 39,
Hodenschwellung wieder stärker, schmerzhaft.
Am 24. Temp. 37—38,7. Hodenschwellung noch stärker und Erweichung.
Nachmittags Inzision (Privatdozent Dr. Creite, kgl. Chirurg. Klinik), Drain.
Verband. Es entleeren sich etwa 50 ccm stinkenden braunrötlich verfärbten
Fiters (bakteriologische Untersuchung: Streptokokken). Darauf nachts starker
Schweissausbruch, Temp. 36,8—37. Wohlbefinden. Schwellung am Abend viel
besser. Linkes Handgelenk frei. Kieferhöhle wird täglich ausgespült und ver-
bunden. Ohne Besonderheiten.
Am 26. Pat. fühlt sich subjektiv nicht wohl. Puls gut. Temp. 37.
Hat starke Schmerzen am Hoden. Verbandwechsel. Reichliche fötide Sekretion.
Die Geschwulst verkleinert sich zuschends.
Am 4. XL. Schwellung am r. Arm, die nach unten weiter gegangen war.
Wieder gebessert; heute fast ganz zurückgegangen. Dagegen eine neue Schwel-
lung am Schultergelenk. Feuchter Verband. Sekretion am Hoden nachgelassen.
Appetit sehr gut, keinerlei Beschwerden. Puls 72. Temp. 36,5—37,2. Die
Schnittöffnung heilt zu. Pat. steht seit 2 Tagen kurze Zeit auf, Wohlbefinden,
Sekretion der Kieferhöhle ist ganz geringfügig. Die Öffnung in Fossa canina
wird offen gehalten.
Am 8. XI. Schwellung am Untergelenk noch etwa taubeneigross. Feuchter
Verband. Wohlbefinden.
Am 19. XI. Luc-Caldwell rechts in Lokalanästhesie. Weichteile
im Vestibulum noch mässig geschwollen. Schleimhaut der Kieferhöhle, die
nachweisbar keine Kommunikation mit der Nasenhöhle hat, zeigt unregelmässig
geschwollene Schleimhaut mit Eiter. Sie ist überall erweitert, vor allen Dingen
fällt ein grosser Recessus palatinus auf. Plastik nach dem unteren Nasengang,
sorgfältiges Kürettement. Primäre Naht.
Am 1. ZIL Pat. wird entlassen, Wohlbefinden. Keine Sekretion aus der
Kieferhóhle.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. lil. H, 6. 46
601 W. Uffenorde. [93
Am 15. J. 11. Pat. zeigt sich wieder. Gibt an, immer noch etwas Sekret
aus der or. Kieferhohle bemerkt zu haben: es findet sich kleine Fistel im
Vestibulum oris, aus der Eiter. hervorkommt.. Sonst. Wohlbefinden, keinerlei
Beschwerden. Spülung.
Epikrise: Diese schwere Streptokokken-Septikopyämie stellt
eine sehr seltene Komplikation von einer Nasennebenhöhle, besonders
aber von der Kieferhöhle aus dar. Der Patient kam mit den Sym-
ptomen einer akuten Kieferhöhlenentzündung zu uns. Da er vor
2 Jahren noch dazu bereits wegen Kieferhöhlenzvste auswärts operiert
war, und in der Zwischenzeit öfter wieder Anschwellungen der linken
Wange aufgetreten waren, so war dieser Verdacht noch gesteigert
worden. Die Punktion, lege artis gemacht, zeigte, dass das Ostium
der Kieferhóhle verlegt war. Wir mussten nun annehmen, dass bei der
ersten Operation in ungenügender Weise die zystisch geradezu verödete
Kieferhöhle nur von der Fossa canina aus eröffnet, und nur der In-
halt wie auch bei den späteren Eingriffen jeweilig abgelassen worden
war. Die wahrscheinlich paradentäre, follikuläre Kieferzyste war sehr
ausgebildet und hatte das Lumen der Kieferhöhle vollkommen verödet.
Zwei grosse Rezessus kamen auch noch auf Rechnung der sich er-
weiternden Zahnzyste. Es lag also wieder eine Füllung der Zyste vor,
die serösen Inhalt hatte. Trotz einwandfreien Punktionsinstrumen-
tariums kam es offenbar durch den Eingriff zur Infektion. Schon
11/, Tage später trat ein heftiger Schüttelfrost auf. Bei einer Kontinua
von 39,5—40,6° während 8 Tagen bildeten sich Metastasen an rechter
Schulter, rechtem Ellenbogen und linker Hand, Dermatomykosen
und abszedierende Verschleppungen am Hoden links. Während aus
dem Blute Staphylokokken gezüchtet worden sind (Kgl. medizinische
Klinik), wurden im Abszesseiter aus der Kieferhöhle und aus der
Hodenmetastase Streptokokken nachgewiesen. Es hat sich wohl um
eine Mischinfektion mit beiden Bakterienarten gehandelt. Wie ich das
öfter auch bei meinen Untersuchungen über die otische Allgemein-
infektion gesehen habe, war der Streptokokkus zurzeit nicht nach-
weisbar. Die schwere Allgemeininfektion ist wohl von der Wangen-
phlegmone aus entstanden, die im Anschlusse an die Punktion auf-
trat. In der Fossa canina wurde ein kleiner knöcherner Defekt von
der 1. Operation her bei der Inzision nachgewiesen. Dagegen blieb
die übrige Kieferhöhlenschleimhaut ziemlich frei. Auch bei der nach
Ausheilung der Allgemeininfektion zur definitiven Beseitigung des
Kieferhöhlenleidens vorgenommenen Luc-Caldwellschen Opera-
tion konnte keine Kommunikation zwischen Kieferhöhle und Nasen-
höhle nachgewiesen werden.
Der Fall erinnert an den Hajekschen Fall von schwerer All-
gemeininfektion nach Kieferhéhlenpurktion (Verhandl. der Deutsch.
99]. Komplizierte Fille von Nasennebenhóhlenerkrankung. 95
Laryngol. Ges. Dresden 1907, S. 163) Hier war aber die Nadel
bei der Punktion der Kieferhóhle in die Wangenweichteile einge-
drungen, und diese durch den Eiter der Kieferhóhle infiziert worden.
In unserem Falle dagezen hatte die Nadel die spáter infizierten Weich-
teile sicher nicht erreicht, aber vielleicht hat der Druck niit dem
Gummiballon, den der Kollege wegen der Undurchgangigkeit nach
der Nase hin naturgemáss etwas stürker angewandt hatte, als man
es gewóhnlich zu tun pflegt, eine auslósende Rolle gespielt. Berück-
sichtigen muss man auch, dass ein infektióser Prozess wiederholt
in den vestibularen Weichteilen gespielt hatte. Denn wie der Patient
angab, hatte er nach der ersten, auswärts gemachten Kieferhöhlen-
operation auch wiederholt stärkere Anschwellungen der Wangen-
teile beobachtet. Von der infizierten Wangenschleimhaut aus waren
sofort die regionären Drüsen sehr lebhaft infiltriert.
Ich habe leider den Fall nur teilweise beobachten können.
Histologische Untersuchungen sind unterlassen worden.
G. Fall von rhinogener Tuberkulose des Tränengangapparates
mit Durchbruch nach aussen.
Fall XXXIII.
Anna Benning, 22 Jahre alt, Haustochter, Bredenborn bei Höxter.
Anamnese: Pat. ist wegen Tränensackeiterung rechts mehrmals ohne
Erfolg operiert; jetzt Fistel, im inneren Augenwinkel Eiter. Aus der Nase
sollen sich ab und zu Eitermengen mit schwarzen Borken entfernt haben.
Pat. klagt über Kopfschmerzen. Ist sehr elend. Hat alle möglichen anämischen
Beschwerden.
Diagnose: Ethmoiditis supp. Tuberculosis.
Therapie: Operation von aussen.
Nase und Rachen: Auf der r. Nasenseite in der Tränensackgegend eine
Eiter sezernierende Wunde mit blutenden, granulösen Rändern. Orbita ohne
wesentliche Schwellung, Bulbus ohne Veränderungen, frei beweglich.
Sonstiges: Herz nicht verbreitert, 1. Ton etwas unrein, Lunge frei;
über der l. Spitze unbestimmtes Atmen. Urin frei von krankhaften Beimengungen.
Hirnnerven frei. Augenhintergrund frei, keine Motilitäts- oder Sensibilitäts-
störung. Keine Störung der Reflexe. Im Abdomen koprostatische Verhärtungen
fühlbar. Sputum ohne Befund. Histologische Untersuchung der Granulationen
ergibt Tuberkulose.
16 VI. 08. Temp. 38,4. Uffenordesche Operation r.
Schnitt in medialer Augenbraue durch Fistel nach unten mehr lateralwürts.
Knochen, Os lacrimale durchbrochen, rauhe Rander Granulationen ringsum. Das
Siebbein ganz von polypoider Schwellung der Siebbeinshaut durchsetzt. Stirn-
héhle gross, boch, tief. Boden eröffnet, Schleimhaut hier wenig verdickt,
sonst o. Bes. Mittlere Muschel mit entfernt. Profuse Blutung trotz Tamponade.
Fistelränder wieder exzidiert. Naht hier schwer ausführbar, Verzerrung der
Augenlider, da die Naht die Lider mitfassen muss. Die ganze Siebbein- und
46°
696 WW. Uffenorde. [100
Keilbeinhöhle eröffnet. Grosser Teil vom Lamina papyracea mit entfernt. Kiefer.
höhle wenig vorn oben eröffnet. Ohne Bes.
17. VI. Pat. fühlt sich noch matt, hat viel erbrochen. Temperatur 37,0.
Tampon entfernt.
18. VI. Verbandwechsel, Gaze entfernt. Nur sehr geringe Kopfschmerzen.
— Befinden und Appetit viel besser. Temp. 36,5.
24. VI. Nähte entfernt. Die Naht vom 20. VI. ausgerissen, kleine klaffende
Wunde. Salbe um Granulation anzuregen. Ohne Temperatur. Wohlbefinden.
29. VI. Naht sieht gut aus. Die klaffende Wunde verkleinert sich.
Ungt. basilicum.
1. VII. Wunde fast geschlossen.
10. VII. Nach Hause entlassen. Jodoform-Behandlung empfohlen, soll
nach 14 Tagen wieder kommen. Noch kleine Fistel. Kauterisation der Fistel.
28. VII. Fistel fest verschlossen, gut. — Innere Nase frei; wenig Sekret
— 50 Arg. nitric.
Nachdem Pat. ein halbes Jahr zu Hause war, kam sie wieder mit der
Angabe, sie würe sehr elend geworden, habe immer Kopfschmerzen, besonders
vor der rechten Stirn. Pat. machte einen sehr matten Eindruck. Appetit
missig. Es wird ein Versuch mit einer Tuberkulinkur gemacht. Zunächst
vertrigt die Pat. die Kur, die mit allen Kautelen eingeleitet wird, ganz gut,
es wird Neutuberkulin benützt. Die Narbe im inneren Augenwinkel reagiert
nach jeder Spritze und rótet sich. Bei 3/,, mg treten dann unangenehme
Reaktionen auf, ganz unregelmüssig und z. T. bis 39,59, die gar nicht, trotz
sehr vorsichtiger Dosierung und ganz allmühlichen Vorgehens, zu vermeiden
sind. Dann treten wührend acht Tagen immer Erbrechen (plótzlich einsetzendes,
scheinbar zerebrales, ohne vorhergehende Übelkeit) auf. Eine gründliche All-
gemeinuntersuchung vermochte bis auf eine schwere Anämie keinen Befund
zu erheben.
Da die Pat. sehr auf eine Operation drängte, und das Erbrechen auf eine
Progredienz des Prozesses auf das Endokranium hindeutete, entschlossen wir
uns dieses zu Öffnen.
1. Il. Operation. Bericht: In den eröffneten vorderen Siebbeinräumen
liegt Eiter. Geringe Schleimhautschwellung. Keine Karies, keine Knochenarrosion
nachweisbar.
9. II. Wechselndes Befinden. Erbrechen zunächst sistiert. Temp. und
Puls ohne Bes. Vorn und am Septum sind Granulationen aufgeschossen. Die
histologische Untersuchung ergibt Tuberkulose.
27. Il. Äussere Wunde geheilt. Steht wechselnd auf. Eine am Fuss
aufgetretene Wunde macht auch tuberkulösen Eindruck und zeigt keine Heil-
tendenz. Feuchter Verband. Entlassen.
Nach uns gewordener Mitteilung ging es Pat. immer schlechter, sie kann
nicht mehr ausser Bett sein.
Epikrise: In diesem schweren Falle von Tuberkulose wurde
wiederholt augenärztlicherseits der entzündete Tränensack in An-
griff genommen, aber ohne Erfolg. Erst die breite Aufdeckung und
histologische Untersuchung deckte die larvierte Tuberkulose auf. Der
Fall erinnert an die von Hinsberg (Über Augenerkrankungen
bei Tuberkulose etc., Zeitschr. f. Ohrenheilkd. 39, S. 224) mitgeteilten
Fälle 4 und 5, wo es sich auch um Mädchen und Frauen handelte.
101] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 097
Während in Hinsbergs Fällen aber immer schon eine weitere
Ausbreitung des Prozesses, wie er nach dem Befunde annehmen muss,
vom Tränennasengang aus zustande gekommen ist, hat Seifert
(Verh. d. Süddeutsch. Laryngol., Heidelberg 1899) 5 Fälle mit iso- `
lierter tuberkulöser Tränensackerkrankung zusammenstellen können.
Auch in unserem Falle handelte es sich zunächst ganz zweifellos
um eine auf den Tränengangapparat umschriebene Tuberkulose.
Wie ich in Erfahrung gebracht habe, hat die systematische, histo-
logische Untersuchung exzidierter Tränensäcke seitens ‚einer Augen-
klinik einen sehr hohen Prozentsatz von Tuberkulose ganz allgemein
ergeben. Unter der Behandlung, mehrere Monate später, nachdem
eine Tuberkulinkur lange Zeit gemacht worden war, schossen tuber-
kulöse Granulationen in der unteren Nasenhöhle auf. Die äussere
Haut blieb ganz verschont. Ohne dafür sichere Symptome anführen
zu können, glaube ich doch, dass auch endokraniell-tuberkulöse Pro-
zesse sich entwickelt hatten. Die Prognose erwies sich immer mehr
als sehr trübe.
Auf die von Seifert beobachteten und von Hinsberg sub 3a
zusammengefassten Fälle will ich hier nicht weiter eingehen. In
diesen handelt es sich um Augenaffektionen entzündlicher Art durch
den Sekretreiz ohne spezifische Natur bei Nasentuberkulose Wir
könnten hier eine grössere Zahl einschlägiger Fälle hinzufügen.
In einem anderen Falle, wo der Tränensack exzidiert war und
wegen lupöser Nasenveränderung von uns Tuberkulininjektionen ge-
macht wurden, reagierte jedes Mal die glatte Narbe und Umgebung
sehr ausgesprochen.
H. Fälle von Tumoren des Siebbeins mit orbitaler Komplikation.
I. Osteom des Siebbeins. Orbitale Phlegmone. Habituelles
Lidemphysem.
Schliesslich möchte ich noch einige Fälle von Tumor der Nasen-
nebenhöhle mit orbitaler und zerebraler Komplikation hier anfügen,
die manches Interessante bieten. Zunächst ein sehr komplizierter
Fall von Osteom des Siebbeins.
Fall XXXIV.
Karl Grüneberg, 29 Jahre alt, Waldarbeiter aus Lonau (llarzi, wurde uns
am 10. VII. 09 von der kgl. Augenklinik in die Poliklinik geschickt. Wr gab an,
vor 3 Jahren zum ersten Male vorübergehende Anschwellung des rechten
Oberlides gehabt zu haben, die nach Schneuzen auftrat. Sie kam später häufiger
zur Entstehung. Die Veränderung hat keine Beschwerden gemacht, sie wurde
vom Arzt als Emphysem gedeutet. Sie hat einmal deutlich geknistert. Vor
2 Jahren hat Pat. einen Unfall erlitten, er hat einen Schlag auf die rechte Ge-
sichtshälfte erlitten. Seitdein ist angeblich die Schwellung häufiger aufge-
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103] Komplizierte ‚Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 699
an der etwa dem Osteomansatz entsprechend gelegenen Stelle umschrieben
perforiert, aus der Perforation ragt das knollige Fettgewebe hervor. — Entfernung
der übrigen Siebbeinzellen. Eróffnung der Keilbeinhóhle; überall dicke, polypoide
Schwellung, auch die mittlere Muschel wird entfernt. Jodoformgaze-Tamponada
durcn die Nase; ein anderer Streifen wird aus dem lateralen Wundwinke}|
geleitet. Naht. Verband. -
Drr lateralste Teil der Stirnhöhle, der sich hinter dem Ansatz der lateralen
oberen Orbitalwand hineinsenkt, enthält geschwollene Schleimhaut, ohne vom
Tumor okkupiert zu sein. — Die Periorbita in der oberen Partie ist ausgedehnt
verdickt und entzündlich verändert.
13. VII. Pat. hat wenig gebrochen. Temperatur bis 37,4. Puls gut.
Lider stark geschwollen, infiltriert, schliessen sich nicht über Bulbi. Ulkus
r. weiter fortgeschritten, starke Kornealtrübung. Borwasserverband. Über Nacht
Salbenverband. |
19. VII. Die inzwischen noch stürker gewordene Konjunktivalschwellung
und die Lidschwellung ist wesentlich zurückgegangen unter feuchten Verbünden.
Pat. kann das r. Auge heute schliessen. Der korneale Epitheldefekt ist wieder
stärker getrübt, die übrige Kornea rauchig getrübt. Atropininstillation 19».
Entfernung der Nähte.
31. VIL Die Kornea hat sich fast ganz unter wechselnden Salben- und
feuchten Verbänden aufgehellt. 10 Atropin wird weiter auf Wunsch der
kgl. Augenklink instilliert. Geheilt entlassen. Narbe fest. Pat. hat keinerlei
Beschwerden. Das Auge wird weiter von der kgl. Augenklinik kontrolliert.
Bericht der kgl. Augenklinik.
Befund aus dem poliklinischen Buch Nr. 20735.
Pat. bemerkt seit 2—3 Jahren Anschwellungen des oberen rechten Augen-
lides. Diese Anschwellungen hielten 1—2 Tage an. Es hätte so ausgesehen,
als wenn eine Fliege das Lid gestochen hätte. Der Arzt meinte, es wäre Luft
im Lide gewesen, denn es hätte im Lide „geknistert‘.
Seit 5. VII. 09 wieder Anschwellung mit starkem Hervortreten des rechten
Auges. Es traten auch starke Schmerzen hinter dem Auge ein.
R. Oberlid hochgradig geschwollen, blaurot injiziert, unbeweglich, den
Bulbus bedeckend. Die Schwellung ist weich ohne Zeichen von Fluktuation.
Chemose der Bindehaut. Bulbus stark vorgetrieben und nach unten disloziert.
Beweglichkeit vollständig aufgehoben. Pupille gleich der linken prompt
reagierend. 0 = u.
Bds. Cataracta punctata.
R. E. S — 05.
L. E. S = 0,8.
Am 12. VII. 09 in der Ohrenklinik operiert. Sinus front. mit Osteom aus-
gchend von dem Siebbein.
21. VII. 09. Wunde geschlossen. Bulbus nach unten noch verdrüngt,
unbeweglich. Lidspalte klafft. Kleine Infiltration in der Kornea unten. Kornea
empfindlich geblieben. S = 0,3.
Heutige Angaben.
Unfall 1905, es flog ein Baumstumpf mit Wurzel über den Körper,
es wurde die rechte Seite betroffen. Doppelbilder sind nicht gleich
nach der Operation, sondern etwas später aufgetreten, bestehen jetzt auch
noch. Kopfschmerzen bestehen fort, treten auf bei schwerer Arbeit und Witte-
rungsumschlag. Beschwerden in der Brust sind nur bei schwerer
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105] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. . OL
dingen. Durch Usurwirkung auf die Periorbita infolge des vor-
dringenden unteren Zapfens der Knochengeschwulst kam es dann
zu einer Periorbititis mit Kontinuitätstrennung, wobei vielleicht die
von der Nase fortgeleitete Entzündung mitgewirkt hat. So ist das
Phänomen der Lidemphysembildung zu erklären, welches seit drei
Jahren habituell nach heftigen Schmerzen aufzutreten pflegte. Vor
einiger Zeit kam schliesslich eine heftigere Entzündung der Nasen-
höhle hinzu, die die orbitale Phlegmone auf demselben Wege wohl
nach sich zog. Durch Austrocknung kam ein unangenehmes Kornea-
geschwür zustande, welches auf entsprechende therapeutische Mass-
nahmen ohne persistierende Trübung heilte.
Das ist mit wenigen Worten der pathogenetische Hergang der
einzelnen Affektionen, die sich uns bei dem Patienten kombiniert
als die Erscheinungen einer akut entstandenen orbitalen Phlegmone
nach Stirnhóhlensiebbeinentzündung darboten. Im Siebbein und Keil-
bein wie auch in der restierenden Stirnhóhle fand sich als Ausdruck
der Reizwirkung polypoide Schwellung der Schleimhaut. Diese
Ethmoiditis hyperplastica findet man, worauf ich wiederholt hin-
gewiesen habe, ebensowohl bei Tumoren als auch bei Fremdkörpern
der Nase, nicht selten bei Rachenmandelhyperplasie bei Erwachsenen.
die lange bestanden hat u. a. Hier war die Entzündung infolge akuter
Infektion, wozu solche Patienten zu neigen pflegen, vorübergehend
eitrig geworden und hatte zu der weiteren Komplikation Veran-
lassung gegeben.
Die Mukozelebildung ist hier unzweideutig beim Vordringen
des Tumors durch Verlegung der Orbita der befallenen Siebbeinzellen
entstanden. Der Fall erinnert sehr an den von Axenfeld (Klin.
Monatsbl. f. Augenheilk. 42. Jahrg.) beschriebenen, wo auch Muko-
zelebildung mit Osteom kombiniert war, nur dass in den beiden
Fällen die Lagebeziehungen von Osteom und Mukozele vertauscht
sind; das Osteom lag dort medial und die Mukozele hatte sich lateral-
wärts entwickelt. — Ich habe schon in meinen „Erkrankungen des
Siebbeins‘ darauf hingewiesen, dass ich wiederholt auch bei anderen
Tumoren Mukozelebildung, wenn auch in geringerer Ausdehnung,
beobachtet habe. Der Entstehungsmechanismus war derselbe und das
beweist uns, wenn es dessen überhaupt noch bedarf, dass durchaus
nicht nur nach vorausgehender infektiöser Sinuitis die Mukozele-
bildung möglich ist. Auch von Manasse (Verh. d. Ver. Deutsch.
Laryng., Dresden 1910) ist jetzt in einem Falle von Mukozele der Stirn-
höhle angenommen, dass eine Exostose den Ductus nasofrontalis ver-
schlossen habe und so zu der Bildung Veranlassung gegeben worden.
Der Abschluss der Ostia der beteiligten Zellen durch irgend eine Ur-
102 W. Uffenorde. [106
sache, entzündliche Verwachsung, Trauma, Tumor, Narbenbildung
am Ostium, durch Kauterisation u. a., wird der wesentliche Grund
für die Bildung sein, hinzu mag ein gewisser Fremdkórperreiz und
die Zirkulationsstórung kommen. Die Frage erscheint nicht ganz
unberechtigt, ob man strenger unterscheiden soll zwischen Mukozele-
oder Pyozelebildung auf entzündlicher Basis entstanden, Sinuitis cum
dilatatione (Killian) und der Mukozele nach Trauma, wozu
Boenninghaus geneigt scheint (Zur Kenntnis der traumatischen
Mukozele des Sinus front , insbesondere ihres Vorstadiums. Passow-
Schafers Beitr. III. 1. 2. S. 116). An die letztere ist die Mukozele
nach Tumor anzugliedern. Da es sich aber um denselben Vorgang,
Verlegung des Ostium mit sekundárer Erweiterung des Hohlraums,
handelt, und man nicht weiss, ob die etwa stattgehabte Infektion
des Inhalts von vornherein bestanden oder sekundär eingetreten ist,
so wird man sich damit, um die Nomenklatur nicht zu komplizieren,
begnügen können, das ätiologische Moment zu eruieren und hervor-
zuheben. Betonen möchte ich noch, dass wir in jedem Falle von
Fremdkörper oder Tumor in der oberen Nase komitterend infolge
der Reizung eine mehr weniger ausgesprochene Ethmoiditis oder
auch Sinuitis hyperplastica der anderen Höhlen finden werden. Mit
Sicherheit konnte ich hier auch die in die Stirnhöhle hinein sich
vorbuchtende Mukozelebildung als vom Siebbein aus entstanden kon-
statieren. Direkt hinter der vorderen Stirnhoóhlenwand lag die dünne
Knochenwand der Mukozele. Nur vorsichtiges Vorgehen beim Ope-
rieren konnte hier die Verhältnisse genau klären. Ich konnte mich
des Eindrucks nicht erwehren, dass man leicht den wahren Sach-
verhalt in solehen Fállen übersehen kann, da die Mukozelewandung
hart an der vorderen Stirnhóhlenwand lag und beim Meisseln gleich-
zeitig mit der vorderen Wand entfernt werden konnte. In diesem
Falle handelte es sich also um die Entstehungsart der Mukozele in
die Stirnhóhle hinein, wie sie von Avellis (Arch. f. Laryngol.,
Bd. 11, S. 64, Die Entstehung der nichttraumatischen Stirnhóhlen-
mukozele) hypothetisch angenommen ist. Ich habe schon an anderer
Stelle darauf hingewiesen (Uffenorde, Erkrankungen des Sieb-
beins 1907), dass wir hier eine definitive Klärung nur durch ge-
naueste Befunderhebung, wie sie z. B. durch Onodi (Arch. f. Laryng.
17, 8. 417) und Stenger (Zeitschr. f. Ohrenh. 57, S. 346) u. a.
geschehen ist, seitens mit den fraglichen Verhältnissen und den bis-
her gewonnenen Anschauungen gin:u vertrauter Opzsrateure erwarten
können. Allein weiter bringen wird uns in dieser Frage: Genaue
endonasale Untersuchung, am besten unter Zuhilfenahme der Rhino-
scopia media, Röntgenaufnahme. Erforderlich ist vorsichtiges Vor-
107] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 103
gehen bei der Operation, um den Ausgang der Mukoz-le festzustellen,
ob er in der Stirnhöhle selbst oder im vorderen Siebbein zu suchen
ist. Wünschenswert ist weiterhin die Prüfung auf Abschluss des
Mukozelenrauirs nach der Nasonhóhl», die hist !ogische‘Untersuchung
der Mukozelenschleimhaut zur Klärung betreffs des ev. entzündlichen
Ursprungs des Inhalts und Untersuchung des Inhalts. In unserem
Falle zeigte die histologische Untersuchung eine mässig stark ent-
zündliche Veränderung, die aber auf die sekundär gesetzte Infektion
zurückzuführen sein kann. Der Fall ist also in dieser Hinsicht nicht
zu verwerten. Dass nicht immer ein Eingriff von aussen erforder-
lich ist, zeigten die Fälle von Baurowicz (Zur Kenntnis einer
Mukozele des Siebbeins, Monatsschr. f. Ohrenhkd. 1909, X, S. 737)
und der interessante, bis jetzt allein dastehende Fall von Hajek,
(Mukozele der Keilbeinhöhle, kompliziert durch Neuritis optica, Monats-
schr. f. Ohrenhkd. III, 1910, S. 331), wo u. a. beide Male durch
endonasale Eingriffe die Erscheinungen auch seitens der Orbita zu-
rückgingen. Ich glaube auch, dass man nicht arroganter Härte ge-
ziehen werden kann, wenn man von den eben angeführten Gesichts-
punkten aus auf eine Reihe von einschlägigen Mitteilungen aus der
weiter zurückliegenden Zeit nicht zu grossen Wert legt, sondern
wegen der oft schwer zu deutenden Details, die man früher gar nicht
genau übersehen konnte, nur neuere gut eruierte Fälle höher be-
wertet; haben doch einzelne Autoren bereits ihre frühere An-
schauung vollkommen in dieser Hinsicht geändert.
Interessant ist in diesem Falle das seit mehreren Jähren wieder-
holt aufgetretene habituelle Lidemphysem. Ich habe früher die
Falle von Foucher und Newcombe zitiert, die ich bei Chiari
genannt fand. Zweifellos sind diese Erscheinungen, vor allem die
habituelle Form, nicht weiter erwáhnt und exorbitant selten. Gerber
(Kompl. der Stirnh. 1909) hat bei der einschlägigen Sammlung weniger
ausgesprochene Fälle mit unter ‚„Pneumatozele‘‘ angeführt, von denen
er insgesamt 14 Fälle fand. Ausser den beiden oben genannten Fällen
ist ein Fall von Marx (Verhandl. d. D. otol. Ges. 1908, S. 205,
Fall 2) zu nennen, 2 Fälle von Hermann (Emphysema subcuta-
neum während des Geburtsaktes entstanden, Zeitschr. f. Geburtsh.
u. Gynáükol. LIII. 1904 [bei Mutter und’ Kind Lidemphysem, bei
der Mutter habituelles Lidemphysem]), 1 Fall von Deprés (Emphy-
séme traumatique de paupieres, Gaz. d. Hop. 64, 1889 [Emphysem
von der Kieferhöhle aus, zuerst im Unterlide auftretend ;) und schliess-
lieh der unsrige. In unserem Falle handelte es sich um ein typisches
Emphysem mit Knistergefühl an dem Oberlide, daneben mag sehr
wohl eine Pneuinatozelc'i'dung vorübergehend bestanden haben. Da
101 a W. Uffenorde. [108
die Konjunktiven auch in unserem Falle sehr stark geschwollen
waren, wie die Abbildung zeigt, glaube ich, ohne es mit Bestimmt-
heit sagen zu können, dass auch hier wie in dem zweiten Marxschen
Falle ein Emphysem der Konjunktiva vorlag. Die Luft ist offenbar-
immer wieder resorbiert oder auch allmählich entwichen. Es ist
nicht von der Hand zu weisen, dass die Luft auch durch die defekten
Stellen der Periorbita medial und vorn beim Schneuzen in die Orbita
eingepresst sein kann, doch kann — und das ist mir wahrschein-
lich — die Fetthernie auch traumatisch erst bei der Operation auf-
getreten sein und die Luft in der oberen Orbitalwand, wo der Knollen
des Osteoms die Orbita umschrieben zerstört hatte, in das Gewebe
eingedrungen sein. Doch sind von Passow und Zarniko Fälle
beschrieben worden, wo nach Conchotomia media Lidemphysem auf-
trat. Typische Pneumatozelebildungen habe ich zweimal nach Radikal-
operation nach Killian beobachtet, wo es sich um sehr grosse
Stirnhöhlen gehandelt hatte. Die Patienten kamen, nachdem sie äusser-
lich geheilt entlassen waren, mit einer vorgebuckelten Partie an der
Stirn wieder, wodurch ein Druckgefühl ausgelöst wurde. Ein all-
mählich kräftiges Ausstreichen nach unten liess die eingeschlossene
Luft durch die relativ verlagerte Ostiengegend herauspressen. In
den Emphysemfällen dagegen wird es sich meist um ernstere Affek-
tionen handeln, die ein operatives Vorgehen erheischen werden. Ge-
wöhnlich wird, abgesehen von Trauma, eine Tumorbildung oder
auch die gleich zu bewertenden Osteophytenbildungen, wie in dem
interessanten Falle von Birnbacher (zit. bei Gerber) in An-
spruch zu nehmen sein. Eine Röntgenuntersuchung wird immer an-
gezeigt sein.
Ich möchte hier weiter kurz einschieben, dass in diesem Falle
die Abhängigkeit einer oder”der kombinierten Gesamtaffektion von
. dem angeschuldigten Trauma in Abrede zu stellen ist, weil bereits
vor dem Trauma einmal typisches Schneuzemphysem aufgetreten
ist. Wenn es nach dem Trauma häufiger in Erscheinung getreten
ist, so findet das einfach seine Erklärung darin, dass die Reizung
der Periorbita durch das Osteom inzwischen stärker geworden ist.
Die Osteombildung ist abgesehen von ihrer relativen Selten-
heit durch ihre Form interessant (siehe Abbildung 15 u. 15a). Vom
mittleren Siebbein aus hat es sich in die Stirnhöhle und den lateralen
Rezessus der Siebbeinzellen, die präformierten Hohlräume benutzend,
lateralwärts entwickelt. Der Tumor ist von beträchtlicher Grösse.
Eine histologische Untersuchung, zwecks deren von einer Kuppe des
Tumors ein Stück abgeschnitten wurde, zeigt die von reichlich Diploe-
gewebe durchsetzten Knochenbälkchen im Zustande mächtig lebhafter
109] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 705
Apposition, wie aus den endostalen und periostalen Osteoblasten-
reihen und der neugebildeten osteoiden Substanz zu ersehen ist.
Der Tumor hat der Mukozelebildung den Platz in der Stirnhóhle
streitig gemacht. Wie ich schon erwáhnt, erinnert der Fall sehr
an den von Axenfeld (Monatsbl. f. Augenhkd. 42. Jahrg.) mit-
geteilten Fall. Beide Bildungen, Osteom und Mukozele, waren in
unserem Falle bis an die vordere Stirnhóhlenwand vorgedrungen,
es hätte noch einiger Zeit bedurft und die Wand wäre usuriert
worden. Als breite dicke Platte hat sich die Knochengeschwulst in
die tiefen und hohen präformierten orbitalen Rezesse über die Orbita
hinweg bis an die Schläfe ausgebreitet. Der Fall ist in dieser Hin-
sicht auch dem ersten Falle von Marx ähnlich (Verh. d. Deutsch.
Otol. Ges. 1908, S. 205), wenn auch dort die Geschwulst vom Keil-
bein ausging. Da die lateralen Rezessus sich an der Facies tempo-
ralis erweiterten, konnte sich auch der Tumor hier ohne weiteres
verdicken, und es ist sehr interessant, wie er, sich den präformierten
Verhältnissen adaptierend, ganz entsprechend den einzeinen schwach
septierten Erweiterungen ausgewachsen ist. Die seitliche Oberfläche
des Osteoms gibt einen genauen Ausguss von dem Siebbeinrezessus.
Ob eine oder mehrere Septen der seitlichen Zellenausläufer usuriert
sind, ist nicht sicher mehr zu entscheiden. Während an der Ober-
fläche zwischen Tumor und Stirnhöhlen-Siebbeinrezessus doch trotz
der ausgesprochensten Juxtastellung keinerlei Verwachsung oder
wesentliche Irritation nachweisbar war, zeigte sich die untere Wand
des Tumors mit dem Orbitaldach ausgedehnt verwachsen (siehe Ab-
bildung 15). Dasselbe Verhalten zeigte sich in dem Axenfeldschen
Falle. An einer umschriebenen Stelle ist ein knolliger Auswuchs
durch das Orbitaldach vorgedrungen, der die Periorbititis und die
Dislocatio bulbi gesetzt hat. Ebenso wie in dem Marxschen und
Oppenheimschen Fall zeigt auch der unsrige, dass natürlich sehr
wohl heftigere Entzündungserscheinungen zu der Geschwulst hinzu-
treten können, die dann zur Zeit der Aufnahme das Gesamtkrank-
heitsbild beherrschen können. Eine Röntgenaufnahme, die man ja
am besten vor jeder Stirnhóhlenoperation schon zur Orientierung
über die Grenzen anfertigt, wird hier am leichtesten Klärung ver-
schaffen. Wiegmann (Zeitschr. f. Ohrenhkd. Bd. 57, S. 56) hat
24 Fälle von Osteom der Nasenhöhle gesammelt, zu denen noch 3 Fälle
von Marx (Verh. d. Otol. Ges. 1908, Heidelberg, S. 205) nach-
zutragen würen. Bei Operationskursen an der Leiche fand ich zu- -
fällig ein grosses totes Osteom der Stirnhöhle, welches einen voll-
kommenen Ausguss der Stirnhöhlenform repräsentierte und nur in
allen Dimensionen um ein geringes kleiner war. Hierher rechnen
106 W. Uffenorde. [110
kann man auch die 3 von Manasse und Kretzschmann demon-
strierten Falle von Exostosen von Stirnbein und Siebbein (Verhandl.
d. Vereine D. Laryngol. 1910. Dresden).
Zum Schlusse möchte ich noch erwähnen, dass durch den er-
forderlichen weitgehenden Eingriff und bei der Tiefe der Stirnhöhle
eine unangenehme Entstellung entstanden ist, wie die Abbildung 16
zeigt. Ausserdem ist leider infolge der narbigen Schrumpfung des
periorbitalen Gewebes eine geringe Bewegungsbeschränkung des
Bulbus aufgetreten, was Doppelbilder verursacht. Ich glaube kaum,
dass man in dem vorliegenden vielfach komplizierten Falle diese
dauernde Beeinträehtigung hätte vermeiden können. Es ist das eine
Auge durch ein Mattglas vom Sehakte ausgeschlossen, ausserdem ist
eine Rente von 15% zugebilligt. Ein Zusammenhang von dem Leiden
mit dem erlittenen Kopftrauma ist jedoch, wie schon erwähnt, in
Abrede zu stellen. |
II. Fall von Chondrom des hinteren Siebbeins.
Exophthalmus.
Einen Fall von Chondrom des hinteren Siebbeins mit orbitaler
Komplikation habe ich bereits im Archiv für Laryngologie und Rhino-
logie 20, S. 1 mit eingehender Besprechung der Chondrome be-
schrieben.
Fall XXXV.
Johanne T., 21 Jahre alt, Dienstknechtsfrau, Uthlede bei Geestemünde.
Pat. wurde von der Augenklinik behufs Untersuchung der Nasenhóhle zu
uns geschickt.
Bei der Pat. ist seit !/, Jahr etwa das rechte Auge prominent; es be-
stehen rechtsseitige Kopfschmerzen. R. ist nur wenig Sehkraft vorhanden.
Pat. klagt über Doppelsehen. Sie will oft Schnupfen gehabt haben, zurzeit
besteht Geruchsmangel und Schwerhórigkeit. Die Nase ist verstopft. Eiterung
aus der Nase soll nicht bemerkt sein. Der Rachen ist beschwerdefrei. Die
Kopfschmerzen strahlen von der Stim nach dem Hinterkopf aus. Die Er-
scheinungen sind allmählich aufgetreten. — Die Untersuchung in der Augen-
klinik hat ergeben: L. Auge äusserlich und ophthalmoskopisch normal. —
R. Auge: Mittelstarke Protrusio bulbi. Auge mässig injiziert, steht etwas divergent.
Bewegung des Bulbus nach oben und aussen nicht ausgiebig. Vorderer Teil
des Auges wie Glaskörper normal. Papillitis im atrophischen Stadium, Ver-
grösserung der Papille, Grenzen verwaschen. Papille springt vor. Varikös
gequollene Nervenfasern. Gefässe z. T. auf der Papille überlagert. Venen
` stark gefüllt und geschlängelt, gehen im Bogen von der Papille herab.
Rechtes Gesichtsfeld wenig eingeschränkt, absolutes Skotom.
In Narkose fühlt man innen einen harten Tumor, der am Knochen fest-
sitzt und nach unten abzugrenzen ist. Geringe Schmerzen beim Hineindrücken
des Bulbus in die Orbita.
111] Komplizierte Fälle von Nasennebenhöhlenerkrankung. 707
Untersuchung der Nase: Mit der Rhinoscopia anterior gewinnt man das
Bild der Rhinitis hypertrophica. Die Schleimhaut der unteren Muschel ist
verdickt, etwas bläulich verfärbt, ebenso die der mittleren Muscheln. Ver-
mehrung und Veränderungen der Sekretion sind nicht zu konstatieren.
Postrhinoskopisch lässt sich ein sehr interessantes
Bild nachweisen Epipharynx frei, glattwandig. Die
hinteren Enden der Muscheln wenig verändert, Choanen,
Tubenostien frei. R. sieht man die Gegend des hinteren
oberen Siebbeins deutlich, aber nur wenig prominent
gegenüber links.
Nach Infraktion der mittleren Muscheln r. mit dem langen Killian schen
Spekulum ist im mittleren Sicbbein eine harte Schwellung von grauer Farbe
zu konstalieren. Das herausgenommene Stück wird als von einem Chondrom
stammend erkannt. Auch das kgl. Pathologische Institut hat ein mässig zell-
reiches Chondrom, zum Teil myomatös entartet, angenommen (Prof. Kauf-
mann).
Leider wurde uns der Fall nicht auch zur Operation überwiesen, sondern
von anderer Seite operiert.
Besonders bemerkenswert ist die Diagnosestellung auf Tumor
des hinteren Siebbeins mittelst Postrhinoskopie. Der Fall ist chirur-
gischerseits operiert und nach längerer Zeit ein Rezidiv aufgetreten,
wie ich in Erfahrung gebracht habe. Die Gefahr der Heterogenität
ist hier ja nicht zu beobachten, aber die Tumoren rezidivieren leicht
von -zurückgebliebenen Resten aus und entarten leicht maligne.
III. Fall von Adenokarzinom des Siebbeins. Exophthalmus.
Mukozele.
Fall XXXVI.
Auf Seite 203 meiner öfter zitierten Monographie habe ich einen Fall
von Adenokarzinom bei einem öl jährigen Manne mitgeteilt, der ja sehr selten
ist. Bei dem Pat. war das rechte Auge stark prominent und nach aussen
und oben distozier. Am Augenhintergrund war keine Stauung nachweisbar,
keine Schmerzen und keine Empfindlichkeit auf Druck. Visus Sie Doppelt-
sehen seitlich oben. Gesichtsfeld normal (kgl. Augenklinik). Im inneren Augen-
winkel, etwa Tränenbeingegend, konnte man cine prall elastische, haselnuss-
grosse Prominenz nachweisen, die buckelförmig hervortritt. Bds. waren Narben
von früheren Eingriffen her sichtbar.
Die Nase zeigte links keine wesentliche Veränderungen, r. hing ein
fleischiger, glänzender Tumor wie eine vergrösserte mittlere Muschel von oben
herab. Bei Sondenberührung trat eine relativ starke Blutung auf. Der Nasen-
rachenraum war frei, Drüsen waren nicht fühlbar.
Probeexzision. Histologische Untersuchung: Adenokarzinom (Prof.
Borst).
Die Operation zeigte, dass cine Mukozelenhildung vom vorderen Siebbein
aus neben dem Tumor im Siebbein vorlag. Die Lamina papyracea war nicht
durchbrochen.
(08 W. Uffenorde. (112
Interessant war der kurz post operationem beweglich werdende
Bulbus, das Verschwinden der Doppelbilder, Besserung des Visus,
das alles nach 14 Tagen wieder schlechter wird.
Die vorübergehende Besserung ist offenbar durch vorübergehende
Aufhebung der Stauung zu erklären. Als die restierenden Tumorteile
wieder anfingen zu granulieren, war der günstige Effekt vorüber.
Auch dieser Fall zeigt wiederum, wie hoch das Stauungsmoment
bei dem Mechanismus der orbitalen Schwellung anzuschlagen ist.
Durch Toxinresorption lässt sich dieser Vorgang in den Fällen von
Tumoren nicht erklären.
Sowohl der vorige Fall von Chondrom wie auch dieser zeigen,
dass auch ohne Eiterung der Nasennebenhöhlen hochgradiges Ödem
des Orbitalinhaltes ausgebildet werden kann. In diesem Falle war der
Tumor nicht durch die Lamina papyracea eingedrungen, beide Male
musste in erster Linie durch Verlegung von Gefässwegen, besonders
wohl der Venen, der Abfluss behindert und die Protusio bulbi ent-
standen sein. Gerade diese Fälle sind sehr wertvoll für die Beurteilung
der orbitalen Schwellung. Ich möchte darnach annehmen, dass wahr-
scheinlich auch in den Fällen von Eiterungen die einfache mechanische
Stauung eine grössere Rolle bei der Entstehung der Protusio bulbi
spielt als die Infektion, sonst würden auch viel häufiger schwere
Phlegmonen mit Abszedierung der engeren Orbita sich ausbilden.
In dem Falle von Karzinom wird diese Ansicht auch dadurch noch
weiter argumentiert, dass nach vorübergehender Besserung der
Stauung in der Orbita durch die Operation der Visus von 5/,, auf
8/10 stieg.
Leider bestätigt auch dieser Fall die fast stets trostlose Prognose
der malignen Tumoren in der oberen Nasenhöhle. Der Fall war
von vorneherein prognostisch schon deshalb ungünstig zu beurteilen,
weil das Karzinom schon nachgewiesenermassen über 1 Jahr bestand.
Wie auch im Fall Grüneberg und anderen von mir operierten
Fällen von Tumor im Siebbein war hier neben dem Tumor eine
Mukozele ausgebildet, und zwar wohl durch Verlegung von Zellen.
I. Ein Fall von Karzinom des Siebbeins mit orbitaler und
zerebraler Komplikation.
Fall XXXVII.
Friedrich B., 56 Jahre alt, Bremser a. D., Holzminden.
Anamnese: Schon öfter wegen Polypen operiert worden, das letzte Mal
im Frühling. Im Sommer merkte Pat., dass das l. Auge merklich hervortrat;
Doppelbilder hat er nie gehabt. Seit August hat er den Durchbruch an der |.
Nasenwurzel. Kopfschmerzen sind erst in letzter Zeit aufgetreten. Die Nase
——
113] Komplizierte Fille von Nasennebenhóhlenerkrankung. 709
ist sehr verstopft gewesen, Eiter habe er nicht bemerkt, nur aus der Wunde
an der Nasenwurzel hbe sich Eiter entleert. — Intelligenz- und psychische
Störungen bestehen nicht.
Diagnose: Carcinoma labyrinthi ethmoidal. sin. Ethm. hyperplast. chron.
c. complicat. orb. I. — Durchbruch nach aussen.
Therapie: Operation.
Nase und Rachen: bds. Nasenhöhlen obturiert ohne Polypen, auch im
Nasenrachenraum l. Auge prominent, Bulbus mässig nach aussen und etwas
nach oben vorgetrieben; Beweglichkeit im ganzen gut, nur beim Blick nach aussen
und oben bleibe es in seiner Beweglichkeit zurück. Keine Doppelbilder. Kon-
junktiva und Kornea intakt. Pupillen, gleich weit, reagieren auf Licht und
Konvergenz. Am inneren Augenwinkel nach oben teigige Schwellung, in der
Mitte aus einer Fistel klein-haselnussgrosse Granulationen herausragt. Bei Druck
auf diese Partien entleert sich reichlich Eiter, vermischt mit gallertartiger
Flüssigkeit. (Abb. 16, 17, Taf. XXXIIL)
Sonstiges: Reflexe normal. Herztöne unrein, leicht syst. Geräusch
a. d. Spitzen. II. Pulmonalton akzent. Keine Verbreiterung. Pol. o. B. Abdome
ohne nachweisbare Veränderungen.
3. I. 1908. Operation in Chloroformnarkose.
Uffenordesche Operation (Michaux-Legouest) ]. Schnitt in der
Mitte der Augenbrauen |. über Kuppe der Fistel an der seitlichen Nase abwärts.
Zurückschieben der äusseren Weichteile vom Proc. front. des Oberkiefers,
vom Nasenbein, vom Tränenbein und nach oben äussere Pars nasalis des
Stirnbeines etc. Dabei quellen Tumormassen aus der Fistel hervor. Starke
Blutung. Resektion vom Nasenbein, Stirnfortsatz, Tränenbein, nasalen Stirnbein.
Es werden dann die Tumormassen und damit auch Polypenmassen aus der
Nase entfernt. Dabei entleert sich auch Eiter und gallertig glasige Massen,
Mukozelen. Nachdem eine leidliche Übersicht geschaffen ist, soweit es bei der
starken Blutung möglich ist, kann man konstatieren, dass der Tumor zerebral-
wärts direkt ins Zerebrum übergeht, adhärent der Dura mater. Von einer
Lamina cribrosa ist nichts zu sehen. Man sieht plötzlich das Hirn pulsieren,
z. T. ist es karzinomatös verändert, weich, eine Sonde dringt leicht ein.
Ebenso fehlt die Lamina papyracea in grosser Ausdehnung. Auch hier ist
nicht zu sagen, wo ist die Grenze zwischen Tumor und Periorbita, der Tumor
hat den Orbitalinhalt breit invadiert. Exzisio der Ränder der äusseren Fistel,
Säuberung der Wundhöhle. Mehrere Nähte aussen, vom unteren Wundrand
aus Drainage der mit Jodoformgaze ausgefüllten Wundhöhle — Verband.
Die Nachbehandlung gestaltete sich ziemlich einfach. Ohne Temperatur-
hebung überstand der Pat. den Eingriff ziemlich leicht. Die Prominenz des
Auges ging etwas, aber unvollkommen, zurück. Die Beschwerden besserten
sich, der Kopfschmerz verschwand. Mit Arsenmedikation wurde Pat. 14 Tage
post operationem nach Vernarbung der äusseren Wunde entlassen.
Am 4. Mai 1908 kam Pat. wieder. Die Wölbung des Auges war schlimmer
geworden, besonders auch die Nasenwurzelgegend vorgetrieben. Der Bulbus
mehr nach links vorgetrieben. Tumormassen sehen aus der Fistel heraus.
Sensorium und Intelligenz nicht getrübt. Keine besondere Beschwerden. Kopf-
schmerzen gering, ab und zu ein Ziehen über den Kopf. Die Nase ist beider-
seils sehr verstopft. I
Epikrise: Es handelt sich in dem vorliegenden Falle um ein
Karzinom des Siebbeins, das offenbar auf dem Boden einer älteren
Zeitsehrift für Laryngologie. Bd. Ill. H. 6. 47
“ly W. Uffenorde. [114
Ethmoiditis hyperplastica entstanden ist. Der Erfahrung bei mıl'gnen
Tumoren der oberen Nasenhóhle entsprechend hat der Tumor breit
Orbita, Stirnhóhle und besonders das Kranium invadiert. Os laeri-
male, Lamina papyracea und Lamina cribosa sind ausgedehnt defekt.
Ein grosser Teil des Stirnhirns ist in den Tumor einbezogen, ist er-
weicht. Bei der Operation war, zumal es stark blutete, zunächst eine
Orientierung sehr erschwert, das Auftreten der Hirnpulsation klärte
plötzlich in höchst unangenehmer Weise die Sachlage. Trotz der
Erfahrungen über das indifferente Verhalten bei Stirnhirnprozessen
setzte uns dieser Befund und die weitere Beobachtung in Erstaunen.
Das Karzinom hatte breit das Zerebrum invadiert, eine Differen-
zierung war gar nicht möglich, nur durch die plötzlich bemerkten
Hirnpulsationen wurde uns unangenehm klar, dass wir bereits ins
Zerebrum bei dem vorgenommenen Kürettement eingedrungen waren.
Wir befürchteten eine postoperative Meningitis oder Abszessbildung.
Doch nichts von alledem.
Der Patient stellte sich ein halbes Jahr post operationem ohne
irgendein zerebrales Ausfallssymptom wieder vor. Nur über
leichte Kopfschmerzen hatte er zu klagen. Wir haben ihn dann
nicht wieder gesehen.
Die Orbita war relativ weniger beteiligt, da man sonst mehr Be-
wegungsstörungen erwarten müsste. Interessant sind auch die Muko-
zelebildungen, die wir schon bei anderen Tumorfällen wiederholt
beobachteten. In diesem Falle haben wir zum ersten Male unsere
Modifikation der Michaux-Legouestschen Methode angewandt
(Uffenorde, Arch. f. Laryng., Bd. 21, S. 1). Wenn ich mit wenigen
Worten noch einmal auf die Frage der Wahl der Operationsmethode
für die verschiedenen Affektionen der Nasennebenhöhlentumoren ein-
gehen darf, so muss ich hier auf demselben Standpunkte verharren,
den ich schon damals ausgesprochen habe (Uffenorde, Arch. f.
Laryngologie, Bd. 21). Meine Einwendungen gegen die zu weit
gehende Indikationsstellung durch Denker für seine Oberkiefer-
höhlenoperationsmethode sind nicht durch die auf dem Wiener Inter-
nationalen Laryngologentage von ihm gemachten Zusätze entkräftet.
Ich betone ausdrücklich, dass wir mit den meisten Nasenärzten den
grossen Wert seiner Methode speziell für die Tumoren der medialen
Wand der Kieferhöhle natürlich anerkennen, dass wir aber den An-
wendungskreis, sobald besonders das Siebbein der Sitz und Aus-
gangspunkt des Tumors ist, für erschópft halten; dann soll man
von vorn oben operieren, und zwar aus folgenden Gründen. Einmal
kann man auch bei ausgedehnter Resektion vom Proc. frontalis,
Os maxillaris und Os nasale bei der permaxillaren Methode bei der
115] Komplizierte Falle von Nasennebenhóhlenerkrankung. 711
Inangriffnahme des vorderen Siebbeins weniger sicher vorgehen, als
wenn man von vorn eingeht; die Orientierung ist ebenfalls erschwert.
Zweitens wissen wir ja, dass die malignen Tumoren, ja auch
benignen, Chondrom, Osteom u. a. eine ausgesprochene Tendenz, sich
kranialwärts auszudehnen, aufweisen (Kümmel). In dem vorliegen-
den Falle z. B. wäre eine Operation nach Denker, zumal bei
der Blutung, sicher unangenehm und unmöglich ausreichend
gewesen. Drittens kann die Denkersche Methode einer In-
vasionsmöglichkeit in die Stirnhöhle durchaus nicht gerecht werden;
man muss dann noch ausserdem die Stirnhöhle von aussen öffnen,
ein Eingriff, der fast allein hinsichtlich seiner Ausdehnung von vorn-
herein genügt hätte Nun kommt viertens noch hinzu, dass man
z. B. bei einem umschriebenen Osteom oder Chondrom im Siebbein
_zwecklos die ganze doch trotz aller Behauptungen physiologisch
wichtige laterale Nasenwand opfert, die man z. B. nach unserer
Methode ganz unberührt lassen kann und soll. Die äussere fast
unsichtbar zu gestaltende Narbe kann m. E. nicht so sehr in die Wag-
schale fallen, als dass man à tout prix permaxillar operieren wollte.
Jeder Methode den ihr gukommenden Anwendungskreis. Ich habe
im übrigen die Denkersche Methode für die genannten Indikationen
lieb gewonnen und halte sie für eine willkommene Erweiterung
unserer Operationsmethode.
Ich bin am Schlusse meiner Ausführungen und es sei mir noch
ein kurzer Rückblick gestattet. Wir Rhinologen müssen es mit
Freuden begrüssen, dass in verhältnismässig kurzer Zeit die Er-
oberung der Grenzgebiete, die uns im vorhergehenden beschäftigt
haben, zum grossen Teil gelungen ist. Dass wir dieses in erster
Linie der unermüdlichen und glücklichen Forschung auf dem Ge-
biet der Nasennebenhöhlen, besonders auch der entwickelungs-
geschichtlichen und vergleichend - anatomischen verdanken , bedarf
kaum eines Hinweises. Diese dadurch gewonnenen Erkenntnisse haben
in fast ungeahnter Weise auch die hier in Frage kommenden Studien
befruchtet; sie sind ja ihre Basis. Dem ist es wiederum zu danken,
wenn die Ophthalmologie nicht nur durch die Propheten beider Dis-
ziplinen immer und immer wieder auf den Zusammenhang zwischen
Nase und Auge hingewiesen, sondern auch angesichts dieser Ent-
wickelung der Rhinologie immer mehr in einen Austausch mit uns
getreten ist. Diesem glücklichen Bunde sind bereits viele erfreu-
liche Nachkommen entsprungen. Unsere Sache wird es jetzt sein,
einmal die Spreu von dem Weizen zu sondern und andererseits das
Erbe zu hüten und weiter auszubauen. Wenn ich dazu etwas bei-
getragen habe, so ist meine Arbeit reichlich belohnt.
—— 41*
Rezidive nach Adenotomie.
Von
M. U. Dr. R. Imhofer, Prag.
Die Rezidive nach Adenotomien scheinen ein Gebiet der Rhino-
laryngologie zu sein, das man nicht gerne berührt; die Angaben
in den verschiedenen Monographien, Lehrbüchern etc. sind nur ganz
kurz, ohne näher auf die Ursachen und Art der Rezidive einzugehen.
Sie machen den Eindruck, dass es sich da um etwas handle, was
man nicht verschweigen kann, aber doch nicht des näheren er-
örtern möchte. Und doch scheint mir eine solche Erörterung ein-
mal nötig, sogar sehr nötig. Muss man sich doch bei unbefangener
Prüfung der eigenen Operationsresultate und der in der Literatur
niedergelegten Erfahrungen das Eingeständnis machen, dass in gar
vielen Fällen die Resultate der Adenotomie nicht die sind, welche
man erwartet und den Patienten resp. den Angehörigen derselben
versprochen hat. Die Misserfolge nach Adenotomien kann man in
zwei Gruppen einteilen.
I. Wirkliche Rezidive, d. h. neuerliches Wuchern des Rachen-
mandelgewebes nach der Operation oder Heranwachsen
kleiner stehengebliebener Reste zu solcher Grösse, dass die
Erscheinungen der Rachenmandelhypertrophie neuerdings
hervorgerufen werden.
II. Fälle, wo kein eigentliches Rezidiv konstatiert werden kann,
die Erscheinungen jedoch, welche zur Adenotomie die Indi-
kation gegeben haben, also die Mundatmung, die wieder-
kehrenden Katarrhe etc. nicht verschwinden oder nach einer
kurzen Zeit der Besserung wieder auftreten. V on Natier (1)
714 R. Imhofer. [2
wird dies als Pseudorezidive bezeichnen, ein Ausdruck, der
ganz treffend ist, und den wir auch hier akzeptieren wollen.
Echte Rezidive.
Über das Vorkommen solcher sind fast alle Autoren einig, die
Angaben bezüglich der Häufigkeit derselben differieren jedoch ziem-
lich. M. Schmidt (2) nimmt 3% Rezidive an, Jurasz (3) hatte
unter 170 Adenotomien dreimal Rezidive zu verzeichnen, wahrend
Körner (4) von 6—8^, Rezidiven spricht. Schaffer (5) sah
hingegen nur drei Rezidive unter 1000 Adenotomien, also 39?/,,.
Ich selbst habe unter der relativ kleinen Zahl von ca. 400 Adeno-
tomien, die ich hier vorgenommen habe, bis jetzt sechs Fálle sicherer
Rezidive beobachtet. Haben aber diese Statistiken wirklich einen
Wert? Ich glaube, derselbe ist sehr gering anzuschlagen, denn die
wenigsten Patienten, bei denen es zu einem Rezidiv nach der Adeno-
tomie kommt, suchen wieder denselben Operateur auf und nach
der beträchtlichen Anzahl von adenoiden Rezidiven, die ich nach
von anderer Seite vollzogener Operation sah — es befanden sich
darunter Falle von Operateuren von Weltruf — kann ich mit
Sicherheit schliessen, dass auch ich nur den kleineren Teil der
Rezidive meiner operierten Fälle gesehen habe, und so dürfte es
auch den anderen Operateuren gegangen sein. Wollte man ein halb-
wegs verlässliches Urteil über die Häufigkeit der Rezidive nach
Adenotomie gewinnen, so wäre es nötig, dass Kliniken mit grossem
Materiale nach einer bestimmten Zeit sämtliche Adenotomierten zur
Kontrolle einberiefen und sich über das Vorhandensein oder Fehlen
von Rezidiven sowie über den Erfolg der Operation überhaupt Auf-
schluss verschafften ; diesbezügliche Angaben in der Literatur konnte
ich aber bisher nicht auffinden. Wohl hat 1902 die Niederländische
Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (6) eine Kom-
mission zur Ausarbeitung statistischer Schemata über adenoide Vege-
tationen gewählt; einen Bericht dieser Kommission aber habe ich
in den Sitzungsprotokollen dieser Gesellschaft wenigstens in den
nächsten Jahren nicht gefunden. Und doch wäre eine umfassende
Statistik der adenoiden Vegetationen, mit besonderer Berücksichtigung
der Operationserfolge nach einem längeren Intervall von
grösstem Interesse und praktischer Wichtigkeit. Vorläufig aber muss
ich wenigstens nach meiner Erfahrung die Behauptung aufstellen,
dass Rezidive nach Adenotomien sicher häufiger sind als wir ver-
muten.
Die Ursachen der Rezidive, welche die einzelnen Autoren an-
führen, lassen sich in drei Gruppen einteilen.
3] Rezidive nach Adenotomie. 115
1. Rezidive, die der Operation oder dem Operateur zur Last
gelegt werden müssen.
2. Rezidive, verursacht durch die Beschaffenheit der Rachen-
mandel selbst.
3. Rezidive, bedingt durch die allgemeine Körperkonstitution
des Operierten.
Es gibt Autoren, die jedes Rachenmandelrezidiv als Folge einer
mangelhaften, unvollständigen Operation ansehen wollen. Es seien
nur einige dieser Äusserungen beispielsweise angeführt.
Syndacker (7) sagt, Rezidive seien in den meisten Fällen
nichts anderes als unvollständig ausgeführte Operationen; ganz ähn-
lich äussern sich Rice (8) und Gradle (9).
Buys (10) nennt als Ursache der Rezidive: 1. unvollständig
oder schlecht ausgeführte Operation, 2. akute Entzündungszustände
des Operationsfeldes zur Zeit der Operation, 3. Vernachlässigung
der Nachbehandlung. Escat (11) äussert sich dahin, dass eine
radikal operierte Rachenmandel ebensowenig sich wieder bilden
könne wie eine enukleierte Gaumenmandel; die Rezidive sind nach
ihm, insoweit sie nicht tuberkulöser Natur sind, bedingt durch die
Proliferation unvollständig kürettierten Gewebes. Ähnliche An-
sichten vertritt endlich Fein (12). „Man kann sagen, dass Rezi-
dive nach vollkommen ausgeführter Abtragung zu den Seltenheiten
gehören und nur im frühesten Kindesalter vorkommen.“
Den Standpunkt, Rezidive nur einer unvollständigen Operation
zuzuschreiben, halte ich für einen ganz falschen und nicht un-
bedenklichen. Wenn, wie ich schon erwähnt habe, Rezidive jedem,
auch dem hervorragendsten Operateur vorgekommen sind, so können
wir nur den Schluss ziehen, dass kein Operateur, kein Instrument
und keine Methode imstande sind, die Rachenmandel vollständig,
1. e. vollständig im histologischen Sinne zu entfernen, und dies wird
auch von vielen Seiten ganz unumwunden zugegeben. Gradle (l. c.)
sagt: ,,Untersucht man mit dem Spiegel, so findet man doch sehr
häufig kleine vorspringende Reste, die während der Operation einem
jeden Instrumente, ob Zange oder Löffel, entgehen“
und Brieger (13) meint in der Diskussion zu einem Vortrage
Beckmanns, in welchem dieser sein neues Ringmesser einführte:
„Ich halte es nur für einen gliicklichen Zufall, wenn Beckmann
kein Rezidiv gesehen hat; nach möglichst vollständiger Abtragung
der Adenoide sind Rezidive selten, aber bei keinem Verfahren mit
Sicherheit zu verhüten.‘
Müssen aber stehengebliebene Reste adenoider Vegetationen zu
einem Rezidiv Veranlassung geben? Ich verfüge über einen in dieser
716 R. Imhofer. [4
Hinsicht sehr lehrreichen Fall. Bei einem 14 jährigen Knaben ent-
fernte ich vor 10 Jahren die Rachenmandel wegen fortrezidivierender
akuter Mittelohrkatarrhe, nebenbei bemerkt mit vollstandigem Er-
folge, insofern als die Katarrhe von dieser Zeit an ausblieben. Als
ich ca. 14 Tage nach der Operation postrhinoskopisch untersuchte,
konnte ich an der Umrandung der Choanen gegen den Vomer zu
deutlich jederseits je eine grosse Zacke übrig gebliebenen adenoiden
Gewebes sehen, sonst war die Rachenmandel vollständig entfernt.
Ich habe diesen Patienten durch ganze 10 Jahre, allerdings in
grösseren Intervallen, immer wieder zu Gesicht bekommen und
konnte mich überzeugen, dass diese Reste völlig unverändert blieben,
ohne dass es zu erneuter Wucherung adenoiden Gewebes von den-
selben ausgehend gekommen wäre; um das 20. Lebensjahr des Pat.
schrumpften sie allmählich und verschwanden. Es ist also sicher,
dass stehengebliebene Rachenmandelreste zum mindesten nicht zu
einem Rezidiv führen müssen, dass noch eine andere Ursache
im Spiele sein muss, aus welcher sich in dem einen Falle von
solchen stehengebliebenen Resten aus ein Rezidiv entwickelt, während
es im anderen Falle unter sonst gleichen Bedingungen ausbleibt.:
Auch Bresgen (14) meint: „Die Frage, ob alle Drüsenmassen
rein entfernt werden müssen, glaube ich mit ,,nein" beantworten
zu dürfen. Es dürfen nur keine grossen Zapfen mehr vorhanden
sein, und vor allen Dingen muss das Rachendach ganz gesáubert sein."
" Bemon (15) hat niemals Neubildung der Geschwulst gesehen,
obwohl er sich nicht bemüht, absolut die letzten Reste der Vege-
tationen zu entfernen. Er führt dies darauf zurück, dass er nach
der Operation zweimal in achttägigen Intervallen den ganzen früheren
Sitz der Geschwulst mit Lapis kauterisiert. Zarniko (16) wirft
ebenfalls die Frage auf, ob es nótig sei, auch die kleinsten Rest-
chen der Geschwulst wegzunehmen, und beantwortet dieselbe mit nein.
Aber gesetzt auch, wir könnten das Rachendach auch im histo-
logischen Sinne von Iymphatischem Gewebe säubern, so müssen wir
uns doch ins Gedächtnis zurückrufen, dass, wie K. Bayer (17)
schon vor 25 Jahren nachgewiesen hat, lymphoides Gewebe einer
Regeneration in hohem Masse fähig sind, dass auch bei vollständiger
Exstirpation von Lymphdrüsen sich in der Narbe und in dem um-
liegenden Gewebe neues lymphoides Gewebe bildet, das dann die
Form von Drüsen annehmen kann. Ganz analog verhält es sich
nach Brieger (18) auch bei der Entfernung der Rachenmandel.
Wir müssen also den ersten Punkt dahin erledigen, dass wir
sagcu, weder die Art der Ausführung der Operation noch der Ope-
5] Rezidive nach Adenotomie. (12
rateur sind an den Rezidiven der Rachenmandelhyperplasie nach der
Adenotomie schuld.
Wenden wir uns nun zu dem zweiten Punkte; ist die Art
und Beschaffenheit der exstirpierten Rachenmandel schuld an dem
Auftreten resp. Ausbleiben eines Rezidivs?
In dieser Hinsicht behauptet Bliss (19), wenn in der Rachen-
mandel ein reiches Gefüssnetz vorhanden sei, wenn das lymphoide
Gewebe durch bindegewebige Scheidewände geteilt werde, dann sei
bei unvollständiger Entfernung ein Rezidiv durch Entzündung um
die zurückgebliebenen Teile möglich. In normalen Fällen dagegen
bilde sich der Rest des lymphoiden Gewebes zurück.
Ich habe vier solcher Rachenmandelrezidive histologisch unter-
sucht, doch nur in einem Falle eine nennenswerte Vermehrung des
Bindegewebes nachweisen können und auch diese war nicht derart,
dass sie ausserhalb der Variationsbreite des Bindegewebsgehaltes der
Rachenmandel fiele. Bei diesem geringen Materiale kann ich mir
nur den Sehluss erlauben, dass die Behauptung von Bliss zum
mindesten nicht allgemeine Gültigkeit hat. Auch habe ich bisher
noch keine Bestätigung der Ansicht von Bliss seitens anderer
Autorer gehört.
Es bleibt also eigentlich nur die dritte Möglichkeit, nämlich
die Ursache des Rezidivs nach der Adenotomie in dem betreffenden
Individuum selbst zu suchen.
In dieser Hinsicht werden vor allem akute Exantheme als Ur-
sache der Rezidive angeführt. Chiari (20) meint, dass hauptsách-
lich nach Keuchhusten und Diphtherie das adenoide Gewebe wieder
stark zu wuchern beginne. Górke (21) spricht die Ansicht aus,
dass Rezidive der Adenoide durch akute infektióse Prozesse, wie
Scharlach und Diphtherie, bei denen eine vermehrte Funktions-
leistung und eine gesteigerte Produktion von Lymphozyten in den
adenoiden Geweben der oberen Luftwege ausgelóst werde, bedingt
seien. Ähnliches behauptet Brieger l. c. (18).
Meines Erachtens ist eine der Hauptursachen der Rezidive nach
Adenotomien in der Skrofulose zu suchen. Bei der überwiegenden
Mehrzahl der Patienten, bei denen ich nach eigener oder nach von
anderer Seite ausgeführter Operation Rezidive konstatieren konnte,
waren Zeichen der Skrofulose vorhanden. Drüsensehwellungen, blasses
pastöses Aussehen, häufige Katarrhe der oberen Luftwege liessen
sich meist feststellen. |
Bisweilen allerdings waren die Zeichen der Skrofulose sehr ge-
rng und es war eigentlich erst das Rezidiv, welches mich auf die
Fährte leitete. So konnte ich bei einem Patienten, bei dem ich
18 R. Imhofer. (6
nach einer von einem hiesigen Fachkollegen ausgeführten Adeno-
tomie eir. Rezidiv operierte, um selbst wieder zwei Jahre post ope-
rationem ein solches zu konstatieren, nur eine hartnäckige Blepharitis
als einziges Zeichen skrofulöser Veranlagung konstatieren.
Dass ein wesentliches Zeichen der Skrofulose die Neigung zu
Hyperplasien des adenoiden Gewebes bildet, ist ja bekannt, und so
darf uns die fortwährende Regeneration und Hyperplasie desselben
auch an dieser Stelle nicht wundern. Ein typisches Beispiel aus
meiner Beobachtung sei hier angeführt, da ich Gelegenheit hatte
diesen Patienten durch Jahre hindurch zu beobachten, was, wie
oben erwähnt, meist nicht der Fall ist.
K. E., 21/, Jahre alt, zum ersten Male untersucht am 22. X. 1904.
Beschwerden beim Atmen, fortwährender Schnupfen, das Kind
spricht noch fast nichts, skrofulóses Ekzem der Nase und Oberlippe.
Befund: Schwellung der Nasenschleimhaut, digital und mittelst
Sonde ein grosses Adenoidenpolster zu konstatieren. 24. X. Ope-
ration; Entfernung der Rachenmandel, nach der Operation digital
untersucht, Cavum pharyngonasale frei. Nach der Operation wesent-
liche Besserung aller Erscheinungen, das Kind schlaft besser, der
Schnupfen und die Ekzeme schwinden, rasche Sprachentwickelung.
Im April 1906 wird mir das Kind wieder vorgestellt; die Erschei-
nungen der Nasenverstopfung sind wieder aufgetreten, das Kind
schläft wieder schlecht etc. und nun zeigt sich neuerlich eine grosse
Rachenmandel, ausserdem aber die linke Tonsille beträchtlich ver-
grössert, während bei der ersten Untersuchung beide Tonsillen normal
gewesen waren. In Kelennarkose entfernte ich die hypertrophische
Tonsille und eine grosse Rachenmandel von speckigem Aussehen ;
danach wurde das Kind nach Hall geschickt. Wieder war der Er-
folg ein ausgezeichneter, alle Symptome schwanden, bis ich im
Mai 1909 den Knaben wieder zu Gesicht bekam, diesmal wegen
Schwerhörigkeit; ich fand beiderseits einen Mittelohrkatarrh mit be-
trächtlicher Herabsetzung des Gehörs, Mundatmung und eine zwar
nicht übermässig, aber doch deutlich entwickelte Rachenmandel.
Diesmal wollte die Mutter begreiflicherweise von einer Operation
nichts hören und ich musste mich begnügen, durch Luftdusche
eine Besserung des Ohrenleidens herbeizuführen.
Wir sehen also hier Rezidive in Intervallen von zwei und drei
Jahren, verbunden mit Wucherung adenoiden Gewebes an anderer
Stelle (Tonsille), wo eine Hyperplasie vorher nicht bestanden hatte.
Ganz analog verlief ein Fall, den ich aber nicht des näheren er-
örtern will, wo ich an der Klinik des Herrn Prof. Epstein
dreimal dic Adenotomie auszuführen genötigt war.
= — — —
1] Rezidive nach Adenotomie. «19
Gradenigo (22) unterscheidet zwischen einem lediglich durch
die Hypertrophie der Rachentonsille herbeigeführten der Skrofulose
ähnlichen Symptomenkomplex und Adenoiden bei Skrofulösen und
meint hinsichtlich der letzteren: ,,Gewiss findet man Adenoide auch
bei skrofulösen Kindern und dies sind gerade die Fälle, in denen
die Abtragung der hypertrophischen Rachentonsille die Symptome
der Krankheit nicht verschwinden macht.“
Brieger (l. c. 18) spricht zwar nicht direkt von der Skrofulose.
sondern nur von einer Prädisposition zur Entwickelung einer Hyper-
trophie der Rachenmandel, scheint aber hierbei doch hauptsächlich
die Skrofulose im Auge zu haben, wenigstens empfiehlt er bei Rezi-
diven den Gebrauch von Jod, Solbädern, Arsen und Seifeneinreibungen
nach Kapesser.
Soll also schon vor der Operation einer jeden Rachenmandel
der Allgemeinkonstitution des Kindes grosse Aufmerksamkeit zuge-
wendet und nicht nur das Um und Auf in der Konstatierung und
operativen Entfernung der Rachenmandel gesehen werden, so ist
um so mehr bei einem Rezidiv diesem Punkte Aufmerksamkeit zu
schenken 'und hat sich dann die Untersuchung direkt nach der
Richtung der Skrofulose hin zu bewegen.
-Was die praktischen Konsequenzen dieser Erörterungen anbe-
langt, so müssen wir uns vor allem die Frage vorlegen, ob wir
bei skrofulösen Kindern überhaupt die Adenotomie vornehmen sollen,
und ob es sich nicht empfehlen würde, erst eine Behandlung der
Skrofulose einzuleiten und dann, wenn sich der Allgemeinzustan!l
gebessert hat, an die Adenotomie heranzugehen.
Was den ersten Teil dieser Frage anbelangt, so glaube ich,
dass wir trotz vorhandener Skrofulose dann die Adenotomie vor-
zunehmen berechtigt sind, wenn die Indikationen zur Operation
solche sind, dass auch mit einem vorübergehenden Erfolg etwas
gewonnen wäre. Solche Indikationen sind: 1. exzessive Grösse der
Rachenmandel, so dass die Atmung und damit auch der Schlaf
in hohem Masse gestört sind und infolgedessen die Entwickelung
des Kindes wesentlich leidet. 2. Fortwährend wiederkehrende Mittel-
ohrkatarrhe resp. Entzündungen, da sich daraus chronische adhäsiv:
Mittelohrkatarrhe entwickeln können, die einen bleibenden Gehör-
defekt zur Folge haben ; diese fortwährenden Attacken akuter Katarrlıe
werden durch die Adenotomie ganz besonders günstig beeinflusst,
und auch bei einem Rezidive der Adenoiden pflegen dieselben durch-
aus nicht immer wiederzukehren. 3. Hartnäckige ekzematöse Kon-
junktivitis, die bei vorhandener Rachenmandelhypertrophie jeglicher
Behandlung trotzt.
190 R. Imhofer. (8
In solchen Fällen halte ich es für gerechtfertigt, trotz der Mög-
lichkeit der Rezidive die Adenotomie vorzunehmen, pflege aber die
Eltern stets ausdrücklich auf diese Eventualität aufmerksam zu
machen. Die Versicherung zu geben, alle Erscheinungen werden
mit einem Schlage verschwinden und nie mehr wieder kommen,
wäre höchst unvorsichtig.
Was den zweiten Gesichtspunkt anbelangt, den ich zur Erörte-
rung gestellt habe, so habe ich selbst wiederholt beobachtet, dass
vor Entfernung der Rachenmandel alle üblichen Behandlungsmethoden
der Skrofulose erfolglos blieben, insbesondere hat der Besuch von
See- und Solbädern eine direkt ungünstige Einwirkung auf die
Affektion der oberen Luftwege gezeigt.
Um so dringender indiziert ist aber die Behandlung der Skrofu-
lose nach der Operation. Alle die üblichen Mittel haben jetzt eine
ganz vorzügliche Wirkung und insbesondere kann ich einen Auf-
enthalt in Grado oder Kolberg nach der Rachenmandeloperation
wärmstens empfehlen.
Brieger sagt: „Von grossem Nutzen ist zur Nachbehandlung
. der Aufenthalt an der Nordsee, der vor der Operation, bei
noch vorhandenen Vegetationen durch Begünstigung akuter Schwel-
lung schädlich sein kann“, eine Ansicht, der ich mich bis: auf
die Wahl des Ortes anschliesse; ich möchte unbedingt die wald-
reiche Ostsee und die warme Adria der Nordsee vorziehen.
Neben dieser Hauptursache der Rezidive rangieren alle übrigen
in zweiter Linie. So wird hier und da erwähnt, dass das Rezidiv
sich als Sarkom erwies (Bliss [19], Lermoyez [23)); auch bei
echter Tuberkulose der Rachenmandel soll der Abtragung das Rezidiv
rasch folgen (Escat l. c, Lermoyez l. c). Von einem hiesigen
Fachkollegen wurde mir für mein Sammelreferat über Leukämie
der oberen Luftwege (24) die Krankengeschichte eines Falles zur
Verfügung gestellt, wo ein Rezidiv, welches bereits vier Wochen
nach der Operation auftrat, sich als durch Leukämie bedingt er-
wies, der das Kind auch kurz nach Entfernung dieses Rezidivs
erlag. Solche fast unmittelbar nach der Operation auftretende Rezi-
dive müssen stets den Verdacht eines schweren Prozesses erwecken
und sollte die histologische Untersuchung solcher Rachenmandeln
nie verabsäumt werden.
Die Pseudorezidive nach Adenotomie können wir wieder in
zwei Gruppen sondern. 1. Fälle, wo die Operation gar keinen Effekt
hatte (im strengen Sinne des Wortes genommen eigentlich kein
Rezidiv), wo die Symptome, derentwegen die Operation unternommen
wurde, nach der Operation in unvermindertem Masse bestehen blieben,
9] Rezidive nach Adenotomie. 721
und 2. jene Fälle, wo nach der Adenotomie zwar eine vorüber-
gehende Besserung auftrat, nach kurzer Zeit jedoch wieder der
status quo ante erreicht wurde.
In der ersten .Gruppe rangieren vor allem jene Fälle, wo ein
Fehler der Diagnosen resp. Indikationsstellung unterlaufen ist, d. h.
von der Adenotomie Wirkungen erwartet wurden, die ihr überhaupt
nicht zukommen oder die sie im speziellen Falle nicht besitzen
konnte. So z. B. muss man bei objektiver Prüfung sagen, dass
die Enuresis nocturna nur in den seltensten Fällen durch eine Adeno-
tomie beseitigt wird, dass man hier, wenn überhaupt, so nur vor-
übergehende durch Suggestionswirkung zu erklärende Erfolge sieht.
Es hat Lange (25) dies 1905 in unzweideutiger Weise erklärt und
damit einer sich immer fortschleppenden Selbsttäuschung ein Ende
bereitet und seine Angaben bestätigen sich immer mehr. Auch mit
der Aprosexie und der Indikationsstellung zur Adenotomie auf Grund
dieser Erscheinung muss man sehr vorsichtig sein, um die Aprosexie
von geringen Graden der Idiotie abzugrenzen, da im letzteren Falle
selbstverständlich die Adenotomie ganz erfolglos bleibt.
Sonst aber muss ich hervorheben, dass die Hauptursache der
Misserfolge der Adenotomie ohne direkte Rezidive ebenfalls in der
Skrofulose zu suchen ist. Die durch Vergrösserung der Bronchial-
drüsen bedingten Katarrhe (Blumenfeld [26)), die Empfindlich-
keit der Schleimhäute bleibt bestehen und nur durch ein sorgsames
antiskrofulóses Regime, wozu allerdings für die ärmere Bevölkerung
entsprechende Anstalten in grösserer Anzahl notwendig wären, als
zur Verfügung stehen, liesse sich nachträglich ein guter Effekt der
Adenotomie erzielen.
Ein grosses Gewicht ist auf die Wiederherstellung der Nasen-
atmung resp. auf die Angewöhnung der Nasenatmung zu legen,
und wenn, wie es noch häufig geschieht, ein Adenotomierter ein oder
zwei Tage nach der Operation entlassen wird, ohne dass sich der
Operateur weiter um ihn kümmert, so ist das gewiss nicht richtig.
Die Nase muss systematisch zur Atmung wieder erzogen werden,
was auf verschiedene Weise möglich ist. So hat Gutzmann (27)
einen kleinen Apparat angegeben, bestehend aus einem Holzpflöckchen
mit einer an dessen Ende befestigten Scheibe. Diesen Apparat hat
das Kind zwischen den Lippen im Munde zu balancieren und da-
durch wird, wie man sich leicht überzeugen kann, dasselbe wenigstens
für die Zeit, wo es das Instrument anwendet, gezwungen, durch
die Nase zu atmen. Ich erziele denselben Effekt, durch eine ebenso
im Munde balancierte Schokoladezigarre, gegen welche die Kinder
(die ja nach der Operation gegen alle medizinischen Apparate und
792 R. Imhofer. [10
Geräte eine gewisse Voreingenommenheit zeigen) kein Misstrauen
hegen können. Immerhin aber muss ich sagen, dass ich mehrere
Fälle gesehen habe, wo trotz aller Bemühungen der Angehörigen
und trotz aller Übungen die Nasenatmung sich nicht in wünschens-
werter Weise ausbildete und wo die Mundatmung weiter prävalierte,
womit der adenoide Gesichtsausdruck bestehen blieb, obwohl die
Nasenatmung bei richtigem Gebrauch vollkommen ausreichend ge-
wesen wäre.
Das souveräne Mittel zur Nachbehandlung nach der Adenotomie
ist die Erweiterung der Nase und damit des Nasenrachenraumes
durch Kieferdehnung, bezüglich der ich auf die einschlägige statt-
liche Fachliteratur der Zahnärzte verweisen muss.
Resume: 1. Die Zahl der Rezidive nach Adenotomie ist wahr-
scheinlich viel grösser als allgemein angenommen wird; genaue
klinische Statistiken wären wünschenswert.
2. Die Ursachen der Rezidive liegen weder in der Art resp.
Vollständigkeit der Operation, noch auch in der Beschaffenheit der
Rachenmandel, sondern in der konstitutionellen Beschaffenheit des
Individuums selbst.
3. Die Hauptursache der Rezidive bildet die Skrofulose.
4. Es empfiehlt sich bei Skrofulose die Adenotomie nur dann
vorzunehmen, wenn Indikationen gegeben sind, die selbst einen vor-
übergehenden Effekt schon erstrebenswert erscheinen lassen.
5. Die antiskrofulöse Therapie ist nach der Adenotomie viel
wirksamer als vor derselben.
6. Auch für die Pseudorezidive ist die Skrofulose als ätiologisches
Moment von grosser Bedeutung.
Literatur.
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Belge d’otologie etc. 1903. p. 199.
2. Schmidt, M., Die Krankheiten der oberen Luftwege. II. Aufl. 1897.
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4. Körner, O., Lehrbuch der Ohren-, Nasen. Kehlkopfkrankheiten. JI. Aufl.
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9. Schaffer, M., Bericht über 1000 adenoide Vegetationen. Wien. med.
Wochenschr. 1890.
6. Bericht in Semons Zentralbl. Jahrg. 1903.
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Bd. 1I. S. 124.
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Vortrüge. IV. Bd. 4. S. 52.
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Imhofer, Die leuküámische und ps»udoleukümische Erkrankung der oberen
Luftwege. Zentralbl. f. d. Grenzgebiete d. Medizin u. Chirurgie. Bd. XIII.
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f. Laryngologie, Rhinologie etc. I. Bd. S. 445.
Gutzmann, H., Verhandl. der Versammlung deutscher Naturforscher u,
Árzte. Dresden 1907. Sektion Rhino-Laryngologie.
Aus der Basanowaschen Klinik fiir Ohren-, Nasen- und Hals-
krankheiten an der Universitit in Moskau.
ANY A MÀ
Ein Fall von sehr verlangsamter Atmung infolge
eines Nasenleidens.
Von
St. von Stein, Direktor der Klinik.
Mit 1 Tafel.
Vera Prok, 11 Jahre alt, erschien in der Klinik am 13. November
1906 und klagte über erschwertes, zuweilen aussetzendes Atmen.
Anamnese: Vor 6 Jahren Masern. Seitdem periodisch Verlegung der
Nase und Verschlechterung des Gehórs. Vor ca. 1!/, Jahren fing sie an in
längeren Zwischenräumen tief Atem zu holen. Allm&hlich wurde das tiefe
Atemholen häufiger. Vor 2 Wochen stand der Atem still und es traten drohende
Suffokationserscheinungen auf. Eine jede Aufregung verursachte grössere
Frequenz der Inspirationen. Während des Schlafes wurde dies nicht beob-
achtet; die Kranke atmete ziemlich ruhig.
Status praesens: Die Kranke ist von mittlerer Konstitution und
mittelmässiger Ernährung. Halbgeöffneter Mund mit etwas trockenen Lippen.
Leichte Zyanose der Nasenspitze; die Nasenflügel bewegen sich bei jeder
Inspiration. Mm. sternocleido-mastodei und cucullares sind gespannt. Die supra-
und infraklavikularen Gegenden, sowie die Interkostalräume und die Magen-
grube stark eingezogen. Der ganze Thorax nach oben gezogen.
Fig. 1 (siehe photographische Tafel) bei tiefer Inspiration, Fig. 2 bei
tiefer Exspiration, Fig. 3 im Moment der Ruhe nach einer tiefen Inspiration
aufgenommen. Wie ersichtlich, hat der Thorax in seiner Konfiguration, sowie
die Muskelspannung während dieser drei Momente keine besondere Verände-
rung erfahren. Bei einer starken Inspiration gleichen sich die eingefallenen
Gegenden etwas aus. Zuweilen beugt sich die Kranke während einer tiefen
Inspiration vor und drückt die Hände gegen die Abdominalgegend, damit wird
die Exspiration erleichtert. Die Zahl der einzelnen Inspirationen ist ungefähr
5 in der Minute. Während einer Aufregung nimmt die Frequenz zuerst zu,
dann steht der Atem plötzlich still. Lässt man die Kranke tief atmen, so
hebt sich der Brustkorb ein wenig in toto. Dyspnoe. Seitens des Rückens
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 6. 48
126 St. v. Stein. [2
treten die etwas gehobenen Schulterblätter hervor. Patientin spricht stoss-
weise. Gehör normal. Das linke Trommelfell etwas eingezogen. Die Nasen-
atmung erschwert. Scharf ausgesprochene Rhinitis hypertrophica. Hyperämie
der Nasenschleimhaut. Adenoide Vegetationen verdecken !/, der Choanen. Mit
dem Eintritt des Schlafes hóren die tiefen Einatmungen auf; die Atmung ist
ruhig, die Muskeln aber sind dabei gespannt, die obenerwühnten Gegenden
eingezogen. Nach dem: Erwachen wird die Atmung langsamer usd geht wieder
in seltene Inspirationen über.
Am 14. November wurde Patientin von Dr. N. Korotnew, Assistenz-
arzt der Nervenklinik, untersucht. Auf den Rücken gelegt, hatte sie bei tiefer
Inspiration Zuckungen in den Armen und Beinen. Dr. Korotnew hält dies
für einen durch Luftmangel hervorgerufenen Tic.
Behandlung: In Anbetracht der bedrohlichen Suffokationserschei-
nungen bei Aufregungen, besonders bei der Untersuchung der Nase, entschloss
ich mich nicht’ gleich zu einer energischen Behandlung der Nasenhöhle Auch
konnte man ja nicht voraussagen, ob eine allgemeine Besserung der Symptome
erfolgen oder alles mit einem vólligen Stillstand der Respiration endigen würde.
Ich fing mit leichten Ätzungen der Nase an, indem ich zugleich die
Bestimmung eines ursächlichen Konnexes zwischen der Erkrankung der Nase
und der anormalen Atmung im Auge behielt.
14. November 1906. Ätzung der linken unteren Muschel mit kristalli-
.nischer Trichloressigsáure. Keine besondere Veränderungen.
15. November. Ätzung der rechten unteren Muschel mit Trichlor-
essigsäure + Chromsäure um 12 Uhr mittags. Bis zum Abend wiederholten
sich die tiefen Inspirationen nicht und das Atmen war freier. Am Abend
traten dieselben wieder auf.
16. November. Die Nase ist verlegt. Die Inspirationen ziemlich
frequent. 17. und 18. November. Der nämliche Zustand.
19. November. Durch die rechte Nasenhalfte Atzung der Adenoiden.
Die tiefen Inspirationen hörten sofort auf und wiederholten sich nicht bis
zum Abend, als sich plötzlich Atemstillstand mit Suffokationserscheinungen
einstellten: das Gesicht der Kranken wurde zyanotisch, die Augen waren
weit geöffnet, die Psyche etwas niedergedrückt. In der Nacht wiederholten
sich die bedrohlichen Anfälle noch einigemal. Gegen Morgen hörten diese Er-
scheinungen auf.
20. November. Nach dem Erwachen tiefe Inspirationen. Um 6 Uhr
abends Átzung der Adenoiden durch die linke Nasenhálfte. Ein Aussetzen
der tiefen Inspirationen erfolgte nicht.
22. November. Die rechte untere Muschel wieder mit Chromsäure +
Trichloressigsäure geätzt. Der Zustand unverändert. 24. November. Schnupfen
stärker. Inspirationen frequenter.
25. November. Derselbe Zustand.
26. November. Der Schnupfen in gleichem Zustand — Undurch-
güngigkeit der Nase. Inspiration dyspnoisch. Kann nicht spontan durchatmen.
1. Dezember. Der Nasenrachen wurde nach vorhergegangener gründ-
licher Anásthesierung mit Kokain und Adrenalin der Digitaluntersuchung unter-
worfen: derbe Adenoiden. Die seltenen Inspirationen dauern fort.
Ein Stückchen der Adenoiden mit Steinscher Adenoidenzange abge-
kriffen.
E T ~~ WF CER
3] Ein Fall von sehr verlangsamter Atmung infolge eines Nasenleidens. 727
Sofortiges Aufhören der tiefen Inspirationen. Keine Blutung. Befinden
am Abend besser. Der Atlas wölbt sich in Gestalt eines stumpfen Höckers
vor, darüber ein tiefes Grübchen.
2, 3. und 4. Dezember. Seltene Inspirationen.
6. Dezember. Abermaliges Abkneifen grösserer Stückchen der
adenoiden Wucherungen.
7. Dezember. Seltene Inspirationen.
8 Dezember. Entfernung von Stücken. Keine Blutung. Seltene Inspi-
ration ganz geschwunden. Patientin schláft leicht ein und hat ruhigen Schlaf.
9. Dezember. Mit einem Beckmann die vorderen Reste der Adenoiden
entfernt.
10. Dezember. Keine seltenen Inspirationen. Die Nase verlegt.
LL Dezember Im Laufe des Tages einige tiefe Inspirationen.
12. Dezember. Das hintere Ende der unteren Muschel galvano-
kaustisch geätzt. Keine tiefen Inspirationsbewegungen.
13. Dezember. Kauterisation der rechten Muschel. Atmung wie am
12. Dezember.
14. Dezember. Keine Inspirationen. Atmung frei. Patientin kann
leicht frei aufatmen, wie Fig. 4 zeigt.
Während des ruhigen Atmens (Fig. 5) hat der Brustkorb sein normales
Aussehen angenommen, die Muskeln sind nicht gespannt, die Einziehungen
sind geschwunden, die Zyanose der Nase ist vergangen. Die Kranke kann
umherlaufen, was sie früher nicht gekonnt hatte. Schlaf gut. Appetit gut.
Somit hing der gegebene Fall einer anormalen Atmung gänzlich
von der Erkrankung der Nase ab, und dabei hauptsächlich von den
adenoiden Vegetationen. Soweit ich mich in der Literatur umge-
sehen habe, ist dies bislang der einzige publizierte Fall.
Einer brieflichen Mitteilung nach, ist die Kranke vollkommen
genesen.
48°
Notiz über gebrauchsfertige Anwendungsformen
von Nebennierensubstanzen in der Rhinologie.
Von
Dr. Georg Avellis, San.-Rat.
Solange es kein wirkliches Heilmittel bei dem akuten Schnupfen
gibt, wird es nicht an Versuchen fehlen, die unangenehmen Begleit-
erscheinungen desselben zu mildern, also vor allem die übermässige
Sekretion und die Verschwellung der Nasengänge, mit ihren unwill-
kommenen Folgen für die Ohrtrompete wie für die Nachtruhe. Seit
der Erfindung des Kokains ist nun kein wirksameres Abschwellungs-
mittel als die Nebennierensubstanz gefunden worden, leider war aber
in der Praxis die Anwendung von Nebennierenpräparaten teuer und
umständlich, wenn man nicht das Renoform und ähnliche billige
Schnupfpulver mit sehr wenig Nutzen gebrauchte. Diese billigen
Pulver enthalten vom wirksamen Prinzip so gut wie nichts, was
man sofort konstatieren kann, wenn man etwas Pulver auf die ent-
zündete Schleimhaut blässt und nach einigen Minuten kontrolliert, ob
die Schleimhaut weiss geworden ist. Letzteres konnte ich so gut
wie nie sehen.
Die beste Anwendung des Nebennierenpräparates ist die Ver-
stäubung, entweder ın sehr verdünnten, aber kaum 1--2 Tage halt-
baren wässerigen Lösungen mittelst eines Nasensprays oder in öligen
Lösungsgemischen wie das. Adrenalininhalant von Parke Davis
& Co. ‚mittelst dessen kompendiösen Glasseptikverstäubers. Kosten-
punkt dieser letzteren Verordnungs aber wenigstens 7—10 Mk., viel
zu viel für einen gewöhnlichen Schnupfen.
130 Georg Avellis. D
So anerkannt von allen Seiten für die Schleimhaut der oberen
Luftwege die Wirksamkeit des Nebennierenprüparats nun schon seit
lange ist, habe ich doch immer eine bequeme und billige An-
wendungsart vermisst, die auch dem Patienten so in die Hand ge-
geben werden kann, dass er lege artis die Nasengánge mehrmals am
Tage oder in der Nacht damit ausgiebig in Berührung bringen kann,
ohne das giftige Kokain anzuwenden.
Nach eigner rhinologischer Erfahrung wird nämlich die Wirkung
des Nebennierenpräparates verstärkt, wenn es mit einem An-
ästhetikum verbunden wird. Da es ausgeschlossen ist, dem Patienten
zu beliebigem Gebrauch das Kokain in die Hand zu geben, habe ich
dieses durch Novokain ersetzt und eine Lösung von Novokain und
linksdrehendem Suprarenin synthet.!) zum Pinseln gewählt. Als Zu-
satz dazu etwas Menthol und Glyzerin. Mit dieser Lösung, wovon
5 g für einige Tage vollkommen genügen, konnte ich bei eigenen
Katarrhen und in der Praxis völlig befriedigende Erfolge erzielen,
soweit es die Abschwellung betraf, aber ein wirklich genügendes
Resultat auch bei dem bestehenden Reizzustand bekam ich erst, als
ich durch Zufall versuchte, das gegen die Keuchhustenattacken gut
bewährte Mitteln „Droserin“ mit obiger Stammlösung zu kombi-
nieren.
So ergab sich also eine Novokain-Suprarenin-Droserin-Glyzerin-
lösung, die dauerhaft war und allen Anforderungen genügte.
Die Anwendungsart ist das Pinseln der Nasenmuscheln, um den
teueren und unhandlichen Spray zu sparen. Damit der Patient die
Sache richtig und aseptisch macht, werden dem Mittel aseptische in
Seidenpapier gewickelte kleine Wattepinsel beigegeben. Diese sind
sofort gebrauchsfertig, werden nach einmaligem Gebrauch fortge-
worfen, sind absolut sauber und zuverlässig und müssen dem unteren
Nasengang entlang eingeführt werden. Entweder lässt man sie eine
halbe Minute ruhig liegen, oder bewegt sie leicht hin und her, wie
das der Schachtel beigegebene Bild demonstriert.
So kann das Mittel zu dem billigen Preise von 1 Mk. inkl. der
. aseptischen Wattepinsel in komprimierter, bequem in der Tasche zu
tragender Form von der Firma Dro. R. & O. Weil in Frankfurt a. M.
unter dem dieser geschützten Namen „Supradroserin“ bezogen werden.
Man könnte vielleicht diese neue Komposition für überflüssig
halten, da die Farbwerke in Höchst schon fertige Lösungen von
! Es will zwar mir und anderen Spezialisten (Zarniko?) scheinen, dass
das natürliche Suprarenin dem künstlichen in der Dauer der Wirkung überlegen
ist, doch bin ich über diesen Punkt noch im Begriff, durch weitere Beobachtungen
eine feste Meinung zu gewinnen.
3] Notiz üb. gebrauchsf. Anwendungsform. v. Nebennierensubstanzen etc. 731
Suprarenin in 5 ccm und 10 ccm Flaschen abgeben. Diese Lösungen
sind ja wohl allen Ärzten bekannt und für die operative Rhinologie
gradezu unentbehrlich geworden, aber für die Selbstbehandlung sind
sie zu stark, es fehlt ihnen das wesentliche Anästhetikum und vor
allem besitzen die Patienten, denen ich bisher das Mittel verordnete,
keinen Apparat, mit dem sie es richtig in die Nasenwege einbringen
konnten. Ein blosses Aufträufeln auf einen Wattebausch und Aus-
drücken desselben bedeutet eine Vergeudung und ist gar nicht ge-
eignet, die Muscheln zu bestreichen, da die Flüssigkeit am Nasen-
boden entlang in den Rachen abläuft. Gerade diese Unbequemlich-
keit brachte mich auf die Idee, sterile Wattepinsel dazu zu geben.
Bei der Coryza vasomotoria, bei den Nasenreizungen der Asth-
matiker und beim Heuschnupfen, speziell als Vorbehandlung zur Ab-
schwellung und Austrocknung, der die Einbringung von Salbencr&me
folgen soll, ist die oben erwähnte Kombination sehr praktisch und
hat sich mir bewährt. Grade für die Heufieberkranken war es sehr
angenehm, ein Mittel in der Westentasche zu haben, das sie sofort
ohne Umstände anwenden können.
Da manche Patienten gegen die Austrocknung der Schleimhäute
einen Salbencröme als Grundlage vorziehen und da vor allem gegen
die Invasion von Pollen beim Heufieber der Fettüberzug direkt als
Schutzmittel wirkt, so habe ich auch dieselbe Kombination von
Suprarenin, Droserin und Novokain statt in Glyzerin in einem
flüssigen Vaselin unterbringen lassen, so dass für die Benutzung ein
„Supradroserincr&me“ in Tubenform zur Verfügung steht.
II. Referate.
l. Allgemeines, Geschichte usw.
489. Nils Arnoldson, Einige Erwügungen, die Pfannen-
stillsche Behandlung der Tuberkulose betreffend. Allın.
svenska läkaretidn. Nr. 37, 1910.
Arnoldson wirft Pfannenstill vor, dass sein Beweismaterial all-
zu klein sei. Meint ferner, dass es nicht bewiesen sei, dass es in seinem
ersten Fall, seiner eigentlichen „Pièce de résistance“, sich überhaupt um
Tuberkulose gehandelt habe; er schreibe zwar, dass ein „Präparat vom
Schlunde“ Tuberkelbazillen enthielt, erwähne aber nicht, ob es sich um
eine histologische Untersuchung oder nur um ein Ausstrichpräparat handle.
Dass die Behandlung in dem betreffenden Falle wirklich eine günstige
Wirkung gehabt, sei wahrscheinlich, indem ein deutlicher Parallelismus
zwischen der Instituierung der Behandlung und der Heilung der Geschwüre
bestehe; Arnoldson meint aber, dass es sich eher um einen ulzerativen
Prozess anderer Art gehandelt habe. — In dem zweiten Falle finde man
so grosse Unübereinstimmungen in der Beschreibung des laryngoskopischen
Befundes, dass man ihn nicht verwerten könne, ferner scheint der Fall
tatsächlich durch die vorgenommene endolaryngeale chirurgische Behand-
lung geheilt. — In: dem dritten Falle bestehe kein Anhalt für die Annahme
einer Tuberkulose; ausserdem sei die Nasenaffektion schon vor dem An-
fange der Pfannenstillschen Behandlung geheilt, so dass nur ein
Hautgeschwür übrig bleibe. Jörgen Möller.
490. Fletcher-Ingals, Chicago, Quininae and Urea Hydrochlorate
as a Local Anesthetic. (Urea-Chinin als Lokalanisthetikum.)
Annals of Otolog. 1910, Nr. 3.
Die von anderen Autoren angewandte 20°/o Urea-Chinin-Lösung fand
Autor zu konzentriert. Um raschere Anästhesie herbeizuführen und gleich-
zeitig Blutung zu verhindern, verwendet er eine Mischung von 15 Din Urea-
Chinin, 5°'o Kokain in 1: 1000 Suprarenalin. Dadurch konnte eine stunden-
lang andauernde Anästhesie erzeugt werden, wovon sich Verf. bei ver-
schiedenen intranasalen und laryngealen Eingriffen überzeugte. Besonders
734 Referate. (2
viel verspricht sich Autor von diesem neuen Mittel bei der Behandlung
des Heufiebers. Otto Glogau, New York.
491. Josef L. Goodale, Boston, The manifestations of recur-
rent influenza in the nose and throat. (Die rekurrierende
Nasen-Rachen-Influenza.) Annals of Olologie, Laryngology
and Rhinology. 1910, Nr. 3.
Nach einer primären Entzündung des Lymphgewebes im Rachen und
Rasenrachenraum greift der Prozess auf die Schleimhaut der Nasen-Neben-
höhlen, der Trachea und den Bronchien über. Charakteristisch ist eine
einseitige eitrige Ethmoiditis, verbunden mit einer zirkumskripten Bronchitis
derselben Seite mit eitrigem Auswurf. Diese Anfälle wiederholen sich häufig.
Die Behandlung besteht im Anfangsstadium in Abgeschlossenheit und Ruhe,
bei Nachlass des Fiebers in Klimawechsel. Die Granulationen im Pharynx
werden mittelst roher Karbolsäure oberflächlich kauterisiert. Die Prophy-
laxis besteht in Verödung der Rachenwandfollikeln und der Mandelkrypten
durch starke Bepinselung des Nasenrachenraumes mit dünner Höllenstein-
lösung. Otto Glogau, New York.
492. A. Hartmann, Berlin, Ein neuer Zangengriff. Mediz. Klinik.
Nr. 7, 1911.
Der Zangengriff besteht aus einem Handgriff, der in die volle Faust
genommen wird und in einem Fingergriff für den Zeigefinger. Hierdurch
wird dem Ubelstande abgeholfen, dass das Zangenende beim Offnen und
Schliessen die Lage wechselt. Sippel, Würzburg.
493. 8A.Pfannenstill, Malmö, Einige allgemeine Bemerkungen
und Versuche, betreffend die Behandlungsmethode lokalinfek-
tiöser Prozesse, namentlich Lupus und Tuberkulose mittelst
Jodnatrium und Ozon oder Wasserstoffsuperoxyd. (Übers. aus
dem Schwedischen.) Prager med. Wochenschr. 1911, Nr. 6.
Das Prinzip der Behandlung Pfannenstills ist, einen bakteriziden
Körper innerhalb des lebenden Gewebes zu bilden oder darzustellen. Da-
durch erreicht man 1. Tiefenwirkung, 2. intensive antiseptische Wirkung,
da sich der betreffende Körper in statu nascendi im Gewebe befindet.
Hierzu dient Pfannenstill die innerliche Anwendung von Jodnatrium
bei lokaler Verwendung von Ozon, wodurch Jod frei wird. Seit Mai 1910
ersetzt Pfannenstill das Ozon durch Wasserstoffsuperoxyd (1—3/o),
welches aber mit !/—1°/o Essigsäure versetzt sein muss.
Für den Rhinologen wichtig ist die Verwendung bei Nasentuberkulose,
wobei die Nasenhöhle mit in obiger Lösung getränkter Gaze austamponiert
wird; innerlich Jodnatrium in üblichen Dosen. Was die Kehlkopftuber-
kulose anbelangt, so sind Fälle solcher mit Lungentuberkulose, zumal
wenn selbe im vorgeschrittenen Stadium sich befindet, auszuschliessen,
ebenso tiefgehende Prozesse (also so ziemlich alle Kehlkopftuberkulosen,
Ref.).
Die Erfolge bei Nasentuberkulose und Gesichtslupus sind ausgezeichnete.
R. Imhofer.
3] Referate. (35
494. Max Senator, Die Behandlung des Schleimhautlupus.
Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 5.
Bei jedem Lupusfalle hat, ohne Rücksicht auf scheinbare Isolierung
auf die Aussenhaut, grundsätzlich die Rhino-Laryngologie mitzuwirken.
Therapeutisch ist die chirurgische Entfernung alles kranken mit scharfem
Löffel, Konchotom und Galvanokauter anderen Methoden vorzuziehen.
Durch Schwangerschaft ist eine ungünstige Beeinflussung zu befürchten, so
dass ihre Unterbrechung oder Verhütung bei vorhandenem Lupus der oberen
Luftwege zu Recht besteht. Verf. regt für Berlin die Bildung eines Vereins
für Lupusfürsorge nach Hamburger Muster an. Hirsch, Magdeburg.
495. Kr. Thue: Argyrie nach Pinselung mit Argentum nitricum.
Norsk magasin for legevidensk. Nr. 4, 1910, S. 360.
Patient hatte sich auf eigene Faust wegen „Scharbock“ viele Jahre
hindurch häufig mit einem Höllensteinstift in den Mund gepinselt, hatte
im ganzen 5—6 Stifte verbraucht. Es war eine ausgesprochene Argyrie
vorhanden. Jörgen Möller.
496. N. Wolkowitsch, Kiew, Zur Statistik und dem Vorkommen
des Skleroms (Rhinoskleroms) in Russland. Monatsschrift /.
Ohrenheilkunde etc. Heft I, 1911.
Vorliegende statistische Arbeit behandelt an erster Stelle die geogra-
phische Verteilung von 128 Skleromfällen über 19 russische Gouvernements
bzw. deren Kreise, weiterhin die Verhältniszahlen zwischen den beiden
Geschlechtern und das Alter der Patienten.
In 116 Fällen ist die genauere Lokalisation der Erkrankung ange-
geben. Von diesen Fällen war 109 mal die Nase affiziert, d. h. in an-
nähernd 94/0.
Von diesen 109 Fällen ist nur in 97 Fällen eine Affektion der
äusseren Nase vermerkt. In 12 Fällen, von denen 10 dem Verf. gehören,
waren ausserhalb keine Veränderungen vorhanden, sondern nur innerhalb
der Nasenhöhle. In 2 Fällen erstreckte sich die Erkrankung ausschliess-
lich auf die Nasenhöhle, in den übrigen bestanden gleichzeitig Verände-
rungen im Pharynx und auch im Kehlkopf, sowie der Trachea.
Eine Erkrankung des Pharynx bestand in 86 Fällen oder in an-
nahernd 74°/o, welche Zahl sich dem Prozentsatz der Pharynxerkran-
kung (67) nähert, den Verf. in einer früheren Arbeit erwähnt hat.
Eine Erkrankung des Kehlkopfes endlich bestand in 32 Fällen oder
in 28°/o, ebenfalls ein Prozentsatz, der demjenigen, einer früheren Statistik
Wolkowitschs gleichkommt (23). - Sippel, Würzburg.
2. Nase und Nebenhöhlen.
497. Aboulker, Beitrag zum Studium des angeborenen Ver-
schlusses der Choanen. Archives internationales de Laryngo-
logie. November-Dezember 1910.
Die Operation besteht in der Perforation des Verschlusses, mit dem
Messer oder dem galvanokaustischen Brenner, wenn der Verschluss hiiutiy
ist, mit dem Meissel und dem Hammer oder besser mit dem Bohrer, wenn
der Verschluss aus Knochen besteht. Nachher führt Verf. einen Gummi-
736 Referate. {4
oder Metallschlauch ein, um die Wunde klaffend zu halten. Bei der Ope-
ration soll.man die Ränder gut abtragen, bis man die normalen Grenzen
seitwärts und bodenwärts erreicht hat. Menier.
498. Broeckaert, Nasale Neuralgie. (Nevralgie nasale.) An-
nales des maladies de l'oreille. Tome XXXVII, Nr. 1.
Offenbar versteht Broeckaert unter nasaler Neuralgie Schmerzen
in der Nase, denen nicht eine manifeste Ursache untergeschoben werden
kann. Da diese Schmerzen mitunter ganz intolerabel werden können, so
ist in Ermangelung jeder anderen Medikation die chirurgische Intervention
in Frage zu ziehen. Das Studium der Nervenversorgung der Nase zeigt,
dass hierbei in Frage kommen das Ganglion Meckeli, der Nervus nasalis
externus und der Nervus nasalis internus. Da die Zerstörung des Meckel-
schen Ganglions in jedem chirurgischen Lehrbuch beschrieben ist, so be-
schränkt sich Broeckaert auf die Beschreibung der Aufsuchung der
Nasennerven. Selbstverständlich darf man sich nicht mit der Durch-
schneidung der Nerven begnügen, sondern muss dieselben, so gut es geht,
ausschneiden, um Rezidive zu verhüten. Dass Broeckaert vier Fälle und
Gelegenheit hatte, die Eradikation der Nasennerven zu machen, ist gewiss
ein besonderer Zufall, da wir doch im allgemeinen, auch bei sehr ausge-
dehnter Praxis, nicht leicht so viel unheilbare Gesichtsneuralgien, und um
solche Falle handelt es sich doch, zu sehen bekommen. Persónlich batten
wir Gelegenheit einen Fall bei einem 72jährigen Patienten zu beobachten,
bei dem wegen einer hartnäckigen äusserst heftigen Neuralgie im Gebiete
des Nervus infraorbitalis die Neurektomie anempfohlen worden war.
Später stellte es sich heraus, dass diese Neuralgie die erste Manifestation
einer syphilitischen Ostitis war, die später zur Sequestration des aufsteigen-
den Fortsatzes des Oberkiefers geführt hat. Übrigens handelt es sich in
den vier Fällen von Broeckaert nicht um eigentliche „Neuralgie der
Nasennerven*, sondern um Neuralgie des zweiten Trigeminusastes, wenigstens
in drei Fällen, und wurde auch tatsächlich in diesen Fällen der zweite
Trigeminusast mit seinem Ganglion herausgerissen. Lautinann.
499. W. Sohier Bryant, New-York, Anterior submucous bone
forceps (Knochenzange fiir das vordere Septum.) Journal
Amer. med. Assoc. Mai 1910.
Eine kräftige, schlanke Beisszange zur Entfernung der Spina maxil-
larıs, auch für Mastoidoperationen verwendbar.
Otto Glogau, New York.
500. Rob. Foy, Ozüna und Atemübungen. Ein neuer therapeu-
tischer Versuch (Ozéne et reéducation respiratoire nasale,
Nouvel essai therapeutique). Annales des maladies de l'oreille etc.
Tome XXXVI, Nr. 12.
Im allgemeinen glaubt man doch, dass die Oziinakranken hauptsach-
lich daran kranken, dass der Luftstrom zu rasch durch die erweiterten
Nasenhóhlen hindurchstreicht, das Sekret hierdurch zu stark durchtrock net
wird, zu Krusten erstarren kann usf. Alles das ist nach Foys Meinung
falsch und im Gegenteil kommt alles Übel davon, dass die Ozàna-
kranken gar keine Nasenatmung haben, der wohltuende, desinfizierende
Luftstrom durch die Nase fehlt, das Sekret leicht in Fäulnis gerät usf.
5] Referate. (di
So kam Foy auf die Idee, Luft und zwar komprimierte Luft in die
Ozänanase zu treiben, die Patienten regelmässig Atemübungen machen
zu lassen. Was die Atemübungen anlangt, so unterscheiden sich die Vor-
schriften Foys nicht von den gangbaren, die das Wiedererlernen der
Atmung durch die Nase zur Aufgabe haben. Höchstens wäre zu erwähnen,
dass die Patienten einen kleinen Dilatator in die Nase eingesetzt bekommen,
der vom Feldbauschschen verschieden, sich nicht auf das Septum stützt.
Komplizierter hingegen ist der Apparat, mit dem Foy komprimierte Luft
in die Nasenhóhlen der Kranken eintreibt und es ist nicht wahrscheinlich,
dass dieser Apparat sich bald unter den gewöhnlichen Utensilien des Rhino-
logen finden wird.
Was die Resultate anlangt, so müssen dieselben nach der Beschrei-
bung des Autors direkt als glänzende bezeichnet werden. Die neun Fälle,
die von Foy genau beschrieben wurden, und die als typische Fälle von
Ozäna betrachtet werden müssen, sind sämtlich geheilt, ohne Rezidive
nach Aufhören der Behandlung. Man kann insofern von Heilung sprechen,
als die Patienten nach Sistieren der Behandlung keines der bekannten
Symptome der Ozäna bieten und weder Waschungen zu machen haben,
noch Pomade, Pulver etc. in die Nase einzuführen haben. Es wird die
Zukunft lehren, inwieweit die Behandlung der Ozäna mit komprimierter
Luft auch in Händen anderer Beobachter, als in denen des Erfinder,
Dienste leisten wird; jedenfalls sind einige der von Foy behandelten
Falle in der franzósischen Gesellschaft fir Otolaryngologie vollstandig
geheilt vorgeführt worden. Lautmann.
501. Otto F. Freer, Chicago, The resection of bony deflections
of the nasal septum. (Die Resektion der knöchernen Septum-
deviationen.) Annals of Otology ete. 1910, Nr. 3.
Nach eingehender Schilderung der pathologisch-anatomischen Ursachen
der Septumdeviation, erläutert durch zahlreiche treffliche Illustrationen,
schildert Verf. seine Operationsmethode, die in der Bildung eines umge-
kehrten L-Lappens gipfelt, der durch horizontale Inzision langs des Nasen-
bodens, mit von hier aus beginnender Ablósung des Perichondriums, sowie
durch vertikaler, von innen erfolgter Durchtrennung des vordersten Teiles
des Mucoperichondriums besteht. Der vom Assistenten mittelst spezieller
Retraktoren zurückgehaltene Lappen gewährt ein übersichtliches Operations-
feld. Die Loslösung des Perichondriums und Periosts geschieht grössten-
teils mittelst scharfer spezieller Instrumente, während die knöcherne Deviation
mittelst der starken Freer- Grünwald-Zange stückweise entfernt
wird. Die Spina supramaxillaris wird mittelst Meissel entfernt. ^ Referent
sah D. Freer in dessen „Office“ in Chicago eine submuköse Resektion
ausführen und fand diese Methode, bei der Patient auf einem leicht hand-
lichen zahnärztlichen Operationsstuhle horizontal liegt, äusserst genial, wenn
auch ihre durch die viele Detailarbeit verursachte lange Dauer ihr einen
Nachteil gegenüber der allgemein üblichen Methode verschafft.
Otto Glogau, New York.
502. Fröschels, Wien, Über die verschiedenen Formen des Näseln
mit besonderer Berücksichtigung der Indikationsstellung für
Nasenoperationen. Wiener med. Wochenchr. 1911, Nr. A.
Es gibt eine Form der Rhinolalia clausa, bei der die Ursache nicht
in einem organischen Hindernis der Nase oder des Rachens, sondern in
738 Referate. [6
einer übermässigen Kontraktion des Gaumensegels beruht. Man konstatiert
sie, indem man eine kräftige Sonde durch die Nase in den Rachen führt
und beim Aussprechen eines geeigneten Wortes einen kräftigen Druck auf
das Gaumensegel ausübt. Verschwindet dabei der nasale Klang, so handelt
es sich um einen solchen Fall, und Heilung ist nicht durch operative,
sondern durch Übungstherapie zu erzielen.
Max Levy, Charlottenburg.
503. José Garcia del Mazo, Epitelioma del párpado inferior y
ala de la nariz tratado y curado por el radio. (Epithelioma
des unteren Lides und des Nasenflügels mit Radium be-
handelt. Heilung.) Revista ibero-americana de Ciencias médicas.
Enero 1911.
Krankengeschichte einer 54jährigen Frau, die ein ausgedehntes Ejpi-
thelioma trug, welches nach einer achtmonatlichen Radiumbehandlung geheilt
wurde. Die Narben sind ganz klein. Menier.
504. Harold Hays, New-York, Epistaxis in its relation to
various eonstitutional diseases. (Die Beziehung zwischen
Nasenblutung und Allgemeinerkrankungen.) XN.-Y. Medic.
Journal. Sept. 24, 1910.
Verf. stellt sieben Gruppen von Allgemeinerkrankungen auf, die nit
Nasenbluten verbunden sein kónnen.
1. Infektionskrankheiten: Typhus, Masern, Scharlach, Di-
phtherie, Keuchhusten, Zerebrospinalmeningitis, Pneumonie, Influenza,
Erysipelas und Pocken.
2. Anämie und andere Blutkrankheiten: Anämie, sekundäre Anämie,
Chlorose, perniziöse Anämie, Hämophilie, Leukozythämie, Purpura haemor-
rhagica, Skorbut, Malaria.
3. Krankheiten der Zirkulation:
a) Herzklappenfehler und Aneurysmen,
b) Leberzirrhose,
c) chronische interstitielle Nephritis,
d) Arteriosklerose, Apoplexie, Endarteritis obliterans.
4. Respiratorische Krankheiten: Chronische Bronchitis, Emphysem,
Pleuritis, Empyema ete.
5. Syphilis, Tuberkulosis, Lepra, Karzinoma.
6. Vikarióse Menstruation, Caissonkrankheit.
7. Vergiftungen: Phosphor, Chloralamide, Salizylsäure.
Verf. rät dem Spezialisten mit Recht, sich auch mit Allgemeinerkran-
kungen vertraut zu halten, da zwischen diesen und den sogenannten
Spezialkrankheiten ein inniger Zusammenhang besteht.
Otto Glogau, New York.
505. Heinrich Illig, Stuttgart, 1. Beitrag zur Kenntnis der
Nebenhöhlen der Nase der Haussäuger. 2. Uber den histo-
logischen Aufbau der Schleimhaut der Nebenhöhlen der Nase
bei den Haussäugetieren. 3. Die Entwickelung der Neben-
höhlensysteme beim Rind. Diss. Giessen 1910, 96 s. 8 T.
Zum Referat ungeeignete Detailstudien. Fritz Loeb, München.
1] . Referate. 439
506. Mermod, Über die Aspirationsmethode bei der Sinusitis
frontalis. Verglichen mit den anderen diagnostischen Ver-
fahren. Arch. internat. de Laryngologie. November- Dezember 1910.
Die Aspiration, welche mit einer 60 Kubikzentimeter enthaltenden
Spritze ausgeführt wird, ist, nach Verf., die sicherste Methode, um Eiter
in der Stirnhöhle zu entdecken. Die mit einem olivenförmigen Ansatz
versehene Spritze wird in die eine Nasenhöhle eingeführt, während die
andere luftdicht verschlossen wird, und indem Patient einen Kehllaut aus-
spricht oder einen Schluck Wasser hinunterwürgt, wird aspiriert.
` Menier.
507. Rethi, Wien, Über Septumoperationen im jugendlichen Alter.
Wiener med. Wochenchr. 17. Nov. 1910.
Verf. hat im ganzen 7 Fälle gesehen, in denen bei Kindern im Alter
von 7—12 Jahren die submuköse Septumresektion ausgeführt worden ist.
In keinem von diesen Fällen war der Knorpel in zu grosser Ausdehnung,
etwa zu weit nach vorn hin, abgetragen worden. Trotzdem entstand in
allen Fällen eine leichte Einsenkung des Nasenrückens. Verf. rät deshalb,
bei Kindern die Operation nur in den zwingendsten Fällen und auch dann
unter tunlichster Schonung des Knorpels auszuführen.
Max Levy, Charlottenburg.
3. Rachen.
508. Coll y Bofill, Influenciu de las amigdalas en el desarrollo
de la tuberculosis. (Rolle der Tonsillen in der Tuberkulose-
entwickelung.) Revista barcelonesa de Eufermedades de vido
31 Diciembre 1910.
Schlussfolgerungen: Es existiert eine larvierte Form der Gaumen-
und Pharynxtonsillentuberkulose, welche von der gemeinen Hypertrophie
unabhängig ist. - Die sekundäre Form ist ziemlich häufig; die primäre
hingegen ungleich seltener. Die Tonsillentuberkalose kann die benach-
barten Ganglien, die Pleura und die Lungen ergreifen. Darum ist die
Entfernung der hyperplastischen oder chronisch infizierten Tonsillen eine
rationelle und empfehlenswerte Operation. Menier.
509. Eseat, Pharyngodynie bei Influenza. Rev. hébd. de laryng.,
1910, Nr. 51.
Escat beobachtete wührend einer Influenza-Epidemie 2" gleichartige
Fülle die durch sehr heftige Halsschmerzen bei minimalem Befund aus-
gezeichnet waren. Im Halse fand sich hóchstens ein Erythem von mássiger
Intensität. Die Fälle begannen stets plötzlich, unter Gliederschmerzen,
verliefen gutartig, hinterliessen aber sekundäre Schwächezustände. In allen
diesen Zeichen gleicht die „schmerzhafte Form der Grippe-Angina“ durch-
aus der Angina herpetica von Grübler-Laségue, und so ist Escat
geneigt — trotz Fehlens der Bläschen bei der ersteren —, beide für iden-
tisch zu halten, zumal er bei zwei Brüdern gleichzeitig beide Formen fand.
Sie seien danach dem Herpes zoster verwandt. Neuralgische Affektionen
kommen bekanntlich bei Influenza öfters vor.
Arthur Meyer, Berlin.
140 | Referate. KE
510. E. M. Holmes, Boston, Carcinoma of the Uvula. (Krebs
des Züpfehens.) Annals of Otology ete. 1910, Nr. 3
Nach Angabe der Literatur schildert Verf. seinen Fall: Vor acht
Monaten bemerkte Patient ein steifes Gefühl am weichen Gaumen, drei
Wochen später schwoll das Zäpfchen an und begann bald zu zerfallen.
Lokale Behandlung war erfolglos gewesen.
An Stelle der Uvula fand sich bei Untersuchung eine geschwürige
granulierende Flache vor, die von einer sich weit in die Gaumenbógen
erstreckenden knotigen Geschwulst umgeben war. Der weiche Gaumen
wurde samt Gaumenbógen und Mandeln radikal entfernt. Mikroskopische
Diagnose: Karzinoma. Nach einigen Monaten mussten wegen Schwellung
und Schmerzhaftigkeit die oberflàchlichen Halsdrüsen entfernt werden, wo-
bei eine platzte und mit ihrem Eiter die Wunde infizierte, Nach Inzision
einer fluktuierenden Geschwulst unter dem M. sternocleidomastoideus trat
Erysipelas mit tódlichem Ausgange auf. Otto Glogau, New York.
511. F.Kobrak, Berlin, Tonsillotomie oder Tonsillectomie? Mediz.
Klinik. Nr. 7. 1911..
Verf. will die Tonsillektomie nur bei besonderen Formen der Ton-
sillarhypertrophie, die gleichzeitig mit bestimmten Symptomenkomplexen
verbunden sind, angewendet wissen:
1. Bei rezidivierenden peritonsillären Abszessen.
2. Bei kryptenreichen, pfröpfereichen Tonsillen, die mit artikulär rheu-
matischen Beschwerden einhergehen. Sippel, Würzburg.
512. M. Kretschmer, Berlin, Beitrag zur Bekämpfung der Ba-
zillenpersistenz bei Diphtherierekonvaleszenten. Med. Klinik.
Nr. 3. 1911.
Von allen Mitteln, die Diphtheriebazillenpersistenz bei Rekonvales-
zenten abzukürzen und so auch eine Weiterverbreitung der Krankheit durch
Bazillenträger hintanzuhalten, empfiehlt Verf. als geeignetstes Verfahren
das Ausquetschen der Gaumentonsillen mit dem Hartmannschen Ton-
sillenquetscher. Diese Methode muss so angewendet werden, dass man
nach zirka 3 Wochen, vom Krankheitsbeginn gerechnet, eine Tonsillen-
quetschung und sofortige Abstrichkultur vornimmt und je nach dem Aus-
fall der Kultur das Verfahren in Abständen von mehreren Tagen wieder-
holt, bis die Kultur negativ ausfällt. Sippel, Würzburg.
513. J. Lang, Ätiologische Behandlung der Anginen und Pha-
pipa e orlüuflge Mitteilung.) Časopis LékaYüw českých.
1911, Nr.
Versuche mit tee bei einer grósseren Anzahl von An-
ginen, darunter auch solchen mit beginnender Phlegmone, sehr gute Erfolge
nach Einpinselung oben genannten Mittels. Auch phlegmon. Anginen
bildeten sich zurück; ähnliche Erfolge mit Anginoltabletten, deren Zu-
sammensetzung zwar aus Langs Arbeit nicht ersichtlich ist, die aber
auch oben genanntes Mittel enthalten. Imhofer.
9] Referate. 441
514. Mager, Brünn, Demonstration. Wien. klin. Wochenschrift.
7, 1911. |
a) Purpura haemorrhagica mit Lokalisation an der Schleimhaut des
harten Gaumens und der hinteren Rachenwand. l
b) Sarkom des Nasenrachenraums. Ernst Seifert, Würzburg.
515. Masip, La amigdala lingual en los tuberculosos. (Die Zungen-
tonsille bei den tuberkulösen Patienten. Revista barcelonesa
de Eufermedades de vido. 31 Dic. 1910.
Schlussfolgerungen: 1. Die Zungentonsille ist verhältnismässig
háufig hypertrophisch bei Schwindsüchtigen; 2. der Husten einiger von
diesen Patienten ist durch jene Hypertrophie verursacht; 3. in einigen
wenigen Fällen anstatt einer einfachen Hypertrophie handelt es sich um
eine larvierte Tuberkulose dieser Tonsille. Menier.
516. Pugnat, Parästhesien des Pharynx als Symptom von Tu-
moren des Digestionstrakts. Rev. hebd. de laryng., 1911, Nr.1.
Bei einem Dünndarm-, einem Magen- und einem Rektumkarzinom
bestanden vor dem Manifestwerden der Tumoren Fremdkörpergefühl und
ähnliche Störungen im Rachen. Verf. nimmt einen Zusammenhang an.
Arthur Meyer, Berlin.
517. Roth, Braunschweig, Zunahme der Diphtheritis. Med. Klinik.
Nr. 3, 1911.
Bei dem starken Steigen der Diphtherie in den letzten Monaten ist
nach Ansicht des Vortragenden der Hauptwert auf die Desinfektion am
Krankenbette zu legen und die Schlussdesinfektion erst nach der bakterio-
logischen Untersuchung anzuordnen. In der folgenden Besprechung teilt
v. Holwede mit, dass die Diphtherie nach seiner Erfahrung bei Säug-
lingen scheinbar harmloser unter der Form der Rhinitis diphtherica ver-
läuft. Säuglinge seien als lange Bazillenträger zu fürchten und sollten
vor der Schlussuntersuchung nicht freigegeben werden.
Sippel, Würzburg.
518. Rugani, Über fäkale Inkontinenz und Urininkontinenz bei
adenoiden Wucherungen. Archives internat. de Laryngologie.
November-Dezember 1910.
Verf. teilt einige Fälle von fäkaler Inkontinenz entweder allein oder
mit Enuresis kombiniert, dann Fälle von einfacher Enuresis, bei welchen
die Abtragung der Wucherungen mit einer nachfolgenden Jodkur diese
lästigen Symptome beseitigte.
Dieser Symptomenkomplex wäre von den Drüsen mit innerer Sekretion
(Schilddrüse und Nebenniere) abhängig, vielleicht auch von dem Atmungs-
hindernis. Menier.
519. Seifert, Über phlegmonöse Amygdalitis praeepiglottiea.
Rev. hebd. de laryng., 1911, No. 1.
Mitteilung eines schweren Falles von Abszess der Zungenmandel, der
durch Inzision entleert wurde. Nachblutung stand nach Applikation eines
Tampons mit dem Finger. Arthur Meyer, Berlin.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III. H. 6. 49
142 Referate. [10
520. E. Marther, Sill, Diphteria in children (Diphtherie bei
Kindern). Am. Journ. of Obstetrices and Diseas. of women
and children. Nr. 6, 1910.
Von 757 beobachteten Fällen waren 521 im Rachen, 166 in der
Nase und 70 im Kehlkopf lokalisiert.
Von 155 Fällen klinisch diagnostizierter Diphtherie waren 611/2%;o
in bezug auf Klebs-Loeffler positiv, 38?/s9/o jedoch negativ.
Von 127 Fallen einfacher Halsentzündung (ohne Membranbildung)
wiesen 4493/49/; die Klebs-Loeffler-Bazillen auf.
Nasale Diphtherie hat fast nie Fieber im Gefolge und ist, in Er-
mangelung sonstiger konstitutioneller Symptome, am ,septischen Blick“ zu
erkennen. (Von der dabei auftretenden charakteristischen Nasenblutung
spricht Verf. nicht. Ref.) Otto Glogau, New York.
4. Kehlkopi.
521. H. Arrowsmith, Brooklyn, Vincents Angina involving
the Larynx exelusively. (Vincents Angina des Kehlkopfs.)
Annals of Otolog. etc. 1910, Nr. 3.
1. Fall: 26jähriger Mann klagt über zunehmende Heiserkeit und
Atemnot. Ödematöse Schwellung des ganzen Kehlkopfs. Heilung durch
Tracheotomie. Um den Hautschnitt herum entwickelten sich in der Tiefe
mehrere Abszesse, deren Eiter ungeheuere Mengen von Bacillus fusiformis
und Vincents Spirille enthielt. Gelegentlich des wegen erneuter Atem-
not wiederholten Luftröhrenschnittes erwies sich das Innere der Luftröhre
als von Reinkulturen der erwähnten Keime überschwemmt. Mittelst Laryngo-
tomie wurde aus dem Kehlkopfe eine krümmelige, käsige Masse entfernt,
die ebenfalls von diesen Keimen besät war, In Mund und Rachen konnte
die charakteristische Läsion ebenso wie die Mitbeteiligung der nächsten
Drüsen nicht nachgewiesen werden.
2. Fall: 41jähriger Mann, Heiserkeit, Schlingbeschwerden: Schwellung
der submaxillaren Drüsen. Das Kehlkopfinnere war von einem schmutzig-
weissen Exsudate belegt, das mikroskopisch Bac. fusiformis und Vincents
Spirille aufwies. Das Sputum enthielt Tuberkelbazillen, der Lungenbefund
ergab Schwindsucht. Otto Glogau, New York.
522. Cibanto J. Bretón, Dos casos de absceso prelaríngeo de
la misma procedencia. (Zwei Fülle von prülaryngealem Ab-
szess desselben Ursprungs.) Revista ibero americana de Cienciss
médicas. Enero 1911. |
Es handelt sich um zwei prilaryngeale Abszesse, welche dieselbe
Ursache hatten, nämlich die Einführung einer Kornähre durch den Mund;
in einem Falle wurde der Fremdkörper in der Nähe der Membrana crico-
thyroidea, im zweiten in der Nähe der Membrana thyro-hyoidea ausge-
stossen, Menier.
523. 0. Chiari, Wien, Angeborene Lappenbildung an den Wris-
bergschen Knorpeln. Wiener med. Woch. Neujahr 1911.
Verf. beobachtete in 3 Fällen lappenartige bindegewebige Auswüchse
an den Wrisbergschen Knorpeln, die in allen Fällen stationär blieben
11] Referate. 143
und syınmetrisch sassen. Verf. hält sie für angeboren. Beschwerden (Stimm-
störungen) bestanden nur in einem Falle.
Max Levy, Charlottenburg.
524. Claoué, Über die Behandlung der diffusen Papillome des
kindlichen Kehlkopfes mit gebrannter Magnesia. Annales des
maladtes de loreille, Nr. 1, 1911.
Es ist zwar schon das Arsenik auch in verzweifelten Fallen von
rezidivierenden Papillomen des Kehlkopfes empfohlen worden, aber gewiss
ist die interne Verabreichung von Magnesia noch leichter und gefahrloser
wie die des Arseniks. Dazu kommt, dass die gebrannte Magnesia in der
Tierarznei gerade gegen Papillome schon seit alter Zeit in Verwendung ist.
Die zwei Fälle, die Claou& mitteilt, sind sehr überzeugend, insofern als
in einem Falle alle Behandlung, medikamentöse sowie chirurgische ge- `
scheitert war und Claou& die Eventualität einer Laryngotomie erwog.
Im zweiten Falle waren dem Kinde unter direkter Laryngoskopie die
Papillome exzidiert worden und doch trat Rezidive nach einem Monate ein.
Beide Fälle genasen unter wochenlanger Verabreichung von 50 Zentigramm
Magnesiarusta. Ein ähnlicher Fall, von rezidivierenden Papillomen des
Kehlkopfes und des Rachens, ist von Sargnon ebenfalls unter Magnesin-
verabreichung ausgeheilt worden. Lautmann.
525. Wolf Freudenthal, New-York, Laryngitis dolorosa. Ann.
of Otol. and Rhin. 1910, Nr. 3.
Von den schmerzhaften Kehlkopfaffektionen bespricht Verf. nur die
tuberkulöser Art. Neben Orthoform ünd Anästhesin wendet er Heydens
Omorol und das von Stürmer und Lüders (Hamburg) angegebene
Propäesin mit Erfolg an. Die von Hoffmann (München) empfohlene
Alkoholinjektion in den Nervus laryngeus superior versuchte er in 3 Fällen
mit teilweisem Erfolg und empfiehlt die Entfernung von Tuberkulomen
durch Laryngotomie. Otto Glogau, New York.
526. Gignoux, Ein Fall von kombinierter Kehlkopflähmung nach
Trauma. (Un cas de paralysie laryngee associée d'origine
traumatique.) Annales des maladies de Voreille etc. Nr. 12,
1910.
Es ist eigentlich unerklarlich, warum wir den Symptomenkomplex der
kombinierten Kehlkopflàhmung noch aufrecht halten. Über den Sitz der
Erkrankung sagt uns eine solche kombinierte Làmung vom Typus A vellis,
Jackson, Schmidt etc. gar nichts und über die Natur der Krankheit
noch weniger. Dazu kommt noch, dass man kaum von einem Laryngo-
logen mehr verlangen kann, alle die verschiedenen Typen zu kennen, von
denen es noch dazu typische und atypische Formen gibt. Der vom Autor
beobachtete Fall ist der folgende: Ein 34jähriger Arbeiter erlitt vor zwei
Monaten eine Basisfraktur und klagt seither über Taubheit, Stimmstörung,
Behinderung der Beweglichkeit des Halses und der Schulter. Bei der
Untersuchung konstatiert man: Lähmung des M. trapezius und sternocleido-
mastoideus links; Paralyse des Facialis links, den Stirn- und Unterkiefer-
ast betreffend; linkes Stimmband in Paramedianstellung. Keine Sensi-
bilitätsstörung, Vollstandige Taubheit links. Gaumensegel normal. Zunge
normal. Puls regelmässig. Unser Autor nennt diese Lähmung eine Läh-
49*
744 Referate. (12
mung nach Tapia, möglich, aber für die Diagnose ist damit gewiss nichts
gewonnen. Wen diese Frage interessiert, der findet im vorliegenden Artikel
eine genaue Zusammenstellung des über die „kombinierten Larynxläh-
mungen“ publizierten Materials. Lautmann.
527. O.Haenlein, Berlin, Erkrankungen der Stimme (Phonasthenie)
und auf Stimmbildung bezügliche Untersuchungen. Jedi.
Klinik. Nr. 3, 1911.
Phonasthenie, ihre Ursachen, Untersuchungsmethoden und Therapie
bei einzelnen Autoren. Sippel, Würzburg.
528. Hansberg-Dortmund, Demonstration eines Falles von halb-
seitiger Resektion des Kehlkopfes wegen Karzinom. Mediz.
Klinik. 33, 1910.
Sitz der Geschwulst war die Gegend des rechten Morgagnischen
Ventrikels, Epithel intakt. Die rechte Kehlkepfhälfte bei Phonation unbe-
weglich, linke Seite intakt. Zunächst Tracheotomie mit gleichzeitiger Skelet-
tierung der rechten Kehlkopfhälfte, nach 10 Tagen unter Lokalanästhesie
Laryngofissur und vollständige Entfernung der rechten Kehlkopfbälfte mit
Schonung der Ringknorpelplatte; Deckung des Defekts mit gesunder
Schleimhaut von der hinteren Fläche der Aryknorpelgegend. Ernährung
mittelst durch die Nase eingeführten Schlauches. Verlauf reaktionslos.
Sippel, Würzburg.
529. Francis R. Packard, Philadelphia, History of a case of
recurrent Papilloma of the Larynx. (Rezidivierendes Kehl-
kopfpapillom.)
Innerhalb von 30 Jahren wurde Patient unzählige Male intralaryngeal
und zweimal mittelst Kehlkopfschnittes operiert, ehe die stets sofort wieder
aufschiessenden papillomatösen Massen vollständig entfernt wurden. Wichtig
ist, dass — wie mikroskopisch nachgewiesen wurde — die Gutartigkeit
dieses Neugebildes sich während dieses grossen Zeitraumes bei so vielen
Traumen sich nicht verändert hat. Otto Glogau, New York.
530. E. Pasch, Breslau, Untersuchungs-Ergebnisse bei sprach-
gebrechlichen Kindern. Monatsschrift f. d. ges. Sprachheilk.
Nov.-Dez. 1910.
Bericht über Untersuchungsmethode und -ergebnisse an Breslauer
Schulkindern im Jahre 1909. Die Untersuchung der Stotterer hat einen
relativ grossen Prozentsatz an solchen Kindern ergeben, bei denen Nasen-
verengerung, hauptsächlich durch Vergrösserung der Rachenmandel, bestand.
Ernst Seifert, Würzburg.
531. N. Sack, Moskau, Ein Fall von Laryngitis gummosa, mit
606 behandelt, Monatsschr. f. Ohrenheilk. etc. Heft 1, 1911.
10jährige Patientin mit gummósen Ulzerationen an der Epiglottis, den
aryepiglottischen Falten und in der Gegend der Aryknorpel. Intramusku-
läre Injektion mit 0,2 von dem 606-Mittel.
Interessant ist die rapid ansteigende Gewichtszunahme, die zum Schlusse
175 g per Tag betrug. Nach etwa 30 Tagen durfte der Kehlkopf als
geheilt betrachtet werden. Sippel, Würzburg.
13] l Referate. 145
532. F.Sanz, Ein Fall von glosso-laryngealer Hemiplegie. (T apia-
scher Symptomenkomplex.) Archives espanoles de neuroloyza ete.
November 1910.
62jähriger Patient mit einem zerfallenen Tumor, der die ganze Epi-
glottis und die glosso-epiglottische Falte rechterseits ergriffen hatte; die
Beweglichkeit der Stimmbänder war unbeeinträchtigt. \Vegen Erstickungs-
gefahr: Tracheotomie. Einen Monat später konstatiert Verf. eine Lähmung
der rechten Zungenhälfte und des rechten Stimmbandes, welches die
Neubildung noch nicht angegriffen hatte. Es handelte sich um Lähmungen,
die durch Druck auf den Vagus und den Hypoglossus, unter dem Ent-
stehungspunkt des Nervus laryngeus superior, entstanden sind.
. Menier.
533. Steiner, Über Larynxstenose traumatischen Ursprungs mit
einseitiger Ankylose des Aryknorpels. Deutsche med. Woch.
1911, Nr. 4. Bericht des Vereins deutscher Ärzte in Prag.
Im mitgeteilten Falle betraf das Trauma (Stoss mit einer Brechstange
gegen den Kehlkopf) einen 45jährigen Mann. Die sich entwickelnde
narbige Kehlkopfstenose mit Ankylosierung des Arytenoidalgelenks wurde
dureh methodische Dilatation geheilt. Hirsch, Magdeburg.
534. Della Vedova, Über die Radikalbehandlung und die früh-
zeitige Diagnose des Kehlkopfkrebses. 7/1 Policlinico sez. Chirurg.
Dezember 1910. |
Verf. redet der Laryngotomie das Wort, welche viele Vorteile in tech-
nischer wie in therapeutischer Hinsicht darbietet. Die Hauptsache aber ist
die frühzeitige Diagnose der Krankheit, die der praktische Arzt selbst ohne
Hilfe des Spiegels stellen kann durch die Veründerungen der Stimme, die
leichte anfängliche Dyspnoe, den leichten Glottiskrampf, der durch die
Hustenstösse vermehrt wird und von wiederholten geräuschvollen Inspi-
rationen gefolgt ist. Menier.
535. J. S. Waterman, Brooklyn, Abscess of the Larynx, with
Report of a case. (Ein Fall von Kehlkopfabszess). Annals of
Otolog. 1910, Nr. 3.
Patient, der von leichter Lungenschwindsucht geheilt worden war,
bekam Atem- und Schlingbeschwerden. Schwellung und Rótung des Kehl-
kopfinneren. Fünf Tage später wurden beide Arytenoidknorpeln, die sich
als volle, runde Massen erwiesen, inzidiert und entleerten Eiter. Patient
starb an Lungengangrän. Verf. glaubt den ersten Fall von doppeltem
Kehlkopfabszess berichtet zu haben. Otto Glogau, New York.
5. Trachea, Bronchien, Ösophagus.
536. Brunk, jun., Bromberg, Demonstration eines fünfjährigen
Knaben, bei dem ein aspirierter Fremdkörper mittelst Broncho-
skopie entfernt wurde. Med. Klinik. Nr. 2, 1911.
Der Fremdkörper (Bohne) stack im unteren Teile der Trachea und
wurde von der Trachealwunde aus mit Bronchoskop und Fremdkörper-
zange unter Chloroformnarkose entfernt. Sippel, Würzburg.
146 Referate. ' [14
537. Brünings, Bericht über die Anwendung der Tracheobroncho-
skopie und der Osophagoskopie in der oto-laryngologischen
Universitätsklinik zu Jena. Zeitschrift f. Ohrenheilkunde etc.
LXII. Bd. 2. u. 3. H.
Verf. berichtet über 59 im letzten Jahre endoskopisch untersuchte
und teilweise behandelte Patienten. Da die Arbeit sehr interessant und
lehrreich, für ein kurzes Referat aber ungeeignet ist, empfiehlt es sich,
dieselbe im Original zu lesen. Oertel, Dresden.
538. Collet, Temporüre Tracheostomie bei Fremdkürpern der
Trachea und der Bronchien. Lyon médical. 1910, Nr. 41.
Verf. vereinigt beiderseits durch Naht die Wundrander der Haut und
der Trachea. Dadurch wird eine breite Öffnung gebildet, die eine leichte
Untersuchung der Trachea erlaubt, und durch welche Instrumente bequem
eingeführt werden kónnen; dadurch wird auch die Atmung, sogar ohne
Kanüle, erleichtert. Manchmal kommt es auch vor, dass: das Corpus
alienum spontan durch diese Öffnung ausgestossen wird. Menier.
539. P. Tetens Hald, Tuchnadel in der Trachea, per vias natu-
rales entfernt. Ugeskrift for Leger. Nr. 38, 1910, S. 1132.
'14jahriges Miidchen kam erst 44 Stunden, nachdem sie die Nadel
aspiriert hatte, zur Behandlung. Sie war etwas heiser und hatte anfangs
einige Erstickungsanfalle gehabt, übrigens Wohlbefinden. Die Nadelspitze
sass in der Unterfláche der linken Stimmlippe hineingebohrt, der Kopf
nach unten. Die Extraktion gelang ziemlich leicht durch Tracheoscopia
superior. Nadel 6,3 cm lang, Kopf 0,9 cm im Durchmesser.
Jörgen Möller.
540. G. Holzknecht, Wien, Ein häufiger charakteristischer Be-
fund bei neurotischen Dysphagien. Wien. klin. Wochenschrift.
5, 1911.
Häufiger als allgemeiu angenommen, liegt manchen Fällen von Schling-
beschwerden die sogenannte Rosenheimsche Ösophagusatonie zugrunde.
Infolge des atonischen Zustandes der Muskulatur passieren breiige Speisen
nicht in der normalen „geschlossenen Säule“ der Speiseröhre, sondern
bleiben lange, viertelstundenlang liegen, mit oder ohne besondere subjektive
Symptome. Auch ohne Róntgenuntersuchung kann der Befund von Resten
dickbreiiger Ingesten in den Valleculae und den Sin. pyriformes den Ver-
dacht bestärken. Infolge der Genese (Psychoneurosen) ist eine rein lokale
Behandlung aussichtslos. Ernst Seifert, Wirzburg.
541. O. Kahler, Wien, Wher Divertikel des Tracheo-Bronchial-
baumes. Monatsschr. f. Ohrenheilkunde etc. Heft 1, 1911.
Zwei Falle von kongenitalen Divertikeln der Trachea bzw. «wes
rechten Hauptbronchus. Beide nach Chiarischem Typus, der sie als
rudimentäre Bronchialäste bezeichnete (s. a. Verhandlungen Vereins Deutscher
Laryng., 8. 199 dieses Bandes). Sippel, Würzburg.
15] Referate. 447
542. R.Luis y Yague, Accidentes acaecidos en el uso de la sonda
Gottstein. (Uble Zufälle mit der Gottsteinschen Sonde.)
Revista española de Laryngologia. November-Dezember 1910.
Die Gottsteinsche Sonde bietet, in theoretischer Hinsicht, viele
Vorteile zur Dilatation der Ösophagusstrikturen ; sie wird mit eingegossenem
Wasser stark erweitert, In einem Falle platzten zwei «er Hüllen, die
innere und die mittlere seidene; das Wasser sammelte sich zwischen der
mittleren und der äusseren Hülle und es wurde sehr schwierig und müh-
sam, die Sonde zu extrahieren, da sich ein grosser seitlicher Sack gebildet
hatte, der den Ösophagus nicht passieren konnte. Um solchen Zufällen
vorzubeugen, wäre es ratsam, nur 80 höchstens 100 ccm einzugiessen (an-
statt zirka 160—180) und die Sonde mit einem Ventil oder mit einem
leicht verschlossenen Loch zu versehen. Menier.
543. Avelino Martin, Kieselstein in den rechten Bronchus
aspiriert » Höhe seiner ersten Teilung. Fer. hébd. de laryng.,
1911, Nr.
Expulaion e Einkeilung in der Glottis wührend der zur Vorbe-
reitung der Bronchoskopie vorgenommenen Tracheotomie; Extraktion durch
Kriko-Tracheotomie. 5!/sjáhriges Kind. Arthur Meyer.
544. Oddo und Aauvan, Krebs in der Speiseröhre mit tracheo.
bronchialen Drüsen und Pseudo-Vomica. Le Larynr. November-
Dezember 1910.
Es handelte sich um einen Patienten, der einen Ösophaguskrebs mit
Lungenkomplikationen hatte und bei dem die Obduktion das Vorhanden-
sein einer intertracheo-bronchialen vereiterten Drüse ergab, welche mit der
Speiseröhre kommunizierte. Kein Erbrechen der Speisen. Menier.
545. Ruseoni, Beitrag zum Studium der Fremdkörper im Öso-
phagus. Gazzetía degli Ospedali. 20. Oktober 1910.
Die Ösophagoskopie und jedenfalls die Radioskopie sind sofort zu
machen, um den Sitz des Corpus alienum zu eruieren. Wenn die
ösophagoskopischen Extraktionsversuche resultatlos geblieben sind und
besonders wenn Entzündungserscheinungen erschienen sind und wenn der
Fremdkörper hoch in der Speiseröhre sitzt, ist die Ösophagotomia externa
indiziert. Nach dieser wird die Speiseröhre. genäht, ohne dass die Schleim-
haut in den Nähten mit inbegriffen sei (wie z. B. bei der Blasennaht bei
der suprapubischen Zystotomie). Verf. verwirft die Dauerkatheter; es ge-
nügt, dünne Schläuche zur Zeit der Mahlzeiten einzuführen; damit soll
man 2 Tage nach der Operation beginnen. Menier.
546. H. v. Schrötter, Wien, Über Bronchoskopie bei Fremd-
körpern nebst Bemerkungen zur Kenntnis des Asthma bron-
chiale. Wiener med. Wochenschr. 1911, Nr. 2—5.
Bericht über 3 Fälle von Fremdkörpern in den Bronchien. Verf. führt
einen Teil der Erscheinungen (Husten, Bronchitis, asthmaähnliche Anfälle)
auf Reflexwirkung von seiten des Fremdkörpers zurück. Die manchmal
zu beobachtende günstige Wirkung der Bronchoskopie ohne Entfernung des
Fremdkörpers erkläre sich durch den reflexhemmenden Einfluss des ange-
wandten Kokains. Er erhofft aus diesem Grunde auch beim nervösen
748 Referate. [16
Asthma von der lokalen Anwendung des Kokain günstige Resultate und
stützt sich dabei auf einen Fall, bei dem er im Anfall eine krampfartige
Verengerung des rechten Hauptbronchus beobachtet zu haben glaubt.
Max Levy, Charlottenburg.
5417. Snoy, Cassel, Sarkom der Pharynxösophagusgrenze mit Er-
folg operiert nach vorhergehender Gastrostomie. Med. Klinik.
Ar. 2, 1911.
In diesem Falle handelt es sich um einen 5?jährigen Patienten mit
einem gut pflaumengrossen Sarkom, das mit breitem Stiele an der hinteren
Pharynxwand sass, entsprechend der Übergangsstelle in den Ösophagus
nach links den Kehlkopf fast erreichend.
Es wurde nun der mittlere Keblkopfschnitt gemacht, in der ursprüng-
lichen Annahme, der Tumor gehe von der hinteren Larynxwand aus. Der
Kehlkopf zeigte sich jedoch völlig frei. Vom Tumor konnte nur ein
grösseres Stück entfernt werden. Eine Fortsetzung der Operation war
wegen der Schwäche des Patienten unmöglich. In den unteren Winkel
der sonst vernähten Wunde wurde eine Trachealkanüle eingelegt. Etwas
später wurde unter Lokalanästhesie eine Magenfistel angelegt, um den
Organismus für die Radikaloperation zu kräftigen. Diese konnte 4 Wochen
später unter Narkose von der medianen Schnittwunde ausgehend mit Durch-
trennung des Zungenbeins vorgenommen werden. Entfernung des Tumors
gelang vollständig. Heilung gut.
Verf. tritt nach diesem Erfolg sehr für die vorausgehende Gastrostomie
bei Tumoren des Halsösophagus und des Hypopharynx und bei manchen
Larynxtumoren ein, sowohl wegen der Ernährung und Kräftigung des
Patienten vor der Operation, als auch der Ernährung nach dem Eingriffe.
Sippel, Würzburg.
6. Mundhöhle.
548. Comby et Schreiber, Zungensyphilom bei einem 6jührigen
Mädchen. Société de Prdiatrie. Paris, 20 Decembre 1910.
Auf dem Zungenrücken haben die Verf. eine indurierte Stelle beob-
achtet, welche die Breite eines Einfranksstückes hat. Gleichzeitig fand
man ein speckiges und gebuchtetes Aussehen der linken Lippenkommissur,
sowie Missbildungen der Zähne. In diesem Alter ist das Zungensyphilom
ein ziemlich seltenes Vorkommnis. Menier.
549. Gerber, Weitere Mitteilungen über die Spirochäten der
Mundrachenhöhle und ihr Verhalten zu Ehrlich-Hatas 606
(Salvarsan). Deutsche med. Wochenschr. 1910, Nr. 51.
Die Spirochüten bleiben an gesunden Stellen der Mundrachenhóhle
von dem Mittel meist unbeeinflusst, an spezifischen Geschwürsflächen hin-
gegen sterben nicht nur die Pallidae, sondern auch die Mundspirocháten
ab. Auch bei einem Falle von Angina Plaut-Vincenti übte das Mittel
eine energische Wirkung auf die Spirochiten aus.
Hirsch, Magdeburg.
17] Referate. 149
550. W. Gotthilf, Cassel, Weitere Erfahrungen über die Ver-
wendung von Pergenolmundpastillen. Fortschr. d. Med. 1911,
Heft 3.
Pergenolmundpastillen eignen sich zur Behandlung von Hals- und
Munderkrankungen, zur Prophylaxe der Stomatitis merc., sowie um _ bei
besonders disponierten Individuen Rachenkrankheiten zu verhiiten.
Ernst Seifert, Würzburg.
551. Clareau Portes Jones, Newport, News, A case of sub-
maxillar abscess caused by the use of an infected Tooth-
pick. (Durch infizierten Zahnstocher verursachter submaxil-
lärer Abszess.) Annals of Otolog. 1910, Nr. 3.
Beim Reinigen der Zāhne mittelst schmutzigen Strohhalms verletzte
sich Patient am vorderen Gaumenbogen. 3 Tage nachher beim Nieder-
legen und bei Druck auf den Hals tritt verlangsamtes Atmen ein. Vier
Wochen später konnte Patient den Mund nicht öffnen. Einige Tage nach-
her war Schwellung und Fluktuation über der Submaxillargegend nach-
weisbar. Jeder auf dieser Stelle ausgeübte Druck hatte sofortigen Atmungs-
stillstand zufolge, der auch beim Reinigen der Haut daselbst eintrat und
nur durch Kitzeln des Nasenrachenraumes mittelst Watteträgers behoben
werden konnte. Dasselbe Spiel wiederholte sich im Augenblicke der In-
zision, nur kam noch ausserdem ein Spasmus der Kiefer hinzu. Nach An-
sicht des Verf. lag eine Reizung des Halsganglions und eine Entzündung
des Vagus unterhalb desselben vor. Otto Glogau, New York.
552. J. Lechtmann, Zur Therapie der Syphilis mit Mergal und
Pflege der Mundhöhle mit Givasan. Der prakt. Arzt. 2, 1911.
Wie andere hat auch Lechtmann bei Verwendung der Givasan-
zahnpaste (Riedel) gute Erfolge gesehen; sie verbindet Desinfektionskraft
mit absoluter Reizlosigkeit und angenehmer Anwendungsweise. Besonders
betont wird die Wirksamkeit bei Hg-Kuren, wo dann anderweitige Mund-
spülungen überflüssig sind. Ernst Seifert, Würzburg.
553. Zinsser, Köln, Atrophia cutis reticularis cum pigmentatione,
dystrophia unguium et leukoplakia oris. Ikonographia der-
matol. V. Tab. 43, 1910.
Zwei Fälle von mehr dermatologischem Interesse, bei denen die
Leukoplakia die ganze Mundhöhlenschleimhaut betraf.
Ernst Seifert, Würzburg.
7. Grenzgebiete.
554. Ch. Müll er, Zürich, Über morphologische Blutveränderungen
bei Struma. Med. Klinik. 34, 1910.
Verfasserin kommt bei ihren Untersuchungen zu folgenden Resultaten:
Die von Kocher bei Basedowscher Krankheit gefundene Blutverände-
rung kommt .in einer gewissen Häufigkeit auch bei einfacher Struma vor,
und zwar in etwas mehr als der Hälfte der Fälle. Sie kann bei einfacher
Struma ausnahmsweise einen ebenso hohen Grad erreichen wie bei Morbus
Basedowii, ist aber meist unbedeutender. Die Verwertbarkeit dieses Sym-
«90 Referate. [18
ptoms für die Diagnose Basedowsche Krankheit erfáhrt dadurch eine
gewisse Beschrünkung. |
Das verhältnismässig häufige Vorkommen dieser Blutveränderung bei
einfacher Struma verlangt, dass bei der Beurteilung von Blutbefunden im
allgemeinen der Zustand der Schilddrüse jeweilen berücksichtigt wird.
Sippel, Würzburg.
555. Pescatore, Ems, Betrachtungen über Asthma bronchiale.
Deutsche med. Wochenschr. 1911, Nr. 8.
Verf. gibt, besonders auf Grund’ einer mitgeteilten Familienkranken-
geschichte, eine Charakterisierung des Asthmas als einer exsudativen
(Bronchial-)Neurose. Der Asthmaanfall erklärt sich durch eingetretene
Schwellung in einem Teil der feineren Bronchien.
Hirsch, Magdeburg.
556. Otto Schirmer, New-York, Optic nerve affections due to
Ethmoiditis. (Erkrankungen des Sehnervs dureh Siebbein-
zellenentzündung). American Medicine. Augnst 1910.
Wie durch äussere Gifte (Methylalkohol) eine Sehnervatrophie, durch
iunere (Nephritis) eine Erkrankung der Retina herbeigeführt wird, gelangen
bei Siebbeinzelleneiterung toxische Substanzen in den Sehnerv und erzeugen
chronische Entzündung und Atrophie der Fasern.
In dem ersten berichteten Fall, wo eine Stunde nach Eitereinbruch
aus dem Siebbein in die Orbita operiert wurde, konnte eine bedeutende
Besserung des fast erloschenen Sehvermögens herbeigeführt werden, während
im zweiten Falle, der erst 5 Monate nach Erkrankung der Siebbeinzellen
zur Behandlung kam, die Nervenfasern durch die Toxine bereits zerstört
waren. Otto Glogau, New York.
557. E. Schmiegelow, Beitrag zur operativen Behandlung der
Hypophysenleiden. Hospitalstidende Nr. 42, 1910, S. 1177.
Eine 27jährige Dame hatte seit der Pubertät eine zunehmende Akro-
megalie; 1906 Schmerzen in der rechten Schläfe und Auge, Herbst 1907
abnehmendes Sehvermögen rechts, nach 1 Jahr rechts völlige Blindheit:
Neuritis optica. Seit der Kindheit eitrige Sekretion von der Nase, wurde
deshalb Schmiegelow überwiesen: Kein Leiden der vorderen Neben-
höhlen nachweisbar. Eröffnung der rechten Keilbeinhöhle, kein Eiter.
Sehvermögen jetzt auch links vermindert. Diagnose: Hypophysistumor.
Dezember 1908 kehrte das Sehvermögen links zurück und sie befand sich
bis Februar 1910 leidlich wohl, alsdann heftige Schmerzen der rechten
Kopfhälfte und abnehmendes Sehvermögen links. Suchte 6. IV. wieder
Schmiegelow auf, der Operation anriet. Ophthalmoskopie: Atrophie rechts,
links keine; temporale Hemianopsie links. Röntgenbild: Erweiterung der
Sella turcica. 21. IV. perorale Tubage, Nase rechts umschnitten und zur
Seite geklappt, Proc. nasalis weggemeisselt und O3 nasale gehoben, äussere
Wand der rechten Nasenhöhle, sowie untere und mittlere Muschel entfernt
und knöcherne Scheidewand reseziert, wonach guter Überblick. Die Keil-
beinböhle wird geöffnet, Hinterwand perforiert und Hypophyse punktiert
mit Entleerung blutiger Flüssigkeit; Dura wird alsdann gespalten, wonach
man anscheinend in einen zystischen Hohlraum hineinkommt. Nach Aus-
löffelung Tamponade und Reposition der Nase. Verlauf gut, Sehvermögen
19) Bücherbesprechungen. (9l
des linken Auges schon nach wenigen Tagen normal. Temperatur fort-
während erhöht. 12. V. Erbrechen, Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Exitus.
Sektion: Ödem der Hirnhäute, nirgends Meningitis. Tumor 4X3 cm.
Jörgen Möller.
Ill. Bücherbesprechungen.
Philippson, Der Lupus, seine Pathologie, Therapie, Prophylaxe. Aus
dem italienischen Manuskrip: übersetzt von F, Juliusberg. Berlin, J. Springer. 1911.
In der fiir den praktischen Gebrauch verfassten und von Juliusberg
trefflich übersetzten Monographie beschreibt Philippson nach kurzen Be-
merkungen über die Statistik. der verschiedenen Formen des Lupus zueist die
sekundäre und dann die primäre Form. Im Anschluss an das zweite Kapitel
nur einige ganz kurze Bemerkungen über den hämatogenen Lupus. Die moderne
Therapie des Lupus und die Prophylaxe werden ziemlich kurz abgelan. Beim
Lupus der Nase betont der Autor die Wichtigkeit der Untersuchung der Nasen-
schleimhaut als des Ursprungs des Lupus der äusseren Gesichtshaut.
8 Tafeln mit 19 Abbildungen sollen die Pathogenese des Lupus zeigen.
Der Vorschlag, an Stelle des Namens Lupus die Bezeichnung Finsens-Krankheit
zu setzen, stellt zwar einen Akt der Huldigung dar, hat aber wenig Aussicht,
verwirklicht zu werden. Otto Seifert, Würzburg.
Dr. Claude und Dr. Francisque Martin in Lyon, Die Behandlung
der Nasenbrüche und der Missbildungen der Nasenscheidew‚and. Autori-
sierte Übersetzung von MW. Carow, Berlin. Verlag von Julius Springer, 1911. 32 S.
Die Ansicht, die Carow in seinem Vorwort ausspricht, dass „die
vorliegende Arbeit nicht nur dem Chirurgen und Rhinologen neue Behandlungs-
wege weist, sondern auch das Arbeitsgebiet des Zahnarztes erweitert, ohne
dessen Mitarbeit (?) auch hier Erfolge nicht zu erzielen sind‘, teilt Referent
ganz und gar nicht; im Gegenteil, er wird seine Patienten vor allen Zahn-
ürzten warnen, die die in dieser kleinen Schrift mit einer gewissen Reklame
angepriesenen Methoden anzuwenden geneigt sind.
Klinisch trágt diese kleine Schrift durchaus den Stempel des laienhaften.
Die häufigsten Frakturen sind noch nicht einmal anatomisch genau präzisiert;
eine Differentialdiagnose der verschiedenen Frakturen gibt es in diesem Buche
überhaupt nicht; und was über die Missbildungen der Nasenscheidewand g»sagt
ist, ist ungenügend und kann vor keinem Rhinologen bestehen. Demgemäss
behandeln die Verfasser alle Frakturen nach einem Schema: Traumatische
Reposition der Bruchenden und Retention derselben. Letztere erfolgt durch
ungehever komplizierte Prothesen, die Monate und Jahre (?) lang von gen
armen Patienten getragen werden müssen. Für die Missbildunzen der Nasen-
scheidewand — das sei der Kuriosität halber besonders erwähnt — wird
allen Ernstes die alte, längst verlassene Frakturierung des S?ptums und Fixation
der Bruchstücke in der Mittellinie wieder empfohlen. Di» submukóse Septum-
resektion ist mit keinem Worte genannt. Dass viele historische Irrtümer git
unterlaufen sind, nur nebenbei. Katz.
Dr. E. J. Moure, Elementary Practical Treatise on Diseases of the
Pharynx and Larynx. (Lehrbuch der Krankheiten des Rachens und
Kehlkopfes.) /ns Englische übersetzt von Dr. J. Malcolm, Farynharson. Verlag
Rebman Company. New-York 1909, 403 Seiten.
152 Bücherbesprechungen. [20
Ursprünglich als ein Handbuch für Studierende gedacht, ist dieses auf
einer 25 jährigen Spezialpraxis basierende Werk zu einer dem Fachmanne
Nutzen und Freude bringenden Arbeit geworden. Es gibt kein Kapitel, in dem
nicht des Verfassers scharfe Beobachtungsgabe zum Ausdruck gelangt. Im
Rachen unterscheidet er erythematöse Angina {oberflächliche Erosionen) von
polymorphem Erythema (oberflächliche Erosionen, von grauen, leicht entfern-
baren Häutchen bedeckt) und Pemphigus, wo bereits s^róse oder b'uize Dlasen
vorhanden sind.
Der ulzero- membranósen Angina (Vincent) stellt er die akute
ulzerative Lakunar-Tonsillitis gegenüber, die in einer akuten Entzündung dor
Krypten besteht, deren Desquamationsprodukte durch Verschluss der Öffnung
oder Uberausdehnung der Lakunen zurückgehalten werden (präulzeröses Stadium‘.
Ein Aufplatzen dieser Krypten bringt die von epidermalen Zerfallsprodukten
erfüllte Höhle zur Schau, deren glatte, wie ausgelochte Ränder rötlich gefärbt
sind und leicht bluten (ulzeröses Stadium).
Dem Lupus des Rachens sowohl als der Haut geht nach Ansicht des
Verfassers ein prälupoider bazillärer Nasenkatarrh voraus, eine Ari pseudo-
atrophische Coryza. Besondere Sorgfalt ist auf die syphilitischen und tuber-
kulósen Erkrankungen des Rachens und Kehlkopfes verwendet, und auch hier
finden wir viele neue Gedanken, wie die Bezeichnung des letzten Stadiums der
Kehlkopftuberkulose als ,tertiáres'". Die akute infantile Laryngitis wird in
stridulóse und entzündliche Formen eingeteilt und die laryngealen Spasmen
dem Vorhandensein von Nasenkatarrh und Mundatmung zugeschrieben.
Von „Influenza-Laryngitis“ unterscheidet Verf. folgende Arten: a) katar-
rhalische, b) infiltro-ódematóse, c) ulzerative, d? myopathische.
Zu den Spasmen der Kehlkopfmuskeln rechnet Verf. auch die „Eunuchoide
Stimme“, hervorgerufen durch funktionelle Unregelmássigkeit der ersteren und
durch Stimmgymnastik in wenigen Tagen heilbar.
Nach Entfernung von Kehlkopfgeschwülsten durch Larynsgotonis mit voran-
gehender Tracheotomie näht Verf. nicht bloss den Kehlkopf, sondern auch die
Luftröhre sofort zu. Eines der schönsten Kapitel ist der bei eruptiven Fiebern
auftretenden Laryngitis gewidmet; die Schilderung der rubzolären, typhoiden,
skarlatinösen, variolären und erysipelatösen Laryngitis ist ein Meisterwerk der
Differentialdiagnostik.
Wenn auch gegen Einzelheiten, wie die Verwendung des Galvanokauters
bei peritonsillären Abszessen, Einwand erhoben werden kann, ist dem Buche
wegen seiner packenden Schreibweise und der originellen Auffassung des
Gegenstandes eine grosse Verbreitung zu wünschen.
Otto Glogau, New York.
Bandelier und Roepke, Lehrbuch der spezifischen Diagnostik und
Therapie der Tuberkulose. 5. erweiterte und verbesserte Auflage. Würz-
burg, C. Kabitzsch 1911, Preis broschiert Mk. 6,60.
Die neue Auflage dieses beispiellos erfolgreichen Buches ist in vielfacher
Beziehung verbessert; wir verweisen auf die Besprechung der vierten Auflage
auf S. 322 ff. dieses Bandes. Bl.
Bandelier und C. Roepke, Die Klinik der Tuberkulose. Würzburg bei
C. Kabitzsch 1911. Preis 9,50 Mk.
Die Autoren haben sich durch ihr oben erwühntes Werk einen guten
Namen in der Literatur erworben; der Leser geht mit einem wohlwollenden
Vorurteil an die Lektüre ihres neuesten Buches; allerdings auch nicht ohne
schwere Bedenken, ob es heute zwei in einer ganz bestimmten Richtung tätigen
Ärzten gelingen möge, das ganze Gebiet der Tuberkulose der verschiedenen
Organe darzustellen, deren jedes seine besondere Pathologie hat, seine be-
sonderen Untersuchungsmethoden erfordert. Es ist zu befürchten, dass hier
die klinische Erfahrung im einzelnen im Stich lässt und die nölize Verüefung
21] Gesellschafts- und Kongressberichte. 153
in die Materie fehle. Man wende nicht ein, dass das Buch nach dem Wunsche
der Autoren dem praktischen Arzte dienen soll, gerade dieser Umstand erfordert
die eingehendste Beherrschung der Materie seitens des Autors.
So fordert denn die Darstellung der Tuberkulose der oberen Luftwege
im ganzen wie im einzelnen Widerspruch heraus.
Die Verfasser sind in bezug auf die Nasentuberkulose (S. 327 ff) der An-
sicht, dass ‚die Erkennung des meist sekundären Leidens gewöhnlich kein:
Schwierigkeiten bereite‘ und weiter: „Bei allen zweifelhaften tuberkulösen und
lupösen Formen sichert die mikroskopische Untersuchung eine exzidierten Ce.
webstückchens event. die örtliche Tuberkulinreaktion die Diagnose’. Ref. ist
durchaus entgegengesetzter Ansicht und steht damit nicht allein. — Auch
die histologische Untersuchung lóst nicht immer alle Zweifel bei den hier in
Frage kommenden Affektionen (Lues einer, Tuberkulose andererseits) und die
lokale Tuberkulinreaktion ist keineswegs zuverlässig. Es folgt ein Abschnitt
Tuberkulose des Nasenrachenraums, während. die der Pars oralis, allerdings ohne
scharfe Abgrenzung, im Kapitel Tuberkulose der Mundhöhle |S. 253—255) ab-
gehandelt ist. Dadurch lassen sich die Verfasser die Möglichkeit entgehen, das
doch als recht charakteristisch bekannte Bild der Rachentuberkulose geschlossen
darzustellen, ja das Bild, das sie von der Tuberkulose der Pars oralis geben,
wird geradezu falsch.
Noch weniger möchte ich mich mit der Darstellung der Tuberkulose des
Kehlkopfes einverstanden erklären. Folgende Sätze z. B. werden kaum irgendwo
Zustimmung finden (S. 231): ,,Die Infiltration der Taschenlippen, oft mit Ge-
schwüren im Ventrikel einhergehend, ist fast immer diffus und kann erhebliche
Schwellungen annehmen, so dass der ganze Sinus Morgagni ausgefüllt wird.
Als sogenannter Ventrikelprolaps (sic!) kann die Schwellung sogar die Stimm-
lippe völlig verdecken." Daselbst: „Das tuberkulóse Geschwür des Kehlkopfes
geht selten ohne Infiltration einher, aus deren Zerfall es in der Regel entsteht.“
Ich vermag nicht einzusehen, wie ein tuberkulóses Geschwür entstehen kann,
wenn nicht vorher eine spezifische Infiltration da war. So liessen sich die
Beispiele häufen.
Ich glaube, den Eindruck, den dieses Buch bei aller Anerkennung der
Intentionen der Autoren macht, dahin zusammenfassen zu sollen, dass die
gestellte Aufgabe, soweit das Gebiet der oberen Luftwege in Betracht kommt,
nicht ganz als gelóst angesehen werden kann. Bl.
IV. Gesellschafts- und Kongressberichte.
Verhandlungen des dritten spanischen rhino-laryngologischen
Kongresses!) zu Sevilla. 14—17 April 1910.
Heilbarkeit und Behandlung der Kehlkopftuberkulose. Portela (Cadiz).
Trauma des harten Gaumens. Setién (Santander.
Calculus der submaxillären Drüse. Candela (Valencia.
!) Der ausführliche Bericht ist in dem „Boletin de Laringologia"
von Dr. Cisneros (Madrid, Serrano 47) veróffentlicht.
Die mit einem * versehenen Artikel werden nächstens in derselben Zeit-
schrift erscheinen; sie werden nachträglich je nach ihrer Veröffentlichung
referiert werden.
154 Gesellschafts- und Kongressberichte. [22
Bohnengrosser Stein, der schwere Symptome bedingt; nach der Extraktion
machte Patient eine Halsphlegmone durch; der Eiter enthielt zahlrei-he Strepto-
kokken.
Die Blutungen bei der Tonsillektomie. Gereda (Madrid).
Naso-pharyngeale Synechie. Candela.
Einfluss der mit Hypersekretion einhergehenden Magenkrankhei'en. [sowie
die chronischen katarrhalen Pharyngitiden und die Pariisthesien des Pha-ynx.
Santiuste (Santander).
Die Hvperaziditát ist sehr oft die direkte Ursache solcher Zustünd* im
Pharynx, welche durch die ätiologische Behandlung geheilt werd: n.
Ist die Narkose bei der Adenotomie erforderlich? Compaired (Madrid).
Redner gebraucht das Somnoform und ist mit diesem Anästhetikum sehr
zufrieden.
Die meisten der an der Diskussion teilnehmenden Mitglieder verwerfen
jede Narkose.
Blutege! in den Luftwegen. Gallegos (Sevilla).
"Kurze Betrachtungen über einen Fall von phlegmonéser Laryngitis.
Phlegmone der Epiglottis, Botella (Madrid).
*Perichondritis des Kehlkopfes. Botella.
Diagnose und Behandlung der primären Ödeme des Kehlkopfes und ds
Pharynx. Castaneda ‘San Sebastian).
Bis jetzt unbekannt gebliebene Einflüsse (Neurose? Autointoxikationen ?)
können Ödeme verursachen, die einen neuro-vaskulären Ursprung haben und
von keinem. Hautódem begleitet werden, was dieselben. von. Morbus Quinckes
differenziert.. Die Skarifikationen oder eie Exzision sind der Adrenalinanwen lung
in solchen Fällen vorzuziehen.
Zwei grosse Läsionen des Kehlkopfes (bei Selbstmördern. Barbera
(Valencia).
Seltener Fall von Rekurrenzlähmung Horcasitas (Madrid).
Ein Aneurysma der Art. anonyma hatte cin» Rekurrenslähmung recht^r-
seits zur Folge; Erstickungsanfälle: Tracheotomie. Eine nachträgliche IK-Kur
heilte die Limung; das Aneurysma ist jetzt beinahe verschwunden.
Fin neuer Fall von halbseitiger Lähmung des Kehlkopfes und der Zunze
ohn® Gaumensegellähmung. Tapia (Madrid),
Kehlkopflähmungen bulbären Ursprungs. Derselbe.
* Anatomo-pathologische und klinische Betrachtungen über einige Formen
Formen der Pachydermia larvngis, Derselbe.
Retropharyngealer Abszess bei einem 8 Monate alten Knaben. Candela.
Lipom des Kehlkopfes. Tapia.
Solche Fälle sind selten, man kennt nur deren 12. Der Tumor sass auf
der rechten aryepiglottischen Falte; Dyspnoe und Dysphagie,; Abtragung mit
der Glühschlinge.
Behandlung der Kehlkopftuberkulose. Jimenez Encina (Madrid).
Durch lokale Betupfungen mit Tuberkulin (TOA. Koch) hat Encina eine
bedeutende anatomische und funktionelle Besserung in 14 Fällen erzielt.
Fall von thyreo-arvngo-ingualer Fiste. Compaired.
Larynxintubation. Bedeutung des nasalen Weges für die Nahrunzsauf-
nahme bei derselben. Llorente (Madrid).
Fremdkörper im Kehlkopf. Villar Urbano (Malaga).
Larvnxstenose. Derselbe.
Die Stenose war durch Lupus verursacht; durch interne Erweiterung
mit Schrötterschen Kanülen und dann mit Guimmisonden konnte man sie
zur Heilung bringen.
23] Kongresse und Vereine. 190
Die lokale Anästhesie bei totaler Larynxektomie. Lazarraga (Malaga).
Lazarraga verwirft die Narkose; er zieht das Novokain dem Kokain
vor, weil das Kokain ihm allzu giftig erscheint; das Novokain b-sitzt in dem-
selben Grade analgetische Wirkung.
Statistik der Fremdkörper. Vereinfachung der ösophagoskopischen Technik.
Botella.
Nasenatmung und Erkrankungen der Bronchien und der Lungen. Kar-
minski (Sevilla).
Einige Betrachtungen über operierte Patienten (extra- und intralaryngeal:®
Krebse). Santiuste.
Tracheotomie bei einem nach einer heftigen primären Laryngitis schein-
tot gebliebenen 4 jährigen Kinde. Heilung. Setién.
Meine letzten Fälle von Fremdkörpern im Ösophagus. Tapia.
Elektrolvtische Behandlung der Septumleisten und -Verbiegungen. Oller
(Barcelona).
Bósartige Tumoren der Nase und der Nebenhóhlen. Lazarraga.
Sechs Fälle; bei zweien war der Ursprung des Tumors in der Ob-rkiefer-
höhle nachzuweisen; bei einem anderen im = spheno-ethmoidalen Rezessus; bel
den übrigen konnte der Ausgangspunkt nicht gefunden werden.
Ozänaatrophie; ihre Komplikationen sceiten8 der Ohren, des Schädels und
des Gehims. Compaired.
*Laryngitis leprosa. Barbera.
Das Kokain in rhino-laryngeologischer Praxis. Gongora (Madrid).
Gongora ist ein Anhünger des Kokains (5 0 ige oder 10 0, ige Lösungen
für Pinselungen, 1 eo ige für Einspritzungen, 2 o„ ige in Ausnahmefällen...
Lokale Analgesie bei Knocheneingriffen. Robbs (Madrid).
tobbs berichtet über Rougesche, Caldwell-Lucsche, Ogston-
l.ucsche Operationen, die mit Hilfe von Kokain, Suprarenin und Stovain aus-
geführt worden sind.
V. Kongresse und Vereine.
Tagung des Vereins deutscher Laryngologen.
Am 31. Mai und 1. Juni findet in Frankfurt am Main di» XVII. Tagung
des Vereins deutscher Laryngologen statt.
Das Programm ist vorläufig wie folgt festgestellt:
Mittwoch, den 31. Mai, 4—6 Uhr: Demonstrationen. Nach den Demon-
strationen Besuch der Klinik des Herrn Spiess. Abends von 8 Uhr an Be-
grüssung.
Donnerstag, den 1. Juni, früh 8—!/,1 Uhr: Wissenschaftliche Verhand,
lungen. 1/,2 Uhr (reschäftssitzung, dann Fortsetzung der wissenschaftlichen
Verhandlungen bis 5 Uhr nachmittags. Von 7 Uhr an zwangloses Zusammensein.
Freitag, den 2. Juni, abends 7 Uhr: Gemeinsames Festessen mit den
Otologen.
Angemeldete Vorträge.
Fischer, B., Frankfurt a. M.: Eine Auswahl interessanter analomischer
Präparate des Kehlkopfs und der Luftrühre aus der Sammlung des Sencken-
bergschen pathologisch-anatomischen Instituts.
756 Kongresse und Vereine. [24
Blumenfeld, Wiesbaden: Uber Blutstillung im Kehlkopf durch
Klammernaht. | ]
Senator, Max, Berlin: Einiges zur Lepra der oberen Luftwege.
Oppikofer, Ernst, Basel: 1. Mikroskopische Befunde bei 20 Kiefer-
zysten. 2. Kehlkopfgeschwüre bei Scharlach.
Katz,Leo, Kaiserlautern: Zur Átiologie der glatten Zungengrundatrophie.
Dreyfuss, Strassburg i. E.: Über den Einfluss des Schlundschnürers
auf die Kehlkopfmuskulatur.
Herxheimer, G., Wiesbaden: Patholog.-anatomische Demonstrationen
Avellis, Frankfurt a. M.: Einige Beispiele von Fehldiagnosen auf dem Ge-
biete der Tuberkulose der oberen Luftwege.
Sokolowsky, R., Königsberg i. Pr.: Über die Genauigkeit im Nach-
singen von Tönen bei Berufssängern.
Onodi, Budapest: Die Freilegung der Schädelhöhle und das Gehims
durch die Nebenhöhlen der Nase.
Pick, Friedel, Prag: Über Sklerom.
Ritter, Berlin: Die Erhaltung der vorderen Stirnhöhlenwand bei der
Radikaloperation. i
Boenninghaus, Breslau: Gefährliches Stirnbein. (Demonstration.)
Dahmer, Posen: Die Erkrankung des Kehlkopfes nach Influenza.
v. Eicken, Giessen: 1. Ein neues Verfahren zur Beseitigung von Stenosen
des Tränenkanals. 2. Zur Behandlung der Choanalatresie.
Wagner, Giessen: Spiegelbefund bei Hypopharynxdivertikel.
Bouvier, Giessen: Käsiges Kieferhöhlenempyem mit hochgradiger Ver-
drängung der Nasenscheidewand.
Brünings, W., Jena: 1. Über eine neue Art von Injektionsplastik.
2. Über eine neue Behandlungsmethode der Rekurrenslähmung.
Hoerner, Leipzig: Praktische Erfahrungen mit der Erhaltung der
vorderen Stirnhöhlenwand bei der Radikaloperation chronischer Stimhöhlen-
eiterungen.
Meyer, Edmund, Berlin: Thema vorbehalten.
Hartmann, Arthur, Heidenheim: 1. Zur Behandlung der Larynx-
tuberkulose. 2. Über die Form der zur Erweiterung des Naseneingangs dienenden
Bügel.
Stern, Hugo, Wien: Zur Frage der Registrierung der Artikulations-
bewegungen (mit Demonstrationen).
Killian, Freiburg i. Br.: 1. Demonstration von Lehrmitteln und Instru-
menten. 2. Zur Bronchoskopie bei kleinen Kindern. `^
Programm durch den Schriftführer, Herrn Chefarzt Dr. Richard Hoff-
mann, Dresden, Grunaerstr. 8.
III. InternationalerLaryngo-Rhinologen-Kongress. Berlin 30. August
his 2. September 1911. Leipzigerstrasse 3, Herrenhaus.
Nach dem bisher festgestellten Programm wird am 29. August, abends
9 Uhr, eine gesellige Zusammenkunft in den Festsälen des Herrenhauses und
am 30. August, morgens 9 Uhr, die Eröffnung des Kongresses im Sitzungssaal
desselben stattfinden.
Als erster Gegenstand der Tagesordnung werden an den vier Kongress-
tagen die vier Referate erstattet werden, an die sich die Diskussionen über
dieselben anschliessen werden.
25] Kongresse und Vereine. 757
Die vier Referate sind folgende:
1. Die Beziehungen der experimentellen Phonetik zur Laryngologie.
Referenten: Gutzmann (Berlin, Struyken (Breda).
2. Die Bronchoskopie und Ösophagoskopie, Indikationen und Kontra-
indikationen.
Referenten: Killian (Freiburg), Kahler (Wien), Chevalier Jack-
son (Pittsburg).
3. Der Lymphapparat der Nase und des Nasenrachenraums in seiner Be-
zichung zum übrigen Körper.
Referenten: Broeckaert (Gent), Poli (Genua), Logan Turner
(Edinburg).
4. Die sogenannten fibrösen Nasenrachenpolypen, Ort und Art ihrer Insertion
und ihre Behandlung.
Referenten: Jacques (Nancy) Hellat (Petersburg).
Der Druck der Referate wird so frühzeitig erfolgen, dass den ange-
meldeten Mitgliedern je ein Exemplar schon einige Zeit vor der Eröffnung
des Kongresses zugeschickt werden kann.
Ausser den Referaten und den an sie angeschlossenen Diskussionen kommen
von den Mitgliedern angemeldete Vorträge zur Verhandlung. Wir bilten,
solche mit Angabe des Titels möglichst bald bei Herrn Prof. Rosen berg,
Berlin NW., Schiffbauerdamm 26, anmelden zu wollen.
Während der Dauer des Kongresses wird eine wissenschaftliche Aus-
stellung von Instrumenten und Apparaten stattfinden, welche die Entwickelung
und den heutigen Stand der experimentellen Phonetik und der Broncho- und
Ösophagoskopie illustrieren soll. Anmeldungen für diese Ausstellung bitten
wir zu richten an Herrn Geheimrat Prof. Heymann, Berlin W., Lützow-
strasse 60.
Ausserdem ist eine industrielle Ausstellung von Instrumenten, Apparaten
usw. geplant.
Die Laryngologische Gesellschaft zu Berlin wird sich die Ehre geben, die
Mitglieder des -Kongresses mit ihren Damen zu einem Ausflug in die Umgegend
von Berlin einzuladen. Das detaillierte Programm der ges:Ligen Veranstaltung:n
wird später bekannt gegeben werden.
Ein Damenkomitce hat sich konstituiert und wird ein Vergnügungsprogramm
für die Damen der Kongressmitglieler ausarbeiten.
In unmittelbarem Anschluss an den Kongress, am 2. September mittags,
ist eine Fahri nach Dresden zum Besuch der Internationalen llvgicne-Ausstellung
in Aussicht genommen.
Wir beehren uns, zur Teilnahme an dem Kongress einzuladen, und bitten,
die Anmeldung der Mitgliedschaft möglichst frühzeitig bei Herrn Gehcimrat
Dr. Schötz, Berlin W., Kurfürstendamm 22, bewirken und den dafür fälligen
Betrag von 25 Mark an ihn zahlen zu wollen. Dort sind auch die Damenkarten,
d. h. Karten für in Begleitung von Mitgliedern befindliche Damen, im Preise
von 10 Mark zu erhalten. Damen als Mitglieder des Kongresses dagegen zahlen
den vollen Beitrag von 25 Mark.
Der Anmeldung bitten wir eine Visitenkarie böilegen zu wollen.
Berlin, im Februar 1911.
B. Fränkel, Vorsitzender.
83. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Karlsruhe
vom 24. bis 30. September 1911.
a. ilung Hals- und Nasenheilkunde:
Dr. Max Seeligmann, Karlsruhe, Kaiserstrasse 110, Tinführender.
Oberarzt Dr. Kander, Karlsruhe, Kaiserstrasse 145, Schriftführer.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 6. 50
158 Personalia. [26
Der 17. internationale medizinische Kongress.
Der XVIL internationale medizinische Kongress wird
im Sommer 1913 in London tagen. Das genaue Datum wird von der Permanenten
internationalen Kommission festgestellt werden, welche kommenden 21. und
22. April in London ihre erste Sitzung abhalten wird, unter dem Vorsitz des
Herrn Dr. F. W. Pavy.
In dieser Sitzung wird ebenfalls die Liste der Sektionen des Londoner
Kongresses festgestellt werden. Alle die Einrichtung dieser Liste betreffenden
Wünsche und Anträge bittet man vor dem 1. April beim General-Sekretär der
Permanenten Kommission, Prof. H. Burger, Vondelstraat 1, Amsterdam, oder
an die Adresse des Bureaus der Kommission: Hugo de Grootstraat 10, im Haag,
einzusenden.
Auch sonstige, die Organisation des Kongresses betreffende Wünsche
und Informationen werden bis zum selben Termin und an dieselben Adressen
gerne entgegengenommen.
VI. Personalia.
Herr Professor Carl von Eicken hat den an ihn ergangenen Ruf der
medizinischen Fakultät in Erlangen nicht angenommen. An seiner Stelle ist
Herr Dr Scheibe-München berufen und hat die Berufung angenommen.
Habilitiert haben sich: Herr Oberstabsarzt Dr. Rhese für Oto-Rhino-
Laryngologie in Königsberg mit der Schrift: „Über die Verwertung ohrenärzllicher
Untersuchungsmethoden bei der Begutachtung Kopfverletzter*; Herr Tanturri
für Oto-Laryngologie in Rom.
Herrn Professor Manasse in Strassburg ist neben dem Lehrauftrag
für Otologie auch ein solcher für Laryngologie erteilt.
Den Titel Professor erhielt Herr Privatdozent für Laryngologie Hans
Koschier in Wien.
Gestorben: Herr Geheimer Medizinalrat Professor Lucae im 76. Lebens-
jahre zu Berlin, Herr Alfred Martin in Paris, Vincenzo Cozzolino
in Neapel, Joël in Görbersdorf.
VII. Fortbildungskurse.
Vom 31. Juli bis 5. August inkl. findet in Jena der
VI. Fortbildungskurs für Spezialürzte
stat. Wittmaack: Norm. u. pathol. Histologie des inneren Ohres 14 Std.
Besprechung und Demonstration typischer otolog. Operationen. — Brünings:
Vorlesung u. Praktikum d. direkten Tracheo-Bronchoskopie u. d. Osophago-
skopie 16 Std. Besprechung und Demonstration typischer rhino-laryngologischer
Operationen und Behandlungsmethoden 12 Std. Physiologie und funktionelle
Diagnostik d. Vestibularapparates 5 Std. Rhino-laryngologischer Röntgen-
kurs 4 Std.
Maximale Teilnehmerzahl wie bisher, 15 Assisten deutscher Kliniken
honorarfrei. Nähere Auskunft durch Privatdozent Dr. Brünings, Jena.
Namensverzeichnis.
——
Advan 747.
Abonker, H. 57.
Aboulker 520, 735.
Baurowicz, A. 530.
Beck, J. C. 827, 517.
Adain, G. 442. Becker, E. 442.
Albrecht 149. Beco 382, 451.
Albrecht, W. 312. Beljaew 530.
Alexander 57, 92, 181, 182, | Belloni, G. 164.
425, 571, 518. Benni, W. 313.
Alexander, A. 183. Bentzen, Sophus 163.
Alexander, B. 162, 590. Berens, Passmore F. 539.
Amrein, O. 166. Bergh, E. 78. :
Anderson, W. S. 484. Bergmann 311.
Anroy, van 176, 177. Berliner 319.
Arendarenko 530. Bernard, E. 77.
Arnoldson-Nils 733. Bernstein, S. 440.
Aronsohn, Ed. 438. Berthold 560.
Aronson 201. Beust, von 6.
Arrowsmith, H. 538, 742. Biebendt, A. 442.
Arslan 439. Biggs 165.
Aschoff, L. 419. Binet 80.
Aulmann 442. Binnerts 178.
Austoni, A. 817. Biondi 313.
Avellis, Georg 495, 729. |Bircher, E. 81, 554.
Ayguebére, H. 439. e 531.
Blegvad, N. R. 171, 172,
B 335, 531, 574, 575,. 576.
| Bloch 521, 589.
Blondiau 332.
Blos, E. 521.
Blumenau 539.
Blumenfeld, Felix 96, 99,
171, 225, 825, 558, 559,
960, 752, 753.
Babler, E. A. 158.
Bachhammer 406.
Baeza 178, 569.
Baginski, A. 425.
Baker, Frank Collins 485.
Ballenger 826, 828.
Bandelier 322, 752.
Barajos 58. Blumenfeld, E. 189.
Bárány 67. ‚Blumenthal 92, 93, 579.
Barbera 517, 538, 754, 755. | Blumenthal, A. 92, 163.
Bardy, Henri 165. Blumenthal, Adolf 142.
Barth 183,
Bluth, G. 425.
Barton, W. M. 425. Bogrow, S. L. 417.
Barwell 411, 488. Boer, R. 439.
Baumgarten 80. Böhme, W. 188.
Zeitschrift für Laryngologie. Bd, 11I. H. 6.
A Baumgarten, E. 71, 162, 166, | Bofill, y, Coll 739.
336, 337, 338, 397, 517. GE 531.
Bolten, G. C. 408.
Bon, J. 440.
Bónninghaus 190, 201.
Boon 570.
Bord, B. 436.
Börnstein, F. 439.
Bosse, B. 425.
Botella 419, 754, 755.
Botella, Ernesto 75, 420.
Botey 164, 439.
Böttger, K. 443.
Bourak 397.
Boyce, J. W. 442,
Braislin, William C. 437.
Brandenburg, E. 148.
Brat, G. 178, 570.
Braun 185.
Braun, A. 398, 405, 435.
Brelet 68.
Bremond, M. 436.
Bretön, Cibanto, J. 742.
Brizon, H. 439.
Broeckaert, J.330, 438, 448,
450, 541, 569, 571, 736.
Brocqu 521.
Bruck 578.
Brühl 51, 93, 182, 324, 578.
Brunck 183.
Brünel, J. 442.
E 149, 197, 440. 580,
Brunk, jun. 745.
Bryant, W., Sohier 736.
Buccolini 317.
; Buchanan 437.
Bulling 139.
Burack, S. M, 477, 521.
Burger, H. 177, 399, 410,
549, 569, 571.
| Büttner- Wobst 440.
908
Namensverzeichnis.
166)
‘Delis 448.
Delneuville, E. 534.
Delsaux 330, 332, 334, 335.
Dengg, H. 437.
C
Calamida, U. 554.
Caldera 62.
Camus 363.
- Dencker, H. 247.
me Denker, A. 191, 192, 193,
Capart Ger 449 ' 194, 196, 458, 580.
C PIU deno A. Deplech, P. 437.
apart, sen, A. 329, 330, Deshayes 62.
446, 419.
Carpenter, E. W. 430.
CURT * Donien 18, sil.
' ] o inger, : a
Casselberry, W. E. 308, 326, ' Donati 426.
329, 435, 539. | f
Castaneda, R. 62, 754. |Donosány SAP. 989.
Castelli 317. Dreher. F. 449.
Castex 149, 176. Dr ni J. 599.
Certain, F. 437. Dreuw 394 i
Chavanne 518.
, Dreyfuss 149, 438.
Chauvean, G. 88, 164, 206. | Dúran, Lopez 427.
Chauvet 436
. Durand 175, 525.
Chavanne 176. Durante 157.
Dewatripont 522.
| Dickson! F. A. 522.
Cheval 452. .
Chiari, O. 184, 393, 420, 742. | Dussillol 436.
Cignozzi 166. | E
Cisler, S. 95, 169. | :
Cisneros, S. 314. Ebert, O. 440.
i
Ebstein, Erich 412.
Ebstein, Wilh. 518.
Echtermeyer 91, 577.
Edwards 394.
Kicken, ven 190, 193, 195,
Citelli, Catania 68, 237, 531.
Claoué 743.
Clarus, H. 314, 439.
Claude 751.
Claus 181.
Claus, Hans 580. 808, 340, 758.
Cobbledick 426. Kidesheim, G. 421.
Cohen, Solis 580.
Cohn 560, 562, 566.
Cohn, G. 540, 566.
Cohn, Georg 341, 558, 569.
Collet 164, 331, 746.
Eiselsberg 188.
Kisenlohr 436.
Eitelberg, A. 162.
Emerson, E. P. 154, 328.
Emmerich, E. 443.
| Ferreri, Gherardo 440.
! Finder, G. 90, 91, 92, 93,
180, 181, 182, 206, 577,
578, 579.
Finzi 76, 147, 165.
Fischer 576.
Flad, J. 437.
Flatau 202, 558, 559, 562,
965.
Flatau, Th. 369, 394, 566.
Flesch, J. 189.
Fletscher-Ingals, E. 733.
' Fliess 182.
| Fliess, Wilh. 321.
Fons 63.
Forbes, Duncan 437.
Foster, E. E. 400.
Foster, H. 438.
Foster, Hal. 412.
Foster, John M. 435.
Foucault, H 440.
Fourest, P. 440.
Fournier 442.
Foy, K. 736.
Fraenkel, R. 154.
Frinkel 90.
Fränkel, B. 91, 92.
Frankenberger 573.
Frankenberger, O. 207, 427.
Frederikse 569.
| Freer, O. 326, 399, 737.
Frese 564, 566.
Frese, O. 455.
Freudental, Wolff 554.
Freudenthal 142.
Freudenthal, W. 428.
Freudenthal, Wolff 435, 743.
Freund, Leopold 448.
Freymann 418.
Fröschels 737.
Collie 411.
Comby 748.
Compaired 437, 754, 755.
Consilores 439.
Cortes 540.
Cott 326.
Coudray, P. 443.
Cozzolino, Vincenzo 758.
Crämer 156.
Cresswell, Baber 453.
Cutore 406.
Cutter, E. 329.
D.
Dagnini 411.
Dabmer 560.
Damman 406.
Danielsen, W. 157.
Daubigney, L. 436.
Davis, L. 411, 438.
Deau, L. W. 584.
Delavan, D. B. 893, 485.
Delie 551.
Encina, Jimenez 82, 754.
Englander, M. 554.
Epaud, P. 436.
Ephraim 76, 547.
Ephraim, A. 165.
kppinger 189.
Escat 551, 557, 739.
G.
Galdin, J. A. 72.
Galebski 535.
Gallegos 754.
Galvin, E. 440.
Eve. 166. Gantvoort, C. H. 177.
F Garcia del Mazo 738.
: Garcia 6 Ilurre, Juan 318.
Fabricius 425. Gard, J. 540.
Fallas 178. Gardner, Bellamy 82.
Farrel, T. H. 139. Gaub, Otto C. 421, 440.
Farssac, R. 443 Gauthier 442.
Faulder 435, 440. Gemmili, W. 63.
Federn, S. 82. Genschmer, Karl Franz 442.
Fein, J. 184, 186, 187, 819. | Gerber, P. H. 170, 551, 558,
Fenkner, W. 440. 562, 567, 569, 748.
Fernandes 330, 331. Gereda 794.
Fernanden Santos 63. Gignoux 743.
Ferran Gil, Banos 165.
Ferrari 314, Gillot, H. 436.
Ferreri 206. Gilse, P. H. J. van 178.
3]
Gioseffi 421.
Giraud, G. 448.
Glas 184, 185, 187.
Glas, E. 142, 164.
Gleitsmann, S. W. 72, 164
412, 438.
Glogau, Otto 826. 329, 428,
798.
Gluck 90.
Gluskin 535.
Goebel 78.
Goett, M. 443.
Goldberger, Moritz 443.
Goldmann 91.
Goldmann, R. 58, 91.
Goldstein 328.
Goldstein, M. A. 72.
Gongora 755.
Goodale 435, 734.
Goris 330, 449, 920, 535.
Gorese, de 163.
Gotthilf, W. 749.
Goyanes, J. 75.
Grabower 90, 92, 149, 179,
183, 579.
Gradeni go 206.
Da Gradi, A. 150, 413.
Graf, J. 442.
Graff 314.
Grüffner 92, 179, 180, 577.
Gramstrup 171.
Greene jr., D. C. 154.
Greidenberg 540.
Greven, F. 444.
Grieg, H. 440.
Grilléres, A. 436.
Groot, H. de 178.
Grossmann, B. 60.
Grossmann, M. 83.
Grung 165.
Grünwald, L. 142, 163.
Gugenheim 164.
Guiraud, S. 440.
Guisez 152, 164, 165, 174,
452, 541.
Gundermann 142.
Guthrie, Thomas 158, 440.
Gutmann 83.
Guttmann 95, 164, 441.
Guttmann, H. 573.
Gutzmann 90, 179, 181, 182,
202, 558, 565.
Gutzmann, H. 558.
Gyergyai, v v. 68, 168, 196.
H.
— 189.
Haike 92, 143, 181, 183,
576, 579,
Hajek, M M. EA 148, 184,
Namensverzeichnis.
Hald 172.
Hald, P. Teteus 385, 336,
576, 746.
Hall, C. Gaylord 437,
Halle 92, 93, 180, 181, 182,
— — —
761
Holzknecht, G. 746.
Hopmann, Eugen 72.
Hopmann, jun. 198.
| Horcasitas 541, 754.
401, 558, 560, 577, 578. | Horn 325, 326, 327, 328.
Hamilton 438.
Hünel, Walter 198.
Haenlein 92.
Haenlein, O. 747.
Horn, H. 899.
Hosch 401.
Howarth 418.
Hubrich 811.
Hansberg 165, 198, 194, ' Huet, W. G. 541.
815, 744.
Hansted, Chr. 440.
Hanszel, Fr. 154, 187.
Harem, H 165.
Harmes 64.
Harold, Hay s 430.
453, 733.
Haselt, van, J. R. 177.
Haesner, W. 435.
Hasslauer 307.
Hastings 144.
Haudek 139,
Hauser, R. 444.
Hays, H. 144, 586, 738.
Hecht 435.
Heermann, A. 401.
Hegener 139, 198.
Heindl 185.
Henke, Fr. 519.
Henkel, W. 439.
Henkes, J. C. 177, 179.
Hennebert 450.
Henyll 80.
Heryng 541.
Herz, A. 188.
Herzfeld 579.
Hess 189.
Hess, Thaysen 418.
Heymann 92, 188, 577.
Heymann, O, 579.
Heymann, P. 91.
Hicguet 447.
Hill 147, 165.
Hiltermann, B. 439.
Hirsch 185, 309.
Hirsch, C. 430.
Hirsch, H. 571.
Hirach, O. 157, 555.
Hirsch, Oskar 83.
Hirschmann 181.
Hoehsinger, Karl 440.
SECH van der, Leonh
5
Hoewe, G., van der 524.
Hoffmann 189.
Hoffmann, B. 430.
Humblé 450.
Hutter 184, 187.
Hutter, Fr. 150, 542.
I.
, | Mig, H. 738.
‘Imhofer, K. 169, 170, 713.
RES 827, 401,
| —— Ragnoald 811.
Irnesto 542.
Irwin, A. 155.
Isemer 458.
Tieren, van 570, 571.
Itié 436.
Ittmann, Th. 442.
! Iwanoff 459, 542.
| Iwanoff, Alexander 115, 181.
J.
' Jackson, Chevalier 825, 327,
421, 440
Jacobson, A. 8. 177.
Jacques 174, 448, 536.
| Jakubeik, V. 141.
Jamoilenko 538.
Jansen 58.
Jantzen, Willaume 173.
Jauquet, M. 329, 832, 834,
449, 450, 542.
E G. 439.
Joël 758.
Johnston, R. H. 421.
Jones, ene Portes 749.
| Joseph, B. 529.
— Jacques 561.
| Jouty 309.
| Jung, W. J. 84.
‚ Jurasz 189, 194.
K.
| Kafemann, R. 147.
Kahle, P. 489.
Hoffmann, R. 163, 190, 430, Kahler 165, 184, 186, 194.
Kahler, O. 64, 198, 199, 746.
Hoffmann, ans 109,580. | Kahler, Otto 89.
Hollinger, J. 4
Holmes, E. M Ze
Kakisowa, B. 444.
Kampf, Hans 155.
50a*
762 Namensverzeichnis.
Kan, P. Th. L. 176, 178,
179, 431, 570, 571.
Kano, Sakutaro 155, 438.
Karminski 759.
194, 577, 579.
Kuttner, A. 150, 199.
Kyle, John, J. 309, 436.
Kaspar 315. Kyritz, A. 441.
Kassel, Karl 255.
Katz, Leo 1, 170. L
Katzenstein 91, 180, 181,
558, 559, 564.
Kaufmann 524.
Kayser 560.
Keating Hart, de 140.
Kelly, A. Brown 441.
Kelson 64.
Kern, Walter 318.
Khautz, jun. 157.
Kiar. Gottl. 172, 173, 335,
574, 575.
Killian, Gustav 190, 191,
192, 194, 196, 198, 199,
201, 524.
Klausner, E. 418.
Klein, G. 162.
Klein, Vald. 172.
Klemptner, L. 436.
Kleyn, A. de 84, 570.
Laccetti 442.
Lagarde, M. 442.
Lake 401.
Lamann, W. 394.
Lampadius, K. 441.
Landau 163.
Landgraf 577.
Landois, F. 157.
Landsberg 189.
Lang, 337, 339.
Lang, J. 740.
Lange V. 525.
Langowoi 548.
Lapgwill, Leith. 443.
Lannois 175, 525.
Larché, G. 441.
Lardenno's 157.
Knokiewicz, A. 140. Laub, L. 166.
Knopff 442. Laubi, O. 413.
Koblanck 436. Lauda 543.
Kobrak, F. 740.
Kocher, Albert 319.
Koenig 446, 447, 525, 543.
Koenigstein 163.
Kofler, K. 64, 186.
Lauzurica 166.
Lavrand 174, 525.
Lazärraga 750.
Lechtmann, J. 749.
‚König 176. Ledoux 334, 451.
Konstantin 538. Leiner, C. 158.
Körbitz 79. Lemaitre, F. 175.
Körner, C. 438. Lénárt, Z. v. 206, 337, 338.
Lennhof 577.
i De Lens 548.
Lepel-Cointet 441.
Leroux, Rob. 144.
Leulier, M. 442.
Leuwer, H. 59
Levi, L. 158.
Kórner, O. 340, 441.
Körner, Otto 170.
Koschier, 187, 758.
Kovács, F. 433.
Krabbe, E. 441. `
Kramer, R. 407.
Krause, G. 442.
Krause, Richard 558. |
Krebs 191.
Kren 166. ;
. Kretschmann (Magdeburg) Lewek, G, 441.
191, 195. Lewis 66.
Kretschmer, M. 740. Leyden, Hans 155.
Kreuzfuchs 5959. | Liebmann, Albert 163.
Krieg, E. 441. | Linck 566.
Krone 141. | Litmanowicz, H. 442.
Kronenberg 89, 321, 322, Llorente 754.
566. Lockard, M. D. 324.
Kubo, Ino 437. | Loeb, H. W. 329.
Kuhn, E. 555. Lorenzo, B, 324.
Ter Kuile, V. Th. E. 176, Lówe 182.
173, 569. Lówe, L. 525, 526.
Küll, M. 73. Liwy 186.
Kümmel 194, 199. ‚Luc 174, 444, 450, 526.
Labarre, E. 329, 446, 551.
Lautmann (Paris) 176, 857.
Levinstein 91, 92, 163, 487,
536.
Levinstein, O. 150, 164, 436,
437
[4
Kuttner 91, 93, 179, 182, | Lucae 798.
Lukinger, O. 438.
Lundh, Karl 164.
Lunin 558.
Lustwerk 519.
M.
Mac, Coy John 555.
Mac, Lachlan, A. 442.
Mackenzie, Dan. 402.
Mager 741.
Mahler, L. 73.
Malmsten, K. 165.
Manasse 194, 195.
Manasse, O. 758.
: Mandel 318.
Mann 189, 196.
Mann, M. 580.
Mantel, H. 442.
Mantelli 79.
‚ Marage 151.
Marangoni 13.
Marique 543.
Markus 326, 327.
Marschik 101, 184, 185, 186,
188.
Marsden 71.
Martkev, E 742.
Martin, Alfred 758.
Martin, Avelino 747.
Martin, Francisque 751.
Martin, C. F. 436.
Martuscelli 73.
Marx 310.
Marx, H.
Mascré, H. 441.
Masip 402, 741.
Massei (Neapel) 43.
Massei 422,
Massier 544.
Mathews, Justus 827.
Mathis, Ch. 441.
Matthews 166.
Maurice 64.
Mayer 440.
Mayer, H. 438.
Mayer, K. 145.
Meissner, H. 526.
Mendelsohn, L. 79.
Menier, M. 39.
Menzel 165, 185, 186, 187.
Menzel, H. M. 74, 315.
Menzerath, P. 443.
Merckx 381.
Mermod 175, 739.
Meyer, A. 92, 182, 312, 577.
Meyer, Arthur 93, 183, 251,
580.
Meyer, Edm. 90, 91, 93, 192.
Meyer, Erwin 119
Meyer, Wilhelm 325.
Meyjes, Posthumus 178.
5] Namensverzeichnis.
ee P. 441. | P.
Miller 326.
Mink, P. F. 155, 403. og i een
ee Pagliai 318.
QUE, — Panse, Rudolf 194.
Molimé 544. Panzer 188
Molinier, M. 437.
Moll, A. C. H. 569. Parisot, F. 441.
Parke, Davis u. Co. 141.
Moller 197.
Móller, Jórgen 165, 172, 574. Bun s
Monges 60 Pasch, E 744.
Mori, A. 395.
Pasqualini, F. 444.
Pauncz, M. 316.
Pawlow 552.
Pelissier, M 439. |
Peltesohn 579.
Morosuff 537.
Morriston, Davies 165.
Moscoso, J. 439.
Most, A. 444.
Moszkowicz 187.
Pernie 550.
Bun " 75 Pescatore 750.
’ s P eters 4 38.
Moure, E. J. 751.
Moussour, E. 442. Peyser 182, 183, 578.
Mühlen, v. z. 560, 562, 568, Pfannensiil —
56
Müller, Ch. 749. —
Müller, Rud. 137. Philippson 751.
Maser, P. 441. Pick, E. 94. |
Muskens, A. 548. Pick, F. 518.
Mygind, H. 171, 172, 315, Pickenbach 312.
320. Pietri 552. |
Piff, O. 94, 404, 574. |
N Pike 145.
Nadoleezny 201, 315. Bee tae 98; |
Nassetti 167 Pollak 189
Natier 145. Pollak, R. 159.
Navratil, D. v. 165, 336,
Pollatachek, E. 839.
Polyak, L. 143, 190, 191,
337, 339.
Polzien, F. 444.
i Popovici 162.
Portela 409, 438, 753.
Porter 151.
|
337, 339, 340, 423, 438.
v. Navratil, sen. 336.
Neisser 60.
Neufeld 435.
Neumann, Fr. 141, 527.
Neumann, Julius 439.
Neumann, O. 442.
Neumayer 201.
Nicola: 418.
Nielsen, L. 320.
Nikitin, W. N. 167.
Nobl (Wien) 310.
Nollen, Ch. 439.
Nórregaard, K. 575.
Pouthi«re, de 437.
Preiser, E. 438.
| Preleitner, K. 153.
, Preobraschensky 448, 506.
. Propper, E. 159.
' Preysing 17, 349.
Pritchard 167.
Pugnat 741.
Purcell, Clyde E. 328.
| Putschows y 903.
Oddo 747.
Oelsnitz 158, | ..Q
ertel, Bruno 453. 1 d 556.
— H. K. 395. Que 178 569.
ivier, Eugéne 160. | l ] .H. ;
Oller 755. en |
Onghton 328.
QO.
Onodi, A. 23, 65, 74, 167, S i
206, 337. Rabotnoff 527.
Ostmann 530. Rakowski, S. 444.
Raoult 173.
Rebandi 65.
Reiche 69, 390.
Reinking 423.
Reith, J. 441.
Rejtó, A. 163.
Remzi, E. 167.
Rendel, Short 553.
Réthi 184, 407, 435, 739.
Reuss, Erich 408.
Reye, E. 441.
Rhese 527, 560, 566, 758.
|! Richard 527.
| Richardson, Ch. W. 550.
| Richter, E. 435, 519.
Ritter 196, 576, 577.
Ritter, G. 180.
Robbs 750.
Robinson 440.
Koe, J. D. 148, 328.
Rolleston 163, 407.
Rolleston, J. D. 527.
Rómheld 433, 434
Röpke 322, 340, 752.
Rosenberg 91, 181, 182, 183,
191, 578.
Rosenberg, Albert 200, 446.
| Rosenhauer, P. 444.
Rösler, E. 441.
Rösling, F. 438.
Roth 185, 187, 741.
- Rothschild v., H. 158.
Rouffiandis 156.
Roughton 436.
Rouvillois, de 174, 175.
Rouzoul, F. 441.
Roy, Dunbar 320.
Rugani, L. 741.
Ruprecht 191, 194.
DC M. 1, 148, 162,
— 747.
Rushten, Fart 443.
Ruysch, G. J. E. 176.
S
| Sachs 156.
| Sack, N. 744.
Saenger, M. 320.
Safranek, J. 503.
Salzburg 196.
Samoilenko 527.
Santaló, Ramirez 544.
Santiuste 754, 755.
Sanz 316.
Sanz, F. 434, 745.
Sargnon 174, 550.
| Saturnow 550.
Sauer, W..E. 327.
Sawyer 436.
764
Namensverzeichnis.
SS 91, 181, 188, 404,| Smith, Eustace 148.
571. Smith, H. 326.
Smith, Harmon 415, 438.
Snegireff 528.
Snoy, Cassel 748.
"Sobernheim 183.
Sobernheim, W. 146.
Sokolow 528.
Sokolowski, A. 808.
Scheppegrell 519.
Schestopal 419, 553.
Schiffer, B. 141.
Schilder 189.
Schiller, A. 441.
Schirmer, Otto 750,
Schirmunski 545.
Schlender 166. Soldin 159.
Schlesinger 189. Sonntag 182.
Schlesinger, W. 188. Spiess 415.
Schmidt, K. 444. Springer, C. 572.
Pneu 172, 335, 414, | Staats 545.
914. Staehelin - Burckhardt 423.
Schmiogslor, E. 836, 575, | Steffen, Wilhelm 408.
Stein, O. 404.
Schmitz, F. 442. Stein, Otto J. 436.
Schmuckert 808. Stein, St. von 720.
Schneider 69. Steiner 745.
Schoetz 90, 182. Steiner, M. 339.
Schols, H. 77.
Steiner, Paul 79.
Scholz 328.
Steiner, R. 545.
Schomburg, Ch. 441. Steinhaus 884.
Schönemann 69, 87, 437. | Stenger 566.
Schötz 91, 92, 93. Stephenson 167.
Schreiber 748. Stepinski 436.
Schrótter v., H. 747.
Stern, H. 897, 443.
Schultheiss, E. 444. Stern, Hugo 201.
Schultz, F. 444. Stewart, J. C 156.
Schultze, H 439. Stierlin, R. 441.
Schultz, R. 442. Stock 520.
Schum, H. 441. Stoffel, Edda 434.
Schwartze 340.
Schwarz, E. 188,
Schwarz, G. 77.
Schwerdtfeger 581.
Scripture, E. W. 443.
Sebba, M. 489.
Sebileau, P. 61.
Seifert 190, 196, 741.
Seifert, Otto 103.
Seljugin 550.
Semenoff, Blumenfeld 545.| 195, 579, 580.
Senator 93, 180, 182, 579. | Sukennikowa, N. 444.
Senator, M. 92, 183, 578, | Sulze, W. 487.
735. Swarte, E. 444.
Sertoli 156. Swerschewsky 557.
Severin, J. 442. Symonds, Charters J. 65.
Setién 758, 755. Sytschow, K. 487.
Stolzenburg, P. 442.
Stórk, O. 483.
Strauss, A. 528.
Streit 565, 567.
Strelitz 80.
Stropeni 424,
Struycken, J. L. 178, 569.
Stuart-Low 528.
Sturm 74, 443.
Sheedy 328.
Shutt, C. H. 151.
Siegmund, A. 159. T
Siemens, J. Leopold 176. :
Sieur 174. Tamm, Alfhild 165.
Sikkel, A. 414, 569, Tanturri 70, 758.
Simanowsky 588. Tapia 66, 816, 319, 405
Simkó, L. 560. 416, 440, 542, 754.
Simonin, M. 489. Tapia, A. G. 165, 840.
Skillern, Ross Hall 168, Tapia, G. 65.
326, 404. Tapia Garcia 424.
Skript 520. Tawse Bell 436.
Sluder 328, 329. Taylor, David 167.
Sturmann 146, 18?, 1929,
[6
Tedesko 189.
Tenzev, L. 812.
Tereschkowitech, A.
Thom, V. 441.
Thomas, B. A. 160.
Thomas, G. 438.
Thomson, St. C. 75
Thooris 176.
'l'horsteinsson, O. 165.
Thuc, Kr. 785.
Tiefenthal, G. 405.
Tiling, K. 444.
Tilley 152, 168, 439.
Tillgren, Josua 166.
Todd, Fr. C. 328.
Tontscheff 538.
Toti 528.
Tóvolgyi, E. 168,
Tovolgyi, F. 837.
Trautmann, G. 405.
mn 173, 880, 448, 451,
Türck, Ludwig 393, 485.
Türkheim 1
Turner, Logan 66.
Tydings 328.
U.
Uchermann, V. 166.
Uffenorde, W. 199, 597.
Ullmann (Wien) 87.
Urbano, Villar 754.
Urbantschitsch 67.
V.
Vacher 174, 446.
Valenti 146.
Veau, Victor 160.
Vedova, Della 545, 745.
Verson, S. 164.
La Vigne 416.
Viollet 484, 529.
Viollet, Paul 176.
Vitolo 166.
Vogelgesang 437.
Voislawsky, A. P. 436.
Voislawsky, Antonius 405.
Voss 161.
W.
' | Wüchter, H. 444.
Wa :
Waldstein 442.
Waller, Wilhelm 335.
Walter, A. 485.
Warnekros, K. 443.
«|
Wasermanu 192.
Wassermann 310.
Watermann, J. S. 745.
Watson, W. 437, 551.
Watters, Mac 164
Waxham, F. E.
Waxham, L. E. 436.
Weil 184, 185, 187.
Weivland, G. 557.
Weiss, O. 416.
Wells, W. A. 308.
Welty 327.
Wendtlandt, W. 441.
Weski 183, 576.
Weski, Oskar 879.
West 529, 976, 577.
West, Joh. 161.
Wettstein, A. 416.
White 71.
Wiener, Alfrad 529.
Wiener, H. 88.
406, 439.
Namensverzeichnis.
Wiener, Otto 94.
Wienhaus, O. 488.
Wiesner, R. v. 158.
Wikuer, Ernst 312.
Wildenberg, van den 331,
335, 558 .
Wilson, J. G. 147.
Wimmer, O. 80.
Winckler 191, 192, 195.
Winogradoff 546.
Winter, D. 320. .
Winternitz, A. 166, 316.
Wirth, K. 188,
Witt, E. 437.
Wittmaack 162.
W ladimiroff 516
Wolff 182, 576.
Wolff, H. J. 92, 93, 181.
Wolfsohn, Georg 443.
Wolkowilsch, N. 735.
Wunder 162. /
Wüstmann 443.
Y.
Y Yague, R. Luis 747.
earsley, Macleod 71.
2.
Zange, J. 311.
Zarniko 194, 195, 196.
Zeller, A. 520.
Zickgraf, Goswin 53.
Ziem 67, 436.
zum 749.
— J. 162
Zach erkandl, E. (Nekrolog)
cds 046.
Zwaardemaker 569.
Zwillinger, H. 162, 485.
Sachregister.
A
Abduktorenlähmung 72, 164. .
Abszesse des Halses 554.
— parapharyngeale 39.
— perilaryngeale 538.
Accessorius 541.
— -lihmung 408, 443.
Adenoide 71, 171, 251, 312, 357, 443,
531, 538, 741.
— Gehör bei dens. 437.
Adenoidenzange 64.
Adenokarzinom, bronchiales 424.
Adenom der Nase 579.
Adenotomie 437, 519, 531, 754.
— Anästhesie bei 357.
— Komplikationen nach 477.
— Rezidive nach 713.
Adrenalin 166.
Akromegalie 750.
Aktinomykosis 538.
Alkoholinjektionen 151.
Allgemeines, Geschichte. (Referate) 57,
139, 307, 393, 517, 733.
— Geschichte usw. (Literaturverzeichnis)
162, 434.
Allgemeine Therapie 517.
Americain Medical Association 325.
Amygdalektomie 448.
Amygdalitis praeepiglottica 741.
Amygdalotom 446.
Amyloid 544.
Anaphylaxie 439.
Anästhesie 145, 150, 518, 520.
— des Vestibulum 43.
Anästhesierung 148.
Anästhesin-Koryfin 517.
Aneurysma 188, 444.
Angina 69, 407, 408.
— Behandlung der 740.
— leptothrica 68.
— Ludovici 442, 448, 551.
— Nephritis nach ders. 442.
Angina scarlatinosa 437.
— der Seitenstrünge 437.
— Vincenti 91, 164, 407, 585, 564, 742.
— -— des Kehlkopfs 742.
Angiom der Plica salpingopharyngea 979.
— der Zunge 579. wen E
Ankylose des Aryknorpels $45.
Anosmie 53, 436.
Ansaugen des Nasenflügels 182, 401.
Antimeristem 438.
Aphasie 444, 546.
Aphonie 575.
Aphthen 441.
Appendix ventriculi 91, 92.
Appendizitis 425, 443.
Argyrie 735.
Argyrose 183.
Arsen 91.
Arsenobenzol 503, 528 s. a. Salvarsan.
d'Arsonvalsche Stróme 550.
Artikulation 94.
Aryknorpel, Abszess des 93.
Arytünoidalgelenk 745.
Arytänoidknorpelaffektionen 439.
Ascaris lumbricoides 543.
— — in der Trachea 440.
Asepsis 173.
Aspirationsbronchoskop 421.
Aspirationsmethode 739.
Asthma 70, 83, 167, 820, 821, 326, 440,
555, 807.
— bronchiale 166, 750.
Athylchlorid 368.
Athyreosis congenita 444.
Atmokausis 197.
Atmung, verlangsamte 729.
Atrophia cutis reticularis 749.
Augenaffektionen 309.
Augenmuskelnerven 623.
Augenstórungen 207.
Augensymptome 83, 406.
Automobilist, Luftwege dess. 393.
2]
Autoskopie, Technik der 422.
Avellissches Symptom 314.
B.
Bacillus fusiformis 553.
Basedowsche Erkrankung 443, 444, 554,
750 s. a. Morb. Bas.
— -symptome 430.
Bauchmassage 77.
Bazillen, fusiforme 78.
Berliner laryngologische Gesellschaft 90,
179, 576.
Bernhard Frünkel-Stiftung 98.
Bibliothek des Kommunehospitals 101.
Bismuthum subnitricum 144.
Blutdruckschwankungen, respiratorische
444
Blutegel 754.
Blutungen 140.
Bräune 438.
Bronchialdivertikel 746.
Bronchialdrüsen 440, 441.
Bronchialerkrankungen 547.
Bronchialkrebs 441.
Bronchiales Gummi 577.
Bronchialspray 547.
Bronchiektasie 547.
Bronchien. (Referate) 75, 152, 318, 419,
947, 145.
— (Literaturverzeichnis) 165, 439.
Bronchitis 547.
Broncho-Elektroskop 197.
Bronchoósophagoskopie 423.
Bronchoskopie 75, 1d. 90, 166, 175, 178,
186, 420, 439, 548.
— [Indikation zur 549.
— -Instrumente 197.
— "Technik der 165.
— Todesfall bei 420.
Bronchoskopische Einblasungen 421.
Bronchostenose 188.
Bronchus, Kieselsteine im 747.
Brustkorb 436.
Bruststimme 564.
EES 88, 321, 444, 557,
Bursa pharyngea 566.
C.
Camerae silentii 569.
Cancroid 542.
Chinin 518.
Chloreton 434.
Chlorkalzium 401.
Choanalatresie 181, 559.
Choanalsarkom 527.
Choanalverschluss 94, 735.
Chondrome 581.
Chordektomie 164, 412, 488, 439.
Chordom 586.
Chorea 497.
Constrictor pharyngis 443.
Sachregister.
| en
167
Coryfin 141, 449.
Crises nasales 96.
D.
Dacryocystis 186, 528.
Dänische oto-laryngologische Gesell-
schaft 171.
Decanulement 164.
Denkersche Operation 581.
Dermoidzysten des Mundbodens 166, 320.
Diabetes mellitus 434.
Diagnose, Mcthode der 197.
Diagnostik, zahnärztliche 375.
Dep res der Trachea 573.
Diphtherie 77, 163, 178, 395, 487, 438,
527, 535, 537, 551, 741, 742.
Diphtherieantitoxin 544.
Diphtheriebazillenpersistenz 740.
Diphtherie, chronische 326. `
— -Rekonvaleszenten 740.
— -Serum 408.
-— -Sterblichkeit 408.
Diphtherieträger 394.
Drüsen des Rachens 536.
Ductus stenonianus 317.
— — Stein im 330.
— thyreoglossus 154.
-- — Zyste des 187.
Dysphagie 746.
Dysphagietabletten 139,
E.
Ehrlich-Hata 495, 551 s. a. Salvarsan.
— (Tabes) 577.
Elektrolyse 147.
Enchondrom der Nase 585.
Endokarditis 408.
Endoskopie 162.
— der Luft- und Speisewege 440.
Kodothelialsarkom 147.
Endotheliom 68.
— der Parotis 334.
Epiglottis, Amputation der 103.
— Verlötung der 576.
Epiglottiszyste 519, 545.
Epitheliom 810.
Epithelkórperchen 188, 443.
Endoskopie des Larynx 550.
Epilepsio 159.
Epipharyngoscopia 168.
Epistaxis 738.
Epithelialkarzinom der Basis cranii 147.
Epithelkörperchen 157.
Erbrechen 538.
Erbängungsversuch 408.
Erysipel 442, 519.
Ethmoidal-Neurosen 199.
Ethmoiditis 62, 326.
Exophthalmus 63.
Extraduralabszess 679.
168
F.
Falsettstimme 564.
Fehldiagnose, ósophagoskopische 571.
Fenstersonde 197
Fetttransplantation 310.
Fibro-Adenom 30.
Fibrome, nasopharyngeale 547.
— pharyngo-temporale 535.
Fibrom, retromaxilläres 176.
Fıbrosarkom der Nase 64.
Flimmerbewegung in Trachea 440.
Flügelgaumengrube, Tumor der 434.
Formamint 519.
Fortbilduugskurs 101, 580, 758.
Franzósische Gesellschaft für Oto-Rhino-
Laryngologie 178.
Fremdkörper des Antrum maxillae 973.
— bruncho-ósophageale 547.
— im Bronchus 75, 98, 165, 186, 440,
441, 451, 550, 572, 746, 747.
— im Kehlkopf 164, 415, 539, 540, 754.
in der Luftróhre 548.
in den Luftwegen 440, 548, 550.
der Lunge 166, 335, 440, 441, 575.
der Nase 92
im Nasenrachenraum 530.
im Ösophagus 424.
der Regio superciliaris 66.
im Sinus piriformis 247.
der Speiseröhre 91, 165, 166, 180,
319, 440, 550.
— Statistik der 755.
— der Trachea 152, 745, 746.
Fulguration 140.
bid ddd del
G.
Gangrün des Gesichtes 335.
Gastroskop 422.
Gaumendehnung 79.
Gaumen, Epithel des 155.
Gaumenbaken 487.
Gaumen, Insuffizienz des 417, 441.
Gaumenkarzinom 78, 311.
Gaumen Kehlkopflähmung 439.
Gaumenlähmung $51.
Gaumenlymphangiom 442.
Gaumenmandelexstirpation 580.
Gaumenmandel, Funktion und Nutzen
der 447.
Gaumenmaudeln,' Injektionsanüsthesie
der 163.
Gaumensegelkrämpfe 189.
Gaumensegelverschluss 442.
Gaumenspalte 442.
Gaumentumor 71.
Gaumen, Verwachsung des 308.
Gaumenwölbung und Zabnwuchs 400.
Gaumenzyste 78. '
Gebiss, verschlucktes 420.
Geburt 202.
Gehörgangsatresie 571.
Genitalapparat 119, 145.
Sachregister.
Geruchsempfindungen 67.
Gesangschüler 201, 315.
Geschichte 88, 255.
— (Referate) 57, 139, 307, 393, 517, 733.
— (Literaturverzeichnis) 162, 434.
. Geschlechtsorgan 321
Geschmackstórung bei Mittelohraffek-
tionen 442.
Gesellschafts- und Kongressberichte 90,
171, 325, 446, 558, 753.
Gesicht, Chirurgie dess. 330.
Gingivitis 165:
Givasanzahnpaste 99, 749.
Glaseptik 141.
Glossopharyngeuslähmung 443.
Gottsteinsche Sonde 747.
Granulosis rubra 163.
Grenzgebiete (Referate) 80, 156, 319,
425, 749.
— (Literaturverzeichnis) 166, 443.
H.
Halsabszess 749.
Halsdrüsentuberkulose 319, 444.
Halsfistel 441.
Hals, Hygiene dess. 308.
Halskaupastillen 406.
Halskiemenfistel 164.
Halsklinik des Reichshospitals 574.
Halstuberkulose 324.
Halszysten 73.
Hämophilie 163.
Harnstoff 518.
Hautausschlag nach Diphtherie 425.
Heiserkeit 439.
Hemilaryngektomie 539.
Hemiplegien 92, 179.
Hemiplegie glossolaryngeale 316, 745.
Hemispasmus linguae hystericus 80, 94.
Herzneurosen 436.
Herzvergrösserung 433.
Heuschnupfen 67, 430, 436, 518, 519, 521.
Hexamethylenamin 425.
Hiatus semilunaris, Derivate des 163.
Hilusdrüsen 188.
Hirnabszess 178.
Hirnerkrankungen, rhinogene 428.
Hutchinsonsche Zähne 417.
Hypernephrom 315.
Hypopharynx 439.
Hypophysektomie 157.
Hypophysentumor 555.
Hypophysis 70, 167, 319, 335, 431, 531,
571, 576.
— Chirurgie der 161.
Hypophysistumor 83, 167, 750.
Hypsotaphilia 531.
Hypothyreoidismus 443.
Hysterie 162, 542.
I.
Immunisierung 160.
Influenza 485, 784, 789.
4] Sachregister.
r
Inhalationen 441.
Inhalationstherapie 139, 141.
Inkontinenz, fäkale 741.
Innervation des Kehlkopfes 541.
Instrumente 177, 199, 829, 447, 519, 571.
Internationaler Laryngo - Rhinologen-
kongress 203, 339, 453, 580, 756.
— medizinischer Kongress 758.
Intrakranielle Komplikationen 444.
Intranasale Chirurgie, Prinzipien der 190.
Intubation 164, 237, 315, 489, 535.
— bei Fremdkörpern 421.
Intubationskanüle 413.
Jodbasedow 433.
Jodnatrium 807, 734.
K.
Kalium hypermanganicum 74,
Kanarische Inseln 308.
Karotisligatur 64, 157.
Karzinom 19, 140.
— endonasales 1.
— der Nase 63.
— des Siebbeins 708.
Katarrh 139.
Kehldeckelkrebs 164.
Be mine) 71, 148, 312, 408,
, 142.
— (Literaturverzeichnis) 164, 488.
Keblkopfabszess 745.
Kehlkopf-Aktinomykose 538,
Kehlkopfamyloid 544.
Kehlkopfausräumung 813.
Kehlkopfblutung 164.
Keblkopfdiaphragma 165.
Kehlkopfdiphtherie 95, 151, 164, 187, 315.
Kehlkopfbrenner 548.
Kehlkopf, Okklusion des 165.
Kehlkopfexstirpation 90, 186, 196, 540.
Kehlkopf, feinerer Bau des 438.
Keblkopffernrohr 199.
Kehlkopffibrom 573.
Kehlkopfformen, atypische 165.
Kehlkopfgesch wülste 411.
Kehlkopf des Heulaffen 413.
Kehlkopf, Hypernephrom des 315.
Kehlkopfinnervation 149.
Kehlkopfkrebs 75, 164, 225, 814, 414, 415,
438, 589, 545, 744. 745, 755.
aoe es 816, 416, 439, 569,
Kehlkopflahmung nach Trauma 748.
Kehlkopf, Leukokeratosis des 816.
— Lipom des 72, 754.
Kehlkopfluftsäcke 410.
Kehlkopf der Marsupialier 489.
Keblkopfödem 412, 438, 544, 754.
Rene opipapillon: 95, 199, 451, 542, 743,
Kehlkopf, Perichondritis des 754.
Kehlkopfsarkom 196.
Kehlkopfechwindsucht ,
Trichloressig-
säureätzungen bei 487,
769
Kehlkopf bei Selbstmördern 754.
Kehlkopfspiegel 433.
Kehlkopfstenose 886, 565, 572, 745.
Kehlkopfstiidor 439, 548.
Kehlkopf, Struma im 184.
Kehlkopfsyphilis 744.
Keblkopf, 'l'otalexstirpation des 184.
Kehlkopftremor 337.
Kehlkopftuberkulose 95, 103, 148, 149,
150, 152, 307, 312, 818, 314, 409, 412,
413, 416, 438, 439, 589, 544, 545, 573,
753, 754.
Kehlkopftumoren 151, 438, 546.
Kehlkopf, Verknócherung des 188.
Keblkopfunteisuchung 189.
Keilbeinhöhle 181, 436, 559, 560.
— Mukozele der 63
Keilbeintumor 185, 519.
Keuchhusten 77, 159.
Kiefer, Osteomyelitis 442,
Kiefergelenksankylose 426.
Kieferhóhle 529.
— Durchleuchtung der, mit Glühlicht 520.
— Empyem der 142.
— Epitheliom der 405.
— Eıterungen der 526.
Kieferhöhleneiterungen 184, 188, 691.
Kieferhöhleneiterung, Pyämie nach 311.
Kieferhöhlenempyem 146, 163, 336.
Kieferhöhlenkarzinom 436.
A rat 191, 310, 404, 435,
Kieferhöhle, TraumatischeErkrankungen
der 171.
— Trokar für die 522.
Kieferhöhlentumor 63.
Kieferzyste 145, 156, 181, 186, 399.
Kieferzysten, Pathologie der 467.
Kiemengangeiterung 73.
Kiemenspaltenresiduen 438.
Klimatotherapie 308.
Klinik der Tuberkulose 752.
Knochenbildung im Kehlkopf 438.
Knochenbildung in der Luftröhre 438.
Knochenzange 736.
Knorpelgeschwulst 581.
Kohlensäurebehandlung 310.
Kokain 755.
Komplikationen, endokranielle 329.
Komplikation, orbitale 166, 329.
Komplikationen, pharyngeale 329.
Kongress der russischen Oto-Laryngo-
logen 452.
Kongresse und Vereine 99, 339, 580, 755.
Kropf 86, 87, 557
Kropfätiologie 554.
Kropfherz 81.
L.
Lähmungen, luetische 182.
Laryngeal-Dyspnoe 488.
Laryngektomie 165.
— lokale Anüsthesie bei 755.
770
Laryngitis dolorosa 748.
— gummosa 744.
— leprosa 755.
— phlegmonosa 439, 754.
Laryngccele 164
Laryngofissur 815.
Laryngoskopie, direkte 421.
Laryngospasmus 159.
Laryngostomie 115, 164.
Laryngostroboskop 559.
Laryugotomia transhyoidea 174.
Laryngostomie, Stimme nach 131.
Laryngotomie 64, 332.
Laryngotracheosko ie 316.
Larynxatrophie 149.
Larynxintubation 164, 194.
p rp siehe auch Kehlkopf-
krebs 1
Larynzpapiliom 332
Larynxsarkom 489,
Larynx, Sensibilitätsstörungen des 42.
Larynxstenose 314, 439, 545, 754.
Larynxstenosen der Kinder 237.
Larynxstenose nach Typhus 573.
Lehrbuch der Krankheiten des Rachens
und Kehlkopfes 751.
— der Ohren, Nasen- und Kehlkopf-
krankheiten 170.
— der spezifischen Diagnostik und
Therapie der Tuberkulose 752.
Leitungsanästhesie 395.
Leontiasis ossea 184.
Lepra 60, 341, 517, 566, 755.
Leptothrixmykosis 68.
Lichen ruber 166.
Lichiträger 394.
Lingun geographica 418.
Lipom des Larynx 72,
Lipom 519.
Lippen Epitheliom 156.
Lippenkarzinom 158, 442.
Lippenkrebs 553.
Literaturverzeichnis 162, 434.
Lokalanästhesie 58, 191.
Lokale Anulgesie 755.
Longhieches Symptom 314.
Lues 60, 64, 65, 91, 335.
— hereditaria 185.
— Lähmungen bei 182.
— laryngis 95.
Luftröhrenplastik 441.
Luftröhrensyphilis 198. |
Luftréhrentabe rkulose 153, 440. |
Luftróhrentumor 441.
Luftwege obere, Gefüssnerven der 439.
— bei Leprósen 341.
Lungenkrankheiten 57.
Lungenspitzeninduration 87. |
Lungentuberkulose 70, 82, 428, 554. |
Lupus 91, 521, 522, 154.
Lymphadenom 994. !
Lymphangioma orbitae 442.
Lymphangiom der Zunge 79. |
Sachregister.
Lymphatismus 82.
Lymphgefüsse der Nebenhóhlen 142.
M.
Madeira 308.
Magenkrankheiten 754.
Makrochelie 558.
Mal perforant des Proc. alveolaris 577.
Mandelabszess 437, 538.
Mandelblutungen 478.
Mandeln, Entfernung der 448.
Mandelentzündung 312.
Mandeln, Funktion der 163, 437.
— Injektionsanästhesie der 148.
Mandelkrebs 311.
Mandeltuberkulose 327, 739.
Masern 436.
Mediastinaltumor 335.
Mediastinumhalsfistel 318.
Membran retronasale 184.
Meningitis 174.
— cerebrospinalis 69.
Menthol 402.
Mergal 749.
Missbildung des Kehlkopfs 742.
Mitralstenose 540.
Mittelohrentzündungen 67.
Mittelohrkatarrh 536.
Morbus Basedowii 82, 156, 167, 189,
319, 444, siehe Basedowsche Er-
krankung
Mukocele der Stirnhöhle 194.
Mundboden, Zysten des 166.
Mundhöhle (Referate) 78, 153, 317, 417,
ool, 748.
— (Literaturverzeichnis) 166, 441.
— Infektion von 425.
Mundhöhlenboden, Gumma des 186.
Mundböhlenkrebs 79.
Mundlampe 162.
Mundkiebs 442,
Mundpemphigus 185.
Mundpflege 79, 154, 155.
Mund- Rachenerkrankungen 455.
Mundrachenwand der Tiere 442.
Mundschleimhaut, eigenartige Erkran-
kung der 455
Musculus vocalis 439.
Mycetes Seniculus 435.
Myxoma lymphangiectaticum 143.
Myxom des Nasengerüstes 186.
N.
Narkose 357,
Nasale Neuralgie 736.
Nase 309.
— Angiokavernom der 91.
— Aplasie der 405.
— Chondrom der 581.
Nasenatmung 7595.
Nasenbluten 435, 436, 577.
Nanoon nenik und Allgemeinerkran-
kungen 7
6] Sachregister. .
Nasenbrüche 751.:
Nasendestruktionen 405.
Nasendiaphragma 187.
Nasendiphtherie 325.
Naseneingang, Dermatitis 402.
Nasenepitheliom 187, 738.
Nasenersatzplastik 561.
Nasenflügel 182.
— Ansaugung der 182, 401.
Nase (Geschichte) 255.
Nasenheilkunde des Altertums 255.
Naseninsuffizienz 82, 87.
Nasenkorrekturen 154, 187, 561.
Nase, Krankheit der 169.
Nasenkrebs 196.
Nasenleiden und Atmung 725.
— und Hyperaziditat 178.
Nüseln 163, 737.
Nasenlupus 331, 521, 522.
Nasenmassage 401.
Nase, Missbildungen der 163.
— und Nebenhóhlen 62, 308, 397.
Nasennebenhóhlenerkrankungen, iptra-
kranielle und zerebrale Komplikationen
der 23.
— komplizierte Fülle von 597.
Nase und Nebenhöhlen (Referate) 62,
142, 308, 397, 520, 735.
— — (Literaturverzeichnis) 162, 435.
— Pfühlungsverletzung der 183.
Nasenplastik 436.
Nasenpolypen 402, 608.
Nasenrachenfibrome 174, 810, 585.
Nasenrachen, Fremdkörper im 519.
Nasenrachenhóhle, Lymphosarkom der
177
Nasen-Rachenpolyp 92, 176, 536, 588.
Nasenrachenraum, Sarkom des 741.
Nase als Reflexorgan 145.
Nasensarkom 177, 573.
Nasenscheidewand 528 s. a. Septum.
Nasenscheidewandabszess 527.
Nasenscheidewand, Missbildungen der
751.
Nasenscheidewandtuberkulose 65.
Nasenscheidewand, Tumor der 527.
Nasenschleimhaut, Drüsen der 176, 529.
Nasenspitzenplastik 163.
Nasenspekulum 435.
Nasenstein 177.
Nase, Synechien der 193.
Nasensyphilis 435.
Nasentamponade 144, 308, 435, 521.
Nasentrichter 168.
Nasentuberkulose 90, 824, 399.
Nase, Tumoren der 168.
Nasenverschluss 68.
Nasopharynx, Desinfektion des 174.
Nebenhöblen 83, 143, 147, 207, 309, 449,
521, 523.
Nebenhóhlendiagnose 198.
Nebenhóhlen, Chondrome der 581.
— Diagnostik der 739.
Nebenhóhlen-Empyem aller 21.
— Entwickelung der 788, .
— Róntgenologie der 182.
Nebenhöhleneiterung, Bakterien der 66.
Nebenhöhlenkomplikationen 597.
Nebenhöblenleiden 168.
Nebenhöhlen, Lymphgefüsse der 142.
— Operation der 526.
Nebenhóhlenoperationen, atypische 17.
Nebennierensubstanzen 729.
Nebenschilddrüse 184.
Nervenkrankheiten 96.
Nervennaht des Laryngeus, superior
165, 438.
Nervus olfactorius 437.
— opticus 84, 524, 570.
Neuritis optica 63, 606.
— retrobulbäre 599.
Niederländischer Verein für Hals-, Nasen-
und Ohrenheilkunde 176, 569.
Noma 442,
O.
Oberkiefer 182.
Oberkiefergeschwülste 64.
Oberkieferhóhle 146.
Oberkiefernekrose 20.
Oberkiefer, Osteomyelitis des 189, 443.
Oberkieferzyste 142, 569.
Oculomotorius 67.
Ödem des Larynx 571.
Ohr, Fremdkörper im 177.
Ohrgeräusche 430.
Ohrtrompete 431.
Optikusatrophie 145.
Orbita 163, 437.
Orbita, Anatomie der 600. S
Orbitalabszess 108, 163.
Orbitale Komplikationen 177, 186, 207,
397, 406, 426, 427, 430, 436, 750.
Ösophagitis 452.
Ösophagoscopie 89, 91, 152, 165, 175,
18, 319, 420, 424, 440, 452, 548, 550,
571, 746.
Ösophagoskopische Kasuistik 489.
sophagotomie 318.
Osophagus (Referate) 75, 152, 818, 419,
— —— — 165, 439.
— 433.
— Dilatation des 165, 441.
Osophagusatresie 188.
Ösophagusdivertikel 184, 440.
Osophagusektasie 441.
Ösophagusfistel 318.
Ösophagus, Fremdkörper des 747.
Ösophaguskarzinom 747.
Osophagus, Pathologie des 318.
Osophagusstenose 188, 818, 577.
Ösophagusstriktur 158.
Ösophagustuberkulose 165.
Ösophagustumor 164.
772
Ozaena 92, 144, 145, 162, 197, 309, 436,
525, 759.
Ozaenabehandlung 522.
Ozaena und Atemübungen 736.
— trachealis 98.
Ozet 162.
Ozon 807, 784.
P.
Pachydermia laryngis 754.
Pachydermie 316, 541.
Palatoplastik 166.
Pansinuitis 449, 523.
Papillae filiformes 442.
Papilloma durum 92, 163.
Papillome 332, 451.
Papillom des Gaumenbogens 163.
— der Nase 339.
— der Nasenscheidewand 62.
Paraffin 436.
Paratfininjektion 310, 897.
Paraffinprothesen 142.
Paraffintechnik 399.
Paralysis agitans 96.
Pariser Schule 88
Parotiditis 317.
Parotisangiom 442.
Parotisschwellung 80.
— symmetrische 78.
Parotis, Speichelzysten der 552.
Parotitis 444.
— blenorrhoica 166.
Pemphigus 185, 339.
. -— acutus 435.
— der Mundschleimhaut 185.
Pergenolmundpastillen 749.
Périchondritis laryngea 411.
— syphilitica 439.
— thyreoidea 180.
Periósophagitis 550.
Peritonsillitis 570.
Personalia 206, 340, 458, 758.
Pferdeserum 140.
Pfannenstillsche Behandlung 783.
Pharyngitis, Behandlung der 740.
— ulcerosa 69.
Pharyngodynie 789.
Pharyngoscop 180, 181, 308.
Pharyngoscopie 440.
Pharyoxadhäsionen 148.
Pharynx, Biochemie des 438.
Pharynxgeschwüre 91.
Pharynxhypophyse 531.
Pharynxödem 154.
PMALYIEUSOPAEHAGIODEÓ; Sarkom der
Pharynx, Sarkom des 91.
Phlegmone, orbitale 631.
Phonasthenie 546, 744.
Phonation, inspiratorische 411.
Pityriasis rubra 320.
Pneumonie 411, 543.
Sachregister. (7
Poliomyelitis acuta 158.
Polypen 521. !
Polyp, blutender 144, 525.
Polysinusitis 331.
Postikuslähmung 408
Prülaryngealer Abszess 742.
Primäraffekt 65.
Prolaps der Schleimhaut 339.
Prophylaxe 435.
Prosopodiaschisis 524.
Prothese des Schädels 61.
Ptyalin 442.
Purpura hämorrhagica 741.
Putzpulver 325.
Pyocyanase 325, 438.
Q.
Quecksilberdampflicht 149.
R. o
Rachen (Referate) 67, 147, 311, 406,
530, 739.
— (Literaturverzeichnis) 163, 164, 437.
Rachengeschwüre 164, 519.
Rachenhöhle, Selbstinfektion der 311.
Rachenhypophyse 68.
Rachenkatarrh 406.
Rachen, Krankheit des 169.
Rachenmandeln, nasale Fortsätze der 251.
Rachen, Paraesthesien des 741.
Rachenring 538.
Rachensarkom 437.
Rachenschleimhaut, eigerartige Erkran-
kung der 455.
Rachentonsillotom 311.
Rachentuberkulose 189, 807.
Rachentumor 147.
Radium 76, 147, 165, 451, 452, 738.
Radiumtherapie 818.
Ramus pharyngeus des Ganglion sub-
maxillare 406.
Referate 57, 188, 806, 893, 517, 783.
Reflexneurosen 524, 574.
— nasale 404.
Rekurrensfrage 150.
Rekurrenslähmung 43, 73, 74, 91, 95,
149, 327, 335, 488, 540, 541, 544, 556,
573, 754.
Rekurrens, Naht des 416.
Resektion des Oberkiefers 884.
Retropharyngealabszess 89, 67, 70, 435,
438, 534, 577, 754.
Revista espagnola de laringologia, oto-
logia y rinologia 340.
Rheumatismus 312.
Rhinitis 486. Ä
a el eee Sektion des Kgl.
Arztevereins Budapest 336.
Rhinolith 95.
Rhinometrie 486.
Rhinoplastik 562.
Rhinoreaktion 437.
8] Sachregister.
Rhinorrhóe 401.
— cerebrospinale 145.
Rhinosklerom 898.
Rhinoscopia posterior 163.
Rhinotomie, sublabiale 525.
Riechapparat, Fehlen des 146.
Rind, rees des 441.
Rinnenspatel 198.
Rogersches Symptom 441.
Róntgen 188, 315.
Róntgenbehandlung 443.
Röntgenbild 560, 577.
Röntgenbilder, stereoskopische 198.
Róntgendiagnostik 403.
Róntgeninstrumentarium 379.
Röntgenstrahlen 149, 546.
Röntgentherapie 435.
Röntgenuntersuchung 143.
Röntgenverfahren 5%, 441, 527.
Rosenbach-Semonsches Gesetz 438.
S.
Salpyngoscopia 163.
Salvarsan 495, 508, 744, 748.
Süngerknótchen 446, 548.
Sarkom 60.
Sarkomoperation 18.
Sarkom des Septums 19.
Sauerstoff-Büder 162.
Saugbehandlung 162.
Sattelnase 397,
Schüdelbasisfrakturen 161, 331.
Schädelhöhle, Eröffnung der 167.
Scharlach 153. Ä
Scharlachangina 519.
Schilddrüse 153, 159, 401, 443.
Schilddrüsenadenom 162.
Schilddrüse, Adenokarzinom der 444.
— Amyloid der 481.
— Karzinosarkome der 444.
— Syphilis der 444.
Schilddrüsentherapie 158.
Schilddrüse, Transplantation der 87.
— Thyreoglobulingehalt der 88.
— der Zunge 317.
Schleimhautlupus 735.
Schluckakt 183.
Schluckgeräusche 441.
Schluckweg 59.
Schnupfen 729.
Schornsteinkanüle 565.
Schulen 575. :
Schutzvorrichtungssystem 394.
Schwangerschaft 202.
Sehnerv 750.
Sehnervenaffektionen 425.
Sehnervenentzündung 84.
Sehstörungen 397.
Sebstörung bei Nasenleiden 166.
Sepsis nach Tonsillenoperationen 534.
Septumabszess 154, 436, 528.
Septumdeviation 93, 147, 527, 755.
Septumepitheliom 187.
— — — — — — —— — — — —— —— —— — —
Septumerkrankungen 405.
Septumkarzinom 387.
Septum, Lues des 185.
Septumoperation 142, 789.
Septumresektion 163, 175, 176, 181, 192,
928, 485 430, 443 447 525, 529,
574, 78 .
— orale Methode 401.
Septumsarkom 19.
Serum 140.
Sharbock 168.
Siebbein 62, 527.
— Kankroid des 92.
Siebbeinempyem 95.
Siebbeinerkrankungen 404.
Siebbeinlabyrinth 560.
Siebbeinoperation 185.
Siebbein, Tumoren des 697.
Singstimme 315, 541.
Sinus piriformis 74.
Sklerom 94, 95, 141, 185, 186, 485, 520,
566, 567, 573, 735.
Société Belge d'otologie, de rhinologie
et de laryngologie 329, 446, 11. 12.
18. Juni 1910.
Soleinhalationen 141.
Spasmus palatinus 188.
Speicheldrüsen 318.
— Tumoren der 156, 418.
Speichelstein 92, 395, 406, 753.
Speiseröhrenkrebs 76, 188, 440, 452,
siehe auch Ösophaguskrebs.
Speiseröhrensarkom 441.
Speiserdhrentuberkulose 428.
Speiseróhrenverengerung 424, 440, 441.
Speiseröhrenzyste 423.
Spirochaete pallida 419, 553.
Spirochäten 562, 748.
Spongiosierung 349.
Sporotrichose 330.
Sprache 443.
Sprachfehler 545.
Sprache und Stimme 442.
Sprache nach Thyroidektomie 176.
Sprachlaute, Reproduktion von 4106.
Sprachstórungen, psychogene 413.
REESEN nach Kehlkopfausrottung
Sprechapparate 90.
Stammeln 443.
Staphylorrhaphie 442.
Statistik 575.
EES 919, 413.
Stenosen 72.
— laryngotracheale 332,
Stereo-Laryngoskopie 198.
— -Photogramme 332.
Stickhusten 319, 441.
Stimmbänder, Exzision der 72.
— Regeneration der 542.
— Tumor der 180.
Stimmbanderkrankung, einseitige 164,
165.
114
Stimmbandlühmungen 439.
Stimmbandverdickungen 71.
Stimme, Entwickelung der 151.
— Laryngostomierter 181.
-— Untersuchung der 558.
Stimmbildung 869.
— Reform der 167.
Stimmlippenknötchen 369, 558.
saa pathologische Anatomie der
5
Stimmstórungen 559.
Stirnbein, Osteomylitis des 65.
Stirnfistel 187, 577.
Stirnhöhle 405, 436, 578.
Stirnhöhleneiterung 93, 529, 560.
Stirnhöhlenempyem 92.
Stirnhöhle, Endotheliom der 528.
Stirnhöhlenentzündung 65, 570.
Stirnhöhle, Hydrops der 519, 571.
Stirnhöblen, Mukocele der 179, 336.
Stirnhóhlenoperation 310, 337, 401, 569.
Stirnhöhle, Spongiosierung der 349.
Stirnhöhlenexostosen 194.
Stirnhöhle, Zysten der 520.
Stirnlappenabszess 529, 555.
Stirnsyphilis 64
Stomatitis 442.
— ulcerosa 184.
Sea ADDBESDBIEN ulcerosa disseminata
6
Stottern 443 744.
SUEDE E REDI ANM 62.
Stridor thymicus 440
Struma 327, 444.
— Blutveränderungen bei 749.
— maligna 443
Strumen, intratracheale 441.
Strumitis suffocans 80
— — subacuta 173.
Sublingualdrüse, Karzinom der 552.
Submaxillarabszess 749.
Synechien 64, 754.
— der Nase 308.
— nasale 524.
Syphilis 320, 435, 486, 503.
Syphilisinfektion, extragenitale 155.
Syphilis des Halses 170.
— der Nase 170,
— der Ohren 170.
Syringobulbie 189.
Syringomyelie 80.
T.
' Tabes 96.
` Taschenband, Zyste des 95.
Taschenbesteck 307.
Taschenbuch, therapeutisches 446.
Taubheit 154, 48).
‘'aubstummheit 176.
Technique oto-rhino-laryngologique 557.
Teratom 157.
Tetania parathyreopriva 188.
Sachregister. [9
Thoracotomie 440.
Thymus 160.
— Hypertrophie der 158.
Thymusstenose 444.
Thyreoidektomie 74.
Thyreoiditis 443, 557.
Thyreo-laryngo- -linguale Fistel 754.
Ton, primärer 201, 443.
Tonsillarabszesa 70.
Tonsillektomie 163, 312, 327, 406, 407,
531, 534, 579, 740, 754.
Tonsillentraktor 437.
Tonsillitis 406, 537.
Tonsillotomie 530, 571, 740.
— Blutungen nach 312.
— Komplikationen nach 477.
Torticollis 443, 531.
Torus palatinus 441.
Trachea (Referate) 75, 152, 318, 419,
547, 745.
— (Literaturverzeichnis) 165, 439.
— ene ve
— Divertikel der J^
— Hutnadel in der 746.
— Zylindrom der 421.
Trachealdivertikel 186, 199.
Trachealstenose 186.
Trachealveründerung 180.
Tracheo-Bronchialstenose 166.
Tracheo-Bronchitis 441.
Tracheobronchitis pseudomembranacea
440.
Tracheo-Bronchoskopie 89, 440, 746.
Tracheopathia osteo lastica 419.
Tracheoskopie 199, B36, 419.
Tracheotomie 237, 746, 755.
Trünengangsapparat, Tuberkulose des
695
5.
Trünenkanal 437.
Trünen-Nasenkanal 576.
Tränenwege 522.
Transplantation 308.
Trichloressigsäure 487.
Tuba Eustachii 437.
Tubage, perorale 78, 559.
Tuberkelbazillen 164.
Tuberkulindiagnostik 822.
Tuberkulinprüparate 407.
Tuberkulintherapie 322.
Tuberkulose, Behandlung der 733, 734.
— Eintrittspforte der 140
— des Lungenhilus 451.
Tuberculosis cavi nasi 574.
Tumor, branchiogener 186.
Tumoren der Nase 755.
Turbinotomia submucosa 195.
U.
Ulcus rodens 68.
Unterkiefer, Deformierungen des 427.
Unterkiefersarkom 444.
Unterkieferzyste 442.
-— — m-
10] Sachregister.
at
=]
wt
Untersuchung, binokular-stereoskopische | Weisheitszahn 442.
139. Wiener laryngologische Gesellschaft 184.
Untersuchungsbesteck 162. Wissenschaftliche Gesellschaft deutscher
Untersuchung, laryngoskopische 394. Ärzte in Böhmen 94, 573. : `
— direkte des Nasenrachens 196. Wochenbett 202.
Untersuchungsmethode 162. Wortblindheit 443.
Untersuchung, postrhinoskopische 394. | Wrisbergsche Knorpel, Lappenbildung
Untersuchungsverfahren, direktes 68, 163. an den 742.
Uranokolobom 184. Wurzelzyste 442.
Urea-Chinin als Lokalanästhetikum 733.
Uterusmyom 87.
X.
Uvula, Karzinom der 740. Xerose 53.
V. Z.
Vago-Akzessoriuslähmung 414. Zahnbelag 78.
Vagus 511
Vaguskern 408.
Vagusláhmung 443.
Verein der Arzte Wiesbadens 96.
— Deutscher Laryngologen 97, 580, 755.
— tschechischer aryngologen, Otologen
und Rhinologen in Prag 573.
— — Laryngo-Otologen, Prag 95.
Vereinigung, internationale 329.
— —— Hals- und Ohrenürzte
Vererbung 147.
Vergrösserungsspiegel 197.
Verhandlungen er Dänischen oto-laryn-
gologischen Gesellschaft 335, 574.
— Vereins deutscher Laryngologen
— des 3. spanischen rhino-laryngologi-
schen Kongresses 753.
Verkäsung 552.
Versammlung Deutscher Naturforscher
und Ärzte 558, 757.
Vestibularanästhesie 73, 74.
Vokalkurven 180.
Vokalschwingungen 179.
Zahnfleisch 183.
Zahnheilkunde 375.
Zahnretentionen 418.
Zähne in der Nase 404.
— verirrte 91.
Zahnwurzelzyste 403.
Zahnzyste 163, 184, 185, 467, 551, 552.
Zangengriff 734.
Aenizalyerem deutscher Ärzte in Böhmen
574
Zerebrospinalmeningitis 443.
Zitterbewegungen 337.
Zunge 79.
Zungenbasistumor 166.
Zungenhalter 155.
Zungengrund, Tumor des 156, 186, 187.
Zungenkrebs 442.
Zungenkropf 442.
Zungensyphilom 748.
Zungentonsille 180, 553.
— bei Tuberkulose 741.
Zunge, Totalexstirpation der 90.
Zungentonsille, Tumoren der 442.
Zungentremor 337.
Zungentuberkulose 166.
Zunpgentumor 317.
Zunge, Überbeweglichkeit der 184.
Zwerchfell bei Tonbildung 442.
Zykloform 520.
Zykloform-Koryfin 517.
W.
Wassermannsche Reaktion 60, 187, 505.
Wasserstoffsuperoxyd 734.
— — — — — — — — — — — — —MM———— ——— — —— —
Zeitschrift für Laryngologie. Bd. III, H. 6. ol
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